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Document 62013CC0482

Schlussanträge des Generalanwalts Wahl vom 16. Oktober 2014.
Unicaja Banco SA gegen José Hidalgo Rueda und andere (C-482/13) und Caixabank SA gegen Manuel María Rueda Ledesma und Rosario Mesa Mesa (C-484/13), José Labella Crespo und andere (C-485/13) und Alberto Galán Luna und Domingo Galán Luna (C-487/13).
Ersuchen um Vorabentscheidung: Juzgado de Primera Instancia e Instrucción de Marchena - Spanien.
Vorlage zur Vorabentscheidung - Richtlinie 93/13/EWG - Verträge zwischen Gewerbetreibenden und Verbrauchern - Hypothekenverträge - Klauseln über Verzugszinsen - Missbräuchliche Klauseln - Zwangsvollstreckung aus einer Hypothek - Herabsetzung der Zinsen - Befugnisse des nationalen Richters.
Verbundene Rechtssachen C-482/13, C-484/13, C-485/13 und C-487/13.

Court reports – general

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2014:2299

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

NILS WAHL

vom 16. Oktober 2014 ( 1 )

Verbundene Rechtssachen C‑482/13, C‑484/13, C‑485/13 und C‑487/13

Unicaja Banco SA

gegen

José Hidalgo Rueda (C‑482/13),

María del Carmen Vega Martín (C‑482/13),

Gestión Patrimonial Hive SL (C‑482/13),

Francisco Antonio López Reina (C‑482/13),

Rosa María Hidalgo Vega (C‑482/13)

Caixabank SA

gegen

Manuel María Rueda Ledesma (C‑484/13),

Rosario Mesa Mesa (C‑484/13),

José Labella Crespo (C‑485/13),

Rosario Márquez Rodríguez (C‑485/13),

Rafael Gallardo Salvat (C‑485/13),

Manuela Márquez Rodríguez (C‑485/13),

Alberto Galán Luna (C‑487/13),

Domingo Galán Luna (C‑487/13)

(Vorabentscheidungsersuchen des Juzgado de Primera Instancia e Instrucción de Marchena [Spanien])

„Richtlinie 93/13/EWG — Verbraucherkreditvertrag — Missbräuchliche Klauseln — Unverbindlichkeit — Angemessene und wirksame Mittel, die der Verwendung missbräuchlicher Klauseln in Verbraucherverträgen ein Ende setzen — Zwangsvollstreckung aus einer Hypothek“

1. 

Als die Richtlinie 93/13/EWG ( 2 ) in Kraft trat, haben die meisten Mitgliedstaaten wohl nicht vorhergesehen, welche Auswirkungen sie mehr als 20 Jahre später auf ihre Rechtsordnungen haben würde.

2. 

Einer dieser Mitgliedstaaten ist das Königreich Spanien. Im Gefolge des Urteils des Gerichtshofs Aziz ( 3 ) erließ der spanische Gesetzgeber vor Kurzem ein neues Gesetz ( 4 ), das unter anderem die vom Gerichtshof in diesem Urteil festgestellten Probleme beheben sollte. Der Gerichtshof hatte bereits Gelegenheit, dieses Gesetz zu prüfen ( 5 ). Die dem Gerichtshof vom vorlegenden Gericht zur Kenntnis gebrachten Rechtssachen betreffen einen Aspekt des Gesetzes 1/2013, der sich von dem in der Rechtssache Sánchez Morcillo und Abril García geprüften Aspekt unterscheidet. Diesmal geht es nämlich nicht um die Frage, ob es das spanische Recht Verbrauchern unmöglich macht oder übermäßig erschwert, ein Rechtsmittel gegen eine gerichtliche Entscheidung einzulegen, mit der die Zwangsvollstreckung wegen einer Forderung angeordnet wird, sondern vielmehr darum, ob die spanischen Verfahrensvorschriften über die Zwangsvollstreckung aus einer Hypothek die in der Richtlinie 93/13 festgelegte Anforderung erfüllen, dass die Mitgliedstaaten dafür Sorge tragen müssen, dass missbräuchliche Klauseln für Verbraucher unverbindlich sind.

3. 

Das Juzgado de Primera Instancia e Instrucción de Marchena (erstinstanzliches Zivilgericht Marchena) (Spanien) – sowie eine Reihe weiterer spanischer Gerichte ( 6 ) – haben dem Gerichtshof Fragen vorgelegt, die im Wesentlichen die Übergangsbestimmungen des Gesetzes 1/2013 betreffen. Diese Vorschrift setzt eine Obergrenze für die Verzugszinsen fest, die durch die Zwangsvollstreckung aus einer Hypothek erlangt werden können: Der Verzugszinssatz darf das Dreifache des gesetzlichen Zinssatzes nicht übersteigen. Wird diese Grenze überschritten, müssen die Gerichte dem Gläubiger Gelegenheit geben, den Verzugszinssatz neu zu berechnen, so dass er innerhalb der gesetzlichen Grenzen liegt. Diese Vorabentscheidungsersuchen geben dem Gerichtshof erneut Gelegenheit, die Grenzen des Einflusses des EU-Verbraucherschutzrechts auf die einschlägigen nationalen Regelungen klarzustellen.

I – Rechtlicher Rahmen

A – Richtlinie 93/13

4.

Der 21. Erwägungsgrund der Richtlinie 93/13 lautet:

„Die Mitgliedstaaten müssen sicherstellen, dass in von einem Gewerbetreibenden mit Verbrauchern abgeschlossenen Verträgen keine missbräuchlichen Klauseln verwendet werden. Wenn derartige Klauseln trotzdem verwendet werden, müssen sie für den Verbraucher unverbindlich sein; die verbleibenden Klauseln müssen jedoch weiterhin gelten und der Vertrag im Übrigen auf der Grundlage dieser Klauseln für beide Teile verbindlich sein, sofern ein solches Fortbestehen ohne die missbräuchlichen Klauseln möglich ist.“

5.

Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 lautet:

„Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass missbräuchliche Klauseln in Verträgen, die ein Gewerbetreibender mit einem Verbraucher geschlossen hat, für den Verbraucher unverbindlich sind, und legen die Bedingungen hierfür in ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften fest; sie sehen ferner vor, dass der Vertrag für beide Parteien auf derselben Grundlage bindend bleibt, wenn er ohne die missbräuchlichen Klauseln bestehen kann.“

6.

Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 lautet:

„Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass im Interesse der Verbraucher und der gewerbetreibenden Wettbewerber angemessene und wirksame Mittel vorhanden sind, damit der Verwendung missbräuchlicher Klauseln durch einen Gewerbetreibenden in den Verträgen, die er mit Verbrauchern schließt, ein Ende gesetzt wird.“

7.

Nach Art. 8 der Richtlinie 93/13 „können [die Mitgliedstaaten] auf dem durch diese Richtlinie geregelten Gebiet mit dem Vertrag vereinbare strengere Bestimmungen erlassen, um ein höheres Schutzniveau für die Verbraucher zu gewährleisten“.

B – Spanisches Recht

8.

Nach Art. 1911 des spanischen Zivilgesetzbuchs haftet der Schuldner mit seinem gesamten gegenwärtigen und zukünftigen Vermögen für seine finanziellen Verbindlichkeiten.

9.

Art. 105 des Hypothekengesetzes (Ley Hipotecaria), dessen kodifizierte Fassung mit Dekret vom 8. Februar 1946 angenommen ( 7 ) und durch das Gesetz 1/2013 geändert wurde, bestimmt, dass eine Hypothek als Sicherheit für alle Arten von Verbindlichkeiten bestellt werden kann und die unbeschränkte persönliche Haftung des Schuldners nach Art. 1911 des Zivilgesetzbuchs hierdurch nicht berührt wird.

10.

Art. 552 Abs. 1 des Zivilprozessgesetzes (Ley de Enjuiciamiento Civil), geändert durch Art. 7 Abs. 1 des Gesetzes 1/2013, bestimmt, dass das Gericht den Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 15 Tagen geben muss, wenn es feststellt, dass eine Klausel in bestimmten Vollstreckungstiteln als missbräuchlich eingestuft werden kann. Nach Anhörung der Parteien trifft es in den darauffolgenden fünf Tagen die erforderlichen Maßnahmen gemäß Art. 561 Abs. 1 Unterabs. 3 des Zivilprozessgesetzes.

11.

Durch das Gesetz 1/2013 wurde zudem Art. 561 Abs. 1 um einen Unterabs. 3 ergänzt, der wie folgt lautet:

„Wird festgestellt, dass eine oder mehrere Klauseln missbräuchlich sind, wird in dem zu erlassenden Beschluss über die Folgen des missbräuchlichen Charakters entschieden und entweder festgestellt, dass die Vollstreckung unzulässig ist, oder angeordnet, dass sie unter Nichtanwendung der als missbräuchlich betrachteten Klauseln durchzuführen ist.“

12.

Darüber hinaus wurde Art. 114 des Hypothekengesetzes durch Art. 3 Abs. 2 des Gesetzes 1/2013 geändert, indem folgender Abs. 3 hinzugefügt wurde:

„Die Verzugszinsen für die für den Erwerb der eigengenutzten Wohnung aufgenommenen Darlehen oder Kredite, die durch Hypotheken gesichert sind, die an dieser Wohnung bestellt worden sind, dürfen das Dreifache des gesetzlichen Zinssatzes nicht übersteigen und können nur auf die rückständige Hauptforderung erhoben werden. Diese Verzugszinsen können abgesehen von dem in Artikel 579 Abs. 2 Buchst. a des Zivilprozessgesetzes geregelten Fall unter keinen Umständen kapitalisiert werden.“

13.

Die Zweite Übergangsbestimmung des Gesetzes 1/2013 sieht schließlich Folgendes vor:

„Die in Artikel 3 Abs. 2 geregelte Begrenzung der Verzugszinsen für Hypotheken, die an eigengenutzten Wohnungen bestellt worden sind, gilt für Hypotheken, die nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes bestellt worden sind.

Ebenso gilt diese Begrenzung für Verzugszinsen für Darlehen, die durch eine Hypothek an einer eigengenutzten Wohnung gesichert sind, die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes bestellt worden ist, wenn die Verzugszinsen nach dessen Inkrafttreten aufgelaufen und fällig geworden sind oder zu diesem Zeitpunkt fällig waren, aber nicht gezahlt worden sind.

In Zwangsvollstreckungsverfahren oder Verfahren des außergerichtlichen Verkaufs, die beim Inkrafttreten dieses Gesetzes bereits eingeleitet, aber noch nicht abgeschlossen waren, und in Verfahren, in denen der Betrag, dessentwegen die Zwangsvollstreckung oder der außergerichtliche Verkauf beantragt worden ist, bereits festgelegt worden ist, setzt der Secretario judicial (Leiter der Geschäftsstelle des Gerichts) oder der Notar dem Vollstreckungsgläubiger eine Frist von 10 Tagen für die Neuberechnung dieses Betrags nach Maßgabe des vorhergehenden Absatzes.“

II – Sachverhalt, Verfahren und Vorlagefragen

14.

Die Ausgangsverfahren betreffen vier Zwangsvollstreckungsverfahren, die von Unicaja Banco (Rechtssache C‑482/13) und Caixabank (Rechtssachen C‑484/13, C‑485/13 und C‑487/13) (im Folgenden: Banken) zur Zwangsvollstreckung aus einer Reihe von Hypotheken eingeleitet wurden, die sämtlich zwischen dem 5. Januar 2007 und dem 20. August 2010 über jeweils höchstens 249000 Euro bestellt worden waren.

15.

In der Rechtssache C‑482/13 betrug der Verzugszinssatz 18 %, konnte aber erhöht werden, wenn sich bei einer Erhöhung des revidierten Zinssatzes um vier Punkte ein höherer Zinssatz ergab; dabei durfte die Obergrenze von jährlich nominal 25 % nicht überschritten werden. In den Rechtssachen C‑484/13, C‑485/13 und C‑487/13 betrug der Verzugszinssatz 22,5 %.

16.

Ferner enthielten alle Verträge eine Klausel, nach der das Kreditinstitut berechtigt war, den anfänglich vereinbarten Fälligkeitszeitpunkt vorzuverlegen und die Zahlung des gesamten noch geschuldeten Kapitals zuzüglich der Zinsen, Verzugszinsen, Gebühren, Auslagen und vereinbarten Kosten zu verlangen.

17.

Während des Zeitraums vom 21. März bis zum 30. Oktober 2012 beantragten die Banken die Zwangsvollstreckung beim vorlegenden Gericht. Das vorlegende Gericht setzte die Verfahren jedoch aus, da es Zweifel hat, ob die Klauseln über die Verzugszinsen und die vorzeitige Fälligstellung möglicherweise missbräuchlich sind. Aus diesem Grund hat das Juzgado de Primera Instancia e Instrucción de Marchena am 12. August 2013 entschieden, das Verfahren auszusetzen und die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.

