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Document 62013CC0603

    Schlussanträge des Generalanwalts N. Jääskinen vom 16. Juli 2015.
    Galp Energía España, SA u. a. gegen Europäische Kommission.
    Rechtsmittel – Art. 81 EG – Kartelle – Spanischer Straßenbaubitumenmarkt – Marktaufteilung und Preisabsprache – Überlange Dauer des Verfahrens vor dem Gericht – Art. 261 AEUV – Verordnung (EG) Nr. 1/2003 – Art. 31 – Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung – Art. 264 AEUV – Teilweise oder vollständige Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission.
    Rechtssache C-603/13 P.

    Court reports – general

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:2015:482

    SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

    NIILO JÄÄSKINEN

    vom 16. Juli 2015 ( 1 )

    Rechtssache C‑603/13 P

    Galp Energía España, SA

    Petróleos de Portugal (Petrogal), SA

    Galp Energia, SGPS, SA

    gegen

    Europäische Kommission

    „Rechtsmittel — Kartelle — Spanischer Straßenbaubitumenmarkt — Marktaufteilung und Preisabsprache — Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung — Grundsatz ne ultra petita — Recht auf ein faires Verfahren — Verteidigungsrechte — Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens — Einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung — Angebliche Kenntnis des von den anderen Beteiligten an einem rechtswidrigen Kartell durchgeführten Überwachungssystems und Ausgleichsmechanismus — Verfälschung von Beweismitteln“

    I – Einleitung

    1.

    Die dem Gerichtshof vorliegende Rechtssache betrifft ein von der Gruppe der Gesellschaften Galp Energía España, SA, Petróleos de Portugal, SA und Galp Energia, SGPS, SA (im Folgenden zusammen: Klägerinnen) gegen das Urteil Galp Energía España u. a./Kommission (T‑462/07, im Folgenden: angefochtenes Urteil) ( 2 ) eingelegtes Rechtsmittel, mit dem das Gericht ihrer Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung K(2007) 4441 endg. der Kommission ( 3 ) (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) sowie ihrem Hilfsantrag auf Herabsetzung der gegen sie festgesetzten Geldbuße teilweise stattgab.

    2.

    Entsprechend dem Ersuchen des Gerichtshofs werden sich die vorliegenden Schlussanträge auf die Würdigung des zweiten Rechtsmittelgrundes beschränken, der im Mittelpunkt des vorliegenden Rechtsmittels steht und im Kern die Frage der Grenzen der dem Gericht eingeräumten Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung betrifft. Ich bin der Auffassung, dass das Gericht aus Gründen, die ich nachfolgend darlegen werde, diese Grenzen überschritten hat und dass dem Rechtsmittel stattzugeben ist. Meines Erachtens überträgt nämlich die Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung dem Gericht nicht die Befugnis, eine Zuwiderhandlung festzustellen, für die in der Entscheidung der Kommission kein Nachweis erbracht wurde.

    II – Vorgeschichte des Rechtsstreits

    3.

    Die Vorgeschichte des Rechtsstreits wurde in den Rn. 1 bis 85 des angefochtenen Urteils dargestellt, auf das Bezug genommen wird.

    4.

    Hier sei nur darauf hingewiesen, dass die Europäische Kommission am 3. Oktober 2007 die streitige Entscheidung erließ, die die Feststellung enthält, dass die Klägerinnen an einem Komplex von Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen in der Fluxbitumenbranche beteiligt waren, der sich in der Form von Vereinbarungen zur Marktaufteilung und Preisabsprachen auf das Staatsgebiet Spaniens (mit Ausnahme der Kanarischen Inseln) erstreckte. Die Kommission war der Ansicht, jede der beiden festgestellten Wettbewerbsbeschränkungen, nämlich die horizontalen Vereinbarungen zur Marktaufteilung und die Preisabsprache, gehöre aufgrund ihres Wesens zu den schwersten Arten von Zuwiderhandlungen gegen Art. 81 EG und rechtfertige nach der Rechtsprechung allein in Anbetracht ihres Wesens die Einstufung als „besonders schwere“ Zuwiderhandlung, ohne dass sich eine solche Verhaltensweise auf ein besonderes räumliches Gebiet erstrecken oder eine besondere Auswirkung haben müsse ( 4 ).

    5.

    Mit ihrer Klage, die am 19. Dezember 2007 bei der Kanzlei des Gerichts einging, wandten sich die Klägerinnen gegen den Inhalt der Entscheidung und beantragten deren teilweise oder vollständige Nichtigerklärung.

    6.

    Mit dem angefochtenen Urteil folgte das Gericht dem dritten Nichtigkeitsgrund, indem es sich auf die seiner Ansicht nach rechtswidrige Feststellung der Beteiligung der Klägerinnen an dem Überwachungssystem und dem Ausgleichsmechanismus zur Durchführung von Vereinbarungen über die Markt- und Kundenaufteilung durch die Kartellmitglieder stützte. Das Gericht erklärte daher die streitige Entscheidung teilweise für nichtig, soweit in deren Art. 1 festgestellt wurde, dass sich die Klägerinnen an einem Komplex von Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen auf dem spanischen Bitumenmarkt beteiligt hätten, und die Klägerinnen in Art. 3 verpflichtet wurden, die in Art. 1 der streitigen Entscheidung festgestellte Zuwiderhandlung zu beenden.

    7.

    Das Gericht war gleichwohl der Auffassung, die Klägerinnen könnten wegen der beiden oben genannten Komponenten der Zuwiderhandlung (Rn. 626 des angefochtenen Urteils) zur Verantwortung gezogen werden. Dafür stützte es sich auf eine Erklärung von Herrn V. C., dem Leiter der Bitumenverkäufe von Petrogal, später von Galp Energía España (im Folgenden: Erklärung von Herrn V. C.) ( 5 ). Deshalb war das Gericht der Auffassung, dass der Ausgangsbetrag der Geldbuße nicht geändert werden müsse (Rn. 630 des angefochtenen Urteils). Dagegen hielt es das Gericht für erforderlich, die Geldbuße stärker herabzusetzen, als es die Kommission wegen mildernder Umstände bereits getan hatte (Rn. 632 des angefochtenen Urteils). Es setzte daher die Geldbuße zusätzlich zu der in der streitigen Entscheidung bereits erfolgten Herabsetzung um 10 % um weitere 4 % herab (Rn. 635 des angefochtenen Urteils). Die weiteren Nichtigkeitsgründe der Klägerinnen einschließlich des fünften Klagegrundes, mit dem die Rechtswidrigkeit der Feststellung ihrer Beteiligung an der Preisabsprache geltend gemacht wurde (Rn. 450 bis 456 des angefochtenen Urteils), wies das Gericht zurück ( 6 ).

    III – Verfahren vor dem Gerichtshof und Anträge der Parteien

    8.

    Mit Rechtsmittelschrift, die am 22. November 2013 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen ist, haben die Klägerinnen ein Rechtsmittel eingelegt, mit dem sie beantragen,

    das angefochtene Urteil aufzuheben und die Art. 1, 2 und 3 der streitigen Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit diese sie betrifft, und/oder die ihnen auferlegte Geldbuße herabzusetzen;

    hilfsweise, das Urteil aufzuheben und die Sache an das Gericht zur Entscheidung in der Sache zurückzuverweisen;

    der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

    9.

    Die Kommission beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen und den Rechtsmittelführerinnen die Kosten aufzuerlegen.

    10.

    Die Parteien haben vor dem Gerichtshof schriftlich und am 15. April 2015 mündlich verhandelt.

    IV – Zur Feststellung der Verantwortlichkeit der Rechtsmittelführerinnen durch das Gericht als Ausgangspunkt der Würdigung des zweiten Rechtsmittelgrundes

    A – Kurze Darstellung der Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung

    11.

