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Document 62011CJ0121

Urteil des Gerichtshofs (Dritte Kammer) vom 19. April 2012.
Pro-Braine ASBL u. a. gegen Commune de Braine-le-Château, Beteiligte: Veolia es treatment SA.
Vorabentscheidungsersuchen des Conseil dʼÉtat.
Richtlinie 1999/31/EG – Abfalldeponien – Richtlinie 85/337/EWG – Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten – Entscheidung über den Weiterbetrieb einer genehmigten Deponie ohne Umweltverträglichkeitsprüfung – Begriff ‚Genehmigungʻ.
Rechtssache C‑121/11.

Court reports – general

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2012:225

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer)

19. April 2012 ( *1 )

„Richtlinie 1999/31/EG — Abfalldeponien — Richtlinie 85/337/EWG — Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten — Entscheidung über den Weiterbetrieb einer genehmigten Deponie ohne Umweltverträglichkeitsprüfung — Begriff ‚Genehmigung‘“

In der Rechtssache C-121/11

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Conseil d’État (Belgien) mit Entscheidung vom 24. Februar 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 8. März 2011, in dem Verfahren

Pro-Braine ASBL u. a.

gegen

Commune de Braine-le-Château,

Beteiligte:

Veolia es treatment SA,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts, der Richter E. Juhász (Berichterstatter), G. Arestis, T. von Danwitz und D. Šváby,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: A. Impellizzeri, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 15. Dezember 2011,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

der Pro-Braine ASBL u. a., vertreten durch J. Sambon, avocat,

der Veolia es treatment SA, vertreten durch B. Deltour, avocat,

der belgischen Regierung, vertreten durch T. Materne und C. Pochet als Bevollmächtigte,

der österreichischen Regierung, vertreten durch A. Posch und G. Holley als Bevollmächtigte,

der Europäischen Kommission, vertreten durch P. Oliver, A. Marghelis und M. Verheij als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 14 Buchst. b der Richtlinie 1999/31/EG des Rates vom 26. April 1999 über Abfalldeponien (ABl. L 182, S. 1) und von Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. L 175, S. 40) in der durch die Richtlinie 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 (ABl. L 156, S. 17) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 85/337).

2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Pro-Braine ASBL u. a. (im Folgenden: Association Pro-Braine) und dem Collège communal (Gemeindekollegium) de Braine-le-Château, in dem die Association Pro-Braine die Aufhebung der Entscheidung beantragt, mit der der Weiterbetrieb des technischen Vergrabungszentrums am Standort „Cour-au-Bois Nord“ bis zum Ablauf der bestehenden Genehmigung am 27. Dezember 2009 unter Aufhebung der bisherigen Betriebsauflagen und Festlegung neuer Betriebsauflagen genehmigt wurde.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

3

Art. 1 der Richtlinie 85/337 sieht vor:

„(1)   Gegenstand dieser Richtlinie ist die Umweltverträglichkeitsprüfung bei öffentlichen und privaten Projekten, die möglicherweise erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben.

(2)   Im Sinne dieser Richtlinie sind:

Projekt:

die Errichtung von baulichen oder sonstigen Anlagen,

sonstige Eingriffe in Natur und Landschaft einschließlich derjenigen zum Abbau von Bodenschätzen;

Genehmigung:

Entscheidung der zuständigen Behörde oder der zuständigen Behörden, aufgrund deren der Projektträger das Recht zur Durchführung des Projekts erhält;

…“

4

Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 85/337 bestimmt:

„Bei Projekten des Anhangs II bestimmen die Mitgliedstaaten vorbehaltlich des Artikels 2 Absatz 3 anhand

a)

einer Einzelfalluntersuchung

oder

b)

der von den Mitgliedstaaten festgelegten Schwellenwerte bzw. Kriterien,

ob das Projekt einer Prüfung gemäß den Artikeln 5 bis 10 unterzogen werden muss.

