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Document 62012CC0295

Schlussanträge des Generalanwalts M. Wathelet vom 26. September 2013.
Telefónica SA und Telefónica de España SAU gegen Europäische Kommission.
Art. 102 AEUV – Missbrauch einer beherrschenden Stellung – Spanische Märkte für Breitband-Internetzugang – Margenbeschneidung – Art. 263 AEUV – Rechtmäßigkeitskontrolle – Art. 261 AEUV – Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung – Art. 47 der Grundrechtecharta – Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes – Unbeschränkte Nachprüfung – Höhe der Geldbuße – Grundsatz der Verhältnismäßigkeit – Diskriminierungsverbot.
Rechtssache C‑295/12 P.

Court reports – general

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2013:619

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MELCHIOR WATHELET

vom 26. September 2013 ( 1 )

Rechtssache C‑295/12 P

Telefónica SA,

Telefónica de España SAU

gegen

Europäische Kommission

„Wettbewerb — Missbrauch einer beherrschenden Stellung — Kosten-Preis-Schere (Margenbeschneidung) — Von der Telefónica SA auf dem spanischen Markt für Breitbandzugänge berechnete Großkundenpreise — Geldbuße — Begründungspflicht der Kommission — Berechnungsmethode — Diskriminierungsverbot — Grundsatz der Verhältnismäßigkeit — Unbeschränkte Nachprüfung des Gerichts“

Inhaltsverzeichnis

 

I – Vorgeschichte des Rechtsstreits

 

II – Die Klage beim Gericht und das angefochtene Urteil

 

III – Das Verfahren vor dem Gerichtshof

 

IV – Das Rechtsmittel

 

A – Zum Antrag auf Zugang zur wörtlichen Niederschrift oder zur Aufzeichnung der mündlichen Verhandlung vor dem Gericht

 

B – Zur Einrede der Unzulässigkeit, die die Kommission gegen das gesamte Rechtsmittel erhoben hat.

 

C – Zum Rechtsmittel

 

1. In ihrer Gesamtheit unzulässig sind der zweite, der dritte, der vierte und der fünfte Rechtsmittelgrund

 

a) Der zweite Rechtsmittelgrund

 

b) Der dritte Rechtsmittelgrund

 

c) Der vierte Rechtsmittelgrund

 

d) Der fünfte Rechtsmittelgrund

 

2. Teilweise unzulässig und teilweise unbegründet sind der erste, der sechste, der siebte und der neunte Rechtsmittelgrund

 

a) Der erste und der neunte Rechtsmittelgrund

 

b) Der sechste Rechtsmittelgrund

 

c) Der siebte Rechtsmittelgrund

 

i) Der erste Teil des siebten Rechtsmittelgrundes

 

ii) Der zweite Teil des siebten Rechtsmittelgrundes

 

– Die erste Rüge

 

– Die zweite Rüge

 

3. Der achte Rechtsmittelgrund (Berechnung des Betrags der Geldbuße) und der zehnte Rechtsmittelgrund (Verletzung der Verpflichtung zu unbeschränkter Nachprüfung in Bezug auf die Sanktionen)

 

i) Erster Teil des achten Rechtsmittelgrundes (zweites und drittes Argument der ersten Rüge und zweite Rüge)

 

ii) Erstes und viertes Argument der ersten Rüge, dritte und vierte Rüge des ersten Teils sowie die übrigen Rügen des achten und des zehnten Rechtsmittelgrundes

 

– Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

 

– Untersuchung

 

α) Erster Teil: Rechte und Pflichten der Kommission

 

β) Zweiter Teil: unbeschrδnkte Nachprόfung durch das Gericht

 

αα) Die Theorie der Befugnis zur unbeschrδnkten Nachprόfung

 

ββ) Die Anwendung der Theorie der Befugnis zu unbeschrδnkter Nachprόfung auf die vorliegende Rechtssache

 

V – Ergebnis

1. 

In der vorliegenden Rechtssache geht es um ein Rechtsmittel der Telefónica SA (im Folgenden: Telefónica) und der Telefónica de España SAU (im Folgenden: Telefónica de España) gegen das Urteil des Gerichts ( 2 ), mit dem ihre Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung C(2007) 3196 final der Kommission ( 3 ) nebst ihrem Hilfsantrag auf Aufhebung oder Herabsetzung der Geldbuße abgewiesen wurde.

I – Vorgeschichte des Rechtsstreits

2.

Das Gericht hat die Vorgeschichte des Rechtsstreits in den Randnrn. 3 bis 29 des angefochtenen Urteils wie folgt zusammengefasst:

„3

Am 11. Juli 2003 legte die Wanadoo España SL (jetzt France Telecom España SA) (im Folgenden: France Telecom) bei der Kommission … eine Beschwerde ein, mit der sie geltend machte, dass die Spanne zwischen den Großkundenpreisen, die die Tochtergesellschaften von Telefónica ihren Wettbewerbern für Großkunden-Breitbandzugänge in Spanien berechneten, und den Preisen, die Telefónica Endkunden in Rechnung stelle, nicht ausreiche, um den Wettbewerbern von Telefónica einen wirksamen Wettbewerb mit dieser zu ermöglichen …

6

Am 4. Juli 2007 erließ die Kommission die angefochtene Entscheidung, die Gegenstand der vorliegenden Klage ist.

7

Als Erstes machte die Kommission in der angefochtenen Entscheidung drei relevante Produktmärkte aus, und zwar einen Endkunden-Breitbandmarkt und zwei Großkunden-Breitbandmärkte …

15

Bei dem räumlich relevanten Markt sowohl auf Großkunden- als auch auf Endkundenebene handelt es sich nach der angefochtenen Entscheidung um den nationalen (spanischen) Markt …

16

Als Zweites stellte die Kommission fest, dass Telefónica auf den beiden relevanten Großkundenmärkten eine beherrschende Stellung eingenommen habe … Im fraglichen Zeitraum habe Telefónica das Monopol für die Bereitstellung der regionalen Großkundenprodukte und mehr als 84 % des nationalen Großkundenmarkts innegehabt … Der angefochtenen Entscheidung zufolge … hat Telefónica auch eine beherrschende Stellung auf dem Endkundenmarkt eingenommen.

17

Als Drittes prüfte die Kommission, ob Telefónica ihre beherrschende Stellung auf den relevanten Märkten missbraucht habe … Sie stellte hierzu fest, dass Telefónica dadurch gegen Art. 82 EG verstoßen habe, dass sie im Zeitraum von September 2001 bis Dezember 2006 von ihren Wettbewerbern unfaire Preise in Sinne einer Kosten-Preis-Schere zwischen den Preisen für einen Breitbandzugang auf dem spanischen ‚Massenmarkt‘ und den Preisen für den Großkunden-Breitbandzugang auf regionaler und nationaler Ebene verlangt habe …

25

Zur Festsetzung der Geldbuße wandte die Kommission in der [streitigen] Entscheidung das Verfahren an, das in den Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17[ ( 4 ) ] und gemäß Artikel 65 Absatz 5 [KS]-Vertrag festgesetzt werden (ABl. 1998, C 9, S. 3, im Folgenden: Leitlinien von 1998), festgelegt ist.

26

Erstens prüfte die Kommission die Schwere und die Auswirkungen des Verstoßes sowie die Größe des relevanten räumlichen Marktes. Sie führte zunächst zur Schwere des Verstoßes aus, es handele sich um einen eindeutigen Missbrauch durch ein Unternehmen, das ein faktisches Monopol innehabe, der gemäß den Leitlinien von 1998 als ‚besonders schwer‘ einzustufen sei … In den Erwägungsgründen 744 bis 750 der [streitigen] Entscheidung grenzt die Kommission die vorliegende Rechtssache von der Entscheidung [Deutsche Telekom][ ( 5 ) ] ab, in der der von der Deutschen Telekom begangene Missbrauch, der ebenfalls in einer Margenbeschneidung [‚Margin squeeze‘ oder ‚Kosten-Preis-Schere‘ ( 6 )] bestanden habe, nicht als ‚besonders schwer‘ im Sinne der Leitlinien von 1998 eingestuft worden sei. Sodann stellte die Kommission zu den Auswirkungen der festgestellten Zuwiderhandlung in Rechnung, dass die relevanten Märkte beachtliche wirtschaftliche Bedeutung hätten, für die Schaffung der Informationsgesellschaft entscheidend seien und der Missbrauch durch Telefónica erhebliche Auswirkungen auf den Endkundenmarkt gehabt habe … Zum Umfang des relevanten räumlichen Marktes stellte die Kommission schließlich fest, dass der spanische Breitbandmarkt der fünftgrößte Breitbandmarkt in der Europäischen Union sei und dass, auch wenn die Fälle einer Kosten-Preis-Schere notwendigerweise auf einen einzigen Mitgliedstaat beschränkt seien, in diesen Fällen der Marktzugang von Betreibern aus anderen Mitgliedstaaten zu einem schnell wachsenden Markt verhindert werde …

27

Nach der angefochtenen Entscheidung wird mit dem auf 90000000 Euro festgesetzten Ausgangsbetrag der Geldbuße berücksichtigt, dass die Schwere des missbräuchlichen Verhaltens im Laufe des betreffenden Zeitraums, vor allem nach Erlass der Entscheidung Deutsche Telekom, deutlicher geworden sei … Aufgrund der erheblichen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit von Telefónica wurde auf diesen Betrag ein Multiplikator von 1,25 angewandt, um eine hinreichend abschreckende Wirkung der Geldbuße zu gewährleisten, so dass der Ausgangsbetrag der Geldbuße auf 112500000 Euro erhöht wurde …

28

Zweitens erhöhte die Kommission den Ausgangsbetrag der Geldbuße um 50 %, da das missbräuchliche Verhalten von September 2001 bis Dezember 2006, d. h. fünf Jahre und vier Monate, gedauert habe. Der Grundbetrag der Geldbuße wurde damit auf 168750000 Euro festgesetzt …

29

Als Drittes ging die Kommission auf der Grundlage der verfügbaren Beweise davon aus, dass im vorliegenden Fall bestimmte mildernde Umstände berücksichtigt werden könnten, da der Verstoß zumindest fahrlässig begangen worden sei. Daher wurde Telefónica eine Herabsetzung ihrer Geldbuße um 10 % gewährt, was zur Festsetzung einer Geldbuße auf 151875000 Euro führte …“

II – Die Klage beim Gericht und das angefochtene Urteil

3.

In ihren Klagen beim Gericht stützten Telefónica und Telefónica de España (im Folgenden: Rechtsmittelführerinnen) ihre auf Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung gerichteten Hauptanträge auf sechs Gründe, mit denen sie einen Verstoß gegen die Verteidigungsrechte, Sachverhaltsirrtümer und Rechtsfehler bei der Bestimmung der relevanten Großkundenmärkte, Sachverhaltsirrtümer und Rechtsfehler bei der Feststellung ihrer beherrschenden Stellung auf den relevanten Märkten, Rechtsfehler bei der Anwendung von Art. 102 AEUV in Bezug auf ihr missbräuchliches Verhalten, Sachverhaltsirrtümer oder eine fehlerhafte Würdigung des Sachverhalts sowie Rechtsfehler in Bezug auf ihr missbräuchliches Verhalten sowie dessen wettbewerbsbeschränkende Auswirkungen und schließlich eine Anwendung ultra vires von Art. 102 AEUV und eine Verletzung der Grundsätze der Subsidiarität, der Verhältnismäßigkeit, der Rechtssicherheit, der loyalen Zusammenarbeit und der ordnungsgemäßen Verwaltung rügten.

4.

Hilfsweise machten die Rechtsmittelführerinnen zwei Gründe für die Nichtigerklärung oder Herabsetzung der Geldbuße geltend: i) Sachverhaltsirrtümer und Rechtsfehler sowie einen Verstoß gegen Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 und Art. 23 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 ( 7 ) sowie gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes und ii) Sachverhaltsirrtümer und Rechtsfehler sowie einen Verstoß gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit, der Gleichbehandlung, der individuellen Zumessung von Strafen und gegen die Begründungspflicht bei der Bemessung der Geldbuße. Das Gericht hat diese Klagegründe zurückgewiesen und die Klage insgesamt abgewiesen.

III – Das Verfahren vor dem Gerichtshof

5.

Neben den Rechtsmittelführerinnen haben sich drei Streithelferinnen im ersten Rechtszug am schriftlichen Verfahren vor dem Gerichtshof beteiligt: die Asociación de usuarios de servicios bancarios (Ausbanc Consumo, im Folgenden: Ausbanc), die France Telecom (Beschwerdeführerin, die dieses Verfahren in Gang gesetzt hat) und die European Competitive Telecommunications Association (im Folgenden: ECTA). In der mündlichen Verhandlung, die am 16. Mai 2013 stattgefunden hat – und die sich nur auf den siebten, den achten und den zehnten Rechtsmittelgrund (die angebliche Rechtsfehler bei der Bemessung der Geldbuße und der Verpflichtung des Gerichts zur unbeschränkten Nachprüfung betrafen) bezogen hat –, haben alle diese Verfahrensbeteiligten Erklärungen abgegeben.

IV – Das Rechtsmittel

A – Zum Antrag auf Zugang zur wörtlichen Niederschrift oder zur Aufzeichnung der mündlichen Verhandlung vor dem Gericht

6.

Die Rechtsmittelführerinnen und Ausbanc haben beim Gericht beantragt, ihnen gemäß Art. 15 AEUV Zugang zur wörtlichen Niederschrift oder zur Aufzeichnung der mündlichen Verhandlung, die am 23. Mai 2011 vor dem Gericht stattfand, zu gewähren. Nach meiner Ansicht sind diese Anträge zurückzuweisen, da die wörtliche Niederschrift oder die Aufzeichnung der mündlichen Verhandlung, die vor dem Gericht stattgefunden hat, nicht zu den Akten gehört, die dem Gerichtshof gemäß Art. 5 Abs. 1 der Dienstanweisung für den Kanzler des Gerichts zugeleitet worden sind.

B – Zur Einrede der Unzulässigkeit, die die Kommission gegen das gesamte Rechtsmittel erhoben hat.

7.

Festzustellen ist, dass i) die konfus und wenig strukturiert formulierte Rechtsmittelschrift außergewöhnlich lang – die französische Übersetzung der Rechtsmittelschrift zählt nicht weniger als 133 Seiten, und zwar mit einfachem Zeilenabstand bei 492 Randnummern ( 8 ) – und voller Wiederholungen ist; mit ihr werden mehrere hundert Gründe, Teilgründe, Rügen, Argumente und Teile von Argumenten vorgetragen (was nach den Ausführungen der Kommission einen Rekord in der Geschichte der Rechtsstreitigkeiten der Union darstellt); ii) das Rechtsmittel praktisch systematisch darauf abzielt, unter dem Vorwand, dass das Gericht ein „falsches rechtliches Kriterium“ angewandt habe, eine erneute Prüfung des Sachverhalts herbeizuführen; iii) die Gründe häufig als bloße, einer Begründung entbehrende Behauptungen eingeführt werden; iv) die Rechtsmittelführerinnen zum einen oft die streitige Entscheidung und nicht das angefochtene Urteil beanstanden und zum anderen, wenn sich ihre Beanstandungen tatsächlich gegen das angefochtene Urteil richten, praktisch niemals die genauen Abschnitte oder Randnummern dieses Urteils angeben, die angebliche Rechtsfehler enthalten sollen.

8.

Diese Feststellungen und die Schwierigkeit oder sogar die Unmöglichkeit, ihre Verfahrensrechte auszuüben, veranlassten die Kommission zur Erhebung der Einrede der Unzulässigkeit, und zwar gegen das gesamte Rechtsmittel. Selbst wenn ich Verständnis für diese Einrede der Unzulässigkeit – und im Übrigen erscheinen mir zahlreiche Teile des Rechtsmittels offensichtlich unzulässig – aufbringen kann, kann das Rechtsmittel als solches doch nicht insgesamt für unzulässig erklärt werden, da einige der Gründe oder Argumente des Rechtsmittels (auch wenn sie Stecknadeln in einem Heuhaufen sind) die Zulässigkeitsanforderungen erfüllen. Diese Stecknadeln werfen im Übrigen grundsätzliche, mitunter noch nicht behandelte Fragen auf, die insbesondere die Pflicht des Gerichts zu wirklich unbeschränkter Nachprüfung betreffen.

9.

Daher ist meines Erachtens die von der Kommission gegen das Rechtsmittel insgesamt erhobene Einrede der Unzulässigkeit zurückzuweisen.

C – Zum Rechtsmittel

1. In ihrer Gesamtheit unzulässig sind der zweite, der dritte, der vierte und der fünfte Rechtsmittelgrund

10.

Diese Rechtsmittelgründe – mit denen angebliche Rechtsfehler bei der Bestimmung der relevanten Märkte, der Beurteilung der beherrschenden Stellung und des Missbrauchs dieser Stellung sowie dessen Auswirkungen auf den Wettbewerb gerügt werden – sind meines Erachtens unzulässig, da mit ihnen im Wesentlichen Tatsachenbeurteilungen im Urteil des Gerichts beanstandet werden. Zudem werden in diesen Rechtsmittelgründen nur selten die Punkte oder Abschnitte des angefochtenen Urteils angegeben, auf die sie sich beziehen, obwohl diese Angabe nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs, die durch Art. 169 Abs. 2 und Art. 178 Abs. 3 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs kodifiziert und bestätigt wird, erforderlich ist.

a) Der zweite Rechtsmittelgrund

11.

Die Rechtsmittelführerinnen machen geltend (Randnr. 37 der Rechtsmittelschrift), dass das Gericht zu Unrecht nicht berücksichtigt habe, dass die entbündelten Teilnehmeranschlüsse, das nationale Großkundenangebot und das regionale Großkundenangebot Teil desselben Großkundenmarktes seien, bzw. hilfsweise, dass das nationale Großkundenangebot und das regionale Großkundenangebot Teil desselben Großkundenmarktes seien.

12.

Ich denke, dass der von der Kommission, der ECTA, France Telecom und Ausbanc gegen den gesamten zweiten Rechtsmittelgrund erhobenen Einrede der Unzulässigkeit stattzugeben ist. Erstens sind die zur Stützung dieses Rechtsmittelgrundes erhobenen Rügen unklar und praktisch nicht nachvollziehbar. Zweitens sollen mit diesem Rechtsmittelgrund in Wirklichkeit die Tatsachenbeurteilungen des Gerichts angefochten werden. Drittens stellen die Rechtsmittelführerinnen mehrere neue Behauptungen auf, die im ersten Rechtszug nicht erörtert worden sind, nämlich dass die Kommission das „SSNIP-Kriterium“ ( 9 ) nicht angewandt habe, die Definition der Märkte nicht mit der Bekanntmachung über die Definition der Märkte ( 10 ) vereinbar sei, die Definition der Märkte eine empirische Untersuchung anhand eines Markttests und/oder eines wirtschaftsstatistischen Gutachtens erfordere, und schließlich, dass das SSNIP-Kriterium in einem konkreten zeitlichen Rahmen angewandt werden müsse.

b) Der dritte Rechtsmittelgrund

13.

Die Rechtsmittelführerinnen beanstanden (Randnr. 93 der Rechtsmittelschrift) die Erwägungen des Gerichts zu der beherrschenden Stellung, die sie auf dem nationalen und dem regionalen Großkundenmarkt einnähmen.

14.

Auch da bin ich der Ansicht, dass der von der ECTA, France Telecom und Ausbanc erhobenen Einrede der Unzulässigkeit stattzugeben ist, da der dritte Rechtsmittelgrund auf neuem Vorbringen beruht, durch das die Tatsachenbeurteilungen des Gerichts in Frage gestellt werden sollen, aufgrund deren es auf eine beherrschende Stellung geschlossen habe. Indem die Rechtsmittelführerinnen die Randnrn. 149, 150, 162 und 163 des angefochtenen Urteils beanstanden – da sich das Gericht für die Feststellung einer beherrschenden Stellung allein auf die hohen Marktanteile der Rechtsmittelführerinnen gestützt und dabei den Wettbewerbsdruck, dem sie auf einem Markt ohne Zutritts- oder Austrittsschranken ausgesetzt gewesen seien, zu Unrecht nicht berücksichtigt habe –, bestreiten sie vom Gericht in Randnr. 157 des angefochtenen Urteils gewürdigte Tatsachen, aufgrund deren es den betreffenden Großkundenmarkt nicht als einen Markt ohne Zutritts- oder Austrittsschranken angesehen habe ( 11 ). Mithin ist dieses Vorbringen für unzulässig zu erklären.

c) Der vierte Rechtsmittelgrund

15.

Die Rechtsmittelführerinnen machen im Kern (Randnr. 120 der Rechtsmittelschrift) geltend, das Gericht habe unzutreffenderweise festgestellt, dass sie gegen Art. 102 AEUV verstoßen hätten, obwohl die Tatbestandsmerkmale einer missbräuchlichen Verweigerung von Geschäftsbeziehungen („refusal to deal“) nicht erfüllt seien, und habe damit ihr Eigentum sowie die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit, der Rechtssicherheit und der Legalität verletzt.

16.

Auch in diesem Punkt bin ich der Ansicht, dass die – von der Kommission, der ECTA, France Telecom und Ausbanc erhobene – Einrede der Unzulässigkeit gegen den vierten Rechtsmittelgrund insgesamt Erfolg haben muss, da das Vorbringen, auf dem dieser Vorwurf beruht, i) nicht im ersten Rechtszug erörtert worden ist (beispielsweise das Vorbringen zur angeblichen Verletzung des Eigentums, das der Kernpunkt dieses Grundes zu sein scheint, oder das Vorbringen zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und dem Grundsatz der Rechtssicherheit); ii) der Bestreitung von Tatsachenbeurteilungen des Gerichts dient, um in Wirklichkeit eine neue Tatsachenbeurteilung des Gerichtshofs zu erlangen; iii) nicht verständlich ist (wie die Infragestellung des Urteils TeliaSonera Sverige ohne Angabe von Gründen ( 12 )) oder die beanstandeten Teile des angefochtenen Urteils nicht hinreichend klar bezeichnet.

d) Der fünfte Rechtsmittelgrund

17.

Mit diesem Rechtsmittelgrund (Randnr. 149 der Rechtsmittelschrift) wiederholen die Rechtsmittelführerinnen nach einer Zusammenfassung der beiden von der Kommission angewandten Kosten-Preis-Schere-Kriterien im Kern lediglich die entsprechenden Beanstandungen in ihrer Klageschrift im ersten Rechtszug vor dem Gericht und weisen die Ausführungen des Gerichts hierzu in den Randnrn. 199 bis 265 des angefochtenen Urteils zurück.

18.

In Wirklichkeit versuchen die Rechtsmittelführerinnen – sehr häufig ohne genaue Angabe der von ihnen gerügten Punkte des angefochtenen Urteils –, eine neue Beurteilung der vom Gericht festgestellten Tatsachen und Beweise zu erwirken, was im Rechtsmittelverfahren eindeutig unzulässig ist, sofern keine Verfälschung von Beweismitteln vorliegt, was die Rechtsmittelführerinnen nicht dargetan haben.

19.