    Mit ihrem aus drei Teilen bestehenden zweiten Rechtsmittelgrund rügen die Rechtsmittelführerinnen, dem Gericht sei in den Rn. 626 und 630 des angefochtenen Urteils ein Rechtsfehler unterlaufen. Unter Geltendmachung einer Vielzahl von Grundsätzen und Verfahrensregeln rügen die Rechtsmittelführerinnen tatsächlich eine bestimmte Handlung des Gerichts, nämlich dass es zum Nachweis ihrer Verantwortlichkeit hinsichtlich der beiden Komponenten des widerrechtlichen Mechanismus ein nach dem Erlass der streitigen Entscheidung erstelltes Dokument, nämlich die oben genannte Erklärung von Herrn V. C., berücksichtigt habe ( 7 ).

    12.

    Zunächst stelle ich fest, dass das Gericht die Berücksichtigung der Erklärung von Herrn V. C. auf seine Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung gestützt hat.

    13.

    Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die dem Gericht zuerkannte Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung die in Art. 263 AEUV vorgesehene Rechtmäßigkeitskontrolle ergänzt. Wie der Gerichtshof festgestellt hat, wird die „Rechtmäßigkeitskontrolle … ergänzt durch die dem Unionsrichter … durch Art. 31 der Verordnung Nr. 1/2003 gemäß Art. 261 AEUV eingeräumte Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung. Diese Befugnis ermächtigt den Richter über die reine Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Zwangsmaßnahme hinaus dazu, die Beurteilung der Kommission durch seine eigene Beurteilung zu ersetzen und demgemäß die verhängte Geldbuße oder das verhängte Zwangsgeld aufzuheben, herabzusetzen oder zu erhöhen …“ ( 8 ). Aus der Rechtsprechung geht klar hervor, dass die Befugnis zur Abänderung auch dann besteht, wenn die Kommission keinen Fehler begangen hat ( 9 ). Sie erlaubt dem Richter insbesondere im Bereich des Wettbewerbs nicht nur, eine Geldbuße insgesamt aufzuheben oder zu bestätigen, sondern auch, sie zu erhöhen oder herabzusetzen.

    14.

    Daher ermächtigt die Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung den Richter, den angefochtenen Rechtsakt, auch ohne ihn für nichtig zu erklären, unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände abzuändern und z. B. die Höhe der Geldbuße anders festzusetzen ( 10 ). Allerdings sind nicht alle Einzelheiten der Ausübung der Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung definiert ( 11 ).

    15.

    In den Urteilen Chalkor/Kommission ( 12 ) und KME Germany u. a./Kommission ( 13 ) hat der Gerichtshof klar festgestellt, dass die vom Gericht vorgenommene unbeschränkte Nachprüfung eine Kontrolle sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht und die Befugnis umfasst, die Beweise zu würdigen, die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären und die Höhe der Geldbußen zu ändern ( 14 ).

    16.

    Zudem hat der Gerichtshof befunden, dass die in Art. 263 AEUV vorgesehene Rechtmäßigkeitskontrolle, ergänzt um die in Art. 31 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 ( 15 ) vorgesehene Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung hinsichtlich der Höhe der Geldbuße, nicht gegen den in Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) verankerten Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes verstößt ( 16 ).

    B – Erwägungen des Gerichts und Feststellung der Verantwortlichkeit

    17.

    Da das Verständnis der Erwägungen des Gerichts meines Erachtens für die Prüfung des zweiten Rechtsmittelgrundes entscheidend ist, werde ich zuerst die vom Gericht im Rahmen der Prüfung des dritten und des neunten Klagegrundes angestellten Erwägungen prüfen, um dann die mit dem Rechtsmittel erhobenen punktuellen Rügen zu behandeln.

    18.

    Mit dem dritten Klagegrund hatten die Rechtsmittelführerinnen ihre Beteiligung an dem Überwachungssystem und dem Ausgleichsmechanismus bestritten.

    19.

    Am Ende seiner Prüfung folgte das Gericht dem dritten Klagegrund, weil die Kommission die Verantwortlichkeit der Rechtsmittelführerinnen für die gesamte Zuwiderhandlung angenommen habe, obwohl sie deren Beteiligung an den beiden Komponenten der Zuwiderhandlung nicht hinreichend nachgewiesen habe. Überdies habe die Kommission nicht nachgewiesen, dass ihnen das Vorliegen dieser beiden Komponenten bekannt gewesen sei oder hätte bekannt sein müssen, was für eine fehlerfreie Anwendung des Begriffs der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung erforderlich gewesen wäre. Das Gericht erklärte daher Art. 1 der angefochtenen Entscheidung für nichtig, mit dem die Beteiligung der Rechtsmittelführerinnen an einem Komplex von Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen auf dem spanischen Bitumenmarkt festgestellt wird.

    20.

    Soweit sich das Gericht auf den Begriff der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung stützte ( 17 ), ist darauf hinzuweisen, dass ein Unternehmen, das sich durch wettbewerbswidrige Verhaltensweisen an einer einheitlichen und komplexen Zuwiderhandlung beteiligt hat, die zur Verwirklichung der Zuwiderhandlung in ihrer Gesamtheit beitragen sollten, auch für Verhaltensweisen verantwortlich sein kann, die tatsächlich von anderen beteiligten Unternehmen an den Tag gelegt wurden. Dies ist der Fall, wenn das Unternehmen nachweislich durch sein eigenes Verhalten zur Erreichung der von allen Beteiligten verfolgten gemeinsamen Ziele beitragen wollte und von dem von anderen Unternehmen in Verfolgung dieser Ziele beabsichtigten oder an den Tag gelegten rechtswidrigen Verhalten wusste oder es vernünftigerweise vorhersehen konnte und bereit war, die daraus erwachsende Gefahr auf sich zu nehmen ( 18 ).

    21.

    Wenn der Unionsrichter dagegen feststellt, dass die Kommission nicht rechtlich hinreichend nachgewiesen hat, dass ein Unternehmen bei seiner Beteiligung an einer der wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen, aus denen eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung besteht, von den anderen wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen, die die anderen Kartellbeteiligten in Verfolgung der gleichen Ziele an den Tag legten, wusste oder sie vernünftigerweise vorhersehen konnte und bereit war, die daraus erwachsende Gefahr auf sich zu nehmen, kann er daraus allein den Schluss ziehen, dass dieses Unternehmen nicht für diese anderen Verhaltensweisen und damit die einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung insgesamt zur Verantwortung gezogen werden kann und dass die angefochtene Entscheidung nur insoweit als unbegründet anzusehen ist ( 19 ). Insoweit ist festzustellen, dass das Gericht im Urteil Soliver/Kommission in jüngster Zeit relativ strenge Anforderungen an den Nachweis der Beteiligung an einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung aufgestellt hat ( 20 ).

    22.

    Im vorliegenden Fall entschied das Gericht in den Rn. 273 und 279 des angefochtenen Urteils, dass die Kommission die Verantwortlichkeit der Rechtsmittelführerinnen hinsichtlich aller Komponenten der Zuwiderhandlung, einschließlich der Beteiligung an dem Überwachungssystem und dem Ausgleichsmechanismus, angenommen habe. In Rn. 286 des angefochtenen Urteils stellte das Gericht fest, dass sich die Kommission zum Nachweis der Verantwortlichkeit der Rechtsmittelführerinnen nicht auf einen anderen Gesichtspunkt als den der Beteiligung an den genannten Komponenten der Zuwiderhandlung gestützt habe. In den Rn. 272 und 280 des angefochtenen Urteils befand das Gericht, dass die Beteiligung der Rechtsmittelführerinnen hinsichtlich der beiden Komponenten der Zuwiderhandlung nicht nachgewiesen sei.

    23.

    Nach der oben angeführten Rechtsprechung zur einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung hätte zwar die Verantwortlichkeit eines Unternehmens für die Gesamtheit der Zuwiderhandlung angenommen werden können, wenn es von den widerrechtlichen Verhaltensweisen Kenntnis hatte oder hätte haben müssen.

    24.

