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Document 62012CJ0007

    Urteil des Gerichtshofs (Vierte Kammer) vom 20. Juni 2013.
    Nadežda Riežniece gegen Zemkopības ministrija und Lauku atbalsta dienests.
    Vorabentscheidungsersuchen des Augstākās tiesas Senāts.
    Sozialpolitik – Richtlinie 76/207/EWG – Gleichbehandlung männlicher und weiblicher Arbeitnehmer – Richtlinie 96/34/EG – Rahmenvereinbarung über Elternurlaub – Streichung von Beamtenstellen aufgrund einer landesweiten wirtschaftlichen Rezession – Beurteilung einer Arbeitnehmerin, die Elternurlaub genommen hat, im Verhältnis zu Arbeitnehmern, die im aktiven Dienst verblieben sind – Entlassung im Anschluss an den Elternurlaub – Mittelbare Diskriminierung.
    Rechtssache C‑7/12.

    Court reports – general

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:2013:410

    Parteien
    Entscheidungsgründe
    Tenor

    Parteien

    In der Rechtssache C-7/12

    betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Augstākās tiesas Senāts (Lettland) mit Entscheidung vom 27. Dezember 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 4. Januar 2012, in dem Verfahren

    Nadežda Riežniece

    gegen

    Zemkopības ministrija,

    Lauku atbalsta dienests

    erlässt

    DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

    unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Bay Larsen, der Richter J. Malenovský, U. Lõhmus und M. Safjan (Berichterstatter) sowie der Richterin A. Prechal,

    Generalanwalt: Y. Bot,

    Kanzler: A. Calot Escobar,

    aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

    unter Berücksichtigung der Erklärungen

    – der lettischen Regierung, vertreten durch I. Kalniņš und A. Nikolajeva als Bevollmächtigte,

    – der niederländischen Regierung, vertreten durch C. Wissels als Bevollmächtigte,

    – der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna und M. Szpunar als Bevollmächtigte,

    – der Europäischen Kommission, vertreten durch C. Gheorghiu, M. van Beek und E. Kalniņš als Bevollmächtigte,

    aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

    folgendes

    Urteil

    Entscheidungsgründe

    1. Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen (ABl. L 39, S. 40) in der durch die Richtlinie 2002/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 (ABl. L 269, S. 15) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 76/207) und der am 14. Dezember 1995 geschlossenen Rahmenvereinbarung über Elternurlaub (im Folgenden: Rahmenvereinbarung über Elternurlaub) im Anhang der Richtlinie 96/34/EG des Rates vom 3. Juni 1996 zu der von UNICE, CEEP und EGB geschlossenen Rahmenvereinbarung (ABl. L 145, S. 4) in der durch die Richtlinie 97/75/EG des Rates vom 15. Dezember 1997 (ABl. 1998, L 10, S. 24) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 96/34).

    2. Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Riežniece auf der einen und dem Zemkopības ministrija (Landwirtschaftsministerium) sowie dem Lauku atbalsta dienests (Dienst zur Unterstützung des ländlichen Raums) auf der anderen Seite wegen ihrer Entlassung nach ihrer Rückkehr an den Arbeitsplatz nach Inanspruchnahme von Elternurlaub.

    Rechtlicher Rahmen

    Unionsrecht

    Richtlinie 76/207

    3. Die Richtlinie 76/207 wurde durch die Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen (ABl. L 204, S. 23) mit Wirkung vom 15. August 2009 aufgehoben. Aufgrund der zeitlichen Gegebenheiten des Sachverhalts des Ausgangsrechtsstreits bleibt für ihn jedoch die Richtlinie 76/207 maßgebend.

    4. Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 76/207 lautet:

    „Diese Richtlinie hat zum Ziel, dass in den Mitgliedstaaten der Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, einschließlich des Aufstiegs, und des Zugangs zur Berufsbildung sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen und in Bezug auf die soziale Sicherheit unter den in Absatz 2 vorgesehenen Bedingungen verwirklicht wird. Dieser Grundsatz wird im Folgenden als ‚Grundsatz der Gleichbehandlung‘ bezeichnet.“

    5. In Art. 2 dieser Richtlinie heißt es:

    „(1) Der Grundsatz der Gleichbehandlung im Sinne der nachstehenden Bestimmungen beinhaltet, dass keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts – insbesondere unter Bezugnahme auf den Ehe- oder Familienstand – erfolgen darf.

    (2) Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

    – ‚unmittelbare Diskriminierung‘: wenn eine Person aufgrund ihres Geschlechts in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde;

    – ‚mittelbare Diskriminierung‘: wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen, die einem Geschlecht angehören, in besonderer Weise gegenüber Personen des anderen Geschlechts benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich;

    (7) …

    Diese Richtlinie berührt nicht die Bestimmungen der Richtlinie 96/34 …“

    6. In Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 76/207 heißt es:

    „Die Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung bedeutet, dass es im öffentlichen und privaten Bereich einschließlich öffentlicher Stellen in Bezug auf folgende Punkte keinerlei unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts geben darf:

    c) die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließlich der Entlassungsbedingungen sowie das Arbeitsentgelt nach Maßgabe der Richtlinie 75/117/EWG [des Rates vom 10. Februar 1975 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen (ABl. L 45, S. 19)];

    …“

    Rahmenvereinbarung über Elternurlaub

    7. Die Richtlinie 96/34 wurde mit Wirkung vom 8. März 2012 durch Art. 4 der Richtlinie 2010/18/EU des Rates vom 8. März 2010 zur Durchführung der von BUSINESSEUROPE, UEAPME, CEEP und EGB geschlossenen überarbeiteten Rahmenvereinbarung über den Elternurlaub und zur Aufhebung der Richtlinie 96/34/EG (ABl. L 68, S. 13) aufgehoben. Aufgrund der zeitlichen Gegebenheiten des Sachverhalts des Ausgangsrechtsstreits bleiben für ihn jedoch die Richtlinie 96/34 und die Rahmenvereinbarung über Elternurlaub maßgebend.

    8. Im ersten Absatz der Präambel der Rahmenvereinbarung über Elternurlaub heißt es:

    „Die nachstehende Rahmenvereinbarung stellt ein Engagement [der Union der europäischen Industrie- und Arbeitgeberverbände (UNICE), des Europäischen Zentralverbands der öffentlichen Wirtschaft (CEEP) und des Europäischen Gewerkschaftsbunds (EGB)] im Hinblick auf Mindestvorschriften für den Elternurlaub und für das Fernbleiben von der Arbeit aus Gründen höherer Gewalt dar, weil sie dies als ein wichtiges Mittel ansehen, Berufs- und Familienleben zu vereinbaren und Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen zu fördern.“

    9. Nr. 5 der Allgemeinen Erwägungen dieser Rahmenvereinbarung lautet:

    „Die Entschließung des Rates vom 6. Dezember 1994 erkennt an, dass eine effiziente Chancengleichheitspolitik eine globale und integrierte Strategie verlangt, die eine bessere Organisation der Arbeitszeit sowie eine größere Flexibilität ebenso wie eine leichtere Rückkehr ins Berufsleben ermöglicht; in der Entschließung wird die wichtige Rolle berücksichtigt, die den Sozialpartnern in diesem Bereich auch dann zukommt, wenn es darum geht, Männern und Frauen eine Gelegenheit zu bieten, ihre berufliche Verantwortung sowie ihre familiären Verpflichtungen miteinander zu vereinbaren.“

    10. Paragraf 1 der Rahmenvereinbarung über Elternurlaub lautet:

    „1. In dieser Vereinbarung sind Mindestanforderungen niedergelegt, die darauf abzielen, die Vereinbarkeit von Berufs- und Familienleben erwerbstätiger Eltern zu erleichtern.

    2. Diese Vereinbarung gilt für alle Arbeitnehmer, Männer und Frauen, die nach den Rechtsvorschriften, Tarifverträgen oder Gepflogenheiten in dem jeweiligen Mitgliedstaat über einen Arbeitsvertrag verfügen oder in einem Arbeitsverhältnis stehen.“

    11. In Paragraf 2 dieser Rahmenvereinbarung heißt es:

    „1. Nach dieser Vereinbarung haben erwerbstätige Männer und Frauen nach Maßgabe des Paragraphen 2 Nummer 2 ein individuelles Recht auf Elternurlaub im Fall der Geburt oder Adoption eines Kindes, damit sie sich bis zu einem bestimmten Alter des Kindes – das Alter kann bis zu acht Jahren gehen – für die Dauer von mindestens drei Monaten um dieses Kind kümmern können. Die genauen Bestimmungen sind von den Mitgliedstaaten und/oder Sozialpartnern festzulegen.

    4. Um sicherzustellen, dass die Arbeitnehmer ihr Recht auf Elternurlaub wahrnehmen können, treffen die Mitgliedstaaten und/oder die Sozialpartner gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften, Tarifverträgen oder Gepflogenheiten die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz der Arbeitnehmer gegen Entlassungen, die auf einem Antrag auf Elternurlaub oder auf der Inanspruchnahme des Elternurlaubs beruhen.

    5. Im Anschluss an den Elternurlaub hat der Arbeitnehmer das Recht, an seinen früheren Arbeitsplatz zurückzukehren oder, wenn das nicht möglich ist, entsprechend seinem Arbeitsvertrag oder Arbeitsverhältnis einer gleichwertigen oder ähnlichen Arbeit zugewiesen zu werden.

    …“

    Lettisches Recht

    12. Das Arbeitsgesetzbuch (Darba likums, Latvijas Vēstnesis , 2001, Nr. 105) in der auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung bestimmt in seinem Art. 156:

    „(1) Jeder Arbeitnehmer hat ein Recht auf Elternurlaub bei Geburt oder Adoption eines Kindes. Dieser Urlaub wird für eine Dauer von maximal achtzehn Monaten gewährt, bis zum achten Geburtstag des Kindes.

