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Document 62012CC0057

Schlussanträge des Generalanwalts Cruz Villalón vom 14. März 2013.
Fédération des maisons de repos privées de Belgique (Femarbel) ASBL gegen Commission communautaire commune de Bruxelles-Capitale.
Ersuchen um Vorabentscheidung: Cour constitutionnelle - Belgien.
Richtlinie 2006/123/EG - Sachlicher Anwendungsbereich - Gesundheitsdienstleistungen - Soziale Dienstleistungen - Tages- und Nachtbetreuungszentren, die gegenüber alten Menschen Hilfe- und Pflegedienstleistungen erbringen.
Rechtssache C-57/12.

Court reports – general

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2013:171

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

PEDRO CRUZ VILLALÓN

vom 14. März 2013 ( 1 )

Rechtssache C-57/12

Fédération des maisons de repos privées de Belgique (Femarbel) ASBL

gegen

Commission communautaire commune

(Vorabentscheidungsersuchen der Cour constitutionnelle [Belgien])

„Richtlinie 2006/123/EG — Dienstleistungen im Binnenmarkt — Art. 2 Abs. 2 Buchst. f und j — Anwendungsbereich ratione materiae — Gesundheitsdienstleistungen — Durch private Einrichtungen erbrachte Dienstleistungen — Tagesbetreuungszentren für Senioren — Nachtbetreuungszentren für Senioren“

1. 

In der vorliegenden Rechtssache legt die belgische Cour constitutionnelle ein Vorabentscheidungsersuchen zur Auslegung von Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2006/123/EG über Dienstleistungen im Binnenmarkt ( 2 ) vor. Diese Vorschrift regelt den materiellen Anwendungsbereich der Richtlinie 2006/123 (im Folgenden: Dienstleistungsrichtlinie), von dem sie die Gesundheitsdienstleistungen im Allgemeinen und bestimmte, unter verschiedenen Modalitäten erbrachte soziale Dienstleistungen ausnimmt. Die Frage der Cour constitutionnelle richtet sich darauf, ob es sich bei den „Tagesbetreuungszentren“ und „Nachtbetreuungszentren“ für alte Menschen, so wie sie gegenwärtig durch die Commission communautaire commune der Region Brüssel-Hauptstadt geregelt sind, um Gesundheits- oder Sozialdienstleistungen mit den sich aus Art. 2 Abs. 2 der Dienstleistungsrichtlinie vorgesehenen Folgen handelt.

I – Rechtlicher Rahmen

A – Unionsrechtlicher Rahmen

2.

Art. 2 Abs. 2 Buchst. f und j der Dienstleistungsrichtlinie bestimmt:

„Diese Richtlinie findet auf folgende Tätigkeiten keine Anwendung:

f)

Gesundheitsdienstleistungen, unabhängig davon, ob sie durch Einrichtungen der Gesundheitsversorgung erbracht werden, und unabhängig davon, wie sie auf nationaler Ebene organisiert und finanziert sind, und ob es sich um öffentliche oder private Dienstleistungen handelt;

j)

soziale Dienstleistungen im Zusammenhang mit Sozialwohnungen, der Kinderbetreuung und der Unterstützung von Familien und dauerhaft oder vorübergehend hilfsbedürftigen Personen, die vom Staat, durch von ihm beauftragte Dienstleistungserbringer oder durch von ihm als gemeinnützig anerkannte Einrichtungen erbracht werden“.

B – Nationaler Rechtsrahmen

3.

In Art. 2 Abs. 4 der Ordonnanz der Commission communautaire commune der Region Brüssel-Hauptstadt (im Folgenden: COCOM) vom 24. April 2008 über die Einrichtungen für die Aufnahme und Betreuung von Senioren sind die der Regelung unterliegenden Einrichtungen aufgeführt. Die Aufzählung umfasst folgende Einrichtungen:

Unterbringung älterer Menschen,

betreutes Wohnen und Wohnheime mit Dienstleistungen,

Altersheime,

Tagespflegezentren,

Tagesbetreuungszentren,

Kurzzeitbetreuungszentren,

Nachtbetreuungszentren.

4.

In Art. 2 Abs. 4 Buchst. d, e und g der Ordonnanz werden Tages- bzw. Nachtbetreuungszentren folgendermaßen definiert:

„d)

Tagespflegezentrum: ein Gebäude oder Teil eines Gebäudes, das sich unabhängig von seiner Bezeichnung in einem Altersheim befindet oder an ein Altersheim angebunden ist und tagsüber schwer abhängige und pflegebedürftige Personen aufnimmt, denen die benötigte Hilfe für ihre Pflege zu Hause gewährt wird;

e)

Tagesbetreuungszentrum: ein Gebäude oder Teil eines Gebäudes, das sich unabhängig von seiner Bezeichnung in einem Altersheim befindet oder an ein Altersheim angebunden ist und tagsüber alte Menschen aufnimmt, die zu Hause leben und in dieser Einrichtung Hilfe und Pflege in Anspruch nehmen, die an den Verlust ihrer Selbständigkeit angepasst sind;

g)

Nachtbetreuungszentrum: ein Gebäude oder Teil eines Gebäudes, das sich unabhängig von seiner Bezeichnung in einem Altersheim befindet und während der Nacht alte Menschen aufnimmt, die zu Hause leben und während der Nacht Beaufsichtigung, Hilfe und Gesundheitspflege benötigen, die von ihren Angehörigen nicht ununterbrochen gewährleistet werden kann.“

5.

