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Document 62013CC0628

Schlussanträge des Generalanwalts Wathelet vom 18. Dezember 2014.
Jean-Bernard Lafonta gegen Autorité des marchés financiers.
Ersuchen um Vorabentscheidung: Cour de cassation - Frankreich.
Vorlage zur Vorabentscheidung - Rechtsangleichung - Richtlinie 2003/6/EG - Art. 1 Nr. 1 - Richtlinie 2003/124/EG - Art. 1 Abs. 1 - Insider-Information - Begriff ‚präzise Information‘ - Potenzielle Wirkung auf die Kurse von Finanzinstrumenten in einer bestimmten Richtung.
Rechtssache C-628/13.

Court reports – general

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2014:2472

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MELCHIOR WATHELET

vom 18. Dezember 2014 ( 1 )

Rechtssache C‑628/13

Jean-Bernard Lafonta

gegen

Autorité des marchés financiers (AMF)

(Vorabentscheidungsersuchen der Cour de cassation [Frankreich])

„Rechtsangleichung — Finanzdienstleistungen — Richtlinie 2003/6/EG — Begriff der Insider-Information — ‚Präzise‘ Information — Richtlinie 2003/124/EG — Potenzielle Beeinflussung der Kurse von Finanzinstrumenten in eine bestimmte Richtung“

I – Einleitung

1.

Das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen der Cour de cassation (Frankreich), das am 2. Dezember 2013 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen ist, betrifft die Auslegung von Art. 1 Nr. 1 der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch) ( 2 ) und Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/124/EG der Kommission vom 22. Dezember 2003 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6 betreffend die Begriffsbestimmung und die Veröffentlichung von Insider-Informationen und die Begriffsbestimmung der Marktmanipulation ( 3 ).

2.

Die Frage des vorlegenden Gerichts stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen Herrn Lafonta und der Autorité des marchés financiers (Finanzmarktbehörde, im Folgenden: AMF) über eine finanzielle Transaktion, die es der Wendel SA (im Folgenden: Wendel), deren Vorstandsvorsitzender zu dem für das Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitpunkt Herr Lafonta war, ermöglichte, eine erhebliche Beteiligung am Kapital der Gesellschaft Saint-Gobain zu erwerben. Die AMF war der Ansicht, Herr Lafonta habe dadurch, dass er es unterlassen habe, die Information über den Abschluss dieser Finanztransaktion der Öffentlichkeit bekannt zu geben, gegen die nationalen Vorschriften über die Veröffentlichung von Insider-Informationen verstoßen, und verhängte gegen ihn eine Geldbuße in Höhe von 1,5 Mio. Euro.

II – Unionsrecht

A – Richtlinie 2003/6

3.

Artikel 1 Nr. 1 der Richtlinie 2003/6 bestimmt:

„Für die Zwecke dieser Richtlinie gelten folgende Definitionen:

1.

‚Insider-Information‘ ist eine nicht öffentlich bekannte präzise Information, die direkt oder indirekt einen oder mehrere Emittenten von Finanzinstrumenten oder ein oder mehrere Finanzinstrumente betrifft und die, wenn sie öffentlich bekannt würde, geeignet wäre, den Kurs dieser Finanzinstrumente oder den Kurs sich darauf beziehender derivativer Finanzinstrumente erheblich zu beeinflussen.

[…]

4.

Art. 2 der Richtlinie sieht vor:

„(1)   Die Mitgliedstaaten untersagen Personen im Sinne von Unterabsatz 2, die über eine Insider-Information verfügen, unter Nutzung derselben für eigene oder fremde Rechnung direkt oder indirekt Finanzinstrumente, auf die sich die Information bezieht, zu erwerben oder zu veräußern oder dies zu versuchen.

Unterabsatz 1 gilt für Personen, die

a)

als Mitglied eines Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans des Emittenten,

b)

durch ihre Beteiligung am Kapital des Emittenten oder

c)

dadurch, dass sie aufgrund ihrer Arbeit, ihres Berufs oder ihrer Aufgaben Zugang zu der betreffenden Information haben, oder

d)

aufgrund ihrer kriminellen Aktivitäten

über diese Information verfügen.

(2)   Handelt es sich bei der in Absatz 1 genannten Person um eine juristische Person, so gilt das dort niedergelegte Verbot auch für die natürlichen Personen, die an dem Beschluss beteiligt sind, das Geschäft für Rechnung der betreffenden juristischen Person zu tätigen.

(3)   Dieser Artikel findet keine Anwendung auf Geschäfte, die getätigt werden, um einer fällig gewordenen Verpflichtung zum Erwerb oder zur Veräußerung von Finanzinstrumenten nachzukommen, wenn diese Verpflichtung auf einer Vereinbarung beruht, die geschlossen wurde, bevor die betreffende Person die Insider-Information erhalten hat.“

5.

In Art. 6 Abs. 1 und 2 dieser Richtlinie heißt es:

„(1)   Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass alle Emittenten von Finanzinstrumenten Insider-Informationen, die sie unmittelbar betreffen, so bald als möglich der Öffentlichkeit bekannt geben.

[…]

(2)   Ein Emittent darf die Bekanntgabe von Insider-Informationen gemäß Absatz 1 auf eigene Verantwortung aufschieben, wenn diese Bekanntgabe seinen berechtigten Interessen schaden könnte, sofern diese Unterlassung nicht geeignet ist, die Öffentlichkeit irrezuführen, und der Emittent in der Lage ist, die Vertraulichkeit der Information zu gewährleisten. Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass der Emittent die zuständige Behörde unverzüglich von der Entscheidung, die Bekanntgabe der Insider-Informationen aufzuschieben, zu unterrichten hat.“

B – Richtlinie 2003/124

6.