    (3) Der Zeitraum, in dem sich der Arbeitnehmer im Elternurlaub befindet, gilt als Arbeitszeit.

    (4) Ein Arbeitnehmer, der Elternurlaub in Anspruch nimmt, behält seinen früheren Arbeitsplatz. Ist dies nicht möglich, garantiert ihm der Arbeitgeber einen ähnlichen oder gleichwertigen Arbeitsplatz unter Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen, die nicht ungünstiger sind.“

    13. Ziff. 2 der Anweisung Nr. 2 des Ministerrats – Regelung über die Beurteilung der Tätigkeiten der Beamten und ihrer Ergebnisse (Ministru kabineta instrukcija Nr. 2 – Ierēdņa darbības un tās rezultātu novērtēšanas kārtība) vom 13. Februar 2001 ( Latvijas Vēstnesis , 2001, Nr. 27) lautet:

    „Ziel der Beurteilung der Tätigkeiten der Beamten und ihrer Ergebnisse ist es, die Tätigkeiten der Beamten und ihre Ergebnisse während eines bestimmten Zeitraums zu beurteilen und den Bedarf der Beamten hinsichtlich Ausbildung und beruflicher Entwicklung festzustellen, um ihre Tätigkeiten zu verbessern und zu fördern, mit denen in Ausübung ihres Dienstes die den Verwaltungen gesetzten Ziele erreicht werden sollen. Die Ergebnisse der Beurteilung dienen als Grundlage für die Entscheidungen über die Verleihung des Beamtenstatus, über die mangelnde Eignung eines Beamten zur Ausübung seiner Dienstaufgaben, über die Versetzung auf einen Dienstposten und über die Zuerkennung einer Besoldungsgruppe.“

    14. Art. 2 Abs. 4 des Beamtengesetzes (Valsts civildienesta likums) in der auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung lautet:

    „Die die arbeitsrechtlichen Beziehungen regelnden Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Bezug auf den Grundsatz gleicher Rechte, den Grundsatz des Verbots jeder Diskriminierung, das Verbot von Repressalien, die Arbeitszeit und die Ruhezeiten, das Arbeitsentgelt, die finanzielle Verantwortlichkeit der Arbeitnehmer und die Fristen finden auf die Rechtsbeziehungen der Beamten Anwendung, soweit sie nicht in diesem Gesetz geregelt sind.“

    Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen

    15. Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass Frau Riežniece durch Bescheid des Lauku atbalsta dienests vom 14. November 2005 zur leitenden Beraterin der Sektion Rechtsangelegenheiten der Verwaltungsabteilung ernannt wurde.

    16. Im Lauf des Jahres 2006 wurde Frau Riežniece als Beamtin einer jährlichen Beurteilung unterzogen, um die Qualität ihrer Arbeit zu bewerten und ihre berufliche Entwicklung zu verbessern und zu fördern (im Folgenden: Beurteilung für das Jahr 2006). Im konkreten Fall enthielt der Beurteilungsbogen fünf Kriterien, die jeweils aus mehreren Unterkriterien bestanden. Diese Beurteilung führte zur Vergabe einer Gesamtnote.

    17. Frau Riežniece nahm vom 14. November 2007 bis 6. Mai 2009 Elternurlaub in Anspruch.

    18. Im Lauf des Jahres 2009 wurde im Rahmen einer Änderung der Organisationsstruktur des Lauku atbalsta dienests die Stelle eines leitenden Beraters der Sektion Rechtsangelegenheiten der Verwaltungsabteilung gestrichen, ohne dass diese Streichung einen konkreten Beamten betraf.

    19. Zur Bestimmung der von der Streichung dieser Planstelle betroffenen Person wurden vier Beamte, darunter Frau Riežniece, hinsichtlich ihrer Arbeit und ihrer Qualifikationen nach identischen Kriterien und anhand desselben Beurteilungsschlüssels beurteilt (im Folgenden: Beurteilung für das Jahr 2009). Von den acht Kriterien, die bei dieser Beurteilung im Vergleich zur Beurteilung für das Jahr 2006 herangezogen wurden, waren drei neu, während die fünf anderen schon als solche oder als Teil eines bestehenden Kriteriums existiert hatten. Ferner wurden zwei der bei der Beurteilung für das Jahr 2006 herangezogenen Kriterien 2009 nicht berücksichtigt.

    20. Bei zwei der im Jahr 2009 beurteilten Beamten, einem Mann und einer Frau, die im aktiven Dienst verbl ieben waren, erstreckte sich die Beurteilung auf den Zeitraum vom 1. Februar 2008 bis zum 26. Februar 2009.

    21. Bei Frau Riežniece und einer weiteren Arbeitnehmerin, die beide Elternurlaub in Anspruch genommen hatten, wurde die genannte Beurteilung auf der Grundlage der Ergebnisse der letzten jährlichen Beurteilung vor der Inanspruchnahme des Elternurlaubs vorgenommen. Frau Riežniece, die eine schlechtere Gesamtnote erhielt als bei ihrer Beurteilung für das Jahr 2006, kam auf den letzten Platz. Die andere Arbeitnehmerin, die Elternurlaub in Anspruch genommen hatte, erhielt die beste Gesamtnote, punktgleich mit der Arbeitnehmerin, die im aktiven Dienst verblieben war.

    22. Daher teilte der Lauku atbalsta dienests am 7. Mai 2009 Frau Riežniece die bevorstehende Beendigung ihres Dienstverhältnisses wegen der Streichung ihres Arbeitsplatzes mit. Mit dieser Mitteilung bot der Lauku atbalsta dienests ihr zugleich eine Stelle als leitende Beraterin der Sektion für die Entwicklung der Informationssysteme der Informationsabteilung an. Frau Riežniece stimmte ihrer Versetzung auf diesen anderen Arbeitsplatz sofort zu.

    23. Am 18. Mai 2009 wurden aufgrund einer landesweiten wirtschaftlichen Rezession neue Maßnahmen zur Umstrukturierung des Lauku atbalsta dienests erlassen.

    24. Am 26. Mai 2009 teilte der Lauku atbalsta dienests Frau Riežniece die bevorstehende Beendigung ihres Dienstverhältnisses in der öffentlichen Verwaltung wegen der Streichung ihres Arbeitsplatzes in der Sektion für die Entwicklung der Informationssysteme der Informationsabteilung mit. Daher wurde das Dienstverhältnis von Frau Riežniece mit der öffentlichen Verwaltung beendet; die Rechtmäßigkeit dieser Maßnahme wurde durch Entscheidung des Zemkopības ministrija bestätigt.

    25. Frau Riežniece erhob Klage bei der Administratīvā rajona tiesa (Verwaltungsgericht erster Instanz) auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Entscheidung des Zemkopības ministrija, mit der die Mitteilung des Lauku atbalsta dienests vom 26. Mai 2009 bestätigt worden war, auf Ersatz ihres materiellen und immateriellen Schadens und auf Erstattung ihrer Prozesskosten. Mit Urteil vom 21. Oktober 2009 gab die Administratīvā rajona tiesa der Klage von Frau Riežniece teilweise statt.

    26. Mit Urteil vom 20. Dezember 2010 wies die Administratīvā apgabaltiesa (Regionales Verwaltungsgericht), bei der Frau Riežniece Berufung und der Zemkopības ministrija Anschlussberufung eingelegt hatte, die Berufung von Frau Riežniece zurück.

    27. Die Administratīvā apgabaltiesa war zum einen der Ansicht, dass Frau Riežniece hinsichtlich ihrer Arbeit und ihrer Qualifikationen in objektiver Weise beurteilt worden sei. Zum anderen war sie der Ansicht, dass die Verwaltung, indem sie Frau Riežniece nach ihrer Rückkehr an ihren Arbeitsplatz eine andere Stelle vorgeschlagen habe, rechtmäßig gehandelt habe, insbesondere da der Lauku atbalsta dienests nicht habe vorhersehen können, dass die Sektion für die Entwicklung der Informationssysteme der Informationsabteilung und die Stellen der ihr zugeteilten Beamten später abgeschafft würden.

    28. Frau Riežniece hat gegen das Urteil der Administratīvā apgabaltiesa Rechtsmittel zum Augstākās tiesas Senāts (Senat des Obersten Gerichtshofs) eingelegt. Sie macht u. a. geltend, nach dem Unionsrecht hätten Arbeitnehmerinnen, die Elternurlaub in Anspruch nähmen, das Recht, nach dessen Beendigung an ihren Arbeitsplatz oder auf einen gleichwertigen Posten zurückzukehren. Daher sei die Administratīvā apgabaltiesa zu Unrecht zu dem Schluss gekommen, dass es im Ermessen des Lauku atbalsta dienests gestanden habe, sie aus dem öffentlichen Dienst zu entlassen oder auf eine andere Stelle zu versetzen. Außerdem habe dieses Gericht das Diskriminierungsverbot falsch ausgelegt, als es zu dem Ergebnis gekommen sei, dass es zulässig sei, Arbeitnehmer im aktiven Dienst und Arbeitnehmer im Elternurlaub nach unterschiedlichen Grundsätzen zu beurteilen.

    29. Unter diesen Umständen hat der Augstākās tiesas Senāts beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

    1. Sind die Bestimmungen der Richtlinie 76/207 und der Rahmenvereinbarung über Elternurlaub dahin auszulegen, dass sie jede Handlung (insbesondere die Beurteilung des Beschäftigten während seiner Abwesenheit) eines Arbeitgebers untersagen, in deren Folge eine Frau im Elternurlaub nach der Rückkehr an ihren Arbeitsplatz ihre Stelle verlieren kann?