Die Mitgliedstaaten können entscheiden, beide unter den Buchstaben a) und b) genannten Verfahren anzuwenden.“

5

In Anhang II der Richtlinie 85/337 sind die Projekte nach Art. 4 Abs. 2 dieser Richtlinie aufgeführt. Nr. 11 („Sonstige Projekte“) dieses Anhangs nennt als solche „Abfallbeseitigungsanlagen (nicht durch Anhang I erfasste Projekte)“.

6

Zu den Projekten im Sinne dieses Anhangs gehört auch, wie aus dessen Nr. 13 hervorgeht, „[d]ie Änderung oder Erweiterung von bereits genehmigten, durchgeführten oder in der Durchführungsphase befindlichen Projekten des Anhangs I oder II, die erhebliche nachteilige Auswirkungen auf die Umwelt haben können (nicht durch Anhang I erfasste Änderung oder Erweiterung)“.

7

Art. 8 („Voraussetzungen für die Genehmigung“) der Richtlinie 1999/31 sieht vor:

„Die Mitgliedstaaten treffen Maßnahmen, durch die Folgendes sichergestellt wird:

a)

Die zuständige Behörde erteilt nur dann eine Genehmigung für eine Deponie, wenn gewährleistet ist, dass

i)

das Deponievorhaben unbeschadet des Artikels 3 Absätze 4 und 5 alle maßgeblichen Anforderungen dieser Richtlinie einschließlich der Anhänge erfüllt;

ii)

der Deponiebetrieb in der Hand einer natürlichen Person liegt, die die technische Kompetenz zur Leitung der Deponie besitzt, und für die berufliche und technische Weiterbildung und Einarbeitung von Betreibern und Deponiepersonal gesorgt wird;

iii)

die Deponie so betrieben wird, dass die notwendigen Maßnahmen ergriffen werden, um Unfälle zu vermeiden und deren Folgen zu begrenzen;

iv)

der Antragsteller vor Beginn des Deponiebetriebs angemessene Vorkehrungen in Form einer finanziellen Sicherheitsleistung oder etwas anderem Gleichwertigen nach von den Mitgliedstaaten festzulegenden Modalitäten getroffen hat, um zu gewährleisten, dass die Auflagen (auch hinsichtlich der Nachsorge), die mit der gemäß dieser Richtlinie erteilten Genehmigung verbunden sind, erfüllt und die in Artikel 13 vorgeschriebenen Stilllegungsverfahren eingehalten werden. Diese Sicherheitsleistung oder etwas Gleichwertiges besteht so lange fort, wie die Wartungs- und Nachsorgearbeiten auf der Deponie gemäß Artikel 13 Buchstabe d) dies erfordern. Die Mitgliedstaaten können nach eigener Wahl erklären, dass diese Ziffer auf Deponien für Inertabfälle keine Anwendung findet.

b)

Die geplante Deponie ist mit dem oder den einschlägigen Abfallbewirtschaftungsplänen nach Artikel 7 der Richtlinie 75/442/EWG in Einklang.

c)

Vor Beginn des Deponiebetriebs inspiziert die zuständige Behörde die Deponie, um sicherzustellen, dass die entsprechenden Voraussetzungen für die Genehmigung erfüllt sind. Dadurch wird die Verantwortung des Betreibers, die in der Genehmigung festgelegt ist, in keiner Weise verringert.“

8

In Art. 14 („Vorhandene Deponien“) der Richtlinie 1999/31 heißt es:

„Die Mitgliedstaaten ergreifen Maßnahmen, die sicherstellen, dass Deponien, die zum Zeitpunkt der Umsetzung dieser Richtlinie über eine Zulassung verfügen oder in Betrieb sind, nur dann weiterbetrieben werden können, wenn so bald wie möglich und spätestens binnen acht Jahren nach dem in Artikel 18 Absatz 1 genannten Zeitpunkt nachstehende Schritte durchgeführt werden:

a)

Innerhalb von einem Jahr nach dem in Artikel 18 Absatz 1 genannten Zeitpunkt erarbeitet der Betreiber ein Nachrüstprogramm mit den in Artikel 8 genannten Angaben sowie allen von ihm als erforderlich erachteten Abhilfemaßnahmen für die Erfüllung der Anforderungen dieser Richtlinie (mit Ausnahme der Anforderungen in Anhang I Nummer 1) und legt dieses der zuständigen Behörde zur Zulassung vor.

