Choose the experimental features you want to try

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 62012CJ0437

    Urteil des Gerichtshofs (Achte Kammer) vom 19. Dezember 2013.
    X gegen Voorzitter van het managementteam van het onderdeel Belastingdienst/Z van de rijksbelastingdienst.
    Vorabentscheidungsersuchen des Gerechtshof ’s-Hertogenbosch.
    Inländische Abgaben – Art. 110 AEUV – Zulassungssteuer – Gleichartige inländische Waren – Steuerliche Neutralität zwischen eingeführten Gebrauchtfahrzeugen und gleichartigen Fahrzeugen, die sich bereits auf dem inländischen Markt befinden.
    Rechtssache C‑437/12.

    Court reports – general

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:2013:857

    URTEIL DES GERICHTSHOFS (Achte Kammer)

    19. Dezember 2013 ( *1 )

    „Inländische Abgaben — Art. 110 AEUV — Zulassungssteuer — Gleichartige inländische Waren — Steuerliche Neutralität zwischen eingeführten Gebrauchtfahrzeugen und gleichartigen Fahrzeugen, die sich bereits auf dem inländischen Markt befinden“

    In der Rechtssache C‑437/12

    betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Gerechtshof ’s-Hertogenbosch (Niederlande) mit Entscheidung vom 27. September 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 1. Oktober 2012, in dem Verfahren

    X

    erlässt

    DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)

    unter Mitwirkung des Präsidenten der Achten Kammer C. G. Fernlund (Berichterstatter) in Wahrnehmung der Aufgaben des Kammerpräsidenten sowie der Richter A. Ó Caoimh und E. Jarašiūnas,

    Generalanwalt: M. Wathelet,

    Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

    aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 19. September 2013,

    unter Berücksichtigung der Erklärungen

    von X, vertreten durch M. de Jong, advocaat,

    der niederländischen Regierung, vertreten durch C. Schillemans, C. Wissels und M. Noort als Bevollmächtigte,

    der finnischen Regierung, vertreten durch J. Heliskoski als Bevollmächtigten,

    der Europäischen Kommission, vertreten durch C. Barslev, R. Troosters und R. Lyal als Bevollmächtigte,

    aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

    folgendes

    Urteil

    1

    Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 110 AEUV.

    2

    Es ergeht im Rahmen eines von der juristischen Person X angestrengten Rechtsstreits über die Belasting personenauto’s en motorrijwielen (Steuer auf Personenkraftwagen und Motorräder, im Folgenden: BPM), die sie bei der Zulassung eines aus einem anderen Mitgliedstaat stammenden Kraftfahrzeugs in den Niederlanden entrichten musste.

    Rechtlicher Rahmen

    3

    Art. 1 der Wet op de belasting personenauto’s en motorrijwielen 1992 (Gesetz über die Steuer auf Personenkraftwagen und Motorräder von 1992, im Folgenden: BPM-Gesetz) in der auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung bestimmt:

    „(1)   Unter der Bezeichnung ‚[BPM]‘ wird eine Steuer auf Personenkraftwagen, Motorräder und Lieferwagen erhoben.

    (2)   Die Steuer wird bei der Registrierung eines Personenkraftwagens, eines Motorrads oder eines Lieferwagens in dem aufgrund der Wegenverkeerswet 1994 (Straßenverkehrsgesetz von 1994) geführten Register der ausgegebenen Kennzeichen geschuldet.

    …“

    4

    In den Jahren 2006 bis 2009 wurde die BPM gemäß Art. 9 des BPM-Gesetzes – vorbehaltlich der in dieser Bestimmung vorgesehenen Zu- und Abschläge – anhand eines bestimmten Prozentsatzes des „Nettokatalogpreises“ des betreffenden Fahrzeugs berechnet.

    5

    Zum Nettokatalogpreis heißt es in Art. 9 Abs. 3 und 6 des BPM-Gesetzes:

    „(3)   Als Nettokatalogpreis gilt der Katalogpreis abzüglich der darin enthaltenen Umsatzsteuer.

