Choose the experimental features you want to try

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 62013CC0634

    Schlussanträge des Generalanwalts N. Wahl vom 26. März 2015.
    Total Marketing Services SA gegen Europäische Kommission.
    Rechtsmittel – Wettbewerb – Markt für Paraffinwachse – Markt für Paraffingatsch – Dauer der Beteiligung an einem rechtswidrigen Kartell – Beendigung der Beteiligung – Unterbrechung der Beteiligung – Kein Nachweis kollusiver Kontakte während eines bestimmten Zeitraums – Fortsetzung der Zuwiderhandlung – Beweislast – Offene Distanzierung – Wahrnehmung der Distanzierungsabsicht durch die anderen Kartellbeteiligten – Begründungspflicht – Grundsätze der Unschuldsvermutung, der Gleichbehandlung, des wirksamen gerichtlichen Rechtsschutzes und der individuellen Strafzumessung.
    Rechtssache C-634/13 P.

    Court reports – general

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:2015:208

    SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

    NILS WAHL

    vom 26. März 2015 ( 1 )

    Rechtssache C‑634/13 P

    Total Marketing Services, Rechtsnachfolgerin von Total Raffinage Marketing,

    gegen

    Europäische Kommission

    „Rechtsmittel — Wettbewerb — Kartelle — Markt für Paraffinwachse im EWR und deutscher Markt für Paraffingatsch — Festsetzung der Preise und Aufteilung der Märkte — Entscheidung, mit der eine Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln festgestellt wird — Dauer der Beteiligung an einem rechtswidrigen Kartell — Einstellung der Beteiligung — Unterbrechung der Beteiligung — Beweislast — Offene Distanzierung — Wahrnehmung der Distanzierungsabsicht durch die anderen Kartellbeteiligten“

    I – Einleitung

    1.

    Mit dem vorliegenden Rechtsmittel beantragt Total Marketing Services als Rechtsnachfolgerin von Total Raffinage Marketing (vormals Total France SA, im Folgenden: Total France oder Rechtsmittelführerin) die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union Total Raffinage Marketing/Kommission ( 2 ), mit dem Letzteres im Wesentlichen ihre Klage auf teilweise Nichtigerklärung der Entscheidung K(2008) 5476 endg. der Kommission vom 1. Oktober 2008 in einem Verfahren nach Art. 81 [EG] und Art. 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/39.181 – Kerzenwachse) (im Folgenden: streitige Entscheidung) abgewiesen hat, hilfsweise die Herabsetzung der gegen sie verhängten Geldbuße.

    2.

    Obwohl die vorliegende Rechtssache eng mit dem Rechtsmittelverfahren in der Rechtssache Total/Kommission (C‑597/13 P) verbunden ist, in der ich heute ebenfalls meine Schlussanträge vorlege, stellen sich im vorliegenden Fall ganz andere Rechtsfragen. Letztere beziehen sich im Wesentlichen darauf, ob nicht die Kontrolle des Gerichts hinsichtlich der während bestimmter Zeiträume angenommenen Beteiligung der Rechtsmittelführerin am Kartell unzureichend oder fehlerhaft ist. Die vorliegende Rechtssache bietet daher Gelegenheit, einige Hinweise zu Fragen des Nachweises der Beteiligung eines Unternehmens an einem rechtswidrigen Kartell zu geben und insbesondere klarzustellen, unter welchen Voraussetzungen das Kriterium der offenen Distanzierung des betreffenden Unternehmens herangezogen werden kann.

    II – Vorgeschichte des Rechtsstreits

    3.

    Die Vorgeschichte des Rechtsstreits und der Inhalt der streitigen Entscheidung wurden vom Gericht in den Rn. 1 bis 17 des angefochtenen Urteils zusammengefasst, auf die für weitere Einzelheiten verwiesen wird.

    4.

    Für die Prüfung des vorliegenden Rechtsmittels werde ich mich auf folgende Hinweise beschränken.

    5.

    Mit der streitigen Entscheidung stellte die Europäische Kommission fest, dass die Rechtsmittelführerin und ihre sie zu nahezu 100 % haltende Muttergesellschaft, die Total SA (im Folgenden: Total), mit anderen Unternehmen gegen Art. 81 Abs. 1 EG und Art. 53 Abs. 1 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 (ABl. 1994, L 1, S. 3, im Folgenden: EWR-Abkommen) verstoßen hätten, indem sie sich an einem Kartell auf dem Markt für Paraffinwachse im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) und auf dem deutschen Markt für Paraffingatsch beteiligt hätten. Die Rechtsmittelführerin und ihre Muttergesellschaft Total waren unter den Adressaten der streitigen Entscheidung.

    6.

    Der Erlass der streitigen Entscheidung erfolgte im Anschluss an eine im Frühjahr 2005 eröffnete Untersuchung infolge von Informationen, die eine Gesellschaft geliefert hatte. Nach Durchführung dieser Untersuchung war die Kommission zu dem Ergebnis gekommen, dass die Mehrheit der Paraffinwachs- und Paraffingatschhersteller im EWR, zu denen die Rechtsmittelführerin gehörte, an einer einzigen, komplexen und fortdauernden Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG und Art. 53 EWR-Abkommen teilgenommen hätten, die das Gebiet des EWR betroffen habe.

    7.

    Diese Zuwiderhandlung habe in Vereinbarungen oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen betreffend Preisfestsetzungen sowie den Austausch und die Offenlegung von kommerziell empfindlichen Informationen über Paraffinwachse bestanden. Im Fall bestimmter Gesellschaften, zu denen die Rechtsmittelführerin gehörte, habe die Zuwiderhandlung im Hinblick auf Paraffinwachse auch in der Aufteilung der Kunden oder der Märkte bestanden und auch auf dem deutschen Markt an Endabnehmer verkauftes Paraffingatsch betroffen (Erwägungsgründe 2, 95, 328 und Art. 1 der streitigen Entscheidung).

    8.

    Die rechtswidrigen Verhaltensweisen seien bei wettbewerbswidrigen Zusammenkünften, die von den Teilnehmern als „technische Treffen“ oder manchmal als „Blauer Salon“ bezeichnet worden seien, und bei „Gatsch-Treffen“ besprochen worden, die speziell Fragen des Paraffingatsches gewidmet gewesen seien.

    9.

    Laut der Kommission waren die Beschäftigten von Total France während der gesamten Dauer unmittelbar an der Zuwiderhandlung beteiligt. Die Kommission machte folglich Total France für ihre Beteiligung an dem Kartell haftbar (Erwägungsgründe 555 und 556 der streitigen Entscheidung). Außerdem wurde Total France im Zeitraum 1990 bis zum Ende der Zuwiderhandlung unmittelbar oder mittelbar zu mehr als 98 % von Total gehalten. Die Kommission war der Ansicht, es könne auf dieser Grundlage vermutet werden, dass Total einen bestimmenden Einfluss auf das Verhalten von Total France ausgeübt habe, weil beide Gesellschaften Teil desselben Unternehmens gewesen seien (Erwägungsgründe 557 bis 559 der streitigen Entscheidung).

    10.

    Die Höhe der im vorliegenden Fall verhängten Geldbußen wurde auf der Grundlage der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe a) der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 ( 3 ) berechnet, die zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der Mitteilung der Beschwerdepunkte in Kraft waren.

    11.

    Gemäß diesen Leitlinien gelangte die Kommission hinsichtlich der Rechtsmittelführerin und ihrer Muttergesellschaft zu einem Gesamtbetrag der Geldbuße von 128163000 Euro (785. Erwägungsgrund der streitigen Entscheidung).

    12.

    Der verfügende Teil der streitigen Entscheidung bestimmt:

    „Artikel 1

    Die folgenden Unternehmen haben eine Zuwiderhandlung gegen Artikel 81 Absatz 1 [EG] und – seit dem 1. Januar 1994 – gegen Artikel 53 EWR-Abkommen begangen, indem sie sich in den jeweils genannten Zeiträumen an einer fortdauernden Vereinbarung und/oder einer fortdauernden abgestimmten Verhaltensweise im Paraffinwachssektor auf dem Gemeinsamen Markt und, seit 1. Januar 1994, im Europäischen Wirtschaftsraum beteiligten:

    Total France …: vom 3. September 1992 bis zum 28. April 2005; und

    Total SA: vom 3. September 1992 bis zum 28. April 2005.

    Bei den folgenden Unternehmen betrifft die Zuwiderhandlung auch an Endkunden auf dem deutschen Markt verkauftes Paraffingatsch im jeweils angegebenen Zeitraum:

    Total France …: vom 30. Oktober 1997 bis zum 12. Mai 2004; und

    Total SA: vom 30. Oktober 1997 bis zum 12. Mai 2004.

    Artikel 2

    Für die in Artikel 1 genannte Zuwiderhandlung werden folgende Geldbußen festgesetzt:

    Total France … gesamtschuldnerisch mit Total SA: 128163000 EUR.

    …“

    III – Das angefochtene Urteil und das Urteil in der Rechtssache Total/Kommission (T‑548/08)

    13.

    Die Rechtsmittelführerin erhob mit Klageschrift, die am 17. Dezember 2008 bei der Kanzlei des Gerichts einging, eine Klage gegen die streitige Entscheidung, die auf elf Klagegründe gestützt war. Ein zwölfter Klagegrund wurde in der mündlichen Verhandlung vor dem Gericht geltend gemacht.

    14.

    Das Gericht wies alle diese Klagegründe mit Ausnahme des achten zurück, der die Rechtswidrigkeit der in Ziff. 24 der Leitlinien von 2006 verankerten Berechnungsmethode betraf. Das Gericht stellte fest, dass die Kommission bei der Bestimmung des Multiplikationsfaktors, der die Dauer der Beteiligung von Total France an der Zuwiderhandlung widerspiegle, gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung verstoßen habe, indem sie einen Zeitraum der Beteiligung von sieben Monaten und 28 Tagen (für Paraffinwachse) und einen Zeitraum der Beteiligung von sechs Monaten und zwölf Tagen (für Paraffingatsch) einer Beteiligung von einem ganzen Jahr gleichgestellt habe. Demzufolge setzte das Gericht den Gesamtbetrag der gegen die Rechtsmittelführerin verhängten Geldbuße von 128163000 Euro auf 125459842 Euro herab.

    15.

    Im am selben Tag erlassenen Urteil in der Rechtssache Total/Kommission (T‑548/08, EU:T:2013:434) hat das Gericht hingegen die Ansicht vertreten, dass nach den Umständen dieses Falls die gegen die Muttergesellschaft der Rechtsmittelführerin verhängte Geldbuße angemessen sei (Rn. 224 des Urteils). Darum hat es die gegen die Muttergesellschaft Total verhängte Geldbuße nicht parallel entsprechend herabgesetzt. Es hat außerdem sämtliche Klagegründe von Total in dieser letztgenannten Rechtssache zurückgewiesen.