Hierzu einige Beispiele:

Die Rechtsmittelführerinnen machen geltend, dass die anderen Wirtschaftsteilnehmer eine optimale Kombination von Großkundenprodukten verwendeten. Damit ziehen sie eine Tatsachenfeststellung des Gerichts in den Randnrn. 130, 195 und 280 des angefochtenen Urteils in Zweifel, wonach sich die Verwendung einer Kombination von Großkundenprodukten nicht erwiesen habe;

die Rechtsmittelführerinnen (Randnr. 162 der Rechtsmittelschrift) beanstanden anscheinend Randnr. 207 des angefochtenen Urteils mit der Rüge, das Gericht habe den Sachverhalt durch die Feststellung verfälscht, dass die tatsächliche Verwendung der entbündelten Teilnehmeranschlüsse erst Ende 2004 begonnen habe. Zum einen hätte das Gericht zwei Untersuchungszeiträume, vor und nach diesem Zeitpunkt, berücksichtigen müssen, und zum anderen hätten die Wettbewerber die Teilnehmeranschlüsse effektiv vor 2004 genutzt. Mit diesem Vorbringen wird keine konkrete Tatsache in den Akten bezeichnet, die vom Gericht verfälscht worden sein soll. Auf alle Fälle geht aus den Akten hervor, dass die Rechtsmittelführerinnen im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht haben, dass ab 2004 ein neuer Zeitraum begonnen hätte;

die Rechtsmittelführerinnen (Randnr. 167 der Rechtsmittelschrift) beanstanden anscheinend Randnr. 217 des angefochtenen Urteils mit der Rüge, dass das Gericht zu Unrecht angenommen habe, dass die Verlängerung des Modellzeitraums zu nicht hinnehmbaren Verzerrungen führen würde, und dabei die von den Rechtsmittelführerinnen vorgeschlagenen Berichtigungsmethoden unter Verstoß gegen die Unschuldsvermutung nicht berücksichtigt habe. Dazu genügt die Feststellung, dass sich das Gericht darauf beschränkt hat, ein Argument der Rechtsmittelführerinnen zusammenzufassen, ohne eine eigene Beurteilung abzugeben. In jedem Fall ist das Argument der Unschuldsvermutung von den Rechtsmittelführerinnen erstmals im Rahmen des Rechtsmittels vorgebracht worden;

die Rechtsmittelführerinnen (Randnrn. 178 ff. der Rechtsmittelschrift) machen auch geltend, dass dem Gericht mehrere Rechtsfehler unterlaufen seien, als es die von der Kommission in der streitigen Entscheidung angewandte Methode der Analyse nach einzelnen Zeiträumen in den Randnrn. 233 bis 264 des angefochtenen Urteils geprüft habe. Dieses Vorbringen halte ich für unzulässig, da die Rechtsmittelführerinnen vor dem Gericht nicht grundsätzlich die Anwendung der Methode der Analyse nach einzelnen Zeiträumen, sondern nur deren Durchführung durch die Kommission beanstandet haben;

die Rechtsmittelführerinnen machen (Randnr. 181 der Rechtsmittelschrift) auch geltend, dass das Gericht im Rahmen der Prüfung der Kosten des Vertriebspersonals in den Randnrn. 234 bis 244 des angefochtenen Urteils mehrere Rechtsfehler begangen habe. Das Gericht habe das Kriterium des „ebenso effektiven Wettbewerbers“ falsch angewandt, da es die Möglichkeit nicht berücksichtigt habe, dass ein ebenso effektiver Wettbewerber seinen Vertrieb an Subunternehmer vergeben könne. Dieses Vorbringen ist unzulässig, da es das Rechtsmittel durch neues Vorbringen über die Erörterungen im ersten Rechtszug hinaus ausdehnt und vom Gerichtshof eine neue Tatsachenbeurteilung verlangt;

die Rechtsmittelführerinnen (Randnr. 183 der Rechtsmittelschrift) beanstanden anscheinend Randnr. 244 des Urteils mit der Rüge, dass das Gericht zu Unrecht die in den Scorecards der Rechtsmittelführerinnen enthaltenen Kostenschätzungen nicht berücksichtigt, keine unbeschränkte Nachprüfung vorgenommen, das Kriterium der langfristigen durchschnittlichen Zusatzkosten (Long Run Average Incremental Costs – LRAIC) angewandt und für die Schätzung der Rahmenkosten des Vertriebs die buchmäßig vollständig zugeordneten tatsächlichen Kosten verwendet habe. Dieses Vorbringen ist ebenfalls zurückzuweisen, da mit ihm der Gerichtshof aufgefordert wird, in den Randnrn. 237 bis 244 des angefochtenen Urteils enthaltene Tatsachenbeurteilungen abzuändern;

das Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen zur Prüfung der durchschnittlichen Vertragsdauer des Kundenstamms, das sich auf die Randnrn. 245 bis 251 des angefochtenen Urteils bezieht, ist unzulässig, da es auf neuen Behauptungen beruht;

mit ihrer Rüge (Randnr. 188 der Rechtsmittelschrift), die sich anscheinend gegen die Randnrn. 256 und 257 des angefochtenen Urteils richtet, in denen das Gericht nach ihrer Meinung zu Unrecht die von ihnen vorgeschlagenen gewichteten durchschnittlichen Kapitalkosten (WACC) zurückgewiesen habe, und ihrem Vorwurf, dass dem Gericht in den Randnrn. 259 bis 264 des angefochtenen Urteils bei der Prüfung der angeblich doppelten Verbuchung mehrerer Kostenposten Rechtsfehler unterlaufen seien, stellen die Rechtsmittelführerinnen die Beweiswürdigung des Gerichts (das seine Überzeugung auf eine umfassende Prüfung des Akteninhalts und der Erörterungen zwischen den Beteiligten gestützt hat) in Frage;

die Rechtsmittelführerinnen machen (Randnr. 218 der Rechtsmittelschrift) auch geltend, dass das Gericht hätte feststellen müssen, dass die Kosten-Preis-Schere zwischen den Großkundenpreisen der Inputs und dem Endkundenpreis im vorliegenden Fall positiv gewesen sei, und aufgrund dessen einen Nachweis der konkreten Auswirkungen verlangen oder besonders hohe Anforderungen an den Beweis bezüglich der voraussichtlichen Auswirkungen des Verhaltens der Rechtsmittelführerinnen stellen müssen. Dieses Vorbringen ist – da es erstmals im Rechtsmittelverfahren erscheint – unzulässig.

20.

Die Rechtsmittelführerinnen führen sodann drei Argumente (Randnrn. 220, 227 und 231 der Rechtsmittelschrift) an, die anscheinend die Randnrn. 274 bis 276 des angefochtenen Urteils betreffen, da sie geltend machen, das Gericht habe zu Unrecht entschieden, dass die voraussichtlichen Auswirkungen des Verhaltens der Rechtsmittelführerinnen nachgewiesen seien, obwohl a) die Kommission hätte prüfen müssen, ob die Rentabilität der alternativen Betreiber, die tatsächlich ebenso effizient seien wie die Rechtsmittelführerinnen, wegen des Preisverhaltens der letztgenannten niedriger gewesen sei, b) die Kommission das Verhältnis zwischen den Großkundenpreisen und den Endkundenpreisen auf dem Markt hätte untersuchen müssen, um feststellen zu können, ob die Kosten-Preis-Schere die Möglichkeiten der alternativen Betreiber zur Festsetzung der Endkundenpreise tatsächlich begrenzt habe, und c) die Kommission das Verhältnis zwischen den Großkundenpreisen, den Ertragswerten der Betreiber und dem Niveau ihrer Investitionen hätte untersuchen müssen, um feststellen zu können, ob die Kosten-Preis-Schere die Investitionskapazität der alternativen Betreiber tatsächlich begrenzt habe. Diese drei Argumente halte ich für unzulässig, da sie im ersten Rechtszug nicht vorgetragen worden sind und mit ihnen bezweckt wird, im Rahmen des Rechtsmittels eine Erörterung der „konkreten Auswirkungen“ des Verhaltens der Rechtsmittelführerinnen im Rahmen des Rechtsmittels einzuleiten. In der Klageschrift wurde nur die Frage der „voraussichtlichen Auswirkungen“ in den Randnrn. 191 bis 199 aufgeworfen, wobei die streitige Entscheidung insoweit beanstandet wurde, als sie solche Auswirkungen als notwendige Folge der Ergebnisse des Kriteriums der Kosten-Preis-Schere annahm. Außerdem soll mit diesem Vorbringen auch die Tatsachenbeurteilung des Gerichts in den Randnrn. 275 und 276 des angefochtenen Urteils in Frage gestellt werden.

21.

Nach alledem sind der zweite, der dritte, der vierte und der fünfte Rechtsmittelgrund für unzulässig zu erklären.

2. Teilweise unzulässig und teilweise unbegründet sind der erste, der sechste, der siebte und der neunte Rechtsmittelgrund

a) Der erste und der neunte Rechtsmittelgrund

22.

Diese beiden Rechtsmittelgründe überschneiden sich derart, dass die Rechtsmittelführerinnen in der Wiedergabe des neunten Rechtsmittelgrundes einen Teil ihrer Ausführungen zu ihrem ersten Rechtsmittelgrund gleichlautend wiederholen. Die beiden Rechtsmittelgründe sind daher zusammen zu prüfen. Erstens bezieht sich das Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen (Randnr. 12 der Rechtsmittelschrift) auf die unverhältnismäßige Dauer des Verfahrens vor dem Gericht vom 1. Oktober 2007 bis zum 29. März 2012, die ihr durch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) und Art. 6 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, unterzeichnet in Rom am 4. November 1950 (im Folgenden: EMRK), gewährleistetes Grundrecht auf einen wirksamen Rechtsbehelf innerhalb einer angemessenen Frist verletze. Die Rechtsmittelführerinnen machen in erster Linie geltend (Randnr. 14 der Rechtsmittelschrift), dass die unverhältnismäßige Dauer des Verfahrens wegen ihrer Auswirkungen auf die Entscheidung des Rechtsstreits die Aufhebung des angefochtenen Urteils rechtfertige, da sie sie daran gehindert habe, vor der Entscheidung des Gerichtshofs in der Rechtssache TeliaSonera Sverige ein Rechtsmittel einzulegen oder ihr schriftliches Vorbringen anzupassen. Unabhängig davon, dass ich die Ansicht der Rechtsmittelführerinnen zu diesem Ursache-Wirkung-Verhältnis nicht teile, ist festzustellen, dass sie auf alle Fälle in der mündlichen Verhandlung vor dem Gericht, die mehrere Monate nach der Verkündung des Urteils TeliaSonera Sverige stattfand, ausdrücklich zu der diesem Urteil beizumessenden Auslegung Stellung genommen haben.

23.

Sodann führen die Rechtsmittelführerinnen (Randnr. 15 der Rechtsmittelschrift) hilfsweise an, dass auf jeden Fall der Betrag der Geldbuße gemäß dem Urteil Baustahlgewebe/Kommission ( 13 ) ermäßigt werden müsste.

24.

Mit der Kommission, der ECTA, France Telecom und Ausbanc bin ich der Ansicht, dass die Dauer des Verfahrens vor dem Gericht, etwas weniger als vier Jahre und sechs Monate, unter Berücksichtigung der folgenden Umstände in dieser Rechtssache nicht unangemessen ist ( 14 ): i) die technische Komplexität des Vorgangs (nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ( 15 )„kann die Komplexität der Sache herangezogen werden, um eine auf den ersten Blick zu lange Dauer zu rechtfertigen“); ii) Erhebung zweier Klagen gegen die streitige Entscheidung, von denen die eine die Rechtsmittelführerinnen und die andere das Königreich Spanien eingereicht haben. Die Klagen wurden vom Gericht parallel untersucht, was zu einer Verlängerung des Verfahrens führte; iii) Einreichung einer – bereits im ersten Rechtszug –übermäßig und völlig unüblich langen Klageschrift durch die Rechtsmittelführerinnen, die die in den Praktischen Anweisungen für die Parteien vor dem Gericht empfohlene Höchstzahl von Seiten bei Weitem überstieg. Diese Klageschrift musste bereinigt werden, was das schriftliche Verfahren verlängerte, und trotzdem war die bereinigte Fassung der Klageschrift, die beinahe 140 Seiten nebst zahl- und umfangreichen Anlagen umfasste, nach wie vor übermäßig lang, da sie die in den Praktischen Anweisungen vorgesehene Länge weit überstieg. Im Folgenden reichten die Rechtsmittelführerinnen eine Erwiderung von 112 Seiten nebst 25 Anlagen ein, mit der sie zusätzlich neues Vorbringen einführten; iv) mehrere Streithelferinnen traten dem Verfahren bei, so dass sich das schriftliche Verfahren bis Anfang 2009 verlängerte; und v) die Rechtsmittelführerinnen stellten schließlich zahlreiche Anträge auf vertrauliche Behandlung gegenüber den Streithelferinnen, die meist zurückgewiesen wurden, jedoch auch zur Verlängerung des Verfahrens beitrugen, da sich das Gericht gezwungen sah, bereinigte Fassungen verschiedener Unterlagen herzustellen.

25.

Zweitens beanstanden die Rechtsmittelführerinnen (Randnr. 19 der Rechtsmittelschrift) die Randnrn. 62 und 63 des angefochtenen Urteils, in denen das Gericht entschieden hat, dass die Anlagen zur Klageschrift und zur Erwiderung nur insoweit zu berücksichtigen seien, als sie Klagegründe oder Argumente untermauerten oder ergänzten, die die Klägerinnen in ihren Schriftsätzen ausdrücklich angeführt hätten, sowie die Randnrn. 231, 250 und 262 des angefochtenen Urteils, in denen das Gericht gemäß diesem Grundsatz einige durch Anlagen untermauerte Argumente bezüglich der Berechnung des Endwerts, der durchschnittlichen Vertragsdauer der Teilnehmeranschlüsse und der doppelten Verbuchung mehrerer Kostenpunkte für unzulässig erklärt hat.

26.

Dieses Vorbringen erscheint mir insgesamt unzulässig, da nicht genau angegeben wird, inwiefern der mögliche Verfahrensfehler die Interessen oder die Verfahrensrechte der Rechtsmittelführerinnen beeinträchtigt hat. Außerdem ist zum einen das Argument, wonach das Gericht die Einrede der Unzulässigkeit hätte zurückweisen müssen, da sie von der Kommission erst in der Gegenerwiderung und nicht in der Klageerwiderung erhoben worden sei, unzutreffend, da die Formgerechtigkeit der Verfahrenshandlungen eine Frage des zwingenden Rechts ist, die das Gericht unabhängig vom Verhalten des Beklagten von Amts wegen prüfen kann und die dieser aus dem gleichen Grund jederzeit während des Verfahrens aufwerfen kann. Zum anderen ist das Argument, mit dem die Rechtsmittelführerinnen Randnr. 62 des angefochtenen Urteils beanstanden – das Gericht könne nicht verlangen, dass die Klageschrift sämtliche wirtschaftlichen Berechnungen zur Untermauerung ihres Vorbringens enthalte – ebenfalls unzutreffend. Das Gericht hat nämlich im Sinne der Rechtsprechung in Randnr. 58 des angefochtenen Urteils nur verlangt, „dass die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Umstände, auf denen die Klage beruht, zumindest in gedrängter Form, jedenfalls aber zusammenhängend und verständlich, aus dem Wortlaut der Klageschrift selbst hervorgehen“.

27.

Drittens beanstanden die Rechtsmittelführerinnen (Randnr. 24 der Rechtsmittelschrift) Randnr. 182 des angefochtenen Urteils, weil das Gericht durch die Feststellung, dass sie sich im Rahmen der Beurteilung der Auswirkungen ihres Verhaltens nicht auf die fehlende Unentbehrlichkeit ihrer Großkundenprodukte berufen hätten, den Sachverhalt verfälscht und ihre Verfahrensrechte verletzt habe. In erster Linie behaupten sie, diese fehlende Unentbehrlichkeit in ihrer Klageschrift (Randnrn. 106 und 108), ihrer Erwiderung (Randnr. 216) und in der mündlichen Verhandlung wie auch im Rahmen des Vorbringens zur Anwendbarkeit von Art. 102 AEUV im Allgemeinen sowie im Rahmen der Beurteilung der Auswirkungen angeführt zu haben. Das Vorbringen zur fehlenden Unentbehrlichkeit der Großkundenprodukte stelle die Erweiterung eines bereits in der Klageschrift dargestellten Nichtigkeitsgrundes dar. Wie die Kommission und France Telecom finde ich, dass dieses Vorbringen ins Leere geht. Es genügt nämlich die Feststellung, dass die vom Gericht insbesondere in den Randnrn. 268 bis 272, 274 bis 281 und 389 bis 410 des angefochtenen Urteils angestellten Erwägungen nicht auf die Frage gestützt werden, ob die betreffenden Inputs unentbehrlich sind.

28.

Hilfsweise machen die Rechtsmittelführerinnen noch geltend (Randnr. 28 der Rechtsmittelschrift), dass ihnen Art. 48 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts in jedem Fall das Recht verleihe, neue Angriffs- und Verteidigungsmittel im Laufe des Verfahrens vorzubringen, die auf rechtliche oder tatsächliche Gründe gestützt werden, die erst während des Verfahrens zutage getreten seien; ein solcher Grund sei das Urteil TeliaSonera Sverige, da der Gerichtshof darin die Kriterien für die Beurteilung der Auswirkungen einer Kosten-Preis-Schere klargestellt habe. Nach ständiger Rechtsprechung, die auf eine Vorabentscheidung entsprechend anwendbar ist, rechtfertigt ein klageabweisendes Urteil jedoch nicht das Vorbringen neuer Angriffs- oder Verteidigungsmittel ( 16 ).

29.

Viertens vertreten die Rechtsmittelführerinnen (Randnr. 33 der Rechtsmittelschrift) die Ansicht, dass das Gericht ihre Verfahrensrechte und die Unschuldsvermutung verletzt habe. In erster Linie tragen sie vor, das Gericht habe die Unschuldsvermutung durch die Entscheidung verletzt, dass die Umstände, auf die sich die Kommission in der streitigen Entscheidung gestützt habe, die jedoch nicht in der Mitteilung der Beschwerdepunkte enthalten seien, nur dann unberücksichtigt bleiben dürften, wenn die Klägerinnen dartun könnten, dass sich das Ergebnis der streitigen Entscheidung dadurch geändert hätte. Das vom Gericht zugrunde gelegte Beweiskriterium stehe nicht im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (im Folgenden: EGMR).

30.

Meines Erachtens ist dieses Vorbringen für unzulässig zu erklären, da zum einen die Randnummern des angefochtenen Urteils, die den Rechtsfehler, dessen Beseitigung begehrt wird, enthalten sollen, nicht hinreichend genau angegeben werden und zum anderen in den Randnrn. 86 bis 109 des angefochtenen Urteils, in denen diese Frage im Einzelnen untersucht wird, Tatsachen beurteilt werden, was nicht mit einem Rechtsmittel angreifbar ist. Ich möchte hinzufügen, dass Randnr. 78 des angefochtenen Urteils offensichtlich nur ein obiter dictum zu einer Überlegung ist, die sich auf andere maßgebliche Erwägungen stützt, die in den Randnrn. 79 ff. dargelegt und von den Rechtsmittelführerinnen nicht beanstandet worden sind. Schließlich ist dieses Argument unzutreffend, da zum einen das vom Gericht im angefochtenen Urteil angewandte Kriterium auf der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs ( 17 ) beruht, die völlig im Einklang mit der Rechtsprechung des EGMR steht. Die unterbliebene Übermittlung eines Dokuments stellt nämlich nur dann eine Verletzung der Verfahrensrechte dar, wenn sich die Kommission auf dieses Dokument gestützt hat, um ihren Vorwurf zu untermauern, und dieser Vorwurf nur durch dieses Dokument nachgewiesen wird ( 18 ). Stützen mehrere Beweismittel spezifisch eine Feststellung oder eine Rüge, genügt es nicht, dass eines der Beweismittel nicht durchgreift, um diese Feststellung oder Rüge auszuschließen, wenn andere Beweismittel sie bestätigen. Zudem hat sich die Kommission für die Feststellung der Haftung der Rechtsmittelführerinnen auf keinen neuen Umstand gestützt, wie die Randnrn. 103 und 107 des angefochtenen Urteils belegen.

31.

Hilfsweise vertreten die Rechtsmittelführerinnen die Ansicht (Randnr. 36 der Rechtsmittelschrift), sie hätten dargetan, dass das Ergebnis der streitigen Entscheidung anders hätte ausfallen können, wenn die neuen Beweismittel ausgeschlossen worden wären. Da das Gericht dieses Vorbringen nicht beachtet habe, habe es den Sachverhalt verfälscht, einen offensichtlichen Beurteilungsfehler und einen Rechtsfehler in Bezug auf die Kriterien für die Beweiswürdigung begangen und außerdem die Begründungspflicht verletzt. Diese Rüge erscheint mir unzulässig, da sie auf knappen und allgemeinen Ausführungen beruht, und gleichzeitig unbegründet, da das Gericht in den Randnrn. 88 bis 109 des angefochtenen Urteils tatsächlich die angebliche Neuigkeit einiger Beweismittel und den Einfluss des angeblich fehlenden Zugangs zu diesen Beweismitteln geprüft hat. Außerdem denke ich, wie France Telecom, dass die von den Rechtsmittelführerinnen erwähnten Umstände nur in die Entscheidungen aufgenommen wurden, um deren Vorbringen in der Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte zu widerlegen, und dass das Gericht angenommen hat, dass sich die Kommission nicht auf die fraglichen Dokumente gestützt hat, um ihre Rüge zum Vorliegen eines Verstoßes zu untermauern (vgl. Randnr. 103 des angefochtenen Urteils).

32.

Nach alledem sind der erste und der neunte Rechtsmittelgrund teils unzulässig und teils unbegründet und daher zurückzuweisen.

b) Der sechste Rechtsmittelgrund

33.

Mit dem ersten Teil dieses Rechtsmittelgrundes rügen die Rechtsmittelführerinnen (Randnr. 242 der Rechtsmittelschrift), dass das Gericht bei der Prüfung des angeblichen Verstoßes der Kommission gegen das Verbot, ultra vires zu handeln, in den Randnrn. 287 bis 295 des angefochtenen Urteils mehrere Rechtsfehler begangen habe. Erstens habe das Gericht eine falsche Auslegung des Urteils Bronner ( 19 ) für zutreffend erklärt, indem es die Ansicht vertreten habe, dass die Kommission befugt gewesen sei, nachträglich die Preisbedingungen für die Nutzung nicht unentbehrlicher Infrastrukturen zu regeln. Wie jedoch France Telecom und die ECTA zutreffend ausgeführt haben, ist dieses Vorbringen offensichtlich unbegründet, da es darauf hinausläuft, dass Art. 102 AEUV nicht anwendbar wäre, wenn die im Urteil Bronner aufgestellten Voraussetzungen nicht erfüllt sind.

34.

Zweitens beanstanden die Rechtsmittelführerinnen (Randnr. 249 der Rechtsmittelschrift) anscheinend Randnr. 289 des angefochtenen Urteils, da das Gericht ihr Vorbringen verfälscht habe. Sie hätten nämlich nicht geltend gemacht, dass das Wettbewerbsrecht nicht auf „instrumentelle Märkte“ anwendbar sei, sondern, dass es nicht auf eine von der nationalen Regulierungsbehörde verfügte Zugangsverpflichtung anwendbar sei. Hierzu ist festzustellen, dass die Rechtsmittelführerinnen nicht angeben, welche Teile ihrer Schriftsätze verfälscht worden sein sollen oder welche Untersuchungsfehler zu dieser Verfälschung durch das Gericht geführt haben sollen. Im Übrigen haben die Rechtsmittelführerinnen im ersten Rechtszug sehr wohl ausgeführt, dass das Wettbewerbsrecht keine Anwendung auf „instrumentelle Märkte“ finden könne (Randnr. 241 ihrer Erwiderung). Diese Rüge geht jedenfalls ins Leere, denn die Rechtsmittelführerinnen stellen nicht in Abrede, dass die Antwort des Gerichts rechtlich zutreffend ist.

35.

Drittens beanstanden die Rechtsmittelführerinnen (Randnr. 251 der Rechtsmittelschrift) anscheinend Randnr. 290 des angefochtenen Urteils mit der Rüge, dass das Gericht die Verwendung des Begriffs „Investitionsleiter“ nicht in Frage gestellt habe, der – weil „regulatorischer“ Art – die Kommission dazu verleitet habe, die Möglichkeit einer Kombination von Produkten außer Acht zu lassen. Diese Rüge ist offensichtlich unzulässig, denn sie betrifft keinen Rechtsfehler und stellt keine der Ausführungen des Gerichts in Randnr. 290 des angefochtenen Urteils in Frage.

36.

Viertens beanstanden die Rechtsmittelführerinnen (Randnr. 253 der Rechtsmittelschrift) anscheinend Randnr. 293 des angefochtenen Urteils mit der Rüge, dass das Gericht ihr Vorbringen verfälscht habe, denn sie hätten nicht der Anwendung von Art. 102 AEUV auf den Telekommunikationsmarkt widersprochen, sondern dessen Verwendung durch die Kommission zu Regulierungszwecken beanstandet. Dieses Vorbringen ist unzulässig, da die Rechtsmittelführerinnen weder die Teile ihrer Schriftsätze angeben, die verfälscht worden sein sollen, noch die Untersuchungsfehler, die das Gericht zu dieser Verfälschung gebracht haben sollen. Auf alle Fälle hat das Gericht meines Erachtens das Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen nicht verfälscht, die tatsächlich geltend gemacht haben, es liege kein Missbrauch einer beherrschenden Stellung vor, da das Telekommunikationsrecht andere Zwecke als das Wettbewerbsrecht verfolge.

37.

Fünftens beanstanden die Rechtsmittelführerinnen (Randnr. 254 der Rechtsmittelschrift) anscheinend Randnr. 294 des angefochtenen Urteils mit der Rüge, dass das Gericht den Sachverhalt durch die Feststellung verfälscht habe, dass nur die 2006 erlassenen Maßnahmen der Kommission übermittelt worden seien, obwohl zum einen das Königreich Spanien den neuen Regelungsrahmen 2003 durch das Telekommunikations-Rahmengesetz Nr. 32/2003 vom 3. November 2003 übernommen und zum anderen die Kommission eine Kontrolle durch die Umsetzungsberichte, die sie seit 1997 veröffentliche, ausgeübt habe. Wie die Kommission, die ECTA und France Telecom zutreffend ausgeführt haben, hat das Gericht keine Tatsachen verfälscht, denn bis 2006 ist der Kommission keine Maßnahme mitgeteilt worden, was die Rechtsmittelführerinnen nicht bestreiten. Dass die spanischen Behörden bereits vor 2006 im Rahmen des Unionsrechts gehandelt haben, ist grundsätzlich unerheblich, da die Rechtsmittelführerinnen argumentieren, dass die Kommission gemäß dem neuen Regelungsrahmen von ihren Befugnissen hätte Gebrauch machen müssen (Randnr. 291 des angefochtenen Urteils), das Gericht jedoch feststellt, dass dies vor der Mitteilung der Maßnahmen im Jahr 2006 nicht möglich gewesen sei (Randnr. 294 des angefochtenen Urteils).

38.