    In Rn. 289 des angefochtenen Urteils stellte das Gericht jedoch ausdrücklich fest, dass sich die Kommission weder auf eine Kenntnis der Rechtsmittelführerinnen von dem Überwachungssystem und dem Ausgleichssystem noch darauf gestützt habe, dass sie diese Komponenten hätten kennen müssen. Eine solche Kenntnis oder ein solches Kennenmüssen sei, so das Gerichts in Rn. 290 dieses Urteils, in der angefochtenen Entscheidung nicht nachgewiesen worden.

    25.

    In Rn. 291 des angefochtenen Urteils schließlich schloss das Gericht in Anbetracht ihrer Rolle im Kartell die Möglichkeit aus, eine solche Kenntnis anzunehmen. Daher kam das Gericht in Rn. 292 des angefochtenen Urteils zu dem Ergebnis, dass die Verantwortlichkeit der Rechtsmittelführerinnen hinsichtlich des Überwachungssystems und des Ausgleichsmechanismus nicht nachgewiesen sei.

    26.

    Um die nach Ansicht des Gerichts in der angefochtenen Entscheidung bestehende Lücke zu schließen, berief sich die Kommission auf die Erklärung von Herrn V. C. Dieser Vortrag wurde vom Gericht in den Rn. 294 und 295 des angefochtenen Urteils zurückgewiesen. Auch wenn aus der Erklärung im Nachhinein die tatsächliche Kenntnis der Rechtsmittelführerinnen von dem Ausgleichsmechanismus hervorgehe, ändere das nichts daran, dass das Gericht im Rahmen der Rechtmäßigkeitskontrolle keine neue Begründung an die Stelle der Begründung der Kommission setzen könne. Zudem entschied es, dass die Vorlage dieser Erklärung jedenfalls nicht den Rechtsfehler der angefochtenen Entscheidung heilen könne.

    27.

    Diese Erwägung muss der Feststellung der Verantwortlichkeit der Rechtsmittelführerinnen, die das Gericht im Rahmen des neunten Klagegrundes getroffen hat, gegenübergestellt werden.

    28.

    Im Rahmen des neunten Klagegrundes hatten die Rechtsmittelführerinnen gerügt, dass trotz ihrer nur sehr begrenzten Beteiligung die Geldbuße nicht herabgesetzt worden sei. Hierzu führte das Gericht in Rn. 606 des angefochtenen Urteils aus, wie es bereits im Rahmen des dritten Klagegrundes festgestellt habe, habe die Kommission nicht nur die Beteiligung der Rechtsmittelführerinnen an den beiden Komponenten der Zuwiderhandlung, dem Überwachungs- und dem Ausgleichssystem, nicht nachgewiesen, sie habe auch nichts Hinreichendes vorgetragen, um deren Verantwortlichkeit hinsichtlich dieser Komponenten annehmen zu können.

    29.

    Trotz der oben wiedergegebenen Feststellungen folgerte das Gericht aus der Erklärung von Herrn V. C., dass die Rechtsmittelführerinnen von dem Ausgleichsmechanismus Kenntnis gehabt hätten, was, so das Gericht, impliziere, dass sie auch von dem Überwachungssystem Kenntnis gehabt hätten, da der Ausgleichsmechanismus ohne einen Überwachungsmechanismus nicht habe existieren können. Rn. 624 des angefochtenen Urteils ist zu entnehmen, dass das Gericht diesem Vorgehen seine Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung zugrunde legte.

    30.

    Den Rn. 610 bis 626 des angefochtenen Urteils zufolge stützte sich das Gericht für seine Annahme der Verantwortlichkeit der Rechtsmittelführerinnen hinsichtlich dieser beiden Komponenten der Zuwiderhandlung auf die Erklärung von Herrn V. C. Schließlich ist Rn. 627 des angefochtenen Urteils zu entnehmen, dass das Gericht die Höhe der gegen die Rechtsmittelführerinnen festgesetzten Geldbußen anhand dieser Gesichtspunkte geprüft hat.

    31.

    Eben diese umstrittenen Teile der Begründung des Gerichts sind Gegenstand des zweiten Rechtsmittelgrundes.

    V – Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung und Grundsatz ne ultra petita

    A – Vorbringen der Parteien

    32.

    Mit dem ersten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes machen die Rechtsmittelführerinnen geltend, dass das Gericht einen Rechtsfehler begangen habe, indem es seine Befugnisse überschritten und ultra petita entschieden habe, da es sie durch die Berücksichtigung eines weder von den Rechtsmittelführerinnen noch von der Kommission geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes von Amts wegen ( 21 ) hinsichtlich zweier Komponenten der Zuwiderhandlung gegen Art. 81 Abs. 1 EG, nämlich der Kenntnis von dem Ausgleichsmechanismus und der Vorhersehbarkeit des Überwachungssystems, für verantwortlich gehalten habe ( 22 ).

    33.

    Das Gericht habe im vorliegenden Fall ultra petita entschieden, da sich die Kommission in ihrer Entscheidung nicht auf diese Gründe gestützt habe, diese Gründe von den Rechtsmittelführerinnen nicht als Nichtigkeitsgründe geltend gemacht worden seien und sie mit Ausnahme der Prüfung, ob die Erklärung von Herrn V. C im Verfahren zugelassen werden könne, nicht erörtert worden seien.

    34.

    Die Kommission meint, das Gericht sei berechtigt, die Kenntnis der Rechtsmittelführerinnen von den Überwachungs- und Ausgleichsmechanismen im Rahmen der Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung bei der Entscheidung über die Höhe der Geldbuße zu berücksichtigen, da es sich um einen tatsächlichen Umstand handle. Hinsichtlich der Erklärung von Herrn V. C. ist die Kommission der Ansicht, das Gericht habe diese bei der Entscheidung über die Höhe der Geldbuße berücksichtigen dürfen ( 23 ), zumal die Rechtsprechung „die Vorlage und Heranziehung zusätzlicher Informationen …, die an sich nicht in der Entscheidung erwähnt zu werden brauchen“ ( 24 ), zulasse. Schließlich ist die Kommission der Auffassung, dass der Rechtsmittelgrund ins Leere gehe, da das Gericht die Geldbuße bereits herabgesetzt habe ( 25 ).

    B – Würdigung

    35.

    Es steht fest, dass der Unionsrichter, der über eine Nichtigkeitsklage zu entscheiden hat, an den Grundsatz „ne ultra petita“ gebunden ist, der sich aus dem Sinnspruch „ne eat iudex ultra petita partium“ ergibt, der es dem Richter untersagt, über Fragen zu befinden, die über die Anträge der Parteien hinausgehen. Nach diesem Grundsatz darf die vom Richter ausgesprochene Nichtigerklärung nicht über den Antrag des Klägers hinausgehen ( 26 ). Der Richter ist weder befugt, den Hauptgegenstand der Klage umzudeuten, noch, einen Nichtigkeitsgrund von Amts wegen zu berücksichtigen, es sei denn, dass in Sonderfällen das öffentliche Interesse sein Tätigwerden gebietet ( 27 ). Denn der Unionsrichter ist befugt und gegebenenfalls verpflichtet, bestimmte die materielle Rechtmäßigkeit betreffende Gesichtspunkte von Amts wegen zu berücksichtigen ( 28 ).

    36.

    Es ist zu beachten, dass der Grundsatz ne ultra petita nur im Rahmen des Zivilprozesses – als Grundsatz der Parteiherrschaft – uneingeschränkt zur Anwendung kommt. Dagegen ist seine Tragweite im Verwaltungsprozess, zu dem auch der Wettbewerbsprozess gehört, schwieriger zu bestimmen. Denn nach meiner Ansicht hat dieser Grundsatz kaum eine eigenständige Bedeutung, sondern wird zu einem Aspekt des Rechts auf ein faires Verfahren im Allgemeinen. Wie Generalanwalt Léger es formuliert hat, ist der Richter in seiner Rolle keineswegs passiv und kann nicht darauf beschränkt werden, lediglich der „Mund der Parteien“ zu sein ( 29 ). Ich weise insbesondere darauf hin, dass das Verbot, Nichtigkeitsgründe von Amts wegen zu berücksichtigen, nur im Rahmen von Nichtigkeitsverfahren, d. h. der Rechtmäßigkeitskontrolle, zur Anwendung kommt. Dagegen hat es im Rahmen der Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung keine vergleichbare Bedeutung.