    IV – Verfahren vor dem Gerichtshof und Anträge der Parteien

    16.

    Die Rechtsmittelführerin beantragt,

    das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit das Gericht zu Unrecht ausgeschlossen hat, dass die Rechtsmittelführerin ihre Beteiligung an der Zuwiderhandlung nach dem 12. Mai 2004 beendete;

    das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit das Gericht zu Unrecht jegliche ungerechtfertigte Ungleichbehandlung der Rechtsmittelführerin gegenüber der Repsol YPF Lubricantes y Especialidades SA, der Repsol Petróleo SA und der Repsol YPF SA (im Folgenden: Repsol) hinsichtlich der Dauer ihrer Beteiligung an der Zuwiderhandlung ausgeschlossen hat;

    das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit das Gericht zu Unrecht eine Unterbrechung der Beteiligung der Rechtsmittelführerin an der Zuwiderhandlung zwischen dem 26. Mai 2000 und dem 26. Juni 2001 ausgeschlossen hat;

    das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit das Gericht nicht auf den Klagegrund eingegangen ist, wonach die Beweise dafür, dass das Verhalten der Rechtsmittelführerin auf dem Markt nicht gegen die Wettbewerbsregeln verstieß, nicht geprüft wurden;

    gemäß Art. 61 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union endgültig zu entscheiden und die streitige Entscheidung, soweit sie die Rechtsmittelführerin betrifft, für nichtig zu erklären sowie in Ausübung der Befugnis zur unbeschränkten Nachprüfung die gegen die Rechtsmittelführerin verhängte Geldbuße herabzusetzen;

    für den Fall, dass der Gerichtshof über den vorliegenden Rechtsstreit nicht endgültig entscheiden sollte, die Kostenentscheidung vorzubehalten und die Rechtssache an das Gericht zur erneuten Prüfung gemäß dem Urteil des Gerichtshofs zurückzuverweisen;

    schließlich gemäß Art. 69 der Verfahrensordnung der Kommission die sowohl vor dem Gericht als auch vor dem Gerichtshof entstandenen Kosten aufzuerlegen.

    17.

    Die Kommission beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen und der Rechtsmittelführerin die Kosten einschließlich der vor dem Gericht entstandenen Kosten aufzuerlegen.

    18.

    Die Parteien haben über das Rechtsmittel schriftlich und am 15. Januar 2015 mündlich verhandelt.

    V – Prüfung des Rechtsmittels

    19.

    Das Rechtsmittel stützt sich auf folgende vier Rechtsmittelgründe:

    einen Verstoß gegen Art. 101 AEUV, die Regeln über die Beweisführung, die Grundsätze der Unschuldsvermutung und der Rechtssicherheit sowie das Begründungserfordernis, soweit das Gericht festgestellt habe, dass sich die Rechtsmittelführerin nach dem Treffen vom 11. und 12. Mai 2004 und bis zum 28. April 2005 an der Zuwiderhandlung beteiligt habe;

    einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, eine Verfälschung von Beweisen und einen Begründungsmangel, soweit das Gericht den Rückzug der Rechtsmittelführerin aus dem Kartell nach dem Treffen vom 11. und 12. Mai 2004 ausgeschlossen, den Rückzug von Repsol nach dem Treffen vom 3. und 4. August 2004 jedoch anerkannt habe;

    einen Verstoß gegen Art. 101 AEUV, gegen die Grundsätze der Unschuldsvermutung, der Rechtssicherheit und der Gleichbehandlung sowie gegen das Begründungserfordernis, soweit das Gericht festgestellt habe, dass die Rechtsmittelführerin ihre Beteiligung an der Zuwiderhandlung in der Zeit vom 26. Mai 2000 bis zum 26. Juli 2001 nicht unterbrochen habe;

    einen Verstoß gegen den Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes, den Grundsatz der individuellen Zumessung von Strafen und Sanktionen sowie gegen das Begründungserfordernis, soweit das Gericht den Klagegrund der Nichtberücksichtigung der Beweise dafür, dass das Verhalten der Rechtsmittelführerin nicht gegen die Wettbewerbsregeln verstoßen habe, ungeprüft zurückgewiesen habe.

    20.

    Die Kommission ist der Auffassung, dass die Rechtsmittelgründe, die einfach nur darauf gerichtet seien, dass der Gerichtshof über das vom Gericht bereits Entschiedene ein zweites Mal entscheide, im Wesentlichen unzulässig seien. Jedenfalls seien die Rechtsmittelgründe unbegründet.

    21.

    Bevor auf die aufgeworfenen Fragen in der Sache eingegangen wird, sind einige Worte zur Zulässigkeit der geltend gemachten Rechtsmittelgründe angebracht.

    22.

    Wie die Kommission zu Recht ausgeführt hat, ist es unbestreitbar, dass der Gerichtshof keine erneute Prüfung der beim Gericht eingereichten Klage vorzunehmen hat, da diese Beurteilung nicht in die Zuständigkeit des Gerichtshofs im Rahmen eines Rechtsmittels fällt ( 4 ). Der Gerichtshof ist insbesondere nicht für die Feststellung der Tatsachen zuständig und grundsätzlich nicht befugt, die Beweise zu prüfen, auf die das Gericht seine Feststellungen gestützt hat. Diese Beurteilung ist somit, sofern die Beweise nicht verfälscht wurden, keine Rechtsfrage, die als solche der Kontrolle des Gerichtshofs unterliegt ( 5 ).

    23.

    Zur Bestimmung der Dauer einer Zuwiderhandlung hat der Gerichtshof bereits festgestellt, dass die Begriffe der offenen Distanzierung und der Kontinuität einer wettbewerbswidrigen Verhaltensweise – auf die sich die Rechtsmittelgründe im vorliegenden Fall insbesondere beziehen – Sachverhalte widerspiegeln, deren Vorliegen vom Tatsachengericht im Einzelfall auf der Grundlage einer Beurteilung „einer Reihe von Koinzidenzen und Indizien“, die ihm vorgelegt wurden, und infolge „einer Gesamtbewertung aller relevanten Beweise und Anhaltspunkte“ festgestellt wird. Sind diese Beweise ordnungsgemäß erhoben und die allgemeinen Rechtsgrundsätze sowie die Vorschriften über die Beweislast und das Beweisverfahren eingehalten worden, ist es allein Sache des Gerichts, den Wert der ihm vorgelegten Beweise zu beurteilen. Diese Beurteilung ist somit, sofern die Beweise nicht verfälscht wurden, keine Rechtsfrage, die als solche der Kontrolle des Gerichtshofs unterliegt ( 6 ).

    24.

    Jedoch sind Rechtsmittelgründe zulässig, die sich nicht darauf beschränken, die sachliche Unrichtigkeit und die Beurteilung der für die Feststellung der Dauer der Beteiligung der Rechtsmittelführerin am Kartell herangezogenen tatsächlichen Gesichtspunkte zu rügen, sondern die ihre Relevanz und ihre Bedeutung sowie die ihnen vom Gericht beigemessene Beweiskraft in Frage stellen ( 7 ).

    25.

    Im vorliegenden Fall wird der Gerichtshof mit dem ersten und dem dritten Rechtsmittelgrund im Wesentlichen ersucht, zu prüfen, ob die von der Kommission herangezogenen und vom Gericht bestätigten Kriterien für den Nachweis der Beteiligung der Rechtsmittelführerin während zwei genau bestimmter Zeiträume, insbesondere das Kriterium der fehlenden offenen Distanzierung der Rechtsmittelführerin und der Wahrnehmung der anderen Beteiligten, rechtswidrig sind oder nicht. Insoweit sind die Rechtsmittelgründe zulässig.

    26.

    Nach diesem mir wichtig erscheinenden Hinweis werde ich zunächst die Frage behandeln, ob das Gericht einen Rechtsfehler bei seiner Kontrolle der Beweisführung für die Beteiligung der Rechtsmittelführerin am Kartell zum einen nach dem Treffen vom 11. und 12. Mai 2004 und zum anderen vom 26. Mai 2000 bis zum 26. Juni 2001 begangen hat. Dies betrifft insbesondere die Feststellungen, dass sich die Rechtsmittelführerin in diesen Zeiträumen nicht offen von dem Kartell distanziert habe, und zu der Frage, wie die anderen Kartellmitglieder die Beteiligung der Rechtsmittelführerin wahrnehmen konnten.

    27.

    Daher werden der erste und der dritte Rechtsmittelgrund zusammen geprüft.

    A – Zum ersten und zum dritten Rechtsmittelgrund: Verstoß gegen Art. 101 AEUV, die Regeln über die Beweisführung, die Grundsätze der Unschuldsvermutung und der Rechtssicherheit sowie gegen das Begründungserfordernis, soweit das Gericht festgestellt hat, dass sich die Rechtsmittelführerin zum einen nach dem Treffen vom 11. und 12. Mai 2004 und bis zum 28. April 2005 und zum anderen vom 26. Mai 2000 bis zum 26. Juli 2001 an der Zuwiderhandlung beteiligt habe

    1. Vorbringen der Parteien

    28.

    Mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund macht die Rechtsmittelführerin geltend, das Gericht habe mehrere Rechtsfehler begangen, soweit es die Beurteilung bestätigt habe, die die Kommission hinsichtlich ihrer Beteiligung an der Zuwiderhandlung bis zum 28. April 2005 vorgenommen habe.

    29.

    Erstens habe das Gericht, indem es sich allein auf die Feststellung gestützt habe, es sei von der Rechtsmittelführerin nicht nachgewiesen worden, dass sie sich offen vom Kartell distanziert habe – statt zu prüfen, ob die Kommission den ihr obliegenden Nachweis erbracht habe, dass die Zuwiderhandlung zwischen dem 12. Mai 2004 und dem 28. April 2005 ohne Unterbrechung fortgesetzt worden sei –, die Beweislast für die Dauer der Beteiligung der Rechtsmittelführerin an der Zuwiderhandlung umgekehrt, da die Rechtsmittelführerin sich nach dem letzteren Zeitpunkt nicht an kollusiven Kontakten beteiligt habe.

    30.

    Zweitens habe das Gericht die Rechtsprechung des Gerichtshofs und seine eigene Rechtsprechung falsch ausgelegt, indem es einen allgemeinen Grundsatz aufgestellt habe, wonach das Fehlen der offenen Distanzierung grundsätzlich jede Beendigung der Zuwiderhandlung ausschließe. Das von dieser Rechtsprechung aufgestellte Erfordernis der offenen Distanzierung erkläre sich nämlich durch die Beteiligung des in Rede stehenden Unternehmens an Kartelltreffen und durch Indizien für kontinuierliche Abstimmungen in der fraglichen Zeit.

    31.