Muss ein nationales Gericht, das eine missbräuchliche Klausel über Verzugszinsen in einem Hypothekendarlehen feststellt, nach der Richtlinie 93/13/EWG, insbesondere Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie, zur Gewährleistung des Schutzes der Verbraucher und Benutzer im Einklang mit dem Äquivalenzgrundsatz und dem Effektivitätsgrundsatz die Klausel für nichtig und unverbindlich erklären oder muss es vielmehr die Zinsklausel abmildern und dem Vollstreckungsgläubiger oder Darlehensgeber aufgeben, die Zinsen neu zu berechnen?

2.

Stellt die Zweite Übergangsbestimmung des Gesetzes 1/2013 zumindest eine klare Beschränkung des Schutzes der Interessen der Verbraucher dar, wenn sie das Gericht implizit dazu verpflichtet, eine missbräuchliche Klausel über Verzugszinsen durch Neuberechnung der vereinbarten Zinsen bei Aufrechterhaltung der missbräuchlichen Klausel abzumildern, statt sie für nichtig und für unverbindlich für den Verbraucher zu erklären?

3.

Verstößt die Zweite Übergangsbestimmung des Gesetzes 1/2013 gegen die Richtlinie 93/13, insbesondere Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie, da sie die Anwendung des Äquivalenzgrundsatzes und des Effektivitätsgrundsatzes auf dem Gebiet des Verbraucherschutzes verhindert und die Sanktion der Nichtigerklärung und der Feststellung der Unverbindlichkeit missbräuchlicher Klauseln über Verzugszinsen in vor dem Inkrafttreten des Gesetzes 1/2013 vom 14. Mai 2013 vereinbarten Hypothekendarlehen ausschließt?

18.

Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 10. Oktober 2013 sind alle Rechtssachen zu gemeinsamem schriftlichen und mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden.

19.

Unicaja Banco, Caixabank, die spanische Regierung sowie die Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht; alle haben in der Sitzung vom 10. September 2014 mündlich verhandelt.

III – Würdigung

A – Vorbemerkungen

20.

Wie sich aus dem Vorlagebeschluss ergibt, betreffen die drei Vorlagefragen lediglich verschiedene Aspekte ein und derselben Frage. Die beteiligten Parteien verstehen diese drei Aspekte jedoch unterschiedlich ( 8 ).

21.

Zunächst ist anzumerken, dass die vom vorlegenden Gericht an den Gerichtshof gerichtete Frage 2 die Auslegung – bis hin zur Gültigkeit – nationalen Rechts betrifft. Dies liegt außerhalb der Zuständigkeiten des Gerichtshofs nach Art. 267 AEUV, und daher kann der Gerichtshof diese Frage nicht beantworten. Die vom vorlegenden Gericht offenbar an dem Gesetz 1/2013 geäußerten Zweifel finden sich jedoch auch in Frage 3 wieder, die die Vereinbarkeit der Zweiten Übergangsbestimmung des Gesetzes 1/2013 mit der Richtlinie 93/13 und insbesondere deren Art. 6 Abs. 1 betrifft. Daher ist es dem Gerichtshof jedenfalls möglich, sich mit diesen vom vorlegenden Gericht dargelegten Zweifeln zu befassen.

22.

Die Fragen 1 und 3 haben darüber hinaus offensichtlich gemeinsam, dass die Rechtsfolgen einer Vertragsklausel geklärt werden sollen, die als missbräuchlich betrachtet wird. Mit der Frage 1 möchte das vorlegende Gericht im Kern wissen, welche Befugnisse und Pflichten ein nationales Gericht nach Richtlinie 93/13 hinsichtlich einer als missbräuchlich festgestellten Klausel über Verzugszinsen hat. Mit der Frage 3 möchte das Gericht jedoch wissen, ob eine Bestimmung wie die Zweite Übergangsbestimmung des Gesetzes 1/2013 mit der Richtlinie vereinbar ist, soweit sie die betreffenden Befugnisse und Pflichten möglicherweise einschränkt.

23.

Ich werde die Fragen daher in zwei Teilen angehen. Während die Antwort auf Frage 1 offenkundig ist, muss Frage 3 nicht zuletzt wegen der von der spanischen Regierung eingereichten Erklärungen differenzierter betrachtet werden.

B – Befugnisse und Pflichten des nationalen Gerichts nach Richtlinie 93/13 hinsichtlich einer als missbräuchlich festgestellten Klausel über Verzugszinsen

24.

Mit Frage 1 ersucht das vorlegende Gericht um Auskunft darüber, ob die Richtlinie 93/13 und insbesondere deren Art. 6 Abs. 1 das Gericht dazu verpflichtet, eine als missbräuchlich festgestellte Klausel über Verzugszinsen für nichtig zu erklären oder ob es vielmehr dazu verpflichtet ist, den betreffenden Zinssatz herabzusetzen oder eine solche Herabsetzung zuzulassen.

25.

Wie aus der Begründung der Vorlagebeschlüsse ersichtlich ist, wurde der in Frage A dargelegte streitige Punkt bereits durch die Urteile des Gerichtshofs Banco Español de Crédito ( 9 ) und Asbeek Brusse und de Man Garabito ( 10 ) geklärt. Auch das Urteil Kásler und Káslerné Rábai ( 11 ), das nach Eingang der vorliegenden Vorlagebeschlüsse beim Gerichtshof ergangen ist, kann hierzu Hilfestellung geben.

26.

Diesen Urteilen ist zu entnehmen, dass die nationalen Gerichte nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 eine missbräuchliche Vertragsklausel unangewendet lassen müssen, damit sie den Verbraucher nicht bindet, sie aber nicht befugt sind, deren Inhalt anzupassen. Der betreffende Vertrag muss – abgesehen von der Änderung, die sich aus dem Wegfall der missbräuchlichen Klauseln ergibt – grundsätzlich unverändert fortbestehen, soweit dies nach den Vorschriften des nationalen Rechts möglich ist ( 12 ).

27.

Speziell im Hinblick auf Vertragsstrafeklauseln hat der Gerichtshof entschieden, dass Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 nicht dahin ausgelegt werden kann, dass er einem nationalen Gericht, wenn es die Missbräuchlichkeit einer Vertragsstrafeklausel in einem Vertrag zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher feststellt, erlaubt, die dem Verbraucher auferlegte Vertragsstrafe herabzusetzen, statt die Klausel dem Verbraucher gegenüber gänzlich unangewendet zu lassen ( 13 ).

