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Document 62011CJ0524

Urteil des Gerichtshofs (Sechste Kammer) vom 6. September 2012.
Lowlands Design Holding BV gegen Minister van Financiën.
Vorabentscheidungsersuchen des Hoge Raad der Nederlanden.
Gemeinsamer Zolltarif – Kombinierte Nomenklatur – Tarifierung – Strampelsäcke für Säuglinge und Kleinkinder – Unterpositionen 6209 20 00 oder 6211 42 90.
Rechtssache C-524/11.

Court reports – general

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2012:558

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Sechste Kammer)

6. September 2012 ( *1 )

„Gemeinsamer Zolltarif — Kombinierte Nomenklatur — Tarifierung — Strampelsäcke für Säuglinge und Kleinkinder — Unterpositionen 6209 20 00 oder 6211 42 90“

In der Rechtssache C-524/11

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Hoge Raad der Nederlanden (Niederlande) mit Entscheidung vom 23. September 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 17. Oktober 2011, in dem Verfahren

Lowlands Design Holding BV

gegen

Minister van Financiën

erlässt

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten U. Lõhmus sowie der Richter A. Rosas und C. G. Fernlund (Berichterstatter),

Generalanwalt: J. Mazák,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

der Lowlands Design Holding BV, vertreten durch G. van Slooten, belastingadviseur,

der niederländischen Regierung, vertreten durch C. M. Wissels und M. A. M. de Ree als Bevollmächtigte,

der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Bouyon und F. Wilman als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur in Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif (ABl. L 256, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1719/2005 der Kommission vom 27. Oktober 2005 (ABl. L 286, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: KN), insbesondere der Unterpositionen 6209 20 00 und 6211 42 90.

2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Lowlands Design Holding BV (im Folgenden: Lowlands Design) und dem Minister van Financiën über die Tarifierung von Strampelsäcken („trappelzakken“).

Rechtlicher Rahmen

Internationale Tarifierung

3

Das am 14. Juni 1983 in Brüssel geschlossene Internationale Übereinkommen, mit dem das Harmonisierte System zur Bezeichnung und Codierung der Waren (im Folgenden: HS) eingeführt wurde, und das dazugehörige Änderungsprotokoll vom 24. Juni 1986 (im Folgenden: HS-Übereinkommen) wurden mit dem Beschluss 87/369/EWG des Rates vom 7. April 1987 (ABl. L 198, S. 1) im Namen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft genehmigt.

4

Der Rat für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Zollwesens – jetzt Weltzollorganisation (WZO) –, der durch das am 15. Dezember 1950 in Brüssel unterzeichnete Abkommen über seine Gründung errichtet wurde, genehmigt nach Maßgabe von Art. 8 des HS-Übereinkommens die von dem in Art. 6 des Übereinkommens geregelten Ausschuss für das HS ausgearbeiteten Erläuterungen und Einreihungsavise. Nach Art. 7 Abs. 1 des HS-Übereinkommens besteht die Aufgabe dieses Ausschusses u. a. darin, Änderungen des HS-Übereinkommens vorzuschlagen und Erläuterungen, Einreihungsavise und sonstige Stellungnahmen zur Auslegung des HS auszuarbeiten.

5

In ihrer Fassung aus dem Jahr 2005, die auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbar ist, sieht Anmerkung 6 Buchst. a zu Kapitel 61 („Kleidung und Bekleidungszubehör, aus Gewirken oder Gestricken“) der HS-Nomenklatur für die Auslegung der Position 6111 Folgendes vor: „Der Begriff ‚Kleidung und Bekleidungszubehör für Kleinkinder‘ umfasst Waren für Kleinkinder mit einer Körpergröße von 86 cm oder weniger; er bezieht sich auch auf Windeln für Kleinkinder“.

6

Anmerkung 4 zu Kapitel 62 („Kleidung und Bekleidungszubehör, ausgenommen aus Gewirken oder Gestricken“) des HS lautet:

„Im Sinne der Position 6209 gilt Folgendes:

a)

Der Begriff ‚Kleidung und Bekleidungszubehör für Kleinkinder‘ umfasst Waren für Kleinkinder mit einer Körpergröße von 86 cm oder weniger; er bezieht sich auch auf Windeln für Kleinkinder“

b)

Waren, für die sowohl die Position 6209 als auch andere Positionen des Kapitels 62 in Betracht kommen, gehören zu Position 6209.“

7

Die Erläuterung des HS zu Position 6209 lautet folgendermaßen:

„6209 Kleidung und Bekleidungszubehör, für Kleinkinder

6209,10 – aus Wolle oder feinen Tierhaaren

6209,20 – aus Baumwolle

6209,30 – aus synthetischen Chemiefasern

6209,90 – aus anderen Spinnstoffen

Gemäß Anm. 4 a) zu diesem Kapitel umfasst der Begriff ‚Kleidung und Bekleidungszubehör, für Kleinkinder‘ Waren für Kleinkinder mit einer Körpergröße von 86 cm oder weniger, er bezieht sich auch auf Windeln für Kleinkinder.