    2. Fällt die Antwort auf die vorhergehende Frage anders aus, wenn der Grund für diese Handlung des Arbeitgebers darin besteht, dass aufgrund einer landesweiten wirtschaftlichen Rezession in der gesamten staatlichen Verwaltung die Zahl der Beamten verringert wurde und Planstellen weggefallen sind?

    3. Stellt die Beurteilung der Arbeit und der Qualifikationen einer Arbeitnehmerin unter Berücksichtigung der letzten jährlichen Beurteilung ihrer Tätigkeit als Beamtin und ihrer Ergebnisse vor dem Elternurlaub im Vergleich mit der anhand neuer Kriterien durchgeführten Beurteilung der Arbeit und der Qualifikationen anderer Beamter, die im aktiven Dienst verblieben sind (und damit auch die Möglichkeit hatten, ihr Qualifikationsniveau anzuheben), eine mittelbare Diskriminierung dar?

    Zu den Vorlagefragen

    30. Mit seinen drei Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Richtlinie 76/207 und die Rahmenvereinbarung über Elternurlaub dahin auszulegen sind, dass sie dem entgegenstehen,

    – dass bei der Beurteilung von Arbeitnehmern im Rahmen der Streichung von Beamtenstellen aufgrund einer landesweiten wirtschaftlichen Rezession eine Arbeitnehmerin, die Elternurlaub genommen hat, auf der Grundlage der letzten jährlichen Beurteilung vor ihrem Elternurlaub anhand neuer Kriterien beurteilt wird, während sich die Beurteilung der im aktiven Dienst verbliebenen Arbeitnehmer auf einen jüngeren Zeitraum erstreckt, und

    – dass diese Arbeitnehmerin, die im Anschluss an ihren Elternurlaub und nach dieser Beurteilung auf eine andere Stelle versetzt wurde, aufgrund der Streichung dieses neuen Arbeitsplatzes entlassen wird.

    31. Wie sich aus dem ersten Absatz der Präambel der Rahmenvereinbarung über Elternurlaub und aus Nr. 5 ihrer Allgemeinen Erwägungen ergibt, stellt diese Rahmenvereinbarung ein Engagement der Sozialpartner dar, im Wege von Mindestvorschriften Maßnahmen zu schaffen, um die Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen zu fördern, indem ihnen Gelegenheit geboten wird, ihre berufliche Verantwortung und ihre familiären Verpflichtungen miteinander zu vereinbaren (Urteile vom 22. Oktober 2009, Meerts, C-116/08, Slg. 2009, I-10063, Randnr. 35, und vom 16. September 2010, Chatzi, C-149/10, Slg. 2010, I-8489, Randnr. 56).

    32. Im Hinblick darauf ermöglicht es die Rahmenvereinbarung über Elternurlaub Personen, die gerade Eltern geworden sind, ihre Berufstätigkeit zu unterbrechen, um sich ihren familiären Verpflichtungen zu widmen, und gewährleistet ihnen in Paragraf 2 Nr. 5 die Rückkehr an ihren Arbeitsplatz im Anschluss an diesen Elternurlaub. Während eines Zeitraums, der von jedem Mitgliedstaat unter Beachtung einer Mindestdauer von drei Monaten frei festgelegt wird, und nach den im Ermessen der nationalen Gesetzgeber stehenden Modalitäten haben Personen, die gerade Eltern geworden sind, somit die Möglichkeit, ihrem Kind die aufgrund seines Alters erforderliche Unterstützung zu gewähren und Maßnahmen zur Organisation des Familienlebens im Hinblick auf ihre Rückkehr ins Berufsleben vorzusehen (Urteil Chatzi, Randnr. 57).

    33. Als Erstes ist zu prüfen, inwiefern ein Arbeitgeber im Rahmen der Streichung eines Arbeitsplatzes einen Arbeitnehmer beurteilen kann, der einen Elternurlaub in Anspruch genommen hat.

    34. Nach Paragraf 2 Nr. 4 der Rahmenvereinbarung über Elternurlaub müssen Arbeitnehmer gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften, Tarifverträgen oder Gepflogenheiten gegen Entlassungen geschützt sein, die auf einem Antrag auf Elternurlaub oder auf der Inanspruchnahme des Elternurlaubs „beruhen“.

    35. Aus dieser Vorschrift ergibt sich, dass es unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens einem Arbeitgeber vorbehaltlich von Paragraf 2 Nr. 5 der Rahmenvereinbarung über Elternurlaub nicht verboten ist, einen Arbeitnehmer, der Elternurlaub in Anspruch genommen hat, zu entlassen, wenn diese Entlassung nicht wegen des Antrags auf Elternurlaub oder der Inanspruchnahme des Elternurlaubs erfolgt.

    36. Folglich steht die Rahmenvereinbarung über Elternurlaub dem nicht entgegen, dass ein Arbeitgeber im Rahmen der Streichung eines Arbeitsplatzes einen Arbeitnehmer, der Elternurlaub in Anspruch genommen hat, beurteilt, um ihn auf einen seinem Arbeitsvertrag oder Arbeitsverhältnis entsprechenden gleichwertigen oder ähnlichen Arbeitsplatz zu versetzen. Diese Feststellung gilt auch für den Fall, dass der Arbeitgeber aufgrund einer landesweiten wirtschaftlichen Rezession die Zahl der Arbeitnehmer in der gesamten staatlichen Verwaltung verringern will. Denn es steht einem Arbeitgeber frei, für die Zwecke einer rationellen Bewirtschaftung seiner Einrichtung seine Dienststellen umzustrukturieren, sofern die anwendbaren Vorschriften des Unionsrechts eingehalten werden.

    37. Als Zweites ist zu prüfen, inwiefern die im Rahmen der Streichung eines Arbeitsplatzes vorgenommene Beurteilung einer Arbeitnehmerin, die Elternurlaub in Anspruch genommen hat, einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot darstellen kann.

    38. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 76/207 jede Diskriminierung aufgrund des Geschlechts hinsichtlich der Arbeitsbedingungen, zu denen auch die Voraussetzungen für die Rückkehr eines Arbeitnehmers an seinen Arbeitsplatz nach einem Elternurlaub gehören, verboten ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. Februar 2003, Busch, C-320/01, Slg. 2003, I-2041, Randnr. 38).

    39. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs liegt eine mittelbare Diskriminierung vor, wenn eine nationale Maßnahme zwar neutral formuliert ist, in ihrer Anwendung aber eine sehr viel höhere Zahl von Frauen als von Männern benachteiligt (vgl. u. a. Urteile vom 2. Oktober 1997, Gerster, C-1/95, Slg. 1997, I-5253, Randnr. 30, und vom 20. Oktober 2011, Brachner, C-123/10, Slg. 2011, I-10003, Randnr. 56).

    40. Wie der Gerichtshof im Übrigen schon im Urteil vom 21. Oktober 1999, Lewen (C-333/97, Slg. 1999, I-7243, Randnr. 35), gestützt auf die Angaben des nationalen Gerichts ausgeführt hat, nehmen Frauen weitaus häufiger als Männer Elternurlaub in Anspruch. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob in dem betreffenden Mitgliedstaat eine sehr viel höhere Zahl von Frauen als Männern Elternurlaub in Anspruch nimmt, so dass Frauen mit höherer Wahrscheinlichkeit von Maßnahmen wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden betroffen sind.

    41. Sollte dies der Fall sein, folgt hieraus, wie die lettische und die polnische Regierung sowie die Europäische Kommission geltend machen, dass die Methode zur Beurteilung von Arbeitnehmern im Rahmen der Streichung eines Arbeitsplatzes, um jede Diskriminierung zu vermeiden und die Chancengleichheit von Männern und Frauen zu gewährleisten, diejenigen Arbeitnehmer, die Elternurlaub in Anspruch genommen haben, nicht gegenüber Arbeitnehmern benachteiligen darf, die keinen Elternurlaub in Anspruch genommen haben.

    42. Im Ausgangsverfahren hat der Arbeitgeber die betroffenen Arbeitnehmer anhand ihres letzten tatsächlichen Arbeitszeitraums beurteilt. Dazu ist festzustellen, dass die Beurteilung von Arbeitnehmern anhand zweier verschiedener Zeiträume zwar eine unvollkommene Lösung darstellt, doch erweist sie sich, da die Arbeitnehmer, die Elternurlaub in Anspruch genommen haben, während des unmittelbar vor der Beurteilung liegenden Zeitraums abwesend sind, gleichwohl als angemessene Methode, sofern die verwendeten Beurteilungskriterien nicht geeignet sind, solche Arbeitnehmer zu benachteiligen.

    43. Damit Arbeitnehmer, die Elternurlaub in Anspruch genommen haben, nicht benachteiligt werden, muss die Beurteilung eine Reihe von Voraussetzungen erfüllen. Insbesondere muss sie sich auf alle Arbeitnehmer erstrecken, die von der Streichung des Arbeitsplatzes betroffen sein können. Eine solche Beurteilung muss auch auf Kriterien beruhen, die mit den für Arbeitnehmer im aktiven Dienst geltenden Kriterien vollkommen identisch sind. Außerdem darf die Anwendung dieser Kriterien nicht die physische Anwesenheit der Arbeitnehmer voraussetzen, da der im Elternurlaub befindliche Arbeitnehmer diese Voraussetzung nicht erfüllen kann.

    44. Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die fünf bei der Beurteilung für das Jahr 2006 verwendeten Kriterien nur teilweise mit den acht Kriterien übereinstimmen, die bei der Beurteilung für das Jahr 2009 herangezogen wurden. Zudem hatten diese beiden Beurteilungen nicht dieselben Ziele, da mit der ersten die Qualität der Arbeit bewertet und die berufliche Entwicklung gefördert werden sollte, während die zweite im Rahmen der Streichung eines Arbeitsplatzes vorgenommen wurde.