b)

Nach Vorlage des Nachrüstprogramms trifft die zuständige Behörde eine endgültige Entscheidung auf der Grundlage des Nachrüstprogramms und der Bestimmungen dieser Richtlinie darüber, ob der Betrieb fortgesetzt werden kann. Die Mitgliedstaaten ergreifen die erforderlichen Maßnahmen, damit Deponien, die keine Zulassung nach Artikel 8 für den Weiterbetrieb erhalten haben, gemäß Artikel 7 Buchstabe g) und Artikel 13 so bald wie möglich stillgelegt werden.

c)

Auf der Grundlage des autorisierten Nachrüstprogramms genehmigt die zuständige Behörde die notwendigen Arbeiten und legt eine Übergangsfrist für die Durchführung dieses Programms fest. Alle vorhandenen Deponien müssen binnen acht Jahren nach dem in Artikel 18 Absatz 1 genannten Zeitpunkt die Anforderungen dieser Richtlinie mit Ausnahme der Anforderungen in Anhang I Nummer 1 erfüllen.

…“

Nationales Recht

9

Art. 180 Abs. 4 ff. des Dekrets vom 11. März 1999 über die Umweltgenehmigung (Moniteur belge vom 8. Juni 1999) in der durch das Dekret vom 19. September 2002 (Moniteur belge vom 27. September 2002) geänderten Fassung (im Folgenden: Dekret vom 11. März 1999) bestimmt:

„… bleiben die vor dem Inkrafttreten des vorliegenden Dekrets für die Betreibung eines technischen Vergrabungszentrums erteilten Genehmigungen unter Vorbehalt der Einhaltung der folgenden Bedingungen für den festgesetzten Zeitraum gültig.

Innerhalb einer Frist von drei Monaten ab dem Inkrafttreten des vorliegenden Dekrets muss der Betreiber eines vor dem Inkrafttreten des vorliegenden Dekrets genehmigten technischen Vergrabungszentrums der zuständigen Behörde ein Nachrüstprogramm vorlegen, das u. a. folgende Angaben enthält:

1.

die Beschreibung der Übereinstimmung des technischen Vergrabungszentrums und der ihm angeschlossenen Einrichtungen mit dem geltenden Recht und gegebenenfalls eine Beschreibung der zu treffenden Abhilfemaßnahmen;

2.

Angaben über seine berufliche, technische und finanzielle Kompetenz, das technische Vergrabungszentrum weiter zu betreiben und den mit der Nachsorge verbundenen Verpflichtungen nachzukommen.

Auf der Grundlage des von dem Betreiber vorgelegten Nachrüstprogramms

1.

entscheidet die zuständige Behörde über den Weiterbetrieb des technischen Vergrabungszentrums, indem sie die Betriebsauflagen gegebenenfalls ändert oder ergänzt;

2.

legt die mit der Nachsorge verbundenen Verpflichtungen gemäß Art. 59bis fest;

3.

bestimmt die zuständige Behörde die erforderlichen Maßnahmen, damit das technische Vergrabungszentrum, das keine Zulassung für den Weiterbetrieb erhalten hat, so bald wie möglich stillgelegt wird.

…“

Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

10

Der Betrieb des technischen Vergrabungszentrums „Cour-au-Bois Nord“ auf dem Gebiet der Gemeinde Braine-le-Château wurde durch den Königlichen Erlass vom 7. März 1979, geändert durch den Königlichen Erlass vom 27. Dezember 1979, für die Dauer von 30 Jahren zur Aufnahme ungiftiger industrieller Abfälle genehmigt.

11

Diese Betriebsgenehmigung wurde ferner am 29. September 1988 dahin geändert, dass dieses Zentrum andere Arten von Abfällen, wie Siedlungsabfälle und Inertabfälle, aufnehmen konnte, was zu seiner Einstufung als Deponie der Klassen 2 und 3 führte. Die Betriebsgenehmigung in der geänderten Fassung wurde auf die nachfolgenden Betreiber übertragen.