Zu dieser Position gehören u. a. Taufkleider, Steckkissen, Strampelhosen, Lätzchen, Fingerhandschuhe, Handschuhe ohne Fingerspitzen sowie Fäustlinge und Babyschuhe ohne an das Oberteil durch Kleben, Nähen oder auf andere Weise angebrachte Laufsohle, nicht aus Gewirken und nicht aus Gestricken.

Es ist zu beachten, dass Waren, für die sowohl Pos. 6209 als auch andere Positionen des Kapitels 62 in Betracht kommen, zu Pos. 6209 gehören (siehe Anm. 4 b) zu diesem Kapitel).

Nicht zu dieser Position gehören Windeln für Kleinkinder aus Papier, Zellstoffwatte oder Vliesen aus Zellstofffasern (Pos. 4818) oder aus Watte aus Spinnstoffen (Pos. 5601). Auch Kopfbedeckungen für Kleinkinder (Pos. 6505) oder Zubehör für Kleinkinderkleidung, das an anderer Stelle der Nomenklatur genauer erfasst ist, gehören nicht zu dieser Position.“

Die Kombinierte Nomenklatur

8

Die Allgemeinen Vorschriften für die Auslegung der KN, die in Anhang I Teil I Titel I Buchst. A der Verordnung Nr. 2658/87 enthalten sind, bestimmen:

„Für die Einreihung von Waren in die [KN] gelten folgende Grundsätze:

1.

Die Überschriften der Abschnitte, Kapitel und Teilkapitel sind nur Hinweise. Maßgebend für die Einreihung sind der Wortlaut der Positionen und der Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln und – soweit in den Positionen oder in den Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln nichts anderes bestimmt ist – die nachstehenden Allgemeinen Vorschriften.

3.

Kommen für die Einreihung von Waren bei Anwendung der Allgemeinen Vorschrift 2 b) oder in irgendeinem anderen Fall zwei oder mehr Positionen in Betracht, so wird wie folgt verfahren:

a)

Die Position mit der genaueren Warenbezeichnung geht den Positionen mit allgemeiner Warenbezeichnung vor. Zwei oder mehr Positionen, von denen sich jede nur auf einen Teil der in einer gemischten oder zusammengesetzten Ware enthaltenen Stoffe oder nur auf einen oder mehrere Bestandteile einer für den Einzelverkauf aufgemachten Warenzusammenstellung bezieht, werden im Hinblick auf diese Waren als gleich genau betrachtet, selbst wenn eine von ihnen eine genauere oder vollständigere Warenbezeichnung enthält.

b)

Mischungen, Waren, die aus verschiedenen Stoffen oder Bestandteilen bestehen, und für den Einzelverkauf aufgemachte Warenzusammenstellungen, die nach der Allgemeinen Vorschrift 3 a) nicht eingereiht werden können, werden nach dem Stoff oder Bestandteil eingereiht, der ihnen ihren wesentlichen Charakter verleiht, wenn dieser Stoff oder Bestandteil ermittelt werden kann.

c)

Ist die Einreihung nach den Allgemeinen Vorschriften 3 a) und 3 b) nicht möglich, wird die Ware der von den gleichermaßen in Betracht kommenden Positionen in dieser Nomenklatur zuletzt genannten Position zugewiesen.

6.