    45. Unter diesen Umständen muss das vorlegende Gericht insbesondere prüfen, ob zum einen die Beurteilung für das Jahr 2009 so durchgeführt wurde, dass die an Frau Riežniece vergebene Gesamtnote nicht die Folge der Verwendung von Kriterien ist, die sie aufgrund ihrer Abwesenheit vom Arbeitsplatz nicht erfüllen konnte, und ob zum anderen ihre Ergebnisse bei der Beurteilung für das Jahr 2006 auf objektive Weise bei der Beurteilung für das Jahr 2009 verwendet wurden.

    46. Im Übrigen geht das vorlegende Gericht in seiner dritten Frage von der Annahme aus, dass der Umstand, im aktiven Dienst verblieben zu sein, den betreffenden Beamten die Möglichkeit verschafft hat, ihr Qualifikationsniveau anzuheben. Die niederländische Regierung macht dazu geltend, dass Frau Riežniece gegenüber ihren Kollegen, die keinen Elternurlaub in Anspruch genommen hätten, benachteiligt worden sei, da sie nicht die Möglichkeit gehabt habe, ihre Arbeit zu verbessern.

    47. Was dieses Argument betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass die im aktiven Dienst verbliebenen Arbeitnehmer im Unterschied zu den Arbeitnehmern, die Elternurlaub in Anspruch genommen haben, zwar die Möglichkeit hatten, zusätzliche Erfahrung zu erwerben, die es dem Arbeitnehmer im Allgemeinen ermöglicht, bessere Leistungen zu erbringen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. Oktober 2006, Cadman, C-17/05, Slg. 2006, I-9583, Randnrn. 34 und 35). Dass bessere Leistungen erbracht werden, stellt jedoch für die im aktiven Dienst verbliebenen Arbeitnehmer eine bloße Möglichkeit dar, da die bloße Anwesenheit am Arbeitsplatz nicht gewährleistet, dass sich die Ergebnisse eines Arbeitnehmers zwangsläufig verbessern werden.

    48. Nach alledem ist in Bezug auf das Ausgangsverfahren festzustellen, dass im Fall mangelnder Beachtung der in Randnr. 43 des vorliegenden Urteils genannten Grundsätze und Beurteilungskriterien bei der Beurteilung für das Jahr 2009 und einer damit verbundenen Benachteiligung von Frau Riežniece eine mittelbare Diskriminierung im Sinne von Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 76/207 vorliegen würde; dies zu prüfen ist Sache des nationalen Gerichts.

    49. Als Drittes ist zu prüfen, inwiefern der Arbeitgeber von Frau Riežniece sie nach den Ergebnissen der Beurteilung für das Jahr 2009 auf einen anderen Arbeitsplatz versetzen durfte.

    50. Nach Paragraf 2 Nr. 5 der Rahmenvereinbarung über Elternurlaub hat der Arbeitnehmer im Anschluss an den Elternurlaub das Recht, an seinen früheren Arbeitsplatz zurückzukehren oder, wenn das nicht möglich ist, entsprechend seinem Arbeitsvertrag oder Arbeitsverhältnis einer gleichwertigen oder ähnlichen Arbeit zugewiesen zu werden.

    51. Das vorlegende Gericht hat somit zu prüfen, ob es unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens dem Arbeitgeber nicht möglich war, Frau Riežniece wieder ihren früheren Arbeitsplatz zuzuweisen, und, wenn ja, ob die ihr zugewiesene Arbeit gleichwertig oder ähnlich war und ihrem Arbeitsvertrag oder Arbeitsverhältnis entsprach.

    52. Frau Riežniece hat vor dem vorlegenden Gericht insbesondere geltend gemacht, der Lauku atbalsta dienests habe Kenntnis von der bevorstehenden Umstrukturierung der Informationsabteilung gehabt; indem er ihr eine Stelle angeboten habe, deren Streichung bereits geplant gewesen sei, habe er seine Pflicht, ihr eine gleichwertige Stelle anzubieten, nicht erfüllt.

    53. Sollte dies zutreffen, ist festzustellen, dass eine solche Vorgehensweise, die geeignet ist, der Betroffenen den ihr durch Paragraf 2 Nrn. 4 und 5 der Rahmenvereinbarung über Elternurlaub garantierten Schutz vorzuenthalten, nicht zulässig ist.

    54. Der Arbeitgeber darf nämlich das Recht eines Arbeitnehmers, der Elternurlaub in Anspruch genommen hat, zu den in Paragraf 2 Nr. 5 der Rahmenvereinbarung über Elternurlaub vorgesehenen Bedingungen auf einen anderen Arbeitsplatz versetzt zu werden, nicht dadurch aushöhlen, dass er diesem Arbeitnehmer eine Stelle anbietet, die gestrichen werden soll.

    55. Daher hat das vorlegende Gericht insbesondere zu prüfen, ob der Arbeitgeber von Frau Riežniece zu dem Zeitpunkt, als er ihr einen neuen Arbeitsplatz anbot, Kenntnis davon hatte, dass diese Stelle gestrichen werden sollte, was zu ihrer Entlassung führte.

    56. Nach alledem ist auf die vorgelegten Fragen zu antworten, dass die Richtlinie 76/207 – unter der Voraussetzung, dass eine sehr viel höhere Zahl von Frauen als von Männern Elternurlaub in Anspruch nimmt, was das nationale Gericht zu prüfen hat – und die Rahmenvereinbarung über Elternurlaub im Anhang der Richtlinie 96/34 dahin auszulegen sind, dass sie dem entgegenstehen,

    – dass bei der Beurteilung von Arbeitnehmern im Rahmen der Streichung von Beamtenstellen aufgrund einer landesweiten wirtschaftlichen Rezession ein Arbeitnehmer, der Elternurlaub genommen hat, in seiner Abwesenheit auf der Grundlage von Grundsätzen und Beurteilungskriterien beurteilt wird, die ihn gegenüber Arbeitnehmern, die keinen Elternurlaub in Anspruch genommen haben, benachteiligen; zwecks Prüfung, dass dies nicht der Fall ist, muss sich das nationale Gericht insbesondere vergewissern, dass sich die Beurteilung auf alle Arbeitnehmer erstreckt, die von der Streichung des Arbeitsplatzes betroffen sein können, dass sie auf Kriterien beruht, die mit den für Arbeitnehmer im aktiven Dienst geltenden Kriterien vollkommen identisch sind, und dass die Anwendung dieser Kriterien nicht die physische Anwesenheit der im Elternurlaub befindlichen Arbeitnehmer voraussetzt, und

    – dass eine Arbeitnehmerin, die im Anschluss an ihren Elternurlaub und nach dieser Beurteilung auf eine andere Stelle versetzt wurde, aufgrund der Streichung dieses neuen Arbeitsplatzes entlassen wird, sofern es dem Arbeitgeber nicht unmöglich war, ihr wieder ihren früheren Arbeitsplatz zuzuweisen, oder wenn die ihr zugewiesene Arbeit nicht gleichwertig oder ähnlich war und ihrem Arbeitsvertrag oder Arbeitsverhältnis entsprach, insbesondere weil der Arbeitgeber zum Zeitpunkt der Versetzung Kenntnis davon hatte, dass der neue Arbeitsplatz gestrichen werden sollte, was das nationale Gericht zu prüfen hat.

    Kosten

    57. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

    Tenor

    Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:

    Die Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen in der durch die Richtlinie 2002/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2 002 geänderten Fassung – unter der Voraussetzung, dass eine sehr viel höhere Zahl von Frauen als von Männern Elternurlaub in Anspruch nimmt, was das nationale Gericht zu prüfen hat – und die am 14. Dezember 1995 geschlossene Rahmenvereinbarung über Elternurlaub im Anhang der Richtlinie 96/34/EG des Rates vom 3. Juni 1996 zu der von UNICE, CEEP und EGB geschlossenen Rahmenvereinbarung in der durch die Richtlinie 97/75/EG des Rates vom 15. Dezember 1997 geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass sie dem entgegenstehen,

    – dass bei der Beurteilung von Arbeitnehmern im Rahmen der Streichung von Beamtenstellen aufgrund einer landesweiten wirtschaftlichen Rezession ein Arbeitnehmer, der Elternurlaub genommen hat, in seiner Abwesenheit auf der Grundlage von Grundsätzen und Beurteilungskriterien beurteilt wird, die ihn gegenüber Arbeitnehmern, die keinen Elternurlaub in Anspruch genommen haben, benachteiligen; zwecks Prüfung, dass dies nicht der Fall ist, muss sich das nationale Gericht insbesondere vergewissern, dass sich die Beurteilung auf alle Arbeitnehmer erstreckt, die von der Streichung des Arbeitsplatzes betroffen sein können, dass sie auf Kriterien beruht, die mit den für Arbeitnehmer im aktiven Dienst geltenden Kriterien vollkommen identisch sind, und dass die Anwendung dieser Kriterien nicht die physische Anwesenheit der im Elternurlaub befindlichen Arbeitnehmer voraussetzt, und

    – dass eine Arbeitnehmerin, die im Anschluss an ihren Elternurlaub und nach dieser Beurteilung auf eine andere Stelle versetzt wurde, aufgrund der Streichung dieses neuen Arbeitsplatzes entlassen wird, sofern es dem Arbeitgeber nicht unmöglich war, ihr wieder ihren früheren Arbeitsplatz zuzuweisen, oder wenn die ihr zugewiesene Arbeit nicht gleichwertig oder ähnlich war und ihrem Arbeitsvertrag oder Arbeitsverhältnis entsprach, insbesondere weil der Arbeitgeber zum Zeitpunkt der Versetzung Kenntnis davon hatte, dass der neue Arbeitsplatz gestrichen werden sollte, was das nationale Gericht zu prüfen hat.