Die Ordonnanz sieht zwei Instrumente zur Regelung der Einrichtungen vor: die „Programmierung“, mit der das Betreuungsangebot reguliert werden soll, und die „Zulassung“, die die Qualität der Betreuung betrifft.

6.

Die Art. 4 bis 10 der Ordonnanz ermächtigen die COCOM, die Programmierung aller oder eines Teils der Senioreneinrichtungen festzulegen, „um die Entwicklung des Aufnahme-, Betreuungs- oder Pflegeangebots für Senioren anhand der Entwicklung des Bedarfs der Brüsseler Bevölkerung festzulegen“. Keine neue Einrichtung der Kategorien, die Gegenstand einer Programmierung waren, konnte somit ohne Genehmigung in Betrieb genommen oder betrieben werden.

7.

Art. 11 der Ordonnanz hat im Wesentlichen folgenden Wortlaut:

(1)   Keine Einrichtung … kann ohne vorherige Zulassung in Betrieb genommen werden …

Die Zulassung wird … für einen Zeitraum von höchstens sechs Jahren mit Verlängerungsmöglichkeit erteilt.

Die Entscheidung über die Zulassung … legt die Höchstzahl der Senioren fest, die von der Einrichtung aufgenommen oder betreut werden können.

Um zugelassen zu werden …, muss die Einrichtung … sowie den Bestimmungen entsprechen, die das Vereinigte Kollegium … für jede Kategorie von Einrichtung nach Art. 2 [Abs.] 4 erlassen kann.

Diese Bestimmungen betreffen:

1o

die Zulassung und die Aufnahme von Senioren;

2o

den Respekt alter Menschen, ihrer verfassungsmäßigen und gesetzlichen Rechte und Freiheiten unter Berücksichtigung ihres Gesundheitszustands und ihres Rechts auf ein menschenwürdiges Leben …;

3o

den Lebensentwurf sowie die Modalitäten der Teilhabe und Information der alten Menschen oder ihrer Vertreter;

4o

die Prüfung und Bearbeitung der Klagen alter Menschen oder ihrer Vertreter;

5o

die Ernährung, die Hygiene und die zu leistende Pflege;

6o

die Anzahl, die Qualifikation, den Ausbildungsplan, die Unbescholtenheit und die Minimalanforderungen an die Anwesenheit des Personals und der Leitung sowie die erforderliche Erfahrung letzterer;

7o

… die baulichen und sicherheitstechnischen Anforderungen an die Einrichtungen;

8o

… den Aufnahme- und Betreuungsvertrag; …

Der Vertrag muss insbesondere klar und abschließend die vom Tagespreis umfassten Leistungen und die Kosten benennen, die entweder als Aufschlag oder als Vorschuss an Dritte zusätzlich zum Tagespreis in Rechnung gestellt werden können. …

12o

die Versicherungsverträge …“

8.

Die Bestimmungen über die Zulassung wurden durch Erlass der COCOM vom 3. Dezember 2009 umgesetzt.

II – Sachverhalt und Verfahren vor den nationalen Gerichten

9.

Die Fédération des maisons de repos privées de Belgique (im Folgenden: Femarbel) ist eine Berufsorganisation zur Verteidigung der Interessen der privaten Einrichtungen für die Aufnahme und Betreuung von Senioren.

10.

Am 15. Februar 2010 hat die Femarbel beim Conseil d’État den Erlass der COCOM angefochten, mit dem die Bestimmungen über die Zulassung für Senioreneinrichtungen geregelt wurden. Im Rahmen ihrer Klage hat die Femarbel die Einrede der Rechtswidrigkeit erhoben und die Gültigkeit der Art. 11 bis 109 der bereits genannten Ordonnanz der COCOM vom 24. April 2008 in Frage gestellt.

11.

Der Conseil d’État hat bei der Cour constitutionnelle einen Antrag auf konkrete Normenkontrolle gestellt und verschiedene Zweifel an der Vereinbarkeit der Ordonnanz der COCOM vom 24. April 2008 mit der belgischen Verfassung geäußert.

12.

Im Rahmen dieses Verfahrens stellte sich der Cour constitutionnelle die Frage nach einer möglichen Unvereinbarkeit der zitierten nationalen Bestimmungen mit dem Unionsrecht, konkret der Dienstleistungsrichtlinie. Vor dem Hintergrund der Besonderheiten der in Rede stehenden Einrichtungen legt die Cour constitutionnelle dem Gerichtshof folgende Vorabentscheidungsfrage vor:

Sind die in Art. 2 Abs. 2 Buchst. f der Richtlinie 2006/123 über Dienstleistungen im Binnenmarkt erwähnten Gesundheitsdienstleistungen und die in Art. 2 Abs. 2 Buchst. j genannten sozialen Dienstleistungen dahin auszulegen, dass vom Anwendungsbereich der Richtlinie Tagesbetreuungszentren im Sinne der Ordonnanz der COCOM vom 24. April 2008 über die Einrichtungen für die Aufnahme und Betreuung von Senioren ausgeschlossen sind, soweit sie gegenüber alten Menschen Hilfe- und Pflegeleistungen erbringen, die ihrem Verlust an Selbständigkeit entsprechen, sowie Nachtbetreuungszentren im Sinne derselben Ordonnanz, soweit sie alten Menschen gegenüber Hilfe- und Gesundheitsleistungen erbringen, die von ihren Angehörigen nicht dauerhaft erbracht werden können?