    (6)   Bei einem gebrauchten Personenkraftwagen … gilt der Katalogpreis zum Zeitpunkt der erstmaligen Ingebrauchnahme des Personenkraftwagens. …“

    6

    Seit dem 1. Februar 2008 hat sich die Bemessungsgrundlage der BPM geändert. Sie wird nicht mehr allein anhand des Nettokatalogpreises berechnet, sondern umfasst auch einen Betrag, der vom Ausstoß an Kohlendioxid (im Folgenden: CO2), gemessen gemäß der Richtlinie 80/1268/EWG des Rates vom 16. Dezember 1980 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Kraftstoffverbrauch von Kraftfahrzeugen (ABl. L 375, S. 36), abhängig ist. Daher verringerte sich der auf den Nettokatalogpreis bezogene Anteil an der Bemessungsgrundlage der BPM schrittweise zugunsten des auf den CO2-Ausstoß bezogenen Anteils.

    7

    In den Jahren 2006 bis 2009 wurden folgende Prozentsätze des Nettokatalogpreises bei der Bemessungsgrundlage berücksichtigt:

    von 2006 bis zum 31. Januar 2008: 45,2 %;

    ab 1. Februar 2008: 42,3 % und

    im Jahr 2009: 40 %.

    8

    In der Zeit zwischen dem 1. Februar 2008 und dem 31. Dezember 2009 wurden aufgrund von Übergangsvorschriften während dieser Zeit eingeführte und zugelassene Gebrauchtfahrzeuge, die vor dem 1. Februar 2008 erstmals in Gebrauch genommen worden waren, nicht der vom CO2-Ausstoß abhängigen BPM-Steuer unterworfen.

    9

    Mit Wirkung vom 1. Januar 2010 gilt die sowohl vom Nettokatalogpreis als auch vom CO2-Ausstoß abhängige BPM für die Zulassung aller Fahrzeuge, einschließlich der vor dem 1. Februar 2008 erstmals in Gebrauch genommenen.

    10

    Hinsichtlich des Betrags der BPM für Gebrauchtfahrzeuge bestimmt Art. 10 des BPM-Gesetzes:

    „(1)   … wird der Steuerbetrag … für den Personenkraftwagen … unter Berücksichtigung einer Ermäßigung berechnet.

    (2)   Als Ermäßigung im Sinne von Abs. 1 gilt die Abschreibung, ausgedrückt in Hundertteilen des Einkaufswerts in den Niederlanden zum Zeitpunkt der erstmaligen Ingebrauchnahme des Kraftfahrzeugs. …

    …“

    11

    Das BPM-Gesetz räumt den Steuerpflichtigen die Möglichkeit ein, für eine verringerte BPM zu optieren, falls der BPM-Betrag, der bei der erstmaligen Ingebrauchnahme des Fahrzeugs als Neuwagen in den Niederlanden aufgrund der zu diesem Zeitpunkt geltenden Rechtsvorschriften über die Besteuerungsgrundlage und den Steuersatz zu entrichten gewesen wäre, niedriger ist als der für das Jahr 2010 berechnete.

    Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen

    12

    Am 11. Januar 2010 wies X in einer im Hinblick auf die Zulassung eines Personenkraftwagens in den Niederlanden abgegebenen Erklärung über die BPM einen Betrag von 5776 Euro aus und führte diesen Betrag ab. Das Fahrzeug war am 30. Mai 2006 in Deutschland erstmals zum Verkehr zugelassen worden und trug daher ein amtliches deutsches Kennzeichen.

    13

    In Bezug auf den geschuldeten und abgeführten BPM-Betrag legte X Einspruch ein. Nachdem der Voorzitter van het managementteam van het onderdeel Belastingdienst/Z van de rijksbelastingdienst diesen Einspruch zurückgewiesen hatte, erhob X Klage bei der Rechtbank Breda. Die Rechtbank gab der Klage teilweise statt und gewährte eine BPM-Erstattung in Höhe von 1233 Euro.

    14

    Gegen die Entscheidung der Rechtbank Breda legte X Rechtsmittel zum Gerechtshof ’s‑Hertogenbosch ein. Sie ist der Meinung, dass bei der Berechnung des Betrags der geschuldeten BPM vom Betrag der Steuer auszugehen sei, die noch auf den zwischen dem 1. Februar 2008 und dem 31. Dezember 2009 zugelassenen gleichartigen Gebrauchtwagen laste und zu deren Bemessungsgrundlage der auf den CO2-Ausstoß bezogene Anteil nicht gehöre. Sie beantragt daher die Erstattung der abgeführten BPM in Höhe von 2809 Euro.