Mit dem zweiten Teil dieses Rechtsmittelgrundes machen die Rechtsmittelführerinnen geltend (Randnr. 255 der Rechtsmittelschrift), dass das Gericht mehrere Rechtsfehler bei der Prüfung in den Randnrn. 296 bis 308 des angefochtenen Urteils begangen habe. Erstens beanstanden sie (Randnr. 259 der Rechtsmittelschrift) anscheinend Randnr. 306 des angefochtenen Urteils mit der Rüge, dass das Gericht den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dadurch verletzt habe, dass es nicht geprüft habe, ob die streitige Entscheidung in Ansehung der auch von der nationalen Regulierungsbehörde (Comisión del Mercado de las Telecomunicaciones [spanische Kommission für den Telekommunikationsmarkt; im Folgenden: CMT]) verfolgten Ziele angemessen und notwendig gewesen sei. Sie rügen auch eine Verletzung der Verfahrensrechte, da das Gericht von ihnen den Beweis verlangt habe, dass die Handlungsweise der Kommission gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen habe, obwohl der Kommission der Nachweis oblegen hätte, dass ihre Handlungsweise diesem Grundsatz entsprochen habe. Im Einklang mit der Kommission und der ECTA denke ich, dass dieses Vorbringen unzulässig ist, da es nicht vor dem Gericht vorgetragen worden ist.

39.

Zweitens beanstanden die Rechtsmittelführerinnen (Randnr. 261 der Rechtsmittelschrift) anscheinend Randnr. 306 des angefochtenen Urteils mit der Rüge, dass das Gericht den Grundsatz der Rechtssicherheit durch die Annahme, dass ein mit dem Regelungsrahmen vereinbares Verhalten einen Verstoß gegen Art. 102 AEUV darstellen könne, verletzt habe. Dieses Vorbringen ist ebenfalls unzulässig, da sich die Rechtsmittelführerinnen vor dem Gericht darauf beschränkt haben, sich auf eine Verletzung des Grundsatzes der Rechtssicherheit zu berufen, die darin bestanden habe, dass die Kommission das Verhalten der CMT nicht untersucht habe.

40.

Drittens beanstanden die Rechtsmittelführerinnen (Randnr. 264 der Rechtsmittelschrift) die Randnrn. 299 bis 304 des angefochtenen Urteils, da das Gericht ihr Vorbringen zum Subsidiaritätsprinzip offensichtlich verfälscht und verkannt habe, dass die mit dem Wettbewerbsrecht und dem Regelungsrahmen für die Telekommunikation verfolgten Ziele identisch seien. Dieses Vorbringen halte ich für unzulässig, da die Rechtsmittelführerinnen nicht angeben, welches Vorbringen das Gericht verfälscht haben soll.

41.

Mit dem dritten Teil dieses Rechtsmittelgrundes (Randnr. 267 der Rechtsmittelschrift) beanstanden die Rechtsmittelführerinnen die Prüfung des Gerichts hinsichtlich der angeblichen Verletzung der Grundsätze der loyalen Zusammenarbeit und einer ordnungsgemäßen Verwaltung durch die Kommission. Sie rügen genauer die Randnrn. 313 und 314 des angefochtenen Urteils, da das Gericht ihr Vorbringen verfälscht habe. Sie hätten nämlich nicht gerügt, dass die Kommission die CMT nicht zur Mitteilung der Beschwerdepunkte angehört habe, sondern vielmehr, dass sie nicht auf der Grundlage aller notwendigen Informationen tatsächlicher Art gehandelt habe, um sich eine Meinung zu bilden, und nicht angemessen mit der CMT auf der Grundlage der Tätigkeit dieser Behörde und deren Auswirkungen auf die Verwirklichung der Regelungsziele zusammengearbeitet habe. So habe es das Gericht fehlerhaft unterlassen, zu beurteilen, ob die Kommission bei der Erfüllung ihrer Pflicht zur Zusammenarbeit und zu einer ordnungsgemäßen Verwaltung den Grund des Vorgehens der CMT geprüft und mit dieser über die Ziele dieses Vorgehens und über deren Methode zur Berechnung der Kosten-Preis-Schere (nämlich des von der CMT verwendeten Kriteriums) gesprochen habe. Dieses Argument erscheint mir offensichtlich unzulässig, da die Rechtsmittelführerinnen weder angeben, welche Teile verfälscht worden, noch welche Fehler bei der Untersuchung begangen worden sein sollen. Im Übrigen entbehrt das Vorbringen offensichtlich jeder Grundlage, da das Gericht von den Rechtsmittelführerinnen unwidersprochen festgestellt hat, dass zum einen die CMT tatsächlich in das Verwaltungsverfahren eingebunden war und dass zum anderen die einschlägigen Vorschriften der Verordnung Nr. 1/2003 keine Verpflichtung der Kommission zur Anhörung der nationalen Regulierungsbehörden vorsehen.

42.

Nach alledem erweist sich meines Erachtens, dass der sechste Rechtsmittelgrund entweder unzulässig oder unbegründet ist und daher zurückgewiesen werden sollte.

c) Der siebte Rechtsmittelgrund

i) Der erste Teil des siebten Rechtsmittelgrundes

43.

Die Rechtsmittelführerinnen machen geltend (Randnr. 274 der Rechtsmittelschrift), dass das Gericht im Rahmen der Prüfung der Einstufung des Verstoßes als „eindeutiger Missbrauch“ in den Randnrn. 353 bis 369 des angefochtenen Urteils die durch Art. 7 EMRK und Art. 49 der Charta garantierten Grundsätze der Rechtssicherheit und der gesetzlichen Bestimmtheit der Strafen verletzt habe. Gemäß dem Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission ( 20 ) könnten diese Grundsätze einer rückwirkenden Anwendung der neuen Auslegung einer Norm, die den Tatbestand eines Verstoßes festlege, entgegenstehen, deren Ergebnis zum Zeitpunkt der Begehung des Verstoßes in Anbetracht insbesondere der zu dieser Zeit in der Rechtsprechung geltenden Auslegung dieser Norm nicht vernünftigerweise vorhersehbar war.

44.

Mit ihrer ersten Rüge („Vorhandensein klarer und vorhersehbarer Präzedenzfälle“, Randnr. 281 der Rechtsmittelschrift) fassen die Rechtsmittelführerinnen lediglich die Randnrn. 357 bis 368 des angefochtenen Urteils zusammen. Mit der zweiten Rüge (Randnr. 284 der Rechtsmittelschrift) beanstanden sie Randnr. 357 des angefochtenen Urteils, da das Gericht die Beurteilung der Zweckmäßigkeit der Verhängung einer Geldbuße dem Ermessen der Kommission überlassen und damit seine Verpflichtung zu unbeschränkter Nachprüfung nach Art. 6 EMRK und Art. 229 EG (jetzt Art. 261 AEUV) sowie die in Art. 7 EMRK verankerten Grundsätze der Rechtmäßigkeit und der gesetzlichen Bestimmtheit verletzt habe. Mit ihrer dritten Rüge (Randnr. 286 der Rechtsmittelschrift) wenden sie sich anscheinend gegen die Randnrn. 356 bis 362 des angefochtenen Urteils mit der Rüge, dass das Gericht zu Unrecht festgestellt habe, dass die Anwendung von Art. 102 AEUV auf ihr Verhalten auf klare und vorhersehbare Präzedenzfälle gestützt sei. Mit der vierten Rüge (Randnr. 302 der Rechtsmittelschrift) beanstanden die Rechtsmittelführerinnen anscheinend die Randnrn. 363 bis 369 des angefochtenen Urteils mit der Rüge, dass das Gericht zu Unrecht festgestellt habe, dass die von der Kommission für die Bestimmung einer Kosten-Preis-Schere angewandte Methode auf klaren und vorhersehbaren Präzedenzfällen beruhe.

45.

Dieser erste Teil erscheint mir insgesamt unzulässig, da die Rechtsmittelführerinnen im ersten Rechtszug die Frage, ob klare und vorhersehbare Präzedenzfälle bestehen, nicht bei der Beanstandung der grundsätzlichen Verhängung einer Geldbuße, sondern nur im Zusammenhang mit dem Betrag der Geldbuße und dem Vorliegen eines „eindeutigen Missbrauchs“ aufgeworfen haben.

ii) Der zweite Teil des siebten Rechtsmittelgrundes

46.

Die Rechtsmittelführerinnen machen geltend (Randnr. 310 der Rechtsmittelschrift), dass dem Gericht mehrere Rechtsfehler bei der Einstufung ihres Verhaltens als „vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verstoß“ im Sinne von Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 in den Randnrn. 319 bis 352 des angefochtenen Urteils unterlaufen seien.

– Die erste Rüge

47.

Erstes Argument: Die Rechtsmittelführerinnen beanstanden anscheinend die Randnrn. 322 bis 326 des angefochtenen Urteils mit der Rüge, dass das Gericht zu Unrecht angenommen habe, sie hätten die von der Kommission in der streitigen Entscheidung zugrunde gelegte Definition des Marktes vorhersehen können. Es genügt, mit der Kommission festzustellen, dass das Gericht die auf Austauschbarkeit beruhenden klassischen Kriterien der Definition der Märkte angewandt hat, die nicht als „unvorhersehbar“ betrachtet werden können. Im Übrigen ist die angebliche fehlende Vorhersehbarkeit der Unterscheidung zwischen regionalen und nationalen Großkundenmärkten irrelevant, da beide Märkte von der beherrschenden Stellung und der von den Rechtsmittelführerinnen eingeführten Kosten-Preis-Schere betroffen waren.

48.

Genauer gesagt beanstanden die Rechtsmittelführerinnen (Randnr. 317 der Rechtsmittelschrift) anscheinend Randnr. 323 des angefochtenen Urteils mit der Rüge, dass das Gericht unter Missachtung der Rechtsprechung des EGMR zur Vorhersehbarkeit entschieden habe, dass die Rechtsmittelführerinnen fachkundigen Rat hätten einholen müssen, ohne zu prüfen, ob sie dies tatsächlich getan hätten, und in der Annahme, dass dieser Rat mit dem Ansatz der Kommission übereingestimmt hätte. Hierzu ist festzustellen, dass die Rechtsprechung dem Umstand, ob das Unternehmen Rat eingeholt hat, niemals Bedeutung beigemessen hat, was bedeuten würde, dass die Unternehmen straffrei blieben, wenn sie keinen rechtlichen Rat einholten.

49.

Sodann beanstanden die Rechtsmittelführerinnen (Randnr. 319 der Rechtsmittelschrift) anscheinend Randnr. 326 des angefochtenen Urteils mit der Rüge, dass das Gericht das rechtliche Kriterium der Vorhersehbarkeit der Definition des Marktes und daher das Kriterium der Vorhersehbarkeit der Folgen ihres Verhaltens dadurch verkannt habe, dass es den Kontext und einige von den Rechtsmittelführerinnen angeführte Umstände nicht berücksichtigt habe, so z. B., dass die verfügbaren Präzedenzfälle einen einheitlichen Markt definiert hätten, dass einige Betreiber eine Kombination von Inputs verwendet hätten, dass die nationalen und/oder regionalen Großkundenmärkte in anderen Mitgliedstaaten nicht existierten, dass die Richtlinie 2002/21/EG ( 21 ) einen einzigen, die nationale und die regionale Infrastruktur umfassenden Markt definiere, dass die CMT selbst diesen Standpunkt in ihrer Entscheidung vom 6. April 2006 bestätigt habe. Diese Ausführungen erscheinen mir unzulässig, da die verschiedenen erwähnten Umstände zwar in der Rechtsmittelschrift, jedoch nicht im ersten Rechtszug zur Widerlegung der Vorhersehbarkeit der Folgen des Verhaltens der Rechtsmittelführerinnen (weder in den Randnrn. 297 bis 301 der Klageschrift noch in den Randnrn. 271 bis 275 der Erwiderung) aufgeführt worden sind.

50.

Schließlich beanstanden die Rechtsmittelführerinnen (Randnr. 323 der Rechtsmittelschrift) anscheinend Randnr. 326 des angefochtenen Urteils mit der Rüge, dass das Gericht zu Unrecht festgestellt habe, sie hätten sich nicht im Unklaren darüber befinden können, dass sie eine beherrschende Stellung auf den relevanten Märkten einnähmen. Diese Feststellung beruhe auf der falschen Annahme, dass die Rechtsmittelführerinnen die von der Kommission zugrunde gelegte Definition des Marktes vernünftigerweise hätten vorhersehen müssen. Ferner habe das Gericht ein unzutreffendes rechtliches Kriterium verwendet, indem es eine Sachprüfung vorgenommen habe, anstatt das Kriterium der Vorhersehbarkeit anzuwenden. Dieses Vorbringen ist unzulässig, da die Rechtsmittelführerinnen im ersten Rechtszug keinen Zweifel – weder in den Randnrn. 297 bis 301 der Klageschrift noch in den Randnrn. 272 bis 275 der Erwiderung – daran zum Ausdruck gebracht haben, dass ihre Marktanteile bei verständiger Betrachtung auf eine beherrschende Stellung hindeuteten.

51.

Zweites Argument: Die Rechtsmittelführerinnen beanstanden anscheinend die Randnrn. 338 bis 341 des angefochtenen Urteils mit der Rüge, dass das Gericht zu Unrecht festgestellt habe, sie hätten vorhersehen können, dass ihre Preispolitik ein wettbewerbswidriges Verhalten habe darstellen können.

52.

Zunächst beanstanden sie (Randnr. 330 der Rechtsmittelschrift) anscheinend die Randnrn. 339 und 340 des angefochtenen Urteils mit der Rüge, dass das Gericht ein falsches rechtliches Kriterium angewandt habe, indem es in der Sache geprüft habe, ob die Kommission berechtigt gewesen sei, nachträglich einzugreifen, anstatt die Vorhersehbarkeit zu prüfen, um zu entscheiden, ob ein solches Eingreifen vernünftigerweise vorhersehbar gewesen sei, und zwar in Anbetracht der Tatsache, dass die Rechtsmittelführerinnen verpflichtet gewesen seien, Zugang zu gewähren, und einer eingehenden Nachprüfung durch die CMT unterlegen hätten. Meines Erachtens ist völlig klar und daher „vorhersehbar“, dass das Bestehen einer Regelung oder eine gewisse Überwachung durch nationale Fachbehörden nicht vor der Anwendung der Verträge schützt (wie in Randnr. 340 des angefochtenen Urteils festgestellt wird). Im Übrigen kann laut dem Urteil Deutsche Telekom/Kommission (Randnrn. 119, 124 und 127) die Regelung des Sektors für die Beurteilung erheblich sein, ob dem Unternehmen die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens bekannt war, nicht jedoch für die Feststellung, ob dieses vorsätzlich oder fahrlässig ist, wobei eine solche Voraussetzung dann erfüllt ist, wenn sich das Unternehmen über die Wettbewerbswidrigkeit seines Verhaltens nicht im Unklaren befinden konnte, unabhängig davon, ob es sich dessen bewusst war, dass es die Wettbewerbsbestimmungen des Vertrags verletzte.

53.

Sodann beanstanden die Rechtsmittelführerinnen anscheinend den ersten Teil von Randnr. 341 des angefochtenen Urteils, der das regionale Großkundenprodukt betrifft, mit der Rüge, dass das Gericht den Sachverhalt durch die Annahme verfälscht habe, die Rechtsmittelführerinnen hätten nicht kritisiert, dass die CMT das Vorliegen einer Kosten-Preis-Schere nicht auf der Grundlage der tatsächlichen früheren Kosten der Rechtsmittelführerinnen, sondern auf der Grundlage von Ex-ante-Schätzungen geprüft habe. Die Rechtsmittelführerinnen machen damit geltend, sie hätten in ihrer Klageschrift (Randnr. 320) ausgeführt, dass die CMT nicht die buchmäßige Erfassung ihrer tatsächlichen Kosten habe verwenden wollen, sondern es vorgezogen habe, das Beratungsunternehmen ARCOME mit der Ausarbeitung eines Modells zu beauftragen, das auf den Kosten eines „angemessen effizienten“ Wettbewerbers und nicht auf denjenigen eines „gleich effizienten“ Wettbewerbers beruhe. Das Gericht habe auf diese Weise fälschlicherweise nicht berücksichtigt, dass die Rechtsmittelführerinnen berechtigterweise hätten annehmen dürfen, dass die Untersuchung der CMT genauer sein müsse als eine auf ihren eigenen Kosten beruhende Untersuchung. Ferner habe das Gericht den Sachverhalt dadurch offensichtlich verfälscht, dass es außer Betracht gelassen habe, dass die fraglichen Preise im Nachhinein kontrolliert worden seien. Dazu ist zu sagen, dass die Rechtsmittelführerinnen nicht die tatsächliche Feststellung angreifen, dass die CMT die mögliche Kosten-Preis-Schere nicht auf der Grundlage tatsächlicher früherer Daten geprüft hat. Ferner sind die Ausführungen, wonach die CMT das Kriterium des „angemessen effizienten“ Wettbewerbers angewandt habe, nicht nur nicht belegt, sondern auch offensichtlich unzulässig, da die Rechtsmittelführerinnen sie niemals im ersten Rechtszug vorgetragen haben, obwohl es im 733. Erwägungsgrund der streitigen Entscheidung heißt, dass die von der CMT angewandte Methode die Methode des „gleich effizienten“ Betreibers sei. Jedenfalls ist dieses Vorbringen auf alle Fälle unerheblich und geht ins Leere, denn die CMT hat, wie in Randnr. 302 des angefochtenen Urteils ausgeführt wird, mehrfach erklärt, sie verfüge nicht über bestimmte Informationen, die für die Prüfung der Kosten-Preis-Schere erforderlich seien, so dass die Rechtsmittelführerinnen nicht erwarten durften, dass die Kontrolle der CMT, die auf Ex-ante-Schätzungen beruhte, sie vor der Ex-post-Anwendung des Wettbewerbsrechts auf der Grundlage der tatsächlichen früheren Angaben schützen würde. Schließlich hat das Gericht die angebliche Ex-post-Kontrolle nicht außer Betracht gelassen, sondern lediglich festgestellt, dass diese Kontrolle sein Ergebnis nicht in Frage stelle (Randnrn. 303, 340, 347 und 348 des angefochtenen Urteils).

54.

Schließlich beanstanden die Rechtsmittelführerinnen (Randnr. 334 der Rechtsmittelschrift) anscheinend den zweiten Teil von Randnr. 341 des angefochtenen Urteils, der sich auf das nationale Großkundenprodukt bezieht, mit der Rüge, dass das Gericht den Sachverhalt dadurch verfälscht habe, dass es zum einen ihren Vortrag unbeachtet gelassen habe, ihre nationalen Infrastrukturen seien Teil eines größeren Marktes, der den Teilnehmeranschluss und zumindest den einer Vorabregulierung unterliegenden regionalen Zugang umfasse, und zum anderen nicht berücksichtigt habe, dass die Rechtsmittelführerinnen einer Ex-post-Kontrolle durch die CMT unterlägen. Hierzu genügt die Feststellung, dass die Frage, ob eine Kontrolle durch die CMT stattgefunden hat, eine Tatfrage ist und dass die Ausführungen des Gerichts in dieser Hinsicht klar sind. Auf alle Fälle geht das Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen ins Leere, da der bloße Umstand, dass eine Ex-post-Kontrolle möglicherweise stattfindet, die Anwendung des Wettbewerbsrechts nicht ausschließen kann.

– Die zweite Rüge

55.

Mit dieser Rüge (Randnr. 338 der Rechtsmittelschrift) beanstanden die Rechtsmittelführerinnen anscheinend die Randnrn. 343 bis 352 des angefochtenen Urteils, mit der sie geltend machen, dass das Gericht zu Unrecht festgestellt habe, dass die Tatsache, dass die Kommission nicht eingegriffen habe, und die Handlungen der CMT bei ihnen kein berechtigtes Vertrauen darauf hätten begründen können, dass ihre Preispraktiken Art. 102 AEUV entsprächen. Dieses Vorbringen ist meines Erachtens unzulässig, da es sich in der bloßen Beanstandung der freien Tatsachenwürdigung des Gerichts erschöpft.

56.

Nach alledem sollte der siebte Rechtsmittelgrund insgesamt als teils unzulässig, teils unbegründet zurückgewiesen werden.

3. Der achte Rechtsmittelgrund (Berechnung des Betrags der Geldbuße) und der zehnte Rechtsmittelgrund (Verletzung der Verpflichtung zu unbeschränkter Nachprüfung in Bezug auf die Sanktionen)

57.

Ich werde zunächst das zweite und das dritte Argument der ersten Rüge und die zweite Rüge des ersten Teils des achten Rechtsmittelgrundes untersuchen und deren Zurückweisung vorschlagen. Sodann werde ich mich der Untersuchung des ersten und des vierten Arguments der ersten Rüge und den anderen Rügen des achten Rechtsmittelgrundes sowie des zehnten Rechtsmittelgrundes widmen, die alle in der einen oder der anderen Weise mit der Frage verknüpft sind, ob das Gericht in Bezug auf die Festsetzung des Betrags der Geldbuße seine Befugnis zur unbeschränkten Nachprüfung ausgeübt hat.

i) Erster Teil des achten Rechtsmittelgrundes (zweites und drittes Argument der ersten Rüge und zweite Rüge)

58.

Mit dem zweiten Argument der ersten Rüge (Randnr. 371 der Rechtsmittelschrift) beanstanden die Rechtsmittelführerinnen anscheinend Randnr. 384 des angefochtenen Urteils, wenn sie geltend machen, dass das Gericht zu Unrecht angenommen habe, dass sie ein faktisches Monopol innegehabt hätten, und dabei einige wesentliche Merkmale des Marktes, wie die Möglichkeit, die Großkundenprodukte zu reproduzieren, den Umstand, dass der Markt ohne Zutritts- und Austrittsschranken gewesen sei, die strenge Regelung, der sie unterlegen hätten, und den mittelbaren Wettbewerbsdruck, verkannt habe. Da dieses Vorbringen keinen anderen Zweck verfolgt, als die Tatsachenwürdigung des Gerichts in Frage zu stellen, ist es unzulässig.

59.

Sodann beanstanden die Rechtsmittelführerinnen mit dem dritten Argument der ersten Rüge (Randnr. 374 der Rechtsmittelschrift) anscheinend Randnr. 385 des angefochtenen Urteils, wenn sie geltend machen, dass das Gericht zu Unrecht festgestellt habe, dass sich die Methode zur Berechnung der Kosten-Preis-Schere aus der früheren Entscheidungspraxis der Kommission ergebe, obwohl diese Methode zahlreiche neue Gesichtspunkte, wie u. a. das Vorhandensein eines nicht unentbehrlichen Inputs oder eines in der Entwicklung befindlichen Marktes einbezogen habe.

60.

Die Rechtsmittelführerinnen wiederholen den Gedanken, dass die Sanktion nicht vorhersehbar gewesen sei, da es sich in ihrem Fall um einen nicht wesentlichen Input ( 22 ) (konkret „das örtliche Zugangsnetz der Telefónica“) handele. Sie verweisen dazu wiederholt auf das Urteil Bronner ( 23 ), den Umstand, dass die Präzedenzfälle ausschließlich „wesentliche Inputs“ betroffen hätten, und auf das Urteil Industrie des poudres sphériques/Kommission ( 24 ) (um zu begründen, dass die Frage, ob ein überhöhter Preis oder ein Kampfpreis vorliege, keiner klaren Antwort bedürfe). Was das Urteil Bronner angeht, so stellte sich im vorliegenden Fall die Frage, ob die Rechtsmittelführerinnen einer Verpflichtung zur Lieferung des Produkts unterlagen, nicht, weil diese Verpflichtung bereits bestand. Ferner ist die Behauptung, alle Präzedenzfälle hätten sich auf wesentliche Inputs bezogen, eindeutig unzutreffend. Beispielsweise erwähnt die Telefónica nicht die Entscheidung National Carbonizing über einen Missbrauch, der in dem bestand, was heute als „Kosten-Preis-Schere“ ( 25 ) bezeichnet wird. In der Sache Napier Brown ( 26 ) nahm die Kommission eine beherrschende Stellung in Form einer Kosten-Preis-Schere an, obwohl Alternativen zum Vorprodukt verfügbar waren. Mit anderen Worten verlangte die Kommission in dieser Sache nicht, dass der Input unentbehrlich war ( 27 ). Die Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Wettbewerbsregeln auf Zugangsvereinbarungen im Telekommunikationsbereich ( 28 ), die dieses Problem bereits 1998 behandelte, verlangt ebenfalls weder das Vorhandensein eines wesentlichen Inputs noch eines überhöhten Preises, noch eines Kampfpreises. In Wirklichkeit ging es bei der Frage, die sich im Verfahren vor dem Gericht stellte, darum, ob es Präzedenzfälle gab, die verlangt hätten, dass der Input wesentlich ist, und nicht um die umgekehrte Frage.

61.

Zudem geht das von den Rechtsmittelführerinnen im ersten Rechtszug angeführte Argument (Randnr. 341 der Rechtsmittelschrift), die „Unwesentlichkeit“ des Inputs sei in ihrem Fall nicht offenkundig gewesen, sogar ins Leere, da die Kommission diesen Input nicht als „wesentlich“ eingestuft hat, denn dieses Merkmal ist keine Voraussetzung ihrer Argumentation für die Feststellung eines Missbrauchs. In Bezug auf das Urteil Industrie des poudres sphériques/Kommission genügt die Feststellung, dass die Rechtsmittelführerinnen einfach darauf bestehen, dass ihre Auslegung des Urteils die richtige sei, ohne auf die gemeinsame Auslegung der Kommission und des Gerichts wirklich einzugehen.

62.