    Drittens schaffe die These des Gerichts eine Vermutung, die die Gefahr der Willkür und der Rechtsunsicherheit mit sich bringe, weil die Kommission so die Beteiligung eines Unternehmens an einem Kartell während seiner gesamten Dauer feststellen könne, wenn dieses Unternehmen nur an einem wettbewerbswidrigen Treffen teilgenommen habe, ohne sich davon offen zu distanzieren. Im vorliegenden Fall beträfen die vom Gericht in den Rn. 375 und 376 des angefochtenen Urteils angeführten Umstände rein einseitige Initiativen desjenigen Unternehmens, das der Organisator des Kartells gewesen sei; sie könnten höchstens belegen, dass dieses Unternehmen die Teilnahme der Rechtsmittelführerin an den letzten drei technischen Treffen gewünscht habe. Die Rechtsmittelführerin habe jedoch diesen Initiativen nicht Folge geleistet. Genauso laufe es auf eine Umkehr der Beweislast hinaus, dass das Gericht (in Rn. 380 des angefochtenen Urteils) den Standpunkt eingenommen habe, es werde durch die bloße Tatsache, dass die Rechtsmittelführerin an den letzten technischen Treffen nicht teilgenommen habe, nicht bewiesen, dass sie die Informationen, die sie bei früheren technischen Treffen erhalten habe, an denen sie teilgenommen habe, nicht verwendet habe und dass sie von den Vereinbarungen, die bei diesen Treffen getroffen worden seien, nicht profitiert habe. Diese Erwägungen würden im Übrigen dadurch entkräftet, dass das Kartell durch in sehr kurzen zeitlichen Abständen von durchschnittlich drei bis vier Monaten aufeinanderfolgende Abstimmungen verwirklicht worden sei.

    32.

    Die Kommission trägt vor, dass der erste Rechtsmittelgrund, sollte er als zulässig anzusehen sein, jedenfalls unbegründet sei.

    33.

    Nach Ansicht der Kommission ist die Auslegung der Rechtsprechung durch die Rechtsmittelführerin unzutreffend. Die Rechtsmittelführerin beziehe sich im Wesentlichen auf jeweils Einzelfälle betreffende Urteile des Gerichts, die nicht zwangsläufig auf die vorliegende Rechtssache übertragen werden könnten, zumal die Dauer der Beteiligung an einer Zuwiderhandlung eine Sachfrage sei, für die ein Nachweis je nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls zu erbringen sei. Im vorliegenden Fall werde der Beweis für die Kontinuität der Zuwiderhandlung der Rechtsmittelführerin durch die Tatsache, dass sie weiterhin zu den Treffen eingeladen worden sei, was voraussetze, dass der Einladende den Eingeladenen als Teil des Kartells wahrnehme, in Verbindung damit erbracht, dass sie sich nicht vom Kartell distanziert habe. Beide Umstände seien untrennbar miteinander verbunden.

    34.

    Nach Meinung der Kommission spricht die Rechtsprechung des Gerichtshofs für ihren Standpunkt und für den des Gerichts. Im Urteil Aalborg Portland u. a./Kommission (C‑204/00 P, C‑205/00 P, C‑211/00 P, C‑213/00 P, C‑217/00 P und C‑219/00P, EU:C:2004:6) habe der Gerichtshof nämlich keineswegs festgestellt, dass eine Teilnahme an Treffen notwendig sei, damit eine Distanzierung verlangt werden könne. Dagegen sei das Kriterium der Wahrnehmung der anderen Kartellmitglieder bereits eindeutig herausgestellt worden. Insgesamt bestätige die Rechtsprechung des Gerichtshofs und des Gerichts, dass die fehlende Distanzierung ein sehr wichtiger Umstand sei, wenn andere Indizien für die Fortsetzung der Beteiligung am Kartell festgestellt würden, und dass jedenfalls die Wahrnehmung der anderen Kartellmitglieder wesentlich sei. Die Rechtsprechung stelle zwischen den Arten des Nachweises keine Hierarchie auf, und weder die Kommission noch das Gericht hätten sich im vorliegenden Fall nur auf die fehlende Distanzierung der Rechtsmittelführerin gestützt.

    35.

    Jedenfalls werde dieser Rechtsmittelgrund nicht durch Tatsachen gestützt. Im 602. Erwägungsgrund der streitigen Entscheidung habe sich die Kommission nämlich keineswegs ausschließlich auf die fehlende offene Distanzierung der Rechtsmittelführerin gestützt, sondern Indizien dargelegt, die in ihrer Gesamtheit zu würdigen seien und die Fortsetzung der Beteiligung der Rechtsmittelführerin am Kartell sowie eine entsprechende Wahrnehmung der anderen Beteiligten bestätigten. Das Gericht habe den diesen Umständen beizumessenden Wert frei gewürdigt.

    36.

    Was die Beweisführung betrifft, weist die Kommission darauf hin, dass sie sich erstens auf die Tatsache gestützt habe, dass die Rechtsmittelführerin zu den drei Treffen eingeladen gewesen sei, die vor dem Beginn der Nachprüfungen stattgefunden hätten, und zweitens darauf, dass ihrer Meinung nach die E-Mail vom 3. November 2004 allein nicht als offene Distanzierung habe gelten können. Dass die Fortsetzung der Beteiligung am Kartell mangels eines Gegenbeweises, der in Form einer echten offenen Distanzierung erfolgen könne, als erwiesen angesehen werde, entspreche den Grundsätzen des Beweisrechts. Außerdem bedeute die Tatsache, dass ein Unternehmen nicht an Treffen teilnehme, nicht, dass es sich aus dem Kartell zurückgezogen habe. Das Vorbringen der Rechtsmittelführerin, wonach das Gericht keine Tatsachen festgestellt habe, die zeitlich ausreichend nahe beieinander lägen, um die Kontinuität der Zuwiderhandlung nachzuweisen, sei unerheblich, da es im vorliegenden Fall nicht um eine vorübergehende Unterbrechung der Beteiligung an einem Kartell gehe, sondern um die Frage, ob das in Rede stehende Unternehmen bis zum Ende Mitglied geblieben sei.

    37.

    Zum dritten Rechtsmittelgrund bringen die Parteien Folgendes vor.

    38.

    Die Rechtsmittelführerin verweist darauf, dass ihr Vertreter, wie sich aus der Erklärung eines am Kartell beteiligten Unternehmens klar ergebe (Erklärung in der Akte), das Treffen vom 25. und 26. Mai 2000 plötzlich und entrüstet verlassen habe und sie an den weiteren Treffen nicht mehr teilgenommen habe. Nach dieser Auseinandersetzung habe sich die Rechtsmittelführerin unstreitig an keinem der drei folgenden Treffen beteiligt, bis ihr neuer Vertreter an dem vom 26. und 27. Juni 2001 teilgenommen habe. Hingegen habe sie an 18 der 21 in den vorangegangenen fünf Jahren organisierten Treffen, d. h. an ungefähr vier Treffen pro Jahr, teilgenommen.

    39.

    Das Ergebnis, zu dem das Gericht mit der Begründung gelangt sei, sie habe nicht den Beweis dafür erbracht, dass sie sich offen vom Kartell distanziert habe, ohne dass es geprüft habe, ob die Kommission ihrer Beweispflicht dafür nachgekommen sei, dass die Rechtsmittelführerin weiterhin am Kartell teilgenommen habe, stelle einen Verstoß gegen die Unschuldsvermutung dar. Die Rechtsmittelführerin bezieht sich auf das Urteil Gosselin Group/Kommission ( 8 ), nach dem die Wiederaufnahme der Beteiligung an einem Kartell der Tatsache inhärent sei, dass es sich um eine Unterbrechung handele, und der bloße Umstand, dass das fragliche Unternehmen sowohl vor als auch nach dem betreffenden Zeitraum an dem Kartell teilgenommen habe, nicht relevant sei.

    40.

    Was das Kriterium der Wahrnehmung der Kartellteilnehmer betrifft, macht die Rechtsmittelführerin geltend, dass nie behauptet oder nachgewiesen worden sei, dass sie zwischen Mai 2000 und Juni 2001 als Kartellmitglied wahrgenommen worden sei, sondern sich vielmehr aus der angeführten Erklärung eines anderen Unternehmens, das sich am Kartell beteiligt habe, ergebe, dass dieses keinen Zweifel an der Unterbrechung der Beteiligung der Rechtsmittelführerin während dieser 13 Monate gehabt habe. Jedenfalls habe das Gericht einen Rechtsfehler begangen, indem es jede offene Distanzierung der Rechtsmittelführerin bei dem Treffen vom 25. und 26. Mai 2000 ausgeschlossen habe, und zwar im Gegensatz zu seiner Beurteilung der Lage von Repsol (vgl. den zweiten Rechtsmittelgrund), der zufolge das Kriterium der offenen Distanzierung bereits dann erfüllt sein könne, wenn feststehe, dass die anderen Teilnehmer an einem Treffen Zweifel an der Beteiligung des fraglichen Unternehmens hätten. Das Gericht habe nämlich die Distanzierung von Repsol allein aufgrund der Feststellung anerkannt, dass keine offiziellen Einladungen durch das Unternehmen, das die Treffen organisiert habe, mehr erfolgt seien.

    41.

    Die Kommission macht geltend, dass dieser Rechtsmittelgrund unzulässig sei. Hilfsweise trägt sie vor, dieser Rechtsmittelgrund sei unbegründet, da sie ihre Beurteilung, dass die Beteiligung der Rechtsmittelführerin am Kartell in diesem Zeitraum kontinuierlich gewesen sei, nicht allein auf die fehlende Distanzierung gestützt habe. Aus dem 603. Erwägungsgrund der streitigen Entscheidung gehe nämlich hervor, dass unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs die Nichtbeteiligung der Rechtsmittelführerin an drei aufeinanderfolgenden Treffen, gefolgt von einer regelmäßigen Rückkehr ab Juni 2001, nachdem der Vertreter der Rechtsmittelführerin gewechselt habe, keine Unterbrechung der Beteiligung am Kartell selbst darstellen könne. Das Gericht habe diese Würdigung bestätigt, indem es sich nicht allein auf die fehlende Distanzierung gestützt habe, sondern auf die Prüfung der Umstände, unter denen der Vertreter der Rechtsmittelführerin das Treffen vom 26. Mai 2000 verlassen habe. Auf der Grundlage dieser Würdigung des Sachverhalts sei das Gericht zu dem Ergebnis gekommen, dass dies keine offene Distanzierung dargestellt habe. Dass der Vertreter der Rechtsmittelführerin dieses Treffen verlassen habe, zeuge nicht von einem Rückzug aus dem Kartell, sondern habe vielmehr an einer Meinungsverschiedenheit hinsichtlich der Durchführung des Kartells gelegen. Im Übrigen werde der Vorfall während des Treffens vom 26. Mai 2000 in den Erklärungen von Sasol nicht als Rückzug der Rechtsmittelführerin aus dem Kartell beschrieben.

