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Document 62013CJ0453
Judgment of the Court (Tenth Chamber), 16 October 2014.#The Queen, on the application of: Newby Foods Ltd v Food Standards Agency.#Request for a preliminary ruling from the High Court of Justice (England and Wales), Queen’s Bench Division (Administrative Court).#Protection of health — Regulation (EC) No 853/2004 — Hygiene rules for food of animal origin — Annex I, points 1.14 and 1.15 — Concepts of ‘mechanically separated meat’ and ‘meat preparations’ — Regulation (EC) No 999/2001 — Prevention, control and eradication of certain transmissible spongiform encephalopathies — Consumer protection — Directive 2000/13/EC — Labelling and presentation of foodstuffs.#Case C‑453/13.
Urteil des Gerichtshofs (Zehnte Kammer) vom 16. Oktober 2014.
The Queen, auf Antrag von Newby Foods Ltd gegen Food Standards Agency.
Vorabentscheidungsersuchen des High Court of Justice [England & Wales], Queen’s Bench Division [Administrative Court].
Gesundheitsschutz – Verordnung (EG) Nr. 853/2004 – Hygienevorschriften für Lebensmittel tierischen Ursprungs – Anhang I Nrn. 1.14 und 1.15 – Begriffe ‚Separatorenfleisch‘ und ‚Fleischzubereitungen‘ – Verordnung (EG) Nr. 999/2001 – Verhütung, Kontrolle und Tilgung bestimmter transmissibler spongiformer Enzephalopathien – Verbraucherschutz – Richtlinie 2000/13/EG – Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln.
Rechtssache C‑453/13.
Urteil des Gerichtshofs (Zehnte Kammer) vom 16. Oktober 2014.
The Queen, auf Antrag von Newby Foods Ltd gegen Food Standards Agency.
Vorabentscheidungsersuchen des High Court of Justice [England & Wales], Queen’s Bench Division [Administrative Court].
Gesundheitsschutz – Verordnung (EG) Nr. 853/2004 – Hygienevorschriften für Lebensmittel tierischen Ursprungs – Anhang I Nrn. 1.14 und 1.15 – Begriffe ‚Separatorenfleisch‘ und ‚Fleischzubereitungen‘ – Verordnung (EG) Nr. 999/2001 – Verhütung, Kontrolle und Tilgung bestimmter transmissibler spongiformer Enzephalopathien – Verbraucherschutz – Richtlinie 2000/13/EG – Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln.
Rechtssache C‑453/13.
Court reports – general
ECLI identifier: ECLI:EU:C:2014:2297
URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zehnte Kammer)
16. Oktober 2014 ( *1 )
„Gesundheitsschutz — Verordnung (EG) Nr. 853/2004 — Hygienevorschriften für Lebensmittel tierischen Ursprungs — Anhang I Nrn. 1.14 und 1.15 — Begriffe ‚Separatorenfleisch‘ und ‚Fleischzubereitungen‘ — Verordnung (EG) Nr. 999/2001 — Verhütung, Kontrolle und Tilgung bestimmter transmissibler spongiformer Enzephalopathien — Verbraucherschutz — Richtlinie 2000/13/EG — Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln“
In der Rechtssache C‑453/13
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom High Court of Justice (England & Wales), Queen’s Bench Division (Administrative Court) (Vereinigtes Königreich), mit Entscheidung vom 7. August 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 12. August 2013, in dem Verfahren
The Queen, auf Antrag von
Newby Foods Ltd
gegen
Food Standards Agency
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zehnte Kammer)
unter Mitwirkung des Richters A. Rosas in Wahrnehmung der Aufgaben des Kammerpräsidenten sowie der Richter E. Juhász und D. Šváby (Berichterstatter),
Generalanwalt: M. Szpunar,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
— |
der Newby Foods Ltd, vertreten durch T. Russ, Solicitor, H. Mercer, QC, und A. Legg, Barrister, |
— |
der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch V. Kaye als Bevollmächtigte im Beistand von J. Holmes, Barrister, |
— |
der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und A. Wiedmann als Bevollmächtigte, |
— |
der französischen Regierung, vertreten durch C. Candat und D. Colas als Bevollmächtigte, |
— |
der Europäischen Kommission, vertreten durch D. Bianchi und K. Skelly als Bevollmächtigte, |
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
1 |
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Nrn. 1.14 und 1.15 des Anhangs I der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 mit spezifischen Hygienevorschriften für Lebensmittel tierischen Ursprungs (ABl. L 139, S. 55, berichtigt in ABl. 2004, L 226, S. 22, und in ABl. 2013, L 160, S. 15). |
2 |
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Newby Foods Ltd (im Folgenden: Newby Foods) und der Food Standards Agency (im Folgenden: FSA) über eine von der FSA am 4. April 2012 veröffentlichte Entscheidung „Moratorium für entsehntes Fleisch“ (im Folgenden: Moratorium). |
Unionsrecht
Hygieneregelung für Lebensmittel tierischen Ursprungs: Verordnung Nr. 853/2004
3 |
Die Verordnung Nr. 853/2004 enthält u. a. folgende Erwägungsgründe: „…
…
…
…“ |
4 |
Die spezifischen Hygienevorschriften für Lebensmittel tierischen Ursprungs, deren Aufstellung Gegenstand der Verordnung Nr. 853/2004 ist, sind in deren Anhängen II ff. enthalten. Ihnen werden im Anhang I eine Reihe von Definitionen vorangestellt, darunter die folgenden: „…“ 1. Fleisch
…
…
… 7. Verarbeitungserzeugnisse
…“ |
5 |
Gemäß Art. 2 Nr. 2 der Verordnung Nr. 853/2004 gelten für diese außerdem die Begriffsbestimmungen in Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über Lebensmittelhygiene (ABl. L 139, S. 1), dessen Abs. 1 u. a. folgende Begriffsbestimmungen enthält: „…
|
6 |