Zum Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen zu anderen neuen Umständen, die die Kommission herangezogen und das Gericht nicht beachtet habe, genügt die Feststellung, dass es unzulässig ist, weil es im ersten Rechtszug nur im Hinblick auf eine Ermäßigung der Geldbuße vorgetragen worden ist und nicht, um der Kommission die Befugnis zur Verhängung der Geldbuße abzusprechen. Außerdem betrafen, was genauer das Vorbringen zu den sich entwickelnden Märkten betrifft, die Entscheidungen Wanadoo Interactive ( 29 ) und Deutsche Telekom ebenfalls Märkte, die sich in vollem Wachstum befanden, so dass klar war, dass dieser Umstand für sich allein nicht genügte, um das Vorliegen eines Missbrauchs auszuschließen.

63.

Schließlich beanstanden die Rechtsmittelführerinnen mit ihrer zweiten Rüge anscheinend die Randnrn. 377 bis 407 des angefochtenen Urteils, wenn sie dem Gericht mehrere Rechtsfehler bei seiner Beurteilung der konkreten Auswirkungen des in Rede stehenden Missbrauchs vorwerfen, genauer (anscheinend jedenfalls): i) die Randnrn. 394 bis 398 des angefochtenen Urteils, in denen das Gericht Rechtsfehler bei seiner Beurteilung der Entwicklung ihres Marktanteils auf dem Endkundenmarkt begangen habe (Randnr. 380 der Rechtsmittelschrift); ii) Randnr. 399 des angefochtenen Urteils, in der das Gericht den Sachverhalt verfälscht habe, da die Kommission selbst in der streitigen Entscheidung anerkannt habe, dass zwei Betreiber einen Marktanteil von mehr als 1 % erzielt hätten (Wanadoo España und Ya.com) (Randnr. 385 der Rechtsmittelschrift); iii) Randnr. 401 des angefochtenen Urteils, in der das Gericht unzutreffenderweise festgestellt habe, dass das schnellere Wachstum der Rechtsmittelführerinnen auf dem Großkundenmarkt als konkretes Indiz für den Ausschluss ihrer Wettbewerber zu betrachten sei (Randnr. 390 der Rechtsmittelschrift); iv) Randnr. 407 des angefochtenen Urteils, in der das Gericht zu Unrecht angenommen habe, dass die Kommission das hohe Niveau der Endkundenpreise in Spanien zutreffend als glaubhaftes Indiz für die konkreten Auswirkungen des Verhaltens der Rechtsmittelführerinnen auf dem spanischen Markt werten könne, obwohl sie keinen Kausalzusammenhang zwischen dem in Rede stehenden Missbrauch und dem hohen Niveau der Endkundenpreise dargetan habe (Randnr. 393 der Rechtsmittelschrift), und v) Randnr. 409 des angefochtenen Urteils, in der das Gericht zu Unrecht die Ansicht vertreten habe, dass die Kommission die niedrige Verbreitungsrate von Breitband in Spanien zutreffend als glaubhaftes Indiz für die konkreten Auswirkungen ihres Verhaltens auf den spanischen Markt habe werten können, und dabei andere von den Rechtsmittelführerinnen angeführte Faktoren, die diese niedrige Rate erklärten, unberücksichtigt gelassen habe (Randnr. 399 der Rechtsmittelschrift).

64.

Ich denke, dass die von der Kommission und France Telecom gegen diese Rüge insgesamt erhobene Einrede der Unzulässigkeit durchgreift. Diese Rüge beruht nämlich auf im ersten Rechtszug nicht vorgetragenen Behauptungen und verlangt vom Gerichtshof, Teile des Sachverhalts erneut zu prüfen. Jedenfalls stellt das Gericht auf das richtige Kriterium ab, nämlich das Vorliegen „konkrete[r], glaubhafte[r] und ausreichende[r] Indizien …, die es erlauben, den konkreten Einfluss, den die Zuwiderhandlung auf den Wettbewerb auf dem relevanten Markt haben konnte, zu bewerten“ (Randnr. 390 des angefochtenen Urteils). Die Rechtsmittelführerinnen bestreiten nur, dass die Indizien ausreichen, ohne insoweit eine Verfälschung zu rügen.

ii) Erstes und viertes Argument der ersten Rüge, dritte und vierte Rüge des ersten Teils sowie die übrigen Rügen des achten und des zehnten Rechtsmittelgrundes

65.

Ich werde das Vorbringen der Verfahrensbeteiligten darstellen und sodann eine Zusammenfassung vornehmen, um die wesentliche Frage herauszustellen, die dem Gerichtshof mit diesem Rechtsmittel gestellt wird.

– Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

66.

Mit dem ersten Argument der ersten Rüge (Randnr. 362 der Rechtsmittelschrift) beanstanden die Rechtsmittelführerinnen anscheinend die Randnrn. 382 bis 387 des angefochtenen Urteils, wenn sie dem Gericht vorwerfen, Rechtsfehler bei der Einstufung der Art des Verstoßes gemäß den Leitlinien von 1998 für die Festsetzung von Geldbußen begangen zu haben. Das Gericht habe insbesondere angenommen, dass eine Feststellung, wonach der Grundsatz der Rechtssicherheit nicht verletzt worden sei, zwangsläufig das Vorliegen eines „eindeutigen Missbrauchs“ impliziere. Die Rechtsmittelführerinnen machen geltend, ihre Ausführungen zum Grundsatz der Rechtssicherheit hätten dem Nachweis gedient, dass sie nicht hätten vorhersehen können, dass ihr Verhalten rechtswidrig sei, während sie mit dem Vorbringen zum eindeutigen Missbrauch hätten dartun wollen, dass kein eindeutiger Missbrauch oder „clear-cut“ im Sinne der Leitlinien von 1998 vorgelegen habe. Sie könnten berechtigte Zweifel an der Missbräuchlichkeit ihres Verhaltens hegen.

67.

Die Kommission macht im Kern geltend, dass das Gericht die Frage eines „eindeutigen Missbrauchs“ durch eine außerordentlich detaillierte Antwort auf jedes der im ersten Rechtszug vorgetragenen Argumente in den Randnrn. 353 bis 369 des angefochtenen Urteils behandelt habe und zu dem Ergebnis gelangt sei, dass die Präzedenzfälle ausreichend klar seien.

68.

Mit dem vierten Argument der ersten Rüge beanstanden die Rechtsmittelführerinnen (Randnr. 375 der Rechtsmittelschrift) u. a. Randnr. 386 des angefochtenen Urteils, da sich das Gericht zu Unrecht geweigert habe, den Verstoß für den Zeitraum vor der Veröffentlichung der Entscheidung Deutsche Telekom als „schwer“ statt als „besonders schwer“ einzustufen.

69.

Die Kommission macht geltend, das angefochtene Urteil sei in seiner Gesamtheit zu betrachten. Das Gericht habe den Verstoß unabhängig von der Entscheidung Deutsche Telekom als „besonders schwer“ eingestuft.

70.

Mit einer dritten Rüge beanstanden die Rechtsmittelführerinnen (Randnr. 409 der Rechtsmittelschrift) anscheinend die Randnrn. 412 und 413 des angefochtenen Urteils, da sie dem Gericht vorwerfen, gegen das Diskriminierungsverbot verstoßen zu haben, indem es entschieden habe, dass die Entscheidungspraxis der Kommission nicht den rechtlichen Rahmen für Geldbußen in Wettbewerbssachen bilden könne, auch wenn es sehr ähnliche Präzedenzfälle wie in ihrem Fall die Entscheidungen Wanadoo Interactive und Deutsche Telekom gebe.

71.

Nach Ansicht der Kommission ist mit dieser Rüge kein Rechtsfehler dargetan worden, da keine rechtliche Bestimmung daran hindere, einen Verstoß, dessen Tragweite auf einen Mitgliedstaat beschränkt sei, als „besonders schwer“ einzustufen. Sie verweist im Übrigen auf Randnr. 413 des angefochtenen Urteils, in der das Gericht erhebliche Unterschiede zu den früheren Fällen aufgezeigt habe, die von den Rechtsmittelführerinnen niemals bestritten worden seien.

72.

Mit ihrer vierten Rüge beanstanden die Rechtsmittelführerinnen (Randnr. 414 der Rechtsmittelschrift) anscheinend die Randnrn. 415 bis 420 des angefochtenen Urteils, da sie dem Gericht vorwerfen, die unterschiedliche Intensität der Schwere der Zuwiderhandlung im Zeitraum der Zuwiderhandlung nicht berücksichtigt zu haben.

73.

Die Kommission macht im Kern geltend, sie habe in den Erwägungsgründen 750 und 760 der streitigen Entscheidung anerkannt, dass der Verstoß während bestimmter Zeiten „minder schwer“ gewesen sei, was belege, dass die unterschiedliche Intensität der Schwere bei der Berechnung der Geldbuße berücksichtigt worden sei. Eine Aufteilung in zwei unterschiedliche Zeiträume komme nicht in Betracht, da das Gericht die Zuwiderhandlung in beiden Zeiträumen als besonders schwer angesehen habe.

74.

Mit dem zweiten Teil ihres achten Rechtsmittelgrundes machen die Rechtsmittelführerinnen einen Verstoß gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit, der Gleichbehandlung und der individuellen Strafzumessung geltend. Mit ihrer ersten Rüge beanstanden sie (Randnr. 424 der Rechtsmittelschrift) anscheinend die Randnrn. 424 bis 427 des angefochtenen Urteils, da sie dem Gericht vorwerfen, unter Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot entschieden zu haben, dass die Entscheidungspraxis der Kommission nicht den rechtlichen Rahmen für Geldbußen in Wettbewerbsangelegenheiten bilden könne.

75.

Die Kommission erinnert daran, dass sie im ersten Rechtszug die Unterschiede zwischen der vorliegenden Rechtssache und den von den Rechtsmittelführerinnen angeführten Rechtssachen dargetan habe, und fügt hinzu, dass sie befugt sei, die Geldbußen insbesondere dann zu erhöhen, wenn sich die vorherige Höhe nicht als abschreckend erwiesen habe. Daher sei der Umstand, dass der Ausgangsbetrag sehr viel höher als der Ausgangsbetrag in den Entscheidungen Wanadoo Interactive oder Deutsche Telekom gewesen sei, für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Grundbetrags im vorliegenden Fall unerheblich.

76.

Mit der zweiten Rüge beanstanden die Rechtsmittelführerinnen (Randnr. 428 der Rechtsmittelschrift) anscheinend die Randnrn. 428 bis 432 des angefochtenen Urteils, da sie dem Gericht vorwerfen, sich einfach ohne eine unbeschränkte Nachprüfung durchgeführt zu haben, um die Verhältnismäßigkeit der Sanktion zu prüfen, und somit unter Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, hinter dem Ermessen, das die Kommission bei der Festsetzung des Betrags der Geldbußen besitze, zu verschanzen.

77.

Die Kommission führt im Kern aus, dass sich das Gericht nicht lediglich auf das Ermessen der Kommission berufe, sondern in Randnr. 432 des angefochtenen Urteils tatsächlich prüfe, ob die Geldbuße unverhältnismäßig sei.

78.

Mit ihrer dritten Rüge beanstanden die Rechtsmittelführerinnen (Randnr. 432 der Rechtsmittelschrift) anscheinend Randnr. 433 des angefochtenen Urteils, da sie dem Gericht vorwerfen, keine unbeschränkte Nachprüfung vorgenommen zu haben, um festzustellen, ob dem Grundsatz der Abschreckungswirkung der Geldbuße zu Unrecht Vorrang vor der individuellen Strafzumessung eingeräumt worden sei.

79.

Die Kommission trägt vor, den von den Rechtsmittelführerinnen gerügten Rechtsfehler nicht erkennen zu können. Zum einen gebe es keinen Rechtsgrundsatz, wonach die „individuelle Wirkung“ Vorrang vor der „allgemeinen Abschreckungswirkung“ haben müsse, und zum anderen erläutere die streitige Entscheidung außerordentlich eingehend, weshalb die Geldbuße den Umständen des konkreten Falles angepasst worden sei.

80.

Schließlich beanstanden die Rechtsmittelführerinnen mit ihrer vierten Rüge (Randnr. 435 der Rechtsmittelschrift) anscheinend die Randnrn. 434 und 435 des angefochtenen Urteils, da sie dem Gericht vorwerfen, die Begründungspflicht durch die Feststellung verletzt zu haben, dass die Kommission nicht verpflichtet sei, ihre Entscheidung, eine erheblich höhere Geldbuße als in den Entscheidungen Wanadoo Interactive und Deutsche Telekom zu verhängen, mit besonderer Sorgfalt zu begründen.

81.

Die Kommission macht im Kern geltend, dass mit der vierten Rüge, soweit die Rechtsmittelführerinnen dem Gericht vorwürfen, geprüft zu haben, ob die Angaben in der streitigen Entscheidung „enthalten“ seien, kein Rechtsfehler dargetan worden sei, denn im Rahmen der Begründung sei zu prüfen, ob die Kommission ausreichende Gründe angebe, und nicht, ob sie Beweise zur Stützung ihrer Gründe vorlege.

82.

Mit dem dritten Teil ihres achten Rechtsmittelgrundes (Randnrn. 439 und 440 der Rechtsmittelschrift) machen die Rechtsmittelführerinnen geltend, dass dem Gericht bei der Prüfung der Erhöhung des Grundbetrags der Geldbuße zu Abschreckungszwecken in den Randnrn. 437 bis 443 des angefochtenen Urteils Rechtsfehler unterlaufen seien.

83.

Die Kommission und France Telecom führen zunächst aus, dass die Randnrn. 437 bis 443 des angefochtenen Urteils das Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen gerade widerlegten. Sodann hebt die Kommission hervor, dass die Gerichte der Union die Rechtmäßigkeit der Praxis bestätigt hätten, die gegen die großen Unternehmen verhängten Geldbußen zu erhöhen, wie beispielsweise in den Urteilen Showa Denko/Kommission und Lafarge/Kommission ( 30 ). Schließlich fügt die Kommission hinzu, dass die Erhöhung um 25 % weit unter der herkömmlicherweise von ihr angewandten Erhöhung liege.

84.

Mit dem vierten Teil ihres achten Rechtsmittelgrundes, der förmlich in den dritten Teil des Rechtsmittels einbezogen ist, rügen die Rechtsmittelführerinnen (Randnr. 445 der Rechtsmittelschrift) im Kern, dass das Gericht in den Randnrn. 444 bis 452 des angefochtenen Urteils bei der Prüfung der Einstufung ihres Verhaltens als „Zuwiderhandlung von langer Dauer“ Rechtsfehler begangen habe.

85.

Was das Ende der Zuwiderhandlung angehe, enthielten die von den Rechtsmittelführerinnen vorgelegten Unterlagen nichts, was auf Preisänderungen zwischen Juni und Dezember 2006 hinwiese.

86.

Mit dem fünften Teil ihres achten Rechtsmittelgrundes, der förmlich in den dritten Teil des Rechtsmittels einbezogen ist, machen die Rechtsmittelführerinnen (Randnr. 453 der Rechtsmittelschrift) im Kern geltend, dass dem Gericht bei der Prüfung der Ermäßigung der Geldbuße wegen mildernder Umstände in den Randnrn. 453 bis 461 des angefochtenen Urteils Rechtsfehler unterlaufen seien.

87.

Zur Fahrlässigkeit macht die Kommission geltend, das Gericht habe diesen Gesichtspunkt in Randnr. 458 des angefochtenen Urteils, die im Licht des gesamten angefochtenen Urteils auszulegen sei, sorgfältig bewertet. In Bezug auf die Neuartigkeit ist sie der Ansicht, das Gericht sei berechtigt gewesen, in Randnr. 461 des angefochtenen Urteils auf dessen Randnrn. 356 bis 368 Bezug zu nehmen, weil es die Schwere der Zuwiderhandlung bereits beurteilt gehabt habe. Ein mildernder Umstand sei auch Teil der Beurteilung dieser Schwere.

88.

Mit dem zehnten Rechtsmittelgrund rügen die Rechtsmittelführerinnen (Randnr. 474 der Rechtsmittelschrift), dass das Gericht Art. 229 EG (jetzt Art. 261 AEUV) durch Verkennung seiner Pflicht zur unbeschränkten Nachprüfung von Sanktionen verletzt habe.

89.

Die Kommission führt aus, sämtliche im zehnten Rechtsmittelgrund aufgestellten Behauptungen seien in ihren Antworten auf die anderen Rechtsmittelgründe eingehend widerlegt worden.

– Untersuchung

90.

Wie sich den Argumenten der Verfahrensbeteiligten entnehmen lässt, überschneiden sich die erste (im ersten und im vierten Argument), die dritte und die vierte Rüge des ersten Teils des achten Rechtsmittelgrundes, die erste, die zweite, die dritte und die vierte Rüge des zweiten Teils des achten Rechtsmittelgrundes sowie dessen dritter, vierter und fünfter Teil und schließlich der zehnte Rechtsmittelgrund weitgehend. Das gesamte Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen zur Berechnung der Geldbuße betrifft nämlich im Kern die Ausübung der Befugnis zur unbeschränkten Nachprüfung durch das Gericht sowie die Beachtung der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit, des Diskriminierungsverbots und der individuellen Strafzumessung. Ich werde daher im Folgenden die Frage prüfen, ob das Gericht im angefochtenen Urteil tatsächlich seine Befugnis zur unbeschränkten Nachprüfung ausgeübt hat, so wie es seiner Verpflichtung entspricht, oder ob es sich zu Unrecht damit begnügt hat, sich hinter dem Ermessensspielraum der Kommission zu verschanzen.

α) Erster Teil: Rechte und Pflichten der Kommission

91.

Zwar verlangt die Rechtsprechung, dass innerhalb ein und derselben Entscheidung der Kommission zur Beachtung der Grundsätze des Diskriminierungsverbots und der Verhältnismäßigkeit gegenüber allen Beteiligten am Kartell dieselbe Berechnungsmethode verwendet wird ( 31 ), doch hat der Gerichtshof in ständiger Übung entschieden, „dass die frühere Entscheidungspraxis der Kommission nicht den rechtlichen Rahmen für Geldbußen in Wettbewerbssachen bildet und Entscheidungen in anderen Fällen Hinweischarakter in Bezug auf das Vorliegen von Diskriminierungen haben“ ( 32 ).

92.

„So kann die Kommission dadurch, dass sie in der Vergangenheit für bestimmte Kategorien von Zuwiderhandlungen Geldbußen auf einem bestimmten Niveau verhängt hat, nicht daran gehindert sein, Geldbußen auf einem höheren Niveau festzusetzen, wenn eine Anhebung der Sanktionen für erforderlich gehalten wird, um die Durchführung der Wettbewerbspolitik der Union sicherzustellen, die allein in der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 … geregelt bleibt.“ ( 33 ) Das Gericht hat dem hinzugefügt: „Die Kommission ist nämlich nicht verpflichtet, Geldbußen in völliger Übereinstimmung mit Geldbußen festzusetzen, die in anderen Fällen verhängt worden sind.“ ( 34 )

93.

Nach Ansicht des Gerichtshofs erfordert „die Durchführung dieser Politik …, dass die Kommission das Niveau der Geldbußen nach Maßgabe der Belange der Wettbewerbspolitik anpassen kann“ ( 35 ), insbesondere, wenn sich das vorher angewandte Niveau nicht als abschreckend erwiesen hat.

94.

Ebenfalls nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs „ist die Schwere der Zuwiderhandlungen anhand zahlreicher Gesichtspunkte zu ermitteln, zu denen die besonderen Umstände der Sache, ihr Kontext und die Abschreckungswirkung der Geldbußen gehören, ohne dass es eine zwingende oder abschließende Liste von Kriterien gäbe, die auf jeden Fall berücksichtigt werden müssten“ ( 36 ).

95.

Es ist auch die Rechtsprechung des Gerichts anzuführen, das sich mit diesen Fragen zu befassen hatte. „Soweit … die Entscheidung mit anderen Bußgeldentscheidungen der Kommission [verglichen wird], können diese Entscheidungen daher im Hinblick auf die Einhaltung des Grundsatzes der Gleichbehandlung nur relevant sein, wenn dargetan wird, dass die diesen Entscheidungen zugrunde liegenden tatsächlichen Gegebenheiten wie die Märkte, die Erzeugnisse, die Länder, die Unternehmen und die betroffenen Zeiträume die gleichen sind wie im vorliegenden Fall“ ( 37 ) (Hervorhebung hinzugefügt).

96.

Im Urteil Tréfilunion/Kommission („Betonstahlmatten“-Kartell) ( 38 ) hat das Gericht klargestellt, dass, „auch wenn es wünschenswert ist, dass die Unternehmen – um ihren Standpunkt in voller Kenntnis der Sache festlegen zu können – nach jedem von der Kommission als angemessen betrachteten System die Berechnungsweise der gegen sie verhängten Geldbuße in Erfahrung bringen können, ohne – was dem Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung zuwiderliefe – zu diesem Zweck gerichtlich gegen die Entscheidung der Kommission vorgehen zu müssen, … die Rüge der mangelnden Begründung im vorliegenden Fall in Anbetracht der angeführten Rechtsprechung, der Ausführungen in der Entscheidung und der mangelnden Kooperation der Klägerin … nicht durchgreifen kann“ (Hervorhebung hinzugefügt).

97.

Ferner muss, wie das Gericht zutreffend in seiner Rechtsprechung ausgeführt hat, „die Kommission …, wenn sie beschließt, Geldbußen nach dem Wettbewerbsrecht zu verhängen, stets die allgemeinen Rechtsgrundsätze berücksichtigen, zu denen die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit in ihrer Auslegung durch die Unionsgerichte gehören“ ( 39 ).

98.

Die vorstehenden Erwägungen zusammenfassend, bin ich der Ansicht, dass die Begründungspflicht der Kommission, deren Bedeutung in den kürzlich ergangenen Urteilen Chalkor/Kommission und KME Germany u. a./Kommission (Kartell „Markt für Kupfer-Installationsrohre“) und in der Rechtsprechung des EGMR ( 40 ) noch einmal bestätigt worden ist, der zentrale Punkt der Relevanz eines Vergleichs der streitigen Entscheidung mit den früheren Entscheidungen der Kommission, soweit mit diesen eine Geldbuße verhängt wurde, bei der Beurteilung der Beachtung des Diskriminierungsverbots und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ist.

99.

Zunächst hat der Gerichtshof im Urteil Sarrió/Kommission ( 41 ) in Randnr. 73 für Recht erkannt: „[I]m Hinblick auf die in den Randnummern 341 und 342 des angefochtenen Urteils erwähnte Rechtsprechung[ ( 42 )] [sind] die Anforderungen an das wesentliche Formerfordernis, um das es sich bei der Begründungspflicht handelt, erfüllt, wenn die Kommission in ihrer Entscheidung die Beurteilungsgesichtspunkte angibt, die es ihr ermöglicht haben, Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung zu ermitteln. Fehlen diese Gesichtspunkte, so ist die Entscheidung wegen unzureichender Begründung für nichtig zu erklären.“

100.

Sodann fügt der Gerichtshof in Randnr. 76 dieses Urteils hinzu: „Die Kommission darf zwar nicht durch den ausschließlichen und mechanischen Rückgriff auf mathematische Formeln auf ihr Ermessen verzichten. Es steht ihr jedoch frei, ihre Entscheidung mit einer Begründung zu versehen, die über die in Randnummer 73 des vorliegenden Urteils genannten Anforderungen hinausgeht und u. a. Zahlenangaben enthält, von denen sie sich vor allem hinsichtlich der angestrebten Abschreckungswirkung leiten ließ, als sie bei der Festsetzung von Geldbußen gegen mehrere Unternehmen, die in unterschiedlich starkem Maß an der Zuwiderhandlung teilgenommen hatten, ihr Ermessen ausübte“ (Hervorhebung hinzugefügt).

101.

Schließlich hat der Gerichtshof in Randnr. 77 dieses Urteils für Recht erkannt: „Es kann wünschenswert sein, dass die Kommission von dieser Möglichkeit Gebrauch macht, um den Unternehmen nähere Angaben zur Berechnungsweise der gegen sie verhängten Geldbuße zu verschaffen. Darüber hinaus kann dies zur Transparenz des Verwaltungshandelns beitragen und dem Gericht die Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung erleichtern, in deren Rahmen es außer der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung auch die Angemessenheit der festgesetzten Geldbuße zu beurteilen hat. Diese Befugnis ändert jedoch … nichts am Umfang der Begründungspflicht“ (Hervorhebung hinzugefügt).

102.

Zwar geht aus dieser Rechtsprechung klar hervor, dass die Angabe der Berechnungsweise der Geldbuße durch die Kommission nur eine „wünschenswerte“ Möglichkeit darstellt, die nicht im strikten Sinne zur Begründungspflicht gehört, da diese nur die Angabe der Beurteilungskriterien verlangt, die es der Kommission erlaubt haben, die Schwere und die Dauer der Zuwiderhandlung festzustellen ( 43 ), doch stellt sich die Frage, ob dies bedeutet, dass die Kommission gleichzeitig zur Berechnungsweise einer Geldbuße schweigen kann und eine drastische Erhöhung einer verhängten Geldbuße gegenüber gut vergleichbaren Präzedenzfällen nicht im Einzelnen erläutern muss, und zwar unter Berücksichtigung der Urteile Chalkor und KME sowie Menarini, soweit diese den Umfang der dem Gericht obliegenden Verpflichtung zur unbeschränkten Nachprüfung bestimmt haben.

103.