    42.

    Die Kommission trägt ferner vor, sie habe jedenfalls die Beteiligung der Rechtsmittelführerin am Kartell im gesamten streitigen Zeitraum unter Anwendung der in der Rechtsprechung des Gerichtshofs entwickelten Grundsätze ( 9 ) nachgewiesen. Außerdem sei der Nachweis der Dauer der Beteiligung eines Unternehmens an einem Kartell eine Sachfrage. Im vorliegenden Fall könne das Fehlen von Beweisen für wettbewerbswidrige Kontakte oder die Beteiligung an solchen Kontakten während eines Jahres für sich genommen nicht genügen, um die Unterbrechung der Beteiligung am Kartell nachzuweisen ( 10 ). Insoweit sei das Vorbringen der Rechtsmittelführerin, dass diese Abwesenheit aufgrund ihrer Dauer und ihrer Kontinuität Ausnahmecharakter habe, nicht überzeugend, da die Rechtsmittelführerin bei den Kartelltreffen auch mehrmals abwesend gewesen sei. Hingegen habe das Gericht darauf hingewiesen, dass die Rechtsmittelführerin im streitigen Zeitraum von den während früherer Treffen erhaltenen Informationen und den bereits getroffenen Vereinbarungen habe profitieren können. Folglich habe das Gericht zutreffend festgestellt, dass ihr Fehlen bei einigen Treffen nur ein mit einer Person in Zusammenhang stehender Einzelfall gewesen sei und mit einer Unterbrechung der Beteiligung der Klägerin am Kartell nichts zu tun gehabt habe.

    2. Würdigung

    43.

    Vor der Prüfung der von der Kommission herangezogenen und vom Gericht bestätigten Gesichtspunkte für den Nachweis der Beteiligung der Rechtsmittelführerin während der zwei streitigen Zeiträume, nämlich vom 12. Mai 2004 bis zum 28. April 2005 (Zeitraum der Einstellung) und vom 26. Mai 2000 bis zum 26. Juni 2001 (Zeitraum der Aussetzung/Unterbrechung), scheint es mir angebracht, einige Hinweise zu den Grundsätzen der Beweisführung hinsichtlich der Dauer der Beteiligung eines Unternehmens an einem Kartell zu geben und in diesem Zusammenhang darzulegen, wie die Bezugnahme auf die offene Distanzierung ( 11 ) des betreffenden Unternehmens in der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu verstehen ist.

    a) Die Erkenntnisse aus der Rechtsprechung zur Beweislast für die Beteiligung eines Unternehmens an einem Kartell und zum Erfordernis der offenen Distanzierung

    44.

    Für die Prüfung der Rügen im Rahmen des vorliegenden Rechtsmittels sind einige zentrale Grundsätze im Bereich der Beweisführung und der Beweislast für wettbewerbswidrige Verhaltensweisen in Erinnerung zu rufen.

    45.

    Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission nicht nur die Beteiligung an einem Kartell, sondern auch dessen Dauer zu beweisen hat. Aufgrund der Unschuldsvermutung muss jeder Zweifel an der Dauer oder der Kontinuität der Beteiligung eines Unternehmens an einer Zuwiderhandlung diesem Unternehmen zugutekommen ( 12 ).

    46.

    Sodann scheint es insbesondere hinsichtlich der Bestimmung der Dauer der Beteiligung eines bestimmten Unternehmens an einer Zuwiderhandlung allgemein anerkannt, dass die Kommission, soweit es an Beweismaterial fehlt, mit dem die Dauer der Zuwiderhandlung direkt belegt werden kann, zumindest Beweismaterial beizubringen hat, das sich auf Fakten bezieht, die zeitlich so nahe beieinander liegen, dass sie vernünftigerweise den Schluss zulassen, dass die Zuwiderhandlung zwischen zwei konkreten Zeitpunkten ohne Unterbrechung erfolgt ist. Der Gerichtshof hat entsprechend festgestellt, dass das Vorliegen einer wettbewerbswidrigen Verhaltensweise oder Vereinbarung aus einer Reihe von Koinzidenzen und Indizien abgeleitet werden kann, die bei einer Gesamtbetrachtung mangels einer anderen schlüssigen Erklärung den Beweis für eine Verletzung der Wettbewerbsregeln darstellen können ( 13 ).

    47.

    Schließlich scheint zwischen der Bestimmung des Zeitpunkts der Einstellung einer Beteiligung an einem Kartell und etwaigen Zeiträumen der Unterbrechung dieser Beteiligung unterschieden worden zu sein. Das scheint sich mir insbesondere aus dem Urteil in der Rechtssache Kommission/Verhuizingen Coppens ( 14 ) zu ergeben, in dem der Gerichtshof anerkannt hat, dass die Kommission davon ausgehen durfte, dass das betreffende Unternehmen für seine ununterbrochene Beteiligung an der Vereinbarung während des gesamten Zeitraums vom 13. Oktober 1992 bis zum 29. Juli 2003 zur Verantwortung gezogen werden konnte, obwohl für die Jahre 1994 und 1995 kein Beweis für seine aktive Beteiligung an der Vereinbarung über Schutzangebote vorlag.

    48.

    Der Gerichtshof hat entsprechend entschieden, dass auch dann, wenn der konkrete Beweis für die Umsetzung einer wettbewerbswidrigen Vereinbarung durch ein Unternehmen für bestimmte Zeiträume nicht erbracht wurde, davon ausgegangen werden kann, dass die Zuwiderhandlung während eines größeren Gesamtzeitraums fortbestand, sofern eine solche Feststellung auf objektiven und übereinstimmenden Indizien beruht. Im Rahmen einer Zuwiderhandlung, die sich über mehrere Jahre erstreckt, bleibt die Tatsache, dass sich das Kartell während verschiedener Zeitabschnitte manifestiert, die durch mehr oder weniger lange Zwischenräume voneinander getrennt sein können, ohne Einfluss auf den Bestand dieses Kartells, sofern mit den verschiedenen Maßnahmen, die Teil dieser Zuwiderhandlung sind, im Rahmen einer einzigen und fortgesetzten Zuwiderhandlung das gleiche Ziel verfolgt wird ( 15 ).

    49.

    Unter Berücksichtigung der Grundregeln der Beweislast und der Beweisführung auf diesem Gebiet kann diese Rechtsprechung meines Erachtens nicht dazu führen, jede Möglichkeit des Nachweises auszuschließen, dass ein Unternehmen tatsächlich seine Beteiligung an einem Kartell in einem bestimmten Zeitraum ausgesetzt hat. Je nach der Häufigkeit der streitigen Kontakte und der Erheblichkeit oder Unerheblichkeit des behaupteten Zeitraums der Unterbrechung im Verhältnis zur Gesamtdauer des Kartells, was zu prüfen allein dem Tatsachengericht obliegt, wird man durchaus zu dem Ergebnis kommen können, dass sich dieses Unternehmen am streitigen Kartell während eines bestimmten Zeitraums oder mehrerer bestimmter Zeiträume nicht beteiligt hat.

    50.

    Mit anderen Worten hängt die Antwort auf die Frage, ob das Fehlen von Sachbeweisen für die Beteiligung eines Unternehmens während bestimmter Zeiträume erheblich ist oder nicht, von den besonderen Umständen eines jeden Einzelfalls ab. Um meine Auffassung zu veranschaulichen, beziehe ich mich auf das Beispiel eines Kartells, dass sich ungefähr über zehn Jahre erstreckt und durch über Jahre hinweg stattfindende Treffen mit wettbewerbswidrigem Gegenstand zwischen Wettbewerbern verwirklicht wurde. Das etwaige Fehlen eines Vertreters eines Unternehmens bei zwei Treffen ist irrelevant, wenn andere objektive und übereinstimmende Indizien vorliegen, die die Beteiligung dieses Unternehmens während des fraglichen Zeitraums belegen.

    51.

    Wie ist das Erfordernis der offenen Distanzierung des Unternehmens in diesem Kontext zu verstehen?

    52.

    Für die Beantwortung dieser Frage ist auf die Umstände zurückzukommen, unter denen es entwickelt wurde, und insbesondere auf die, die dem Urteil Aalborg Portland u. a./Kommission (C‑204/00 P, C‑205/00 P, C‑211/00 P, C‑213/00 P, C‑217/00 P und C‑219/00P, EU:C:2004:6) zugrunde lagen.

    53.

    In dieser Rechtssache rügte die beschuldigte Gesellschaft die Tatsache, dass sich die Kommission – deren Beurteilung in diesem Punkt vom Gericht bestätigt worden war – darauf gestützt habe, dass sich die Gesellschaft nicht offen von der Vereinbarung distanziert habe.

    54.

    Der mit dieser Frage befasste Gerichtshof billigte die von der Kommission vorgeschlagene und vom Gericht bestätigte Beurteilungsweise. Er entschied in diesem Fall, dass der von der Kommission erbrachte Nachweis, dass das betreffende Unternehmen an Sitzungen teilnahm, in denen wettbewerbswidrige Vereinbarungen getroffen wurden, ohne sich offen dagegen auszusprechen, einen ausreichenden Beleg für die Teilnahme dieses Unternehmens am Kartell bildet. Der Gerichtshof hat in diesem Zusammenhang klargestellt, dass es, wenn „die Teilnahme an solchen Sitzungen erwiesen [ist ( 16 ) ], … dem fraglichen Unternehmen [obliegt], Indizien vorzutragen, die zum Beweis seiner fehlenden wettbewerbswidrigen Einstellung bei der Teilnahme an den Sitzungen geeignet sind, und nachzuweisen, dass es seine Wettbewerber darauf hingewiesen hat, dass es an den Sitzungen mit einer anderen Zielsetzung als diese teilnahm“ (vgl. Rn. 81 des Urteils).

    55.

    In diesem Sinne ist das Erfordernis der offenen Distanzierung zu verstehen, das auf der wesentlichen Prämisse beruht, dass das Unternehmen an einem Treffen teilnahm oder wettbewerbswidrige Kontakte unterhielt. Der Gerichtshof hat entsprechend festgestellt, dass „[d]ieser Rechtsgrundsatz … auf der Erwägung [beruht], dass das Unternehmen, indem es an der fraglichen Sitzung teilnahm, ohne sich offen von deren Inhalt zu distanzieren, den anderen Teilnehmern Anlass zu der Annahme gab, dass es dem Ergebnis der Sitzung zustimme und sich daran halten werde“ (vgl. Rn. 82 des Urteils).

    56.