28.

In der Rechtssache Banco Español de Crédito regelte die missbräuchliche Klausel den Verzug von Ratenzahlungen im Rahmen eines Darlehensvertrags zum Zweck der Anschaffung eines Fahrzeugs. Die Rechtssache Asbeek Brusse und de Man Garabito betraf eine Vertragsstrafeklausel in einem Vertrag über die Vermietung von Wohnraum, die auch Verzugszinsen regelte.

29.

Die Rechtssache Kásler und Káslerné Rábai betraf dagegen einen Sonderfall der Rückerstattung einer Leistung. In jenem Fall wollte das vorlegende Gericht wissen, ob ein nationales Gericht befugt ist, eine missbräuchliche Klausel in einem Verbraucherkreditvertrag durch dispositive Vorschriften des nationalen Rechts zu ersetzen, wenn der Vertrag nach Wegfall der entsprechenden Klausel nicht mehr durchführbar wäre und die Nichtigkeit des Vertrags für den Verbraucher nachteilig sein könnte. Der Gerichtshof hat ausgeführt, dass die Nichtigkeit des gesamten Verbraucherkreditvertrags grundsätzlich zur Folge habe, dass der noch offene Darlehensbetrag fällig werde, was eher den Verbraucher als den Darlehensgeber bestrafe. In diesem speziellen Fall hat der Gerichtshof daher entschieden, dass Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, die es dem nationalen Gericht ermöglicht, der Nichtigkeit der missbräuchlichen Klausel dadurch abzuhelfen, dass es sie durch eine dispositive Vorschrift des nationalen Rechts ersetzt ( 14 ).

30.

Das Urteil Kásler und Káslerné Rábai hat jedoch für die vorliegenden Rechtssachen keine Relevanz. Es ist nicht ersichtlich, warum die Nichtigerklärung einer missbräuchlichen Klausel über Verzugszinsen – wie der in Frage stehenden Klausel – für den Verbraucher bzw. Darlehensnehmer nachteilig sein sollte; schließlich führt sie zum vollständigen Wegfall des Zinsanspruchs des Kreditgebers, der diese Klausel verwendet hat. Dass Befugnisse zur Abmilderung von Rechtsfolgen durch Bestimmungen des nationalen Rechts eingeräumt werden können, statt durch eine gerichtliche Ermessensentscheidung, ist zudem – entgegen dem Vorbringen der Banken in der mündlichen Verhandlung – irrelevant. So sieht die Richtlinie 93/13 durch ihren Art. 8 eine Mindestharmonisierung vor, d. h., die Mitgliedstaaten dürfen lediglich Vorschriften erlassen oder beibehalten, die strengeren Verbraucherschutz vorsehen als bereits durch die Richtlinie gewährt wird. Dementsprechend sollte sich die Antwort auf Frage 1 nicht von der in den Urteilen Banco Español de Crédito sowie Asbeek Brusse und de Man Garabito unterscheiden, die ich bereits vorstehend in Nr. 26 zusammengefasst habe.

C – Vereinbarkeit der Zweiten Übergangsbestimmung des Gesetzes 1/2013 mit der Richtlinie 93/13 hinsichtlich der Verpflichtung des nationalen Gerichts nach dieser Richtlinie, missbräuchliche Vertragsklauseln unangewendet zu lassen

31.

Frage 3 betrifft die Vereinbarkeit der Zweiten Übergangsbestimmung des Gesetzes 1/2013, das für Zwangsvollstreckungsverfahren oder Verfahren des außergerichtlichen Verkaufs, die beim Inkrafttreten dieses Gesetzes bereits eingeleitet, aber bis zum 15. Mai 2013 noch nicht abgeschlossen waren, und Verfahren gilt, in denen der Betrag, dessentwegen die Zwangsvollstreckung oder der außergerichtliche Verkauf beantragt worden ist, bereits festgelegt worden ist, mit der Richtlinie 93/13 und insbesondere deren Art. 6 Abs. 1. Das vorlegende Gericht möchte letztlich wissen, ob ein Gläubiger, der in einem Verfahren der Zwangsvollstreckung aus einer Hypothek Verzugszinsen auf der Grundlage einer vertraglichen Klausel verlangt, mit der der Verzugszinssatz über der gesetzlichen Obergrenze (das Dreifache des gesetzlichen Zinssatzes) festgesetzt wird, den Verzugszinssatz neu berechnen darf, so dass er diese Obergrenze nicht übersteigt

32.

Auch wenn das vorlegende Gericht diesen Punkt nicht anspricht, ist es vorab hilfreich, kurz auf die Frage einzugehen, ob Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 einer Klärung der Frage nach der Vereinbarkeit der fraglichen nationalen Vorschrift mit eben dieser Richtlinie durch den Gerichtshof entgegensteht ( 15 ). Die Banken tragen nämlich vor, die Zweite Übergangsbestimmung des Gesetzes 1/2013 sei zwingendes Recht, das unabhängig vom Willen der Parteien gelte und somit nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie 93/13 falle.

33.

In der Rechtssache Sánchez Morcillo und Abril García ( 16 ) habe ich mich bereits mit einem ähnlichen Argument befasst. Anders als in jenem Fall hat das vorlegende Gericht in den vorliegenden Rechtssachen die Billigkeit der Klauseln über Verzugszinsen in den fraglichen Verträgen über Hypothekendarlehen ausdrücklich in Zweifel gezogen. Diesbezüglich möchte das vorlegende Gericht wissen, welche Befugnisse und Pflichten es nach Richtlinie 93/13 hat, wenn die Missbräuchlichkeit der Klausel festgestellt wird. Dieser Fall liegt daher völlig anders als die Rechtssache Barclays Bank ( 17 ), in der der Gerichtshof entschieden hat, dass es sich bei den in Frage stehenden, das spanische Zwangsvollstreckungsverfahren regelnden nationalen Bestimmungen um Rechtsvorschriften handelt, die nicht in den streitigen Vertrag aufgenommen worden waren und nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie fielen.

34.