    37.

    Das führt mich zu der Frage, wie der Grundsatz ne ultra petita im Rahmen der Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung anzuwenden ist, denn es geht in der vorliegenden Rechtssache im Kern um die Grenzen dieser Befugnis, die hier im Mittelpunkt steht. Im Urteil Groupe Danone/Kommission hat der Gerichtshof darauf hingewiesen, dass „der Gemeinschaftsrichter seine Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung ausüben [kann], wenn ihm die Frage nach der Höhe der Geldbuße zur Beurteilung vorgelegt worden ist, und diese Befugnis kann sowohl zur Herabsetzung als auch zur Erhöhung dieses Betrags ausgeübt werden“ ( 30 ).

    38.

    Das öffnet den Weg für zwei unterschiedliche Auslegungen. Einerseits ließe sich die Auffassung vertreten, dass eine Partei, damit das Gericht seine Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung ausüben kann, ausdrücklich und eindeutig in den Klageanträgen die Frage der Höhe der Geldbuße aufwerfen muss. Andererseits könnte aus der Rechtsauffassung des Gerichtshofs auch abgeleitet werden, dass es genügt, dass die Frage der Geldbuße Gegenstand des Rechtsstreits ist und im Rahmen der Klagegründe erörtert wird. Diese Frage ist von besonderer Bedeutung, wenn die Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung der Befugnis des Gerichts gleichkommt, die Geldbuße zu erhöhen, obwohl der Antrag der Parteien nur auf ihre Herabsetzung gerichtet ist ( 31 ).

    39.

    Die Handhabung des Grundsatzes ne ultra petita im Rahmen der Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung ist nicht eindeutig, scheint aber für die erste, im Urteil Groupe Danone/Kommission entwickelte Auslegung zu sprechen, wonach die Höhe der Geldbuße Gegenstand der Klageanträge gewesen sein muss. So hat der Gerichtshof im Urteil Kommission u. a./Siemens Österreich festgestellt, dass das Gericht ultra petita entschieden hat, als es eine Bestimmung der Entscheidung der Kommission für nichtig erklärt und die festgesetzten Geldbußen dadurch abgeändert hat, dass es sie zu einem einzigen, von den Parteien gesamtschuldnerisch zu zahlenden Betrag zusammengefasst hat ( 32 ). Darüber hinaus hat der Gerichtshof im Urteil Alliance One International/Kommission bei der Zurückweisung des auf die Verletzung des Grundsatzes ne ultra petita gestützten Klagegrundes hervorgehoben, dass ungeachtet des Fehlens eines Klageantrags die Partei, hilfsweise, die Herabsetzung der gegen einen anderen Kartellbeteiligten und sie selbst als Gesamtschuldner verhängten Geldbuße beantragt hatte und dass ihre Klagegründe insbesondere darauf gerichtet gewesen waren, die Gewährung einer solchen Herabsetzung zu rechtfertigen ( 33 ).

    40.

    Nach alledem bin ich der Ansicht, dass mit den von den Rechtsmittelführerinnen erhobenen Rügen nicht wirklich eine Verletzung des Grundsatzes ne ultra petita oder eine zu Unrecht von Amts wegen erfolgte Prüfung geltend gemacht wird. Jedenfalls beruhen diese Rügen meines Erachtens auf einem fehlerhaften Verständnis des angefochtenen Urteils. Wie ich bereits ausgeführt habe, betreffen die von den Rechtsmittelführerinnen vorgebrachten Argumente den Umfang der Befugnis des Gerichts zu unbeschränkter Nachprüfung, das, indem es auf die Verantwortlichkeit der Rechtsmittelführerinnen hinsichtlich der beiden Komponenten des Kartells erkannt hat, in Wirklichkeit die streitige Zuwiderhandlung festgestellt hat.

    41.

    Sollten jedoch die von den Rechtsmittelführerinnen erhobenen Rügen gleichwohl so zu beurteilen sein, dass sie auf die Verletzung des Grundsatzes ne ultra petita gestützt sind, so genügt insoweit der Hinweis, dass die Rechtsmittelführerinnen selbst im ersten Rechtszug die Erklärung von Herrn V. C. vorgelegt hatten, um nachzuweisen, dass sie nicht an den Überwachungs- und Ausgleichsmechanismen beteiligt waren. Mit ihren Klageanträgen hatten die Rechtsmittelführerinnen die Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung insgesamt begehrt. Hilfsweise hatten sie beantragt, die Art. 1, 2 und 3 der streitigen Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit sie von ihnen betroffen sind, sowie weiter hilfsweise, die mit Art. 2 der streitigen Entscheidung gegen sie verhängte Geldbuße herabzusetzen ( 34 ). Die Kommission hatte im ersten Rechtszug die Abweisung der Klage beantragt.

    42.

    Wie vorstehend ausgeführt, erklärte das Gericht die streitige Entscheidung teilweise für nichtig und setzte die von der Kommission verhängte Geldbuße herab. Dies zeigt, dass das angefochtene Urteil ersichtlich nicht mit einem Rechtsfehler behaftet ist, der in einem Verstoß gegen den Grundsatz ne ultra petita läge. Deshalb schlage ich dem Gerichtshof vor, den ersten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes als unbegründet zurückzuweisen.

    VI – Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung und Recht auf ein faires Verfahren

    A – Vorbringen der Parteien

    43.

    Mit dem zweiten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes machen die Rechtsmittelführerinnen geltend, dass das Gericht das Recht auf ein faires Verfahren (das den Grundsatz der Waffengleichheit umfasst) sowie die Verteidigungsrechte und insbesondere den Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens verletzt habe, indem es in den Rn. 624 bis 626 des Urteils befunden habe, dass es befugt sei, bei der Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung die Erklärung von Herrn V. C zum Nachweis der Verantwortlichkeit der Rechtsmittelführerinnen wegen ihrer Beteiligung am Überwachungssystem und ihrer Kenntnis vom Ausgleichsmechanismus zu berücksichtigen.

    44.

    Das Gericht habe das Recht auf ein faires Verfahren und insbesondere den Grundsatz der Waffengleichheit sowie die Verteidigungsrechte einschließlich des Grundsatzes des kontradiktorischen Verfahrens verletzt, indem es den Rechtsmittelführerinnen vor der Entscheidung nicht genau die Natur und den Grund dieser neuen Rüge gemäß den Anforderungen von Art. 6 der in Rom am 4. November 1950 unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK) sowie der Art. 47 und 48 der Charta mitgeteilt habe.

    45.

    Die Kommission wendet sich gegen das Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen, indem sie den Umstand hervorhebt, dass die von Herrn V. C. in Bezug auf die Kenntnis vorgelegten Beweise zuerst von den Rechtsmittelführerinnen erwähnt worden seien. Es sei daher abwegig, wenn die Rechtsmittelführerinnen geltend machten, sie hätten von diesen Beweisen keine Kenntnis nehmen können ( 35 ).

    B – Würdigung

    1. Einleitende Bemerkungen

    46.

    Das von Art. 6 Abs. 1 EMRK garantierte Recht auf ein faires Verfahren stellt einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts dar, der nunmehr in Art. 47 Abs. 2 der Charta verankert ist. Der Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes in Art. 47 der Charta umfasst verschiedene Elemente, zu denen insbesondere die Verteidigungsrechte, der Grundsatz der Waffengleichheit und das Recht auf Zugang zu den Gerichten gehören.

    47.

