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Document 62012CN0335

Rechtssache C-335/12: Klage, eingereicht am 13. Juli 2012 — Europäische Kommission/Portugiesische Republik

ABl. C 303 vom 6.10.2012, p. 14–16 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

6.10.2012   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 303/14


Klage, eingereicht am 13. Juli 2012 — Europäische Kommission/Portugiesische Republik

(Rechtssache C-335/12)

2012/C 303/27

Verfahrenssprache: Portugiesisch

Parteien

Klägerin: Europäische Kommission (Prozessbevollmächtigter: A. Caeiros)

Beklagte: Portugiesische Republik

Anträge

Die Kommission beantragt,

festzustellen, dass die Portugiesische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 10 EG, Art. 254 der Beitrittsakte (1), Art. 7 des Beschlusses 85/257/EWG, Euratom (2), Art. 4, 7 und 8 der Verordnung (EWG) Nr. 579/86 (3), Art. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1697/79 (4) sowie Art. 2, 11 und 17 der Verordnung (EWG, Euratom) Nr. 1552/89 (5) verstoßen hat, dass die portugiesischen Behörden es abgelehnt haben, einen Betrag in Höhe von 785 078,50 Euro für Abgaben auf nach dem Beitritt Portugals zur Europäischen Gemeinschaft nicht ausgeführte überschüssige Zuckerbestände zur Verfügung zu stellen;

der Portugiesischen Republik die Kosten aufzuerlegen.

Klagegründe und wesentliche Argumente

Die Kommission macht geltend, den Angaben der portugiesischen Behörden zufolge habe die Firma William Hinton & Sons für die in ihrem Besitz befindlichen überschüssigen Zuckerbestände keine Ausfuhrbelege vorgelegt. Am 3. Dezember 1990 hätten diese Behörden dem genannten Unternehmen mitgeteilt, dass es einen zusätzlichen Betrag in Höhe von 785 078,50 Euro zu zahlen habe. Das Unternehmen habe gegen diesen Bescheid beim Supremo Tribunal Administrativo (STA) Klage erhoben, der dem Gerichtshof mehrere Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt habe. Der Gerichtshof habe am 11. Oktober 2001 in der Rechtssache C-30/00 (6), William Hinton & Sons, einen Beschluss erlassen, in dem er festgestellt habe, „[d]iese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen der Firma William Hinton & Sons Lda … und der Fazenda Pública wegen der Nacherhebung von Abgaben auf den überschüssigen Zuckerbestand im Besitz der [William Hinton & Sons Lda]“. Am 8. Mai 2002 habe das STA den Bescheid über die Erhebung des zusätzlichen Betrages mit der Begründung aufgehoben, der genannte Abgabenbetrag sei zu einem Zeitpunkt geltend gemacht worden, als dies Forderung bereits verjährt gewesen sei.

Aus der in der Folge ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs, d. h. aus den Urteilen vom 7. Dezember 2004, Koninklijke Coöperatie Cosun/Kommission (T-240/02, Slg. 2004, II-4237), und vom 26. Oktober 2006, Koninklijke Coöperatie Cosun/Kommission (C-68/05 P, Slg. 2006, I-10367), sei zu schließen, dass der genannte Betrag in Höhe von 785 078,50 Euro nicht mehr wie in dem Beschluss des Gerichtshofs in der Rechtssache C-30/00 als „Abschöpfung“ eingestuft werden könne, sondern weiterhin als „Eigenmittel“ der Gemeinschaften angesehen werden könne.

Diese Rechtsprechung betreffe zwar die Erhebung eines Betrages nach Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2670/81 (7) wegen der Nichtausfuhr einer bestimmten Menge C-Zucker aus der Gemeinschaft, doch sei der Tatbestand für die Erhebung dieses Betrages im Wesentlichen der gleiche wie der nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 579/86, um den es in der vorliegenden Rechtssache gehe. Nach dieser Vorschrift werde auf die Zuckermengen, die den Übertragbestand überstiegen und aus der Gemeinschaft nicht ausgeführt worden seien, ein Betrag erhoben, weil diese Mengen gemäß Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 579/86 als auf dem Binnenmarkt der Gemeinschaft abgesetzt gälten.

Nach Art. 2 des Beschlusses 85/257 gehörten zu den Eigenmitteln der Gemeinschaft die Einnahmen aus Abgaben, die im Rahmen der gemeinsamen Marktorganisation (GMO) für Zucker vorgesehen seien.

