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Document 62010CJ0545

Urteil des Gerichtshofs (Erste Kammer) vom 11. Juli 2013.
Europäische Kommission gegen Tschechische Republik.
Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Verkehr – Richtlinie 91/440/EWG – Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft – Art. 10 Abs. 7 – Regulierungsstelle – Befugnisse – Richtlinie 2001/14/EG – Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn – Art. 4 Abs. 1 – Entgeltrahmenregelung – Art. 6 Abs. 2 – Schaffung von Anreizen für die Betreiber der Infrastruktur zur Senkung der mit der Fahrwegbereitstellung verbundenen Kosten und der Zugangsentgelte – Art. 7 Abs. 3 – Festsetzung des Entgelts für das Mindestzugangspaket und den Schienenzugang zu Serviceeinrichtungen – Kosten, die unmittelbar aufgrund des Zugbetriebs anfallen – Art. 11 – Leistungsabhängige Entgeltregelung – Art. 30 Abs. 5 – Regulierungsstelle – Befugnisse – Verwaltungsrechtsbehelf gegen die Entscheidungen der Regulierungsstelle.
Rechtssache C‑545/10.

Court reports – general

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2013:509

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)

11. Juli 2013 ( *1 )

„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats — Verkehr — Richtlinie 91/440/EWG — Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft — Art. 10 Abs. 7 — Regulierungsstelle — Befugnisse — Richtlinie 2001/14/EG — Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn — Art. 4 Abs. 1 — Entgeltrahmenregelung — Art. 6 Abs. 2 — Schaffung von Anreizen für die Betreiber der Infrastruktur zur Senkung der mit der Fahrwegbereitstellung verbundenen Kosten und der Zugangsentgelte — Art. 7 Abs. 3 — Festsetzung des Entgelts für das Mindestzugangspaket und den Schienenzugang zu Serviceeinrichtungen — Kosten, die unmittelbar aufgrund des Zugbetriebs anfallen — Art. 11 — Leistungsabhängige Entgeltregelung — Art. 30 Abs. 5 — Regulierungsstelle — Befugnisse — Verwaltungsrechtsbehelf gegen die Entscheidungen der Regulierungsstelle“

In der Rechtssache C-545/10

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 258 AEUV, eingegangen am 23. November 2010,

Europäische Kommission, vertreten durch M. Šimerdová und H. Støvlbæk als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Tschechische Republik, vertreten durch M. Smolek, T. Müller und J. Očková als Bevollmächtigte,

Beklagte,

unterstützt durch

Königreich Spanien, vertreten durch S. Centeno Huerta als Bevollmächtigte,

Streithelfer,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano, der Richter A. Borg Barthet (Berichterstatter), E. Levits und J.-J. Kasel sowie der Richterin M. Berger,

Generalanwalt: N. Jääskinen,

Kanzler: A. Impellizzeri, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 20. September 2012,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 13. Dezember 2012

folgendes

Urteil

1

Mit ihrer Klage beantragt die Europäische Kommission, festzustellen, dass die Tschechische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus

Art. 4 Abs. 1, Art. 6 Abs. 2, Art. 7 Abs. 3, Art. 11 und Art. 30 Abs. 5 der Richtlinie 2001/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2001 über die Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn und die Erhebung von Entgelten für die Nutzung von Eisenbahninfrastruktur (ABl. L 75, S. 29) in der durch die Richtlinie 2004/49/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 (ABl. L 164, S. 44) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 2001/14) und

Art. 10 Abs. 7 der Richtlinie 91/440/EWG des Rates vom 29. Juli 1991 zur Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft (ABl. L 237, S. 25) in der durch die Richtlinie 2004/51/EG des Rates vom 29. April 2004 (ABl. L 164, S. 164, und – Berichtigung – ABl. L 220, S. 58) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 91/440)

verstoßen hat, dass sie die Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die erforderlich sind, um diesen Vorschriften nachzukommen, nicht erlassen hat.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Die Richtlinie 91/440

2

Art. 10 Abs. 7 der Richtlinie 91/440 bestimmte:

„Unbeschadet der wettbewerbspolitischen Regelungen der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten und unbeschadet der hierfür zuständigen Einrichtungen überwacht die gemäß Artikel 30 der Richtlinie [2001/14] eingerichtete Regulierungsstelle oder eine andere Stelle, die über dasselbe Ausmaß an Unabhängigkeit verfügt, den Wettbewerb in den Schienenverkehrsdienstleistungsmärkten einschließlich des Eisenbahnspeditionsmarktes.