Art. 1 („Insider-Informationen“) der Richtlinie 2003/124 lautet:

„(1)   Für die Anwendung von Artikel 1 [Nummer] 1 der Richtlinie 2003/6/EG ist eine Information dann als präzise anzusehen, wenn damit eine Reihe von Umständen gemeint ist, die bereits existieren oder bei denen man mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen kann, dass sie in Zukunft existieren werden, oder ein Ereignis, das bereits eingetreten ist oder mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in Zukunft eintreten wird, und diese Information darüber hinaus spezifisch genug ist, dass sie einen Schluss auf die mögliche Auswirkung dieser Reihe von Umständen oder dieses Ereignisses auf die Kurse von Finanzinstrumenten oder damit verbundenen derivativen Finanzinstrumenten zulässt.

(2)   Für die Anwendung von Artikel 1 [Nummer] 1 der Richtlinie 2003/6/EG ist [mit] einer ‚Insider-Information, die, wenn sie öffentlich bekannt würde, geeignet wäre, den Kurs dieser Finanzinstrumente oder den Kurs damit verbundener derivativer Finanzinstrumente spürbar zu beeinflussen‘ eine Information gemeint, die ein verständiger Anleger wahrscheinlich als Teil der Grundlage seiner Anlageentscheidungen nutzen würde.“

III – Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage

7.

Zwischen Dezember 2006 und Juni 2007 hatte Wendel mit vier Kreditinstituten (im Folgenden: Banken) Verträge über „Total Return Swaps“ (im Folgenden: TRS) abgeschlossen, denen als Aktiva Aktien der Gesellschaft Saint-Gobain zugrunde lagen; zur Deckung hatten die Banken 85 Mio. Saint-Gobain-Wertpapiere erworben.

8.

Während der Laufzeit der Verträge war Wendel gegenüber den Banken zu Entgeltzahlungen verpflichtet und erhielt von diesen den Betrag der mit den Aktien von Saint Gobain verbundenen Dividenden. Bei der Beendigung der Verträge, zu der es am Ende der Laufzeit oder vorzeitig auf Betreiben von Wendel kommen konnte, war die Differenz zwischen dem „Referenzpreis“, der dem Wert der Aktien bei Abschluss der TRS entsprach, und dem „Preis bei Beendigung“, der dem Wert der Aktien zum Zeitpunkt der Beendigung entsprach, zu errechnen. Eine etwaige Wertsteigerung kam Wendel zugute, während Wendel im Fall eines Wertverlusts den Differenzbetrag an die Bank zu zahlen hatte.

9.

Parallel zum Abschluss der TRS-Verträge hatte Wendel von den Banken und einem weiteren Kreditinstitut finanzielle Mittel in Höhe eines Gesamtbetrags erhalten, der dem der TRS nahekam.

10.

Nachdem Wendel am 3. September 2007 entschieden hatte, die TRS schrittweise abzuwickeln, erwarb sie bis zum 27. November 2007 mehr als 66 Mio. Aktien, die 17,6 % des Kapitals des Unternehmens Saint-Gobain entsprachen, und meldete der AMF zwischen dem 26. September 2007 und dem 26. März 2008 die Überschreitung der Schwellen von 5 %, 10 %, 15 % und 20 % des Kapitals von Saint-Gobain.

11.

Die AMF war der Ansicht, dass der Vorstand von Wendel zwar am 3. September 2007 offiziell die Entscheidung getroffen habe, das finanzielle Engagement bei Saint-Gobain in den physischen Besitz von Wertpapieren dieser Gesellschaft umzuwandeln. Die Angaben im Untersuchungsbericht der Direktion für Untersuchungen und Marktaufsicht der AMF zu den Umständen, unter denen Wendel ihren Anteil am Kapital von Saint-Gobain erhöhen konnte, und das Einhergehen des Abschlusses der TRS-Verträge mit der Erlangung von Finanzierungen durch Wendel, die ihr letztlich den Erwerb der von den Banken im Rahmen der Abwicklung der TRS übertragenen Saint-Gobain-Wertpapiere ermöglicht hätten, hätten jedoch gezeigt, dass von Anfang an der Wunsch bestanden habe, eine wesentliche Beteiligung am Kapital der Gesellschaft Saint-Gobain zu erwerben, und dass dies der Zweck der Transaktion gewesen sei.

12.

Die AMF warf Wendel und Herrn Lafonta vor, der Öffentlichkeit nicht die wesentlichen Merkmale der von Wendel vorbereiteten „finanziellen Transaktion“ bekannt gegeben zu haben, „die es ihr ermöglichen sollte, spätestens zum 21. Juni 2007 eine bedeutende Beteiligung am Kapital der Gesellschaft Saint-Gobain zu erwerben, zu einem Zeitpunkt, zu dem sämtliche TRS mit den Finanzinstituten geschlossen waren“. Außerdem hätten sie, bevor sie verpflichtet gewesen seien, das Überschreiten der Schwelle von 5 % anzuzeigen, der Öffentlichkeit nicht die Insider-Information mitgeteilt, die in der „Vornahme der oben genannten Transaktion durch Wendel mit dem Ziel, eine wesentliche Beteiligung am Kapital der Gesellschaft Saint-Gobain übernehmen zu können“, bestanden habe.

13.

Mit Entscheidung vom 13. Dezember 2010 stellte der Sanktionsausschuss der AMF fest, dass diese Vorwürfe berechtigt seien, und verhängte gegenüber Wendel und Herrn Lafonta eine Geldbuße in Höhe von 1,5 Mio. Euro.

14.

Herr Lafonta legte hiergegen einen Rechtsbehelf bei der Cour d’appel de Paris ein, die die Entscheidung der AMF bestätigte. Gegen dieses Urteil erhob Herr Lafonta Kassationsbeschwerde beim vorlegenden Gericht.

15.