    Der Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens gehört zweifelsfrei zu den Verteidigungsrechten. Er gilt für jedes Verfahren, das zu einer Entscheidung eines Gemeinschaftsorgans führen kann, durch die die Interessen eines Dritten spürbar beeinträchtigt werden ( 36 ). Der Grundsatz der Waffengleichheit, der sich aus dem Begriff des fairen Verfahrens selbst ergibt, gebietet, dass es jeder Partei angemessen ermöglicht wird, ihren Standpunkt sowie ihre Beweise unter Bedingungen vorzutragen, die sie nicht in eine gegenüber ihrem Gegner deutlich nachteilige Position versetzen ( 37 ). Dieser Grundsatz kann in den von der Kommission eingeleiteten Sanktionsverfahren geltend gemacht werden ( 38 ).

    48.

    Für den Bereich des Wettbewerbsrechts erscheint mir die Feststellung wesentlich, dass es der Kommission obliegt, die von ihr festgestellten Zuwiderhandlungen zu beweisen und geeignete Beweise beizubringen, um das Vorliegen der eine solche Zuwiderhandlung darstellenden Tatsachen rechtlich hinreichend zu belegen. Vom Kläger wird nämlich im Rahmen einer Klage verlangt, dass er die beanstandeten Punkte der angefochtenen Entscheidung bezeichnet, insoweit Rügen formuliert und Beweise oder zumindest ernsthafte Indizien für deren Begründetheit beibringt ( 39 ).

    2. Würdigung der Berücksichtigung der Erklärung von Herrn V. C. durch das Gericht im Hinblick auf die Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung

    49.

    Dem angefochtenen Urteil ist zu entnehmen, dass die Erklärung von Herrn V. C. am 6. Dezember 2007, also nach der streitigen Entscheidung, erstellt worden war und dass sie der vor dem Gericht erhobenen Klage als Anlage beigefügt war und von den Rechtsmittelführerinnen vor diesem zu den Akten gereicht wurde ( 40 ). Die Kommission hatte sich in ihren Schriftsätzen auf diese Erklärung berufen ( 41 ). Die Erklärung wurde vor dem Gericht als zulässig beurteilt. Die Rechtsmittelführerinnen hatten sich ebenfalls, insbesondere im Rahmen des vierten Klagegrundes, vor dem Gericht auf sie berufen ( 42 ).

    50.

    Ich erinnere daran, dass die Wahrung der Verteidigungsrechte im Bereich des Wettbewerbs erfordert, dass das betroffene Unternehmen im Verwaltungsverfahren zum Vorliegen und zur Erheblichkeit des von der Kommission angeführten Sachverhalts sowie zu den von ihr zur Stützung ihrer Behauptung, dass eine Zuwiderhandlung gegen den EG-Vertrag vorliege, herangezogenen Schriftstücken sachgerecht Stellung nehmen kann ( 43 ). Insbesondere die Mitteilung der Beschwerdepunkte ermöglicht es den von einer Untersuchung betroffenen Unternehmen, von den Beweisen, über die die Kommission verfügt, Kenntnis zu nehmen und ihre Verteidigungsrechte wirksam auszuüben ( 44 ).

    51.

    Wie aber von der Kommission hervorgehoben wird, folgt aus der Rechtsprechung, dass „eine Partei, die selbst die in Rede stehenden tatsächlichen Umstände vorgebracht hat, naturgemäß im Zusammenhang mit dieser Vorlage uneingeschränkt in der Lage war, darzulegen, inwiefern diese für die Entscheidung über den Fall erheblich sind“ ( 45 ).

    52.

    Insoweit steht fest, dass für das Gericht bei der Ausübung der Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung hinsichtlich der Höhe der Geldbuße der Zeitpunkt des Urteilserlasses maßgeblich ist. Zu unterscheiden ist deshalb einerseits zwischen der Berücksichtigung von Dokumenten oder zusätzlichen Umständen, die nicht von der Kommission herangezogen worden waren ( 46 ), oder auch Umständen, von denen diese selbst zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung keine Kenntnis hatte, durch das Gericht und andererseits der Bestimmung des widerrechtlichen Verhaltens und der Berücksichtigung der Verantwortlichkeit der Kartellbeteiligten, die in der Kommissionsentscheidung ausdrücklich ausgeschlossen bzw. von der Kommission nicht bewiesen worden ist.

    53.

    Was die Berücksichtigung von zusätzlichen Gesichtspunkten angeht, folgt nämlich aus der Rechtsprechung, dass „das Gericht in Ausübung seiner ihm durch Art. 261 AEUV und Art. 31 der Verordnung Nr. 1/2003 eingeräumten Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung zu beurteilen hat, ob die Höhe der Geldbußen angemessen ist, wobei es sich u. a. auf zusätzliche Informationen stützen kann, die nicht in der Mitteilung der Beschwerdepunkte oder der Entscheidung der Kommission erwähnt sind“ ( 47 ).

    54.

    Wie Generalanwalt Wathelet in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Telefónica und Teléfonica de España/Kommission hervorgehoben hat, muss das Gericht daher von sich aus prüfen, ob die Geldbuße angemessen und verhältnismäßig ist, und ist verpflichtet, selbst festzustellen, ob die Kommission tatsächlich alle für die Berechnung der Geldbuße erheblichen Umstände berücksichtigt hat, wobei das Gericht in diesem Zusammenhang auch auf die von den Klägern vor ihm vorgetragenen Tatsachen und Umstände zurückkommen kann ( 48 ).

    55.

    Daher kann das Gericht auch Umstände berücksichtigen, von denen die Kommission beim Erlass der streitigen Entscheidung keine Kenntnis hatte ( 49 ). So berücksichtigt das Gericht Umstände, die späteren Datums sind als die Entscheidung der Kommission, insbesondere wenn sie die finanzielle Leistungskraft des Unternehmens betreffen ( 50 ).

    56.

    Aus dieser Sicht läuft die Berücksichtigung der Erklärung von Herrn V. C. nicht den Verteidigungsrechten und dem Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens zuwider, wenn auch nicht ganz klar ist, welche Bedeutung ihr das Gericht zumisst ( 51 ). Zum einen kann dieses Dokument in Anbetracht des Umstands, dass es späteren Datums ist als die streitige Entscheidung, die von der Kommission vorgelegten Beweise nicht entkräften, und zum anderen wird diese Erklärung herangezogen, um die Verantwortlichkeit der betroffenen Unternehmen zu begründen. Dennoch kann es meines Erachtens in Anbetracht der angeführten Rechtsprechung als zulässig erachtet werden, dass das Gericht die Erklärung als solche im Rahmen der Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung bei der Zumessung der Sanktion berücksichtigt hat ( 52 ).

    57.

    Jedenfalls unterscheidet sich die Situation im vorliegenden Fall meiner Ansicht nach von jener, zu der das Urteil Kommission/Edison ( 53 ) ergangen ist, in dem der Gerichtshof die Erwägungen des Gerichts bestätigt hat, wonach der in der Entscheidung der Kommission herangezogene Umstand in der Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht dargelegt worden sei und die Edison Spa im Verwaltungsverfahren nicht habe Stellung nehmen können. Deshalb durfte das Gericht entscheiden, dass dieser Umstand dieser Gesellschaft nicht entgegengehalten werden könne ( 54 ).

    3. Verstoß gegen den Grundsatz der Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung und Verletzung der Verteidigungsrechte durch die Feststellung der Verantwortlichkeit der Rechtsmittelführerinnen durch das Gericht

    58.

    Das Problem der förmlichen Berücksichtigung der Erklärung von Herrn V. C muss allerdings von der Frage unterschieden werden, wie das Gericht diese Erklärung verwendet hat, d. h., welche Folgen es ihr beigemessen und zu welchem Zweck es sie herangezogen hat. Aus dem angefochtenen Urteil ergibt sich zwar, dass das Gericht sie zur Beurteilung der Geldbuße berücksichtigt hat, doch hat es damit die Verantwortlichkeit der Rechtsmittelführerinnen angenommen, ohne dass diese die Möglichkeit einer kontradiktorischen Erörterung hatten.