Diese Stelle wird gemäß Artikel 30 Absatz 1 der vorgenannten Richtlinie eingerichtet. Jeder Antragsteller oder interessierte Beteiligte kann Beschwerde bei dieser Stelle einlegen, wenn er glaubt, ungerecht behandelt, diskriminiert oder in anderer Weise geschädigt worden zu sein. Die Regulierungsstelle entscheidet auf der Grundlage der Beschwerde oder gegebenenfalls von sich aus ehestmöglich über geeignete Maßnahmen zur Beseitigung negativer Entwicklungen auf diesen Märkten. Damit die unerlässliche Möglichkeit einer gerichtlichen Nachprüfung und die notwendige Zusammenarbeit zwischen den einzelstaatlichen Kontrollstellen gewährleistet wird, finden in diesem Zusammenhang Artikel 30 Absatz 6 und Artikel 31 der vorgenannten Richtlinie Anwendung.“

Die Richtlinie 2001/14

3

Im elften Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/14 hieß es:

„Bei den Entgelt- und Kapazitätszuweisungsregelungen sollte allen Unternehmen ein gleicher und nichtdiskriminierender Zugang geboten werden und so weit wie möglich angestrebt werden, den Bedürfnissen aller Nutzer und Verkehrsarten gerecht und in nichtdiskriminierender Weise zu entsprechen.“

4

Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2001/14 bestimmte:

„Die Mitgliedstaaten schaffen eine Entgeltrahmenregelung, wobei die Unabhängigkeit der Geschäftsführung gemäß Artikel 4 der Richtlinie [91/440] zu wahren ist.

Vorbehaltlich der genannten Bedingung der Unabhängigkeit der Geschäftsführung legen die Mitgliedstaaten auch einzelne Entgeltregeln fest oder delegieren diese Befugnisse an den Betreiber der Infrastruktur. Die Berechnung des Wegeentgeltes und die Erhebung dieses Entgelts nimmt der Betreiber der Infrastruktur vor.“

5

Art. 6 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 2001/14 lautete:

„(2)   Den Betreibern der Infrastruktur sind unter gebührender Berücksichtigung der Sicherheit und der Aufrechterhaltung und Verbesserung der Qualität der Fahrwegbereitstellung Anreize zur Senkung der mit der Fahrwegbereitstellung verbundenen Kosten und der Zugangsentgelte zu geben.

(3)   Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass Absatz 2 entweder durch eine vertragliche Vereinbarung zwischen der zuständigen Behörde und dem Betreiber der Infrastruktur, die eine Laufzeit von mindestens drei Jahren hat und die staatliche Finanzierung regelt, oder durch geeignete aufsichtsrechtliche Maßnahmen, in deren Rahmen angemessene Befugnisse vorgesehen sind, umgesetzt wird.“

6

Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 2001/14 sah vor:

„Unbeschadet der Absätze 4 und 5 und des Artikels 8 ist das Entgelt für das Mindestzugangspaket und den Schienenzugang zu Serviceeinrichtungen in Höhe der Kosten festzulegen, die unmittelbar aufgrund des Zugbetriebs anfallen.“

7

Art. 11 der Richtlinie 2001/14 lautete:

„(1)   Die Entgeltregelungen für die Fahrwegnutzung müssen durch leistungsabhängige Bestandteile den Eisenbahnunternehmen und den Betreibern der Infrastruktur Anreize zur Minimierung von Störungen und zur Erhöhung der Leistung des Schienennetzes bieten. Dies kann Strafen für Störungen des Netzbetriebs, eine Entschädigung für von Störungen betroffene Unternehmen und eine Bonusregelung für Leistungen, die das geplante Leistungsniveau übersteigen, umfassen.