Herr Lafonta ist der Ansicht, dass eine Information im Sinne dieser Vorschrift nur dann „präzise“ sei, wenn sie demjenigen, der sie besitze, ermögliche, vorherzusagen, in welche Richtung sich der Kurs des Wertpapiers des betreffenden Emittenten ändern werde, wenn die Information allgemein bekannt werde. Denn nur eine Information, die es ermögliche, vorauszusehen, ob der Kurs des Wertpapiers steigen oder fallen werde, ermögliche es demjenigen, der die Information besitze, zu erkennen, ob er kaufen oder verkaufen müsse, und verschaffe ihm somit einen Vorteil gegenüber allen anderen Marktteilnehmern, denen diese Information nicht bekannt sei. Im vorliegenden Fall sei es unmöglich gewesen, vorauszusehen, wie sich eine Bekanntgabe der Information über eine Beteiligung von Wendel am Kapital der Saint-Gobain auf den Kurs der Titel von Wendel ausgewirkt hätte, d. h., ob sie zu Kursgewinnen oder Kursverlusten geführt hätte.

16.

Die AMF ist der Ansicht, ein solches Erfordernis gehe über den Wortlaut der Vorschriften der Richtlinien 2003/6 und 2003/124 hinaus, in denen die Richtung einer möglichen Auswirkung der Information auf den Kurs der betreffenden Finanzinstrumente keine Erwähnung finde. Nach ihrer Ansicht besteht die „Unterscheidung zwischen präziser und unpräziser Information … in ihrer potenziellen Wirkung auf den Markt, so dass jede Information, die den Schluss zulässt, dass sie, wenn sie öffentlich bekannt wäre, zu einer Kursänderung führen könnte, schon aus diesem Grund eine präzise Information darstellt; dieses Merkmal muss durch die Darlegung des spürbaren Einflusses, den das fragliche Ereignis auf den Kurs des Wertpapiers haben könnte, ergänzt werden“.

17.

Unter diesen Umständen hat die Cour de cassation das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Sind Art. 1 Nr. 1 der Richtlinie 2003/6 und Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/124 dahin auszulegen, dass ausschließlich diejenigen Informationen präzise Informationen im Sinne dieser Bestimmungen darstellen können, aus denen mit einem hinreichenden Maß an Wahrscheinlichkeit abgeleitet werden kann, dass sich ihr potenzieller Einfluss auf die Kurse der betreffenden Finanzinstrumente in eine bestimmte Richtung auswirken wird, wenn sie öffentlich bekannt werden?

IV – Verfahren vor dem Gerichtshof

18.

Herr Lafonta, die französische, die tschechische, die deutsche, die italienische und die polnische Regierung sowie die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen abgegeben. Herr Lafonta, die französische und die polnische Regierung sowie die Kommission haben in der Sitzung vom 13. November 2014 mündliche Erklärungen abgegeben.

V – Würdigung

A – Vorbemerkungen

19.

Die Frage des vorlegenden Gerichts betrifft den Begriff „Insider-Information“, wie er in Art. 1 Nr. 1 der Richtlinie 2003/6 definiert ist, und insbesondere den „präzisen“ Charakter dieser Information, wie er in Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/124 definiert ist.

20.

Wie sich aus dem Titel der Richtlinie 2003/6 ergibt, sollen mit ihr Insider-Geschäfte und Marktmissbrauch bekämpft werden.

21.

Zur Erreichung dieser Ziele sieht die Richtlinie 2003/6 u. a. in Art. 2 Abs. 1 das Verbot von Insider-Geschäften ( 4 ) vor, d. h. das Verbot der rechtswidrigen Nutzung von Insider-Informationen ( 5 ), und in Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 die Verpflichtung der Emittenten von Finanzinstrumenten, Insider-Informationen, die sie unmittelbar betreffen, so bald als möglich der Öffentlichkeit bekannt zu geben. Darüber hinaus sieht Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2003/6 vor, dass die Mitgliedstaaten Verstöße u. a. gegen Art. 2 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie mit Verwaltungsmaßnahmen oder im Verwaltungsverfahren zu erlassenden Sanktionen ( 6 ) gegen die verantwortlichen Personen bewehren ( 7 ).

22.

Nach ihren Erwägungsgründen 2 und 12 verbietet die Richtlinie 2003/6 somit Insider-Geschäfte, um die Integrität der Finanzmärkte zu schützen und das Vertrauen der Anleger zu stärken, das insbesondere darauf beruht, dass sie einander gleichgestellt und gegen die unrechtmäßige Verwendung einer Insider-Information geschützt sind ( 8 ). Der Unionsgesetzgeber äußert im 15. Erwägungsgrund der Richtlinie 2003/6 die Ansicht, dass Insider-Geschäfte und Marktmanipulation verhindern, dass der Markt vollständig und wirklich transparent ist, dies aber eine Voraussetzung dafür ist, dass alle Wirtschaftsakteure an integrierten Finanzmärkten teilnehmen können. Nach den ersten beiden Sätzen des 24. Erwägungsgrundes der Richtlinie wird durch unverzügliche und angemessene öffentliche Bekanntgabe von Informationen die Integrität des Marktes gefördert, während eine selektive Weitergabe von Informationen durch Emittenten dazu führen kann, dass das Vertrauen der Anleger in die Integrität der Finanzmärkte schwindet ( 9 ).

23.

Hieraus ergibt sich, dass der Begriff „Insider-Information“, wie er in Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/6 definiert ist, ein Schlüsselbegriff ist, dem im Hinblick auf seine zentrale Rolle in Art. 2 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie grundlegende Bedeutung zukommt. Darüber hinaus verlangt die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, gemäß Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie für die Verhängung von Sanktionen zu sorgen, dass der Begriff klar definiert ist und den Erfordernissen der Rechtssicherheit entspricht.

24.

Der Sachverhalt des Ausgangsverfahrens betrifft die in Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2003/6 vorgesehene Verpflichtung, Insider-Informationen so bald als möglich der Öffentlichkeit bekannt zu geben. Diese den Emittenten von Finanzinstrumenten auferlegte „positive“ ( 10 ) Pflicht soll die zur Einhaltung der Ziele dieser Richtlinie erforderliche Transparenz sicherstellen ( 11 ).

25.