12

Am 30. Oktober 2002 forderte das Office wallon des déchets (Wallonisches Abfallamt) die Biffa Waste Services SA (im Folgenden: Biffa Waste Services), die das Zentrum am Standort Cour-au-Bois Nord damals betrieb, auf, ein Nachrüstprogramm gemäß Art. 180 des Dekrets vom 11. März 1999 vorzulegen.

13

Im Jahr 2006 erwarb die Unternehmensgruppe Veolia es treatment SA Biffa Waste Services.

14

Auf der Grundlage des von Biffa Waste Services vorgelegten Nachrüstprogramms genehmigte das Collège communal de Braine-le-Château mit Bescheid vom 14. Mai 2008 den Weiterbetrieb des technischen Vergrabungszentrums bis zum 27. Dezember 2009, hob die bestehenden Betriebsauflagen auf und ersetzte sie durch neue Betriebsauflagen.

15

Am 18. Juli 2008 erhob die Association Pro-Braine gegen den Bescheid vom 14. Mai 2008 Anfechtungsklage beim Conseil d’État.

16

Mit ihrer Klage rügt die Klägerin des Ausgangsverfahrens, dass das Collège communal de Braine-le-Château den Bescheid erlassen habe, ohne den Antrag auf Genehmigung des Betriebs dieser klassifizierten Anlage dem System der Umweltverträglichkeitsprüfung unterworfen zu haben, insbesondere ohne die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung verlangt oder die damit verbundenen materiell- und verfahrensrechtlichen Förmlichkeiten erfüllt zu haben.

17

Nach Ansicht der Klägerin des Ausgangsverfahrens ist der Bescheid vom 14. Mai 2008 rechtswidrig, da die gemäß Art. 180 des Dekrets vom 11. März 1999 ergangene Entscheidung über den Weiterbetrieb eine „Genehmigung“ im Sinne von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 85/337 darstelle und die technischen Vergrabungszentren der Klasse 2 Anlagen im Sinne von Nr. 11 Buchst. b des Anhangs II der Richtlinie 85/337 seien, die von Rechts wegen Verträglichkeitsprüfungen gemäß Art. 2 der Verordnung der Wallonischen Regierung vom 4. Juli 2002 zur Festlegung der Liste der einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehenden Projekte sowie der klassifizierten Anlagen und Tätigkeiten zu unterziehen seien.

18

Aufgrund dieser Erwägungen hat der Conseil d’État das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Stellt eine auf der Grundlage von Art. 14 Buchst. b der Richtlinie 1999/31 ergangene endgültige Entscheidung über den Weiterbetrieb einer genehmigten oder bereits in Betrieb befindlichen Deponie eine „Genehmigung“ im Sinne von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 85/337 dar?

Zur Vorlagefrage

19

Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die endgültige Entscheidung, mit der der Weiterbetrieb einer vorhandenen Deponie gemäß Art. 14 Buchst. b der Richtlinie 1999/31 auf der Grundlage eines vom Betreiber vorgelegten Nachrüstprogramms zugelassen wird, eine „Genehmigung“ im Sinne von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 85/337 darstellt.

20

Aus dem Wortlaut von Art. 14 („Vorhandene Deponien“) der Richtlinie 1999/31 ergibt sich, dass die Mitgliedstaaten bei zum Zeitpunkt der Umsetzung dieser Richtlinie zugelassenen oder bereits in Betrieb befindlichen Deponien Maßnahmen ergreifen müssen, damit diese nur dann weiterbetrieben werden können, wenn ihre Betreiber den Vorgaben dieser Richtlinie nachkommen.

21

Zu diesem Zweck erarbeiten die Betreiber dieser Deponien ein Nachrüstprogramm für den jeweiligen Standort mit den in Art. 8 der Richtlinie 1999/31 genannten Angaben und allen von ihnen als erforderlich erachteten Abhilfemaßnahmen für die Erfüllung der Anforderungen dieser Richtlinie mit Ausnahme der Anforderungen in Anhang I Nr. 1 und legen dieses der zuständigen Behörde zur Zulassung vor.