    15

    Die BPM verstoße gegen das Unionsrecht. Ihr Betrag sei höher als der, der noch auf gleichartigen Gebrauchtwagen laste, die vor dem 1. Februar 2008 erstmals in Gebrauch genommen und – anders als das in Rede stehende Fahrzeug – in der Zeit zwischen dem 1. Februar 2008 und dem31. Dezember 2009 eingeführt und zugelassen worden seien. Die nach dieser Zeit eingeführten Gebrauchtfahrzeuge würden somit höher besteuert als die während dieser Zeit zugelassenen vergleichbaren Fahrzeuge.

    16

    Nach Ansicht des Voorzitters van het managementteam van het onderdeel Belastingdienst/Z van de rijksbelastingdienst ist bei der Berechnung des Betrags der geschuldeten BPM-Steuer vom Betrag der Steuer auszugehen, die noch auf gleichartigen Fahrzeugen laste, die, wie das in Rede stehende Fahrzeug, 2006 erstmals in Gebrauch genommen und in jenem Jahr als Neufahrzeug in den Niederlanden zugelassen worden seien.

    17

    Das vorlegende Gericht hegt Zweifel an der Vereinbarkeit der BPM mit Art. 110 AEUV. Es möchte wissen, ob die Erhebung dieser Steuer bei der Registrierung des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Fahrzeugs im Register der ausgegebenen Kennzeichen insoweit zu unterbleiben hat, als diese Steuer vom CO2-Ausstoß abhängt. Es fragt ferner danach, ob der bei der Zulassung dieses Fahrzeugs im Jahr 2010 geforderte BPM-Betrag mit dem Restwert der Steuer zu vergleichen ist, die im Jahr 2010 noch auf gleichartigen Fahrzeugen lastet, die im Jahr 2006 als Neufahrzeug in die Niederlande eingeführt und dort zugelassen worden sind, oder auch mit dem Restwert dieser Steuer, der im Jahr 2010 auf Fahrzeugen lastet, die, wie das in Rede stehende Fahrzeug, 2006 erstmals in Gebrauch genommen und später in der Zeit zwischen dem 1. Februar 2008 und dem 31. Dezember 2009 als Gebrauchtwagen eingeführt und zugelassen worden sind.

    18

    Unter diesen Umständen hat der Gerechtshof ’s-Hertogenbosch beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

    1.

    Muss man bei der Beurteilung der im Rahmen von Art. 110 AEUV zu beantwortenden Frage, ob der Betrag der Steuer auf die Zulassung des in Rede stehenden Personenkraftwagens für 2010 den Restwert der Steuer (nicht) übersteigt, der noch im Wert im Inland bereits zugelassener gleichartiger gebrauchter Personenkraftwagen enthalten ist, für die Bestimmung dieses Restwerts als gleichartig ansehen

    einen vergleichbaren Personenkraftwagen, der im Jahr der erstmaligen Ingebrauchnahme des in Rede stehenden Personenkraftwagens (2006) als Neuwagen zugelassen worden ist, oder

    darüber hinaus auch die (anderen) Personenkraftwagen, die 2010 auf dem Gebrauchtwagenmarkt verfügbar sind und die, wie der in Rede stehende Personenkraftwagen, am 30. Mai 2006 erstmals in Gebrauch genommen worden und im Übrigen vergleichbar sind, die aber nach dem 30. Mai 2006 (zwischen dem 30. Mai 2006 und 2009) als gebrauchte Personenkraftwagen (eingeführt und) zugelassen worden sind, und/oder

    darüber hinaus auch die (anderen) Personenkraftwagen, die 2010 auf dem Gebrauchtwagenmarkt verfügbar sind und die, anders als der in Rede stehende Personenkraftwagen, nach dem 30. Mai 2006 erstmals in Gebrauch genommen worden, im Übrigen aber vergleichbar sind, und die nach dem 30. Mai 2006 (zwischen dem 30. Mai 2006 und 2009) als Neu- oder Gebrauchtwagen (eingeführt und) zugelassen worden sind?

    2.