Art. 1 Nr. 1 der Richtlinie 2003/6 nennt die vier wesentlichen Tatbestandsmerkmale einer Insider-Information, nämlich erstens ihren präzisen Charakter, zweitens, dass sie nicht öffentlich bekannt ist, drittens, dass sie direkt oder indirekt einen oder mehrere Emittenten von Finanzinstrumenten oder ein oder mehrere Finanzinstrumente betrifft, und viertens ihre Geeignetheit, den Kurs der betreffenden Finanzinstrumente erheblich zu beeinflussen ( 12 ).

26.

Um die Rechtssicherheit der Marktteilnehmer zu stärken, zu denen die Emittenten von Finanzinstrumenten gehören, bestimmt die Richtlinie 2003/124 zwei der vier wesentlichen Tatbestandsmerkmale der Insider-Information genauer ( 13 ), nämlich die präzise Natur dieser Information (erstes Tatbestandsmerkmal) und die Frage, ob diese Information möglicherweise den Kurs der Finanzinstrumente oder den Kurs damit verbundener derivativer Finanzinstrumente erheblich beeinflussen wird (viertes Tatbestandsmerkmal).

27.

In Rn. 53 des Urteils Geltl hat der Gerichtshof für Recht erkannt, dass die beiden in Art. 1 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2003/124 genannten Tatbestandsmerkmale der Insider-Information Mindestvoraussetzungen darstellten, von denen jede erfüllt sein müsse, damit eine Information als „Insider-Information“ im Sinne von Art. 1 Nr. 1 der Richtlinie 2003/6 angesehen werden könne.

28.

Darüber hinaus wies der Gerichtshof auf den selbständigen Charakter jedes der beiden Tatbestandsmerkmale hin. Das Vorliegen einer präzisen Information hänge nicht von deren Eignung ab, den Kurs von Finanzinstrumenten spürbar zu beeinflussen ( 14 ). Wie die französische Regierung in ihren Erklärungen ausführt, ist es „auf der Stufe der Feststellung, ob eine Information präzisen Charakter hat, unerheblich, ob sie einem verständigen Anleger als Grundlage seiner Entscheidung dienen kann“.

29.

In diesem Zusammenhang weise ich darauf hin, dass eine „präzise“ Information tatsächlich und in der Praxis oft geeignet ist, den Kurs von Finanzinstrumenten spürbar zu beeinflussen, und daher eine Insider-Information darstellt. Doch ist nochmals zu betonen, dass die Beurteilung des präzisen Charakters einer Information und ihrer Geeignetheit, den Kurs der Finanzinstrumente spürbar zu beeinflussen, zwei zwingende und rechtlich unterschiedliche Kriterien sind.

B – Der Begriff „präzise

30.

Nach Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/124 gilt eine Information als präzise, wenn zwei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind. Zum einen muss mit der Information eine Reihe von Umständen gemeint sein, die bereits existieren oder bei denen man mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen kann, dass sie in Zukunft existieren werden, oder ein Ereignis, das bereits eingetreten ist oder mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in Zukunft eintreten wird. Zum anderen muss sie spezifisch genug sein, dass sie einen Schluss auf die mögliche Auswirkung dieser Reihe von Umständen oder dieses Ereignisses auf die Kurse von Finanzinstrumenten oder damit verbundenen derivativen Finanzinstrumenten zulässt ( 15 ).

31.

Die Frage des vorlegenden Gerichts betrifft die zweite Voraussetzung und geht dahin, ob diese Voraussetzung in dem Sinne auszulegen ist, dass eine Information nur dann „präzise“ ist, wenn sie es ermöglicht, die Richtung einer Kursänderung – Ansteigen oder Fallen – der betreffenden Finanzinstrumente vorauszusehen.

32.

Die Mitgliedstaaten, die schriftliche Erklärungen abgegeben haben, und die Kommission verneinen diese Frage einhellig.

33.

Nur Herr Lafonta schlägt eine andere Antwort dahin vor, dass die Gleichheit der Anleger nur dann nicht mehr gegeben sei, wenn derjenige, der über die Information verfüge, vorhersehen könne, in welcher Weise sich der Markt (nach oben oder unten) entwickeln werde, wenn diese Information bekannt gegeben werde. Nur dann könne er entscheiden, ob er kaufen oder verkaufen müsse, um einen Gewinn zu erzielen. Andernfalls würde er dasselbe Risiko wie der gesamte Markt tragen, wenn er mit dem betreffenden Wertpapier handle.

34.

Aus Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/124 ergibt sich klar, dass eine Information dann als „präzise“ anzusehen ist, wenn sie so konkret ( 16 ) oder spezifisch ( 17 ) ist, dass aus ihr auf einen möglichen Einfluss auf die Kurse der betreffenden Finanzinstrumente geschlossen werden kann.

35.

Hingegen ist festzustellen, dass weder Art. 1 Nr. 1 der Richtlinie 2003/6 noch Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/124 spezifisch auf eine Information Bezug nehmen, die es ermöglichte, die Richtung – steigende oder fallende Kurse – einer Kursänderung dieser Instrumente vorherzusagen ( 18 ). Eine solche Information würde selbstverständlich eine präzise Information darstellen ( 19 ); die dem Gerichtshof vorgelegte Frage geht aber dahin, ob die Information auch dann präzise sein kann, wenn sie dies nicht ermöglicht.

36.

Ich weise auch darauf hin, dass Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/124 sehr allgemein und weit gefasst ist ( 20 ).

37.

Die Wendung „einen Schluss auf die mögliche Auswirkung“ ( 21 ) hat nämlich eindeutig eine sehr große Tragweite und kann nicht in der Weise eng ausgelegt werden, dass sie nur Informationen betreffe, die es ermöglichten, die Richtung zu bestimmen, die eine Kursänderung der betreffenden Finanzinstitute nehmen könnte ( 22 ).

38.