In Anhang III Abschnitt V Kapitel II und III der Verordnung Nr. 853/2004 sind folgende spezifische Vorschriften für die Rohstoffe und die Hygiene während und nach der Herstellung von Hackfleisch/Faschiertem, Fleischzubereitungen und Separatorenfleisch festgelegt: „Kapitel II: Vorschriften für Rohstoffe …
Kapitel III: Hygiene während und nach der Herstellung …
…“ |
7 |
Vor dem Inkrafttreten der Verordnung Nr. 853/2004 waren die gesundheitlichen Aspekte der Gewinnung von Separatorenfleisch durch die Richtlinie 64/433/EWG des Rates über die gesundheitlichen Bedingungen für die Gewinnung und das Inverkehrbringen von frischem Fleisch (ABl. 1964, Nr. 121, 2012) in der zuletzt durch die Richtlinie 95/23/EG des Rates vom 22. Juni 1995 (ABl. L 243, S. 7) geänderten Fassung geregelt. Separatorenfleisch war nach Art. 2 Buchst. c und Art. 6 Abs. 1 Buchst. c dieser Richtlinie definiert als „mechanisch von fleischtragenden Knochen, ausgenommen Kopfknochen, Röhrenknochen, Gliedmaßenenden unterhalb Karpal- bzw. Tarsalgelenk sowie Schweineschwänzen, gewonnenes und für die gemäß Artikel 6 der Richtlinie 77/99/EWG [des Rates vom 21. Dezember 1976 zur Regelung gesundheitlicher Fragen beim innergemeinschaftlichen Handelsverkehr mit Fleischerzeugnissen (ABl. 1977, L 26, S. 85) in ihrer durch die Richtlinie 92/5/EWG des Rates vom 10. Februar 1992 (ABl. L 57, S. 1) geänderten und aktualisierten Fassung] zugelassenen Betriebe bestimmtes Fleisch“, das einer Hitzebehandlung gemäß der Richtlinie 77/99 zu unterziehen war. |
Regelung über die Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln: Richtlinie 2000/13/EG
8 |
Die Richtlinie 2000/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. März 2000 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln sowie die Werbung hierfür (ABl. L 109, S. 29) in der durch die Richtlinie 2001/101/EG der Kommission vom 26. November 2001 (ABl. L 310, S. 19, im Folgenden: Richtlinie 2000/13) geänderten Fassung enthält u. a. folgende Erwägungsgründe: „…
…
…
…
…“ |
9 |
In Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2000/13 heißt es: „Die Etikettierung und die Art und Weise, in der sie erfolgt, dürfen nicht
|
10 |
Gemäß Anhang I dieser Richtlinie entspricht die Bezeichnung „…fleisch“ in der Etikettierung und Aufmachung von Erzeugnissen, die Fleisch als Zutat enthalten, folgender Definition: „Die Skelettmuskeln … von Tieren der Spezies ‚Säugetiere‘ und ‚Vögel‘, die als für den menschlichen Verzehr geeignet gelten, mitsamt dem wesensgemäß darin eingebetteten oder damit verbundenen Gewebe, deren Gesamtanteil an Fett und Bindegewebe die nachstehend aufgeführten Werte nicht übersteigt, und soweit das Fleisch Zutat eines anderen Lebensmittels ist. Die unter die gemeinschaftliche Definition von ‚Separatorenfleisch‘ fallenden Erzeugnisse sind von der vorliegenden Definition ausgenommen. …“ |
11 |
Die Einführung dieser Definition wird in den Erwägungsgründen der Richtlinie 2001/101 wie folgt erläutert:
…
…“ |
12 |
Ab dem 13. Dezember 2014 wird die Richtlinie 2000/13 durch die Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 1924/2006 und (EG) Nr. 1925/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 87/250/EWG der Kommission, der Richtlinie 90/496/EWG des Rates, der Richtlinie 1999/10/EG der Kommission, der Richtlinie 2000/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, der Richtlinien 2002/67/EG und 2008/5/EG der Kommission und der Verordnung (EG) Nr. 608/2004 der Kommission (ABl. L 304, S. 18) gemäß den Art. 53 und 55 der genannten Verordnung Nr. 1169/2011 ersetzt. |
13 |
In Anhang VII Nr. 17 dieser Verordnung wird für die Bezeichnung „…fleisch“ die Definition übernommen, wie sie in Anhang I der Richtlinie 2000/13 enthalten ist, während Nr. 18 des genannten Anhangs VII bestimmt, dass „[a]lle Arten von Erzeugnissen, die unter die Definition von ‚Separatorenfleisch‘ fallen“, mit dem Begriff zu bezeichnen sind „‚Separatorenfleisch‘, dem der Name/die Namen … der Tierart/Tierarten, von der/denen es stammt, vorangestellt ist/sind“, wobei diese Bezeichnung bei der Kennzeichnung in englischer Sprache durch die allgemeine Bezeichnung für das Fleisch der betreffenden Tierspezies ersetzt werden kann. |
Regelung über transmissible spongiforme Enzephalopathien: Verordnung (EG) Nr. 999/2001
14 |
Der Begriff „Separatorenfleisch“, wie er in Nr. 1.14 des Anhangs I der Verordnung Nr. 853/2004 definiert ist, entspricht ferner der Definition in Art. 3 Abs. 1 Buchst. n der Verordnung (EG) Nr. 999/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 mit Vorschriften zur Verhütung, Kontrolle und Tilgung bestimmter transmissibler spongiformer Enzephalopathien (ABl. L 147, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 722/2007 der Kommission vom 25. Juni 2007 (ABl. L 164, S. 7, im Folgenden: Verordnung Nr. 999/2001) geänderten Fassung, abgesehen davon, dass die letztgenannte Definition ihrem Gegenstand nach nicht Geflügelschlachtkörper als Rohstoffe für Separatorenfleisch erfasst. |
15 |
Der fünfte Erwägungsgrund der Verordnung (EG) Nr. 1923/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 zur Änderung der Verordnung Nr. 999/2001 (ABl. L 404, S. 1), durch den die genannte Definition in die Verordnung Nr. 999/2001 eingefügt wurde, lautet: „Im Interesse der Klarheit des Gemeinschaftsrechts sollte verdeutlicht werden, dass die in anderen Gemeinschaftsvorschriften zur Lebensmittelsicherheit vorgesehene Definition von ‚Separatorenfleisch‘ in der Verordnung (EG) Nr. 999/2001 auch im Kontext der [Maßnahmen zur Tilgung von transmissiblen spongiformen Enzephalopathien] zur Anwendung kommen sollte.“ |