    Gilt bei der Beurteilung der Frage, ob Art. 110 AEUV der Erhebung von BPM auf die Zulassung des Personenkraftwagens im Jahr 2010 entgegensteht, soweit diese Steuer vom CO2-Ausstoß abhängt, dieser Teil der Steuer als neue Steuer, die von der bis zum 1. Februar 2008 allein vom Katalogpreis abhängigen BPM zu unterscheiden ist, so dass, soweit die Steuer vom CO2-Ausstoß abhängt, ein Vergleich mit (gleichartigen) gebrauchten Personenkraftwagen, die vor dem 1. Januar 2010 zugelassen worden sind, irrelevant ist?

    3.

    Sollte es sich nicht um eine neue Steuer im Sinne von Frage 2 handeln: Steht der Erhebung von BPM auf die Zulassung des Personenkraftwagens im Jahr 2010, soweit diese Steuer vom CO2-Ausstoß abhängt, gemäß Art. 110 AEUV entgegen, dass auf mit dem in Rede stehenden Personenkraftwagen vergleichbare Personenkraftwagen, die vor dem 1. Februar 2008 erstmals in Gebrauch genommen und in der Zeit zwischen dem 1. Februar 2008 und dem 31. Dezember 2009 als Gebrauchtwagen eingeführt und zugelassen worden sind, eine vom CO2-Ausstoß abhängige Steuer nicht erhoben worden ist, während diese vom CO2-Ausstoß abhängige Steuer im vorerwähnten Zeitraum bei der Zulassung von Personenkraftwagen, die nach dem 1. Februar 2008 erstmals in Gebrauch genommen worden, im Übrigen aber mit dem in Rede stehenden Personenkraftwagen vergleichbar sind, sehr wohl erhoben worden ist?

    Zu den Vorlagefragen

    19

    Mit seinen Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht zum einen wissen, welche gleichartigen inländischen Waren bei der Anwendung von Art. 110 AEUV mit einem Gebrauchtwagen, der vor dem 1. Februar 2008 erstmals in Gebrauch genommen und im Jahr 2010 in die Niederlande eingeführt und dort zugelassen worden ist, vergleichbar sind, und zum anderen, ob Art. 110 AEUV dahin auszulegen ist, dass er einer Steuer wie der im Jahr 2010 geltenden BPM entgegensteht.

    Gleichartige inländische Waren

    20

    Eine Steuer, die von einem Mitgliedstaat bei der Zulassung von Kraftfahrzeugen zum Zweck ihrer Inbetriebnahme erhoben wird, stellt eine inländische Abgabe dar und ist daher anhand von Art. 110 AEUV zu prüfen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. April 2011, Tatu, C-402/09, Slg. 2011, I-2711, Randnr. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    21

    Nach Art. 110 Abs. 1 AEUV ist es jedem Mitgliedstaat untersagt, auf Waren aus anderen Mitgliedstaaten inländische Abgaben zu erheben, die höher sind als bei gleichartigen inländischen Waren.

    22

    Bei den auf dem Markt eines Mitgliedstaats befindlichen Kraftfahrzeugen handelt es sich um „inländische Waren“ dieses Mitgliedstaats im Sinne von Art. 110 AEUV (vgl. Urteil Tatu, Randnr. 55).

    23

    Werden diese Waren auf dem Gebrauchtwagenmarkt dieses Mitgliedstaats zum Verkauf angeboten, sind sie als eingeführten Gebrauchtwagen „gleichartige Waren“ anzusehen, wenn sie aufgrund ihrer Eigenschaften und der Bedürfnisse, denen sie dienen, miteinander im Wettbewerb stehen. Der Grad des Wettbewerbs zwischen zwei Fahrzeugmodellen hängt davon ab, inwieweit sie verschiedenen Vorstellungen, insbesondere über Preis, Größe, Komfort, Leistung, Kraftstoffverbrauch, Haltbarkeit und Zuverlässigkeit entsprechen. Als Vergleichsfahrzeug kommt nur ein Fahrzeug in Betracht, dessen Merkmale denen des eingeführten Fahrzeugs möglichst nahekommen. Dies bedeutet, dass das Modell, der Typ und andere Merkmale wie Antriebsart oder Ausstattung, Alter sowie Kilometerstand, allgemeiner Zustand oder Fabrikat Berücksichtigung finden müssen (vgl. u. a. Urteile vom 19. September 2002, Tulliasiamies und Siilin, C-101/00, Slg. 2002, I-7487, Randnrn. 75 und 76, sowie vom 20. September 2007, Kommission/Griechenland, C-74/06, Slg. 2007, I-7585, Randnrn. 29 und 37).