Maßgebend für die Einreihung von Waren in die Unterpositionen einer Position sind der Wortlaut dieser Unterpositionen, die Anmerkungen zu den Unterpositionen und – sinngemäß – die vorstehenden Allgemeinen Vorschriften. Einander vergleichbar sind dabei nur Unterpositionen der gleichen Gliederungsstufe. Soweit nichts anderes bestimmt ist, gelten bei Anwendung dieser Allgemeinen Vorschrift auch die Anmerkungen zu den Abschnitten und Kapiteln.“

9

Teil II der KN enthält einen Abschnitt XI, der Spinnstoffe und Waren daraus betrifft. Dieser Abschnitt umfasst die Kapitel 61 („Kleidung und Bekleidungszubehör, aus Gewirken oder Gestricken“) und 62 („Kleidung und Bekleidungszubehör, ausgenommen aus Gewirken oder Gestricken“). Kapitel 62 der KN enthält u. a. folgende Positionen und Unterpositionen:

„6209 Kleidung und Bekleidungszubehör, für Kleinkinder

6209 20 00 ‐ aus Baumwolle

6211 Trainingsanzüge, Skianzüge, Badeanzüge und Badehosen; andere Kleidung

andere Kleidung für Frauen oder Mädchen

6211 42 – – aus Baumwolle

6211 42 90 – – – andere

…“

10

In Anmerkung 1 zu Abschnitt XI der KN heißt es:

„Zu Abschnitt XI gehören nicht:

s)

Waren des Kapitels 94 (z. B. Möbel, Bettausstattungen, Beleuchtungskörper)“.

11

Kapitel 62 enthält außerdem folgende Anmerkungen:

„1.

Zu Kapitel 62 gehören nur konfektionierte Waren aus anderen textilen Flächenerzeugnissen als Watte. Nicht zu diesem Kapitel gehören Waren aus Gewirken oder Gestricken (ausgenommen Waren der Position 6212).

4.

Im Sinne der Position 6209 gilt Folgendes:

a)

Der Begriff ‚Bekleidung und Bekleidungszubehör für Kleinkinder‘ umfasst Waren für Kleinkinder mit einer Körpergröße von 86 cm oder weniger; er bezieht sich auch auf Windeln für Kleinkinder;

8.

Kleidungsstücke, die nicht als Männer- oder Knabenkleidung oder als Frauen- oder Mädchenkleidung erkennbar sind, werden als Frauen- oder Mädchenkleidung eingereiht.“

12

Kapitel 94 gehört zu Abschnitt XX der KN. Dieser Abschnitt trägt die Überschrift „Verschiedene Waren“. Kapitel 94 („Möbel; medizinisch-chirurgische Möbel; Bettausstattungen und ähnliche Waren; Beleuchtungskörper, anderweit weder genannt noch inbegriffen; Reklameleuchten, Leuchtschilder, beleuchtete Namensschilder und dergleichen; vorgefertigte Gebäude“) umfasst die Position 9404, die wie folgt lautet:

„9404 Sprungrahmen; Bettausstattungen und ähnliche Waren (z. B. Auflegematratzen, Steppdecken, Deckbetten, Polster, Schlummerrollen und Kopfkissen) mit Federung oder gepolstert oder mit Füllung aus Stoffen aller Art oder aus Zellkautschuk oder Zellkunststoff, auch überzogen:

9404 10 00 ‐ Sprungrahmen

 

‐ Auflegematratzen:

9404 21 ‐ ‐ aus Zellkautschuk oder Zellkunststoff, auch überzogen

9404 29 ‐ ‐ aus anderen Stoffen:

9404 30 00 ‐ Schlafsäcke“

13

In den Erläuterungen zur Kombinierten Nomenklatur der Europäischen Gemeinschaften (ABl. 2006, C 50, S. 1) auf der Grundlage des Artikels 10 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2658/87 heißt es:

„6111 Kleidung und Bekleidungszubehör, aus Gewirken oder Gestricken, für Kleinkinder

Siehe die Anmerkung 6 a) zu Kapitel 61.

Hierher gehören alle Kleidungsstücke, die im Allgemeinen für Kinder unter 18 Monaten bestimmt sind, z. B.: Mäntel, Burnusse, Steppjäckchen, Steckkissen, Morgenröcke, zweiteilige Anzüge, Kinderkombinationen, lange und kurze Hosen, Gamaschenhosen, Strampelhosen, Westen, Kleider, Röcke, Boleros, Blousons, Anoraks, Umhänge, Tuniken, Blusen, Hemdblusen, Shorts und dergleichen.

Einige dieser Waren sind eindeutig Erstlingsausstattungsstücke und können deshalb ohne Rücksicht auf ihre Größe dieser Position zugewiesen werden.

Dies gilt insbesondere für:

3.   Steckkissen: Kleidungsstücke mit Kapuze und Ärmeln, die gleichzeitig als Mantel und als Schlafsack dienen (sie sind unten vollständig geschlossen);

4.   Schlafsäcke mit Ärmeln oder Ärmellöchern.

Die anderen Kleidungsstücke gehören hierher nur, wenn sie für Kleinkinder mit einer Körpergröße von 86 cm oder weniger geeignet sind (bis einschließlich Handelsgröße 86).