16 |
Der Erwägungsgrund 11b der Verordnung Nr. 999/2001 lautet: „Separatorenfleisch erhält man dadurch, dass das Fleisch von den Knochen so getrennt wird, dass die Muskelfaserstruktur zerstört oder verändert wird. Es kann Teile der Knochen oder des Periosteum (Knochenhaut) enthalten. Daher ist Separatorenfleisch nicht mit normalem Fleisch zu vergleichen. Seine Verwendung für den menschlichen Verzehr sollte deshalb überprüft werden.“ |
17 |
In Anhang V Nr. 5 der Verordnung Nr. 999/2001 ist vorgesehen: „Unbeschadet der in Artikel 5 Absatz 2 genannten Einzelentscheidungen und abweichend von Artikel 9 Absatz 3 ist es in allen Mitgliedstaaten verboten, Knochen oder nicht entbeintes Fleisch von Rindern, Schafen und Ziegen für die Gewinnung von Separatorenfleisch zu verwenden.“ |
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
18 |
In einer im Jahr 2003 veröffentlichten „Guidance Note“ führte die FSA zu einem als „entsehntes Fleisch“ bezeichneten Erzeugnis aus: „Die durch maschinelles Entbeinen, bei dem von fleischtragenden Knochen bzw. Schlachtkörpern, gleich ob der ursprüngliche Muskel vorher abgelöst wurde oder nicht, Fleisch in ganzen Stücken so abgelöst wird, dass die Muskelfaserstruktur des Fleisches im Wesentlichen intakt bleibt, gewonnenen Erzeugnisse werden nicht als [Separatorenfleisch] betrachtet. Solches Fleisch kann dann entsehnt werden und wie fein gehacktes Fleisch aussehen. Solche Erzeugnisse können noch als Fleisch betrachtet und in die QUID-Deklaration [Mengenkennzeichnung von Zutaten] aufgenommen werden.“ |
19 |
In einem „Guidance Document“, das nach dieser Guidance Note im Jahr 2010 veröffentlicht wurde, führte die FSA zur Unterscheidung zwischen „entsehntem Fleisch“ und „Separatorenfleisch“ aus:
…
…
Ermittlung der Muskelfaserstruktur
… Bestimmung von entsehntem Fleisch und Separatorenfleisch
…
|
20 |
Die FSA erlaubte Newby Foods 2006 die Produktion von entsehntem Lammfleisch und 2008 die von entsehntem Rindfleisch. |
21 |
Das vorlegende Gericht führt aus, Newby Foods habe eine Maschine entwickelt, mit der nach dem Entfernen des wesentlichen Teils des Fleisches von den Knochen das an diesen noch haftende Restfleisch ohne Zermalmen der Knochen oder Verflüssigen der Gewebereste abgelöst werden könne. Diese Maschine, die im Wesentlichen mit Scherkräften arbeite, unterscheide sich von jenen, bei denen die Gewebereste unter Anwendung von Hochdruck in einen dünnen Brei umgewandelt würden. Das so gewonnene Erzeugnis werde am Ende des ersten Produktionsschritts durch ein Sieb mit Öffnungen mit einem Durchmesser von 10 mm geleitet, um dann in einer anderen Maschine weiterverarbeitet zu werden, in der es zerkleinert und mit einem Sieb passiert werde, dessen Öffnungen einen Durchmesser von 3 mm hätten. Dieses Erzeugnis, das gewöhnlichem Hackfleisch ähnle, werde im Vereinigten Königreich als „entsehntes Fleisch“ vermarktet. In seinem Aussehen hebe sich dieses Erzeugnis deutlich von unter Anwendung von Hochdruck gewonnenem Separatorenfleisch ab. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens trägt vor, niemand stufe das mit ihrer Maschine gewonnene Erzeugnis anders denn als Fleisch ein. |
22 |
Weiter trägt die Klägerin des Ausgangsverfahrens vor, das von ihr gewonnene „entsehnte Fleisch“ enthalte nur sehr selten Teile von Knochen, Knochenhaut oder Knochenmark, obwohl das gelegentliche Vorhandensein von Knochensplittern nicht ausgeschlossen werden könne. |
23 |
Die Klägerin des Ausgangsverfahrens und die FSA tragen unter Berufung auf die in den Rn. 18 und 19 des vorliegenden Urteils genannten Dokumente vor, das mit diesem Verfahren gewonnene Erzeugnis entspreche nicht der Definition von „Separatorenfleisch“ im Sinne der Verordnung Nr. 853/2004, weil keine Auflösung oder „erhebliche“ Veränderung der Knochenfaserstruktur gegeben sei, d. h. wegen Fehlens einer Veränderung, die ausreiche, um die Merkmale von frischem Fleisch zu beseitigen. Das Erzeugnis sei vielmehr als „Fleischzubereitung“ im Sinne von Nr. 1.15 des Anhangs I der Verordnung einzustufen. |
24 |
Nach Ansicht von Newby Foods würde, wenn das in Rede stehende Erzeugnis nur als Separatorenfleisch vermarktet werden dürfte, Fleisch, das als frisches Fleisch für den menschlichen Verzehr geeignet sei, in erheblichem Umfang vergeudet. Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass sich daraus eine erhebliche Minderung des Handelswerts dieses Erzeugnisses ergebe. Im Übrigen hätte diese Einstufung, so das vorlegende Gericht, drei weitere technische Konsequenzen, nämlich:
|
25 |
Das vorlegende Gericht führt aus, die Auflösung oder Veränderung der Muskelfaserstruktur könne auch eine Folge des Zerlegens oder Zerkleinerns sowie des Einfrierens und Auftauens der Skelettmuskeln sein. Dennoch würden durch diese Verarbeitungsvorgänge allgemein die Merkmale frischen Fleisches nicht beseitigt. Für den Standpunkt der Kommission, wonach es keine Rolle spiele, wenn etwa bei einem mechanischen Trennungsverfahren die Knochen unbeschädigt blieben und kein Knochenmark freigesetzt werde, spreche der Vorteil der Einfachheit, wogegen die Auffassung der Klägerin des Ausgangsverfahrens dazu führe, dass das Enderzeugnis jeweils darauf überprüft werden müsste, ob es als Separatorenfleisch einzustufen sei oder nicht. |