Dies vorausgeschickt ist zunächst anzumerken, dass der Gerichtshof im Rahmen von Verfahren nach Art. 267 AEUV zwar nicht über die Vereinbarkeit einer nationalen Rechtsvorschrift mit Unionsrecht entscheiden bzw. nationale Gesetze auslegen kann, jedoch alle Aspekte des Unionsrechts auslegen kann, die es dem Gericht für die Zwecke des jeweiligen Verfahrens ermöglichen, über die Vereinbarkeit der nationalen Rechtsvorschrift mit dem Unionsrecht zu entscheiden ( 18 ). Um diese Unterstützung geben zu können, muss der Gerichtshof zwangsläufig über gewisse Kenntnisse der einschlägigen nationalen Bestimmungen verfügen, wobei die Bestätigung der Richtigkeit dieser Kenntnisse natürlich ausschließlich beim nationalen Gericht liegt. Unter diesem Vorbehalt folgen nun meine Ausführungen.

35.

Angesichts der Urteile des Gerichtshofs Banco Español de Crédito sowie Asbeek Brusse und de Man Garabito ist es verständlich, dass die Zweite Übergangsbestimmung des Gesetzes 1/2013 insoweit Streit hervorgerufen haben mag, als daraus eine Verpflichtung des nationalen Gerichts hergeleitet werden könnte, zum Nachteil des Verbrauchers eine Herabsetzung des Verzugszinssatzes zuzulassen, anstatt die betreffende Vertragsklausel für nichtig zu erklären. Ich würde jedoch vor einem solchen Schluss warnen, da er wohl auf einem grundsätzlichen Missverständnis beruht. Einer solchen Auffassung liegt die recht ansprechende Idee zugrunde, dass die Zweite Übergangsbestimmung des Gesetzes 1/2013 irgendwie i) die Voraussetzungen festlegt, unter denen eine vertragliche Klausel über Verzugszinsen billig ist, und ii) der Pflicht des nationalen Gerichts, die als missbräuchlich eingestufte Klausel unangewendet zu lassen, widerspricht. Die dem Gerichtshof vorgelegten nationalen Rechtsvorschriften stützen diese Hypothese jedoch nicht. Die spanische Regierung bestätigte auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung, dass diese Annahme unrichtig ist. Die anderen in der mündlichen Verhandlung anwesenden Parteien widersprachen nicht (jedenfalls nicht theoretisch).

36.

Die Möglichkeit, die ein Gläubiger vorbehaltlich bestimmter Anforderungen gemäß der Zweiten Übergangsbestimmung des Gesetzes 1/2013 hat, im Rahmen von Zwangsvollstreckungsverfahren den Verzugszinssatz neu zu berechnen, so dass er unter der Obergrenze für Verzugszinsen bleibt, die durch die Zwangsvollstreckung aus einer Hypothek erlangt werden können, ist jedoch vollständig getrennt von der Frage zu betrachten, ob die Vertragsklausel, die mit der Zwangsvollstreckung durchgesetzt werden soll, billig ist oder nicht. Der ausdrückliche Wortlaut der Bestimmung spricht nämlich dafür, dass sie sowohl für billige als auch für missbräuchliche Vertragsklauseln gilt.

37.

In gleicher Weise gilt die Zweite Übergangsbestimmung des Gesetzes 1/2013 offenbar auch für Vertragsklauseln, die nicht anhand der Richtlinie 93/13 auf ihre Missbräuchlichkeit geprüft werden dürfen. So gilt das Gesetz 1/2013 offenbar für Vertragsklauseln, die im Einzelnen ausgehandelt wurden und somit nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen. Setzt man voraus, dass die Zahlung von Verzugszinsen (als eine Kategorie von Zinsen) als eine wesentliche Pflicht im Sinne einer Hauptleistung gesehen werden kann, die im Rahmen eines Hypothekendarlehens gegen die Gewährung des Darlehens zu erbringen ist ( 19 ), wäre die Beurteilung der Missbräuchlichkeit einer Klausel über Verzugszinsen in einem Verbraucherkreditvertrag von der Prüfung nach Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie ausgeschlossen (sofern die Klausel klar und verständlich abgefasst ist). In beiden vorstehend genannten Fällen kann die Richtlinie theoretisch nicht als Grundlage herangezogen werden, um sich gegen die Klausel über Verzugszinsen zu wenden. Dennoch kann die Höhe der Verzugszinsen, die durch die Hypothek gesichert sind und daher im Rahmen der Zwangsvollstreckung erlangt werden können, nach der Zweiten Übergangsbestimmung des Gesetzes 1/2013 sehr wohl neu berechnet werden, wenn der auf diese Verzugszinsen angewandte Satz die gesetzliche Obergrenze übersteigt.

38.

Dieser unterschiedliche Regelungsgehalt der Zweiten Übergangsbestimmung des Gesetzes 1/2013 und der Richtlinie 93/13 wird umso deutlicher, als das Hypothekengesetz und insbesondere dessen Art. 114 Satz 3, auf den sich die Zweite Übergangsbestimmung des Gesetzes 1/2013 bezieht, nur für bestimmte Zinssätze im Rahmen von Verfahren der Zwangsvollstreckung aus einer Hypothek gilt, und zwar unabhängig davon, ob der Darlehensgeber ein Gewerbetreibender und der Darlehensnehmer ein Verbraucher ist. Im Gegensatz dazu gilt die Richtlinie 93/13 nach ihrem Art. 1 allgemein für alle Verträge, sofern sie zwischen einem Verbraucher und einem Gewerbetreibenden geschlossen wurden.

39.

Hierzu führt die spanische Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen im Einzelnen aus, das Ziel von Art. 114 des Hypothekengesetzes – und in gleicher Weise auch das der Zweiten Übergangsbestimmung des Gesetzes 1/2013 – bestehe darin, einen Höchstbetrag festzulegen, der hypothekarisch gesichert sei, und so den hypothekarisch gesicherten Umfang von Pflichten gegenüber Dritten zu begrenzen. Die in diesen Bestimmungen festgelegte Obergrenze für Verzugszinsen, wonach diese das Dreifache des gesetzlichen Zinssatzes nicht übersteigen und nur auf die rückständige Hauptforderung erhoben werden dürfen, gelte für Hypothekendarlehen, die für eine eigengenutzte Wohnung aufgenommen würden. In der mündlichen Verhandlung hat die spanische Regierung bestätigt, dass diese Bestimmungen nur die Verzugszinsen begrenzen, die hypothekarisch gesichert sind und nicht für das sonstige Vermögen des Schuldners gelten; der Gläubiger kann also nach Art. 1911 des spanischen Zivilgesetzbuchs aus diesem Vermögen immer noch die vollständige Zahlung des rückständigen Betrags verlangen. Angesichts der Erklärungen der spanischen Regierung regelt meines Erachtens Art. 114 Satz 3 des Hypothekengesetzes – und bei Übergangssachverhalten auch die Zweite Übergangsbestimmung des Gesetzes 1/2013 – tatsächlich nicht den Verzugszins als solchen, der eine rein vertragliche Angelegenheit bleibt, sondern legt lediglich eine Obergrenze für die Verzugszinsen fest, die durch die Zwangsvollstreckung aus einer Hypothek erlangt werden können. Daher kann der Darlehensgeber immer noch die vollständige Zahlung der ausstehenden Beträge aus dem sonstigen Vermögen des Darlehensnehmers verlangen. Wenn diese Auslegung des spanischen Rechts richtig ist, was zu prüfen dem vorlegenden Gericht obliegt, ist meiner Auffassung nach nicht ersichtlich, was diese Bestimmungen mit den Rechten von Verbrauchern nach der Richtlinie 93/13 zu tun haben sollen, geschweige denn, wie sie diese Rechte einschränken könnten.