6209 Kleidung und Bekleidungszubehör, für Kleinkinder

Die Erläuterungen zu Position 6111 gelten sinngemäß.“

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

14

Am 3. Oktober 2006 reichte Lowlands Design bei den niederländischen Zollbehörden vier Anträge auf Erteilung verbindlicher Zollauskünfte für als „Kinderschlafsäcke“ bezeichnete Erzeugnisse ein.

15

Diese Erzeugnisse sind alle nach demselben Muster gefertigt und besitzen dieselben Merkmale. Es handelt sich dabei um zwei Baumwollsäcke (einen inneren und einen äußeren), die als Set zu benutzen sind und jeweils über einen halsnahen Ausschnitt und Ärmel verfügen. Das Oberteil ist in Form eines Leibchens geschnitten und in Taillenhöhe mit einem elastischen Element versehen. Auf der Vorderseite befindet sich ein langer Reißverschluss. Auf der Rückseite haben die Säcke in der Mitte eine Öffnung, durch die ein Sicherheitsgurt geschoben werden kann. Die Erzeugnisse unterscheiden sich nur hinsichtlich ihrer Größe, nämlich 86 cm bei Säcken für Säuglinge und 110 cm bei Säcken, die für Kleinkinder bestimmt sind.

16

Lowlands Design war der Auffassung, dass diese Erzeugnisse alle unter die Unterposition 9404 30 00 der KN betreffend „Schlafsäcke“ fielen und folglich einem Zoll in Höhe von 3,7 % unterlägen.

17

Mit Bescheiden vom 20. und 28. November 2006 vertraten die niederländischen Zollbehörden den Standpunkt, dass die Erzeugnisse, die für Kleinkinder bestimmt seien, unter die Unterposition 6211 42 („Trainingsanzüge, Skianzüge, Badeanzüge und Badehosen; andere Kleidung aus Baumwolle“) fielen und einem Zoll von 12 % unterlägen sowie, dass die Erzeugnisse für Säuglinge zur Unterposition 6209 20 00 („Kleidung und Bekleidungszubehör, für Kleinkinder, aus Baumwolle“) gehörten und darauf ein Zoll von 10,5 % entfalle.

18

Nachdem ihre Klage in erster und zweiter Instanz abgewiesen worden war, legte Lowlands Design beim Hoge Raad der Nederlanden Kassationsbeschwerde ein. Sie bringt vor, diese Erzeugnisse müssten aufgrund des Wortlauts der Unterposition 9404 30 00 und der Anmerkung 1 Buchst. s zu Abschnitt XI der KN in diese Unterposition eingereiht werden.

19

Das vorlegende Gericht führt aus, dass die betreffenden Erzeugnisse in ihrem oberen Teil einem Kleidungsstück und in ihrem unteren Teil einem Schlafsack glichen. In Anbetracht dieser Merkmale könne die Einreihung in die Unterposition 9404 30 00 nicht ausgeschlossen werden. Es stelle sich die Frage, ob die in Rede stehenden Waren in die Unterpositionen 6209 20 00 und 6211 42 90 einzureihen seien oder ob sie zu Unterposition 9404 30 00 gehörten.

20

Der Hoge Raad der Nederlanden hat daher das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Wie sind die KN-Unterpositionen 6209 20 00 und 6211 42 sowie die KN-Unterposition 9404 30 00 im Hinblick auf die Tarifierung von Waren für Säuglinge und Kleinkinder wie die hier in Rede stehenden auszulegen?

Zur Vorlagefrage

21

Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die KN dahin auszulegen ist, dass Strampelsäcke in einer Größe von 86 cm, die für Säuglinge, und in einer Größe von 110 cm, die für Kleinkinder bestimmt sind, in die Unterposition 6209 20 00 oder 6211 42 90 oder aber vielmehr in die Unterposition 9404 30 00 einzureihen sind.

22

Die Allgemeinen Vorschriften für die Auslegung der KN sehen vor, dass für die Einreihung von Waren an erster Stelle der Wortlaut der Positionen und der Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln maßgebend ist, wohingegen die Überschriften der Abschnitte und Kapitel nur als Hinweise betrachtet werden.