    Mit anderen Worten erlaubt das Kriterium der fehlenden offenen Distanzierung die Aufrechterhaltung der auf konkrete Indizien gestützten Vermutung, dass im Fall eines Unternehmens, das an Treffen mit wettbewerbswidrigem Gegenstand teilgenommen hat, zu vermuten ist, dass es an einem unter das Verbot von Art. 101 Abs. 1 AEUV fallenden Kartell teilgenommen hat. Die Bezugnahme auf die fehlende offene Distanzierung kann meines Erachtens nicht den fehlenden Nachweis der, wenn auch nur passiven, Beteiligung an einem Treffen mit wettbewerbswidrigem Gegenstand ausgleichen. Wenn, wie Generalanwalt Ruiz-Jarabo Colomer in dieser Rechtssache ausgeführt hat ( 17 ), ein Unternehmen zusammen mit seinen Konkurrenten auf dem Markt an einer oder mehreren Sitzungen teilnimmt, aus denen eine wettbewerbswidrige Vereinbarung hervorgeht, erlaubt die Technik der Beweisvermutungen den Schluss, dass es, falls eine ausdrückliche gegenteilige Äußerung fehlt, an der Vereinbarung beteiligt ist, so insbesondere dann, wenn es sich später an Maßnahmen zur Durchführung der wettbewerbswidrigen Absprache beteiligt. Zum Beweis der Begründetheit einer solchen Vermutung ist „von bewiesenen Ereignissen[ ( 18 )] auszugehen, die es … ermöglichen, bestimmte Tatsachen als bewiesen zu betrachten“ ( 19 ).

    57.

    Diese Beurteilung, die sich folgerichtig in die bereits in mehreren Rechtssachen behandelte Heranziehung bestimmter Vermutungen einfügt ( 20 ), bedeutet, dass die Kommission mangels Nachweis kollusiver Kontakte oder Ausdrucksformen zwischen einem Unternehmen und anderen Kartellbeteiligten ihren Schluss, die Beteiligung eines Unternehmens habe angedauert, nicht auf die bloße Feststellung stützen darf, dass dieses verpflichtet gewesen wäre, sich vom Kartell zu distanzieren.

    58.

    Das Erfordernis der offenen Distanzierung hat somit nur Sinn, wenn das Unternehmen tatsächlich an Kartelltreffen teilgenommen hat oder zumindest Indizien für Abstimmungen in einem bestimmten Zeitraum vorliegen. Es dürfte daher nur für eine Situation eine Rolle spielen, für die man angesichts bestimmter in den Ermittlungen konkret zusammengetragener Umstände annehmen durfte, dass sich das beschuldigte Unternehmen weiter an einem Kartell beteiligt hatte. Das Fehlen der offenen Distanzierung eines Unternehmens von einem Kartell kann für sich genommen keinen Beweis für eine solche Beteiligung darstellen.

    59.

    Der Gerichtshof hatte bereits mehrmals Gelegenheit, auf diese Grundsätze hinzuweisen ( 21 ).

    60.

    Aus den vorstehenden Ausführungen folgt, dass das Erfordernis der offenen Distanzierung als eine Obliegenheit des betreffenden Unternehmens anzusehen ist, um trotz seiner augenscheinlichen Beteiligung an einem Kartell nachzuweisen, dass es ihm eine bestimmte Zeit lang nicht mehr angehörte. Das Erfordernis der offenen Distanzierung hat damit nur Sinn, wenn das Unternehmen tatsächlich an Kartelltreffen teilgenommen hat oder zumindest Indizien für Abstimmungen in einem bestimmten Zeitraum vorliegen.

    61.

    Auf diesen Grundsatz ist mit Nachdruck hinzuweisen, um der Gefahr zu begegnen, dass die richtige Auslegung der Beweislast- und Beweisführungsgrundsätze für wettbewerbswidrige Verhaltensweisen eine ihr abträgliche Verschiebung erleidet.

    b) Anwendung auf den vorliegenden Fall: erforderliche Unterscheidung zwischen dem Nachweis für die endgültige Einstellung der Beteiligung am Kartell und dem für die Unterbrechung/Aussetzung der Beteiligung

    i) Nachweis der Beteiligung der Rechtsmittelführerin während des Zeitraums der Beendigung (erster Rechtsmittelgrund)

    62.

    Wie die Kommission in ihren Schriftsätzen dargelegt hat, war sie in der streitigen Entscheidung zu dem Ergebnis gekommen, dass sich die Rechtsmittelführerin bis zu den Nachprüfungen der Kommission am 28. April 2005 an der Zuwiderhandlung beteiligt habe, obwohl nicht nachgewiesen gewesen sei, dass sie an den Treffen nach dem Treffen am 11. und 12. Mai 2004 teilgenommen habe. Die Rechtsmittelführerin habe nämlich keinen Beweis dafür erbracht, dass sie sich zu diesem Zeitpunkt förmlich aus dem Kartell zurückgezogen habe. Das Gericht hat auf der Grundlage der Würdigung der im 602. Erwägungsgrund der streitigen Entscheidung geschilderten Tatsachen festgestellt, dass die Rechtsmittelführerin sich nach der Wahrnehmung der anderen Beteiligten nicht vom Kartell distanziert hat.

    63.

    Im 602. Erwägungsgrund der streitigen Entscheidung führte die Kommission Folgendes aus:

    „[Die Rechtsmittelführerin] hat sich nach eigenen Angaben nach dem Treffen am 11. und 12. Mai 2004 an keinem weiteren technischen Treffen beteiligt, und der Vertreter [der Rechtsmittelführerin] habe seine Reise zum Treffen am 3. und 4. November 2004 mit der internen Begründung abgesagt, dass er auf Anweisung seines Vorgesetzten von dieser Reise absehe. … Die Kommission stellt fest, dass keine Beweismittel für einen Rückzug aus dem Kartell vorliegen. Bei komplexen Zuwiderhandlungen bedeutet die Tatsache, dass ein Unternehmen in einem Treffen nicht anwesend ist oder mit in einem Treffen diskutierten Standpunkten nicht einverstanden ist, nicht, dass dieses Unternehmen seine Beteiligung an einer laufenden Zuwiderhandlung eingestellt hätte. Um die Zuwiderhandlung zu beenden, muss das Unternehmen sich eindeutig von dem Kartell distanzieren. … [Die Rechtsmittelführerin] hat keine eindeutigen Beweismittel dafür vorgelegt, dass das Unternehmen eine uneingeschränkt selbstständige und einseitige Marktstrategie verfolgt hätte oder dass es sich eindeutig und offen vom Verhalten des Kartells distanziert hätte: Vielmehr zeigen der Kommission vorliegende Beweismittel (siehe Anhang I), dass [die Rechtsmittelführerin] förmliche Einladungen zu allen drei folgenden technischen Treffen (d. h. zu den letzten drei technischen Treffen vor Beginn der Nachprüfungen) erhalten hat. … Der Vertreter [der Rechtsmittelführerin] bestätigte seine Teilnahme für den 3./4. November 2004, … scheint jedoch später abgesagt zu haben. … Auch im Falle des Treffens vom 23. und 24. Februar 2005 hatte[n Sasol Wax International AG, Sasol Holding in Germany GmbH und Sasol Limited, Organisator dieses Treffens, im Folgenden: Sasol] bereits in dem Hotel, in dem es stattfinden sollte, ein Zimmer für den Vertreter [der Rechtsmittelführerin] gebucht … und augenscheinlich später storniert. … Die Kommission kommt somit zu dem Schluss, dass [die Rechtsmittelführerin] in den Augen von Sasol und der übrigen Mitwirkenden bis zuletzt Mitglied des Kartells war. Überdies unterschieden sich die Gespräche nicht wesentlich von denen früherer Treffen; die Teilnehmer sprachen vielmehr weiterhin über Preiserhöhungen, ohne zu erwähnen, dass [die Rechtsmittelführerin] Anstalten mache, das Kartell zu verlassen (siehe Randnummern [175], [176] und [177]). Zudem war es nicht unüblich, dass Unternehmen zu einigen Treffen nicht erschienen. Dies belegt, dass nicht davon ausgegangen wurde, dass sich [die Rechtsmittelführerin] nach dem Treffen im Mai 2004 aus dem Kartell zurückgezogen hätte. Die interne Mitteilung des Vertreters [der Rechtsmittelführerin] bezüglich der Gründe für seine Nichtteilnahme an einem Treffen kann in jedem Fall nicht als öffentliche Distanzierung betrachtet werden. Da auch ansonsten nichts darauf hindeutet, dass [sie] sich … von dem Kartell distanziert hätte, stellt die Kommission fest, dass die Beteiligung [der Rechtsmittelführerin] am Kartell nicht vor Beginn der Nachprüfungen geendet hat.“

    64.

    Im angefochtenen Urteil hat sich das Gericht den Standpunkt der Kommission hinsichtlich des Kriteriums der offenen Distanzierung und deren Wahrnehmung durch die anderen Kartellbeteiligten zu eigen gemacht und festgestellt, dass sich die Rechtsmittelführerin nach dem Verständnis der anderen Kartellteilnehmer nicht offen vom Kartell distanziert hatte ( 22 ).

    65.

    Zudem hat sich das Gericht auf die interne E‑Mail vom 3. November 2004 eines Angestellten der Rechtsmittelführerin bezogen, die wie folgt lautete: „Unter Berücksichtigung des Ziels des Treffens in Österreich schließe ich mich der Empfehlung von Thibault an. Ich storniere meine Reise nach Wien (Abreise ursprünglich für heute Nachmittag vorgesehen)“. Das Gericht hat dazu festgestellt, dass eine solche interne E-Mail, die den anderen Teilnehmern nicht mitgeteilt wurde, keine offene Distanzierung sein kann ( 23 ).

    66.

    Überdies hat das Gericht vorsorglich darauf hingewiesen, dass die bloße Tatsache, dass die Klägerin an den letzten technischen Treffen nicht teilgenommen hatte, keinesfalls beweise, dass sie die Informationen zu den von ihren Konkurrenten angewandten Preisen, die sie bei Dutzenden von früheren technischen Treffen, an denen sie teilgenommen hatte, erhalten hatte, nicht verwendet hätte und nicht von den Vereinbarungen über die Aufteilung der Märkte und der Kunden profitiert hätte, die bei den vorausgehenden technischen Treffen festgelegt worden waren. Das Gericht hat daraus geschlossen, dass die Rechtsmittelführerin keinen Beweis dafür vorgelegt hatte, dass sie die Umsetzung des Kartells am 12. Mai 2004 beendet hatte ( 24 ).

    67.

    Es stellt sich daher die Frage, ob trotz dieser Feststellungen die Kommission zu dem vom Gericht im angefochtenen Urteil bestätigten Schluss gelangen konnte, dass sich die Rechtsmittelführerin auch nach dem Treffen vom 11. und 12. Mai 2004 an dem Kartell beteiligt hatte. Insbesondere ist zu der Frage Stellung zu nehmen, ob es möglich war, sich dafür auf die Tatsache zu stützen, dass die Rechtsmittelführerin sich nicht förmlich aus dem Kartell zurückgezogen und damit den Beweis ihrer offenen Distanzierung vom Kartell nicht erbracht habe.