22

Nach Art. 14 Buchst. b der Richtlinie 1999/31 trifft die zuständige Behörde nach Vorlage des Nachrüstprogramms eine endgültige Entscheidung auf der Grundlage dieses Programms und dieser Richtlinie darüber, ob der Betrieb fortgesetzt werden kann.

23

Aus der Vorlageentscheidung ergibt sich, dass der Betrieb der Deponie am Standort Cour-au-Bois Nord durch den Königlichen Erlass vom 7. März 1979, geändert durch den Königlichen Erlass vom 27. Dezember 1979, für die Dauer von 30 Jahren, also bis zum 27. Dezember 2009, genehmigt wurde. Aus den Akten geht weiter hervor, dass diese Deponie zu dem für das Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitpunkt seit der ursprünglichen Genehmigung fortlaufend betrieben worden und die Betriebsgenehmigung nicht abgelaufen war.

24

Das die Deponie betreibende Unternehmen, Biffa Waste Services, reichte am 23. Mai 2003 bei der Gemeindeverwaltung von Braine-le-Château ein Nachrüstprogramm gemäß Art. 180 des Dekrets vom 11. März 1999 ein, das den Bestimmungen von Art. 14 der Richtlinie 1999/31 entsprach.

25

Auf der Grundlage dieses Nachrüstprogramms genehmigte das Collège communal de Braine-le-Château mit Entscheidung vom 14. Mai 2008 den Weiterbetrieb der Deponie Cour-au-Bois Nord bis zum Ablauf der bestehenden Genehmigung am 27. Dezember 2009, hob die bestehenden Betriebsauflagen auf und ersetzte sie durch neue Auflagen.

26

Daher ist zu prüfen, ob eine solche Entscheidung eine „Genehmigung“ im Sinne von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 85/337 darstellt.

27

Der Begriff „Genehmigung“ ist in Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 85/337 als „Entscheidung der zuständigen Behörde oder der zuständigen Behörden, aufgrund deren der Projektträger das Recht zur Durchführung des Projekts erhält“, definiert. Somit kann eine „Genehmigung“ im Sinne dieser Richtlinie nur dann vorliegen, wenn ein „Projekt“ durchzuführen ist.

28

Die Definition des Begriffs „Projekt“ in Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 85/337 erläutert nicht, ob Änderungen oder Erweiterungen vorhandener Projekte ihrerseits als „Projekte“ betrachtet werden können.

29

Allerdings sind „Projekte“ im Sinne der Richtlinie 85/337 die in deren Anhang II, auf den Art. 4 Abs. 2 dieser Richtlinie verweist, aufgeführten Anlagen und Plätze. In Nr. 11 („Sonstige Projekte“) des Anhangs II sind als solche insbesondere „Abfallbeseitigungsanlagen (nicht durch Anhang I erfasste Projekte)“ genannt, zu denen Vergrabungsstandorte gehören. Nr. 13 dieses Anhangs bezieht in die erfassten Projekte „[d]ie Änderung oder Erweiterung von bereits genehmigten, durchgeführten oder in der Durchführungsphase befindlichen Projekten des Anhangs I oder II, die erhebliche nachteilige Auswirkungen auf die Umwelt haben können“, ein.

30

Aus diesen Bestimmungen ergibt sich, dass die Änderung oder Erweiterung eines Vergrabungsstandorts wie des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden ein „Projekt“ im Sinne der Richtlinie 85/337 darstellen kann, soweit sie erhebliche nachteilige Auswirkungen auf die Umwelt haben kann.

31

Wie der Gerichtshof festgestellt hat, bezieht sich der Begriff „Projekt“ auf Arbeiten oder Eingriffe zur Änderung des materiellen Zustands eines Platzes (Urteil vom 17. März 2011, Brussels Hoofdstedelijk Gewest u. a., C-275/09, Slg. 2011, I-1753, Randnrn. 20, 24 und 38).

32

Somit kann die bloße Verlängerung einer bestehenden Genehmigung zum Betrieb eines Vergrabungsstandorts, die nicht mit Arbeiten oder Eingriffen zur Änderung des materiellen Zustands des Platzes verbunden ist, nicht als Projekt im Sinne von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 85/337 eingestuft werden.