    24

    Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die in der vorstehenden Randnummer genannten Kriterien weder abschließend noch bindend aufgeführt sind. Ganz offensichtlich kann das Vergleichsfahrzeug je nach den Merkmalen des eingeführten Fahrzeugs unterschiedlich sein. Zwei zum gleichen Zeitpunkt erstmals in Gebrauch genommene Fahrzeuge sind, beispielsweise aufgrund unterschiedlichen Verschleißes, nicht zwangsläufig gleichartig. Es ist Sache des nationalen Gerichts, unter Berücksichtigung von Merkmalen wie den in der vorstehenden Randnummer genannten zu bestimmen, welche inländischen Waren Merkmale aufweisen, die denen des fraglichen eingeführten Fahrzeugs möglichst nahekommen.

    25

    Folglich handelt es sich bei den gleichartigen inländischen Waren, die mit einem Gebrauchtwagen wie dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, der vor dem 1. Februar 2008 erstmals in Gebrauch genommen und im Jahr 2010 in die Niederlande eingeführt und dort zugelassen worden ist, vergleichbar sind, um die bereits auf dem niederländischen Markt befindlichen Fahrzeuge, deren Merkmale denen des fraglichen Fahrzeugs möglichst nahekommen.

    Vereinbarkeit der BPM mit Art. 110 AEUV

    26

    Das Ziel von Art. 110 AEUV besteht darin, den freien Warenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten unter normalen Wettbewerbsbedingungen zu gewährleisten. Er soll jede Form des Schutzes beseitigen, die aus einer inländischen Abgabe folgen könnte, die Waren aus anderen Mitgliedstaaten diskriminiert (Urteil Tatu, Randnr. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    27

    Zu diesem Zweck ist es, wie in Randnr. 21 des vorliegenden Urteils ausgeführt worden ist, nach Art. 110 Abs. 1 AEUV jedem Mitgliedstaat untersagt, auf Waren aus anderen Mitgliedstaaten inländische Abgaben zu erheben, die höher sind als bei gleichartigen inländischen Waren.

    28

    Nach ständiger Rechtsprechung kann ein Steuersystem nur dann als mit Art. 110 AEUV vereinbar angesehen werden, wenn feststeht, dass seine Ausgestaltung es unter allen Umständen ausschließt, dass eingeführte Waren höher besteuert werden als einheimische Waren, und dass es daher auf keinen Fall diskriminierende Wirkungen hat (Urteil vom 19. März 2009, Kommission/Finnland, C‑10/08, Randnr. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    29

    Für den Bereich der Besteuerung von Kraftfahrzeugen hat der Gerichtshof daher bereits entschieden, dass diese Bestimmung die vollkommene Wettbewerbsneutralität der inländischen Abgaben für bereits auf dem inländischen Markt befindliche und für eingeführte Waren gewährleisten soll (Urteile vom 11. Dezember 1990, Kommission/Dänemark, C-47/88, Slg. 1990, I-4509, Randnr. 9, und vom 29. April 2004, Weigel, C-387/01, Slg. 2004, I-4981, Randnr. 66).

    30

    Der Gerichtshof hat ferner ausgeführt, dass die in einem Mitgliedstaat entrichtete Zulassungssteuer Teil des Fahrzeugwerts wird. Wenn also ein in dem betreffenden Mitgliedstaat zugelassenes Fahrzeug anschließend in demselben Mitgliedstaat als Gebrauchtfahrzeug veräußert wird, entspricht dessen Marktwert, in dem der Restwert der Zulassungssteuer enthalten ist, einem durch die Wertminderung des Fahrzeugs bestimmten Prozentsatz seines ursprünglichen Werts (Urteil vom 5. Oktober 2006, Nádasdi und Németh, C-290/05 und C-333/05, Slg. 2006, I-10115, Randnr. 54).

    31

    Daher liegt ein Verstoß gegen Art. 110 AEUV vor, wenn der Betrag der Steuer, die auf ein aus einem anderen Mitgliedstaat stammendes Gebrauchtfahrzeug erhoben wird, den Restwert der Steuer übersteigt, der noch im Wert im Inland bereits zugelassener gleichartiger Gebrauchtfahrzeuge enthalten ist (Urteile vom 9. März 1995, Nunes Tadeu, C-345/93, Slg. 1995, I-479, Randnr. 20, vom 22. Februar 2001, Gomes Valente, C-393/98, Slg. 2001, I-1327, Randnr. 23, und Tulliasiamies und Siilin, Randnr. 55).