    59.

    Im Gegensatz zur Kommission vertrete ich die Auffassung, dass es sich bei den Folgerungen, die das Gericht aus diesem Dokument zog, nicht um einen bloßen tatsächlichen Gesichtspunkt handelt. Vielmehr ist dies insbesondere auch für die Wahrung der Verteidigungsrechte von Bedeutung. Wie Generalanwältin Kokott in der Rechtssache Kommission/Alrosa festgestellt hat, kann es zu einer Überraschungsentscheidung des Gerichts nicht nur dann kommen, wenn dieses sich bei der Würdigung des Falles auf Tatsachen stütze, die den Parteien nicht bekannt waren, sondern auch dann, wenn es sich dabei auf Tatsachen stützt, die den Parteien zwar bekannt, aber als solche nie Gegenstand einer Erörterung im gerichtlichen Verfahren waren ( 55 ).

    60.

    Im vorliegenden Fall ist entscheidend, dass das Gericht auf der Grundlage der Berücksichtigung der Erklärung von Herrn V. C die Qualifizierung des beanstandeten Rechtsakts, wie er in der Kommissionsentscheidung festgestellt worden war, abänderte.

    61.

    Indem das Gericht ein Verhalten feststellte, um die Verantwortlichkeit der Rechtsmittelführerinnen zu bestimmen, hat es die Grenzen der Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung überschritten. Denn durch dieses Vorgehen hat es eine Feststellung über das Vorliegen einer von der Kommission nicht nachgewiesenen Zuwiderhandlung getroffen. Aus dieser Sicht rechtfertigen Rn. 621 des angefochtenen Urteils, in der das Gericht unter Verletzung aller oben genannten Regeln offensichtlich die Auffassung vertritt, dass die zusätzlichen Informationen für die Feststellung der Zuwiderhandlung von Bedeutung sein könnten, und Rn. 622 dieses Urteils dessen Aufhebung.

    62.

    Darüber hinaus beruht das angefochtene Urteil auf einer offenkundig widersprüchlichen Begründung. So stellt das Gericht in Rn. 614 fest, dass es ihm nicht zukomme, eine völlig neue Begründung an die Stelle der fehlerhaften Begründung der Kommission zu setzen. Gleichwohl erkannte das Gericht in Rn. 626 auf die Verantwortlichkeit der Rechtsmittelführerinnen hinsichtlich der beiden Komponenten der Zuwiderhandlung.

    63.

    Ebenso nimmt das Gericht meines Erachtens eine künstliche und damit fehlerhafte Unterscheidung zwischen der Feststellung der Verantwortlichkeit „für die Zwecke der Geldbuße“ und der Feststellung der Verantwortlichkeit als solcher vor. Es steht aber fest, dass die Geldbuße die Sanktion für die zuvor festgestellte Verantwortlichkeit ist. Damit stellt sich aber ohne diese vorherige Feststellung die Frage der Höhe der Geldbuße nicht. Auf diese Weise hat das Gericht zunächst die von der Kommission festgestellte Zuwiderhandlung demontiert und dann im Rahmen des neunten Klagegrundes neu zusammengesetzt, womit sie die Grenzen ihrer Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung überschritten hat.

    64.

    Schließlich hat das Gericht damit meines Erachtens auch die Verteidigungsrechte und insbesondere den Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens verletzt, weil es den Parteien nicht die Möglichkeit gegeben hat, die von ihm selbst festgestellte Verantwortlichkeit zu erörtern.

    65.

    Die Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung unterliegt aber bestimmten Grenzen. Wenn die Befugnis zur Nichtigerklärung auf die in der streitigen Entscheidung festgestellte Zuwiderhandlung beschränkt ist, so ergibt sich aus der Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung für das Gericht nicht die Befugnis, auf das Vorliegen von Zuwiderhandlungen zu erkennen, die die Kommission in der streitigen Entscheidung nicht festgestellt hatte ( 56 ).

    66.

    Daher ist dem zweiten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes zu folgen. Der festgestellte Fehler muss wegen seines grundlegenden Charakters meines Erachtens zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führen.

    VII – Zur Verfälschung von Beweisen

    67.

    In Anbetracht der Natur des festgestellten Fehlers ist nach meinem Dafürhalten über den dritten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes nicht zu entscheiden. Ich nehme deshalb nur hilfsweise zu diesem dritten Teil Stellung. Insoweit bringen die Rechtsmittelführerinnen vor, das Gericht habe, indem es die Verantwortlichkeit der Rechtsmittelführerinnen hinsichtlich der beiden Komponenten der Zuwiderhandlung festgestellt habe, in Rn. 626 des Urteils Beweise verfälscht und den Grundsatz der Unschuldsvermutung verletzt. Die Feststellung stütze sich auf eine unvollständige Wiedergabe der Erklärung von Herrn V. C., aus der klar hervorgehe, dass dieser keinerlei Kenntnis von der Natur des Ausgleichsmechanismus gehabt habe, der Gegenstand der Entscheidung gewesen sei.

    68.

    Im Übrigen lasse die Erklärung von Herrn V. C. völlig offen, ab welchem Zeitpunkt dieser vom „Bestehen einer bestimmten Art von Ausgleichsmechanismus“ Kenntnis gehabt habe. Nach Ansicht der Kommission hat das Gericht dagegen die in der Erklärung von Herrn V. C. enthaltenen Beweise nicht verfälscht.

    69.

    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass eine Klagepartei, wenn sie eine Verfälschung von Beweisen durch das Gericht geltend macht, nach Art. 256 Abs. 1 Unterabs. 2 AEUV, Art. 51 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs und Art. 168 Abs. 1 Buchst. d der Verfahrensordnung des Gerichtshofs genau angeben muss, welche Beweise das Gericht verfälscht haben soll, und darlegen muss, welche Beurteilungsfehler das Gericht ihres Erachtens zu dieser Verfälschung veranlasst haben ( 57 ).

    70.

    Eine solche Verfälschung ist gegeben, wenn ohne die Erhebung neuer Beweise die Würdigung der vorliegenden Beweise offensichtlich unzutreffend ist ( 58 ). Die Rechtsmittelführerinnen schlagen aber mit dem dritten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes meines Erachtens ein Verständnis der Erklärung von Herrn V. C. vor, das sich von dem des Gerichts unterscheidet. Die im vorliegenden Fall vorgebrachten Argumente lassen jedoch nicht den Schluss zu, dass das Gericht die Grenzen einer vernünftigen Würdigung dieser Beweise offensichtlich überschritten hätte ( 59 ).

    71.

    Unter diesen Umständen ist der dritte Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes als unbegründet zurückzuweisen.

    VIII – Zur Zurückverweisung der Rechtssache an das Gericht

    72.

    Die Rechtsmittelführerinnen beantragen im Rahmen ihres Rechtsmittels die Nichtigerklärung der Art. 1, 2 und 3 der streitigen Entscheidung, soweit diese sie betreffen, oder die Herabsetzung der Geldbuße.

    73.

    Nach Art. 61 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs kann der Gerichtshof, wenn das Rechtsmittel begründet ist und er die Entscheidung des Gerichts aufhebt, den Rechtsstreit selbst endgültig entscheiden, wenn dieser zur Entscheidung reif ist. Der vorliegende Rechtsstreit erscheint mir jedoch angesichts der Natur des vom Gericht begangenen Fehlers nicht entscheidungsreif ( 60 ). Ich meine insbesondere, dass die Parteien nicht hinreichend Gelegenheit hatten, vor dem Gericht ihren Standpunkt zu den Schlussfolgerungen vorzutragen, die aus der Erklärung von Herrn V. C. im Rahmen der Ausübung der Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung durch das Gericht zu ziehen sind. Daher schlage ich dem Gerichtshof vor, die Sache an das Gericht zurückzuverweisen.