III – Verfahren vor dem Gerichtshof

13.

Der Vorlagebeschluss ist am 3. Februar 2012 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingetragen worden.

14.

Die Femarbel, die COCOM, das Königreich der Niederlande sowie die Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht.

15.

In der mündlichen Verhandlung am 17. Januar 2013 haben die Vertreter der Femarbel und der COCOM sowie der Bevollmächtigte der Kommission ihre jeweiligen Standpunkte dargelegt.

IV – Vorlagefrage

16.

Im vorliegenden Verfahren sind die Buchst. f und j des Art. 2 Abs. 2 der Dienstleistungsrichtlinie, der ihren materiellen Anwendungsbereich regelt, auszulegen. Nach diesen Bestimmungen sind vom Anwendungsbereich der Richtlinie sowohl Gesundheitsdienstleistungen im Allgemeinen (Buchst. f) als auch bestimmte soziale Dienstleistungen ausgenommen (Buchst. j). Da die Tages- und Nachtbetreuungszentren für Senioren unter einen dieser beiden Tatbestände fallen könnten, bittet die belgische Cour constitutionnelle um eine Auslegung beider Bestimmungen.

17.

Konkret stellt sich die Frage, ob diese Betreuungszentren für Senioren entweder unter den in Buchst. f vorgesehenen oder den in Buchst. j geregelten Tatbestand fallen. Daher werden nacheinander die Reichweite der jeweiligen Bestimmungen und ihre Anwendbarkeit auf die Tages- und Nachtbetreuungszentren für Senioren geprüft.

A – Gesundheitsdienstleistungen

18.

Art. 2 Abs. 2 Buchst. f nimmt „Gesundheitsdienstleistungen, unabhängig davon, ob sie durch Einrichtungen der Gesundheitsversorgung erbracht werden, und unabhängig davon, wie sie auf nationaler Ebene organisiert und finanziert sind, und ob es sich um öffentliche oder private Dienstleistungen handelt“, vom Anwendungsbereich der Richtlinie aus. In ihren in diesem Verfahren eingereichten schriftlichen Erklärungen sprechen sich die Femarbel, die Niederlande und die Kommission dafür aus, dass Buchst. f nicht auf Tages- und Nachtbetreuungszentren für Senioren anwendbar sei. Kurz zusammengefasst sind sie der Ansicht, dass ein Betreuungszentrum, soweit seine wesentliche Tätigkeit nicht in der Erbringung von Gesundheitsdienstleistungen bestehe, vom Anwendungsbereich der Dienstleistungsrichtlinie umfasst sei.

19.

Die COCOM hingegen hebt den engen Zusammenhang zwischen diesen Zentren und den Zentren, die intensivere Pflegedienstleistungen erbringen, sowie den reinen Gesundheitszentren hervor und kommt zu dem Ergebnis, dass es sich bei den Tages- und Nachtbetreuungszentren für Senioren um „Gesundheitsdienstleistungen“ handele, die mithin nicht in den Anwendungsbereich der Dienstleistungsrichtlinie fielen.

20.

Dem Wortlaut von Art. 2 Abs. 2 Buchst. f lässt sich keine Regel zur Definition des Begriffs der „Gesundheitsdienstleistung“ entnehmen. Klar ist jedenfalls, dass es sich um eine allgemeine Ausnahme handelt: Gesundheitsdienstleistungen ohne nähere Klarstellung, „unabhängig davon, ob sie durch Einrichtungen der Gesundheitsversorgung erbracht werden, und unabhängig davon, wie sie auf nationaler Ebene organisiert und finanziert sind, und ob es sich um öffentliche oder private Dienstleistungen handelt“. Mithin fällt unter diese Ausnahme alles, was als Gesundheitsdienstleistung eingeordnet werden kann, unabhängig von der Art der Organisation, Finanzierung oder öffentlichen Intervention. Die Frage, was diese Gesundheitsdienstleistungen sind, muss daher unter Berücksichtigung des allgemeinen Kontexts der Regelung beantwortet werden.

21.

Der 22. Erwägungsgrund der Dienstleistungsrichtlinie enthält einige Punkte, die von Interesse sind. In Bezug auf Buchst. f wird ausgeführt, dass der Ausschluss „Gesundheits- und pharmazeutische Dienstleistungen umfassen [sollte], die von Angehörigen eines Berufs im Gesundheitswesen gegenüber Patienten erbracht werden, um deren Gesundheitszustand zu beurteilen, zu erhalten oder wiederherzustellen, wenn diese Tätigkeiten in dem Mitgliedstaat, in dem die Dienstleistungen erbracht werden, einem reglementierten Gesundheitsberuf vorbehalten sind“.

22.