    32

    Überstiege der Betrag der Zulassungssteuer, die auf eingeführte Gebrauchtfahrzeuge erhoben wird, den Restwert der Steuer, der noch im Wert im Inland bereits zugelassener gleichartiger Gebrauchtfahrzeuge enthalten ist, bestünde nämlich die Gefahr, dass der Verkauf inländischer Gebrauchtwagen gefördert und damit die Einfuhr gleichartiger Gebrauchtwagen erschwert wird.

    33

    Art. 110 AEUV soll jedoch einen Mitgliedstaat nicht an der Einführung neuer Steuern oder der Änderung des Satzes oder der Bemessungsgrundlage bestehender Steuern hindern (Urteile Nádashi und Németh, Randnr. 49, und Tatu, Randnr. 50).

    34

    Allerdings ist die Befugnis der Mitgliedstaaten zur Ausgestaltung neuer Steuern oder zur Änderung des Satzes oder der Bemessungsgrundlage bereits bestehender Steuern nicht schrankenlos. Das in Art. 110 AEUV enthaltene Verbot greift immer dann ein, wenn eine abgabenrechtliche Maßnahme geeignet ist, die Einfuhr von Gütern aus anderen Mitgliedstaaten zugunsten inländischer Waren zu erschweren (vgl. in diesem Sinne Urteil Tatu, Randnr. 52 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    35

    Daher dürfen die Mitgliedstaaten keine neuen Steuern einführen oder an bestehenden Steuern keine Änderungen vornehmen, die das Ziel oder die Wirkung haben, den Verkauf eingeführter Waren zugunsten des Verkaufs gleichartiger, auf dem nationalen Markt verfügbarer Waren, die dort eingeführt wurden, bevor diese Steuern oder Änderungen Geltung erlangten, zu erschweren (vgl. in diesem Sinne Urteil Tatu, Randnr. 53).

    36

    Aus der dem Gerichtshof vorgelegten Akte ergibt sich, dass die BPM nur bei der erstmaligen Zulassung eines Fahrzeugs in den Niederlanden geschuldet und entrichtet wird. Die niederländischen Rechtsvorschriften wurden seit 2006 mehrfach geändert. Vor dem 1. Februar 2008 wurde diese Steuer ausschließlich anhand eines Prozentsatzes des Nettokatalogpreises berechnet. Seit diesem Zeitpunkt umfasst ihre Bemessungsgrundlage auch einen Betrag, der vom CO2-Ausstoß abhängt. Der auf den Nettokatalogpreis bezogene Anteil an dieser Bemessungsgrundlage verringerte sich daher schrittweise zugunsten des auf den CO2-Ausstoß bezogenen Anteils.

    37

    Wie die niederländische Regierung und die Kommission hervorgehoben haben, zeigt sich, dass der Entstehungstatbestand der BPM, nämlich die erstmalige Zulassung eines Fahrzeugs in den Niederlanden, trotz der Änderung der Methode zur Berechnung dieser Steuer, sowohl vor als auch nach dieser Änderung derselbe bleibt. Im vorliegenden Fall geht es daher um die gleiche Steuer wie zuvor.

    38

    Selbst unterstellt, es handelte sich um eine neue Abgabe, greift das von Art. 110 AEUV aufgestellte Verbot – wie in Randnr. 34 des vorliegenden Urteils ausgeführt worden ist – immer dann ein, wenn eine inländische Abgabe eines Mitgliedstaats geeignet ist, die Einfuhr von Gegenständen aus anderen Mitgliedstaaten zugunsten gleichartiger inländischer Waren zu erschweren.

    39

    Im Ausgangsverfahren sollen nach der dem Gerichtshof vorgelegten Akte nur vor dem 1. Februar 2008 erstmals in Gebrauch genommene, aber in der Zeit zwischen dem 1. Februar 2008 und dem 31. Dezember 2009 in die Niederlande eingeführte und dort zugelassene Gebrauchtfahrzeuge aufgrund einer Befreiung von dem vom CO2-Ausstoß abhängigen Anteil der BPM einer geringeren BPM unterworfen worden sein als gleichartige Gebrauchtfahrzeuge, die nach dem 1. Januar 2010 eingeführt und zugelassen worden sind.