Ich möchte nämlich daran erinnern, dass der Gerichtshof zunächst in Randnr. 60 des Urteils Chalkor/Kommission festgestellt hat: „Die Leitlinien – nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs eine Verhaltensnorm, die einen Hinweis auf die zu befolgende Verwaltungspraxis enthält und von der die Verwaltung im Einzelfall nicht ohne Angabe von Gründen, die mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung vereinbar sind, abweichen kann[ ( 44 )] – beschreiben lediglich die Vorgehensweise der Kommission bei der Prüfung der Zuwiderhandlung und die Kriterien, zu deren Berücksichtigung sie sich verpflichtet, wenn sie die Höhe der Geldbuße festsetzt.“

104.

In diesem Kontext kommt nach Randnr. 61 des Urteils Chalkor/Kommission (wie auch nach Randnr. 128 des Urteils KME Germany u. a./Kommission) der Pflicht zur Begründung der Unionsrechtsakteeine ganz besondere Bedeutung zu. Die Kommission muss ihre Entscheidung begründen und u. a. darlegen, wie sie die berücksichtigten Faktoren gewichtet und bewertet hat. … Das Vorliegen einer Begründung ist vom Richter von Amts wegen zu prüfen“ (Hervorhebung hinzugefügt).

105.

Ich erinnere auch daran, dass der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung ( 45 ) klargestellt hat, „dass eine Entscheidung der Kommission, die sich in eine ständige Entscheidungspraxis einfügt, summarisch, insbesondere unter Bezugnahme auf diese Praxis, begründet sein kann; geht sie jedoch über die früheren Entscheidungen merklich hinaus, hat die Kommission ihre Erwägungen explizit darzulegen“ (Hervorhebung hinzugefügt). Ohne diese explizite Darlegung wird die unbeschränkte gerichtliche Nachprüfung erheblich erschwert.

106.

Schließlich ist festzustellen, dass die Begründung der Kommission deutlich transparenter und eingehender ist, wenn sie eine Geldbuße oder ein Zwangsgeld „benennt“ (im Verfahren über eine doppelte Vertragsverletzung [Art. 260 Abs. 2 AEUV]), als wenn sie selbst über eine Geldbuße „entscheidet“ (im wettbewerbsrechtlichen Verfahren) ( 46 ).

β) Zweiter Teil: unbeschränkte Nachprüfung durch das Gericht

αα) Die Theorie der Befugnis zur unbeschränkten Nachprüfung

107.

Im Vertrag von Rom vom 25. März 1957 ( 47 ) erhielt der Gerichtshof im Bereich der Sanktionen eine ganz besondere Zuständigkeit: die unbeschränkte Nachprüfung. Sie erlaubt ihm insbesondere im Bereich des Wettbewerbsrechts nicht nur, eine Geldbuße und deren Betrag aufzuheben oder zu bestätigen, sondern auch, diese herabzusetzen oder zu erhöhen.

108.

Wie der Gerichtshof in Randnr. 130 des Urteils KME Germany u. a./Kommission festgestellt hat, wird „[d]ie Rechtmäßigkeitskontrolle ergänzt durch die dem Unionsrichter früher durch Art. 17 der Verordnung Nr. 17, jetzt durch Art. 31 der Verordnung Nr. 1/2003 gemäß Art. 261 AEUV eingeräumte Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung. Diese Befugnis ermächtigt den Richter über die reine Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Zwangsmaßnahme hinaus dazu, die Beurteilung der Kommission durch seine eigene Beurteilung zu ersetzen und demgemäß die verhängte Geldbuße oder das verhängte Zwangsgeld aufzuheben, herabzusetzen oder zu erhöhen“[ ( 48 )] (Hervorhebung hinzugefügt).

109.

Ohne dass sich die Bestimmungen des Vertrags oder der Verordnungen, die dem Gerichtshof diese Befugnis verleihen, geändert hätten ( 49 ), haben die allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts, das Inkrafttreten der Charta (die nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 EUV jetzt mit den Verträgen gleichrangig ist) und die Rechtsprechung sowohl des EGMR als auch des Gerichtshofs bestätigt, dass insbesondere bei Geldbußen, die die Kommission in Wettbewerbssachen verhängt, die Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung vom Gerichtshof insoweit eine eigene Beurteilung verlangt ( 50 ).

110.

Insbesondere aus dem Urteil Menarini des EGMR geht hervor, dass die „unbeschränkte Nachprüfung“ die Befugnis, die ergangene Entscheidung in allen Punkten, tatsächlich wie rechtlich, abzuändern, und die Befugnis umfasst, alle Fragen tatsächlicher und rechtlicher Art, die für den beim Gericht anhängigen Rechtsstreit erheblich sind, zu behandeln.

111.

Richter Pinto de Albuquerque führt in seiner abweichenden Stellungnahme in dieser Rechtssache zutreffend aus: „Auf der Ebene der Grundsätze geht die Verhängung der öffentlich-rechtlichen Sanktionen über die herkömmlichen Aufgaben der Verwaltung hinaus und muss einem Richter obliegen. Wenn die Überprüfung der tatsächlichen Voraussetzungen für die Anwendung einer öffentlich-rechtlichen Sanktion einer Verwaltungseinrichtung ohne eine strenge nachträgliche Kontrolle durch die Gerichte vorbehalten werden könnte, würden diese Grundsätze [der Gewaltenteilung und der Gesetzmäßigkeit der Sanktionen] völlig verfälscht“ (Hervorhebung hinzugefügt).

112.

Ebenso ist in den Urteilen Chalkor und KME klar festgestellt worden, dass die unbeschränkte Nachprüfung die Vornahme einer Kontrolle sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht und die Befugnis umfasst, die Beweise zu würdigen, die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären und die Höhe der Geldbußen zu ändern ( 51 ).

113.

Wie Generalanwältin Kokott ausgeführt hat ( 52 ), wirft die Frage, ob das Gericht seine Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung ausgeübt hat, „ein genuines Rechtsproblem auf …: Es geht um die Reichweite der rechtlichen Anforderungen an die Prüfung eines Diskriminierungsvorwurfs durch das Gericht und insbesondere um die Kontrolldichte, die das Gericht insoweit gegenüber der Kommission an den Tag legt. Dabei handelt es sich um eine Frage, die immer wieder Gegenstand der Diskussion ist und gegenwärtig – nicht zuletzt mit Blick auf die Charta … – zunehmend Beachtung findet. Art. 47 der Charta … verbürgt das Grundrecht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz, das auch als allgemeiner Rechtsgrundsatz des Unionsrechts anerkannt ist[ ( 53 )]. Dieses Grundrecht beinhaltet u. a. den Anspruch auf eine Überprüfung behördlicher Entscheidungen durch ein unabhängiges Gericht in einem fairen Verfahren“ (Hervorhebung hinzugefügt).

114.

Zudem ist der Unionsrichter nach Art. 49 Abs. 3 der Charta, der die Grundsätze der Gesetzmäßigkeit und der Verhältnismäßigkeit im Zusammenhang mit Straftaten und Strafen betrifft, verpflichtet, die Wirksamkeit des Grundsatzes zu gewährleisten, wonach „[d]as Strafmaß … zur Straftat nicht unverhältnismäßig sein [darf]“.

115.

Ferner hat der EGMR auch entschieden, dass die Kontrolle einer Verwaltungssanktion bedeutet, dass der Richter die Angemessenheit der Sanktion im Verhältnis zur begangenen Zuwiderhandlung eingehend prüfen und untersuchen und dabei die maßgeblichen Kriterien einschließlich der Verhältnismäßigkeit der Sanktion selbst beachten und diese gegebenenfalls ersetzen muss (vgl. Urteil Menarini, Randnrn. 64 bis 66).

116.

Ebenso dürfen im Unionsrecht nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der zu den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts gehört (und in der Charta verankert ist), die Handlungen der Unionsorgane nicht die Grenzen dessen überschreiten, was zur Erreichung der mit der fraglichen Regelung zulässigerweise verfolgten Ziele geeignet und erforderlich ist, wobei, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastende zu wählen ist und die verursachten Nachteile nicht außer Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen dürfen ( 54 ).

117.

Im Rahmen der Verfahren zur Durchsetzung der Bestimmungen des Wettbewerbsrechts bedeutet die Anwendung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, dass die gegen ein Unternehmen verhängte Geldbuße nicht außer Verhältnis zu den von der Kommission verfolgten Zielen stehen darf und dass ihr Betrag im rechten Verhältnis zur Zuwiderhandlung unter Berücksichtigung insbesondere von deren Schwere stehen muss. Zu diesem Zweck hat das Gericht alle maßgeblichen Umstände, wie das Verhalten des Unternehmens und die Rolle, die dieses bei der Festlegung der wettbewerbswidrigen Praxis gespielt hat, seine Größe, den Wert der betroffenen Waren oder auch den Gewinn zu berücksichtigen, den es aus der begangenen Zuwiderhandlung ziehen konnte, sowie das angestrebte Abschreckungsziel und die Gefahren, die Zuwiderhandlungen dieser Art für die Ziele der Union darstellen.

118.

Mit anderen Worten, das Gericht muss seine Befugnis zur unbeschränkten Nachprüfung im Rahmen der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des Betrags der Geldbuße in vollem Umfang ausüben ( 55 ).

119.

Außerdem „verlangt“ das Diskriminierungsverbot, „dass gleiche Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden, sofern eine solche Behandlung nicht objektiv gerechtfertigt ist“ ( 56 ).

120.

Das bedeutet zweierlei. Zunächst muss die Begründung der Kommission dem Gericht die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit und des nichtdiskriminierenden Charakters der Geldbuße ermöglichen. Wie der Gerichtshof für Recht erkannt hat, „muss die nach Art. 253 EG [jetzt Art. 296 AEUV] erforderliche Begründung der Natur des betreffenden Rechtsakts angepasst sein und die Überlegungen des Organs, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und das zuständige Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann“ ( 57 ) (Hervorhebung hinzugefügt), im vorliegenden Fall die unbeschränkte Nachprüfung.

121.

Dies bedeutet sodann, dass die Beurteilung durch das Gericht ausreichend unabhängig von derjenigen der Kommission sein muss, da dieses sich nicht allein auf den von der Kommission – in verhältnismäßig abstrakter Weise, wie dies beim Grundbetrag in der vorliegenden Rechtssache der Fall gewesen sein dürfte – festgesetzten Betrag stützen und sich nicht an deren Berechnungen oder Erwägungen, die bei der Festlegung dieser Geldbuße berücksichtigt wurden, gebunden fühlen kann ( 58 ).

122.

Wie das Gericht zutreffend in der Rechtssache Volkswagen/Kommission ( 59 ) (in der das Rechtsmittel vom Gerichtshof zurückgewiesen worden ist) ausgeführt hat, ist es „Sache des Gerichts, im Rahmen seiner Befugnis in diesem Bereich selbst die Umstände des Einzelfalls zu beurteilen, um die Höhe der Geldbuße festzusetzen“ (Hervorhebung hinzugefügt). In diesem Urteil hat es das Gericht – in Anbetracht sämtlicher Umstände und im Rahmen der Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung – als gerechtfertigt erachtet, den Betrag der Geldbuße von 102000000 Ecu auf 90000000 Euro zu ermäßigen.

123.

Wie Generalanwalt Mengozzi ( 60 ) sehr richtig ausführt, können „die Voraussetzungen, unter denen die Richter [der Union] die unbeschränkte Nachprüfung vornehmen können, nicht durch Leitlinien der Kommission festgelegt werden, die eine Maßnahme der internen Organisation dieses Organs darstellen“ und die nur „soft law“ ( 61 ) sind, wenn sich das Gericht in Wirklichkeit auch, wie Generalanwalt Bot ( 62 ) schreibt, „zu oft darauf beschränkt, zu prüfen, ob die Kommission die Methodik, die sie [selbst] in ihren Leitlinien festgelegt hat, richtig angewandt hat, obwohl die Festlegung des Betrags der Geldbuße normalerweise keine komplexen wirtschaftlichen Beurteilungen umfasst, die der Kommission vorbehalten und einer beschränkten gerichtlichen Nachprüfung unterworfen werden sollten“.

124.

Ein Argument wird oft gegen den von mir in diesen Schlussanträgen vertretenen Ansatz angeführt, nämlich, dass sich das Gericht nicht in die Festsetzung der Geldbuße und damit in die Wettbewerbspolitik, die allein der Verantwortung der Kommission unterliege, „einmischen“ dürfe oder könne. Ich teile diese Erwägungen nicht, da sich das Gericht nur zu einer bestimmten Rechtssache äußert. Die Kommission behält daher ihre sämtlichen Befugnisse zur Festlegung und Anwendung ihrer allgemeinen Politik in anderen Angelegenheiten.

125.

Ich leite von alledem und insbesondere auf der Grundlage der Randnrn. 62 des Urteils Chalkor/Kommission und 129 des Urteils KME Germany u. a./Kommission her, dass sich das Gericht meines Erachtens bei seiner Nachprüfung nicht auf den Ermessensspielraum, über den die Kommission verfügt, oder den einzigen offensichtlichen Beurteilungsfehler, den diese bei der Wahl der im Rahmen der Anwendung der in den Leitlinien erwähnten Kriterien zu berücksichtigenden Umstände begangen hat, stützen darf, um darauf zu verzichten, eine eingehende sowohl rechtliche als auch tatsächliche Nachprüfung vorzunehmen oder nicht zu verlangen, dass die Kommission die Änderung ihrer Geldbußenpolitik in einer bestimmten Sache zu erläutern hat.

126.

Auf alle Fälle können nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs – selbst wenn das Gericht äußerstenfalls auf das „Ermessen“, den „erheblichen Wertungsspielraum“ oder das „weite Ermessen“ der Kommission Bezug nehmen kann (was es meines Erachtens nicht mehr tun sollte) – „solche Bezugnahmen das Gericht nicht an der Ausübung der umfassenden rechtlichen und tatsächlichen Kontrolle [hindern], zu der es verpflichtet ist“ ( 63 ) (Hervorhebung hinzugefügt).

127.

In Randnr. 78 seines Urteils Chalkor/Kommission hat der Gerichtshof festgestellt, dass „das Gericht … diese Kontrolle nicht auf die Konformität mit den Leitlinien beschränkt, sondern in Randnr. 145 des angefochtenen Urteils die Angemessenheit der Sanktion selbst geprüft [hat]“.

128.

Der Gerichtshof hat auch im Urteil SCA Holding/Kommission ( 64 ) ausgeführt, dass das Gericht „im Rahmen der ihm durch Artikel 172 EG-Vertrag [jetzt Art. 261 AEUV] und Artikel 17 der Verordnung Nr. 17 [Art. 31 der Verordnung Nr. 1/2003] eingeräumten Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung zu beurteilen [hat], ob die Höhe der Geldbußen angemessen ist. Diese Beurteilung kann die Vorlage und Heranziehung zusätzlicher Informationen erfordern, die an sich nicht in der Bußgeldentscheidung erwähnt zu [sein] brauchen, damit diese dem Begründungserfordernis gemäß Artikel 190 EG-Vertrag [jetzt Art. 296 AEUV] genügt“ (Hervorhebung hinzugefügt).

129.

Das Gericht muss daher von sich aus prüfen, ob die Geldbuße angemessen und verhältnismäßig ist, und ist verpflichtet, selbst festzustellen, ob die Kommission tatsächlich alle für die Berechnung der Geldbuße erheblichen Umstände berücksichtigt hat, wobei das Gericht auch in diesem Zusammenhang auf die von den Klägern bei ihm vorgetragenen Tatsachen und Umstände zurückkommen kann ( 65 ).

130.

Das Gericht hat im Übrigen bereits in bestimmten Rechtssachen Erwägungen in dieser Richtung angestellt.

131.

Im Urteil Romana Tabacchi ( 66 ) (das nicht mit einem Rechtsmittel beim Gerichtshof angefochten worden ist) hat es zutreffend ausgeführt: „Die nach Art. 229 EG [jetzt Art. 261 AEUV] dem Gericht durch Art. 31 der Verordnung Nr. 1/2003 erteilte Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung ermächtigt dieses, über die reine Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Sanktion hinaus, die nur die Zurückweisung der Nichtigkeitsklage oder die Nichtigerklärung des angefochtenen Rechtsakts ermöglicht, die Beurteilung der Kommission durch seine eigene Beurteilung zu ersetzen und demgemäß den angefochtenen Rechtsakt, auch ohne ihn für nichtig zu erklären, unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände abzuändern und insbesondere die verhängte Geldbuße anders festzusetzen, wenn ihm die Frage nach deren Höhe zur Beurteilung vorgelegt worden ist. … [D]ie Festsetzung einer Geldbuße durch das Gericht [ist] dem Wesen nach kein streng mathematischer Vorgang … Im Übrigen ist das Gericht weder an die Berechnungen der Kommission noch an deren Leitlinien gebunden, wenn es aufgrund seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung entscheidet …, sondern es hat unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls eine eigene Beurteilung vorzunehmen“ (Hervorhebung hinzugefügt)..

132.

In den Randnrn. 283 bis 285 dieses Urteils gelangt das Gericht zu folgendem Ergebnis: „In Anbetracht dieser Umstände ist das Gericht der Ansicht, dass eine Geldbuße in Höhe von 2,05 Mio. Euro, wie sie am 20. Oktober 2005 von der Kommission verhängt worden ist, als solche zur Liquidation der Klägerin und folglich zu deren Verschwinden vom Markt führen könnte, was im Übrigen die von der Klägerin im Rahmen ihres fünften Klagegrundes genannten erheblichen Auswirkungen haben könnte … Aufgrund der vorstehenden Erwägungen, insbesondere in Anbetracht der kumulativen Wirkung der vorstehend festgestellten Rechtsverstöße sowie der geringen finanziellen Leistungsfähigkeit der Klägerin, ist das Gericht der Ansicht, dass sämtliche Umstände des vorliegenden Falles angemessen berücksichtigt sind, wenn der Endbetrag der gegen die Klägerin verhängten Geldbuße auf 1 Mio. Euro festgesetzt wird. Mit einer Geldbuße in dieser Größenordnung kann nämlich das rechtswidrige Verhalten der Klägerin wirksam und in einer nicht unerheblichen Weise, die eine ausreichend abschreckende Wirkung erzielt, geahndet werden. Jede Geldbuße, die diesen Betrag übersteigt, wäre im Hinblick auf die der Klägerin vorgeworfene Zuwiderhandlung bei deren Gesamtwürdigung unverhältnismäßig … In der vorliegenden Rechtssache stellt eine Geldbuße in Höhe von 1 Mio. Euro eine angemessene Sanktion für das der Klägerin vorgeworfene Verhalten dar“ ( 67 ) (Hervorhebung hinzugefügt).

133.

Im Urteil Groupe Danone/Kommission (Kartell „Belgischer Biermarkt“) hat der Gerichtshof einen Rechtsmittelgrund, mit dem gerügt wurde, das Gericht habe im Rahmen einer Änderung der Art und Weise der Anwendung des bei mildernden Umständen heranzuziehenden Koeffizienten, ohne dass ein entsprechender Antrag vorgelegen habe, gegen den Grundsatz ne ultra petita verstoßen, mit der bloßen Begründung zurückgewiesen, dass das Gericht, da es die Frage der Höhe der Geldbuße zu beurteilen hatte, im Rahmen der Anwendung von Art. 229 EG [jetzt Art. 261 AEUV] und der Verordnung Nr. 17, deren Nachfolgeregelung die Verordnung Nr. 1/2003 ist, befugt war, die von der Kommission verhängte Geldbuße aufzuheben, herabzusetzen oder zu erhöhen ( 68 ).

134.

Wie Generalanwalt Mengozzi zutreffend ausgeführt hat ( 69 ), ist diese Beurteilung leicht zu verstehen, wenn man sich die Funktion der unbeschränkten Nachprüfungsbefugnis vor Augen hält, nämlich den Unternehmen eine zusätzliche Garantie für eine von einem unabhängigen und unparteiischen Gericht durchzuführende Kontrolle von maximaler Intensität in Bezug auf die Höhe der gegen sie verhängten Geldbußen zu bieten. Diese Einstufung der Befugnis des Gerichts zu unbeschränkter Nachprüfung als „zusätzliche Garantie“ wurde bereits vom Gerichtshof im Rahmen der Definition des Umfangs der Verteidigungsrechte der Unternehmen vor der Kommission gegenüber der Verhängung von Geldbußen bestätigt ( 70 ).

135.

Ich stimme auch mit Generalanwalt Mengozzi überein, wenn er in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Kommission/Tomkins ausführt, dass diese Einstufung nur bedeuten kann, dass die Unternehmen mittels Anfechtung der Höhe der Geldbuße vor dem Gericht in voller Kenntnis des von der Kommission festgesetzten genauen Betrags die Möglichkeit haben, die Bemessung dieser Geldbuße durch die Kommission sowohl hinsichtlich der Rechtmäßigkeit als auch der Zweckmäßigkeit zu kritisieren, so dass sie mit allen Verteidigungsmitteln, jenseits der mit der Rechtmäßigkeitskontrolle einhergehenden Erfordernisse, auf die Überzeugung des Gerichts in Bezug auf die angemessene Höhe der Geldbuße Einfluss nehmen können ( 71 ). Wie er zutreffend hinzufügt, muss das Gericht, damit diese Funktion einer zusätzlichen Garantie wirksam ist, befugt sein ( 72 ), alle tatsächlichen Umstände einschließlich z. B. der Umstände, die nach der angefochtenen Entscheidung eingetreten sind, zu berücksichtigen ( 73 ), was die mit der Rechtmäßigkeitskontrolle einhergehenden Pflichten ihm grundsätzlich nicht erlauben ( 74 ).

136.

Ich erwähne auch das Urteil des Gerichts in der Rechtssache Siemens Österreich u. a./Kommission (Kartell „Gasisolierte Schaltanlagen“) ( 75 ), in dem das Gericht, gestützt auf den Grundsatz der individuellen Straf- und Sanktionsfestsetzung festgestellt hat, dass „[d]ie Kommission entgegen ihrer Behauptung … die im Rahmen der Gesamtschuld zu zahlenden Beträge nicht frei bestimmen [kann]. Nach dem Grundsatz der individuellen Straf- und Sanktionsfestsetzung … muss jede Gesellschaft einer Entscheidung, mit der ihr eine Geldbuße auferlegt wird, für deren Zahlung sie gesamtschuldnerisch mit einer oder mehreren anderen Gesellschaften haftet, entnehmen können, welchen Anteil sie nach Befriedigung des Anspruchs der Kommission im Verhältnis zu ihren Mitgesamtschuldnern zu tragen hat. Dazu muss die Kommission insbesondere die Zeiträume, in denen die betreffenden Gesellschaften für die Zuwiderhandlungen der am Kartell beteiligten Unternehmen (mit)haften, und gegebenenfalls den Umfang der Haftung dieser Gesellschaften für die Zuwiderhandlungen genau angeben … Die Kommission musste daher im vorliegenden Fall die in Randnr. 468 der [in dieser Rechtssache streitigen] Entscheidung getroffenen Feststellungen zu den Zeiträumen der gemeinsamen Verantwortung der einzelnen zum Unternehmen VA Tech gehörenden Gesellschaften berücksichtigen, um die Beträge festzusetzen, für deren Zahlung diese Gesellschaften gesamtschuldnerisch haften. Diese Beträge müssen das Gewicht der verschiedenen Anteile an der unter diesen Gesellschaften aufgeteilten Verantwortung, wie sie in der genannten Randnummer festgestellt worden sind, so weit wie möglich widerspiegeln.“

137.

Das Gericht hat sodann die Entscheidung der Kommission eingehend untersucht und sowohl die Auswahl der Adressaten der Geldbuße als auch die Festsetzung der Beträge, die die Gesellschaften jeweils zahlen sollten, beanstandet.

138.

In Randnr. 166 seines Urteils hat es, ohne einen Ermessensspielraum der Kommission zu erwähnen, festgestellt, „dass die Kommission dadurch, dass sie Reyrolle, SEHV und Magrini für die Zahlung einer Geldbuße in Höhe eines Betrags gesamtschuldnerisch haftbar gemacht hat, der klar ihre gemeinsame Verantwortung übersteigt, dass sie weiter Siemens Österreich und KEG nicht für die Zahlung eines Teils der gegen SEHV und Magrini verhängten Geldbuße haftbar gemacht hat und dass sie schließlich Reyrolle nicht einen Teil der gegen sie verhängten Geldbuße als Alleinschuldner auferlegt hat, gegen den Grundsatz der individuellen Straf- und Sanktionsfestsetzung verstoßen hat“.

139.

Ein anderes Beispiel findet sich im Urteil des Gerichts in der Rechtssache Brasserie nationale u. a./Kommission ( 76 ), in dem dieses entschieden hat, dass das „Gericht … nachzuprüfen [hat], ob der Betrag der festgesetzten Geldbuße in einem angemessenen Verhältnis zu Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung steht, und die Schwere der Zuwiderhandlung und die von der Klägerin geltend gemachten Umstände gegeneinander abzuwägen [hat]“.

140.

In seinem Urteil Parker Pen/Kommission ( 77 ), das vor dem Erlass der Leitlinien ergangen ist, hat das Gericht nach einer Untersuchung der betreffenden Geldbuße festgestellt, dass „die der Klägerin auferlegte Geldbuße von 700000 ECU insbesondere angesichts des geringen von der Zuwiderhandlung betroffenen Umsatzes nicht angemessen [ist]. Das Gericht setzt daher die der Klägerin auferlegte Geldbuße im Rahmen seiner Befugnis zur unbeschränkten Ermessensnachprüfung auf 400000 ECU herab.“

141.