26 |
Das vorlegende Gericht verweist auf die von der Kommission in Durchführung der Verordnung Nr. 999/2001 erstellte Mitteilung vom 2. Dezember 2010 an das Europäische Parlament und den Rat über die künftige Notwendigkeit und die Verwendung von Separatorenfleisch in der Europäischen Union, einschließlich der Informationspolitik für die Verbraucher (KOM[2010] 704 endgültig), und zitiert daraus die Nrn. 2 Abs. 1 und 5.1 Abs. 4 und 5: „2. Einleitung Separatorenfleisch wird durch die mechanische Entfernung von Fleischresten nach dem Entbeinen von Fleischknochen oder von Geflügelschlachtkörpern gewonnen … Dabei wird die normale Struktur der Muskelfaser meist entweder so zerstört oder verändert, dass dieses Fleisch mit normalem Fleisch nicht mehr vergleichbar ist. … 5.1. Verfahren zur Herstellung von Separatorenfleisch … Optisch ergibt das Hochdruckverfahren ein Produkt mit einer charakteristischen und insbesondere zähen Konsistenz wegen des Verlusts oder der Veränderung der Muskelfaserstruktur. Andere Technologien (mit Niederdruck) können ein Produkt ergeben, das sich optisch nicht oder kaum von Hackfleisch unterscheidet … Mikroskopisch ist eine Bewertung ‚des Verlusts oder der Veränderung der Muskelfaserstruktur‘ anhand mikroskopischer Schnitte möglich. Dabei lässt sich ein breites Spektrum von Veränderungen der inneren Produktstruktur feststellen, je nachdem, welche Herstellungsparameter verwendet wurden.“ |
27 |
In dem Bericht über eine im März 2012 von einem Audit-Team des Lebensmittel- und Veterinäramts (LVA) der Kommission im Vereinigten Königreich durchgeführte Kontrolle wurde darauf hingewiesen, dass in diesem Mitgliedstaat die Bezeichnung „entsehntes Fleisch“, die in den Unionsrechtsvorschriften nicht existiere, für eine Kategorie von Erzeugnissen verwendet werde, die zu Unrecht als „Fleischzubereitungen“ im Sinne dieser Rechtsvorschriften angesehen würden, während sie in Wirklichkeit Separatorenfleisch entsprächen. In dem Bericht wurde ausführlich auf das in Rn. 19 des vorliegenden Urteils genannte, von der FSA im Jahr 2010 veröffentlichte Dokument eingegangen. Nach diesem Dokument, so der Bericht, sei eine mikroskopische Untersuchung erforderlich, um nachzuweisen, dass die Muskelfaserstruktur am Ende des Produktionsprozesses des betreffenden Erzeugnisses nicht aufgelöst oder verändert worden sei, und in den Ergebnissen der vorgenommenen Untersuchungen, so sie vorlägen, sei in keinem Fall angegeben, dass keine Auflösung oder Veränderung der Muskelfaserstruktur vorliege. |
28 |
Das vorlegende Gericht führt aus, die Auditoren des LVA und der FSA seien sich in der Frage uneins gewesen, ob die Einstufung als Separatorenfleisch im Sinne von Nr. 1.14 der Verordnung Nr. 853/2004 eine irgendwie geartete Auflösung oder Veränderung der Muskelfaserstruktur oder aber eine Auflösung oder Veränderung zu einem bestimmten Grad voraussetze. |
29 |
Am 4. April 2012 veröffentlichte die FSA das Moratorium, in dem sie den Standpunkt der Dienststellen der Kommission zur Einstufung von „entsehntem Fleisch“ nach Unionsrecht zur Kenntnis nahm, sich dabei aber davon distanzierte. In späteren Dokumenten oder Stellungnahmen, die sie gegenüber Unternehmen oder Behörden des Vereinigten Königreichs abgab, und auch in ihrer Antwort auf den Bericht des LVA bekräftigte die FSA ihre grundsätzliche Ablehnung der von den Dienststellen der Kommission vertretenen Auslegung und verwies u. a. auf die Neuartigkeit des von Unternehmen wie Newby Foods verwendeten Verfahrens für das maschinelle Putzen von Knochen, an denen noch viel Fleisch haften könne und die früher von Hand geputzt worden seien. |
30 |
Newby Foods erhob bei dem vorlegenden Gericht Klage gegen das Moratorium. |
31 |
Das vorlegende Gericht führt aus, der Ausgangsrechtsstreit betreffe allein die Etikettierung des Erzeugnisses, das mit dem von Newby Foods eingesetzten Verfahren von Knochen von Schweinen und Geflügel gewonnen werde, weise aber darüber hinaus, sofern das Verfahren auf Wiederkäuerknochen angewandt werde, wegen des Risikos, das mit der jedem maschinellen Verfahren innewohnenden Möglichkeit einer Beschädigung der Knochen verbunden sei, einen Aspekt der öffentlichen Gesundheit auf. Auch wenn der Standpunkt der Dienststellen der Kommission insoweit unscharf sei und von der FSA in Frage gestellt werde, handele es sich doch um eine berechtigte Besorgnis. Es gehe allerdings allein um die Frage, ob im Rahmen des von der Klägerin des Ausgangsverfahrens eingesetzten Verfahrens Wiederkäuerknochen verwendet werden dürften, und nicht darum, ob das so gewonnene Erzeugnis als Separatorenfleisch einzustufen sei. |
32 |
Von Newby Foods bei einem auf Lebensmittel spezialisierten Unternehmen in Auftrag gegebene wissenschaftliche Untersuchungen hätten Folgendes ergeben:
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33 |
Diese Analyse sei von einem Berater bestätigt worden, der zum einen befunden habe, dass unter Anwendung von Hochdruck gewonnenes Separatorenfleisch, bei dem Knochensplitter und Bindegewebe mittels eines Siebes mit Öffnungen von 1 mm Durchmesser herausgefiltert worden seien, sich hinsichtlich der Zusammensetzung und Struktur deutlich von Hackfleisch unterscheide, und zum anderen, dass das Erzeugnis von Newby Foods sich wiederum deutlich von unter Anwendung von Hochdruck gewonnenem Separatorenfleisch unterscheide. |