23

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung im Interesse der Rechtssicherheit und der leichten Nachprüfbarkeit das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen ist, wie sie im Wortlaut der KN-Positionen und der Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln festgelegt sind (vgl. u. a. Urteile vom 19. Oktober 2000, Peacock, C-339/98, Slg. 2000, I-8947, Randnr. 9, und vom 14. Juli 2011, Paderborner Brauerei Haus Cramer, C-196/10, Slg. 2011, I-6201, Randnr. 31).

24

Lowlands Design macht geltend, die fraglichen Erzeugnisse hätten als wesentliches Merkmal, dem Benutzer zu ermöglichen, darin geschützt und im Warmen zu schlafen, und seien dazu bestimmt, als Schlafsack verwendet zu werden. Es handle sich also um Schlafsäcke im Sinne der Unterposition 9404 30 00 der KN. Die niederländische Regierung und die Europäische Kommission meinen hingegen, diese Erzeugnisse müssten in die Unterpositionen 6209 20 00 oder 6211 42 90 eingereiht werden.

25

Es ist festzustellen, dass die fraglichen Erzeugnisse nach den Erläuterungen des vorlegenden Gerichts ihrer Größe und ihrer Art nach ausschließlich zur Verwendung für Säuglinge und Kleinkinder bestimmt sind. Sie verfügen über mehrere Merkmale, die Kleidungsstücken eigen sind. So ist etwa der Schnitt des Oberteils dieser Erzeugnisse an die Körperform angepasst. Sie verfügen über einen Halsausschnitt, Ärmel, einen Reißverschluss auf der Vorderseite sowie ein elastisches Element in Taillenhöhe. Der untere Teil dieser Erzeugnisse ist wie bei einem Schlafsack völlig geschlossen.

26

Zu diesem letzteren Merkmal ist zu sagen, dass die Position 9404 zu Kapitel 94 („Möbel; medizinisch-chirurgische Möbel; Bettausstattungen und ähnliche Waren; Beleuchtungskörper, anderweit weder genannt noch inbegriffen; Reklameleuchten, Leuchtschilder, beleuchtete Namensschilder und dergleichen; vorgefertigte Gebäude“) der KN gehört. Ihr Wortlaut stellt auf „Sprungrahmen; Bettausstattungen und ähnliche Waren … mit Federung oder gepolstert oder mit Füllung aus Stoffen aller Art …“ ab. Die Unterposition 9404 30 00 betrifft ihrerseits „Schlafsäcke“ im Allgemeinen, ohne für diese Gruppe andere Untererzeugnisse auf der Grundlage ihrer Merkmale zu benennen.

27

Kapitel 62 der KN betreffend „Kleidung und Bekleidungszubehör, ausgenommen aus Gewirken oder Gestricken“ hingegen umfasst unter der Position 6209 „Kleidung und Bekleidungszubehör, für Kleinkinder“, wobei sich die Unterposition 6209 20 00 spezifischer auf solche aus Baumwolle bezieht. Aufgrund der Merkmale ihres oberen Teils sind die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Erzeugnisse aber als Kleidung anzusehen, die zu Abschnitt XI der KN gehört, und nicht als Bettausstattungen im Sinne von Abschnitt XX Kapitel 94 der KN.

28

Außerdem ergibt sich aus der auf Position 6209 anwendbaren Erläuterung zur KN, dass diese Position, ebenso wie in der Erläuterung für die Auslegung der Position 6209 des HS vorgesehen, eine Reihe von Waren erfasst, die für Kleinkinder bestimmt sind, u. a. Steckkissen und Strampelhosen. Diese Erzeugnisse weisen Merkmale auf, die zwar mit denen der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Erzeugnisse nicht identisch sind, diesen aber doch entsprechen. Zu den somit von der Erläuterung zu Position 6209 der KN erfassten Erzeugnissen zählen ausdrücklich bestimmte Arten von Schlafsäcken mit Ärmeln und Ärmellöchern, die im Allgemeinen für Kinder unter 18 Monaten bestimmt sind.

29

Lowlands Design bringt hierzu vor, dass die Erläuterung der KN zu Position 6209 im Widerspruch zu Anmerkung 1 Buchst. s zu Abschnitt XI der KN stehe, da Letztere die in Kapitel 94 des Abschnitts XX der KN aufgeführten Erzeugnisse, zu denen unter der Unterposition 9404 30 00 die Schlafsäcke zählten, ausdrücklich vom Anwendungsbereich dieses Abschnitts ausschließe. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass diese Anmerkung zu dem Abschnitt so zu verstehen ist, dass sie lediglich darauf hinweist, dass die in dieses Kapitel 94 eingereihten Waren nicht zu diesem Abschnitt XI gehören.