    68.

    Ich bin der Ansicht, dass diese Frage zu verneinen ist, da andernfalls die oben angeführten Grundsätze, die für Beweise und die Beweisführung für wettbewerbswidrige Verhaltensweisen zu gelten haben, verkannt würden.

    69.

    Im vorliegenden Fall nahm die Rechtsmittelführerin unstreitig an den letzten technischen Treffen des Kartells nicht teil, die vom 12. Mai 2004 (Zeitpunkt ihrer letzten Teilnahme an diesen Treffen) bis zum 29. April 2005 (Zeitpunkt der Nachprüfungen der Kommission) stattfanden. Ferner steht fest, dass es keinen Anhaltspunkt dafür gibt, dass die Rechtsmittelführerin in diesem Zeitraum irgendeinen Kontakt mit den Beteiligten des streitigen Kartells unterhielt.

    70.

    Unter diesen Umständen gab es nicht das geringste Indiz dafür, dass sich die Rechtsmittelführerin nach den Treffen vom 11. und 12. Mai 2004 weiter an dem streitigen Kartell beteiligte, indem sie entweder an diesen Treffen teilnahm oder andere kollusive Maßnahmen setzte.

    71.

    Die etwaige Wahrnehmung, die andere Kartellbeteiligte hinsichtlich der Weiterführung der Beteiligung der Rechtsmittelführerin am Kartell über diese Zeitpunkte hinaus haben konnten, scheint mir keineswegs ein entscheidendes Kriterium zu sein. Neben der Tatsache, dass eine solche Wahrnehmung, die sich durch Einladungen und Hotelreservierungen geäußert haben soll, meines Erachtens nicht klar nachgewiesen wurde, stellt sie keineswegs ein Indiz für die aktive oder stillschweigende Beteiligung am Kartell dar.

    72.

    Die insbesondere in der mündlichen Verhandlung angeführte Tatsache, dass die Kommission der festen Überzeugung habe sein können, dass die Rechtsmittelführerin, im Unterschied zu anderen Unternehmen ( 25 ), weiterhin dem Kartell angehört habe, muss sich auf konkrete Indizien und nicht auf ein Gefühl oder auf einen subjektiven Eindruck stützen, die gegebenenfalls vom vermuteten Verständnis der anderen Kartellbeteiligten genährt werden.

    73.

    Nach alledem kann das angefochtene Urteil insoweit keinen Bestand haben. Meines Erachtens hat das Gericht zu Unrecht das Ergebnis bestätigt, dass die Rechtsmittelführerin sich nach dem Treffen vom 11. und 12. Mai 2004 bis zu den Nachprüfungen im April 2005 an dem Kartell beteiligt hat.

    74.

    Das angefochtene Urteil wird daher insoweit aufzuheben sein. Die konkreten Folgen dieser Aufhebung auf die Höhe der gegen die Rechtsmittelführerin verhängten Geldbuße werden nachstehend geprüft.

    ii) Nachweis der Beteiligung der Rechtsmittelführerin am Kartell vom 26. Mai 2000 bis zum 26. Juni 2001 (dritter Rechtsmittelgrund)

    75.

    Zwar gelten die vorstehenden Erwägungen entsprechend für den Nachweis der Beteiligung der Rechtsmittelführerin vom 26. Mai 2000 bis zum 26. Juni 2001, doch liegt ein größenmäßiger Unterschied in der Tatsache, dass es sich hier nicht um die Frage handelt, ob die Rechtsmittelführerin ihre Beteiligung vollständig beendet hat, sondern ob sie gegebenenfalls diese Beteiligung in einem bestimmten Zeitraum unterbrochen hat.

    76.

    Mit anderen Worten, die Beweislast- und Beweisführungsgrundsätze für wettbewerbswidrige Verhaltensweisen sind dieselben. Ihre Anwendung auf die nachzuweisenden Tatsachen, nämlich auf eine vorübergehende Unterbrechung oder auf eine endgültige Beendigung der Beteiligung an einem Kartell, unterscheidet sich jedoch.

    77.

    Wie ich oben dargelegt habe, ist nämlich davon auszugehen, dass die Umstände, die dazu führen, dass die Kommission die Unterbrechung einer Beteiligung eines Unternehmens an einem Kartell feststellt oder nicht, unterschiedlich zu betrachten sind, da sie weitgehend von den Gesamtumständen der mutmaßlichen Unterbrechung und den Merkmalen der vorgeworfenen wettbewerbswidrigen Aktivitäten, wie ihrer Häufigkeit und ihrer Komplexität, abhängig sind.

    78.

    Im vorliegenden Fall haben meiner Ansicht nach sowohl die Kommission (vgl. 603. Erwägungsgrund der streitigen Entscheidung) als auch das Gericht (Rn. 394 bis 403 des angefochtenen Urteils) die Umstände, unter denen der Vertreter der Rechtsmittelführerin das Treffen vom 25. und 26. Mai 2000 verließ, und die betreffenden wettbewerbswidrigen Kontakte umfassend geprüft.

    79.

    Neben dem Umstand, dass diese Prüfung mangels einer erwiesenen Verfälschung von Tatsachen im Rahmen des vorliegenden Rechtsmittels nicht in Frage gestellt werden kann, scheint mir der gewählte Ansatz weitgehend im Einklang mit der Rechtsprechung zu stehen, wonach, auch wenn ein solcher Beweis für bestimmte Zeiträume nicht erbracht wurde, davon ausgegangen werden kann, dass die Zuwiderhandlung während eines längeren Gesamtzeitraums fortbestand, sofern eine solche Feststellung auf objektiven und übereinstimmenden Indizien beruht. Im Rahmen einer Zuwiderhandlung, die sich über mehrere Jahre erstreckt, bleibt die Tatsache, dass sich das Kartell während verschiedener Zeitabschnitte manifestiert, die durch mehr oder weniger lange Zwischenräume voneinander getrennt sein können, ohne Einfluss auf den Bestand dieses Kartells, sofern mit den verschiedenen Maßnahmen, die Teil dieser Zuwiderhandlung sind, im Rahmen einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung das gleiche Ziel verfolgt wird ( 26 ).

    80.

    Die Beurteilung der Frage, ob mit den verschiedenen Maßnahmen, die Teil des im vorliegenden Fall betroffenen Kartells sind, im Rahmen einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung das gleiche Ziel verfolgt wird, wurde im Übrigen im vorliegenden Fall keineswegs in Frage gestellt und gehört jedenfalls zu einer Prüfung, die nicht in die Zuständigkeit des Gerichtshofs im Rahmen des vorliegenden Rechtsmittels fällt.

    81.

    Somit kann eine Analogie zwischen der im vorliegenden Fall aufgeworfenen Frage und der vom Gerichtshof im Urteil Coppens geprüften hergestellt werden, in dem entschieden wurde, dass das Fehlen von Beweisen für wettbewerbswidrige Kontakte oder die Beteiligung an solchen Kontakten während eines Jahres für sich genommen nicht genügen kann, um die Unterbrechung der Beteiligung am Kartell nachzuweisen ( 27 ).

    82.

    Ich bin daher der Ansicht, dass der dritte Rechtsmittelgrund zurückzuweisen ist.

    B – Zum zweiten Rechtsmittelgrund: Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, Verfälschung von Beweisen und Begründungsmangel, soweit das Gericht den Rückzug der Rechtsmittelführerin nach dem Treffen vom 11. und 12. Mai 2004 ausgeschlossen habe, den von Repsol nach dem Treffen jedoch anerkannt habe

    1. Vorbringen der Parteien

    83.

    Der zweite Rechtsmittelgrund der Rechtsmittelführerin gliedert sich in zwei Teile.

    84.

    In einem ersten Teil macht die Rechtsmittelführerin im Wesentlichen geltend, das Ergebnis des Gerichts, das sich auf die tatsächlich unzutreffende Annahme stütze, dass Repsol nach dem Treffen vom 11. und 12. Mai 2004 keine „offiziellen“ Einladungen mehr erhalten habe, beruhe auf einer Verfälschung von Beweisen und sei in mehrfacher Hinsicht mit einem Begründungsmangel behaftet.

    85.

    Mit dem zweiten Teil wird ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot gerügt. Die Rechtsmittelführerin macht geltend, dass die Dauer ihrer Beteiligung am Kartell vom Gericht auf der Grundlage von anderen und strengeren Kriterien als den auf Repsol angewandten geprüft worden sei. Das Gericht habe nämlich hinsichtlich der Rechtsmittelführerin ein Erfordernis der offenen Distanzierung angenommen, nicht jedoch hinsichtlich Repsol, deren Rückzug auch ohne Distanzierung anerkannt worden sei.

    86.

    Die Kommission macht geltend, dass der Rechtsmittelgrund ins Leere gehe, da keines der vorgebrachten Argumente Total, sondern die besondere Situation von Repsol betreffe. Der Rechtsmittelgrund sei jedenfalls unbegründet.

    2. Würdigung

    87.

    Falls dem ersten Rechtsmittelgrund nicht gefolgt werden sollte, stellt sich die Frage, ob die Rechtsmittelführerin nicht gegenüber Repsol unterschiedlich behandelt wurde.

    88.

    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission laut dem 604. Erwägungsgrund der streitigen Entscheidung insbesondere davon ausgegangen ist, dass sich im Fall von Repsol die Sachlage von der von Total unterscheide, da die Reservierung der Hotelzimmer für die beiden Treffen vom 3. und 4. November 2004 und 23. und 24. Februar 2005 beweise, dass Sasol von einer Teilnahme Totals überzeugt gewesen sei; im Fall von Repsol habe Sasol diese Gewissheit nicht gehabt.

    89.

    Das Gericht hat in den Rn. 385 bis 389 des angefochtenen Urteils im Wesentlichen festgestellt, dass ein Unterschied zwischen den Situationen dieser beiden Unternehmen im Hinblick auf die Wahrnehmung der anderen Kartellbeteiligten von ihrer Distanzierung bestand, wobei sich diese Wahrnehmung durch den Versand von offiziellen Einladungen und Hotelreservierungen geäußert hat.

    90.

    Für den Fall, dass der erste Rechtsmittelgrund zurückzuweisen sein sollte, bin ich der Ansicht, dass der vorliegende Rechtsmittelgrund ins Leere geht.

    91.