Aus Art. 254 der Beitrittsakte folge, dass der genannte Betrag unter die GMO für Zucker falle. Diese Vorschrift sehe vor, dass die Warenbestände, die die Portugiesische Republik auf ihre Kosten abbauen müsse, diejenigen seien, die einen als normal anzusehenden Übertragbestand überstiegen, und dass der „Begriff ‚normaler Übertragbestand‘ … für jedes Erzeugnis nach den Kriterien und Zielen der jeweiligen gemeinsamen Marktorganisation definiert [werde]“, d. h. im Fall von Zucker sei der „Begriff normaler Übertragbestand“ nach den Kriterien und Zielen der GMO für Zucker zu definieren. Die gemeinschaftliche Regelung für den Abbau der Zuckerbestände falle somit unter die GMO für Zucker.

Die Verordnung (EWG) Nr. 3771/85 (8) lege, gestützt auf Art. 258 Abs. 3 der Beitrittsakte, „die allgemeinen Regeln für die Anwendung von Artikel 254 der Beitrittsakte fest“, definiere den Begriff der „als im portugiesischen Hoheitsgebiet im zollrechtlich freien Verkehr befindlich geltenden Waren“, weise darauf hin, dass [für die Verordnung] „Durchführungsbestimmungen“„nach dem Verfahren … bzw. den entsprechenden Artikeln der anderen Verordnungen über die gemeinsamen Marktorganisationen [erlassen würden]“, und sehe vor, dass „die Durchführungsbestimmungen … insbesondere … die Einzelheiten für den Absatz der Überschusserzeugnisse [umfassten]“ und dass diese Durchführungsbestimmungen, „falls ein Beteiligter die Bedingungen für den Absatz der Überschusserzeugnisse nicht einh[alte,] die Erhebung einer Abgabe [vorsehen könnten]“.

Die Kommission habe die Verordnung Nr. 579/86 mit den Einzelheiten für die am 1. März 1986 in Portugal befindlichen Bestände an Erzeugnissen des Zuckersektors auf der Grundlage der Verordnung Nr. 3771/85 und der Verordnung Nr. 1785/81 über die gemeinsame Marktorganisation für Zucker erlassen. Aus der Tatsache, dass die Verordnung über die gemeinsame Marktorganisation für Zucker eine der Rechtsgrundlagen der Verordnung Nr. 579/86 sei, folge, dass die in der letztgenannten Verordnung festgelegten Durchführungsbestimmungen — und insofern der genannte Betrag — unter die GMO für Zucker fielen.

Der fragliche Betrag in Höhe von 785 078,50 Euro könne als „eigene Mittel“ der Gemeinschaften im Sinne von Art. 2 erster Absatz Buchst. a des Beschlusses 85/257 eingestuft werden, weil es sich um eine Einnahme aus „[anderen] Abgaben, die im Rahmen der gemeinsamen Marktorganisation für Zucker vorgesehen [seien]“, handele, die sich aus der Sonderregelung ergebe, die für die Portugiesische Republik zum Zeitpunkt ihres Beitritts eingeführt worden sei. Dieser Betrag hätte von den portugiesischen Behörden gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 579/86 erhoben werden müssen.

Die Verordnung Nr. 3771/85 weise in ihrem Art. 1 darauf hin, dass mit ihr „die allgemeinen Regeln für die Anwendung von Art. 254 der Beitrittsakte festgelegt werden“, und bestimme in ihrem Art. 3 Abs. 1 Buchst. b zweiter Gedankenstrich, dass „Waren … als im portugiesischen Hoheitsgebiet im zollrechtlich freien Verkehr befindlich gelten …, die nach Portugal eingeführt werden und für die in Portugal die Einfuhrförmlichkeiten erfüllt sowie die vorgeschriebenen Zölle und Abgaben gleicher Wirkung erhoben und nicht ganz oder teilweise rückvergütet worden sind“. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 3771/85 betreffe alle „Waren, die … nach Portugal eingeführt werden“, unter Einschluss also von Waren aus anderen Mitgliedstaaten.

Der Zucker aus Dänemark hätte daher bei der Berechnung der am 1. März 1986 im portugiesischen Hoheitsgebiet im zollrechtlich freien Verkehr befindlichen Zuckerbestände berücksichtigt werden können und müssen. Die portugiesischen Behörden seien der Auffassung, dass die gemäß der „Einfuhranmeldung Nr. 246“ eingeführte Zuckermenge (796 821 kg), selbst wenn Dänemark unter den vorliegenden Umständen als Drittland anzusehen wäre, bei der Berechnung dieser Bestände nicht berücksichtigt werden dürfte, weil sich der fragliche Zucker ihrer Ansicht nach am 1. März 1986 nicht im freien Verkehr befunden habe.