30

In Anbetracht der Allgemeinen Vorschrift 3 Buchst. a für die Auslegung der KN, aus der sich ergibt, dass die Position mit der genaueren Warenbezeichnung den Positionen mit allgemeiner Warenbezeichnung vorgeht, gehören die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Erzeugnisse nicht zur Unterposition 9404 30, sondern sind grundsätzlich in die Unterposition 6209 20 00 einzureihen.

31

Dabei sieht Anmerkung 4 zu Kapitel 62 der KN wie Anmerkung 4 zu Kapitel 62 des HS vor, dass „Kleidung und Bekleidungszubehör für Kleinkinder“ im Sinne der Position 6209 Waren für Kleinkinder mit einer Körpergröße von 86 cm oder weniger umfasst.

32

Die auf Position 6209 anwendbare Erläuterung zur KN sieht vor, dass hierher alle Kleidungsstücke gehören, die im Allgemeinen für Kinder unter 18 Monaten bestimmt sind, und dass einige dieser Waren eindeutig Erstlingsausstattungsstücke sind und deshalb ohne Rücksicht auf ihre Größe dieser Position zugewiesen werden können. Nach dieser Erläuterung gilt dies für Steckkissen und Schlafsäcke mit Ärmeln oder Ärmellöchern, wobei die anderen Kleidungsstücke nur hierher gehören, „wenn sie für Kleinkinder mit einer Körpergröße von 86 cm oder weniger geeignet sind (bis einschließlich Handelsgröße 86)“.

33

Es ist darauf hinzuweisen, dass der Inhalt der KN-Erläuterungen, die nicht die HS-Erläuterungen ersetzen, sondern als Ergänzung zu betrachten und zusammen mit diesen heranzuziehen sind, den Bestimmungen der KN entsprechen muss und deren Bedeutung nicht verändern darf (vgl. Urteil vom 14. April 2011, British Sky Broadcasting Group und Pace, C-288/09 und C-289/09, Slg. 2011, I-2851, Randnr. 64).

34

Nach diesen Auslegungsgrundsätzen ist davon auszugehen, dass Baumwollerzeugnisse wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden in die Unterposition 6209 20 00 einzureihen sind, wenn sie aufgrund ihrer Größe für Kleinkinder mit einer Körpergröße von 86 cm oder weniger geeignet sind, was das vorlegende Gericht zu prüfen hat. Ist dies nicht der Fall, so schließt der Wortlaut von Anmerkung 4 zu Kapitel 62 der KN die Einreihung dieser Erzeugnisse in die Position 6209 aus. In letztgenanntem Fall ist mangels spezifischer Position für Erzeugnisse dieser Art und entsprechend der Allgemeinen Vorschrift 3 Buchst. c zur Auslegung der KN anzunehmen, dass sie zur Unterposition 6211 42 90 in Bezug auf die Kategorie „andere“ unter „andere Kleidung für Frauen oder Mädchen aus Baumwolle“ gehören.

35

Es ist daher auf die Vorlagefrage zu antworten, dass die KN dahin auszulegen ist, dass Strampelsäcke wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden als „Kleidung und Bekleidungszubehör, für Kleinkinder aus Baumwolle“ in die Unterposition 6209 20 00 einzureihen sind, wenn sie aufgrund ihrer Größe für Kinder mit einer Körpergröße von 86 cm oder weniger geeignet sind. Ist dies nicht der Fall, so sind diese Erzeugnisse als „andere Kleidung für Frauen oder Mädchen aus Baumwolle“ in die Unterposition 6211 42 90 einzureihen.

Kosten

36

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Sechste Kammer) für Recht erkannt:

 

Die Kombinierte Nomenklatur in Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1719/2005 der Kommission vom 27. Oktober 2005 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass Strampelsäcke wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden als „Kleidung und Bekleidungszubehör, für Kleinkinder aus Baumwolle“ in die Unterposition 6209 20 00 einzureihen sind, wenn sie aufgrund ihrer Größe für Kinder mit einer Körpergröße von 86 cm oder weniger geeignet sind. Ist dies nicht der Fall, so sind diese Erzeugnisse als „andere Kleidung für Frauen oder Mädchen aus Baumwolle“ in die Unterposition 6211 42 90 einzureihen.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Niederländisch.

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