(2)   Die Grundsätze der leistungsabhängigen Entgeltregelung gelten für das gesamte Netz.“

8

Art. 30 der Richtlinie 2001/14 bestimmte:

„(1)   Unbeschadet des Artikels 21 Absatz 6 richten die Mitgliedstaaten eine Regulierungsstelle ein. Diese Stelle, bei der es sich um das für Verkehrsfragen zuständige Ministerium oder eine andere Behörde handeln kann, ist organisatorisch, bei ihren Finanzierungsbeschlüssen, rechtlich und in ihrer Entscheidungsfindung von Betreibern der Infrastruktur, entgelterhebenden Stellen, Zuweisungsstellen und Antragstellern unabhängig. …

(2)   Ist ein Antragsteller der Auffassung, ungerecht behandelt, diskriminiert oder auf andere Weise in seinen Rechten verletzt worden zu sein, so kann er die Regulierungsstelle befassen, und zwar insbesondere mit Entscheidungen des Betreibers der Infrastruktur oder gegebenenfalls des Eisenbahnunternehmens betreffend

a)

die Schienennetz-Nutzungsbedingungen,

b)

die darin enthaltenen Kriterien,

c)

das Zuweisungsverfahren und dessen Ergebnis,

d)

die Entgeltregelung,

e)

die Höhe oder Struktur der Wegeentgelte, die er zu zahlen hat oder hätte,

f)

die Zugangsvereinbarungen gemäß Artikel 10 der [Richtlinie 91/440].

(3)   Die Regulierungsstelle gewährleistet, dass die vom Betreiber der Infrastruktur festgesetzten Entgelte dem Kapitel II entsprechen und nichtdiskriminierend sind. Verhandlungen zwischen Antragstellern und einem Betreiber der Infrastruktur über die Höhe von Wegeentgelten sind nur zulässig, sofern sie unter Aufsicht der Regulierungsstelle erfolgen. Die Regulierungsstelle hat einzugreifen, wenn bei den Verhandlungen ein Verstoß gegen die Bestimmungen dieser Richtlinie droht.

(4)   Die Regulierungsstelle ist berechtigt, sachdienliche Auskünfte von dem Infrastrukturbetreiber, Antragstellern und betroffenen Dritten in dem betreffenden Mitgliedstaat einzuholen, die unverzüglich zu erteilen sind.

(5)   Die Regulierungsstelle hat über Beschwerden zu entscheiden und binnen zwei Monaten ab Erhalt aller Auskünfte Abhilfemaßnahmen zu treffen.

Ungeachtet des Absatzes 6 sind Entscheidungen der Regulierungsstelle für alle davon Betroffenen verbindlich.

Wird die Regulierungsstelle mit einer Beschwerde wegen der Verweigerung der Zuweisung von Fahrwegkapazität oder wegen der Bedingungen eines Angebots an Fahrwegkapazität befasst, entscheidet die Regulierungsstelle entweder, dass keine Änderung der Entscheidung des Betreibers der Infrastruktur erforderlich ist, oder schreibt eine Änderung dieser Entscheidung gemäß den Vorgaben der Regulierungsstelle vor.

(6)   Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um die gerichtliche Nachprüfbarkeit von Entscheidungen der Regulierungsstelle zu gewährleisten.“

Tschechisches Recht

Das Eisenbahngesetz

9

§ 34c des Gesetzes Nr. 266/1994 über die Eisenbahnen (zákon č. 266/1994 Sb., o dráhách) vom 14. Dezember 1994 in seiner auf den vorliegenden Rechtsstreit anwendbaren Fassung (im Folgenden: Eisenbahngesetz) lautet wie folgt:

„Nationale und regionale Schienennetz-Nutzungsbedingungen

(1)   Die Kapazitätszuweisungsstelle legt nach Konsultation mit dem Schienennetzbetreiber spätestens 12 Monate vor dem Inkrafttreten des Netzfahrplans die Schienennetz-Nutzungsbedingungen fest und veröffentlicht sie im Veröffentlichungsblatt für Transport und Entgelte.