34 |
Nach Auffassung des vorlegenden Gericht geht es im Hinblick darauf, dass bei dem Erzeugnis, das mit dem von der Klägerin des Ausgangsverfahrens eingesetzten Verfahren gewonnen werde, auch wenn es sich nach Aussehen und Textur deutlich von unter Anwendung von Hochdruck gewonnenem Separatorenfleisch unterscheide, die Muskelfaserstruktur verändert werde, im Kern um die Frage, ob die Einstufung von Separatorenfleisch eine irgendwie geartete Veränderung dieser Struktur voraussetze. |
35 |
Für das vorlegende Gericht ergeben sich aus der Definition des Begriffs „Fleischzubereitungen“ in Anhang I Nr. 1.15 der Verordnung Nr. 853/2004 zwei Schlussfolgerungen. Zum einen zeige die Formulierung „und so“, dass zwischen der Auflösung oder Veränderung der Muskelfaserstruktur und der Beseitigung der Merkmale frischen Fleisches ein Kausalzusammenhang bestehe. Zum anderen könne diese Definition nicht dahin ausgelegt werden, dass jede Verminderung der Merkmale frischen Fleisches der Beseitigung dieser Merkmale gleichgesetzt werde, von der erst bei einer erheblichen Verminderung der Merkmale die Rede sein könne. Im Übrigen seien die „Merkmale frischen Fleisches“ im Sinne dieser Definition die organoleptischen Eigenschaften von frischem Fleisch wie sein Geschmack, sein Geruch und seine Textur. |
36 |
Das mit dem von Newby Foods eingesetzten Verfahren gewonnene Erzeugnis weise immer noch genügend Merkmale frischen Fleisches auf, um es in die Kategorie „Fleischzubereitungen“ im Sinne von Anhang I Nr. 1.15 der Verordnung Nr. 853/2004 einzuordnen. |
37 |
Schließlich greift das vorlegende Gericht das Argument der Klägerin des Ausgangsverfahrens auf, dass die Kommission sich widerspreche, wenn sie eine solche Einordnung mit dem Hinweis ablehne, dass das Erzeugnis aufgrund des Einsatzes mechanischer Mittel und des Vorliegens einer Veränderung der Muskelfaserstruktur als Separatorenfleisch einzustufen sei, obwohl sie zulasse, dass der Einsatz mechanischer Mittel, um Hühnerbrüste von den Schlachtkörpern zu trennen, was aber zwangsläufig eine solche Veränderung an der Stelle des Abschnitts zur Folge habe, für das so gewonnene Fleisch nicht zum Verlust der Merkmale von frischem Fleisch führe. |
38 |
Der High Court of Justice (England & Wales), Queen’s Bench Division (Administrative Court), hat daher das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen vorgelegt:
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39 |
Mit Schreiben vom 1. und 11. Oktober 2013, die am 16. Oktober 2013 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen sind, hat das vorlegende Gericht beantragt, das Vorabentscheidungsersuchen dem beschleunigten Verfahren nach Art. 105 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs zu unterwerfen. Der Präsident des Gerichtshofs hat diesen Antrag mit Beschluss vom 7. Februar 2014, Newby Foods (C‑453/13, EU:C:2014:87), zurückgewiesen. |
Zu den Vorlagefragen
40 |
Mit seinen Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Nrn. 1.14 und 1.15 des Anhangs I der Verordnung Nr. 853/2004, in denen die Begriffe „Separatorenfleisch“ und „Fleischzubereitungen“ definiert sind, dahin auszulegen sind, dass das Erzeugnis, das durch maschinelles Ablösen des an fleischtragenden Knochen nach dem Entbeinen bzw. an Geflügelschlachtkörpern haftenden Fleisches gewonnen wird, nur dann als „Separatorenfleisch“ im Sinne der genannten Nr. 1.14 einzustufen ist, wenn das eingesetzte Verfahren zu einer erheblichen Auflösung oder Veränderung der Muskelfaserstruktur führt, und dass es als „Fleischzubereitung“ im Sinne der genannten Nr. 1.15 einzustufen ist, wenn diese Auflösung oder Veränderung nicht erheblich ist. Für den Fall, dass diese Auslegung gilt, fragt das vorlegende Gericht zusätzlich, welcher Grad an Veränderung oder Auflösung erforderlich wäre, um diese Veränderung oder Auflösung als erheblich anzusehen, und nach welchem Verfahren zu bestimmen wäre, ob dieser erforderliche Grad erreicht ist. |
41 |
Zunächst ist festzustellen, dass die Definition des Begriffs „Separatorenfleisch“ in Anhang I Nr. 1.14 der Verordnung Nr. 853/2004 auf folgenden drei kumulativen Kriterien fußt, die miteinander zu sehen sind: erstens, Verwendung von Knochen – nach Abtrennung der ganzen Muskeln – bzw. Geflügelschlachtkörpern, an denen jeweils noch Fleisch haftet, zweitens, Einsatz maschineller Verfahren zur Gewinnung dieses Fleisches, und drittens, Auflösung oder Veränderung der Muskelfaserstruktur des so gewonnenen Fleisches aufgrund des Einsatzes der genannten Verfahren. Insbesondere wird in dieser Definition nicht nach dem Grad der Auflösung oder Veränderung der Muskelfaserstruktur unterschieden, so dass sie jede Auflösung oder Veränderung dieser Struktur abdeckt. |
42 |
Somit ist jedes Fleischerzeugnis, das diese drei Kriterien erfüllt, unabhängig vom Grad der Auflösung oder der Veränderung der Muskelfaserstruktur als „Separatorenfleisch“ einzustufen, sofern diese Auflösung oder Veränderung aufgrund des eingesetzten Verfahrens größer ist als die rein auf die Schnittflächen begrenzte. |
43 |