40.

Man könnte natürlich argumentieren, dass der in Art. 114 Satz 3 des Hypothekengesetzes und der Zweiten Übergangsbestimmung des Gesetzes 1/2013 festgelegte maximale Verzugszinssatz für Hypothekendarlehen einen Anhaltspunkt für die Beurteilung, ob ein bestimmter Zinssatz billig im Sinne der Richtlinie 93/13 ist, darstellt, indem er einen Auslegungsansatz eröffnen könnte, wonach sämtliche Verzugszinsen, die nicht über dem Dreifachen des gesetzlichen Zinssatzes liegen, billig sind und umgekehrt sämtliche Zinsen, die diese Schwelle übersteigen, missbräuchlich sind ( 20 ). Das vorlegende Gericht führt entsprechend aus, dass die Zweite Übergangsbestimmung des Gesetzes 1/2013 die spanischen Gerichte „implizit“ verpflichte, eine Klausel über Verzugszinsen anzupassen, die als missbräuchlich betrachtet wird. Die Grundlage für eine solche implizite Pflicht wurde jedoch nicht dargelegt. Dazu möchte ich Folgendes anmerken.

41.

Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 sieht vor, dass die Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel unter Berücksichtigung der Art der Güter oder Dienstleistungen, die Gegenstand des Vertrags sind, und aller den Vertragsabschluss begleitenden Umstände zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zu beurteilen ist. Dementsprechend sind auch die Folgen zu würdigen, die die Klausel im Rahmen des auf den Vertrag anwendbaren Rechts haben kann, d. h. dass das nationale Recht zu prüfen ist ( 21 ).

42.

Zwar wird im Rahmen der Zwangsvollstreckung die Höhe der Verzugszinsen, die durch die Zwangsvollstreckung aus einer Hypothek erlangt werden können, durch Art. 114 Satz 3 des Hypothekengesetzes – und für den Übergangszeitraum auch durch die Zweite Übergangsbestimmung des Gesetzes 1/2013 – auf das Dreifache des gesetzlichen Zinssatzes begrenzt, doch bedeutet dies weder, dass jeder vertraglich vereinbarte höhere Zinssatz nach der Richtlinie automatisch missbräuchlich ist, noch, dass ein darunter liegender Zinssatz automatisch billig ist. Eine feststehende Regel, wann eine Klausel über Verzugszinsen automatisch missbräuchlich ist, gibt es nicht. Die in einem bestimmten Bereich des nationalen Rechts festgelegten Zinsobergrenzen sind lediglich ein Hinweis, der zu berücksichtigen ist. Es liegt auf der Hand, dass es nicht möglich ist, zu einer sachgerechten Feststellung der Missbräuchlichkeit einer Klausel über Verzugszinsen zu gelangen, indem lediglich verglichen wird, um wievielmal die Höhe des Zinssatzes den gesetzlich festgelegten Zinssatz übersteigt. Dies wird durch Buchst. e des Anhangs der Richtlinie 93/13 ( 22 ) deutlich, der (als Hinweis auf die Missbräuchlichkeit einer Klausel) den Umstand nennt, dass „dem Verbraucher, der seinen Verpflichtungen nicht nachkommt, ein unverhältnismäßig hoher Entschädigungsbetrag auferlegt wird“ (Hervorhebung nur hier), denn es liegt in der Natur der Sache, dass nur eine Prüfung im Einzelfall ergeben kann, ob der Entschädigungsbetrag im jeweiligen Fall verhältnismäßig ist oder nicht. Die Prüfung, ob eine Klausel über Verzugszinsen in einem Darlehensvertrag billig ist, sollte meines Erachtens bei der Höhe des Darlehensbetrags und der Laufzeit des Darlehens beginnen, die von Vertrag zu Vertrag variieren können (hier gilt wiederum, dass die zu prüfenden Zinsen nicht Teil des Hauptgegenstands des Vertrags oder aus sonstigen Gründen von der Prüfung ausgeschlossen sein dürfen). Letztlich ist dies jedoch nicht vom Gerichtshof zu beurteilen, sondern Sache der nationalen Gerichte, die besser in der Lage sind, alle maßgeblichen Umstände im Einzelfall abzuwägen, und mit den entsprechenden Regelungen des nationalen Rechts vertraut sind ( 23 ).

43.

Jedenfalls ist festzuhalten, dass für den hypothetischen Fall, dass in einem hypothekarisch gesicherten Verbraucherkreditvertrag ein Zinssatz festgelegt ist, der niedriger ist als das Dreifache des gesetzlich festgelegten Zinssatzes, aber unter den besonderen Umständen des Einzelfalls nach der Richtlinie 93/13 offensichtlich missbräuchlich ist, Art. 6 der Richtlinie die Ersetzung dieses vertraglich vereinbarten missbräuchlichen Verzugszinssatzes durch einen im nationalen Recht vorgesehenen niedrigeren und daher wohl weniger unbilligen Zinssatz ausschließt. Insoweit ist nicht ersichtlich, warum ein spanisches Gericht nicht befugt sein sollte, eine missbräuchliche Klausel nach Art. 561 Abs. 1 Unterabs. 3 des spanischen Zivilprozessgesetzes vollständig unangewendet zu lassen. Eine diesbezügliche Einschränkung würde meines Erachtens zumindest voraussetzen, dass Art. 114 Satz 3 des Hypothekengesetzes – und für Übergangssachverhalte auch die Zweite Übergangsbestimmung des Gesetzes 1/2013 – Vorrang vor Art. 561 Abs. 1 Unterabs. 3 des Zivilprozessgesetzes einzuräumen ist. Aus den Vorlagebeschlüssen ergibt sich jedoch nicht, dass das spanische Recht so auszulegen ist. Ganz im Gegenteil führt die spanische Regierung aus, nur wenn festgestellt werde, dass eine Vertragsklausel nicht missbräuchlich sei, gelte die in Art. 114 Satz 3 des Hypothekengesetzes – und für Übergangssachverhalte auch in der Zweiten Übergangsbestimmung des Gesetzes 1/2013 – festgelegte Obergrenze als ergänzender Schutz der eigengenutzten Wohnung. Dies muss natürlich vom vorlegenden Gericht, das die ausschließliche Zuständigkeit für die Auslegung nationalen Rechts besitzt, bestätigt werden ( 24 ).