(2)   Die Schienennetz-Nutzungsbedingungen müssen folgende Angaben enthalten:

f)

die Voraussetzungen für die Entziehung von Fahrwegkapazitäten, die zugewiesen, aber nicht oder nur zum Teil genutzt werden, einschließlich der Angaben über die Wegeentgelte für zugewiesene und nicht genutzte Transportkapazitäten,

g)

Angaben über die Entgeltregelung für die Zuweisung von Fahrwegkapazität und über die Festlegung der Entgelte für die Benutzung der Fahrwege,

…“

10

§ 34g des Eisenbahngesetzes bestimmt:

„(1)   Eine Person, die die Zuweisung von Fahrwegkapazität beantragt, kann beim Eisenbahnamt binnen einer Frist von 15 Tagen ab der Veröffentlichung der Schienennetz-Nutzungsbedingungen deren Prüfung, einschließlich der Prüfung der darin enthaltenen Kriterien, beantragen.

(2)   Ein Antragsteller, dessen Antrag von der Zuweisungsstelle im Verfahren nach § 34e nicht stattgegeben wurde, hat das Recht, beim Eisenbahnamt binnen einer Frist von 15 Tagen ab Zustellung der Erklärung gemäß § 34e Abs. 4 eine Prüfung des Verfahrens über die Zuweisung von Fahrwegkapazität, einschließlich seiner Ergebnisse und der Art der Preisfestsetzung, zu beantragen.

(3)   Wenn das Eisenbahnamt feststellt, dass das Verfahren zur Ausarbeitung der Schienennetz-Nutzungsbedingungen und der darin enthaltenen Kriterien oder das Verfahren zur Zuweisung von Fahrwegkapazitäten, einschließlich seiner Ergebnisse und der Art der Preisfestsetzung, fehlerhaft war, entscheidet es über eine Änderung dieser Bedingungen, einschließlich der darin genannten Kriterien, oder über die Zuweisung von Fahrwegkapazitäten einschließlich der Art der Preisfestsetzung.“

11

Nach § 56 Buchst. c des Eisenbahngesetzes ist das Verkehrsministerium „in den von diesem Gesetz geregelten Bereichen die zuständige Widerspruchsbehörde in Verwaltungsverfahren gegen die Entscheidungen des Eisenbahnamts, der Eisenbahnaufsicht und der Gemeinden“.

Das Preisgesetz

12

§ 10 Abs. 2 des Gesetzes Nr. 526/1990 über die Preise (zákon č. 526/1990 Sb., o cenách) vom 27. November 1990 in seiner auf den vorliegenden Rechtsstreit anwendbaren Fassung (im Folgenden: Preisgesetz) bestimmt:

„Die Bestimmungen über die Regelung der Preise nach Abs. 1 werden vom Finanzministerium im Veröffentlichungsblatt für Preise … veröffentlicht. Der Erlass dieser Bestimmungen wird nach besonderer Rechtsvorschrift im Amtsblatt bekannt gegeben. … Eine die Preise betreffende Entscheidung gilt ab dem Tag ihrer Veröffentlichung im betreffenden Veröffentlichungsblatt und tritt am in der Entscheidung festgelegten Tag, der jedoch nicht vor dem Tag der Veröffentlichung liegen darf, in Kraft.“

13

Auf der Grundlage von § 10 Abs. 2 des Preisgesetzes erlässt das Finanzministerium eine Verfügung, die ein Verzeichnis der Waren festlegt, deren Preise geregelt sind. Das Finanzministerium veröffentlicht diese Verfügung jedes Jahr im Veröffentlichungsblatt für Preise. Die Verfügung legt den Höchstpreis für die Nutzung des inländischen Schienennetzes im Rahmen des Schienenverkehrsbetriebs, sowohl auf nationaler als auch auf regionaler Ebene, fest.