Dieses dritte Kriterium ermöglicht es nämlich im Fall des Einsatzes von maschinellen Verfahren, das „Separatorenfleisch“ im Sinne des Anhangs I Nr. 1.14 der Verordnung Nr. 853/2004 von dem durch Abschneiden ganzer Muskeln gewonnenen Erzeugnis zu unterscheiden, das keine allgemeinere Auflösung oder Veränderung der Muskelfaserstruktur aufweist, sondern bei dem eine Auflösung oder Veränderung der Muskelfaserstruktur rein auf die Schnittflächen begrenzt ist. Daher ist es zutreffend, dass vom Tierkörper maschinell abgetrennte Hühnerbrüste kein Separatorenfleisch darstellen. |
44 |
Für Erzeugnisse, die die genannten Kriterien erfüllen und damit der Definition von „Separatorenfleisch“ entsprechen, trifft die Verordnung Nr. 853/2004 keine weitere Unterscheidung als die sich aus ihrem Anhang III Abschnitt V Kapitel III Nrn. 3 und 4 ergebende. |
45 |
Diese Unterscheidung betrifft zum einen Separatorenfleisch im Sinne der genannten Nr. 3, d. h. Separatorenfleisch, das nach Verfahren, die die Struktur der verwendeten Knochen nicht ändern, hergestellt wurde, und zwar unmittelbar nach Abtrennung der ganzen Muskeln, die ihnen ursprünglich anhafteten, und für das vorausgesetzt wird, dass es einen Kalziumgehalt annähernd wie Hackfleisch/Faschiertes hat und den für dieses geltenden mikrobiologischen Kriterien entspricht. |
46 |
Diese Art von Erzeugnissen, die Separatorenfleisch entspricht, das – wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Erzeugnisse – unter Anwendung von Niederdruck gewonnen wurde, kann für bestimmte „Fleischzubereitungen“ im Sinne von Anhang I Nr. 1.15 der Verordnung Nr. 853/2004 verwendet werden, nämlich jene, die vor dem Verzehr einer Hitzebehandlung unterzogen werden müssen, während die Fleischzubereitungen nach ihrer Definition in der genannten Nr. 1.15 grundsätzlich nur aus frischem, eventuell zerkleinertem Fleisch hergestellt werden dürfen, d. h. aus Fleisch, das von ganzen Muskeln stammt, ohne Knochenputz. Ferner kann ein derartiges Erzeugnis in „Fleischerzeugnissen“ im Sinne von Nr. 7.1 des genannten Anhangs verwendet werden. |
47 |
Zum anderen betrifft die genannte Unterscheidung das Separatorenfleisch im Sinne von Anhang III Abschnitt V Kapitel III Nr. 4 der Verordnung Nr. 853/2004, d. h. mit anderen Techniken hergestelltes Separatorenfleisch, das dem unter Anwendung von Hochdruck gewonnenen entspricht und das nur in hitzebehandelten Fleischerzeugnissen in Betrieben verwendet werden darf, die gemäß der Verordnung Nr. 853/2004 zugelassen sind. |
48 |
Die damit in Anhang III Abschnitt V Kapitel III Nrn. 3 und 4 der Verordnung Nr. 853/2004 getroffene Unterscheidung schlägt sich in der Definition des Begriffs „Separatorenfleisch“ in Anhang I Nr. 1.14 dieser Verordnung nieder, insbesondere in der Wendung „so …, dass die Struktur der Muskelfasern sich auflöst oder verändert wird“, denn diese Unterscheidung innerhalb der Kategorie Separatorenfleisch und die genannte Wendung in der Definition dieser Kategorie von Erzeugnissen wurden bei der Ausarbeitung dieser Verordnung zum gleichen Zeitpunkt eingeführt. Das Wort „Veränderung“ in dieser Definition bedeutet nämlich, dass Erzeugnisse, die durch den Einsatz von mit niedrigem Druck arbeitenden Verfahren des mechanischen Ablösens gewonnen werden, auf jeden Fall unter diese Definition fallen. |
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Dieses System, das für Separatorenfleisch eine einzige Kategorie vorsieht mit zwei Unterkategorien für Erzeugnisse, die unterschiedliche Gesundheitsrisiken aufweisen und somit für unterschiedliche Verwendungen bestimmt sein können, wird im 20. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 853/2004 erläutert, der ebenfalls im selben Stadium der Ausarbeitung dieser Verordnung eingeführt wurde. Dort wird für diese Erzeugniskategorie eine Definition angekündigt, die so allgemein und flexibel gefasst ist, dass sie alle Verfahren des mechanischen Ablösens abdeckt und trotz der raschen technologischen Entwicklung auf diesem Gebiet passend bleibt, und es werden technische Anforderungen beschrieben, die sich ausgehend von einer Bewertung für die aus den unterschiedlichen Verfahren resultierenden Erzeugnisse voneinander unterscheiden sollten. |
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Aus diesem Erwägungsgrund, der über den Willen des Unionsgesetzgebers vollständig aufklärt, wird hinreichend deutlich, dass dieser von Anfang an die Möglichkeit der Entwicklung neuer Niederdruck-Herstellungsverfahren für Separatorenfleisch – wie gegebenenfalls das von der Klägerin des Ausgangsverfahrens eingesetzte Verfahren, sofern dieses gegenüber den Verfahren mit die Struktur der verwendeten Knochen nicht verändernden Techniken, die dem Unionsgesetzgeber im Zeitpunkt der Ausarbeitung der Verordnung Nr. 853/2004 bekannt waren, innovativ ist – in Betracht gezogen hat. |
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Zum Vorbringen der Klägerin des Ausgangsverfahrens, nicht jede irgendwie geartete Auflösung oder Veränderung der Muskelfaserstruktur führe dazu, dass ein Erzeugnis als Separatorenfleisch zu betrachten sei, sondern nur eine „erhebliche“ Auflösung oder Veränderung dieser Struktur, ist darauf hinzuweisen, dass die Einstufung als „Separatorenfleisch“ im Sinne von Anhang I Nr. 1.14 der Verordnung Nr. 853/2004, wie in Rn. 41 des vorliegenden Urteils ausgeführt, auf der Kombination dreier kumulativer Kriterien fußt. |
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Dagegen ist bei Erzeugnissen, die – wie die im Ausgangsverfahren fraglichen – die Kriterien von Separatorenfleisch erfüllen, eine Einstufung als „Fleischzubereitung“ im Sinne von Anhang I Nr. 1.15 der Verordnung Nr. 853/2004 nach der dort angegebenen Definition ausgeschlossen. |