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    URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer)

    20. Juni 2013 ( *1 )

    „Sozialpolitik — Richtlinie 76/207/EWG — Gleichbehandlung männlicher und weiblicher Arbeitnehmer — Richtlinie 96/34/EG — Rahmenvereinbarung über Elternurlaub — Streichung von Beamtenstellen aufgrund einer landesweiten wirtschaftlichen Rezession — Beurteilung einer Arbeitnehmerin, die Elternurlaub genommen hat, im Verhältnis zu Arbeitnehmern, die im aktiven Dienst verblieben sind — Entlassung im Anschluss an den Elternurlaub — Mittelbare Diskriminierung“

    In der Rechtssache C-7/12

    betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Augstākās tiesas Senāts (Lettland) mit Entscheidung vom 27. Dezember 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 4. Januar 2012, in dem Verfahren

    Nadežda Riežniece

    gegen

    Zemkopības ministrija,

    Lauku atbalsta dienests

    erlässt

    DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

    unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Bay Larsen, der Richter J. Malenovský, U. Lõhmus und M. Safjan (Berichterstatter) sowie der Richterin A. Prechal,

    Generalanwalt: Y. Bot,

    Kanzler: A. Calot Escobar,

    aufgrund des schriftlichen Verfahrens,unter Berücksichtigung der Erklärungen

    der lettischen Regierung, vertreten durch I. Kalniņš und A. Nikolajeva als Bevollmächtigte,

    der niederländischen Regierung, vertreten durch C. Wissels als Bevollmächtigte,

    der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna und M. Szpunar als Bevollmächtigte,

    der Europäischen Kommission, vertreten durch C. Gheorghiu, M. van Beek und E. Kalniņš als Bevollmächtigte,

    aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

    folgendes

    Urteil

    1

    Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen (ABl. L 39, S. 40) in der durch die Richtlinie 2002/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 (ABl. L 269, S. 15) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 76/207) und der am 14. Dezember 1995 geschlossenen Rahmenvereinbarung über Elternurlaub (im Folgenden: Rahmenvereinbarung über Elternurlaub) im Anhang der Richtlinie 96/34/EG des Rates vom 3. Juni 1996 zu der von UNICE, CEEP und EGB geschlossenen Rahmenvereinbarung (ABl. L 145, S. 4) in der durch die Richtlinie 97/75/EG des Rates vom 15. Dezember 1997 (ABl. 1998, L 10, S. 24) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 96/34).

    2

    Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Riežniece auf der einen und dem Zemkopības ministrija (Landwirtschaftsministerium) sowie dem Lauku atbalsta dienests (Dienst zur Unterstützung des ländlichen Raums) auf der anderen Seite wegen ihrer Entlassung nach ihrer Rückkehr an den Arbeitsplatz nach Inanspruchnahme von Elternurlaub.

    Rechtlicher Rahmen

    Unionsrecht

    Richtlinie 76/207

    3

    Die Richtlinie 76/207 wurde durch die Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen (ABl. L 204, S. 23) mit Wirkung vom 15. August 2009 aufgehoben. Aufgrund der zeitlichen Gegebenheiten des Sachverhalts des Ausgangsrechtsstreits bleibt für ihn jedoch die Richtlinie 76/207 maßgebend.

    4

    Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 76/207 lautet:

    „Diese Richtlinie hat zum Ziel, dass in den Mitgliedstaaten der Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, einschließlich des Aufstiegs, und des Zugangs zur Berufsbildung sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen und in Bezug auf die soziale Sicherheit unter den in Absatz 2 vorgesehenen Bedingungen verwirklicht wird. Dieser Grundsatz wird im Folgenden als ‚Grundsatz der Gleichbehandlung‘ bezeichnet.“

    5

    In Art. 2 dieser Richtlinie heißt es:

    „(1)   Der Grundsatz der Gleichbehandlung im Sinne der nachstehenden Bestimmungen beinhaltet, dass keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts – insbesondere unter Bezugnahme auf den Ehe- oder Familienstand – erfolgen darf.

    (2)   Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

    ‚unmittelbare Diskriminierung‘: wenn eine Person aufgrund ihres Geschlechts in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde;

    ‚mittelbare Diskriminierung‘: wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen, die einem Geschlecht angehören, in besonderer Weise gegenüber Personen des anderen Geschlechts benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich;

    (7)   …

    Diese Richtlinie berührt nicht die Bestimmungen der Richtlinie 96/34 …“

    6

    In Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 76/207 heißt es:

    „Die Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung bedeutet, dass es im öffentlichen und privaten Bereich einschließlich öffentlicher Stellen in Bezug auf folgende Punkte keinerlei unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts geben darf:

    c)

    die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließlich der Entlassungsbedingungen sowie das Arbeitsentgelt nach Maßgabe der Richtlinie 75/117/EWG [des Rates vom 10. Februar 1975 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen (ABl. L 45, S. 19)];

    …“

    Rahmenvereinbarung über Elternurlaub

    7

    Die Richtlinie 96/34 wurde mit Wirkung vom 8. März 2012 durch Art. 4 der Richtlinie 2010/18/EU des Rates vom 8. März 2010 zur Durchführung der von BUSINESSEUROPE, UEAPME, CEEP und EGB geschlossenen überarbeiteten Rahmenvereinbarung über den Elternurlaub und zur Aufhebung der Richtlinie 96/34/EG (ABl. L 68, S. 13) aufgehoben. Aufgrund der zeitlichen Gegebenheiten des Sachverhalts des Ausgangsrechtsstreits bleiben für ihn jedoch die Richtlinie 96/34 und die Rahmenvereinbarung über Elternurlaub maßgebend.

    8

    Im ersten Absatz der Präambel der Rahmenvereinbarung über Elternurlaub heißt es:

    „Die nachstehende Rahmenvereinbarung stellt ein Engagement [der Union der europäischen Industrie- und Arbeitgeberverbände (UNICE), des Europäischen Zentralverbands der öffentlichen Wirtschaft (CEEP) und des Europäischen Gewerkschaftsbunds (EGB)] im Hinblick auf Mindestvorschriften für den Elternurlaub und für das Fernbleiben von der Arbeit aus Gründen höherer Gewalt dar, weil sie dies als ein wichtiges Mittel ansehen, Berufs- und Familienleben zu vereinbaren und Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen zu fördern.“

    9

    Nr. 5 der Allgemeinen Erwägungen dieser Rahmenvereinbarung lautet:

    „Die Entschließung des Rates vom 6. Dezember 1994 erkennt an, dass eine effiziente Chancengleichheitspolitik eine globale und integrierte Strategie verlangt, die eine bessere Organisation der Arbeitszeit sowie eine größere Flexibilität ebenso wie eine leichtere Rückkehr ins Berufsleben ermöglicht; in der Entschließung wird die wichtige Rolle berücksichtigt, die den Sozialpartnern in diesem Bereich auch dann zukommt, wenn es darum geht, Männern und Frauen eine Gelegenheit zu bieten, ihre berufliche Verantwortung sowie ihre familiären Verpflichtungen miteinander zu vereinbaren.“

    10

    Paragraf 1 der Rahmenvereinbarung über Elternurlaub lautet:

    „1.

    In dieser Vereinbarung sind Mindestanforderungen niedergelegt, die darauf abzielen, die Vereinbarkeit von Berufs- und Familienleben erwerbstätiger Eltern zu erleichtern.

    2.

    Diese Vereinbarung gilt für alle Arbeitnehmer, Männer und Frauen, die nach den Rechtsvorschriften, Tarifverträgen oder Gepflogenheiten in dem jeweiligen Mitgliedstaat über einen Arbeitsvertrag verfügen oder in einem Arbeitsverhältnis stehen.“

    11

    In Paragraf 2 dieser Rahmenvereinbarung heißt es:

    „1.

    Nach dieser Vereinbarung haben erwerbstätige Männer und Frauen nach Maßgabe des Paragraphen 2 Nummer 2 ein individuelles Recht auf Elternurlaub im Fall der Geburt oder Adoption eines Kindes, damit sie sich bis zu einem bestimmten Alter des Kindes – das Alter kann bis zu acht Jahren gehen – für die Dauer von mindestens drei Monaten um dieses Kind kümmern können. Die genauen Bestimmungen sind von den Mitgliedstaaten und/oder Sozialpartnern festzulegen.

    4.

    Um sicherzustellen, dass die Arbeitnehmer ihr Recht auf Elternurlaub wahrnehmen können, treffen die Mitgliedstaaten und/oder die Sozialpartner gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften, Tarifverträgen oder Gepflogenheiten die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz der Arbeitnehmer gegen Entlassungen, die auf einem Antrag auf Elternurlaub oder auf der Inanspruchnahme des Elternurlaubs beruhen.

    5.

    Im Anschluss an den Elternurlaub hat der Arbeitnehmer das Recht, an seinen früheren Arbeitsplatz zurückzukehren oder, wenn das nicht möglich ist, entsprechend seinem Arbeitsvertrag oder Arbeitsverhältnis einer gleichwertigen oder ähnlichen Arbeit zugewiesen zu werden.

    …“

    Lettisches Recht

    12

    Das Arbeitsgesetzbuch (Darba likums, Latvijas Vēstnesis, 2001, Nr. 105) in der auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung bestimmt in seinem Art. 156:

    „(1)   Jeder Arbeitnehmer hat ein Recht auf Elternurlaub bei Geburt oder Adoption eines Kindes. Dieser Urlaub wird für eine Dauer von maximal achtzehn Monaten gewährt, bis zum achten Geburtstag des Kindes.

    (3)   Der Zeitraum, in dem sich der Arbeitnehmer im Elternurlaub befindet, gilt als Arbeitszeit.