Das Gesetz über den Staatsfonds für die Verkehrsinfrastruktur

14

§ 2 des Gesetzes Nr. 104/2000 über den Staatsfonds für die Verkehrsinfrastruktur (Zákon č. 104/2000 Sb., o Státním fondu dopravní infrastruktury) vom 4. April 2000 in seiner auf den vorliegenden Rechtsstreit anwendbaren Fassung (im Folgenden: Gesetz über den Verkehrsinfrastrukturfonds) sieht vor:

„Der Fonds verwendet seine Einnahmen für die Entwicklung, den Bau, die Erhaltung und die Modernisierung von Straßen, Autobahnen, Eisenbahnstrecken und Binnenwasserstraßen im Rahmen folgender Maßnahmen:

c)

Finanzierung des Baus, der Modernisierung, der Reparatur und der Erhaltung nationaler und regionaler Eisenbahnstrecken,

f)

Gewährung von Zuschüssen für Voruntersuchungs- und Planungsarbeiten, Studien oder Gutachten, die den Bau, die Modernisierung und die Reparatur von Straßen und Autobahnen, von für den Verkehr bedeutsamen Wasserstraßen und von Bauwerken nationaler oder regionaler Eisenbahnstrecken betreffen,

…“

Das Gesetz über die Befugnisse der Behörde für den Schutz des Wettbewerbs

15

§ 2 des Gesetzes Nr. 273/1996 über die Befugnisse der Behörde für den Schutz des Wettbewerbs (zákon č. 273/1996 Sb., o působnosti Úřadu pro ochranu hospodářské soutěže) vom 11. Oktober 1996 in der auf den vorliegenden Rechtsstreit anwendbaren Fassung (im Folgenden: Gesetz über die Befugnisse der Behörde für den Schutz des Wettbewerbs) bestimmt, dass diese Behörde u. a.

„…

a)

die Voraussetzungen schafft, um den Wettbewerb zu fördern und zu schützen,

b)

die Überwachung auf dem Gebiet der Vergabe öffentlicher Aufträge wahrnimmt,

c)

andere in besonderen Gesetzen vorgesehene Befugnisse ausübt“.

Das Gesetz über den Schutz des Wettbewerbs

16

In § 1 Abs. 1 des Gesetzes Nr. 143/2001 über den Schutz des Wettbewerbs und zur Änderung einiger Gesetze (zákon č. 143/2001 Sb., o ochraně hospodářské soutěže a o změně některých zákonů) vom 4. April 2001 in der auf den vorliegenden Rechtsstreit anwendbaren Fassung (im Folgenden: Gesetz über den Wettbewerbsschutz) heißt es:

„Dieses Gesetz regelt den Schutz des Wettbewerbs auf dem Markt für Waren und Dienstleistungen … vor jeder Behinderung, Beschränkung, sonstigen Beeinträchtigung oder Gefährdung … durch

a)

Vereinbarungen zwischen Wettbewerbern,

b)

die missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung durch Wettbewerber oder

c)

einen Zusammenschluss von Wettbewerbern.“

Vorprozessuales Verfahren und Verfahren vor dem Gerichtshof

17

Am 10. Mai 2007 legte die Kommission der Tschechischen Republik einen Fragebogen vor, um sich zu vergewissern, dass diese die Richtlinien 2001/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2001 zur Änderung der Richtlinie 91/440 (ABl. L 75, S. 1), 2001/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2001 zur Änderung der Richtlinie 95/18/EG des Rates über die Erteilung von Genehmigungen an Eisenbahnunternehmen (ABl. L 75, S. 26) und 2001/14 (im Folgenden zusammen: erstes Eisenbahnpaket) ordnungsgemäß in ihr innerstaatliches Recht umgesetzt hatte. Die tschechischen Behörden beantworteten diesen Fragebogen mit Schreiben vom 11. Juli 2007.

18

Am 21. November 2007 ersuchte die Kommission um zusätzliche Auskünfte, die ihr die Tschechische Republik mit Schreiben vom 21. Dezember 2007 erteilte.

19

Am 27. Juni 2008 forderte die Kommission die Tschechische Republik auf der Grundlage der von dieser übermittelten Informationen auf, den Richtlinien 91/440 und 2001/14, insbesondere deren Bestimmungen über Wegeentgelte und die Regulierungsstelle, nachzukommen.

20

Am 26. August 2008 antwortete die Tschechische Republik auf das Mahnschreiben der Kommission.