Es trifft zu, dass nach dieser Vorschrift vage oder allgemeine Informationen, die wegen ihres Mangels an Genauigkeit oder Spezifität keinen Schluss hinsichtlich ihrer möglichen Auswirkungen auf den Kurs der betreffenden Instrumente zulassen, von der Definition der „Insider-Information“ ausgeschlossen sind ( 23 ). Solche Informationen sind ihrem Wesen nach nicht schlüssig und deshalb nicht geeignet, die Ziele der Richtlinie 2003/6 zu beeinträchtigen. Es ist daher angebracht, sie vom Begriff „Insider-Information“ auszuschließen, um eine Überlastung der Marktteilnehmer mit nutzlosen Informationen zu vermeiden, bei der die Gefahr bestünde, dass zum einen die Marktteilnehmer „überflutet“ und zum anderen den Emittenten von Finanzinstrumenten überzogene Pflichten auferlegen würden.

39.

Ich bin zudem der Ansicht, dass im Hinblick auf die in sehr zahlreichen Fällen auftretende Schwierigkeit, ex ante zu beurteilen ( 24 ), ob eine Information ein Steigen oder ein Fallen der Kurse der betreffenden Finanzinstrumente bewirken kann, eine Begrenzung der Tragweite des Begriffs der „präzisen“ Information allein auf Informationen, die es erlauben, die Richtung einer Kursänderung der betreffenden Instrumente vorauszusehen, darauf hinauslaufen würde, die Richtlinien 2003/6 und 2003/124 fast vollständig ihrer Substanz zu entleeren ( 25 ). Dies würde einer Einladung zur selektiven Mitteilung von Informationen durch die Emittenten gleichkommen, die in Widerspruch zu den Zielen der Richtlinie 2003/6 stünde.

40.

Herr Lafonta macht dennoch geltend, seine Ansicht werde von der Doktrin des Ausschusses der europäischen Wertpapierregulierungsbehörden (im Folgenden: EWA) gestützt ( 26 ). In Punkt 1.8 des Dokuments mit dem Titel „Market Abuse directive, Level 3 – second set of CESR guidance and information on the common operation of the directive to the market“ vom Juli 2007 (Richtlinie über Marktmissbrauch, Ebene 3 – zweite Folge von Orientierungshilfen und Informationen des EWA (im Folgenden: „Leitlinien“) ( 27 ) gebe der EWA an, dass eine Information beispielsweise in zwei Fallgestaltungen hinreichend präzise sei. Erstens, wenn die Information so beschaffen sei, dass sie einem verständigen Anleger erlaube, eine Anlageentscheidung zu treffen und dabei keine oder nur begrenzte finanzielle Risiken einzugehen, d. h., wenn sie es ihm ermögliche, mit Sicherheit einzuschätzen, wie sich die Information, wenn sie der Öffentlichkeit bekannt sei, auf den Kurs des betreffenden Finanzinstruments und der entsprechenden derivativen Finanzinstrumente einwirken werde. Eine Person beispielsweise, der bekannt sei, dass für einen bestimmten Emittent unmittelbar ein öffentliches Übernahmeangebot bevorstehe, könne sicher sein, dass der Kurs der Aktie des Emittenten steigen werde, wenn das Angebot bekannt werde. Zweitens, wenn die Information so beschaffen sei, dass sie sofort auf dem Markt genutzt werden könne ( 28 ).

41.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der EWA in Nr. 8 des gleichzeitig mit den Leitlinien veröffentlichten Feedback Statement (Bericht) ( 29 ) ausgeführt hat, das Ziel der Leitlinien bestehe darin, Beispiele für Informationen zu liefern, die als „Insider-Information“ in Betracht kämen. Hierzu ist festzustellen, dass die Leitlinien rechtlich nicht verbindlich sind, nicht angeführt werden können, um von den Bestimmungen der Richtlinien 2003/6 und 2003/124 abzuweichen, und überdies vor den Urteilen Spector Photo Group und Van Raemdonck (C‑45/08, EU:C:2009:806) und Geltl (C‑19/11, EU:C:2012:397) veröffentlicht wurden.

42.

Ich bin im Einklang mit den Erklärungen der Kommission in der mündlichen Verhandlung der Ansicht, dass das erste in Punkt 1.8 der Leitlinien aufgeführte Beispiel sehr extrem ist und eine äußerst seltene Situation nennt, in der die Information klar und vollständig ist und keinen Raum für Zweifel lässt. Wie die Kommission hervorgehoben hat, ist eine solche Gewissheit selbstverständlich nicht dafür erforderlich, dass eine Information als Insider-Information angesehen werden kann. Außerdem hat die Kommission zutreffend darauf hingewiesen, dass in Punkt 1.15 der Leitlinien weitere Beispiele für Ereignisse aufgenommen worden seien, die meine Annahme bestärken, dass eine Information über die Richtung der Kursänderung für den Begriff „Insider-Information“ nicht erforderlich ist. Der achte Gedankenstrich des Punkts 1.15, der sich u. a. auf den „Kauf oder die Veräußerung von Kapital oder bedeutenden Aktiva“ bezieht, betrifft offenbar sehr genau die im Fall Lafonta relevanten Informationen, d. h. die TRS. Nach den Leitlinien handelt es sich dabei um einen typischen Fall von „Insider-Information“. Darüber hinaus sind unter dem dritten und dem siebten Gedankenstrich sowie unter dem vorletzten Gedankenstrich des Punktes 1.15 der Leitlinien ebenfalls Beispiele von „Insider-Informationen“ aufgeführt, bei denen aus den Informationen die Richtung einer Kursentwicklung in keiner Weise vorherzusehen ist. Daher könnte Herr Lafonta, einmal unterstellt, die Leitlinien seien relevant, sich meines Erachtens zur Stützung seiner Auffassung nicht auf sie berufen.

43.