    (4)   Ein Arbeitnehmer, der Elternurlaub in Anspruch nimmt, behält seinen früheren Arbeitsplatz. Ist dies nicht möglich, garantiert ihm der Arbeitgeber einen ähnlichen oder gleichwertigen Arbeitsplatz unter Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen, die nicht ungünstiger sind.“

    13

    Ziff. 2 der Anweisung Nr. 2 des Ministerrats – Regelung über die Beurteilung der Tätigkeiten der Beamten und ihrer Ergebnisse (Ministru kabineta instrukcija Nr. 2 – Ierēdņa darbības un tās rezultātu novērtēšanas kārtība) vom 13. Februar 2001 (Latvijas Vēstnesis, 2001, Nr. 27) lautet:

    „Ziel der Beurteilung der Tätigkeiten der Beamten und ihrer Ergebnisse ist es, die Tätigkeiten der Beamten und ihre Ergebnisse während eines bestimmten Zeitraums zu beurteilen und den Bedarf der Beamten hinsichtlich Ausbildung und beruflicher Entwicklung festzustellen, um ihre Tätigkeiten zu verbessern und zu fördern, mit denen in Ausübung ihres Dienstes die den Verwaltungen gesetzten Ziele erreicht werden sollen. Die Ergebnisse der Beurteilung dienen als Grundlage für die Entscheidungen über die Verleihung des Beamtenstatus, über die mangelnde Eignung eines Beamten zur Ausübung seiner Dienstaufgaben, über die Versetzung auf einen Dienstposten und über die Zuerkennung einer Besoldungsgruppe.“

    14

    Art. 2 Abs. 4 des Beamtengesetzes (Valsts civildienesta likums) in der auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung lautet:

    „Die die arbeitsrechtlichen Beziehungen regelnden Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Bezug auf den Grundsatz gleicher Rechte, den Grundsatz des Verbots jeder Diskriminierung, das Verbot von Repressalien, die Arbeitszeit und die Ruhezeiten, das Arbeitsentgelt, die finanzielle Verantwortlichkeit der Arbeitnehmer und die Fristen finden auf die Rechtsbeziehungen der Beamten Anwendung, soweit sie nicht in diesem Gesetz geregelt sind.“

    Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen

    15

    Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass Frau Riežniece durch Bescheid des Lauku atbalsta dienests vom 14. November 2005 zur leitenden Beraterin der Sektion Rechtsangelegenheiten der Verwaltungsabteilung ernannt wurde.

    16

    Im Lauf des Jahres 2006 wurde Frau Riežniece als Beamtin einer jährlichen Beurteilung unterzogen, um die Qualität ihrer Arbeit zu bewerten und ihre berufliche Entwicklung zu verbessern und zu fördern (im Folgenden: Beurteilung für das Jahr 2006). Im konkreten Fall enthielt der Beurteilungsbogen fünf Kriterien, die jeweils aus mehreren Unterkriterien bestanden. Diese Beurteilung führte zur Vergabe einer Gesamtnote.

    17

    Frau Riežniece nahm vom 14. November 2007 bis 6. Mai 2009 Elternurlaub in Anspruch.

    18

    Im Lauf des Jahres 2009 wurde im Rahmen einer Änderung der Organisationsstruktur des Lauku atbalsta dienests die Stelle eines leitenden Beraters der Sektion Rechtsangelegenheiten der Verwaltungsabteilung gestrichen, ohne dass diese Streichung einen konkreten Beamten betraf.

    19

    Zur Bestimmung der von der Streichung dieser Planstelle betroffenen Person wurden vier Beamte, darunter Frau Riežniece, hinsichtlich ihrer Arbeit und ihrer Qualifikationen nach identischen Kriterien und anhand desselben Beurteilungsschlüssels beurteilt (im Folgenden: Beurteilung für das Jahr 2009). Von den acht Kriterien, die bei dieser Beurteilung im Vergleich zur Beurteilung für das Jahr 2006 herangezogen wurden, waren drei neu, während die fünf anderen schon als solche oder als Teil eines bestehenden Kriteriums existiert hatten. Ferner wurden zwei der bei der Beurteilung für das Jahr 2006 herangezogenen Kriterien 2009 nicht berücksichtigt.

    20

    Bei zwei der im Jahr 2009 beurteilten Beamten, einem Mann und einer Frau, die im aktiven Dienst verblieben waren, erstreckte sich die Beurteilung auf den Zeitraum vom 1. Februar 2008 bis zum 26. Februar 2009.

    21

    Bei Frau Riežniece und einer weiteren Arbeitnehmerin, die beide Elternurlaub in Anspruch genommen hatten, wurde die genannte Beurteilung auf der Grundlage der Ergebnisse der letzten jährlichen Beurteilung vor der Inanspruchnahme des Elternurlaubs vorgenommen. Frau Riežniece, die eine schlechtere Gesamtnote erhielt als bei ihrer Beurteilung für das Jahr 2006, kam auf den letzten Platz. Die andere Arbeitnehmerin, die Elternurlaub in Anspruch genommen hatte, erhielt die beste Gesamtnote, punktgleich mit der Arbeitnehmerin, die im aktiven Dienst verblieben war.

    22

    Daher teilte der Lauku atbalsta dienests am 7. Mai 2009 Frau Riežniece die bevorstehende Beendigung ihres Dienstverhältnisses wegen der Streichung ihres Arbeitsplatzes mit. Mit dieser Mitteilung bot der Lauku atbalsta dienests ihr zugleich eine Stelle als leitende Beraterin der Sektion für die Entwicklung der Informationssysteme der Informationsabteilung an. Frau Riežniece stimmte ihrer Versetzung auf diesen anderen Arbeitsplatz sofort zu.

    23

    Am 18. Mai 2009 wurden aufgrund einer landesweiten wirtschaftlichen Rezession neue Maßnahmen zur Umstrukturierung des Lauku atbalsta dienests erlassen.

    24

    Am 26. Mai 2009 teilte der Lauku atbalsta dienests Frau Riežniece die bevorstehende Beendigung ihres Dienstverhältnisses in der öffentlichen Verwaltung wegen der Streichung ihres Arbeitsplatzes in der Sektion für die Entwicklung der Informationssysteme der Informationsabteilung mit. Daher wurde das Dienstverhältnis von Frau Riežniece mit der öffentlichen Verwaltung beendet; die Rechtmäßigkeit dieser Maßnahme wurde durch Entscheidung des Zemkopības ministrija bestätigt.

    25

    Frau Riežniece erhob Klage bei der Administratīvā rajona tiesa (Verwaltungsgericht erster Instanz) auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Entscheidung des Zemkopības ministrija, mit der die Mitteilung des Lauku atbalsta dienests vom 26. Mai 2009 bestätigt worden war, auf Ersatz ihres materiellen und immateriellen Schadens und auf Erstattung ihrer Prozesskosten. Mit Urteil vom 21. Oktober 2009 gab die Administratīvā rajona tiesa der Klage von Frau Riežniece teilweise statt.

    26

    Mit Urteil vom 20. Dezember 2010 wies die Administratīvā apgabaltiesa (Regionales Verwaltungsgericht), bei der Frau Riežniece Berufung und der Zemkopības ministrija Anschlussberufung eingelegt hatte, die Berufung von Frau Riežniece zurück.

    27

    Die Administratīvā apgabaltiesa war zum einen der Ansicht, dass Frau Riežniece hinsichtlich ihrer Arbeit und ihrer Qualifikationen in objektiver Weise beurteilt worden sei. Zum anderen war sie der Ansicht, dass die Verwaltung, indem sie Frau Riežniece nach ihrer Rückkehr an ihren Arbeitsplatz eine andere Stelle vorgeschlagen habe, rechtmäßig gehandelt habe, insbesondere da der Lauku atbalsta dienests nicht habe vorhersehen können, dass die Sektion für die Entwicklung der Informationssysteme der Informationsabteilung und die Stellen der ihr zugeteilten Beamten später abgeschafft würden.

    28

    Frau Riežniece hat gegen das Urteil der Administratīvā apgabaltiesa Rechtsmittel zum Augstākās tiesas Senāts (Senat des Obersten Gerichtshofs) eingelegt. Sie macht u. a. geltend, nach dem Unionsrecht hätten Arbeitnehmerinnen, die Elternurlaub in Anspruch nähmen, das Recht, nach dessen Beendigung an ihren Arbeitsplatz oder auf einen gleichwertigen Posten zurückzukehren. Daher sei die Administratīvā apgabaltiesa zu Unrecht zu dem Schluss gekommen, dass es im Ermessen des Lauku atbalsta dienests gestanden habe, sie aus dem öffentlichen Dienst zu entlassen oder auf eine andere Stelle zu versetzen. Außerdem habe dieses Gericht das Diskriminierungsverbot falsch ausgelegt, als es zu dem Ergebnis gekommen sei, dass es zulässig sei, Arbeitnehmer im aktiven Dienst und Arbeitnehmer im Elternurlaub nach unterschiedlichen Grundsätzen zu beurteilen.

    29

    Unter diesen Umständen hat der Augstākās tiesas Senāts beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

    1.

    Sind die Bestimmungen der Richtlinie 76/207 und der Rahmenvereinbarung über Elternurlaub dahin auszulegen, dass sie jede Handlung (insbesondere die Beurteilung des Beschäftigten während seiner Abwesenheit) eines Arbeitgebers untersagen, in deren Folge eine Frau im Elternurlaub nach der Rückkehr an ihren Arbeitsplatz ihre Stelle verlieren kann?

    2.

    Fällt die Antwort auf die vorhergehende Frage anders aus, wenn der Grund für diese Handlung des Arbeitgebers darin besteht, dass aufgrund einer landesweiten wirtschaftlichen Rezession in der gesamten staatlichen Verwaltung die Zahl der Beamten verringert wurde und Planstellen weggefallen sind?