    Wie die Kommission zu Recht ausgeführt hat, bezieht sich das Vorbringen der Rechtsmittelführerin nicht auf ihre besondere Situation, sondern auf die von Repsol. Selbst wenn das Gericht einen Beurteilungsfehler begangen hätte, könnte sich die Rechtsmittelführerin nicht zu ihren Gunsten darauf berufen, um insbesondere die Dauer ihrer Beteiligung an dem in Rede stehenden Kartell zu verringern.

    92.

    Nach ständiger Rechtsprechung muss der Grundsatz der Gleichbehandlung nämlich mit der Beachtung des Gebots rechtmäßigen Handelns in Einklang gebracht werden. Niemand kann sich zu seinem Vorteil auf eine zugunsten eines anderen begangene Rechtsverletzung berufen ( 28 ).

    93.

    Selbst wenn davon auszugehen wäre, dass die Erwägungen des Gerichts in den Rn. 385 bis 389 des angefochtenen Urteils einen Fehler aufwiesen, bin ich daher der Meinung, dass der zweite Rechtsmittelgrund zurückzuweisen ist.

    C – Zum vierten Rechtsmittelgrund: Verstoß gegen den Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes, den Grundsatz der individuellen Zumessung von Strafen und Sanktionen sowie gegen das Begründungserfordernis, soweit das Gericht den Klagegrund der Nichtberücksichtigung der wirtschaftlichen Beweise dafür, dass das Verhalten der Rechtsmittelführerin nicht gegen die Wettbewerbsregeln verstoßen habe, ungeprüft zurückgewiesen habe.

    1. Vorbringen der Parteien

    94.

    Die Rechtsmittelführerin trägt vor, dass das Gericht nach Art. 31 der Verordnung Nr. 1/2003 ( 29 ) in Wettbewerbssachen die Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung habe. Auch wenn der Kommission in Bereichen, in denen komplexe wirtschaftliche Beurteilungen erforderlich seien, ein Beurteilungsspielraum zustehe, bedeute dies nicht, dass das Gericht eine Kontrolle der Auslegung von Wirtschaftsdaten durch die Kommission unterlassen müsse ( 30 ). Außerdem verlange der Grundsatz der individuellen Zumessung von Strafen, dass die fehlende Umsetzung des Kartells für jedes Unternehmen individuell beurteilt werde, insbesondere für die Berechnung der gegen sie zu verhängenden Geldbuße.

    95.

    Das Gericht sei nicht auf ihren Klagegrund eingegangen, wonach die wirtschaftlichen Beweise dafür, dass sich die Rechtsmittelführerin entsprechend den Wettbewerbsregeln verhalten habe, nicht berücksichtigt worden seien. Es habe die Relevanz und den Inhalt dieser Beweise nicht geprüft. Die Rechtsmittelführerin habe nämlich der Kommission und sodann dem Gericht eine eingehende wirtschaftliche Analyse vorgelegt, die den gesamten Zeitraum der Zuwiderhandlung abdecke und nachweise, dass sie die Vereinbarungen, die bei den technischen Treffen getroffen worden sein sollten, niemals umgesetzt habe. Diese Analyse sei in der streitigen Entscheidung übergangen worden, aber auch im angefochtenen Urteil, da die Rn. 406 und 407 in keiner Weise auf das Vorbringen der Rechtsmittelführerin zur fehlenden Prüfung ihrer wirtschaftlichen Analyse im Hinblick auf die individuelle Beurteilung ihres Wettbewerbsverhaltens im Rahmen der Kontrolle der Sanktion und insbesondere der mildernden Umstände eingingen. In diesem Zusammenhang beträfen die Ausführungen des Gerichts im Rahmen der Prüfung des zweiten Klagegrundes, auf die Rn. 407 des angefochtenen Urteils verweise (vgl. insbesondere Rn. 186 und 237), die globale Umsetzung des Kartells und nicht das individuelle Verhalten jedes beteiligten Unternehmens.

    96.

    Die Kommission ist der Ansicht, dass der Rechtsmittelgrund unzulässig und jedenfalls unbegründet sei.

    2. Würdigung

    97.

    Meines Erachtens ist dieser Rechtsmittelgrund zurückzuweisen.

    98.

    Das Gericht hat nämlich umfangreiche Ausführungen zu den von der Rechtsmittelführerin vorgebrachten Argumenten und Unterlagen zum Nachweis dafür, dass sie das Kartell nicht umgesetzt habe, gemacht.

    99.

    In den Rn. 163 bis 190 des angefochtenen Urteils, die zur Prüfung des zweiten Klagegrundes gehören, hat das Gericht das Vorbringen der Rechtsmittelführerin zurückgewiesen, wonach sie die Preisabsprache nicht umgesetzt habe. Insbesondere hat sich das Gericht auf Beweismittel gestützt, die in tempore non suspecto verfasst wurden, wie Preisschreiben der Rechtsmittelführerin, in denen den Kunden Preiserhöhungen mitgeteilt werden (vgl. z. B. Rn. 189 des Urteils).

    100.

    Außerdem hat sich das Gericht in den Rn. 243 bis 259 des angefochtenen Urteils, die ebenfalls die Prüfung dieses zweiten Klagegrundes betreffen, genau mit den Erwägungen auseinandergesetzt, mit denen dargetan wurde, dass die Rechtsmittelführerin entgegen ihrem Vorbringen in der dem Gericht vorgelegten wirtschaftlichen Studie den Beweis nicht erbracht habe, sich auf dem Markt wettbewerbskonform verhalten zu haben.

    101.

    Daher hat das Gericht meiner Auffassung nach, was die Überprüfung der von der Kommission vorgenommenen Beurteilung des Vorbringens der Rechtsmittelführerin zu ihrem Marktverhalten angeht, seine Rolle der Prüfung und Kontrolle erfüllt.

    102.

    Folglich scheint mir die Rüge der Rechtsmittelführerin, dass das Gericht nur eine „globale“ wirtschaftliche Analyse ohne Berücksichtigung ihrer individuellen Situation durchgeführt habe, ohne Grundlage.

    VI – Zwischenergebnis

    103.

    Wie ich bereits ausgeführt habe, ist der erste Rechtsmittelgrund meines Erachtens begründet und daher das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit das Gericht zu Unrecht ausgeschlossen hat, dass die Rechtsmittelführerin ihre Beteiligung an der Zuwiderhandlung nach dem 12. Mai 2004 beendete.

    104.

    Die von mir vorgeschlagene teilweise Aufhebung des angefochtenen Urteils führt zwangsläufig zu einer Neufestsetzung der gegen die Rechtsmittelführerin verhängten Geldbuße, um die Dauer ihrer Beteiligung an der in Rede stehenden Zuwiderhandlung ordnungsgemäß widerzuspiegeln. Die Rechtssache scheint mir nämlich im Sinne von Art. 61 Abs. 1 zweiter Satz der Satzung des Gerichtshofs zur Entscheidung reif.

    105.

    Da der Gerichtshof im Rahmen seines Evokationsrechts die Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung, wie sie in Art. 261 AEUV in Verbindung mit Art. 31 der Verordnung Nr. 1/2003 vorgesehen ist, genießt, kann er die Geldbuße nach freiem Ermessen neu festsetzen ( 31 ).

    106.

    Diese Befugnis ermächtigt zwar den Unionsrichter über die reine Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Geldbuße hinaus dazu, die Beurteilung der Kommission hinsichtlich der Angemessenheit der Geldbuße durch seine eigene Beurteilung zu ersetzen; jedoch entspricht die Ausübung dieser Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung nicht einer Prüfung von Amts wegen, und das Verfahren ist ein streitiges ( 32 ).

    107.

    Daher schlage ich dem Gerichtshof vor, sich darauf zu beschränken, die Geldbuße herabzusetzen, um den bei der Prüfung des dritten Rechtsmittelgrundes festgestellten Rechtsfehler zu berichtigen.

    108.

    Statt willkürlich eine Zahl zu nennen, schlage ich weiter zur Wahrung der Kohärenz und der Vorhersehbarkeit vor, sich an die Methode in den Leitlinien zu halten, wie sie vom Gericht hinsichtlich des anzuwendenden Multiplikationsfaktor präzisiert und angepasst wurde ( 33 ), und demgemäß die Geldbuße unter Berücksichtigung der verringerten Dauer der Zuwiderhandlung neu festzusetzen.

    109.

    Wie das Gericht in Rn. 565 des angefochtenen Urteils festgestellt hat, hat die Kommission bei der Berechnung der gegen die Rechtsmittelführerin verhängten Geldbuße für die Schwere der Zuwiderhandlung 18 % des Jahresumsatzes von Paraffinwachsen und 15 % des Jahresumsatzes von Paraffingatsch berücksichtigt. Die so ermittelten Beträge ( 34 ) wurden wegen der Dauer der Zuwiderhandlung mit dem Faktor 13 für die Paraffinwachse und 7 für das Paraffingatsch multipliziert. Insgesamt hat die Kommission, einschließlich der „Eintrittsgebühr“, die Multiplikationsfaktoren 14 für Paraffinwachse und 7 für Paraffingatsch verwendet.

    110.

    Um die in Rn. 561 des angefochtenen Urteils festgestellten Rechtsverletzungen durch die Anpassung der Höhe der gegen die Rechtsmittelführerin verhängten Geldbuße zu bereinigen und den genauen Zeitraum ihrer Teilnahme an der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen, wurde der Multiplikationsfaktor vom Gericht für den Zeitraum ihrer Beteiligung auf 12,64 (zu dem ein Punkt als Eintrittsgebühr hinzukommt) für Paraffinwachse (zwölf Jahre, sieben Monate und 28 Tage) ( 35 ) und auf 6,53 hinsichtlich Paraffingatsch (sechs Jahre, sechs Monate und zwölf Tage) ( 36 ) festgesetzt. Nach Anwendung des Faktors 1,7 ( 37 ) für die abschreckende Wirkung wurde schließlich die Geldbuße auf 121626710 Euro für Paraffinwachse und auf 3833132 Euro für Paraffingatsch, d. h. einen Gesamtbetrag der gegen die Rechtsmittelführerin verhängten Geldbuße von 125459842 Euro festgesetzt.

    111.

    Im vorliegenden Fall schlage ich vor, diese Schritte unter Berücksichtigung der Rechtswidrigkeit bei der Bestimmung der Dauer der Beteiligung der Rechtsmittelführerin am Kartell auf dem Markt für Paraffinwachse zu wiederholen. Da die Dauer der Beteiligung der Rechtsmittelführerin auf elf Jahre, sieben Monate und 15 Tage herabzusetzen ist, ist der Multiplikationsfaktor auf den für die Zuwiderhandlung festgesetzten Betrag (nämlich der, der die Berücksichtigung der Dauer der Zuwiderhandlung mit der Eintrittsgebühr kombiniert) für diesen Markt von 13,64 auf 12,62 herabzusetzen, was zu einem Zwischenbetrag von ungefähr 66194974 Euro führt. Nach Anwendung des Faktors 1,7 für die abschreckende Wirkung ist die Geldbuße nach meinen Berechnungen auf ungefähr 112531456 Euro für Paraffinwachse herabzusetzen. Erhöht um den endgültigen für Paraffingatsch festgesetzten Betrag, nämlich 3833132 Euro, wird der gegen die Rechtsmittelführerin verhängte Gesamtbetrag der Geldbuße auf einen Betrag von ungefähr 116364588 Euro festzusetzen sein.