Ich bin deshalb der Ansicht, dass Art. 1 Nr. 1 der Richtlinien 2003/6 und Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/124 dahin auszulegen sind, dass eine Information dann als „präzise“ anzusehen ist, wenn damit „eine Reihe von Umständen gemeint ist, die bereits existieren oder bei denen man mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen kann, dass sie in Zukunft existieren werden, oder ein Ereignis, das bereits eingetreten ist oder mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in Zukunft eintreten wird“, und wenn darauf geschlossen werden kann, dass diese Reihe von Umständen oder dieses Ereignisses geeignet sind, zu einer Änderung oder Fluktuation des Kurses der Finanzinstrumente zu führen. Eine derartige Information muss „spezifisch genug [sein], dass sie einen Schluss auf die mögliche Auswirkung [der Umstände oder Ereignisse] auf die Kurse von Finanzinstrumenten … zulässt“.

44.

Es ist hingegen nicht erforderlich, dass mit einem hinreichenden Maß an Wahrscheinlichkeit abgeleitet werden kann, dass sich der potenzielle Einfluss der Information auf die Kurse der betreffenden Finanzinstrumente in eine bestimmte Richtung auswirken wird, wenn sie öffentlich bekannt wird.

C – Erheblicher Einfluss auf die Kurse

45.

Die Vorabentscheidungsfrage des vorlegenden Gerichts nimmt nicht Bezug auf den „erheblichen“ bzw. „spürbaren“ Einfluss ( 30 ) einer Information auf die Kurse der Finanzinstrumente. Daher werde ich auf diese Voraussetzung hier nur der Vollständigkeit halber kurz eingehen.

46.

Ich weise im Einklang mit den Erklärungen der Kommission darauf hin, dass die Frage, ob der Einfluss, den die Verbreitung bestimmter Informationen auf die Kurse haben kann, erheblich ist, für die in Art. 1 Nr. 1 der Richtlinie 2003/6 aufgestellte Voraussetzung der Präzision der Information irrelevant ist ( 31 ). Daher ist selbst eine „präzise“ Information den Zielen der Richtlinien 2003/6 und 2003/124 nicht abträglich, wenn sie nur geeignet ist, die Kurse der Finanzinstrumente in nicht erheblicher Weise zu berühren, und infolgedessen keine Information darstellt, „die ein verständiger Anleger wahrscheinlich als Teil der Grundlage seiner Anlageentscheidung nutzen würde“ im Sinne von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2003/124 ( 32 ).

47.

Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2003/124, der den Umfang der potenziellen Auswirkung einer Information auf die Kurse der Finanzinstrumente betrifft, soll Informationen ausschließen oder herausfiltern, die trotz ihres präzisen Charakters eine unbedeutende Auswirkung auf die Kurse hätten und die demzufolge die Integrität des Marktes nicht berühren würden ( 33 ).

48.

Wie in Bezug auf Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/124 bin ich der Ansicht, dass Abs. 2 dieser Vorschrift ebenfalls nicht auf eine Information beschränkt ist, die es erlaubt, die Richtung einer Kursänderung der Finanzinstrumente zu bestimmen. Eine Information über die mögliche Volatilität eines Wertpapiers könnte unabhängig von deren Richtung in bestimmten Fällen eine Information sein, die ein verständiger Anleger wahrscheinlich als Grundlage seiner Anlageentscheidungen nutzen würde.

49.

Aus den beim Gerichtshof eingereichten Akten geht hervor, dass es Finanzmechanismen gibt, die es unter bestimmten Marktbedingungen einem Anleger ermöglichen, im Fall einer spürbaren Veränderung des Kurses eines Wertpapiers einen Gewinn unabhängig davon zu erzielen, in welche Richtung diese Veränderung erfolgt.

50.

Es ist deshalb von Fall zu Fall zu prüfen, ob eine Information über die Möglichkeit einer spürbaren Veränderung als solcher eine Information sein könnte, die ein verständiger Anleger wahrscheinlich als Teil der Grundlage seiner Anlageentscheidungen nutzen würde, auch wenn diese Information nicht auf die Richtung dieser Veränderung hinweist.

51.

Abschließend gehe ich auf die von der polnischen Regierung in der mündlichen Verhandlung angeführten Beispiele für Informationen ein, die, obwohl sie nicht die Richtung einer möglichen Kursänderung angeben, dennoch Insider-Informationen im Sinne der Richtlinien 2003/6 und 2003/124 sind. So kann der Umstand, dass der Generaldirektor eines Unternehmens der Baubranche zurücktritt und durch einem Geschäftsführer mit langer Erfahrung im Telekommunikationsbereich ersetzt werden könnte, eine präzise Information sein, die von verständigen Anlegern wahrscheinlich berücksichtigt würde, von denen manche zu der Ansicht kommen würden, dass diese Ersetzung dem Unternehmen neuen Schwung gebe, während andere der Meinung sein würden, dass die Berufung eines branchenfremden Geschäftsführers es nur schwächen könne ( 34 ). In beiden Fällen müsste die Information nach Art. 6 der Richtlinie 2003/6 sobald als möglich bekannt gemacht werden.

VI – Ergebnis

52.

Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die von der Cour de cassation zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage wie folgt zu antworten:

Art. 1 Nr. 1 der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über Insider-Geschäfte und Marktmanipulation (Marktmissbrauch) und Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/124/EG der Kommission vom 22. Dezember 2003 zur Durchführung der Richtlinie 2003/6 betreffend die Begriffsbestimmung und die Veröffentlichung von Insider-Informationen und die Begriffsbestimmung der Marktmanipulation sind nicht dahin auszulegen, dass ausschließlich diejenigen Informationen präzise Informationen im Sinne dieser Bestimmungen darstellen können, aus denen mit einem hinreichenden Maß an Wahrscheinlichkeit abgeleitet werden kann, dass sich ihr potenzieller Einfluss auf die Kurse der betreffenden Finanzinstrumente in eine bestimmte Richtung auswirken wird, wenn sie öffentlich bekannt werden.


( 1 ) Originalsprache: Französisch.

( 2 ) ABl. L 96, S. 16.