In der Rechtssache Ventouris/Kommission (Kartell „Griechische Fähren“), in der das Urteil nicht mit einem Rechtsmittel angefochten worden ist, hat das Gericht, dieses Mal nach der Einführung der Leitlinien, entschieden, dass die in Rede stehende Geldbuße aus Gründen der Billigkeit und der Verhältnismäßigkeit herabzusetzen war. Da die Kommission in einer einheitlichen Entscheidung zwei eigenständige Zuwiderhandlungen geahndet hatte, geboten es diese beiden Gründe der Billigkeit und der Verhältnismäßigkeit, dass ein Unternehmen, das nur an einer Zuwiderhandlung beteiligt war, weniger streng zu bestrafen war als diejenigen, die an beiden beteiligt waren. Indem die Kommission bei der Berechnung der Geldbußen von einem einheitlichen Grundbetrag für alle Unternehmen ausgegangen war, der sich nach ihrer jeweiligen Größe richtete, ohne dabei jedoch danach zu differenzieren, ob sie an einer der geahndeten Zuwiderhandlungen oder an beiden beteiligt waren, so das Gericht, erlegte die Kommission dem Unternehmen, das nur für die Beteiligung an einer einzigen Zuwiderhandlung verantwortlich gemacht worden war, eine Geldbuße auf, die außer Verhältnis zur Bedeutung der Zuwiderhandlung stand ( 78 ).

142.

Dagegen hat das Gericht (und zwar nach den Urteilen Chalkor und KME sowie Menarini!) in der Rechtssache Dow Chemical/Kommission (Kartell „Chloropren-Kautschuk“) ( 79 ) entschieden, dass es „in dieser Phase für das Gericht in Ermangelung einer Feststellung der Rechtswidrigkeit der [streitigen] Entscheidung nicht, wie in Rechtssache, in der das Urteil BASF und UCB/Kommission[ ( 80 )] ergangen ist, darum geht, die gegen die Klägerin verhängte Geldbuße neu zu berechnen, sondern die Rechtmäßigkeit der Anwendung der Leitlinien von 2006 auf deren Situation durch die Kommission nachzuprüfen“ (Hervorhebung hinzugefügt); dieser Ansatz findet sich im angefochtenen Urteil wieder.

143.

Ich möchte bemerken, dass eine wirkliche Kontrolle des Bußgeldes durch das Gericht im Rahmen seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung umso notwendiger ist, als der Betrag der von der Kommission verhängten Geldbußen unaufhörlich steigt. Ohne erschöpfend sein zu wollen, möchte ich nur einige Beispiele anführen: In der Rechtssache Microsoft (die von der Kommission in der mündlichen Verhandlung angeführt worden ist) wurde gegen Microsoft 2004 eine Geldbuße von 497 Mio. Euro verhängt, zu der 2006 ein Zwangsgeld in Höhe von 280,5 Mio. Euro, 2008 ein Zwangsgeld von 899 Mio. Euro und 2013 eine Geldbuße von 561 Mio. Euro hinzukamen ( 81 ). Gegen Intel wurde eine Geldbuße von 1,06 Mrd. Euro verhängt ( 82 ). Die Geldbuße von Saint-Gobain im Jahr 2008 betrug 896 Mio. Euro (mit insgesamt 1,38 Mrd. Euro für das Kartell „Autoglas“) ( 83 ), diejenige von Siemens im Jahr 2007 mehr als 396 Mio. Euro (mit insgesamt 750 Mio. Euro für das Kartell „Gasisolierte Schaltanlagen“) ( 84 ). Im Kartell der Aufzugshersteller beliefen sich die Geldbußen insgesamt auf beinahe 1 Mrd. Euro ( 85 ). Schließlich verhängte die Kommission 2012 eine Geldbuße von 1,47 Mrd. Euro gegen die beiden Kartelle von Herstellern von Kathodenröhren für Fernsehgeräte und Computerbildschirme ( 86 ).

144.

In Bezug auf die Bedeutung der Nachprüfung der Berechnung der Geldbußen durch das Gericht, wie sie von mir in diesen Schlussanträgen befürwortet wird, möchte ich daran erinnern, was Generalanwalt Tizzano in der Rechtssache Dansk Rørindustri u. a./Kommission gesagt hat ( 87 ), in der er ausgeführt hat, dass „die Berechnungsmethode der Kommission, wie die vorstehende Prüfung gezeigt hat, einige Gefahren unter dem Aspekt der Billigkeit des Systems in sich birgt. … Es dürfte nämlich nicht völlig mit den Erfordernissen einer Individualisierung und Abstufung von ‚Bußen‘… in Einklang stehen, wenn, wie in den vorliegenden Fällen, ein Teil der Berechnungsvorgänge im Wesentlichen formaler und abstrakter Art ist und daher keinen konkreten Niederschlag im Endbetrag der Geldbuße findet. Ferner ist zu bedenken, dass aus demselben Grund das mit den Leitlinien verfolgte Ziel einer größeren Transparenz gegebenenfalls nicht in vollem Umfang erreicht werden kann. … Überdies kann diese Verschärfung [der Politik der Kommission auf dem Gebiet der Geldbußen wegen Wettbewerbsverstößen, die härter ist und zu einer Anhebung des Geldbußenniveaus geführt hat] eher kleine und mittlere Unternehmen treffen … Daraus ergibt sich insgesamt eine neue und problematischere Situation gegenüber der Phase, in der die Methode der Kommission im Verlauf der Berechnung grundsätzlich nicht zu einer Überschreitung der Obergrenze von 10 % des Gesamtumsatzes geführt hat, wodurch die Einbeziehung aller Gegebenheiten des betreffenden Falles in den Betrag der Geldbuße erleichtert und unmittelbarer gemacht wurde … Es erhebt sich somit die Frage, ob die aufgezeigten Folgen der neuen Richtung in der Sanktionspolitik nicht einige Kurskorrekturen angebracht erscheinen lassen, die dann jeweils Ergebnisse im Einklang mit allgemeinen Angemessenheits- und Billigkeitserfordernissen gewährleisten“ (Hervorhebung hinzugefügt).

145.

Diese scharfe Kritik, die Generalanwalt Tizzano in dieser Rechtssache vorträgt, belegt klar, dass es nicht wünschenswert oder zulässig, sondern geradezu notwendig ist, dass das Gericht seine Nachprüfung der Geldbußen der Kommission vollständig ( 88 ) und unabhängig vornimmt ( 89 ).

ββ) Die Anwendung der Theorie der Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung auf die vorliegende Rechtssache

146.

Zur Beurteilung der Nachprüfung der Geldbuße durch das Gericht und des Vorbringens der Rechtsmittelführerinnen zur Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, des Diskriminierungsverbots, des Grundsatzes der individuellen Strafzumessung sowie der Begründungspflicht der Kommission in Bezug auf den Betrag der Geldbuße ist auf die streitige Entscheidung zurückzukommen.

147.

Im 756. Erwägungsgrund der streitigen Entscheidung führte die Kommission aus, dass die missbräuchliche Praxis als besonders schwer eingestuft werden müsse, auch wenn sie nicht unbedingt während ihrer gesamten Dauer immer gleich schwer gewesen sei. Im 757. Erwägungsgrund begnügt sich die Kommission mit der Feststellung, dass der Ausgangsbetrag der gegen die Rechtsmittelführerinnen zu verhängenden Geldbuße, um der Schwere der Zuwiderhandlung zu entsprechen – „[a]ngesichts der besonderen Umstände des Falles“ – auf 90 Mio. Euro festzusetzen sei.

148.

Vor dem Gericht haben die Rechtsmittelführerinnen geltend gemacht, dass die Kommission dadurch gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit, der Gleichbehandlung und der individuellen Zumessung von Strafen sowie ihre Begründungspflicht verstoßen habe, dass sie den Ausgangsbetrag der Geldbuße auf 90 Mio. Euro festgesetzt habe. Erstens stelle dieser Ausgangsbetrag der gegen Telefónica aufgrund der Schwere der Zuwiderhandlung verhängten Geldbuße den zweithöchsten Ausgangsbetrag dar, der jemals für den Missbrauch einer beherrschenden Stellung festgesetzt worden sei. Zum anderen sei dieser Betrag neun- bzw. zehnmal höher als der Ausgangsbetrag der im Jahr 2003 gegen die Deutsche Telekom und Wanadoo Interactive wegen Missbrauchs einer beherrschenden Stellung im selben Sektor verhängten Geldbuße, obwohl: i) diese beiden Entscheidungen genauso wie die Bußgeldentscheidung gegen Telefónica auf der Grundlage der Leitlinien von 1998 erlassen worden seien und daher dieselben Berechnungsregeln angewandt worden seien; ii) die in diesen drei Fällen beanstandeten Verhaltensweisen sich teilweise zeitlich überschnitten hätten und gleicher Art gewesen seien; iii) die drei Rechtssachen die Märkte für den Zugang zum Internet in Frankreich, in Deutschland und in Spanien beträfen, die große Ähnlichkeiten in Bezug auf Ausmaß, wirtschaftliche Bedeutung und Wachstumsphase aufwiesen. Das offensichtliche Missverhältnis zwischen dem für Telefónica festgesetzten Ausgangsbetrag und den für Wanadoo Interactive und die Deutsche Telekom festgesetzten Beträgen werde noch dadurch vergrößert, dass im Fall Telefónica der Ausgangsbetrag zum Zweck der Abschreckung um 25 % erhöht worden sei und diese Erhöhung trotz der Größe von Wanadoo Interactive und der Deutschen Telekom bei diesen Unternehmen nicht vorgenommen worden sei. Unter Berücksichtigung der Abschreckungswirkung sei der Betrag der gegen Telefónica verhängten Geldbuße in Anbetracht der Schwere der Zuwiderhandlung (112,5 Mio. Euro) letztlich 12,5‑mal bzw. 11,25‑mal höher als die Geldbußen, die gegen Wanadoo Interactive und die Deutsche Telekom jeweils wegen entsprechender oder sogar schwererer Missbräuche einer beherrschenden Stellung verhängt worden seien.

149.

Ferner ist nach Ansicht der Rechtsmittelführerinnen die Unverhältnismäßigkeit des Ausgangsbetrags von 90 Mio. Euro der gegen Telefónica verhängten Geldbuße noch offensichtlicher, wenn man ihn mit demjenigen vergleiche, der im Jahr 2001 in der Sache Deutsche Post AG festgesetzt worden sei ( 90 ). In dieser Sache habe die Kommission einen Ausgangsbetrag von lediglich 12 Mio. Euro festgesetzt, obwohl sie insbesondere anerkannt habe, i) dass die Zuwiderhandlung als „schwerwiegend“ einzustufen sei; ii) dass die Treuerabatte von Unternehmen in marktbeherrschenden Stellungen vom „Gerichtshof bereits mehrfach missbilligt worden“ seien, und iii) dass „[d]ie Rabatt- und Preispolitik der [Deutschen Post AG] erhebliche negative Auswirkungen auf den Wettbewerb bei Paketdiensten für den Versandhandel [hatte]“, die es der Deutschen Post AG ermöglichen, auf dem deutschen Markt für Paketdienste für den Versandhandel einen Marktanteil von über 85 % zu halten.

150.

Was sagt das Gericht dazu?

151.

Erstens weist das Gericht in Bezug auf das Diskriminierungsverbot in den Randnrn. 424 bis 427 des angefochtenen Urteils (in nur vier Randnummern) das Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen mit der schlichten Erwägung zurück, dass die Entscheidungspraxis der Kommission nicht den rechtlichen Rahmen für Geldbußen in Wettbewerbssachen bilden könne und nur Anhaltspunkte liefere.

152.

Zweitens weist das Gericht in Bezug auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in den Randnrn. 428 bis 432 des angefochtenen Urteils (in insgesamt fünf Randnummern) das Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen zurück und beschränkt sich dabei im Kern auf die Feststellung, dass die Kommission bei der Festsetzung der Geldbußen über ein Ermessen verfüge, um die Unternehmen dazu anhalten zu können, die Wettbewerbsregeln einzuhalten. Tatsächlich übernimmt das Gericht zu diesem Punkt die Ausführungen der Kommission zur Einstufung der Zuwiderhandlung als „besonders schwer“ und „untersucht“ in einer einzigen Randnummer (432) den Ausgangsbetrag von 90 Mio. Euro mit dem Ergebnis, dass es ihn nicht für unverhältnismäßig hält.

153.

Drittens führt das Gericht zum Grundsatz der individuellen Strafzumessung (allein) in Randnr. 433 des angefochtenen Urteils die Rechtsprechung an, wonach die Kommission bei der für die Bemessung der Geldbuße erforderlichen Beurteilung der Schwere einer Zuwiderhandlung vor allem in Bezug auf solche, die die Verwirklichung der Ziele der Union besonders beeinträchtigten, durch ihr Vorgehen für eine abschreckende Wirkung sorgen müsse. Die Abschreckung müsse sowohl spezifisch als auch generell sein. Mit der Geldbuße werde eine individuelle Zuwiderhandlung geahndet, aber sie füge sich auch in den Rahmen einer allgemeinen Politik zur Einhaltung der Wettbewerbsregeln durch die Unternehmen ein. Das Gericht gelangt zu dem Ergebnis, dass aus der streitigen Entscheidung hervorgehe, dass im vorliegenden Fall die Geldbuße unter Berücksichtigung der spezifischen Situation von Telefónica berechnet worden sei. Daher könnten die Klägerinnen nicht geltend machen, dass die generelle abschreckende Wirkung der Geldbuße „erstes und oberstes Ziel der Geldbuße“ gewesen sei.

154.

Schließlich weist das Gericht in Bezug auf die angebliche Verletzung der Begründungspflicht und der Pflicht zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes in den Randnrn. 434 und 435 des angefochtenen Urteils (also in nur zwei Randnummern) das Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen zurück und stellt einfach fest, dass die Kommission die einschlägigen Mindestanforderungen nicht verkannt habe, da sie die Beurteilungsgesichtspunkte angegeben habe, die es ihr ermöglicht hätten, Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung zu ermitteln. Außerdem stellt das Gericht nochmals fest, dass die Entscheidungspraxis der Kommission nicht als rechtlicher Rahmen für Geldbußen in Wettbewerbssachen diene und dass diese nicht verpflichtet sei, die Gründe anzugeben, aus denen der Ausgangsbetrag der gegen die Rechtsmittelführerinnen verhängten Geldbuße erheblich über dem Ausgangsbetrag der gegen Wanadoo Interactive und die Deutsche Telekom verhängten Geldbußen liege.

155.

Die vorgenannten zwölf Randnummern (von 465!) ( 91 ), die im Übrigen praktisch keine Untersuchung des Gerichts im eigentlichen Sinne enthalten, zeigen meines Erachtens, dass das Gericht in Bezug auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, das Diskriminierungsverbot sowie den Grundsatz der individuellen Zumessung von Strafen und die Pflicht der Kommission zur Begründung der Höhe der Geldbuße offensichtlich nicht die unbeschränkte Nachprüfung vorgenommen hat, zu der es verpflichtet ist.

156.

Zum geltend gemachten Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot verweist das Gericht lediglich darauf, dass die von der Kommission in früheren Entscheidungen verhängten Geldbußen Anhaltspunkte lieferten, erwähnt jedoch nicht, dass im vorliegenden Fall einige frühere Entscheidungen der Kommission besonders wertvolle Anhaltspunkte enthalten. Dies ist vor allem deshalb von Bedeutung, weil die Kommission weder die Berechnungsmethode für den Ausgangsbetrag von 90 Mio. Euro offengelegt (was nach Ansicht des Gerichtshofs wünschenswert und nach meiner Meinung hier notwendig gewesen wäre) noch den Unterschied zwischen diesem Betrag und dem Betrag in anderen, sehr ähnlichen Entscheidungen, wie im Fall der Deutschen Telekom und Wanadoo Interactive, hinreichend begründet hat.

157.

Das Gericht hat sogar seine eigene Rechtsprechung vergessen, denn es hat in Randnr. 316 des Urteils Archer Daniels Midland/Kommission (im Übrigen bestätigt in dem nach dem angefochtenen Urteil ergangenen Urteil E.ON Ruhrgas und E.ON/Kommission, Randnr. 262) festgestellt, dass, „[was] den Vergleich mit anderen Bußgeldentscheidungen der Kommission [angeht], … diese Entscheidungen daher im Hinblick auf die Einhaltung des Grundsatzes der Gleichbehandlung nur relevant sein [können], wenn dargetan wird, dass die diesen Entscheidungen zugrunde liegenden tatsächlichen Gegebenheiten wie die Märkte, die Erzeugnisse, die Länder, die Unternehmen und die betroffenen Zeiträume die gleichen sind wie im vorliegenden Fall“ (Hervorhebung hinzugefügt). Zwar ist offenkundig, dass die Entscheidungspraxis der Kommission nicht als rechtlicher Rahmen für Geldbußen in Wettbewerbssachen dienen kann, doch findet diese Argumentation ihre Grenzen im Diskriminierungsverbot, wonach gleiche Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden dürfen ( 92 ).

158.

Der Grundsatz „Strafgleichheit für die gleiche Verhaltensweise“ wird im Übrigen in den Leitlinien von 1998 ( 93 ) angeführt und gilt insbesondere dann, wenn die der Verhängung einer Geldbuße zugrunde liegenden tatsächlichen Gegebenheiten, wie die relevanten Märkte, die Art der Zuwiderhandlung, die Erzeugnisse, die Unternehmen oder der Zeitraum der Zuwiderhandlung, wie im vorliegenden Fall gleich sind, es sei denn, es würde – gegebenenfalls auf der Grundlage ergänzender Angaben der Kommission auf Aufforderung des Gerichts – das Gegenteil bewiesen.

159.

Im vorliegenden Fall hätte das Gericht zumindest von der Kommission verlangen müssen, dass sie ganz klar erläutert, weshalb sie im vorliegenden Fall einen Ausgangsbetrag von 90 Mio. Euro festgesetzt hat (und wie sie zu diesem Betrag gelangt ist), zumal i) es sich um die zweithöchste Geldbuße nach der gegen Microsoft verhängten Geldbuße (Entscheidung C[2004] 900) handelt und der Ausgangsbetrag den dritthöchsten Ausgangsbetrag (denjenigen von AstraZeneca ( 94 )) um mehr als 40 % übersteigt, obwohl sich insbesondere in diesen beiden letztgenannten Sachen der betreffende geografische Markt über das Gebiet eines Mitgliedstaats hinaus erstreckte, ii) der streitige Betrag 4,5‑mal höher als der Mindestbetrag ist, der in den Leitlinien von 1998 für die Berechnung von Geldbußen bei „besonders schweren“ Zuwiderhandlungen vorgesehen ist, und iii) dieser Betrag zehn- bzw. neunmal höher als der gegen die Deutsche Telekom und Wanadoo Interactive für ähnliche Praktiken, Märkte, Produkte und Unternehmen festgesetzte „Ausgangsbetrag“ ist.

160.

Zum Grad der Schwere der Zuwiderhandlung („schwer“ oder „besonders schwer“) hatten die Rechtsmittelführerinnen vor dem Gericht geltend gemacht, dass i) die auf einem auf das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats beschränkten geografischen Markt begangenen Missbräuche beherrschender Stellungen bisher als schwer eingestuft worden seien und dass ii) die Umstände, auf die sich die Kommission für ihre Heranziehung des geografischen Aspekts berufen habe (Größe des spanischen Marktes und Schwierigkeit des Zugangs zu diesem Markt für die ausländischen Betreiber), auch bei den Entscheidungen Deutsche Telekom und Wanadoo Interactive vorgelegen hätten, in denen jedoch die Kommission die Zuwiderhandlung nicht als „besonders schwer“ eingestuft habe, im Gegensatz zu ihrer Beurteilung des Falles der Rechtsmittelführerinnen und auch für den Zeitraum vor der Veröffentlichung der Entscheidung Deutsche Telekom. Auch hier beschränkt sich das Gericht auf die Feststellung, dass die Entscheidungspraxis der Kommission nicht als rechtlicher Rahmen für Geldbußen in Wettbewerbssachen dienen könne. Hätte das Gericht nicht dennoch, wenn sich die Kommission für die Einstufung der Zuwiderhandlung als „besonders schwer“ auf die Größe des Marktes berief, berücksichtigen müssen, dass sie bei Märkten von größerer Ausdehnung (Frankreich und Deutschland) dieses Kriterium nicht als ausreichend erachtete, um die Zuwiderhandlung als „besonders schwer“ einzustufen?

161.

Zudem kann, wenn das Kriterium, um eine Zuwiderhandlung als „besonders schwer“ im Sinne der Leitlinien von 1998 einzustufen, darin besteht, ob der fragliche Missbrauch eindeutig („clear-cut“) ist, eine entsprechende Feststellung nicht ohne Bezugnahme zumindest auf die Entscheidungspraxis der Kommission erfolgen. Tatsächlich nehmen die Leitlinien von 1998 selbst Bezug auf die Entscheidungspraxis der Kommission, um den Begriff der „besonders schweren“ Zuwiderhandlung zu verdeutlichen ( 95 ). Zudem rechtfertigt die streitige Entscheidung die Einstufung als eindeutigen Missbrauch auf der Grundlage der Entscheidungspraxis der Kommission ( 96 ). Das Gericht verwechselt somit die Rechtsprechung zum Charakter des Betrags der in früheren Entscheidungen verhängten Geldbußen als eines Anhaltspunkts mit der Auslegung der Leitlinien von 1998 zur Feststellung, ob eine Zuwiderhandlung minder schwer, schwer oder sehr schwer ist. Die Leitlinien verwenden nämlich ein Kriterium, das des „eindeutigen Missbrauchs“, um Verhaltensweisen zu ahnden, deren Rechtswidrigkeit keinem Zweifel unterliegt, was bei missbräuchlichen Praktiken nicht ohne Bezugnahme auf Präzedenzfälle festgestellt werden kann.

162.

Ferner bin ich mit der vierten Rüge des ersten Teils des achten Rechtsmittelgrundes der Rechtsmittelführerinnen (Randnr. 414 der Rechtsmittelschrift) einverstanden, mit der sie die Randnrn. 415 bis 420 des angefochtenen Urteils beanstanden, da sie dem Gericht vorwerfen, die unterschiedliche Intensität der Schwere der Zuwiderhandlung im betroffenen Zeitraum nicht berücksichtigt zu haben. In dieser Hinsicht geben die Feststellungen des Gerichts in den Randnrn. 418 und 419 des angefochtenen Urteils Anlass zur Kritik, denen zufolge die Kommission zutreffend angenommen habe, dass die Zuwiderhandlung im gesamten betroffenen Zeitraum als „besonders schwer“ einzustufen sei, und trotz dieser Einstufung für den gesamten Zeitraum der unterschiedlichen Schwere der Zuwiderhandlung bei der Festsetzung des Ausgangsbetrags der Geldbuße tatsächlich Rechnung getragen habe. Damit hat das Gericht seine Pflicht zur unbeschränkten Nachprüfung verletzt, da es nicht überprüft hat, ob der Ausgangsbetrag der Geldbuße der unterschiedlichen Schwere der Zuwiderhandlung insbesondere in der Zeit vor der Veröffentlichung der Entscheidung Deutsche Telekom tatsächlich Rechnung getragen hat.

163.

Zum angeblichen Verstoß gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der individuellen Strafzumessung fasst sich das Gericht besonders kurz und beruft sich ausschließlich auf sehr allgemeine Überlegungen, die das Ermessen der Kommission (Randnr. 430 des angefochtenen Urteils), die Pauschallogik der Leitlinien von 1998 (Randnr. 431) und die Pflicht der Kommission betreffen, die Geldbuße proportional nach den Faktoren festzusetzen, die sie für die Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung berücksichtigt hat, und diese Faktoren dabei in kohärenter und objektiv gerechtfertigter Weise zu bewerten. Das Gericht hat jedoch nicht geprüft, ob die Anwendung dieser Faktoren in der in Rede stehenden Rechtssache tatsächlich in kohärenter und objektiv gerechtfertigter Weise erfolgt ist. Es gelangt in Randnr. 432 des angefochtenen Urteils zu folgendem Ergebnis: „Angesichts des Umstands, dass der Missbrauch von Telefónica zum einen als ein offensichtlicher Missbrauch, für den es Präzedenzfälle gibt, angesehen werden muss, der das Ziel der Verwirklichung des Binnenmarkts für die Telekommunikationsnetze und ‑dienstleistungen gefährdet, und dass dieser Missbrauch zum anderen erhebliche Auswirkungen auf den spanischen Endkundenmarkt hatte (Erwägungsgründe 738 bis 757 der [streitigen] Entscheidung), kann ein Ausgangsbetrag der Geldbuße von 90 Mio. Euro nicht als unverhältnismäßig angesehen werden.“

164.

Während nach der Rechtsprechung des Gerichts ( 97 ) die Geldbuße unter Berücksichtigung der konkreten Situation des betroffenen Unternehmens zu berechnen ist, was bedeutet, dass geprüft werden muss, ob der Grundsatz der Abschreckungswirkung der Geldbuße beim Sachverhalt dieser Rechtssache zu Unrecht Vorrang vor dem Grundsatz der individuellen Strafzumessung hatte, begnügt sich das Gericht in Randnr. 433 des angefochtenen Urteils mit der bloßen Feststellung, dass die Geldbuße „nach Maßgabe der spezifischen Situation von Telefónica berechnet wurde“.

165.