    IX – Ergebnis

    74.

    Aus diesen Gründen schlage ich unbeschadet der Prüfung anderer Rechtsmittelgründe dem Gerichtshof vor, dem zweiten Rechtsmittelgrund hinsichtlich seines zweiten Teils zu folgen, was nach meiner Auffassung zur Aufhebung des Urteils Galp Energía España u. a./Kommission (T‑462/07, EU:T:2013:459) und zur Zurückverweisung der Sache an das Gericht führen muss. Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.


    ( 1 )   Originalsprache: Französisch.

    ( 2 )   EU:T:2013:459.

    ( 3 )   Entscheidung vom 3. Oktober 2007 in einem Verfahren nach Art. 81 EG (Sache COMP/38.710 – Bitumen [Spanien]).

    ( 4 )   500. Erwägungsgrund der streitigen Entscheidung. Hinsichtlich ihrer Beteiligung an dieser Zuwiderhandlung war die Kommission der Ansicht, dass die Galp Energía España, SA und die Petróleos de Portugal, SA gesamtschuldnerisch für die Zahlung von 8662500 Euro hafteten; die Galp Energia, SGPS, SA hafte für die Zahlung von 6435000 Euro. Für die Zeit vom 31. Januar 1995 bis zum 1. Oktober 2002 wurde eine Beteiligung der Galp Energía España, SA und der Petróleos de Portugal, SA an der Zuwiderhandlung angenommen, wohingegen der Galp Energia, SGPS, SA eine Beteiligung an der Zuwiderhandlung vom 22. April 1999 bis zum 1. Oktober 2002 zugerechnet wurde.

    ( 5 )   Vgl. Rn. 87 und 215 des angefochtenen Urteils. In seiner Erklärung bestätigte Herr V. C., dass die Klägerinnen zu keiner Zeit an einem Überwachungssystem beteiligt gewesen seien, mit den Worten: „Ich habe von der Rüge der Europäischen Kommission Kenntnis erlangt, wonach Galp Energía España … an der Durchführung eines Überwachungssystems und eines Ausgleichsmechanismus des Asphalt-Tisches teilgenommen habe. Dies ist nicht richtig. Aus dem einfachen Grund, dass wir unabhängig vom Umfang der Verkäufe von Galp Energía España … zu keiner Zeit einen Ausgleich erhalten haben. Es trifft zu, dass ich zu einem bestimmten Zeitpunkt festgestellt habe, dass es eine bestimmte Art von Ausgleichsmechanismus gibt, an dem die Mitglieder des Verhandlungstischs Asphalt teilnahmen, jedoch habe ich zu keiner Zeit gewusst, was diese Gesellschaften mit diesem System zu tun hatten. Deshalb war Galp Energía España … zu keinem Zeitpunkt in einen Ausgleichsmechanismus involviert.“

    ( 6 )   Deshalb wurde die gegen die Galp Energía España, SA und gegen die Petróleos de Portugal (Petrogal), SA verhängte Geldbuße auf 8277500 Euro herabgesetzt, während die gegen die Galp Energia, SGPS, SA festgesetzte Geldbuße auf 6149000 Euro reduziert wurde.

    ( 7 )   Im Rahmen der Prüfung des dritten Klagegrundes warf das Gericht der Kommission vor, eine Beteiligung der Klägerinnen an den beiden Komponenten der Zuwiderhandlung nicht hinreichend nachgewiesen zu haben. Dieser Umstand veranlasste das Gericht, die streitige Entscheidung insoweit für nichtig zu erklären.

    ( 8 )   Urteil KME Germany u. a./Kommission (C‑272/09 P, EU:C:2011:810, Rn. 103).

    ( 9 )   Urteile Groupe Danone/Kommission (C‑3/06P, EU:C:2007:88, Rn. 61) sowie Prym und Prym Consumer/Kommission (C‑534/07 P, EU:C:2009:505, Rn. 86).

    ( 10 )   Urteile Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission (C‑238/99 P, C‑244/99 P, C‑245/99 P, C‑247/99 P, C‑250/99 P bis C‑252/99 P und C‑254/99 P, EU:C:2002:582, Rn. 692), Prym und Prym Consumer/Kommission (C‑534/07 P, EU:C:2009:505, Rn. 86) und JFE Engineering u. a./Kommission (T‑67/00, T‑68/00, T‑71/00 und T‑78/00, EU:T:2004:221, Rn. 577).

    ( 11 )   Vgl. für eine eingehende Würdigung die Schlussanträge des Generalanwalts Wathelet in der Rechtssache Telefónica und Telefónica de España/Kommission (C‑295/12 P, EU:C:2013:619).

    ( 12 )   C‑386/10 P, EU:C:2011:815.

    ( 13 )   C‑272/09 P, EU:C:2011:810.

    ( 14 )   Dieser Gesichtspunkt ist in Anbetracht der in Nr. 12 der vorliegenden Schlussanträge genannten Grundlage der Erwägungen des Gerichts für die vorliegende Rechtssache von entscheidender Bedeutung.

    ( 15 )   Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln [81 EG] und [82 EG] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1).

    ( 16 )   Urteil KME Germany u. a./Kommission (C‑272/09 P, EU:C:2011:810, Rn. 106).

    ( 17 )   Urteil Kommission/Anic Partecipazioni (C‑49/92 P, EU:C:1999:356, Rn. 82).

    ( 18 )   Urteile Kommission/Verhuizingen Coppens (C‑441/11 P, EU:C:2012:778, Rn. 41 und 42), Kommission/Aalberts Industries u. a. (C‑287/11 P, EU:C:2013:445, Rn. 63) und Siemens u. a./Kommission (C‑239/11 P, C‑489/11 P und C‑498/11 P, EU:C:2013:866, Rn. 242).

    ( 19 )   Urteil Kommission/Verhuizingen Coppens (C‑441/11 P, EU:C:2012:778, Rn. 47).

    ( 20 )   T‑68/09, EU:T:2014:867. In dieser Rechtssache war das Gericht der Ansicht, dass der Nachweis für eine Beteiligung der Soliver NV von der Kommission nicht erbracht worden sei. Eine teilweise Nichtigerklärung der Entscheidung war nicht möglich, da die Kommission die Beteiligung der Klägerin an den Zuwiderhandlungen nicht zutreffend qualifiziert hatte, so dass das Gericht die Entscheidung der Kommission insgesamt für nichtig erklärte.

    ( 21 )   Die Klägerinnen weisen darauf hin, dass das Verfahren vor den Gerichten der Europäischen Union kontradiktorisch sei. Daher sei die Geltendmachung von Nichtigkeitsgründen allein Sache der Parteien des Rechtsstreits (außer bei Vorliegen zwingender Gründe des öffentlichen Interesses) (vgl. Urteil KME Germany u. a./Kommission, C‑389/10 P, EU:C:2011:816, Rn. 131). Ferner habe der Gerichtshof in der Rechtssache ThyssenKrupp Nirosta/Kommission (C‑352/09 P, EU:C:2011:191) festgestellt, dass sich die Aufgabe des Gerichts darauf beschränke, über die vor ihm vorgebrachten Argumente zu entscheiden.

    ( 22 )   Rn. 626 des angefochtenen Urteils.

    ( 23 )   Urteil Prym und Prym Consumer/Kommission (C‑534/07 P, EU:C:2009:505, Rn. 86).

    ( 24 )   Urteil KNP BT/Kommission (C‑248/98 P, EU:C:2000:625, Rn. 40).

    ( 25 )   Zusätzlich zu der zuvor von der Kommission gewährten Herabsetzung um 10 % um weitere 4 %, um die weniger regelmäßige oder aktive Beteiligung der Klägerin an der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen.

    ( 26 )   Vgl. Urteile Meroni/Hohe Behörde (46/59 und 47/59, EU:C:1962:44, S. 783, insbesondere S. 801), Nachi Europe (C‑239/99, EU:C:2001:101, Rn. 24) und Comunità montana della Valnerina/Kommission (C‑240/03 P, EU:C:2006:44, Rn. 43) sowie Nrn. 146 bis 148 der Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in der Rechtssache Kommission/Alrosa (C‑441/07 P, EU:C:2009:555).