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Hierzu ist festzustellen, dass bei der Herstellung von Separatorenfleisch keiner der beiden in dieser Definition vorgesehenen Vorgänge, nämlich eine Zugabe von Lebensmitteln, Würzstoffen oder Zusatzstoffen oder eine Verarbeitung im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. m der Verordnung Nr. 852/2004, stattfindet, da ein Erzeugnis wie das im Ausgangsverfahren in Rede stehende vielmehr dem Begriff „unverarbeitetes Erzeugnis“ im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. n dieser Verordnung entspricht. |
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Zudem hängt der Begriff „Fleischzubereitungen“ nicht unmittelbar mit dem Begriff „Separatorenfleisch“ zusammen, sondern zum einen mit den Begriffen „frisches Fleisch“ und „Hackfleisch/Faschiertes“, die im Grunde genommen die einzigen verwendbaren Rohstoffe sind, und zum anderen mit dem Begriff „Fleischerzeugnisse“ im Sinne von Anhang I Nr. 7.1 der Verordnung Nr. 853/2004, der im Fall der Verarbeitung von frischem Fleisch als Rohstoff mit dem Begriff „Fleischzubereitungen“ kombiniert wird. In diesem Fall sind nämlich diese beiden letztgenannten Begriffe Alternativen in dem Sinne, dass je nachdem, ob bei einem Prozess der Verarbeitung von frischem Fleisch die innere Muskelfaserstruktur verändert wird und so die Merkmale frischen Fleisches beseitigt werden oder aber keine solche Veränderung eintritt, das hergestellte Erzeugnis entweder ein Fleischerzeugnis oder eine Fleischzubereitung darstellt. |
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Im Übrigen ist auch eine Einstufung von Erzeugnissen wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden als „frisches Fleisch“ im Sinne von Anhang I Nr. 1.10 der Verordnung Nr. 853/2004, wie sie die französische Regierung vorschlägt, ausgeschlossen. Abgesehen von ihren sonstigen Merkmalen könnten diese Erzeugnisse, da sie aus zerkleinertem Fleisch bestehen, nämlich nur unter den Begriff „Hackfleisch/Faschiertes“ im Sinne von Nr. 1.13 des genannten Anhangs fallen, von dem sie aber nach Anhang III Abschnitt V Kapitel II Nr. 1 Buchst. c Ziff. iv dieser Verordnung auszuschließen sind, da sie aus Knochenputz gewonnen wurden. |
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Unabhängig von den Hygienevorschriften der Verordnung Nr. 853/2004 ergeben sich aus der Einstufung der durch den Einsatz eines bestimmten industriellen Verfahrens gewonnenen Erzeugnisse als „Separatorenfleisch“ im Sinne von Anhang I Nr. 1.14 dieser Verordnung zudem Folgen hinsichtlich der Verordnung Nr. 999/2001 über die transmissiblen spongiformen Enzephalopathien und hinsichtlich der Richtlinie 2000/13, die u. a. die Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln betrifft. |
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Diese Einstufung bedeutet nämlich erstens, dass dieses Verfahren gemäß Anhang V Nr. 5 der Verordnung Nr. 999/2001 über die transmissiblen spongiformen Enzephalopathien nicht für die Verarbeitung von Rohstoffen eingesetzt werden kann, die von Rindern, Schafen und Ziegen stammen. |
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Entgegen der Auffassung der Klägerin des Ausgangsverfahrens entspricht es nämlich dem eindeutig erklärten Willen des Unionsgesetzgebers, wie er im Rahmen der Maßnahmen zur Bekämpfung dieser Krankheiten zum Ausdruck gebracht worden ist, dass aus der genannten Einstufung von Erzeugnissen wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden das Verbot folgt, sie aus von Wiederkäuern stammenden Rohstoffen herzustellen. Aus dem fünften Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1923/2006, durch die die Definition von „Separatorenfleisch“ in die Verordnung Nr. 999/2001 eingefügt wurde, geht nämlich hervor, dass der Unionsgesetzgeber auf diesem Gebiet die vorher auf dem Gebiet der Sicherheit von Lebensmitteln im Rahmen der Verordnung Nr. 853/2004 vorgesehene Definition übernehmen wollte. |
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Aus dem Erwägungsgrund 11b der Verordnung Nr. 999/2001 ergibt sich außerdem, dass der Gesetzgeber im Rahmen dieser Verordnung u. a. den Umstand berücksichtigt hat, dass Separatorenfleisch Teile von Knochen oder des Periosteum enthalten kann. Aus der Vorlageentscheidung geht aber gerade hervor, dass dies auch bei einem Erzeugnis wie dem von der Klägerin hergestellten der Fall ist. |
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Zweitens hat die Einstufung als „Separatorenfleisch“ im Sinne von Anhang I Nr. 1.14 der Verordnung Nr. 853/2004 gemäß Anhang I der Richtlinie 2000/13 das Verbot zur Folge, das betreffende Erzeugnis mit der Bezeichnung „…fleisch“ mit vorangestelltem Namen der Tierspezies, von der es stammt, zu etikettieren, weil dieses Erzeugnis nur als „Separatorenfleisch“ mit Angabe des Namens der Tierspezies, von der es stammt, bezeichnet werden darf. |
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Im Rahmen dieser Richtlinie, die nach ihrem sechsten Erwägungsgrund vor allem der Unterrichtung und dem Schutz der Verbraucher dienen soll, stellt dieses Verbot eine Durchführung der in ihrem Art. 2 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i aufgestellten allgemeinen Regel dar, wonach die Etikettierung nicht geeignet sein darf, den Käufer über die Eigenschaften des Lebensmittels, namentlich über Art, Identität, Beschaffenheit, Zusammensetzung, Menge, Haltbarkeit, Ursprung oder Herkunft und Herstellungs- oder Gewinnungsart, irrezuführen. |