33

Demnach könnte, soweit das „Nachrüstprogramm“, über das eine „endgültige Entscheidung“ gemäß Art. 14 Buchst. b der Richtlinie 1999/31 ergangen ist, die Änderung oder Erweiterung – durch Arbeiten oder Eingriffe zur Änderung des materiellen Zustands – eines solchen Vergrabungsstandorts betrifft und erhebliche nachteilige Auswirkungen auf die Umwelt haben kann, die Entscheidung als „Genehmigung“ im Sinne von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 85/337 betrachtet werden.

34

Was das Ausgangsverfahren angeht, verfügt der Gerichtshof nicht über hinreichende Anhaltspunkte, um die Folgen der Entscheidung des Collège communal de Braine-le-Château vom 14. Mai 2008 für die Deponie Cour-au-Bois Nord beurteilen zu können; diese Beurteilung obliegt auf jeden Fall dem vorlegenden Gericht.

35

Daher hat das vorlegende Gericht zu prüfen, ob mit der endgültigen Entscheidung über das vom im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Betreiber gemäß Art. 14 Buchst. b der Richtlinie 1999/31 vorgelegte Nachrüstprogramm eine Änderung oder Erweiterung der fraglichen Anlage oder des fraglichen Platzes durch Arbeiten oder Eingriffe, die den materiellen Zustand der Anlage oder des Platzes ändert, genehmigt wird, die erhebliche nachteilige Folgen für die Umwelt haben und somit ein „Projekt“ im Sinne von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 85/337 und Nr. 13 erster Gedankenstrich ihres Anhangs II darstellen kann.

36

Bei der im Rahmen dieser Prüfung vorzunehmenden Beurteilung, ob es erhebliche nachteilige Auswirkungen auf die Umwelt geben kann, ist zu berücksichtigen, dass das durch eine solche endgültige Entscheidung genehmigte Nachrüstprogramm, wie sich aus dem 26. Erwägungsgrund der Richtlinie 1999/31 ergibt, bezweckt, dass die für die Anpassung einer vorhandenen Deponie an die Bestimmungen dieser Richtlinie erforderlichen Maßnahmen erlassen werden, und diese Entscheidung somit Teil der Umweltschutzpolitik ist.

37

Daher ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass die endgültige Entscheidung über den Weiterbetrieb einer vorhandenen Deponie, die nach Art. 14 Buchst. b der Richtlinie 1999/31 auf der Grundlage eines Nachrüstprogramms ergeht, nur dann eine „Genehmigung“ im Sinne von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 85/337 darstellt, wenn mit dieser Entscheidung eine Änderung oder Erweiterung der Anlage oder des Platzes – durch Arbeiten oder Eingriffe zur Änderung des materiellen Zustands der Anlage oder des Platzes – genehmigt wird, die erhebliche nachteilige Auswirkungen auf die Umwelt im Sinne von Nr. 13 des Anhangs II der Richtlinie 85/337 haben kann und damit ein „Projekt“ im Sinne von Art. 1 Abs. 2 dieser Richtlinie darstellt.

Kosten

38

Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:

 

Die endgültige Entscheidung über den Weiterbetrieb einer vorhandenen Deponie, die nach Art. 14 Buchst. b der Richtlinie 1999/31/EG des Rates vom 26. April 1999 über Abfalldeponien auf der Grundlage eines Nachrüstprogramms ergeht, stellt nur dann eine „Genehmigung“ im Sinne von Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten in der durch die Richtlinie 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 geänderten Fassung dar, wenn mit dieser Entscheidung eine Änderung oder Erweiterung der Anlage oder des Platzes – durch Arbeiten oder Eingriffe zur Änderung des materiellen Zustands der Anlage oder des Platzes – genehmigt wird, die erhebliche nachteilige Auswirkungen auf die Umwelt im Sinne von Nr. 13 des Anhangs II der Richtlinie 85/337 haben kann und damit ein „Projekt“ im Sinne von Art. 1 Abs. 2 dieser Richtlinie darstellt.

 

Unterschriften


( *1 )   Verfahrenssprache: Französisch.

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