Es gelangt zu diesem Ergebnis, ohne mehreren Umständen, die seine Aufmerksamkeit hätten wecken müssen, Bedeutung beizumessen, und zwar im Einzelnen: i) Die Entscheidungen Deutsche Telekom, Wanadoo Interactive und Telefónica wurden auf der Grundlage der Leitlinien von 1998, also unter Anwendung der gleichen Berechnungsregeln, erlassen; ii) die in den drei Fällen geprüften Verhaltensweisen überschnitten sich zeitlich teilweise und sind von (sehr) ähnlicher Natur ( 98 ): Verdrängungspreispraktiken im Fall von Wanadoo Interactive und Praktiken der Kosten-Preis-Schere in den Fällen der Deutschen Telekom und von Telefónica; iii) die drei Fälle betreffen die Märkte des Zugangs zum Internet in Frankreich, Deutschland und Spanien, die große Ähnlichkeit im Hinblick auf Größe und wirtschaftliche Bedeutung aufweisen; iv) die in den drei Fällen mit Sanktionen belegten Unternehmen sind historische Telekommunikationsbetreiber (oder eine Tochtergesellschaft eines von ihnen im Fall von Wanadoo Interactive) mit gut vergleichbaren Umsätzen ( 99 ); und v) einige Umstände könnten zumindest theoretisch für einen niedrigeren Ausgangsbetrag im Vergleich zu dem sprechen, der in der Sache Deutsche Telekom verhängt wurde, in der a) die Großhandelspreise höher als deren Einzelhandelspreise waren, so dass die Deutsche Telekom sich des Bestehens einer Kosten-Preis-Schere bewusst sein konnte, ohne dass sie Kosten zu berücksichtigen hatte; b) die deutsche Regulierungsbehörde negative Margen festgestellt hatte; c) die betroffenen Produkte wesentliche Infrastrukturen waren; d) nach dem Vorbringen der Rechtsmittelführerin die deutsche Regelung im streitigen Zeitraum weniger strenger als die spanische ( 100 ) war (auch wenn dieser letzte Punkt von der Kommission bestritten wird).

166.

Die Kommission hat vor dem Gerichtshof geltend gemacht, dass „das Ergebnis, zu dem das Gericht in Randnr. 432 gelangt ist, auf einer eingehenden Prüfung des ‚Akteninhalts‘ und des Vorbringens der Verfahrensbeteiligten beruht“, und dass das Gericht tatsächlich geprüft habe, ob die Geldbuße unverhältnismäßig sei. In Beantwortung einer in der mündlichen Verhandlung gestellten Frage des Gerichtshofs nach diesem „Akteninhalt“ hat der Prozessbevollmächtigte der Kommission einfach erklärt, er denke, dass „man unter diesem Akteninhalt die Unterlagen, die Beweismittel und die von den [Verfahrensbeteiligten] vorgenommenen rechtlichen Prüfungen zu verstehen hat“, und im Wesentlichen vorgetragen, dass der Ausgangsbetrag von 90 Mio. Euro in der Mitte (einer „Art Mittellinie“, wie er sich ausgedrückt hat) zwischen dem in den Leitlinien von 1998 festgesetzten Ausgangspunkt von 20 Mio. Euro und dem Ausgangsbetrag von 185 Mio. Euro in der Sache Microsoft liege. In diesem Argument lässt sich schwerlich eine überzeugende Erklärung für die enorme Erhöhung des Ausgangsbetrags im Vergleich zu ähnlichen Fällen finden, zumal es sich um den zweithöchsten Ausgangsbetrag nach dem in der Sache Microsoft angewandten handelt. Auch wenn diese Fragen in der mündlichen Verhandlung vor dem Gericht erörtert worden sind (wie die Kommission geltend macht), geht dies aus dem angefochtenen Urteil jedenfalls nicht hervor.

167.

Was die Erhöhung des Ausgangsbetrags der Geldbuße zum Zweck der Abschreckung angeht (Randnrn. 437 bis 443 des angefochtenen Urteils) (die das Gericht hätte veranlassen müssen, nach der Rechtfertigung der ebenfalls mit der Abschreckung begründeten erheblichen Erhöhung des Ausgangsbetrags zu fragen), hat das Gericht in Randnr. 439 einfach die Erwägungen der Kommission durch bloße allgemeine Verweise auf Erwägungsgründe der streitigen Entscheidung bekräftigt, ohne insoweit die Angemessenheit des Multiplikationsfaktors von 1,25 zu prüfen, und damit, ohne erneut eine wirkliche unbeschränkte Nachprüfung vorzunehmen. Das Gericht hat in diesem Teil auch nicht den Vergleich mit den Entscheidungen Deutsche Telekom und Wanadoo Interactive geprüft, in denen die Geldbuße nicht zur Abschreckung erhöht worden war, und auf diese Weise die Rechtsprechung außer Acht gelassen, wonach die Begründungspflicht expliziter sein muss, wenn die Entscheidung „über die früheren Entscheidungen merklich hinausgeht“ (vgl. Fn. 45 der vorliegenden Schlussanträge.

168.

Zudem hat das Gericht in Randnr. 441 des angefochtenen Urteils einen möglichen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot, da der Umsatz der Rechtsmittelführerinnen tatsächlich mit demjenigen von Wanadoo Interactive und der Deutschen Telekom ( 101 ) vergleichbar war, bei denen die Kommission eine Erhöhung der Geldbuße zur Abschreckung nicht für angezeigt gehalten hatte, nicht ordnungsgemäß geprüft. Das Gericht verschanzt sich in dieser Randnummer abermals hinter der Rechtsprechung, wonach die Entscheidungspraxis nicht als rechtlicher Rahmen für Geldbußen dienen kann.

169.

Der gleiche Fehler dürfte dem Gericht bei der Prüfung der Einstufung des Verhaltens der Rechtsmittelführerinnen als „Verstoß von langer Dauer“ in den Randnrn. 444 bis 452 des angefochtenen Urteils unterlaufen sein. Das Gericht hat nämlich in den Randnrn. 448 bis 450 des angefochtenen Urteils nicht zwischen den beiden Zuwiderhandlungszeiträumen unterschieden (was meines Erachtens notwendig gewesen wäre), von denen der eine vor und der andere nach der Entscheidung Deutsche Telekom lag, und die Schwere der Zuwiderhandlung nicht in Bezug auf den jeweiligen Zeitraum beurteilt. Das Gericht bezieht sich auf die Randnrn. 356 bis 369 sowie auf Randnr. 419 des angefochtenen Urteils und begnügt sich mit der Feststellung, „dass bei der Festsetzung des Ausgangsbetrags der Geldbuße die unterschiedliche Intensität der Zuwiderhandlung [berücksichtigt worden ist]“. Wie ich ausgeführt habe, ist überhaupt nicht klar, ob (und wie) der Ausgangsbetrag tatsächlich diese unterschiedliche Intensität widerspiegelt. Jedenfalls prüft das Gericht dies nicht. Das Gericht stellt nicht in Abrede, dass die Kommission in der Entscheidung Deutsche Telekom die Ansicht vertrat, die unterschiedliche Schwere der Zuwiderhandlung im Untersuchungszeitraum bedeute, i) dass die ursprünglich als „besonders schwer“ angesehene Zuwiderhandlung nunmehr als „schwer“ eingestuft werden müsse und zudem ii) eine Ermäßigung der erhöhten Geldbuße wegen ihrer Dauer rechtfertige. Sie nahm nämlich an, dass der beschränkte Spielraum, über den die Deutsche Telekom für die Anpassung ihrer Tarife ab 2002 verfügt habe, eine Einstufung der Zuwiderhandlung ab diesem Zeitpunkt als „minder schwer“ rechtfertige und dass daher nach diesem Zeitpunkt keine Erhöhung der Geldbuße mehr anzuwenden sei ( 102 ).

170.

Schließlich verweist das Gericht in Randnr. 461 des angefochtenen Urteils bei seiner Prüfung der geltend gemachten Neuartigkeit der Rechtssache auf seine Ausführungen zum Vorhandensein klarer und vorhersehbarer Präzedenzfälle. In diesem Zusammenhang hat das Gericht ein offensichtlich falsches Kriterium, nämlich das der Rechtssicherheit, angewandt und außer Betracht gelassen, dass einer der in den Leitlinien von 1998 aufgeführten mildernden Umstände das Bestehen berechtigter Zweifel des Unternehmens an der Rechtswidrigkeit seines Verhaltens ist. Ich denke, dass solche berechtigten Zweifel mindestens bis Oktober 2003, dem Zeitpunkt der Veröffentlichung der Entscheidung Deutsche Telekom, bestehen konnten, da die Rechtsmittelführerinnen möglicherweise nicht die Grenzen des berechtigten Vertrauens erkennen konnten, das ein Betreiber in beherrschender Stellung in das Vorgehen der CMT haben konnte. Das Gericht räumt selbst in Randnr. 361 des angefochtenen Urteils ein, dass, „[w]ie die Kommission im 735. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung festgestellt hat, … die Entscheidung Deutsche Telekom auch einen Präzedenzfall dar[stellt], der die Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 82 EG auf eine wirtschaftliche Tätigkeit klarstellt, die der sektorspezifischen Vorabregulierung unterliegt“.

171.

Das einzige Argument der Rechtsmittelführerinnen in diesem Teil des Rechtsmittels, das mir nicht stichhaltig erscheint, betrifft den Zeitpunkt des Endes der Zuwiderhandlung. Die Rechtsmittelführerinnen beanstanden (Randnr. 449 der Rechtsmittelschrift) Randnr. 451 des angefochtenen Urteils und führen an, das Gericht habe offenbar eingeräumt, dass die Kommission das Vorliegen der Zuwiderhandlung nur bis zum Ende des ersten Halbjahrs 2006 nachgewiesen habe. Daraufhin habe das Gericht in Umkehrung der Beweislast festgestellt, die Rechtsmittelführerinnen hätten nicht bewiesen, dass es im zweiten Halbjahr 2006 keine Kosten-Preis-Schere gegeben habe, obwohl es der Kommission oblegen hätte, ihnen die Zuwiderhandlung nachzuweisen. Das Gericht hat jedoch in dieser Hinsicht keinen Fehler begangen, da sich in den von den Rechtsmittelführerinnen vorgelegten Unterlagen kein Beleg für Preisänderungen zwischen Juni und Dezember 2006 findet. Somit liegt keine Umkehr der Beweislast, sondern eine Entscheidung aufgrund der Angaben in den Unterlagen vor. Die Kommission hat nämlich in ihrer Entscheidung den Beweis dafür erbracht, dass die nationalen und regionalen Großkundenprodukte bis zum 21. Dezember 2006 keiner Änderung unterzogen wurden und dass die Endkundenpreise seit September 2001 unverändert blieben, und die Rechtsmittelführerinnen haben eine von der Kommission berücksichtigte Änderung der Kosten nicht geltend gemacht (Randnr. 451 des angefochtenen Urteils).

172.

Nach alledem scheint mir, dass der achte und der zehnte Rechtsmittelgrund großenteils durchgreifen, da das Gericht seine Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung nicht ausgeübt und damit Rechtsfehler bei der Prüfung des geltend gemachten Verstoßes gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit, der Gleichbehandlung und der individuellen Strafzumessung sowie gegen die Begründungspflicht begangen hat.

173.

Ich behaupte nicht, dass gegen diese Grundsätze verstoßen worden ist, sondern dass das Gericht im Rahmen seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung nicht ordnungsgemäß untersucht hat, ob die Entscheidung der Kommission über die Geldbuße mit diesen Grundsätzen im Einklang stand.

174.

Gemäß Art. 61 Abs. 1 seiner Satzung kann der Gerichtshof, wenn er die Entscheidung des Gerichts aufhebt, entweder den Rechtsstreit selbst endgültig entscheiden, wenn dieser zur Entscheidung reif ist, oder die Sache zur Entscheidung an das Gericht zurückverweisen. Im vorliegenden Fall ist der Rechtsstreit nicht zur Entscheidung reif.

V – Ergebnis

175.

Aufgrund dieser Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, wie folgt zu entscheiden:

1.

Das Urteil des Gerichts der Europäischen Union vom 29. März 2012, Telefónica und Telefónica de España/Kommission (T‑336/07), wird aufgehoben, soweit das Gericht seine Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung im Rahmen der Untersuchung der von der Europäischen Kommission gegen die Telefónica SA und die Telefónica de España SAU verhängten Geldbuße nicht ausgeübt hat.

2.

Die Sache wird an das Gericht der Europäischen Union zurückverwiesen.

3.

Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.


( 1 ) Originalsprache: Französisch.

( 2 ) Urteil vom 29. März 2012, Telefónica und Telefónica de España/Kommission (T‑336/07; im Folgenden: angefochtenes Urteil).

( 3 ) Entscheidung vom 4. Juli 2007 in einem Verfahren nach Artikel [102 AEUV] (Sache COMP/38.784 – Wanadoo España gegen Telefónica; im Folgenden: streitige Entscheidung).

( 4 ) Verordnung des Rates vom 6. Februar 1962: Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln [101 AEUV] und [102 AEUV] (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204).

( 5 ) Entscheidung 2003/707/EG der Kommission vom 21. Mai 2003 in einem Verfahren nach Artikel [102 AEUV] (Sache COMP/C‑1/37.451, 37.578, 37.579 – Deutsche Telekom AG) (ABl. L 263, S. 9, im Folgenden: Entscheidung Deutsche Telekom). Vgl. hierzu Urteil vom 14. Oktober 2010, Deutsche Telekom/Kommission (C-280/08 P, Slg. 2010, I-9555), sowie die Schlussanträge von Generalanwalt Mazák in dieser Rechtssache.

( 6 ) In den vorliegenden Schlussanträgen werde ich ausschließlich den Begriff „Kosten-Preis-Schere“ verwenden.

( 7 ) Verordnung des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln [101 AEUV] und [102 AEUV] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. L 1, S. 1), anwendbar seit 1. Mai 2004.

( 8 ) Das bedeutet eine Rechtsmittelschrift im Verfahren vor dem Gerichtshof (die nur Rechtsausführungen enthalten sollte), die länger ist als die bereinigte Klageschrift im Verfahren vor dem Gericht! Zudem finden sich praktisch nicht nachvollziehbare Randnummern wie Randnr. 298, die einen Satz mit 121 Wörtern enthält.

( 9 ) „SSNIP“ steht für „small but significant and non-transitory increase in price“ (Kriterium der geringen, aber erheblichen und nicht vorübergehenden Erhöhung der Preise).

( 10 ) Bekanntmachung der Kommission über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der [Union] (ABl. 1997, C 372, S. 5).

( 11 ) D. h. ein Markt, auf dem die Kunden und die Wettbewerber von Telefónica deren Netz reproduzieren und damit unabhängig von ihren Marktanteilen einen effektiven Wettbewerbsdruck ausüben konnten.

( 12 ) Urteil des Gerichtshofs vom 17. Februar 2011, Holböck (C-52/09, Slg. 2007, I-527).

( 13 ) Urteil vom 17. Dezember 1998 (C-185/95 P, Slg. 1998, I-8417, Randnr. 141).

( 14 ) Ich möchte anmerken, dass die grundsätzlichen Fragen im Zusammenhang mit der Dauer des Verfahrens vor dem Gericht erneut von der Großen Kammer des Gerichtshofs in der Rechtssache Kendrion/Kommission (C‑50/12, beim Gerichtshof anhängig, die Schlussanträge von Generalanwältin Sharpston sind am 30. Mai 2013 vorgetragen worden) entschieden werden, und zwar u. a. die Bedeutung des Urteils Baustahlgewebe/Kommission (in dem der Gerichtshof die Geldbuße wegen der übermäßigen Dauer des Verfahrens vor dem Gericht ermäßigt hat) unter Berücksichtigung des Urteils vom 16. Juli 2009, Der Grüne Punkt – Duales System Deutschland/Kommission, C-385/07 P, Slg. 2009, I-6155 (in dem keine Geldbuße verhängt worden ist und der Gerichtshof die Klägerin darauf hingewiesen hat, dass sie eine Klage auf Schadensersatz beim Gericht erheben könne).

( 15 ) Urteil vom 25. Januar 2007, Sumitomo Metal Industries und Nippon Steel/Kommission (C-403/04 P und C-405/04 P, Slg. 2007, I-729, Randnrn. 116 und 117 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 16 ) Ein Urteil des Gerichtshofs, mit dem die Gültigkeit der Handlung eines Unionsorgans bestätigt wird, kann nicht als hinreichender Grund angesehen werden, der das Vorbringen eines neuen Angriffsmittels rechtfertigen könnte, da es nur einen Rechtszustand bestätigt, der den Klägerinnen bekannt war, als sie ihre Klage erhoben (vgl. Urteil vom 1. April 1982, Dürbeck/Kommission, 11/81, Slg. 1982, 1251, Randnr. 17).

( 17 ) Vgl. Urteile vom 7. Januar 2004, Aalborg Portland u. a./Kommission (C-204/00 P, C-205/00 P, C-21/00 P, C-213/00 P, C-217/00 P und C-219/00 P, Slg. 2004, I-123, Randnrn. 71 bis 73 und die dort angeführte Rechtsprechung), und vom 3. September 2009, Papierfabrik August Koehler u. a. (C-322/07 P, C-327/07 P und C-338/07 P, Slg. 2009, I-7191, Randnr. 104).

( 18 ) Die Kommission hat in ihren Schriftsätzen vor dem Gericht (Randnr. 15 der Klagebeantwortung) erklärt, dass die Ausführungen von Telefónica offensichtlich ins Leere gingen, da sämtliche Punkte, zu denen Telefónica nach eigener Aussage keine Gelegenheit zu einer Stellungnahme erhalten habe, nichttragende Teile der Begründung seien.

( 19 ) Urteil vom 26. November 1998 (C-7/97, Slg. 1998, I-7791).

( 20 ) Urteil vom 28. Juni 2005 (C-189/02 P, C-202/02 P, C-205/02 P bis C-208/02 P und C-213/02 P, Slg. 2005, I-5425).

( 21 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste (ABl. L 108, S. 33).

( 22 ) Randnrn. 276, 289, 293, 295, 330, 336, 366, 371, 374 und 482 der Rechtsmittelschrift.

( 23 ) Randnrn. 276, 288, 289, 295 und 298 der Rechtsmittelschrift.

( 24 ) Vgl. Randnrn. 295 und 482 der Rechtsmittelschrift und Urteil des Gerichts vom 30. November 2000 (T-5/97, Slg. 2000, II-3755).

( 25 ) Entscheidung, in der die Kommission Schutzmaßnahmen erließ und die Voraussetzungen erläuterte, die erfüllt sein müssen, damit dieses Verhalten als missbräuchlich betrachtet werden kann (Entscheidung 76/185/EGKS der Kommission vom 29. Oktober 1975 über einstweilige Maßnahmen betreffend den National Coal Board, die National Smokeless Fuels Limited und die National Carbonizing Company Limited [ABl. 1976, L 35, S. 6]).

( 26 ) Entscheidung 88/518/EWG der Kommission vom 18. Juli 1988 betreffend ein Verfahren nach Artikel [102 AEUV] (IV/30.178 – Napier Brown/British Sugar) (ABl. L 284, S. 41), 66. Erwägungsgrund.

( 27 ) Es ist zu bemerken, dass nach dem Urteil TeliaSonera Sverige (Randnr. 69) die Unentbehrlichkeit des Produkts im Rahmen der Beurteilung der Wirkungen der Margenbeschneidung erheblich sein kann. Vgl. auch die Schlussanträge von Generalanwalt Mazák in dieser Rechtssache.

( 28 ) ABl. 1988, C 265, S. 2 (Erwägungsgründe 117 bis 119).

( 29 ) Entscheidung der Kommission in einem Verfahren der Anwendung von Art. [102 AEUV] (Sache COMP/38.233 – Wanadoo Interactive; im Folgenden: Entscheidung Wanadoo Interactive). Vgl. hierzu Urteil vom 2. April 2009, France Télécom/Kommission (C-202/07 P, Slg. 2009, I-2369), und die Schlussanträge von Generalanwalt Mazák in dieser Rechtssache. Jedoch sollte, wie Generalanwalt Mazák in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache TeliaSonera Sverige ausgeführt hat (Nr. 57), die Kommission „[o]bwohl Märkte, die in dynamischer Entwicklung oder starkem Wachstum begriffen sind, nicht von der Anwendung des Art. 102 AEUV ausgenommen sind, … mit besonderer Vorsicht vorgehen, wenn sie – sofern dies gerechtfertigt ist – in solche Märkte eingreif[t] und gegebenenfalls, wie von der Kommission mit Erfolg in der Sache Wanadoo [Interactive] durchgeführt, eine Anpassung ihres Standardansatzes vorn[immt]“.

( 30 ) Urteile vom 29. Juni 2006 (C-289/04 P, Slg. 2006, I-5859) und vom 17. Juni 2010 (C-413/08 P, Slg. 2010, I-5361).

( 31 ) Vgl. insbesondere Urteil vom 16. November 2000, Sarrió/Kommission („Karton“-Kartell) (C-291/98 P, Slg. 2000, I-9991, Randnrn. 91 bis 101).

( 32 ) Urteil vom 19. April 2012, Tomra Systems u. a./Kommission (C‑549/10 P, Randnr. 104). Vgl. auch Urteile vom 21. September 2006, JCB Service/Kommission (C-167/04 P, Slg. 2006, I-8935, Randnr. 205), und vom 24. September 2009, Erste Group Bank u. a./Kommission (C-125/07 P, C-133/07 P, C-135/07 P und C-137/07 P, Slg. 2009, I-8681, Randnr. 233).

( 33 ) Vgl. Urteil Tomra Systems u. a./Kommission (Randnr. 105) und im gleichen Sinne Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission (Randnr. 227).

( 34 ) Urteil des Gerichts vom 9. September 2010, Tomra Systems u. a./Kommission (T-155/06, Slg. 2010, II-4361, Randnr. 314).

( 35 ) Vgl. Urteil des Gerichtshofs Tomra Systems u. a./Kommission (Randnr. 106) und im gleichen Sinne Urteil vom 7. Juni 1983, Musique Diffusion française u. a./Kommission, „Pioneer“ (100/80 bis 103/80, Slg. 1983, 1825, Randnr. 109).

( 36 ) Vgl. Urteil des Gerichtshofs Tomra Systems u. a./Kommission (Randnr. 107) und im gleichen Sinne Urteil vom 17. Juli 1997, Ferriere Nord/Kommission (C-219/95 P, Slg. 1997, I-4411, Randnr. 33).

( 37 ) Urteil des Gerichts vom 27. September 2006 (T-59/02, Slg. 2006, II-3627, Randnr. 316 und die dort angeführte Rechtsprechung). Diese Rechtsprechung wurde bestätigt durch das Urteil des Gerichts vom 29. Juni 2012, E.ON Ruhrgas und E.ON/Kommission (T‑360/09, Randnr. 262). Ich möchte bemerken, dass das Urteil Archer Daniels Midland/Kommission vom Gerichtshof aus Gründen aufgehoben worden ist, die nichts mit diesem Punkt zu tun haben (Urteil vom 9. Juli 2009, Archer Daniels Midland/Kommission, C-511/06 P, Slg. 2006, I-5843).

( 38 ) Urteil des Gerichts vom 6. April 1995 (T-148/89, Slg. 1995, II-1063, Randnr. 142).

( 39 ) Vgl. u. a. Urteile des Gerichts Archer Daniels Midland/Kommission (Randnr. 315), vom 13. Juli 2011, Schindler Holding u. a./Kommission (T-138/07, Slg. 2011, II-4819, Randnr. 105), und vom 12. Dezember 2012, Novácke chemické závody/Kommission (T‑352/09, Randnr. 44).

( 40 ) Urteile vom 8. Dezember 2011, KME Germany u. a./Kommission (C-389/10 P, Slg. 2011, I-13125), KME Germany u. a./Kommission (C-272/09 P, Slg. 2011, I-12789) und Chalkor/Kommission (C-386/10 P, Slg. 2011, I-13085) (im Folgenden zusammen: Urteile Chalkor und KME) sowie Urteil des EGMR A. Menarini Diagnostics/Italien vom 27. September 2011 (Klage Nr. 43509/08).

( 41 ) Ich möchte hinzufügen, dass diese Rechtsprechung insbesondere durch die Urteile vom 2. Oktober 2003, Corus UK/Kommission (C-199/99 P, Slg. 2003, I-11177, Randnrn. 149 und 150), und vom 15. Oktober 2002, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission (C-238/99 P, C-244/99 P, C-245/99 P, C-247/99 P, C-250/99 P bis C-252/99 P und C-254/99 P, Slg. 2002, I-8375, Randnrn. 463 und 464), bestätigt worden ist.

( 42 ) Nämlich Beschluss des Gerichtshofs vom 25. März 1996, SPO u. a./Kommission (C-137/95 P, Slg. 1996, I-1611, Randnr. 54), und Urteil vom 11. Dezember 1996, Van Megen Sports/Kommission (T-49/95, Slg. 1996, II-1799, Randnr. 51).

( 43 ) Hierzu lässt sich anführen, dass die Leitlinien von 2006 einen gewissen Fortschritt darstellen, da dort u. a. angegeben ist, dass sich der Grundbetrag nach dem Verkaufswert richtet. Vgl. die Mitteilung der Kommission „Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe a) der Verordnung (EG) Nr. 1/2003“ (ABl. 2006, C 210, S. 2), Randnrn. 12 bis 26.

( 44 ) Urteil vom 18. Mai 2006, Archer Daniels Midland und Archer Daniels Midland Ingredients/Kommission (C-397/03 P, Slg. 2006, I-4429, Randnr. 91).