21

Am 9. Oktober 2009 richtete die Kommission eine mit Gründen versehene Stellungnahme an die Tschechische Republik, in der sie ihr vorwarf, ihren Verpflichtungen aus Art. 4 Abs. 1, Art. 6 Abs. 2, Art. 7 Abs. 3, Art. 11 und Art. 30 Abs. 5 der Richtlinie 2001/14 sowie aus Art. 10 Abs. 7 der Richtlinie 91/440 nicht nachgekommen zu sein, und sie aufforderte, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um dieser mit Gründen versehenen Stellungnahme binnen einer Frist von zwei Monaten nach ihrem Erhalt nachzukommen.

22

Die Tschechische Republik antwortete auf diese mit Gründen versehene Stellungnahme mit Schreiben vom 8. Dezember 2009 und bestritt darin die ihr von der Kommission vorgeworfenen Verstöße.

23

Unter diesen Umständen hat die Kommission die vorliegende Klage erhoben.

24

Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 11. Juli 2011 sind die Italienische Republik und das Königreich Spanien als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Tschechischen Republik zugelassen worden. Mit Schreiben vom 22. September 2011, bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen am 30. September 2011, hat die Italienische Republik auf ihre Streithilfe verzichtet.

Zur Klage

Zur ersten Rüge: Verstoß gegen Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2001/14

Vorbringen der Parteien

25

Die Kommission macht geltend, dass die Tschechische Republik durch die Festsetzung eines Höchstbetrags für die Wegeentgelte gegen Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2001/14 verstoßen habe.

26

Nach dieser Bestimmung müsse das Recht des Mitgliedstaats, eine Entgeltrahmenregelung für die Nutzung der Eisenbahnfahrwege festzulegen, das Recht des Betreibers wahren, das Entgelt festzulegen und zu erheben.

27

Die Festsetzung eines Höchstentgelts für die Nutzung der Eisenbahnfahrwege durch jährliche Verfügung des Finanzministeriums nach § 10 Abs. 2 des Preisgesetzes gehe über die Entgeltrahmenregelung und über die Regeln hinaus, die die Mitgliedstaaten nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2001/14 festlegen dürften.

28

Die Tschechische Republik macht geltend, dass die behauptete Vertragsverletzung auf einer wörtlichen und systematischen Auslegung von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2001/14 durch die Kommission beruhe, dieser Artikel jedoch teleologisch ausgelegt werden müsse, um den Umfang der in ihm enthaltenen Verpflichtungen zu ermitteln.

29

Das Erfordernis, die negativen Auswirkungen der Monopolstellung des Betreibers der Infrastruktur zu beseitigen, sei Teil des allgemeinen Ziels der Richtlinie 2001/14, was erkläre, weshalb diese die Zuständigkeit zur Einrichtung einer Entgeltrahmenregelung oder eines Entgeltsystems den Mitgliedstaaten übertrage.

30

Insoweit führt die Tschechische Republik aus, dass die Festsetzung eines Höchstbetrags es erlaube, das von der Richtlinie 2001/14 verfolgte Ziel zu erreichen, da sich die Monopolstellung des Betreibers der Infrastruktur insbesondere in der Festsetzung eines überhöhten Entgeltbetrags äußern könne, den allein das historische Eisenbahnbeförderungsunternehmen tragen könne.

31

Außerdem bedeute die Festlegung eines Höchstbetrags nicht, dass der Betreiber der Infrastruktur nicht selbst die Höhe der Entgelte festlegen könne.

32

Das Königreich Spanien ist im Wesentlichen der Auffassung, dass die Festsetzung eines Höchstbetrags den Betreiber der Infrastruktur nicht daran hindere, das Entgelt im Einzelnen festzulegen.

Würdigung durch den Gerichtshof

33

Nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2001/14 haben die Mitgliedstaaten eine Entgeltrahmenregelung zu schaffen. Unter Wahrung der Unabhängigkeit der Geschäftsführung des Betreibers der Infrastruktur können sie auch einzelne Entgeltregeln festlegen. Nach dieser Bestimmung obliegt es Letzterem, das Entgelt für die Nutzung der Infrastruktur zu berechnen und es zu erheben.

34

Diese Bestimmung nimmt somit in Bezug auf Entgeltregelungen eine Verteilung der Zuständigkeiten zwischen den Mitgliedstaaten und dem Betreiber der Infrastruktur vor. Es ist nämlich Sache der Mitgliedstaaten, eine Entgeltrahmenregelung aufzustellen, während der Betreiber der Infrastruktur die Berechnung des Entgelts und dessen Erhebung vornimmt.