    3.

    Stellt die Beurteilung der Arbeit und der Qualifikationen einer Arbeitnehmerin unter Berücksichtigung der letzten jährlichen Beurteilung ihrer Tätigkeit als Beamtin und ihrer Ergebnisse vor dem Elternurlaub im Vergleich mit der anhand neuer Kriterien durchgeführten Beurteilung der Arbeit und der Qualifikationen anderer Beamter, die im aktiven Dienst verblieben sind (und damit auch die Möglichkeit hatten, ihr Qualifikationsniveau anzuheben), eine mittelbare Diskriminierung dar?

    Zu den Vorlagefragen

    30

    Mit seinen drei Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Richtlinie 76/207 und die Rahmenvereinbarung über Elternurlaub dahin auszulegen sind, dass sie dem entgegenstehen,

    dass bei der Beurteilung von Arbeitnehmern im Rahmen der Streichung von Beamtenstellen aufgrund einer landesweiten wirtschaftlichen Rezession eine Arbeitnehmerin, die Elternurlaub genommen hat, auf der Grundlage der letzten jährlichen Beurteilung vor ihrem Elternurlaub anhand neuer Kriterien beurteilt wird, während sich die Beurteilung der im aktiven Dienst verbliebenen Arbeitnehmer auf einen jüngeren Zeitraum erstreckt, und

    dass diese Arbeitnehmerin, die im Anschluss an ihren Elternurlaub und nach dieser Beurteilung auf eine andere Stelle versetzt wurde, aufgrund der Streichung dieses neuen Arbeitsplatzes entlassen wird.

    31

    Wie sich aus dem ersten Absatz der Präambel der Rahmenvereinbarung über Elternurlaub und aus Nr. 5 ihrer Allgemeinen Erwägungen ergibt, stellt diese Rahmenvereinbarung ein Engagement der Sozialpartner dar, im Wege von Mindestvorschriften Maßnahmen zu schaffen, um die Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen zu fördern, indem ihnen Gelegenheit geboten wird, ihre berufliche Verantwortung und ihre familiären Verpflichtungen miteinander zu vereinbaren (Urteile vom 22. Oktober 2009, Meerts, C-116/08, Slg. 2009, I-10063, Randnr. 35, und vom 16. September 2010, Chatzi, C-149/10, Slg. 2010, I-8489, Randnr. 56).

    32

    Im Hinblick darauf ermöglicht es die Rahmenvereinbarung über Elternurlaub Personen, die gerade Eltern geworden sind, ihre Berufstätigkeit zu unterbrechen, um sich ihren familiären Verpflichtungen zu widmen, und gewährleistet ihnen in Paragraf 2 Nr. 5 die Rückkehr an ihren Arbeitsplatz im Anschluss an diesen Elternurlaub. Während eines Zeitraums, der von jedem Mitgliedstaat unter Beachtung einer Mindestdauer von drei Monaten frei festgelegt wird, und nach den im Ermessen der nationalen Gesetzgeber stehenden Modalitäten haben Personen, die gerade Eltern geworden sind, somit die Möglichkeit, ihrem Kind die aufgrund seines Alters erforderliche Unterstützung zu gewähren und Maßnahmen zur Organisation des Familienlebens im Hinblick auf ihre Rückkehr ins Berufsleben vorzusehen (Urteil Chatzi, Randnr. 57).

    33

    Als Erstes ist zu prüfen, inwiefern ein Arbeitgeber im Rahmen der Streichung eines Arbeitsplatzes einen Arbeitnehmer beurteilen kann, der einen Elternurlaub in Anspruch genommen hat.

    34

    Nach Paragraf 2 Nr. 4 der Rahmenvereinbarung über Elternurlaub müssen Arbeitnehmer gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften, Tarifverträgen oder Gepflogenheiten gegen Entlassungen geschützt sein, die auf einem Antrag auf Elternurlaub oder auf der Inanspruchnahme des Elternurlaubs „beruhen“.

    35

    Aus dieser Vorschrift ergibt sich, dass es unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens einem Arbeitgeber vorbehaltlich von Paragraf 2 Nr. 5 der Rahmenvereinbarung über Elternurlaub nicht verboten ist, einen Arbeitnehmer, der Elternurlaub in Anspruch genommen hat, zu entlassen, wenn diese Entlassung nicht wegen des Antrags auf Elternurlaub oder der Inanspruchnahme des Elternurlaubs erfolgt.

    36

    Folglich steht die Rahmenvereinbarung über Elternurlaub dem nicht entgegen, dass ein Arbeitgeber im Rahmen der Streichung eines Arbeitsplatzes einen Arbeitnehmer, der Elternurlaub in Anspruch genommen hat, beurteilt, um ihn auf einen seinem Arbeitsvertrag oder Arbeitsverhältnis entsprechenden gleichwertigen oder ähnlichen Arbeitsplatz zu versetzen. Diese Feststellung gilt auch für den Fall, dass der Arbeitgeber aufgrund einer landesweiten wirtschaftlichen Rezession die Zahl der Arbeitnehmer in der gesamten staatlichen Verwaltung verringern will. Denn es steht einem Arbeitgeber frei, für die Zwecke einer rationellen Bewirtschaftung seiner Einrichtung seine Dienststellen umzustrukturieren, sofern die anwendbaren Vorschriften des Unionsrechts eingehalten werden.

    37

    Als Zweites ist zu prüfen, inwiefern die im Rahmen der Streichung eines Arbeitsplatzes vorgenommene Beurteilung einer Arbeitnehmerin, die Elternurlaub in Anspruch genommen hat, einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot darstellen kann.

    38

    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 76/207 jede Diskriminierung aufgrund des Geschlechts hinsichtlich der Arbeitsbedingungen, zu denen auch die Voraussetzungen für die Rückkehr eines Arbeitnehmers an seinen Arbeitsplatz nach einem Elternurlaub gehören, verboten ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. Februar 2003, Busch, C-320/01, Slg. 2003, I-2041, Randnr. 38).

    39

    Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs liegt eine mittelbare Diskriminierung vor, wenn eine nationale Maßnahme zwar neutral formuliert ist, in ihrer Anwendung aber eine sehr viel höhere Zahl von Frauen als von Männern benachteiligt (vgl. u. a. Urteile vom 2. Oktober 1997, Gerster, C-1/95, Slg. 1997, I-5253, Randnr. 30, und vom 20. Oktober 2011, Brachner, C-123/10, Slg. 2011, I-10003, Randnr. 56).

    40

    Wie der Gerichtshof im Übrigen schon im Urteil vom 21. Oktober 1999, Lewen (C-333/97, Slg. 1999, I-7243, Randnr. 35), gestützt auf die Angaben des nationalen Gerichts ausgeführt hat, nehmen Frauen weitaus häufiger als Männer Elternurlaub in Anspruch. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob in dem betreffenden Mitgliedstaat eine sehr viel höhere Zahl von Frauen als Männern Elternurlaub in Anspruch nimmt, so dass Frauen mit höherer Wahrscheinlichkeit von Maßnahmen wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden betroffen sind.

    41

    Sollte dies der Fall sein, folgt hieraus, wie die lettische und die polnische Regierung sowie die Europäische Kommission geltend machen, dass die Methode zur Beurteilung von Arbeitnehmern im Rahmen der Streichung eines Arbeitsplatzes, um jede Diskriminierung zu vermeiden und die Chancengleichheit von Männern und Frauen zu gewährleisten, diejenigen Arbeitnehmer, die Elternurlaub in Anspruch genommen haben, nicht gegenüber Arbeitnehmern benachteiligen darf, die keinen Elternurlaub in Anspruch genommen haben.

    42

    Im Ausgangsverfahren hat der Arbeitgeber die betroffenen Arbeitnehmer anhand ihres letzten tatsächlichen Arbeitszeitraums beurteilt. Dazu ist festzustellen, dass die Beurteilung von Arbeitnehmern anhand zweier verschiedener Zeiträume zwar eine unvollkommene Lösung darstellt, doch erweist sie sich, da die Arbeitnehmer, die Elternurlaub in Anspruch genommen haben, während des unmittelbar vor der Beurteilung liegenden Zeitraums abwesend sind, gleichwohl als angemessene Methode, sofern die verwendeten Beurteilungskriterien nicht geeignet sind, solche Arbeitnehmer zu benachteiligen.

    43

    Damit Arbeitnehmer, die Elternurlaub in Anspruch genommen haben, nicht benachteiligt werden, muss die Beurteilung eine Reihe von Voraussetzungen erfüllen. Insbesondere muss sie sich auf alle Arbeitnehmer erstrecken, die von der Streichung des Arbeitsplatzes betroffen sein können. Eine solche Beurteilung muss auch auf Kriterien beruhen, die mit den für Arbeitnehmer im aktiven Dienst geltenden Kriterien vollkommen identisch sind. Außerdem darf die Anwendung dieser Kriterien nicht die physische Anwesenheit der Arbeitnehmer voraussetzen, da der im Elternurlaub befindliche Arbeitnehmer diese Voraussetzung nicht erfüllen kann.

    44

    Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die fünf bei der Beurteilung für das Jahr 2006 verwendeten Kriterien nur teilweise mit den acht Kriterien übereinstimmen, die bei der Beurteilung für das Jahr 2009 herangezogen wurden. Zudem hatten diese beiden Beurteilungen nicht dieselben Ziele, da mit der ersten die Qualität der Arbeit bewertet und die berufliche Entwicklung gefördert werden sollte, während die zweite im Rahmen der Streichung eines Arbeitsplatzes vorgenommen wurde.