44.

Das vorlegende Gericht muss für eine mit der Richtlinie 93/13 vereinbare Auslegung der nationalen Rechtsvorschriften gleichwohl das gesamte nationale Recht berücksichtigen und die im nationalen Recht verankerten Auslegungsmethoden so anwenden, dass das in Art. 6 Abs. 1 dieser Richtlinie gesetzte Ziel erreicht wird, so dass die Rechte der Verbraucher wirksam geschützt werden ( 25 ). Nach meiner Auffassung ist der von der spanischen Regierung zur Auslegung des spanischen Rechts gewählte Ansatz, nämlich die missbräuchliche Klausel über Verzugszinsen richtlinienkonform unangewendet zu lassen statt den Verzugszinssatz neu zu berechnen, in der Tat die einzige Auslegung, die eine Vereinbarkeit des Gesetzes 1/2013 mit den in Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 festgelegten Anforderungen sicherstellt. Darüber hinaus ist den Ausführungen der spanischen Regierung zu entnehmen, dass diese Auslegung nach spanischem Recht auch möglich ist.

45.

Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass die Richtlinie 93/13 nicht die Vorschriften des nationalen Rechts berührt, nach denen Verzugszinssätze für die Zwecke von Verfahren der Zwangsvollstreckung aus Hypotheken neu zu berechnen sind, wenn diese Vorschriften unabhängig davon gelten, ob der in Frage stehende Zinssatz missbräuchlich ist. Legt eine Vorschrift des nationalen Rechts (wie die Zweite Übergangsbestimmung des Gesetzes 1/2013) im Rahmen der Zwangsvollstreckung eine Obergrenze für die Verzugszinsen fest, die durch die Zwangsvollstreckung aus einer Hypothek erlangt werden können, kommt dies allen Hypothekenschuldnern zugute (und nicht nur Verbrauchern). Soweit Verbraucher betroffen sind und deren in der Richtlinie 93/13 festgelegten Rechte durch eine solche Vorschrift ergänzt werden, wie beispielsweise im Fall von Klauseln, die nicht missbräuchlich sind oder die nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie 93/13 fallen, wird so im Einklang mit Art. 8 der Richtlinie ein besserer Schutz des Verbrauchers gewährleistet ( 26 ).

46.

Letztlich ist der von mir gewählte Ansatz für die Entscheidung der Ausgangsverfahren möglicherweise nicht maßgeblich. Aus den Vorlagebeschlüssen ergibt sich, dass das vorlegende Gericht offenbar zu der Auffassung tendiert, dass die fraglichen mit den Hypothekendarlehen verbundenen Verzugszinsen tatsächlich missbräuchlich sind. Sollte das Gericht dies aufgrund einer Gesamtwürdigung feststellen, folgt aus meiner vorstehend ausgeführten Antwort auf Frage 1, dass das vorlegende Gericht sicherstellen muss, dass diese Klauseln für Verbraucher unverbindlich sind, ohne den Zinssatz selbst herabzusetzen oder durch einen im spanischen Recht festgelegten Zinssatz zu ersetzen.

47.

Zum Schluss ist noch anzumerken, dass ich den in Frage 3 enthaltenen Verweis auf den Äquivalenzgrundsatz und den Effektivitätsgrundsatz zur Kenntnis genommen habe. Angesichts der vorstehenden Ausführungen werden diese Grundsätze jedoch unter keinem Gesichtspunkt berührt und erfordern daher von meiner Seite keine zusätzlichen Anmerkungen.

IV – Ergebnis

48.

Nach alledem schlage ich vor, dass der Gerichtshof die vom Juzgado de Primera Instancia e Instrucción de Marchena (Spanien) vorgelegten Fragen wie folgt beantwortet:

1.

Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen verpflichtet nationale Gerichte, eine missbräuchliche Klausel unangewendet zu lassen, so dass sie für den Verbraucher unverbindlich ist, ermächtigt die Gerichte aber nicht, den Inhalt dieser Klausel anzupassen. Der Verbrauchervertrag muss – abgesehen von der Änderung, die sich aus der Aufhebung der missbräuchlichen Klausel ergibt – grundsätzlich unverändert fortbestehen, soweit dies nach den Vorschriften des innerstaatlichen Rechts rechtlich möglich ist.

2.

Eine Vorschrift des nationalen Rechts wie die Zweite Übergangsbestimmung des Gesetzes 1/2013 vom 14. Mai 2013 über Maßnahmen zur Verbesserung des Schutzes der Hypothekenschuldner, Umstrukturierung von Schulden und Sozialmieten (Ley 1/2013 de medidas para reforzar la protección a los deudores hipotecarios, reestructuración de deuda y alquiler social), nach der der Vollstreckungsgläubiger auf der Grundlage eines Hypothekendarlehens mit einer Klausel, in der die Verzugszinsen auf mehr als das Dreifache des gesetzlich festgelegten Zinssatzes festgesetzt werden, die Verzugszinsen, die durch die Zwangsvollstreckung aus einer Hypothek erlangt werden können, neu berechnen darf, so dass sie diese Obergrenze nicht übersteigen, ist mit der Richtlinie 93/13 und insbesondere ihrem Art. 6 Abs. 1 vereinbar, soweit diese Vorschrift die Pflicht der nationalen Gerichte nach dieser Richtlinie, eine missbräuchliche Klausel in Verbraucherverträgen unangewendet zu lassen, so dass die Klausel für den Verbraucher unverbindlich ist, nicht aber den Inhalt der Klausel anzupassen, nicht berührt. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, festzustellen, ob dies der Fall ist, indem es das gesamte nationale Recht berücksichtigt und die im nationalen Recht verankerten Auslegungsmethoden anwendet.


( 1 ) Originalsprache: Englisch.

( 2 ) Richtlinie des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. L 95, S. 29).

( 3 ) C‑415/11, EU:C:2013:164.