Die Beschreibung im 22. Erwägungsgrund wird in dem von der Kommission 2007 herausgegebenen Handbuch zur Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie ( 3 ) näher präzisiert, einem Text, der keinen normativen Wert hat, aber in jedem Fall illustrativ ist. Im Handbuch wird zu Art. 2 Abs. 2 Buchst. f ausgeführt, dass „Dienstleistungen, die nicht gegenüber einem Patienten … erbracht werden … von der Ausnahme nicht erfasst werden“. Darüber hinaus „deckt die Ausnahme keine Tätigkeiten ab, die nicht zur Erhaltung, Beurteilung oder Wiederherstellung des Gesundheitszustandes von Patienten gedacht sind“. Überdies, ergänzt das Handbuch, „erfasst die Ausnahme von Gesundheitsdienstleistungen nur Tätigkeiten, die Angehörigen eines reglementierten Gesundheitsberufs in dem Mitgliedstaat vorbehalten sind, in dem die Dienstleistung erbracht wird“.

23.

Eine weitere nützliche Referenz, die allerdings nichts mit dem rechtlichen Rahmen der vorliegenden Rechtssache zu tun hat, enthält die Richtlinie 2011/24/EU über die Ausübung der Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung ( 4 ). Diese Richtlinie bezieht sich nicht auf die Niederlassungsfreiheit von Gesundheitszentren, aber ihr Art. 3 Buchst. a definiert die „Gesundheitsversorgung“ als „Gesundheitsdienstleistungen, die von Angehörigen der Gesundheitsberufe gegenüber Patienten erbracht werden, um deren Gesundheitszustand zu beurteilen, zu erhalten oder wiederherzustellen, einschließlich der Verschreibung, Abgabe und Bereitstellung von Arzneimitteln und Medizinprodukten“.

24.

Es ist ersichtlich, dass die „Gesundheitsdienstleistungen“ nach dem Verständnis des Unionsrechts in erster Linie die Beurteilung, Erhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit des Einzelnen umfassen. Besteht die Tätigkeit in der Erbringung verschiedener Dienstleistungen, von denen einige diese Merkmale nicht aufweisen, ist auf die wesentliche Dienstleistung abzustellen, die im Rahmen der Tätigkeit erbracht wird. Daher können, wie im Handbuch klargestellt wird, Sport- oder Fitnessclubs nicht als „Gesundheitsdienstleistungen“ betrachtet werden, auch wenn sie Leistungen anbieten, die auf die Beurteilung, Erhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit gerichtet sind ( 5 ).

25.

Daneben muss die Gesundheitsdienstleistung von einem Angehörigen der Gesundheitsberufe erbracht werden. Zwar nennen weder die Dienstleistungsrichtlinie noch die sonstigen zuvor zitierten Rechtstexte die spezifische Art der Qualifikation, die diese Berufsangehörigen aufweisen müssen, doch wird dadurch lediglich auf die Prüfung der jeweiligen spezifischen Situation verwiesen. Ist der Beruf reglementiert, ergibt sich sein gesundheitsbezogener Charakter aus seinen Bestimmungen. Ist der Beruf hingegen nicht reglementiert, ist auf das Fachpersonal im jeweiligen Mitgliedstaat und die von der Berufsgruppe erbrachten Dienstleistungen abzustellen. Dies erfordert eine gesonderte Untersuchung der von dem Berufsangehörigen ausgeübten Tätigkeit.

26.

Ferner muss der Angehörige der Gesundheitsberufe in entscheidender Weise und zu einem für die Dienstleistung maßgeblichen Zeitpunkt eingreifen. Eine reine ärztliche Aufsicht oder das Bestehen eines Zertifikationsverfahrens ohne größere Auswirkungen auf den Inhalt oder die Qualität der Dienstleistung reichen daher nicht aus, damit sie zu einer „Gesundheitsdienstleistung“ wird.

27.

Unter Zugrundelegung dieser Kriterien kann unter „Gesundheitsdienstleistung“ jede Leistung oder Gesamtheit von Leistungen, die von Angehörigen der Gesundheitsberufe erbracht oder angeleitet werden und deren Hauptgegenstand in der Bewertung, Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit des Einzelnen besteht, verstanden werden. Angesichts dessen und der weiter oben dargestellten Argumente können nun die in der Ordonnanz der COCOM vom 24. April 2008 geregelten, von den Tages- und Nachtbetreuungszentren erbrachten Dienstleistungen geprüft werden.

28.

Insoweit kann ausschließlich auf den nationalen Rechtsrahmen zurückgegriffen werden, denn zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist, wie der Vertreter der COCOM hervorgehoben hat, keine derartige und den hier in Rede stehenden Bestimmungen unterliegende Einrichtung in Betrieb. Daher muss allein anhand der in der bereits zitierten Ordonnanz enthaltenen Beschreibung eine Unterscheidung zwischen Tagesbetreuungszentren und Nachtbetreuungszentren für Senioren vorgenommen werden.

29.

Nach Art. 2 Abs. 4 Buchst. e der Ordonnanz ist ein Tagesbetreuungszentrum eine Einrichtung, die sich in einem Altersheim befindet oder an ein Altersheim angebunden ist und „tagsüber alte Menschen aufnimmt, die zu Hause leben“. Diese Menschen nehmen in der Einrichtung „Hilfe und Pflege in Anspruch …, die an den Verlust ihrer Selbständigkeit angepasst sind“. Vergleicht man die Art der in diesen Einrichtungen geleisteten Betreuung mit der, die in einer anderen Art von in der Ordonnanz vorgesehenen Einrichtungen geleistet wird, stellt man fest, dass sich Erstere an alte Menschen richten, deren Verlust an Selbständigkeit geringer ist, während die Adressaten Letzterer Menschen mit einer schweren Beeinträchtigung ihrer Fähigkeiten sind ( 6 ).