( 3 ) ABl. L 339, S. 70. Ich weise darauf hin, dass nach Art. 37 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über Marktmissbrauch (Marktmissbrauchsverordnung) und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/6 und der Richtlinien 2003/124, 2003/125/EG und 2004/72/EG der Kommission (ABl. L 173, S. 1) die Richtlinien 2003/6 und 2003/124 mit Wirkung vom 3. Juli 2016 aufgehoben werden. Doch ist darauf hinzuweisen, dass Art. 7 („Insiderinformationen“) der Verordnung Nr. 596/2014 den Inhalt sowohl von Art. 1 Nr. 1 der Richtlinie 2003/6 als auch von Art. 1 der Richtlinie 2003/124 übernimmt und den Anwendungsbereich dieses Begriffs präzisiert.

( 4 ) In Rn. 48 des Urteils Spector Photo Group und Van Raemdonck (C‑45/08, EU:C:2009:806) hat der Gerichtshof für Recht erkannt, dass „[d]as in Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2003/6 normierte Verbot von Insider-Geschäften … die Gleichheit der Vertragspartner bei einem Börsengeschäft gewährleisten [soll], indem es verhindert, dass einer von ihnen, der über eine Insider-Information verfügt und deshalb einen Vorteil gegenüber den anderen Anlegern hat, daraus zum Nachteil der anderen, die diese Information nicht kennen, einen Nutzen zieht“.

( 5 ) Vgl. Urteil Geltl (C‑19/11, EU:C:2012:397, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 6 ) Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass diese Maßnahmen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sind (Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2003/6).

( 7 ) Diese von den Mitgliedstaaten vorgesehenen Maßnahmen und Sanktionen der Verwaltung lassen „[das] Rech[t] der Mitgliedstaaten, strafrechtliche Sanktionen zu verhängen, [unbeschadet]“. Vgl. Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2003/6.

( 8 ) Vgl. Urteil Spector Photo Group und Van Raemdonck (C‑45/08, EU:C:2009:806, Rn. 47).

( 9 ) Vgl. in diesem Sinne auch das Urteil Geltl (C‑19/11, EU:C:2012:397, Rn. 34).

( 10 ) Demgegenüber sieht Art. 2 Abs. 1 der Richtlinien 2003/6 eine „negative“ Pflicht vor, nämlich die Pflicht, sich im Fall des Besitzes von Insider-Informationen bestimmter Verhaltensweisen zu enthalten.

( 11 ) Vgl. Nrn. 20 bis 22 der vorliegenden Schlussanträge.

( 12 ) Vgl. in diesem Sinne Urteile Spector Photo Group und Van Raemdonck (C‑45/08, EU:C:2009:806, Rn. 52) und Geltl (C‑19/11, EU:C:2012:397, Rn. 25).

( 13 ) Dritter Erwägungsgrund der Richtlinie 2003/124.

( 14 ) Vgl. Urteil Geltl (C‑19/11, EU:C:2012:397, Rn. 52).

( 15 ) Die erste Voraussetzung ist vom Gerichtshof im Urteil Geltl (C‑19/11, EU:C:2012:397) ausgelegt worden und ist nicht Gegenstand des vorliegenden Vorabentscheidungsersuchens.

( 16 ) Der Gerichtshof hat in Rn. 48 des Urteils Geltl (C‑19/11, EU:C:2012:397) den Begriff „Konkretheit“ verwendet.

( 17 ) Vgl. in diesem Sinne insbesondere die Fassungen in spanischer Sprache „suficientemente específic“, in tschechischer Sprache „dostatečně konkrétní“, in deutscher Sprache „spezifisch genug“, in englischer Sprache „specific enough“, in italienischer Sprache „sufficientemente specifica“, in niederländischer Sprache „specifiek genoeg“, und in slowakischer Sprache „dostatočne konkrétna“.

( 18 ) Die tschechische Regierung weist darauf hin, dass die Richtlinien 2003/6 und 2003/124 nichts in Bezug auf die Notwendigkeit einer Bestimmung der Richtung enthielten, in die sich der Kurs eines Finanzinstruments wahrscheinlich entwickeln werde. Nach Ansicht der französischen Regierung ergibt sich aus dem Wortlaut von Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2003/124 in keiner Weise, „dass eine Information nur dann präzise wäre, wenn sie eine zusätzliche Voraussetzung des Inhalts erfüllte, dass sie es ermöglichte, vorauszusehen, in welche Richtung sich der Kurs der betreffenden Finanzinstrumente verändern würde, wenn sie öffentlich bekannt wäre“.

( 19 ) Eine solche Information würde die hiervon zu unterscheidende Voraussetzung einer spürbaren Beeinflussung in Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2003/124 erfüllen, da sie meiner Ansicht nach eine „Information […], die ein verständiger Anleger wahrscheinlich als Teil der Grundlage seiner Anlageentscheidung nutzen würde“, darstellt.

( 20 ) Hervorzuheben ist, dass die Richtlinien 2003/6 und 2003/124 einer „selektiven Weitergabe von Informationen“ entgegenstehen. Vgl. 24. Erwägungsgrund der Richtlinie 2003/6.

( 21 ) Hervorhebung nur hier.

( 22 ) Vgl. entsprechend Urteil Geltl (C‑19/11, EU:C:2012:397, Rn. 46). Wie die italienische Regierung ausgeführt hat, spricht die Richtlinie 2003/124 „in Art. 1 Abs. 1 Satz 2 eindeutig von einer ‚mögliche[n] Auswirkung […] auf den Kurs‘ und nicht von einer ‚wahrscheinliche[n] Auswirkung‘“. Die italienische Regierung ist der Ansicht, es genüge die Prüfung, ob eine Information technisch geeignet sei, den Kurs des betreffenden Finanzinstruments zu beeinflussen. Nach Ansicht der deutschen Regierung „[dient d]er Begriff ‚präzise‘ […] allein dazu, vage und abseitige Informationen auszuscheiden, die vernünftigerweise keinerlei Auswirkungen auf den Kurs entfalten und somit nicht als Grundlage einer Einschätzung hierüber dienen können, wie beispielsweise Gerüchte, denen es an einem hinreichenden Tatsachenkern fehlt“.