( 45 ) Vgl. Urteil vom 29. September 2011, Elf Aquitaine/Kommission (C-521/09 P, Slg. 2011, I-8947, Randnr. 155), in dem insbesondere die Urteile vom 26. November 1975, Groupement des fabricants de papiers peints de Belgique u. a./Kommission (73/74, Slg. 1975, 1491, Randnr. 31), und vom 11. Dezember 2008, Kommission/Département du Loiret (C-295/07 P, Slg. 2008, I-9363, Randnr. 44), angeführt werden. Vgl. auch Urteile vom 14. Februar 1990, Delacre u. a./Kommission (C-350/88, Slg. 1990, I-395, Randnr. 15), und vom 8. November 2001, Silos (C-228/99, Slg. 2001, I-8401, Randnr. 28), sowie in diesem Sinne Urteil vom 20. November 1997, Moskof (C-244/95, Slg. 1997, I-6441, Randnr. 54).

( 46 ) Wenn die Kommission keine Probleme mit der Angabe der Berechnungsmethode der Sanktion in Verfahren über eine doppelte Vertragsverletzung hat – wobei sie allerdings einen Ermessensspielraum bei der Festsetzung des auf die einzelnen Kriterien anwendbaren Koeffizienten behält –, ist es kaum vertretbar, dass sie bei der Berechnung der Geldbuße in Kartellsachen Transparenz ablehnt (die es dem Gericht ermöglichen würde, seine Befugnis zur unbeschränkten Nachprüfung in vollem Umfang auszuüben). Vgl. auch De Bronett, G.-K., Ein Vergleich zwischen Kartellgeldbußen gegen Unternehmen und „Pauschalbeträgen“ gegen Mitgliedstaaten wegen Verstoß gegen EU-Recht, ZWeR 2013, 38. Im Übrigen deutet das Vorhandensein von Leitlinien der Kommission für sich genommen schon darauf hin, dass deren Ermessensspielraum keineswegs unbegrenzt ist. In diesem Zusammenhang scheint mir der in den Vereinigten Staaten verfolgte Ansatz der beste zu sein, da es die „Sentencing guidelines“ (Leitlinien für die Verurteilung) erlauben, die Höhe der Geldbuße (und die Dauer der Haftstrafe) mit ziemlich großer Genauigkeit vorherzusehen (vgl. den Sentencing Reform Act 1984 und das US Sentencing Commission Guidelines Manual auf www.ussc.gov, sowie Whish, R., und Bailey, D., Competition Law, Oxford, 7. Aufl., 2012, S. 276).

( 47 ) Nach dessen Art. 172 können „[d]ie vom Rat auf Grund dieses Vertrags erlassenen Verordnungen … hinsichtlich der darin vorgesehenen Zwangsmaßnahmen dem Gerichtshof eine Zuständigkeit übertragen, welche die Befugnis zu unbeschränkter Ermessensnachprüfung und zur Änderung oder Verhängung solcher Maßnahmen umfasst“. Nach Art. 17 der Verordnung Nr. 17 hat „[b]ei Klagen gegen Entscheidungen der Kommission, in denen eine Geldbuße oder ein Zwangsgeld festgesetzt ist, … der Gerichtshof die Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung der Entscheidung im Sinne von Artikel 172 des Vertrages; er kann die festgesetzte Geldbuße oder das festgesetzte Zwangsgeld aufheben, herabsetzen oder erhöhen“.

( 48 ) Vgl. auch Randnr. 63 des Urteils Chalkor/Kommission und im gleichen Sinn Urteil Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission (Randnr. 692).

( 49 ) Nach Art. 261 AEUV können „[a]ufgrund der Verträge vom Europäischen Parlament und vom Rat gemeinsam sowie vom Rat erlassene Verordnungen … hinsichtlich der darin vorgesehenen Zwangsmaßnahmen dem Gerichtshof der Europäischen Union eine Zuständigkeit übertragen, welche die Befugnis zu unbeschränkter Ermessensnachprüfung und zur Änderung oder Verhängung solcher Maßnahmen umfasst“. Nach Art. 31 der Verordnung Nr. 1/2003 hat „[b]ei Klagen gegen Entscheidungen, mit denen die Kommission eine Geldbuße oder ein Zwangsgeld festgesetzt hat, … der Gerichtshof die Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung der Entscheidung. Er kann die festgesetzte Geldbuße oder das festgesetzte Zwangsgeld aufheben, herabsetzen oder erhöhen.“

( 50 ) Heute vom Gericht im Rahmen von Klagen gegen die Entscheidungen der Kommission, mit denen eine Geldbuße verhängt wird.

( 51 ) Vgl. Urteil Chalkor/Kommission, Randnr. 65.

( 52 ) Vgl. ihre Schlussanträge in den Rechtssachen Alliance One International und Standard Commercial Tobacco/Kommission und Kommission/Alliance One International u. a., Nrn. 95 ff. (Urteil vom 19. Juli 2012, C‑628/10 P und C‑14/11 P).

( 53 ) Vgl. auch Urteil vom 22. Dezember 2010, DEB (C-279/09, Slg. 2010, I-13849, Randnrn. 30 und 31), vom 28. Juli 2011, Samba Diouf (C-69/10, Slg. 2011, I-7151, Randnr. 49), und KME u. a./Kommission (Randnr. 92). Vgl. auch Beschluss vom 1. März 2011, Chartry (C-457/09, Slg. 2011, I-819, Randnr. 25).

( 54 ) Vgl. insbesondere Urteile vom 13. November 1990, Fedesa u. a. (C-331/88, Slg. 1990, I-4023, Randnr. 13), vom 5. Oktober 1994, Crispoltoni u. a. (C-133/93, C-300/93 und C-362/93, Slg. 1994, I-4863, Randnr. 41), und vom 12. Juli 2001, Jippes u. a. (C-189/01, Slg. 2001, I-5689, Randnr. 81).

( 55 ) Ich schließe mich hier den Nrn. 100 bis 131 der Schlussanträge von Generalanwalt Bot in der Rechtssache E.ON Energie/Kommission (Urteil vom 22. November 2012, C‑89/11 P) an, in der er insbesondere auf die Rechtsprechung des EGMR (Urteile Schmautzer/Österreich vom 23. Oktober 1995, Serie A Nr. 328-A, Valico S.R.L./Italien vom 10. Januar 2001, Recueil des arrêts et décisions 2006-III, und Menarini) verweist. Zwar hat der Gerichtshof – obwohl Generalanwalt Bot in seinen Schlussanträgen vorgeschlagen hat, das Urteil des Gerichts aufzuheben, soweit dieses seine Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der gegen E.ON Energie verhängten Geldbuße nicht ausgeübt habe, und die Rechtssache an das Gericht zurückzuverweisen, damit es über die Verhältnismäßigkeit dieser Geldbuße entscheide – das Rechtsmittel zurückgewiesen. Bei der Lektüre dieses Urteils zeigt sich jedoch, dass der Gerichtshof zwar in den Grundsätzen nicht mit Generalanwalt Bot uneins war, jedoch meinte, dass das Gericht – im konkreten Fall – seine Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung ausgeübt hat und rechtsfehlerfrei feststellen konnte, dass die Geldbuße verhältnismäßig war. Da die Kommission gegen E.ON Energie eine Geldbuße von 10 % des Jahresumsatzes dieses Unternehmens hätte verhängen können, wenn sie das Vorliegen wettbewerbswidriger Praktiken nachgewiesen hätte, war das Gericht der Ansicht, dass die wegen Siegelbruchs verhängte Geldbuße von 38 Mio. Euro, die 0,14 % des Jahresumsatzes von E.ON Energie ausmachte, nicht als übermäßig in Anbetracht der Notwendigkeit betrachtet werden konnte, die Abschreckungswirkung dieser Sanktion zu gewährleisten.

( 56 ) Urteil vom 11. September 2007, Lindorfer/Rat (C-227/04 P, Slg. 2007, I-6767, Randnr. 63).

( 57 ) Urteil Elf Aquitaine/Kommission (Randnr. 147).

( 58 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. September 2003, Volkswagen/Kommission (C-338/00 P, Slg. 2003, I-9189).

( 59 ) Urteil des Gerichts vom 6. Juli 2000 (T-62/98, Slg. 2000, II-2707, Randnr. 347 und die dort angeführte Rechtsprechung). Das Urteil des Gerichtshofs ist in der vorherigen Fußnote angeführt.

( 60 ) Vgl. Mengozzi, P., „La compétence de pleine juridiction du juge communautaire“, Liber Amicorum en l’honneur de Bo Vesterdorf, Bruylant, Brüssel, 2007, S. 219 bis 236.

( 61 ) Vgl. in diesem Zusammenhang auch Nehl, H. P., „Kontrolle kartellrechtlicher Sanktionsentscheidungen der Kommission durch die Unionsgerichte“, in Immenga, U., und Körber, T. (Hrsg.), Die Kommission zwischen Gestaltungsmacht und Rechtsbindung, Nomos, 2012, S. 139 f. („[D]ie mit dieser Neuorientierung einhergehende Rückbesinnung des Gerichtshofs auf das ‚hard law‘ anstelle des ‚soft law‘ zum Zweck der gerichtlichen Kontrolle der Ausübung des Ermessens der Kommission bei der Geldbußenbemessung ist sehr zu begrüßen“).

( 62 ) Vgl. seinen Aufsatz „La protection des droits et des garanties fondamentales en droit de la concurrence“ in: De Rome à Lisbonne: mélanges en l’honneur de Paolo Mengozzi, Bruylant, 2013, S. 175-192.

( 63 ) Vgl. Urteil KME Germany u. a./Kommission (Randnr. 136). Selbst in Bezug auf die Kontrolle der Rechtmäßigkeit und die komplexen wirtschaftlichen Beurteilungen wird in Randnr. 94 des Urteils KME u. a./Kommission klargestellt: „Zur Rechtmäßigkeitskontrolle hat der Gerichtshof entschieden, dass, auch wenn der Kommission in Bereichen, in denen komplexe wirtschaftliche Beurteilungen erforderlich sind, in Wirtschaftsfragen ein Beurteilungsspielraum zusteht, dies nicht bedeutet, dass der Unionsrichter eine Kontrolle der Auslegung von Wirtschaftsdaten durch die Kommission unterlassen muss. Der Unionsrichter muss nämlich nicht nur die sachliche Richtigkeit der angeführten Beweise, ihre Zuverlässigkeit und ihre Kohärenz prüfen, sondern auch kontrollieren, ob diese Beweise alle relevanten Daten darstellen, die bei der Beurteilung einer komplexen Situation heranzuziehen waren, und ob sie die aus ihnen gezogenen Schlüsse zu stützen vermögen“ (Hervorhebung hinzugefügt). Ebenso hat der EFTA-Gerichtshof in seinem Urteil Posten Norge (Urteil vom 18. April 2012, E-15/10, Randnrn. 100 f.) entschieden: „it must be recalled that Article 6(1) ECHR requires that subsequent control of a criminal sanction imposed by an administrative body must be undertaken by a judicial body that has full jurisdiction. Thus, the Court must be able to quash in all respects, on questions of fact and of law, the challenged decision (see, for comparison, European Court of Human Rights Janosevic v. Sweden, no 34619/97, § 81, Reports of Judgments and Decisions 2002-VII, and [Menarini], § 59). Therefore, when imposing fines for infringement of the competition rules, [EFTA Surveillance Authority (ESA)] cannot be regarded to have any margin of discretion in the assessment of complex economic matters which goes beyond the leeway that necessarily flows from the limitations inherent in the system of legality review … Furthermore … in a case which is covered by the guarantees of the criminal head of Article 6 ECHR, the question whether the evidence is capable of substantiating the conclusions drawn from it by the competition authority must be answered having regard to the presumption of innocence. Thus, although the Court may not replace ESA’s assessment by its own and, accordingly, it does not affect the legality of ESA’s assessment if the Court merely disagrees with the weighing of individual factors in a complex assessment of economic evidence, the Court must nonetheless be convinced that the conclusions drawn by ESA are supported by the facts“ (Hervorhebung hinzugefügt).

( 64 ) Urteil vom 16. November 2000 (C-297/98 P, Slg. 2000, I-10101, Randnr. 55).

( 65 ) Diese Auslegung der Urteile Chalkor und KME sowie Menarini wird auch insbesondere von Wesseling, R., und van der Woude, M., „The lawfulness and acceptability of enforcement of European cartel law“, World Competition, vol. 35, Nr. 4 (2012), S. 573 bis 598, unterstützt.

( 66 ) Urteil des Gerichts vom 5. Oktober 2011, Romana Tabacchi/Kommission (T-11/06, Slg. 2011, II-6681, Randnrn. 265 und 266). Vgl. im gleichen Sinne Urteile Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission (Randnr. 692), Groupe Danone/Kommission (Randnr. 61) sowie vom 3. September 2009, Prym und Prym Consumer/Kommission (C-534/07 P, Slg. 2009, I-7415, Randnr. 86).

( 67 ) Vgl. auch Urteile vom 11. Dezember 2003, Ventouris/Kommission (T-59/99, Slg. 2003, II-5257), und vom 29. April 2004, Tokai Carbon u. a./Kommission (T-236/01, T-239/01, T-244/01 bis T-246/01, T-251/01 und T-252/01, Slg. 2004, II-1181).

( 68 ) Vgl. Urteil Groupe Danone/Kommission (Randnrn. 56 und 61 bis 63).

( 69 ) Vgl. seine Schlussanträge in der Rechtssache, in der das Urteil vom 22. Januar 2013, Kommission/Tomkins (C‑286/11 P, Randnr. 40), ergangen ist. Vgl. auch Mengozzi, P., „La compétence de pleine juridiction du juge communautaire“, a. a. O., S. 227.

( 70 ) Vgl. Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission (Randnr. 445). Vgl. auch u. a. Urteile des Gerichts vom 6. Oktober 1994, Tetra Pak/Kommission (T-83/91, Slg. 1994, II-755, Randnr. 235), und vom 20. März 2002, LR AF 1998/Kommission (T-23/99, Slg. 1998, II-1705, Randnr. 200).

( 71 ) Generalanwalt Mengozzi erinnert zu Recht (Fn. 20 zu seinen Schlussanträgen) daran, dass der Gerichtshof wiederholt bekräftigt hat, dass das Gericht bei der Kontrolle der von der Kommission verhängten Geldbußen prüft, ob die Höhe im Hinblick auf die Umstände des Rechtsstreits, mit dem es befasst ist, angemessen ist. Vgl. hierzu insbesondere die Urteile vom 16. November 2000, Cascades/Kommission (C-279/98 P, Slg. 2000, I-9693, Randnrn. 42 und 48) und Mo och Domsjö/Kommission (C-283/98 P, Slg. 2000, I-9855, Randnrn. 42 und 48).

( 72 ) Nach der in Fn. 66 zu den vorliegenden Schlussanträgen angeführten Rechtsprechung des Gerichtshofs.

( 73 ) Vgl. hierzu die Urteile vom 6. März 1974, Istituto Chemioterapico Italiano und Commercial Solvents/Kommission (6/73 und 7/73, Slg. 1974, 223, Randnrn. 51 und 52), und Baustahlgewebe/Kommission (Randnr. 141) sowie die Urteile des Gerichts vom 29. April 2004, Tokai Carbon u. a./Kommission (Randnr. 274) und vom 18. Juli 2005, Scandinavian Airlines System/Kommission (T-241/01, Slg. 2005, II-2917, Randnr. 227).

( 74 ) Generalanwalt Mengozzi fügt hinzu, dass man so auch verstehen kann, warum der Gerichtshof beispielsweise in seinem Urteil vom 28. März 1984, Officine Bertoli/Kommission (8/83, Slg. 1984, 1649, Randnr. 29), entschieden hat, dass zwar die Klägerin mit ihrer Begründung für ihren Antrag auf Herabsetzung der gegen sie verhängten Geldbuße keinen Erfolg haben kann, dass jedoch bestimmte besondere Umstände dieser Rechtssache eine solche Herabsetzung aus Gründen der Billigkeit rechtfertigen.

( 75 ) Urteil vom 3. März 2011 (T-122/07 bis T-124/07, Slg. 2011, II-793, insbesondere Randnrn. 153 und 154). Dieses Urteil ist Gegenstand eines gegenwärtig beim Gerichtshof anhängigen Rechtsmittels (verbundene Rechtssachen C‑231/11 P bis C‑233/11 P, Kommission/Siemens Österreich u. a.). Die Schlussanträge von Generalanwalt Mengozzi sind am 19. September 2013 vorgetragen worden.

( 76 ) Urteil vom 27. Juli 2005 (T-49/02 bis T-51/02, Slg. 2005, II-3033, Randnr. 170).

( 77 ) Urteil des Gerichts vom 14. Juli 1994 (T-77/92, Slg. 1994, II-549, Randnrn. 94 und 95).

( 78 ) Vgl. auch Urteile vom 16. Juni 2011, Putters International/Kommission (T-211/08, Slg. 2011, II-3729), und vom 7. Juli 1994, Dunlop Slazenger/Kommission (T-43/92, Slg. 1994, II-441), Tokai Carbon u. a./Kommission sowie vom 16. Juni 2011, Bavaria/Kommission (T-235/07, Slg. 2011, II-3229), in denen das Gericht seine eigene Beurteilung an die Stelle derjenigen der Kommission gesetzt bzw. die Angemessenheit der Geldbuße geprüft hat.

( 79 ) Urteil vom 2. Februar 2012, T‑77/08 (Randnr. 148). Zurzeit ist dieses Urteil Gegenstand eines beim Gerichtshof anhängigen Rechtsmittelverfahrens (vgl. Rechtssache C‑179/12 P).

( 80 ) Urteil vom 12. Dezember 2007 (T-101/05 und T-111/05, Slg. 2007, II-4949).

( 81 ) Entscheidungen C(2004) 900 der Kommission vom 24. März 2004 betreffend ein Verfahren der Anwendung von Art. [102 AEUV] (Sache COMP/C 3/37.792 – Microsoft), C(2005) 4420 final der Kommission vom 12. Juli 2006, C(2008) 764 final der Kommission vom 27. Februar 2008 zur Festsetzung des endgültigen Betrags des gegen die Microsoft Corp. mit der erwähnten Entscheidung „Microsoft“ verhängten Zwangsgelds und C(2013) 1210 final der Kommission vom 6. März 2013.

( 82 ) Entscheidung C(2009) 3726 final der Kommission vom 13. Mai 2009 in der Sache COMP/C‑3/37.990 – Intel.

( 83 ) Entscheidung C(2008) 6815 final der Kommission vom 12. November 2008 in der Sache COMP/39.125 – Autoglas.

( 84 ) Entscheidung C(2006) 6762 final der Kommission vom 24. Januar 2007 in der Sache COMP/F/38.899 – Gasisolierte Schaltanlagen.

( 85 ) Entscheidung C(2007) 512 final der Kommission vom 21. Februar 2007 in der Sache COMP/E-1/38.823 – Aufzüge und Rolltreppen.

( 86 ) Entscheidung C(2012) 8839 final der Kommission vom 5. Dezember 2012 in der Sache COMP/39.437 – Röhren für Fernsehgeräte und Computerbildschirme.

( 87 ) Vgl. Nrn. 129 bis 133 seiner Schlussanträge.

( 88 ) „[D]ie Beiordnung des Gerichts zum Gerichtshof und die Einführung zweier Rechtszüge insbesondere für Klagen, deren Entscheidung eine eingehende Prüfung komplexer Sachverhalte erfordert, [sollte nämlich] zum einen den Rechtsschutz des einzelnen verbessern und zum anderen die Qualität und die Effizienz des Rechtsschutzes in der Rechtsprechung der [Union] aufrechterhalten“ (Urteil Baustahlgewebe/Kommission, Randnr. 41).

( 89 ) Als Beispiel für eine vollständige Ausübung der Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung lässt sich das United Kingdom Competition Appeal Tribunal (CAT) anführen, das eine eigene Beurteilung des Betrags der Geldbuße auf der Grundlage eines sehr erschöpfenden Ansatzes vornimmt, der die Rechtssache insgesamt umfasst (vgl. z. B. die Urteile Nr. 1114/1/1/09 Kier Group plc v OFT [2011] CAT 3 und Nr. 1099/1/2/08 National Grid plc v Gas and Electricity Markets Authority [2009] CAT 14).

( 90 ) Entscheidung 2001/354/EG der Kommission vom 20. März 2001 (Sache COMP/35.141 – Deutsche Post AG) (ABl. L 125, S. 27),

( 91 ) Zwar „liegt in der Kürze die Würze“ („brevity is the soul of wit“) (Shakespeare, Hamlet, 1602), aber für die unbeschränkte Nachprüfung bedarf es mehr als der Würze.

( 92 ) Betreffend die Festsetzung des Betrags der Geldbuße vgl. insbesondere Urteil vom 30. April 2009, Nintendo/Kommission (T-13/03, Slg. 2009, II-975, Randnr. 170).

( 93 ) Vgl. Nr. 1 Abschnitt A letzter Absatz der Leitlinien von 1998.

( 94 ) Entscheidung C (2005) 1757 final der Kommission vom 15. Juni 2005 in einem Verfahren der Anwendung von Artikel [102 AEUV] und Artikel 54 des EWR-Abkommens (Sache COMP/A.37.507/F3 – AstraZeneca).

( 95 ) Vgl. Nr. 1 Abschnitt A der Leitlinien von 1998.

( 96 ) „Wie oben in Abschnitt A.1 festgestellt, ist der von Telefónica begangene Verstoß nicht neuartig, sondern stellt im Gegenteil einen eindeutigen Missbrauch dar, für den es Präjudizien gibt. Insbesondere waren nach der Entscheidung Deutsche Telekom (veröffentlicht im Oktober 2003) die Voraussetzungen der Anwendbarkeit von Artikel 82 EG auf eine wirtschaftliche Tätigkeit, die der sektorspezifischen Vorabregulierung unterliegt, zu einem großen Teil geklärt und Telefónica bekannt“ (740. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

( 97 ) Urteil vom 26. April 2007, Bolloré u. a./Kommission (T-109/02, T-118/02, T-122/02, T-125/02, T-126/02, T-128/02, T-129/02, T-132/02 und T-136/02, Slg. 2007, II-947, Randnr. 528).

( 98 ) Wie Generalanwalt Mazák in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache TeliaSonera Sverige (Fn. 41) ausgeführt hat, „[wird] [i]m Schrifttum … zum Teil die Auffassung vertreten, dass die Rechtssache Deutsche Telekom/Kommission (oben … angeführt) richtigerweise als ein Fall von Verdrängungspreisen hätte angesehen werden sollen, während die Rechtssache France Télécom/Kommission (oben … angeführt) als ein Fall einer Kosten-Preis-Schere hätte behandelt werden müssen (in der mündlichen Verhandlung hat die Kommission Letzteres nicht bestritten, jedoch darauf hingewiesen, dass sie entschieden hatte, die Sache France Télécom [Wanadoo Interactive] als Fall von Verdrängungspreisen zu behandeln, da France Télécom nicht vollständig an dem nachgelagerten Unternehmen [Wanadoo (Interactive)] beteiligt war“.

( 99 ) Nach den Ausführungen der Rechtsmittelführerinnen betrug im Jahr 2006, dem letzten Jahr der angeblichen Zuwiderhandlung, der Umsatz der Telefónica-Gruppe 52901 Mio. Euro, der Umsatz der Gruppe France Telecom im Jahr 2002 46 630 Mio. Euro und derjenige der Deutschen Telekom belief sich im Jahr 2003 auf 55838 Mio. Euro.

( 100 ) Telefónica hat in ihrer Erwiderung in Randnr. 284 ausgeführt, dass die spanische Regelung im streitigen Zeitraum strenger als die deutsche Regelung gewesen sei, u. a., weil i) das von der CMT angewandte System retail minus im Gegensatz zu dem in Deutschland während des betroffenen Zeitraums praktizierten Höchstpreissystem, das es erlaubt habe, zwischen verschiedenen Produkten, die zu ein und demselben „Korb“ gehört hätten, einen Ausgleich vorzunehmen, gerade das Phänomen der Kosten-Preis-Schere habe verhindern sollen, und ii) die CMT bis zum November 2003 die Endverbraucherpreise festgesetzt habe (während die deutsche Regulierungsbehörde Endverbraucherhöchstpreise und keine festen Preise festgesetzt habe) und daher ex ante sämtliche von Telefónica bei neuen Dienstleistungen und Sonderangeboten angewandten Endverbraucherpreise habe genehmigen müssen und zu diesem Zweck das Vorhandensein einer ausreichenden Marge zwischen den Großhandelspreisen den Endverbraucherpreisen geprüft habe.

( 101 ) Das Gericht verweist einfach auf die Wirtschaftskraft von Telefónica. Wie jedoch in Fn. 99 der vorliegenden Schlussanträge ausgeführt wird, waren die Umsätze gut vergleichbar. In Bezug auf die Kapitalausstattung befanden sich die Deutsche Telekom und Telefónica ebenfalls nach den von der Kommission in der streitigen Entscheidung angegebenen Quellen in einer vergleichbaren Situation (vgl. S. 22 des Jahresberichts von Telefónica, angeführt in Fn. 791 der streitigen Entscheidung. Die Kapitalausstattung von Telefónica und die der Deutschen Telekom belief sich auf 74113 bzw. 70034 Mio. Dollar im Jahr 2005 und auf 104722 bzw. 80371 Mio. Dollar im Jahr 2006).

( 102 ) Entscheidung Deutsche Telekom, Randnrn. 206, 207 und 211.

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