Die Kommission teile diese nicht, weil das Tribunal Tributário de Segunda Instância mit Urteil vom 26. März 1996 darauf hingewiesen habe, dass dieser Zucker den Tatsachenfeststellungen zufolge am 27. Februar 1986 zollrechtlich abgefertigt sowie zum freien Verkehr und zum Verbrauch freigegeben worden sei.

Weder der Beschluss 85/257 noch die Beschlüsse, durch die letzterer in der Folge ersetzt worden sei, noch die Verordnung Nr. 1552/89 über die Bedingungen, unter denen die „Eigenmittel“ der Kommission zur Verfügung gestellt würden, setzten für die Zurverfügungstellung dieser Mittel voraus, dass sie im Gemeinschaftshaushalt vorgesehen seien. Die Art. 371 und 372 der Beitrittsakte hätten zum Ziel, die Anwendung des Beschlusses 85/257 der spezifischen Situation anzupassen, die sich aus dem Beitritt Portugals ergebe, und stünden der Einstufung der Einnahmen, die sich aus der Erhebung des nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 579/86 vorgesehenen Betrags ergäben — hier also des Betrages in Höhe von 785 078,50 Euro — als Eigenmittel nicht entgegen.

Die Einstufung eines Betrags als Eigenmittel der Gemeinschaften ergebe sich aus dem Gemeinschaftsrecht, insbesondere aus dem Beschluss 85/257; die Einstufung durch die Mitgliedstaaten sei unerheblich.

Nach der Rechtsprechung sei der Nachweis nicht erforderlich, dass der Verlust von Eigenmitteln durch den Fehler der einen oder anderen Stelle der nationalen Behörde verursacht worden sei. Es genüge die Feststellung, dass der Schuldner gemäß der rechtskräftigen Entscheidung des STA nicht zur Zahlung der Abgaben verpflichtet sei und dass dieser Umstand mit dem verspäteten Tätigwerden der portugiesischen Behörden im Jahr 1990 unmittelbar zusammenhänge. Der Gerichtshof habe diese Auffassung der Kommission in seinem Urteil vom 15. November 2005, Kommission/Dänemark (C-392/02, Slg. 2005, I-9811), bestätigt.

Das Urteil des STA vom 8. Mai 2002 bestätige, dass die Auffassung der Kommission rechtlich zutreffend sei, d. h. dass dem Schuldner die Höhe der Schuld nicht rechtzeitig, d. h. innerhalb von drei Jahren, mitgeteilt worden sei, die Nacherhebung daher nicht möglich gewesen sei und die Eigenmittel der Kommission somit nicht hätten zur Verfügung gestellt werden können.


(1)  Akte über die Bedingungen des Beitritts des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik und die Anpassungen der Verträge (ABl. 1985, L 302, S. 23).

(2)  Beschluss 85/257/EWG, Euratom des Rates vom 7. Mai 1985 über das System der eigenen Mittel der Gemeinschaften (ABl. L 128, S. 15).

(3)  Verordnung (EWG) Nr. 579/86 der Kommission vom 28. Februar 1986 mit den Einzelheiten für die am 1. März 1986 in Spanien und Portugal befindlichen Bestände an Erzeugnissen des Zuckersektors (ABl. L 57, S. 21).

(4)  Verordnung (EWG) Nr. 1697/79 des Rates vom 24. Juli 1979 betreffend die Nacherhebung von noch nicht vom Abgabenschuldner angeforderten Eingangs- oder Ausfuhrabgaben für Waren, die zu einem Zollverfahren angemeldet worden sind, das die Verpflichtung zur Zahlung derartiger Abgaben beinhaltet (ABl. L 197, S. 1).

(5)  Verordnung (EWG, Euratom) Nr. 1552/89 des Rates vom 29. Mai 1989 zur Durchführung des Beschlusses 88/376/EWG, Euratom über das System der Eigenmittel der Gemeinschaften (ABl. L 155, S. 1).

(6)  Slg. 2001, I-7511.

(7)  Verordnung (EWG) Nr. 2670/81 der Kommission vom 14. September 1981 mit Durchführungsvorschriften für die Erzeugung außerhalb von Quoten im Zuckersektor (ABl. L 262, S. 14).

(8)  Verordnung (EWG) Nr. 3771/85 des Rates vom 20. Dezember 1985 über die in Portugal befindlichen Bestände an landwirtschaftlichen Erzeugnissen (ABl. L 362, S. 21).


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