30.

Auch die spezifischen, den Tagesbetreuungszentren übertragenen Leistungen, wie sie die Femarbel beschrieben hat, sind nicht vornehmlich durch ihren medizinischen Charakter gekennzeichnet (im Gegensatz zu den sogenannten Pflegezentren), sondern durch ihre Grundfunktion der Betreuung, Sozialisierung und Beaufsichtigung. Diese Einrichtungen verfügen nach Ansicht der Femarbel, der sich die COCOM nicht entgegengestellt hat, über keine komplexe Infrastruktur und stehen ihren Nutzern offen, damit sie sie zu jeder Tageszeit aufsuchen können, sei es, um zu Mittag zu essen, sei es, um Freizeittätigkeiten nachzugehen. Es trifft zwar zu, dass nach der Ordonnanz vom 24. April 2008 die Anwesenheit eines Krankenpflegers erforderlich ist, doch hat diese Verpflichtung die Ausgabe von ärztlich verordneten Arzneimitteln, soweit sie erforderlich ist, zum Gegenstand.

31.

Stellt man nun auf die Nachtbetreuungszentren ab, lassen sich wegen ihres nächtlichen Charakters bedeutende Unterschiede feststellen. Zunächst scheint anders als bei den Tagesbetreuungszentren keine Dualität zwischen „Pflegeheimen“ und „Betreuungszentren“ zu bestehen, so dass davon ausgegangen werden kann, dass die „Nachtbetreuungszentren“ zugleich die Funktion von Pflegeheimen erfüllen.

32.

Tatsächlich bestimmt Art. 190 der angefochtenen Ordonnanz, dass die Einrichtungen (einschließlich der Nachtbetreuungszentren) über „ausreichend Krankenpflege-, Pflege- und paramedizinisches Personal verfügen müssen, um eine dauernde Überwachung und Behandlung der Senioren sicherzustellen“.

33.

Die Tatsache, dass ständig qualifiziertes Gesundheitspersonal anwesend ist, bedeutet jedoch nicht grundsätzlich, dass die allgemeine Natur der Einrichtung medizinisch ist. Diese Art von Personal ist ständig anwesend, da die Nutzer seine Dienstleistungen punktuell in Anspruch nehmen müssen. Die vorrangige Funktion des Nachtbetreuungszentrums besteht nicht in der Erbringung medizinischer Dienstleistungen, sondern in der Erholung der Senioren.

34.

Die Kommission hat zutreffend darauf hingewiesen, dass das Bestehen einer Gesundheitsdienstleistung innerhalb der Gesamtheit der von einer Einrichtung erbrachten Tätigkeiten diese nicht zu einer Einrichtung macht, die Gesundheitsdienstleistungen erbringt. Die Einordnung einer auf die Niederlassung in einem Mitgliedstaat orientierten wirtschaftlichen Tätigkeit muss auf einer umfassenden Beurteilung ihrer Funktionen und insbesondere ihrer charakteristischsten Funktionen beruhen. Dass sich die Femarbel auf Art. 9 der Dienstleistungsrichtlinie beruft, der die Niederlassungsfreiheit betrifft, bestätigt, dass sie lediglich bestrebt ist, die Bestimmungen anzugreifen, die ihre dauerhafte Niederlassung, nicht aber die Erbringung punktueller Dienstleistungen auf dem Markt erschweren.

35.

Vor diesem Hintergrund bin ich zunächst im Hinblick auf die Tagesbetreuungszentren der Ansicht, dass sie keine Einrichtungen sind, die „Gesundheitsdienstleistungen“ im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. f der Dienstleistungsrichtlinie erbringen. Sowohl der Gegenstand ihrer Leistungen als auch die Art des für sie verantwortlichen Personals zeigen, dass es weder eine vorherrschende Gesundheitsfunktion noch eine entscheidende Präsenz von Gesundheitspersonal für die Erbringung der Dienstleistung gibt.

36.

Anders kann der Fall aus den in den Nrn. 31 bis 33 dargelegten Gründen bei den Nachtbetreuungszentren gelagert sein. Bestätigen sich allerdings die zuvor dargestellten Feststellungen, d. h., dass die spezifischen Eigenschaften dieser Nachtzentren nicht ausreichen, um den punktuellen und gelegentlichen Charakter der Gesundheitsversorgung zu ändern, was vom vorlegenden Gericht zu beurteilen ist, muss das Ergebnis dasselbe sein.

B – Soziale Dienstleistungen

37.