    45

    Unter diesen Umständen muss das vorlegende Gericht insbesondere prüfen, ob zum einen die Beurteilung für das Jahr 2009 so durchgeführt wurde, dass die an Frau Riežniece vergebene Gesamtnote nicht die Folge der Verwendung von Kriterien ist, die sie aufgrund ihrer Abwesenheit vom Arbeitsplatz nicht erfüllen konnte, und ob zum anderen ihre Ergebnisse bei der Beurteilung für das Jahr 2006 auf objektive Weise bei der Beurteilung für das Jahr 2009 verwendet wurden.

    46

    Im Übrigen geht das vorlegende Gericht in seiner dritten Frage von der Annahme aus, dass der Umstand, im aktiven Dienst verblieben zu sein, den betreffenden Beamten die Möglichkeit verschafft hat, ihr Qualifikationsniveau anzuheben. Die niederländische Regierung macht dazu geltend, dass Frau Riežniece gegenüber ihren Kollegen, die keinen Elternurlaub in Anspruch genommen hätten, benachteiligt worden sei, da sie nicht die Möglichkeit gehabt habe, ihre Arbeit zu verbessern.

    47

    Was dieses Argument betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass die im aktiven Dienst verbliebenen Arbeitnehmer im Unterschied zu den Arbeitnehmern, die Elternurlaub in Anspruch genommen haben, zwar die Möglichkeit hatten, zusätzliche Erfahrung zu erwerben, die es dem Arbeitnehmer im Allgemeinen ermöglicht, bessere Leistungen zu erbringen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. Oktober 2006, Cadman, C-17/05, Slg. 2006, I-9583, Randnrn. 34 und 35). Dass bessere Leistungen erbracht werden, stellt jedoch für die im aktiven Dienst verbliebenen Arbeitnehmer eine bloße Möglichkeit dar, da die bloße Anwesenheit am Arbeitsplatz nicht gewährleistet, dass sich die Ergebnisse eines Arbeitnehmers zwangsläufig verbessern werden.

    48

    Nach alledem ist in Bezug auf das Ausgangsverfahren festzustellen, dass im Fall mangelnder Beachtung der in Randnr. 43 des vorliegenden Urteils genannten Grundsätze und Beurteilungskriterien bei der Beurteilung für das Jahr 2009 und einer damit verbundenen Benachteiligung von Frau Riežniece eine mittelbare Diskriminierung im Sinne von Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 76/207 vorliegen würde; dies zu prüfen ist Sache des nationalen Gerichts.

    49

    Als Drittes ist zu prüfen, inwiefern der Arbeitgeber von Frau Riežniece sie nach den Ergebnissen der Beurteilung für das Jahr 2009 auf einen anderen Arbeitsplatz versetzen durfte.

    50

    Nach Paragraf 2 Nr. 5 der Rahmenvereinbarung über Elternurlaub hat der Arbeitnehmer im Anschluss an den Elternurlaub das Recht, an seinen früheren Arbeitsplatz zurückzukehren oder, wenn das nicht möglich ist, entsprechend seinem Arbeitsvertrag oder Arbeitsverhältnis einer gleichwertigen oder ähnlichen Arbeit zugewiesen zu werden.

    51

    Das vorlegende Gericht hat somit zu prüfen, ob es unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens dem Arbeitgeber nicht möglich war, Frau Riežniece wieder ihren früheren Arbeitsplatz zuzuweisen, und, wenn ja, ob die ihr zugewiesene Arbeit gleichwertig oder ähnlich war und ihrem Arbeitsvertrag oder Arbeitsverhältnis entsprach.

    52

    Frau Riežniece hat vor dem vorlegenden Gericht insbesondere geltend gemacht, der Lauku atbalsta dienests habe Kenntnis von der bevorstehenden Umstrukturierung der Informationsabteilung gehabt; indem er ihr eine Stelle angeboten habe, deren Streichung bereits geplant gewesen sei, habe er seine Pflicht, ihr eine gleichwertige Stelle anzubieten, nicht erfüllt.

    53

    Sollte dies zutreffen, ist festzustellen, dass eine solche Vorgehensweise, die geeignet ist, der Betroffenen den ihr durch Paragraf 2 Nrn. 4 und 5 der Rahmenvereinbarung über Elternurlaub garantierten Schutz vorzuenthalten, nicht zulässig ist.

    54

    Der Arbeitgeber darf nämlich das Recht eines Arbeitnehmers, der Elternurlaub in Anspruch genommen hat, zu den in Paragraf 2 Nr. 5 der Rahmenvereinbarung über Elternurlaub vorgesehenen Bedingungen auf einen anderen Arbeitsplatz versetzt zu werden, nicht dadurch aushöhlen, dass er diesem Arbeitnehmer eine Stelle anbietet, die gestrichen werden soll.

    55

    Daher hat das vorlegende Gericht insbesondere zu prüfen, ob der Arbeitgeber von Frau Riežniece zu dem Zeitpunkt, als er ihr einen neuen Arbeitsplatz anbot, Kenntnis davon hatte, dass diese Stelle gestrichen werden sollte, was zu ihrer Entlassung führte.

    56

    Nach alledem ist auf die vorgelegten Fragen zu antworten, dass die Richtlinie 76/207 – unter der Voraussetzung, dass eine sehr viel höhere Zahl von Frauen als von Männern Elternurlaub in Anspruch nimmt, was das nationale Gericht zu prüfen hat – und die Rahmenvereinbarung über Elternurlaub im Anhang der Richtlinie 96/34 dahin auszulegen sind, dass sie dem entgegenstehen,

    dass bei der Beurteilung von Arbeitnehmern im Rahmen der Streichung von Beamtenstellen aufgrund einer landesweiten wirtschaftlichen Rezession ein Arbeitnehmer, der Elternurlaub genommen hat, in seiner Abwesenheit auf der Grundlage von Grundsätzen und Beurteilungskriterien beurteilt wird, die ihn gegenüber Arbeitnehmern, die keinen Elternurlaub in Anspruch genommen haben, benachteiligen; zwecks Prüfung, dass dies nicht der Fall ist, muss sich das nationale Gericht insbesondere vergewissern, dass sich die Beurteilung auf alle Arbeitnehmer erstreckt, die von der Streichung des Arbeitsplatzes betroffen sein können, dass sie auf Kriterien beruht, die mit den für Arbeitnehmer im aktiven Dienst geltenden Kriterien vollkommen identisch sind, und dass die Anwendung dieser Kriterien nicht die physische Anwesenheit der im Elternurlaub befindlichen Arbeitnehmer voraussetzt, und

    dass eine Arbeitnehmerin, die im Anschluss an ihren Elternurlaub und nach dieser Beurteilung auf eine andere Stelle versetzt wurde, aufgrund der Streichung dieses neuen Arbeitsplatzes entlassen wird, sofern es dem Arbeitgeber nicht unmöglich war, ihr wieder ihren früheren Arbeitsplatz zuzuweisen, oder wenn die ihr zugewiesene Arbeit nicht gleichwertig oder ähnlich war und ihrem Arbeitsvertrag oder Arbeitsverhältnis entsprach, insbesondere weil der Arbeitgeber zum Zeitpunkt der Versetzung Kenntnis davon hatte, dass der neue Arbeitsplatz gestrichen werden sollte, was das nationale Gericht zu prüfen hat.

    Kosten

    57

    Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

     

    Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:

     

    Die Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen in der durch die Richtlinie 2002/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 geänderten Fassung – unter der Voraussetzung, dass eine sehr viel höhere Zahl von Frauen als von Männern Elternurlaub in Anspruch nimmt, was das nationale Gericht zu prüfen hat – und die am 14. Dezember 1995 geschlossene Rahmenvereinbarung über Elternurlaub im Anhang der Richtlinie 96/34/EG des Rates vom 3. Juni 1996 zu der von UNICE, CEEP und EGB geschlossenen Rahmenvereinbarung in der durch die Richtlinie 97/75/EG des Rates vom 15. Dezember 1997 geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass sie dem entgegenstehen,

     

    dass bei der Beurteilung von Arbeitnehmern im Rahmen der Streichung von Beamtenstellen aufgrund einer landesweiten wirtschaftlichen Rezession ein Arbeitnehmer, der Elternurlaub genommen hat, in seiner Abwesenheit auf der Grundlage von Grundsätzen und Beurteilungskriterien beurteilt wird, die ihn gegenüber Arbeitnehmern, die keinen Elternurlaub in Anspruch genommen haben, benachteiligen; zwecks Prüfung, dass dies nicht der Fall ist, muss sich das nationale Gericht insbesondere vergewissern, dass sich die Beurteilung auf alle Arbeitnehmer erstreckt, die von der Streichung des Arbeitsplatzes betroffen sein können, dass sie auf Kriterien beruht, die mit den für Arbeitnehmer im aktiven Dienst geltenden Kriterien vollkommen identisch sind, und dass die Anwendung dieser Kriterien nicht die physische Anwesenheit der im Elternurlaub befindlichen Arbeitnehmer voraussetzt, und

     

    dass eine Arbeitnehmerin, die im Anschluss an ihren Elternurlaub und nach dieser Beurteilung auf eine andere Stelle versetzt wurde, aufgrund der Streichung dieses neuen Arbeitsplatzes entlassen wird, sofern es dem Arbeitgeber nicht unmöglich war, ihr wieder ihren früheren Arbeitsplatz zuzuweisen, oder wenn die ihr zugewiesene Arbeit nicht gleichwertig oder ähnlich war und ihrem Arbeitsvertrag oder Arbeitsverhältnis entsprach, insbesondere weil der Arbeitgeber zum Zeitpunkt der Versetzung Kenntnis davon hatte, dass der neue Arbeitsplatz gestrichen werden sollte, was das nationale Gericht zu prüfen hat.

     

    Unterschriften


    ( *1 ) Verfahrenssprache: Lettisch.

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