    ( 27 )   Urteil Kommission/Roodhuijzen (T‑58/08 P, EU:T:2009:385, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung). Aus der Rechtsprechung folgt aber auch, dass der Unionsrichter im Rahmen des von den Parteien eingegrenzten Rechtsstreits, auch wenn er nur über das Begehren der Parteien zu entscheiden hat, nicht verpflichtet sein kann, allein die Argumente zu berücksichtigen, die sie für ihr Vorbringen geltend gemacht haben, weil er seine Entscheidung sonst gegebenenfalls auf unzutreffende rechtliche Erwägungen stützen müsste (Urteil ETF/Michel, T‑108/11 P, EU:T:2013:625, Rn. 42 und 51).

    ( 28 )   Ein Verstoß gegen wesentliche Formvorschriften oder Unzuständigkeit im Sinne von Art. 263 AEUV stellt einen Nichtigkeitsgrund zwingenden Rechts dar, den der Unionsrichter von Amts wegen prüfen muss (vgl. Urteil Ungarn/Kommission, T‑240/10, EU:T:2013:645). Ein Begründungsmangel gehört zu den Umständen, die die materielle Rechtmäßigkeit betreffen. Jedoch weise ich darauf hin, dass das Aufgreifen eines Nichtigkeitsgrundes von Amts wegen nicht den Zweck hat, einen Mangel der Klageschrift zu beheben, sondern die Einhaltung einer Regel, die wegen ihrer Bedeutung nicht der Parteiautonomie unterliegt, sicherstellen soll, und zwar in jedem Verfahrensstadium. Die Frage des Aufgreifens eines Nichtigkeitsgrundes von Amts wegen ist jedoch zu unterscheiden von der Tragweite des Grundsatzes ne ultra petita, der die Anträge der Parteien betrifft.

    ( 29 )   Schlussanträge des Generalanwalts Léger in der Rechtssache Parlament/Gutiérrez de Quijano y Lloréns (C‑252/96 P, EU:C:1998:157, Nr. 36).

    ( 30 )   C‑3/06 P, EU:C:2007:88, Rn. 62 (Hervorhebung nur hier). Vgl. auch Schlussanträge des Generalanwalts Poiares Maduro in dieser Rechtssache (C‑3/06 P, EU:C:2006:720, Nrn. 46 bis 50).

    ( 31 )   Vgl. insoweit Urteile Shell Petroleum u. a./Kommission (T‑343/06, EU:T:2012:478) und InnoLux/Kommission (T‑91/11, EU:T:2014:92).

    ( 32 )   C‑231/11 P bis C‑233/11 P, EU:C:2014:256, Rn. 129.

    ( 33 )   C‑679/11 P, EU:C:2013:606, Rn. 103 bis 107.

    ( 34 )   Vgl. Rn. 87 des angefochtenen Urteils.

    ( 35 )   Urteil 1. garantovaná/Kommission (T‑392/09, EU:T:2012:674, Rn. 78 und 79).

    ( 36 )   Urteil Kommission/Irland u. a. (C‑89/08 P, EU:C:2009:742, Rn. 50).

    ( 37 )   Urteil Otis u. a. (C‑199/11, EU:C:2012:684, Rn. 46 bis 49, 71 und 72).

    ( 38 )   Vgl. insbesondere Urteil LR AF 1998/Kommission (T‑23/99, EU:T:2002:75, Rn. 171).

    ( 39 )   Urteil KME Deutschland u. a./Kommission (C‑272/09 P, EU:C:2011:810, Rn. 104 bis 106).

    ( 40 )   Rn. 293 des angefochtenen Urteils.

    ( 41 )   Rn. 293 und 612 des angefochtenen Urteils.

    ( 42 )   Rn. 320 des angefochtenen Urteils.

    ( 43 )   Vgl. insbesondere Urteil Archer Daniels Midland/Kommission (C‑511/06 P, EU:C:2009:433, Rn. 85 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    ( 44 )   Ebd. (Rn. 86 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    ( 45 )   Urteil 1. garantovaná/Kommission (T‑392/09, EU:T:2012:674, Rn. 78 und 79).

    ( 46 )   Urteil Shell Petroleum u. a./Kommission (T‑343/06, EU:T:2012:478, Rn. 176, 220 und 232).

    ( 47 )   Ebd. (Rn. 220).

    ( 48 )   C‑295/12 P, EU:C:2013:619, Rn. 129.

    ( 49 )   Urteil Arkema France u. a./Kommission (T‑217/06, EU:T:2011:251, Rn. 249 bis 256) zur Berücksichtigung des Umstands, dass das in Rede stehende Unternehmen nicht mehr vom Total-Konzern kontrolliert wurde und daher die Erhöhung aus Gründen der Abschreckungswirkung nicht mehr gerechtfertigt war.

    ( 50 )   Urteil Novácke chemické závody/Kommission (T‑352/09, EU:T:2012:673) zu einer Erklärung, nach der die Zahlung einer Geldbuße nicht die Lebensfähigkeit eines Unternehmens beeinträchtigt habe, sowie Urteil Reagens/Kommission (T‑30/10, EU:T:2014:253, Rn. 305) zu Gesichtspunkten der finanziellen Leistungskraft.

    ( 51 )   So heißt es etwa zur Preisfestsetzung in Rn. 405 des angefochtenen Urteils, dass die in Frage stehende Erklärung „keinesfalls die Beweise, ob aus der Zeit des vorstehend gewürdigten Sachverhalts stammend oder nicht, entkräften kann, die von der Kommission zum Nachweis der Beteiligung der Klägerinnen an den Aktivitäten der Preiskoordinierung vorgelegt wurden“.

    ( 52 )   Im Übrigen halte ich es für sachdienlich, auf die Feststellung des Gerichtshofs hinzuweisen, wonach, ungeachtet des Umstands, dass das Gericht die Parteien nicht über seine Absicht informiert hatte, die zusätzliche Herabsetzung zu berücksichtigen, dieser Gesichtspunkt zur rechtlichen Würdigung gehört, die das Gericht in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung vornehmen konnte, ohne die Parteien vor der Verkündung des Urteils darüber zu informieren (vgl. Urteil Alliance One International/Kommission, C‑679/11 P, EU:C:2013:606, Rn. 110).

    ( 53 )   C‑446/11 P, EU:C:2013:798.

    ( 54 )   Der Gerichtshof hat im Urteil Kommission/Edison entsprechend auf das Urteil Papierfabrik August Koehler u. a./Kommission (C‑322/07 P, C‑327/07 P und C‑338/07 P, EU:C:2009:500, Rn. 34 bis 37) verwiesen.

    ( 55 )   C‑441/07 P, EU:C:2009:555, Nrn. 151 und 152.

    ( 56 )   Vgl. in diesem Sinne Urteil Tokai Carbon u. a./Kommission (T‑71/03, T‑74/03, T‑87/03 und T‑91/03, EU:T:2005:220, Rn. 370).

    ( 57 )   Urteil Kommission/Aalberts Industries u. a. (C‑287/11 P, EU:C:2013:445, Rn. 50).

    ( 58 )   Urteile PKK und KNK/Rat (C‑229/05 P, EU:C:2007:32, Rn. 37) sowie Lafarge/Kommission (C‑413/08 P, EU:C:2010:346, Rn. 17).

    ( 59 )   Vgl. entsprechend Urteil Activision Blizzard Germany/Kommission (C‑260/09 P, EU:C:2011:62, Rn. 57).

    ( 60 )   Im Unterschied etwa zu der Rechtssache Kommission/Verhuizingen Coppens, vgl. Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in dieser Rechtssache (C‑441/11 P, EU:C:2012:317, Nrn. 43 bis 46).

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