Die Dienstleistungsrichtlinie findet auch keine Anwendung auf „soziale Dienstleistungen im Zusammenhang mit Sozialwohnungen, der Kinderbetreuung und der Unterstützung von Familien und dauerhaft oder vorübergehend hilfsbedürftigen Personen, die vom Staat, durch von ihm beauftragte Dienstleistungserbringer oder durch von ihm als gemeinnützig anerkannte Einrichtungen erbracht werden“. Diese Ausnahme ist in Art. 2 Abs. 2 Buchst. j der Dienstleistungsrichtlinie geregelt, und die COCOM hat sich zur Geltendmachung der Unanwendbarkeit der Richtlinie auf Tages- und Nachtbetreuungszentren auf sie berufen. Die Femarbel, die Niederlande und die Kommission sind wiederum der Ansicht, dass diese Einrichtungen keine „sozialen Dienstleistungen“ im Sinne der genannten Vorschrift seien und daher den Bestimmungen der Richtlinie unterlägen.

38.

Art. 2 Abs. 2 Buchst. j der Dienstleistungsrichtlinie bezieht sich auf soziale Dienstleistungen wirtschaftlicher Natur. Dies ergibt sich aus Buchst. a der Bestimmung, nach dem vom Anwendungsbereich der Dienstleistungsrichtlinie nichtwirtschaftliche Dienstleistungen von allgemeinem Interesse ausgenommen sind. Nachdem nichtwirtschaftliche Dienstleistungen ausgenommen sind, müssen sich die nachfolgenden Ausnahmen, die Dienstleistungen von allgemeinem Interesse betreffen, logischerweise auf solche beziehen, die wirtschaftlicher Natur sind.

39.

Es besteht kein Zweifel, dass die Tages- und die Nachtbetreuungszentren wirtschaftliche Tätigkeiten darstellen, soweit ihre Funktion darin besteht, Dienstleistungen auf einem Markt anzubieten, der sich nach dem Grundsatz des freien Wettbewerbs richtet ( 7 ). Daher besteht die Schwierigkeit dieser Rechtssache nicht in der Entscheidung für die Ausnahme nach Buchst. a oder Buchst. j, denn es ist klar, dass Letzterer einschlägig ist.

40.

Die Probleme bei der Auslegung stellen sich im Zusammenhang mit dem zitierten Buchst. j, der im Gegensatz zu Buchst. f eine doppelt spezifische Ausnahme vorsieht.

41.

Erstens regelt Buchst. j aus der Sicht des Inhalts der Dienstleistung lediglich eine Reihe von sozialen Dienstleistungen, für die die Ausnahme gilt, darunter die „Unterstützung von Familien und dauerhaft oder vorübergehend hilfsbedürftigen Personen“. Dies ist bei den Tages- und Nachtbetreuungszentren unstreitig der Fall.

42.

Zweitens, und wiederum im Gegensatz zur „gesundheitlichen“ Ausnahme des Buchst. f, beschränkt Buchst. j die Ausnahme auf diejenigen sozialen Dienstleistungen, „die vom Staat, durch von ihm beauftragte Dienstleistungserbringer oder durch von ihm als gemeinnützig anerkannte Einrichtungen erbracht werden“. Folglich betrifft die Ausnahme drei spezifische Arten der Organisation der Dienstleistungserbringung. Die erste besteht in der unmittelbaren Erbringung durch den Staat über die öffentlichen Stellen. Die zweite betrifft die mittelbare Erbringung durch Privatpersonen, sofern ein staatlicher „Auftrag“ zugrunde liegt. In der dritten kommt erneut die Möglichkeit einer unmittelbaren Erbringung zum Ausdruck, aber durch vom Staat als gemeinnützig anerkannte Einrichtungen. Da die erste und die letzte Art der Erbringung nicht in Rede stehen, konzentriere ich meine Prüfung auf die Tragweite der zweiten, also die, die „im Auftrag“ des Staates erbracht wird.

43.

Im Unterschied zur ersten und dritten Organisationsform setzt die Erbringung der Dienstleistung durch eine Privatperson aufgrund eines „Auftrags“ des Staates genau Letzteres voraus: einen „Auftrag“. Und es ist die Tragweite dieses Ausdrucks, die einer Präzisierung bedarf, denn nicht jede in mehr oder weniger großem Umfang staatlich bedingte Tätigkeit einer Privatperson stellt einen „Auftrag“ dar. Sonst könnte jede lediglich beaufsichtigte oder staatlichen Vorschriften unterliegende Tätigkeit als von dem dem dienstleistenden Unternehmen erteilten „Auftrag“ umfasst betrachtet werden.

44.

Die Dienstleistungsrichtlinie liefert keine weiteren Anhaltspunkte für die Feststellung der Tragweite des Begriffs der „durch den Staat beauftragten Dienstleistungserbringer“. Der Vergleich der verschiedenen Sprachfassungen hilft uns auch nicht. Während die französische und die englische Fassung von Privatpersonen sprechen, die vom Staat „mandatés“ bzw. „mandated“ sind, wird in der italienischen und der spanischen Fassung der Begriff „incaricati“ bzw. „encargadas“ verwendet. Die unterschiedliche Verwendung der Begriffe scheint für die Auslegung der Vorschrift nicht entscheidend zu sein.

45.