( 23 ) In Nr. 73 seiner Schlussanträge in der Rechtssache Geltl (C‑19/11, EU:C:2012:153) führt Generalanwalt Mengozzi aus, dass „[d]ie Richtlinie 2003/124 […] lediglich die Mindestvoraussetzungen auf[stellt], bei deren Fehlen eine Information nicht als präzise angesehen werden kann, und … weder für die Auslegung des Ausdrucks ‚hinreichende Wahrscheinlichkeit‘ eine hohe Wahrscheinlichkeit des Eintritts des betreffenden Umstands [verlangt,] noch, dass die Information so präzise ist, dass sie sichere oder fast sichere Schlussfolgerungen über mögliche Auswirkungen auf die Kurse der fraglichen Finanzinstrumente oder der damit verbundenen derivativen Finanzinstrumente zulässt“. In Fn. 16 seiner Schlussanträge fügt Generalanwalt Mengozzi hinzu, dass „[e]ine Information … daher nicht präzise sein [wird], wenn ein Ereignis gemessen an einem Rationalitätskriterium mangels der betreffenden Vernünftigkeit als unmöglich oder unwahrscheinlich anzusehen ist, da es z. B. die Ebene bloßer rumeurs (Gerüchte) nicht verlassen hat, oder so wenig spezifisch ist, dass es Schlussfolgerungen über die möglichen Auswirkungen auf die Kurse der fraglichen Finanzinstrumente oder der damit verbundenen derivativen Finanzinstrumente nicht zulässt“ (Hervorhebungen nur hier).

( 24 ) Nach Ansicht der tschechischen Regierung ist „praktisch niemand in der Lage, die Entwicklung der Kurse auf den Finanzmärkten genau vorauszusagen. Einfacher gesprochen: Niemand hat eine ‚Kristallkugel‘“.

( 25 ) Vgl. entsprechend Urteil Geltl (C‑19/11, EU:C:2012:397, Rn. 47). Nach Ansicht der polnischen Regierung „[würden] die Emittenten … die in Art. 6 der Richtlinie 2003/6 vorgesehene Pflicht einfach umgehen, indem sie mögliche Divergenzen in Bezug auf die Auswirkungen der Bekanntmachung der betreffenden Information auf die Kurse der Finanzinstrumente vorschützen. Eine solche Situation liefe offensichtlich den Zielen der Richtlinie 2003/6 zuwider, die Gleichbehandlung der Anleger im Bereich des Zugangs zu Informationen zu sichern und das Vertrauen der Anleger in den Kapitalmarkt zu fördern. Gleichzeitig wären die in den Richtlinien 2003/6 und 2003/124 vorgesehenen Mittel zur Bekämpfung von Betrug auf dem Markt in hohem Maße beeinträchtigt.“

( 26 ) Der EWA ist mit Beschluss 2001/527/EG der Kommission vom 6. Juni 2001 (ABl. L 191, S. 43) eingesetzt worden. Nach Art. 2 des Beschlusses in seiner durch Art. 1 des Beschlusses 2004/7/EG der Kommission vom 5. November 2003 geänderten Fassung (ABl. L 3, S. 32), „[ist es] Aufgabe des Ausschusses …, die Kommission auf eigene Initiative oder auf Ersuchen der Kommission innerhalb einer von der Kommission nach Maßgabe der Dringlichkeit gegebenenfalls gesetzten Frist in politischen Fragen sowie bei der Ausarbeitung von Durchführungsbestimmungen im Wertpapierbereich, einschließlich für Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW), zu beraten“. Der Beschluss 2001/527 ist durch den Beschluss 2009/77/EG der Kommission vom 23. Januar 2009 zur Einsetzung des Ausschusses der europäischen Wertpapierregulierungsbehörden (Abl. L 25, S. 18) aufgehoben worden. Art. 2 dieses Beschlusses übernimmt im Wesentlichen den Wortlaut von Art. 2 des Beschlusses 2001/527.

( 27 ) CESR/06-562b.

( 28 ) Mir scheint, das zweite Beispiel betrifft nicht das Kriterium der präzisen Information, sondern soll vielmehr den Begriff der erheblichen Wirkung im Sinne von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2003/124 klarstellen.

( 29 ) CESR/07-402.

( 30 ) Vgl. Art. 1 Nr. 1 der Richtlinie 2003/6 und Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2003/124.

( 31 ) Vgl. Nrn. 28 und 29 der vorliegenden Schlussanträge.

( 32 ) Art. 1 Abs. 2 ist ebenso wie dessen Abs. 1 der Richtlinie 2003/124 mit allgemeinen Begriffen verfasst. Nach dem ersten Erwägungsgrund der Richtlinie 2003/124 stützen verständige Investoren ihre Anlageentscheidungen auf verfügbare Ex-ante-Informationen. In diesem Erwägungsgrund heißt es weiter: „Eine solche Prüfung sollte auch die möglichen Auswirkungen der Information in Betracht ziehen, insbesondere unter Berücksichtigung der Gesamttätigkeit des Emittenten, der Verlässlichkeit der Informationsquelle und sonstiger Marktvariablen, die das entsprechende Finanzinstrument oder unter den gegebenen Umständen damit verbundene derivative Finanzinstrument beeinflussen dürften.“ Vgl. in diesem Sinne auch Rn. 55 des Urteils Geltl (C‑19/11, EU:C:2012:397).

( 33 ) Diese Vorschrift kann als eine De‑minimis-Regel angesehen werden.

( 34 ) Die polnische Regierung hat darüber hinaus das Beispiel eines in der Milchproduktion tätigen Unternehmens angeführt, das in ein Bauunternehmen umgewandelt wird und als Baugrund sein Grundeigentum verwendet, das bisher der Milchproduktion diente. Die Wirkung dieser Änderung auf die Richtung der Kurse der Aktien des betreffenden Unternehmens ist hier ebenso wenig voraussehbar.

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