    40

    In diesem Fall gäbe es auf dem Inlandsmarkt gleichartige, mit dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden vergleichbare Gebrauchtfahrzeuge, bei denen der Restwert der noch in ihrem Wert enthaltenen BPM niedriger ist als der auf dem fraglichen Fahrzeug lastende Betrag dieser Steuer.

    41

    Übersteigt der letztgenannte Betrag den geringsten im Wert gleichartiger im Inland bereits zugelassener Gebrauchtfahrzeuge noch enthaltenen Restwert, ist nicht erwiesen, dass das BPM-Gesetz so ausgestaltet ist, dass unter allen Umständen eine höhere Besteuerung eingeführter Waren gegenüber einheimischen Waren ausgeschlossen ist und es daher auf keinen Fall diskriminierende Wirkungen hat.

    42

    Solche diskriminierenden Wirkungen können nur vermieden werden, wenn die Möglichkeit besteht, für den geringsten im Wert gleichartiger im Inland bereits zugelassener Gebrauchtfahrzeuge noch enthaltenen Restwert der Zulassungssteuer zu optieren.

    43

    Es ist Sache des nationalen Gerichts, zu prüfen, ob der Betrag der BPM, der auf einem Gebrauchtfahrzeug wie dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden lastet, den geringsten im Wert gleichartiger im Inland bereits zugelassener Gebrauchtfahrzeuge noch enthaltenen Restwert übersteigt.

    44

    Folglich steht Art. 110 AEUV einer Steuer wie der im BPM-Gesetz vorgesehenen entgegen, wenn und soweit der Betrag dieser Steuer, die auf eingeführte Gebrauchtfahrzeuge bei ihrer Zulassung in den Niederlanden erhoben wird, den geringsten im Wert gleichartiger in diesem Mitgliedstaat bereits zugelassener Gebrauchtfahrzeuge noch enthaltenen Restwert übersteigt.

    45

    Nach alledem ist auf die vorgelegten Fragen zu antworten, dass

    für die Anwendung von Art. 110 AEUV gleichartige inländische Waren, die mit einem Gebrauchtfahrzeug wie dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, das vor dem 1. Februar 2008 erstmals in Gebrauch genommen und im Jahr 2010 in die Niederlande eingeführt und dort zugelassen worden ist, vergleichbar sind, die Fahrzeuge sind, die sich bereits auf dem niederländischen Markt befinden und deren Merkmale denen des in Rede stehenden Fahrzeugs möglichst nahekommen, und

    Art. 110 AEUV dahin auszulegen ist, dass er einer Steuer wie der BPM entgegensteht, wenn und soweit der Betrag dieser Steuer, die auf eingeführte Gebrauchtfahrzeuge bei ihrer Zulassung in den Niederlanden erhoben wird, den geringsten im Wert gleichartiger in diesem Mitgliedstaat bereits zugelassener Gebrauchtfahrzeuge noch enthaltenen Restwert dieser Steuer übersteigt.

    Kosten

    46

    Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

     

    Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Achte Kammer) für Recht erkannt:

     

    Für die Anwendung von Art. 110 AEUV sind gleichartige inländische Waren, die mit einem Gebrauchtfahrzeug wie dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, das vor dem 1. Februar 2008 erstmals in Gebrauch genommen und im Jahr 2010 in die Niederlande eingeführt und dort zugelassen worden ist, vergleichbar sind, die Fahrzeuge, die sich bereits auf dem niederländischen Markt befinden und deren Merkmale denen des in Rede stehenden Fahrzeugs möglichst nahekommen.

     

    Art. 110 AEUV ist dahin auszulegen, dass er einer Steuer wie der im Jahr 2010 geltenden Belasting personenauto’s en motorrijwielen (Steuer auf Personenkraftwagen und Motorräder) entgegensteht, wenn und soweit der Betrag dieser Steuer, die auf eingeführte Gebrauchtfahrzeuge bei ihrer Zulassung in den Niederlanden erhoben wird, den geringsten im Wert gleichartiger in diesem Mitgliedstaat bereits zugelassener Gebrauchtfahrzeuge noch enthaltenen Restwert dieser Steuer übersteigt.

     

    Unterschriften


    ( *1 ) Verfahrenssprache: Niederländisch.

    Top