Daher führt die Heranziehung der Sprachfassungen zu einer autonomen Auslegung des Begriffs „durch den Staat beauftragt“, in der das Bestehen einer Verpflichtung zur Erbringung einer sozialen Dienstleistung zum Ausdruck kommt, die so eng mit dem allgemeinen Interesse verbunden ist, dass sie in den Genuss der in Art. 2 Abs. 2 Buchst. j der Dienstleistungsrichtlinie vorgesehenen Ausnahme kommen muss. Hierzu werde ich den systematischen Kontext dieser Bestimmung untersuchen und sodann eine Auslegung für sie vorschlagen, die ihrem Ausnahmecharakter entspricht, aber im Einklang mit den mit der Dienstleistungsrichtlinie verfolgten Zielen steht.

46.

Nach den Erwägungsgründen der Dienstleistungsrichtlinie hat die Ausnahme bestimmter wirtschaftlicher sozialer Dienstleistungen zum Ziel, „das Grundrecht auf Schutz der Würde und Integrität des Menschen zu garantieren“, soweit sie „Ausfluss der Grundsätze des sozialen Zusammenhalts und der Solidarität“ sind. Daher verfügen die Mitgliedstaaten bei der Ausgestaltung ihrer Systeme der sozialen Sicherheit über einen weiten Handlungsspielraum. Dies hat der Gerichtshof wiederholt festgestellt ( 8 ). Allerdings ist die Festlegung dieser Voraussetzungen und der anzuwendenden Organisationsform Sache des jeweiligen Mitgliedstaats. Diese Aspekte werden vom Unionsrecht einschließlich der Dienstleistungsrichtlinie nicht präjudiziert. Die Dienstleistungsrichtlinie bestätigt den Organisationsspielraum der Mitgliedstaaten, wenn sie sich in Art. 2 Abs. 2 Buchst. j auf jene sozialen Dienstleistungen bezieht ? aber nur auf jene ? die „vom Staat“, „durch von ihm beauftragte Dienstleistungserbringer“ oder „durch von ihm als gemeinnützig anerkannte Einrichtungen“ erbracht werden.

47.

Nach einem vom Gerichtshof wiederholt verwendeten Auslegungskriterium sind Ausnahmen von allgemeinen Regeln eng auszulegen. Dies gilt offenkundig für die in Art. 2 vorgesehenen Ausnahmen vom Anwendungsbereich der Dienstleistungsrichtlinie. Daher ist die Ausnahme bezüglich der sozialen Dienstleistungen eng auszulegen. Dieser Ansatz führt zur folgenden Überlegung.

48.

Aufgrund ihrer öffentlich-rechtlichen Natur kommt die allgemeine Verfügbarkeit der sozialen Dienstleistungen, auf die sich Art. 2 Abs. 2 Buchst. j der Dienstleistungsrichtlinie bezieht, in einer Verpflichtung der öffentlichen Gewalt zur Erbringung dieser Dienstleistung zum Ausdruck ( 9 ). Es ist genau diese Gemeinwohlverpflichtung, die Teil des „Auftrags“ ist, auf den sich Art. 2 Abs. 2 Buchst. j der Dienstleistungsrichtlinie bezieht, wenn er soziale Dienstleistungen, die von einer Privatperson, jedoch im Auftrag der öffentlichen Gewalt erbracht werden, in die Ausnahme einschließt.

49.

Werden die in Buchst. j aufgeführten sozialen Dienstleistungen durch eine Privatperson erbracht, kann diese einer privatrechtlichen Regelung unterstellt sein, aber die Natur der Dienstleistung steht unausweichlich mit der die Leistung rechtfertigenden Gemeinwohlverpflichtung im Zusammenhang ( 10 ). In diesen Fällen ist der dem Dienstleistungserbringer erteilte „Auftrag“ nicht eine reine Liste von Verpflichtungen, sondern ein auf einer gesetzlich anerkannten sozialen Dienstleistung basierendes Mandat, das durch die Schaffung eines subjektiven Rechts gewährleistet ist und mit allgemeinem Charakter denjenigen zur Verfügung gestellt wird, die bestimmte, an ihre persönliche Situation anknüpfende objektive Voraussetzungen erfüllen.

50.

Daher bezieht sich der „Auftrag“ im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. j der Dienstleistungsrichtlinie nicht lediglich auf eine rechtliche Verpflichtung, die dem privaten Erbringer einer sozialen Dienstleistung obliegt, sondern auf die Übertragung einer öffentlichen Dienstleistung mit den zuvor genannten Eigenschaften, die den privaten Dienstleistungserbringer in ein anderes Abhängigkeitsverhältnis gegenüber dem Staat stellt, als es gewöhnlich im Zusammenhang mit einem aufgrund einer öffentlichen Konzession oder einem ähnlichen Vertragstyp begründet wird. Den Rahmen, in dem der Dienstleistungserbringer angesiedelt ist, bildet eine besondere Verbindung, die sich nach Gemeinwohlverpflichtungen richtet und ein spezifisches Ziel des Sozialschutzes verfolgt. Dies ist der „Auftrag“, nach dem bei der Prüfung der Beziehung zwischen dem Inhaber der Tages- und Nachtbetreuungszentren und dem Staat zu suchen ist.

51.

Wie die COCOM ausgeführt hat, können Privatpersonen Tages- und Nachtbetreuungszentren einrichten, die einer Programmierung und einer Zulassung unterliegen, zwei unterschiedlichen Instrumenten, mit denen die öffentliche Hand die Inbetriebnahme des Zentrums gestattet und Bedingungen für die Erbringung der Dienstleistungen einführt. In der mündlichen Verhandlung hat die COCOM bestätigt, dass die Zentren durch eine Preispolitik und nach Maßgabe der Qualität der Dienstleistung miteinander im Wettbewerb stehen, wenngleich Erstere einem Tarifrahmen mit Höchstpreisen unterliegt.