( 4 ) Gesetz 1/2013 vom 14. Mai 2013 über Maßnahmen zur Verbesserung des Schutzes der Hypothekenschuldner, Umstrukturierung von Schulden und Sozialmieten (Ley 1/2013 de medidas para reforzar la protección a los deudores hipotecarios, reestructuración de deuda y alquiler social), im Folgenden: Gesetz 1/2013, BOE Nr. 116 vom 15. Mai 2013, S. 36373.

( 5 ) Urteil Sánchez Morcillo und Abril García (C‑169/14, EU:C:2014:2099).

( 6 ) Neben den vorliegenden Verfahren wird auch auf die folgenden anhängigen Rechtssachen verwiesen: Caixabank (C‑548/13), Banco Bilbao Vizcaya Argentaria (C‑602/13), Banco de Caja España de Inversiones, Salamanca y Soria (C‑75/14) und Banco Grupo Cajatres (C‑90/14).

( 7 ) BOE Nr. 58 vom 27. Februar 1946, S. 1518.

( 8 ) Nach Auffassung der Kommission betrifft Frage 1 die Befugnisse der nationalen Gerichte im Hinblick auf missbräuchliche Klauseln in Verträgen über Hypothekendarlehen, während die Fragen 2 und 3 diesen Punkt indirekt auch betreffen, jedoch hier der Bezug die Zweite Übergangsbestimmung des Gesetzes 1/2013 ist. Die Kommission schlägt dementsprechend vor, die Fragen 2 und 3 zusammen abzuhandeln. Die spanische Regierung vertritt hingegen die Auffassung, dass die Fragen 1 und 2 beide die Vereinbarkeit der Änderung von Art. 114 des Hypothekengesetzes mit der Richtlinie 93/13 beträfen, während Frage 3 einen möglichen Verstoß der Zweiten Übergangsbestimmung des Gesetzes 1/2013 gegen den Grundsatz der Äquivalenz und den Grundsatz der Effektivität betreffe. Die spanische Regierung schlägt daher vor, eine gemeinsame Antwort auf die Fragen 1 und 2 zu formulieren. Beide Banken sind der Auffassung, dass sich alle drei Fragen ähneln. Während die Unicaja Banco jedoch auf jede Frage eine eigene Antwort gibt, schlägt die Caixabank vor, nur eine einzige Antwort zu geben.

( 9 ) C‑618/10, EU:C:2012:349.

( 10 ) C‑488/11, EU:C:2013:341.

( 11 ) C‑26/13, EU:C:2014:282.

( 12 ) Vgl. Urteil Asbeek Brusse und de Man Garabito (EU:C:2013:341, Rn. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 13 ) Urteil Asbeek Brusse und de Man Garabito (EU:C:2013:341, Rn. 59).

( 14 ) EU:C:2014:282, Rn. 80 bis 85 und Nr. 3 des Tenors.

( 15 ) Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 93/13 bestimmt: „Vertragsklauseln, die auf bindenden Rechtsvorschriften … beruhen, … unterliegen nicht den Bestimmungen dieser Richtlinie.“

( 16 ) Vgl. C‑169/14, EU:C:2014:2110, Rn. 22 bis 28.

( 17 ) C‑280/13, EU:C:2014:279, Rn. 40 und 42. Vgl. auch hierzu Beschluss vom 8. November 2012, SKP (C‑433/11, EU:C:2012:702, Rn. 32 bis 34), und Urteil vom 10. September 2014, Kušionová (C‑34/13, EU:C:2014:2189, Rn. 76 bis 80).

( 18 ) Vgl. u. a. Urteil KGH Belgium (C‑351/11, EU:C:2012:699, Rn. 17 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 19 ) Vgl. hierzu meine Schlussanträge in der Rechtssache Kásler und Káslerné Rábai (C‑26/13, EU:C:2014:85, Rn. 58 bis 61).

( 20 ) In der mündlichen Verhandlung bezeichnete die spanische Regierung dies als „kollaterale“ oder „sekundäre“ Rechtswirkung dieser Bestimmungen; die Banken (etwas überraschend) deuteten diese Auffassung ebenfalls an.

( 21 ) Beschluss vom 3. April 2014, Sebestyén (C‑342/13, EU:C:2014:1857, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 22 ) Der Anhang der Richtlinie 93/13 enthält eine beispielhafte und nicht erschöpfende Liste der Klauseln, die für missbräuchlich erklärt werden können (ebd., Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 23 ) Vgl. hierzu Urteile Freiburger Kommunalbauten (C‑237/02, EU:C:2004:209, Rn. 22 und 25) und Kušionová (EU:C:2014:2189, Rn. 73).

( 24 ) In der mündlichen Verhandlung hat die spanische Regierung erklärt, dass während des Verfahrens vor dem Gerichtshof der Wortlaut von Art. 83 des Königlichen Decreto Legislativo 1/2007 vom 16. November 2007 zur Genehmigung der Neufassung des Allgemeinen Gesetzes zum Schutz der Verbraucher und Benutzer mit Nebengesetzen (Real Decreto Legislativo 1/2007 por el que se aprueba el texto refundido de la Ley General para la Defensa de los Consumidores y Usuarios y otras leyes complementarias; BOE Nr. 287 vom 30. November 2007, S. 49181) – an dem sich möglicherweise der Streit entzündet hat, ob das Gericht nach spanischem Recht befugt ist, eine als missbräuchlich festgestellte Klausel anzupassen – durch das Gesetz 3/2014 vom 27. März 2014 (BOE Nr. 76 vom 28. März 2014) geändert worden ist. Diese Bestimmung lautet nunmehr: „Missbräuchliche Klauseln sind nichtig und gelten als nicht vereinbart. Zu diesem Zweck erklärt das Gericht nach Anhörung der Parteien missbräuchliche Klauseln im Vertrag für unwirksam; die Parteien sind jedoch weiterhin an den Vertrag in seinem ursprünglichen Wortlaut gebunden, wenn er ohne diese Klauseln fortbestehen kann.“

( 25 ) Vgl. hierzu Urteil Dominguez (C‑282/10, EU:C:2012:33, Rn. 31). Vgl. auch Urteil Jőrös (C‑397/11, EU:C:2013:340, Rn. 52) und Urteil des EFTA-Gerichtshofs vom 28. August 2014, Engilbertsson (E‑25/13, Rn. 163).

( 26 ) Vgl. hierzu Urteil Pereničová und Perenič (C‑453/10, EU:C:2012:144, Rn. 34 und 35).

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