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Wie aus den Erwägungsgründen 1 und 7 der Richtlinie 2001/101 hervorgeht, entspricht nämlich der Begriff „Fleisch“, der im Rahmen der Verordnung Nr. 853/2004 für die Zwecke der Hygiene und des Gesundheitsschutzes in Bezug auf alle Teile von Tieren, die für den menschlichen Verzehr geeignet sind, definiert wurde, nicht der Verbrauchervorstellung von Fleisch und ist somit nicht geeignet, den Verbraucher über die wirkliche Beschaffenheit der im Rahmen der genannten Verordnung unter diese Definition fallenden Erzeugnisse zu informieren, so dass Separatorenfleisch, das sich nach der Vorstellung des Verbrauchers wesentlich von „Fleisch“ unterscheidet, für die Zwecke der Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln vom Anwendungsbereich des Fleischbegriffs auszunehmen ist. |
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In den genannten Erwägungsgründen kommt die Feststellung zum Ausdruck, dass Separatorenfleisch, auch wenn es, sofern es nicht von Wiederkäuern stammt, technisch für den menschlichen Verzehr geeignet ist, ein Erzeugnis von minderer Qualität darstellt, weil es aus Fleischresten, Fett und Bindegewebe besteht, die, nachdem das Fleisch im Wesentlichen abgetrennt worden ist, noch an den Knochen haften. |
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Der von der Klägerin des Ausgangsverfahrens als Argument für eine andere Bezeichnung als „Separatorenfleisch“ ins Feld geführte Umstand, dass ein Erzeugnis wie das von ihr hergestellte, das in der betreffenden Branche als „Baaderfleisch“, „3-mm-Fleisch“ oder „entsehntes Fleisch“ bekannt ist, in seinem Aussehen Hackfleisch ähnelt und der Verbraucher es von diesem nicht leicht unterscheiden kann, weil in dem Gemisch von Stoffen, das am Ende des Herstellungsprozesses vorliegt, die verschiedenen Stoffe nicht zu erkennen sind, veranschaulicht in Wirklichkeit die Art von Missverständnissen, die der Unionsgesetzgeber mit dem Erlass der Richtlinie 2000/13 verhindern wollte. |
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Wäre nicht vorgeschrieben, dass dieses Erzeugnis minderer Qualität eine besondere Kennzeichnung erhält, die den Verbrauchern eindeutige Informationen bietet und jede Unklarheit über seine wahre Beschaffenheit beseitigt, sondern wäre im Gegenteil eine Kennzeichnung erlaubt, die die Annahme zuließe, dass es sich um zerstückeltes Fleisch, wie Hackfleisch, handle, würde dies darauf hinauslaufen, dass ein Hauptziel dieser Richtlinie verfehlt wird, nämlich eine detaillierte Etikettierung zu gewährleisten, die Auskunft gibt über die genaue Art und die Merkmale des Erzeugnisses und es dem Verbraucher ermöglicht, sachkundig seine Wahl zu treffen, wie es im achten Erwägungsgrund der Richtlinie 2000/13 heißt. Dies gilt umso mehr, wenn das Erzeugnis eine Zutat darstellt, die der Verbraucher nicht erkennen kann. |
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Außerdem hätte dies zur Folge, dass die Verwirklichung eines anderen Hauptziels der Richtlinie 2000/13 beeinträchtigt würde, das in deren zweitem Erwägungsgrund genannt ist, nämlich die Unterschiede in der Etikettierung von Lebensmitteln zu beseitigen, die den freien Verkehr mit diesen Erzeugnissen behindern und eine ungleiche Wettbewerbslage hervorrufen können. |
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Nach alledem ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass die Nrn. 1.14 und 1.15 des Anhangs I der Verordnung Nr. 853/2004 dahin auszulegen sind, dass das Erzeugnis, das durch maschinelles Ablösen des an fleischtragenden Knochen nach dem Entbeinen bzw. an Geflügelschlachtkörpern haftenden Fleisches gewonnen wird, als „Separatorenfleisch“ im Sinne von Nr. 1.14 einzustufen ist, da das eingesetzte Verfahren zu einer stärkeren Auflösung oder Veränderung der Muskelfaserstruktur führt, als sie rein an Schnittflächen eintritt; dies gilt unabhängig davon, dass das eingesetzte Verfahren die Struktur der verwendeten Knochen nicht ändert. Ein solches Erzeugnis kann nicht als „Fleischzubereitung“ im Sinne von Nr. 1.15 eingestuft werden. |
Kosten
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Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig. |
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zehnte Kammer) für Recht erkannt: |
Die Nrn. 1.14 und 1.15 des Anhangs I der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 mit spezifischen Hygienevorschriften für Lebensmittel tierischen Ursprungs sind dahin auszulegen, dass das Erzeugnis, das durch maschinelles Ablösen des an fleischtragenden Knochen nach dem Entbeinen bzw. an Geflügelschlachtkörpern haftenden Fleisches gewonnen wird, als „Separatorenfleisch“ im Sinne von Nr. 1.14 einzustufen ist, da das eingesetzte Verfahren zu einer stärkeren Auflösung oder Veränderung der Muskelfaserstruktur führt, als sie rein an Schnittflächen eintritt; dies gilt unabhängig davon, dass das eingesetzte Verfahren die Struktur der verwendeten Knochen nicht ändert. Ein solches Erzeugnis kann nicht als „Fleischzubereitung“ im Sinne von Nr. 1.15 eingestuft werden. |
Unterschriften |
( *1 ) Verfahrenssprache: Englisch.