52.

Aus der Akte ergibt sich auch, dass die Tages- und Nachtbetreuungszentren strikt wirtschaftliche, durch Privatpersonen einschließlich juristischer Personen mit Gewinnerzielungsabsicht erbrachte Tätigkeiten darstellen. Es handelt sich um wirtschaftliche Tätigkeiten, weil sie darin bestehen, eine Dienstleistung auf den Markt zu bringen, und unter Bedingungen vergütet werden, die eher einer wirtschaftlichen Tätigkeit entsprechen. Tatsächlich zeigen die in der Zulassung aufgezählten Bedingungen, insbesondere angewendet auf Tages- und Nachtbetreuungszentren, dass es sich um Voraussetzungen für die Diensterbringung handelt und nicht um Gemeinwohlverpflichtungen.

53.

Aus der Akte ergibt sich unbeschadet der Würdigung durch das vorlegende Gericht, dass die Zulassung nicht die Übernahme von Verpflichtungen im Rahmen eines komplexen Finanzierungssystems mit sich bringt, für das die öffentliche Gewalt zuständig ist, wie es bei den Gemeinwohlverpflichtungen der Fall ist. Die in Art. 11 der Ordonnanz der COCOM vom 24. April 2008 aufgeführten Bedingungen stellen eher eine Aufzählung von allgemeinen Voraussetzungen für eine Dienstleistung dar, nicht aber die eigentlichen Voraussetzungen, die die Erbringung einer öffentlichen Dienstleistung charakterisieren, wie sie in den Nrn. 48 und 49 dieser Schlussanträge definiert wurde.

54.

Daher und unbeschadet der Würdigung durch das vorlegende Gericht bin ich der Auffassung, dass die Tages- und Nachtbetreuungszentren, wie sie in der Ordonnanz der COCOM vom 24. April 2008 geregelt sind, nicht unter den zweiten Fall von Art. 2 Abs. 2 Buchst. j der Dienstleistungsrichtlinie, also unter „vom Staat … beauftragte Dienstleistungserbringer“, subsumiert werden können.

V – Ergebnis

55.

Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die Vorlagefrage der belgischen Cour constitutionnelle wie folgt zu beantworten:

1.

Art. 2 Abs. 2 Buchst. f der Richtlinie 2006/123/EG über Dienstleistungen im Binnenmarkt ist dahin auszulegen, dass

Tagesbetreuungszentren für Senioren im Sinne der Ordonnanz der Commission communautaire commune der Region Brüssel-Hauptstadt (COCOM) vom 24. April 2008 keine „Gesundheitsdienstleistungen“ darstellen,

Nachtbetreuungszentren für Senioren im Sinne der Ordonnanz der COCOM vom 24. April 2008 keine „Gesundheitsdienstleistungen“ darstellen, sofern das Gericht zu dem Ergebnis kommt, dass die wesentliche Aufgabe des Zentrums darin besteht, die Erholung der Senioren zu gewährleisten, und nicht in der Erbringung von Gesundheitsdienstleistungen.

2.

Art. 2 Abs. 2 Buchst. j der Richtlinie 2006/123 über Dienstleistungen im Binnenmarkt ist dahin auszulegen, dass Tages- und Nachtbetreuungszentren für Senioren im Sinne der Ordonnanz der COCOM vom 24. April 2008 keine „sozialen Dienstleistungen“ darstellen, die von „vom Staat beauftragten Dienstleistungserbringern“ erbracht werden.


( 1 ) Originalsprache: Spanisch.

( 2 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 (ABl. L 376, S. 36),

( 3 ) Handbuch zur Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie, Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften, 2007.

( 4 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2011 (ABl. L 88, S. 45).

( 5 ) Handbuch, S. 12.

( 6 ) Vgl. Art. 2 Buchst. d der Ordonnanz der COCOM vom 24. April 2008 bezüglich der Pflegezentren.

( 7 ) Vgl. u. a. die Urteile vom 23. April 1991, Höfner und Elser (C-41/90, Slg. 1991, I-1979, Randnr. 21), und vom 16. März 2004, AOK Bundesverband u. a. (C-264/01, C-306/01, C-354/01 und C-355/01, Slg. 2004, I-2493, Randnr. 46).

( 8 ) Siehe u. a. die Urteile vom 16. Mai 2006, Watts (C-372/04, Slg. 2006, I-4325, Randnr. 92 und die dort angeführte Rechtsprechung), vom 19. April 2007, Stamatelaki (C-444/05, Slg. 2007, I-3185, Randnr. 23), und vom 15. Juni 2010, Kommission/Spanien (C-211/08, Slg. 2010, I-5267, Randnr. 53).

( 9 ) Zu den Formen des Verwaltungshandelns und den verschiedenen Techniken zur Organisation der Sozialpolitik, siehe Rodríguez de Santiago, J. M., La Administración del Estado Social, Madrid, 2007, S. 115 ff.

( 10 ) Ebd., S. 162 ff.

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