    112.

    Daher wird vorgeschlagen, die gegen die Rechtsmittelführerin verhängte Geldbuße auf einen gerundeten Betrag von 116364588 Euro festzusetzen.

    VII – Kosten

    113.

    Nach Art. 184 Abs. 2 seiner Verfahrensordnung entscheidet der Gerichtshof über die Kosten, wenn das Rechtsmittel begründet ist und er den Rechtsstreit selbst endgültig entscheidet.

    114.

    Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs in Verbindung mit Art. 184 Abs. 1 dieser Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Für den Fall, dass jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, bestimmt Art. 138 Abs. 3 der Verfahrensordnung, dass jede Partei ihre eigenen Kosten trägt. Der Gerichtshof kann jedoch entscheiden, dass eine Partei außer ihren eigenen Kosten einen Teil der Kosten der Gegenpartei trägt, wenn dies in Anbetracht der Umstände des Einzelfalls gerechtfertigt erscheint.

    115.

    Hier bin ich der Ansicht, dass hinsichtlich der Kosten im ersten Rechtszug nach den Umständen des vorliegenden Falls zu entscheiden ist, dass Total Raffinage Marketing acht Zehntel ihrer eigenen Kosten und acht Zehntel der Kosten der Europäischen Kommission trägt. Die Kommission trägt zwei Zehntel ihrer eigenen Kosten und zwei Zehntel der Kosten von Total Raffinage Marketing.

    116.

    Zum vorliegenden Rechtsmittelverfahren schlage ich vor, zu entscheiden, dass jede Partei ihre eigenen Kosten trägt.

    VIII – Ergebnis

    117.

    Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, wie folgt zu entscheiden:

    1.

    Das Urteil Total Raffinage Marketing/Kommission (T‑566/08, EU:T:2013:423) wird aufgehoben, soweit das Gericht zu Unrecht ausgeschlossen hat, dass die Rechtsmittelführerin ihre Beteiligung an der Zuwiderhandlung nach dem 12. Mai 2004 beendete.

    2.

    Art. 1 der Entscheidung K(2008) 5476 endg. der Kommission vom 1. Oktober 2008 in einem Verfahren nach Art. 81 [EG] und Art. 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/39.181 – Kerzenwachse) wird für nichtig erklärt, soweit darin die Beteiligung der Rechtsmittelführerin an einer fortdauernden Vereinbarung und/oder einer fortdauernden abgestimmten Verhaltensweise im Paraffinwachssektor auf dem Gemeinsamen Markt für den Zeitraum vom 12. Mai 2004 bis zum 28. April 2005 festgestellt wird.

    3.

    Der Betrag der gegen Total Raffinage Marketing in Art. 2 der Entscheidung K(2008) 5476 endg. verhängten Geldbuße wird auf 116364588 Euro festgesetzt.

    4.

    Hinsichtlich der Kosten im ersten Rechtszug trägt Total Raffinage Marketing acht Zehntel ihrer eigenen Kosten und acht Zehntel der Kosten der Europäischen Kommission. Die Kommission trägt zwei Zehntel ihrer eigenen Kosten und zwei Zehntel der Kosten von Total Raffinage Marketing.

    5.

    Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten des Rechtsmittelverfahrens.


    ( 1 ) Originalsprache: Französisch.

    ( 2 ) T‑566/08, EU:T:2013:423, im Folgenden: angefochtenes Urteil.

    ( 3 ) ABl. 2006, C 210, S. 2 (im Folgenden: Leitlinien von 2006).

    ( 4 ) Vgl. u. a. Urteile Aalborg Portland u. a./Kommission (C‑204/00 P, C‑205/00 P, C‑211/00 P, C‑213/00 P, C‑217/00 P und C‑219/00 P, EU:C:2004:6, Rn. 51) und Quinn Barlo u. a./Kommission (C‑70/12 P, EU:C:2013:351, Rn. 26).

    ( 5 ) Urteil Comap/Kommission (C‑290/11 P, EU:C:2012:271, Rn. 70 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    ( 6 ) Vgl. Urteil Comap/Kommission (C‑290/11 P, EU:C:2012:271, Rn. 71 und 86 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    ( 7 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil Siemens u. a./Kommission (C‑239/11 P, C‑489/11 P und C‑498/11 P, EU:C:2013:866, Rn. 128 bis 130 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

    ( 8 ) T‑208/08 und T‑209/08, EU:T:2011:287, Rn. 161.

    ( 9 ) Urteile Technische Unie/Kommission (C‑113/04 P, EU:C:2006:593, Rn. 169) und Aalborg Portland u. a./Kommission (C‑204/00 P, C‑205/00 P, C‑211/00 P, C‑213/00 P, C‑217/00 P und C‑219/00P, EU:C:2004:6, Rn. 260).

    ( 10 ) Urteil Kommission/Verhuizingen Coppens (C‑441/11 P, EU:C:2012:778, Rn. 75).

    ( 11 ) Vgl. insbesondere Urteil Aalborg Portland u. a./Kommission (C‑204/00 P, C‑205/00 P, C‑211/00 P, C‑213/00 P, C‑217/00 P und C‑219/00 P, EU:C:2004:6, Rn. 81 und 82 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    ( 12 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil Sumitomo Metal Industries und Nippon Steel/Kommission (C‑403/04 P und C‑405/04 P, EU:C:2007:52, Rn. 52).

    ( 13 ) Urteile Aalborg Portland u. a./Kommission (C‑204/00 P, C‑205/00 P, C‑211/00 P, C‑213/00 P, C‑217/00 P und C‑219/00 P, EU:C:2004:6, Rn. 57) sowie Sumitomo Metal Industries und Nippon Steel/Kommission (C‑403/04 P und C‑405/04 P, EU:C:2007:52, Rn. 51).

    ( 14 ) C‑441/11 P, EU:C:2012:778.

    ( 15 ) Vgl. hierzu Urteile Aalborg Portland u. a./Kommission (C‑204/00 P, C‑205/00 P, C‑211/00 P, C‑213/00 P, C‑217/00 P und C‑219/00 P, EU:C:2004:6, Rn. 260) und Technische Unie/Kommission (C‑113/04 P, EU:C:2006:593, Rn. 169).

    ( 16 ) Hervorhebung nur hier.

    ( 17 ) Schlussanträge des Generalanwalts Ruiz-Jarabo Colomer in der Rechtssache Aalborg Portland u. a./Kommission (C‑204/00 P, EU:C:2003:85, Nrn. 127 bis 131).

    ( 18 ) Hervorhebung nur hier.

    ( 19 ) Schlussanträge des Generalanwalts Ruiz-Jarabo Colomer in der Rechtssache Aalborg Portland u. a./Kommission (C‑204/00 P, EU:C:2003:85, Nr. 128).

    ( 20 ) Vgl. im gleichen Sinne Urteile Hüls/Kommission (C‑199/92 P, EU:C:1999:358, Rn. 155) und Montecatini/Kommission (C‑235/92 P, EU:C:1999:362, Rn. 181).

    ( 21 ) Vgl. insbesondere Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission (C‑189/02 P, C‑202/02 P, C‑205/02 P bis C‑208/02 P und C‑213/02 P, EU:C:2005:408, Rn. 142 bis 145), Beschluss Adriatica di Navigazione/Kommission (C‑111/04 P, EU:C:2006:105, Rn. 48 bis 54) und Urteil Comap/Kommission (C‑290/11 P, EU:C:2012:271, Rn. 73 bis 76) betreffend Unternehmen, deren Teilnahme an Treffen mit wettbewerbswidrigem Gegenstand nachgewiesen war.

    ( 22 ) Vgl. Rn. 372 bis 375 des angefochtenen Urteils.

    ( 23 ) Vgl. Rn. 378 und 379 des angefochtenen Urteils.

    ( 24 ) Vgl. Rn. 380 des angefochtenen Urteils.

    ( 25 ) Damit ist vor allem die besondere Situation von Repsol und die Vergleichbarkeit ihrer Situation mit der der Rechtsmittelführerin gemeint. Das Gericht hat demgemäß darauf hingewiesen, dass im Unterschied zu Repsol nach dem 4. August 2004 keine Einstellung des Versands der offiziellen Einladungen zu den technischen Treffen für die Rechtsmittelführerin festgestellt wurde und sogar Hotelzimmer für ihren Vertreter reserviert worden waren (vgl. insbesondere Rn. 385 bis 388 des angefochtenen Urteils).

    ( 26 ) Urteil Kommission/Verhuizingen Coppens (C‑441/11 P, EU:C:2012:778, Rn. 72).

    ( 27 ) Urteil Kommission/Verhuizingen Coppens (C‑441/11 P, EU:C:2012:778, Rn. 75).

    ( 28 ) Vgl. Urteil The Rank Group (C‑259/10 und C‑260/10, EU:C:2011:719, Rn. 62 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    ( 29 ) Verordnung des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 [EG] und 82 [EG] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1).

    ( 30 ) Urteil Kone u. a./Kommission (C‑510/11 P, EU:C:2013:696, Rn. 28).

    ( 31 ) Urteil Kommission/Verhuizingen Coppens (C‑441/11 P, EU:C:2012:778, Rn. 79 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    ( 32 ) Vgl. u. a. Kommission/Parker Hannifin Manufacturing und Parker-Hannifin (C‑434/13 P, EU:C:2014:2456, Rn. 74 und 76 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    ( 33 ) Vgl. Rn. 561, 566 und 567 des angefochtenen Urteils.

    ( 34 ) Unter Berücksichtigung des Jahresumsatzes auf den betreffenden Märkten, der 31133865 Euro (davon 1993620 Euro für Paraffingatsch) (vgl. 640. Erwägungsgrund der streitigen Entscheidung und Rn. 13 des angefochtenen Urteils) betrug, belaufen sich diese Beträge auf jeweils 5245244 Euro (für den Markt für Paraffinwachse) und 299043 Euro (für den Markt für Paraffingatsch).

    ( 35 ) Das ergibt einen Betrag von ungefähr 71545123 Euro.

    ( 36 ) Das ergibt einen Betrag von 1952750,79 Euro.

    ( 37 ) Auf den jeweiligen Betrag angewandt führt dieser Faktor zu Beträgen von ungefähr 121626717,87 und 3319676,34 Euro. Diese Beträge wurden jedoch auf jeweils 121626710 und 3833132 Euro festgesetzt.

    Top