35

Damit das Ziel der Wahrung der Unabhängigkeit seiner Geschäftsführung gewährleistet wird, muss der Betreiber der Infrastruktur in dem von den Mitgliedstaaten definierten Rahmen der Entgelterhebung über einen gewissen Spielraum bei der Berechnung der Höhe der Entgelte verfügen, um hiervon als Geschäftsführungsinstrument Gebrauch machen zu können (Urteil vom 28. Februar 2013, Kommission/Spanien, C-483/10, Randnr. 49).

36

Die Festsetzung eines Höchstbetrags für die Nutzung der Eisenbahnfahrwege durch jährliche Verfügung des Finanzministeriums nach § 10 Abs. 2 des Preisgesetzes hat zur Folge, dass der Spielraum des Betreibers der Infrastruktur in einem Umfang eingeschränkt wird, der nicht mit den Zielen der Richtlinie 2001/14 vereinbar ist.

37

Es ist insbesondere darauf hinzuweisen, dass der Betreiber der Infrastruktur nach Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie auf der Grundlage der langfristigen Kosten bestimmter Investitionsvorhaben höhere Entgelte festlegen oder beibehalten können muss.

38

Folglich stehen die tschechischen Rechtsvorschriften insoweit nicht in Einklang mit Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2001/14.

39

Dieses Ergebnis kann nicht durch das Argument der Tschechischen Republik in Frage gestellt werden, es müsse verhindert werden, dass sich die Monopolstellung des Betreibers der Infrastruktur in der Festsetzung eines übermäßig hohen Entgelts äußere. Nach Art. 10 Abs. 7 der Richtlinie 91/440 ist es nämlich Sache der gemäß Art. 30 der Richtlinie 2001/14 eingerichteten Regulierungsstelle oder einer anderen Stelle, die über dasselbe Ausmaß an Unabhängigkeit verfügt, den Wettbewerb auf den Schienenverkehrsdienstleistungsmärkten zu überwachen. In der Tschechischen Republik wurde mit dieser Aufgabe die Behörde für den Schutz des Wettbewerbs betraut.

40

Demnach hat die Tschechische Republik gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2001/14 verstoßen, indem sie einen Höchstbetrag für die Wegeentgelte festgesetzt hat.

Zur zweiten Rüge: Fehlende Anreize für den Betreiber, die mit der Fahrwegbereitstellung verbundenen Kosten und die Zugangsentgelte zu senken

Vorbringen der Parteien

41

Die Kommission macht geltend, dass die Tschechische Republik dadurch gegen Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2001/14 verstoßen habe, dass sie keine Anreize für den Betreiber der Infrastruktur geschaffen habe, die mit der Fahrwegbereitstellung verbundenen Kosten und die Zugangsentgelte zu senken.

42

Die Regelung von Anreizen, die diese Bestimmung vorsehe, setze eine direkte Verbindung zwischen der Gewährung finanzieller Mittel und dem Verhalten des Betreibers der Infrastruktur in dem Sinne voraus, dass dieser eine Senkung der Kosten der Fahrwegbereitstellung oder eine Senkung der Zugangsentgelte anstreben müsse.

43

Insoweit dienten die nach dem Gesetz über den Staatsfonds für die Verkehrsinfrastruktur von diesem Fonds gewährten finanziellen Mittel zwar der Verbesserung des Zustands der Eisenbahnfahrwege, sie stellten aber keine Anreize für den Betreiber dar, die Kosten der Fahrwegbereitstellung oder die Höhe der Entgelte zu senken.

44

Die Tschechische Republik macht geltend, dass die den Mitgliedstaaten mit Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2001/14 zugewiesene Rolle, die darin bestehe, dem Betreiber der Infrastruktur Anreize zur Senkung der mit der Fahrwegbereitstellung verbundenen Kosten und der Zugangsentgelte zu geben, nicht unbedingt sei.

45

Die Mitgliedstaaten seien nämlich erst dann verpflichtet, das in dieser Bestimmung in Aussicht genommene Ziel zu verfolgen und zu erreichen, wenn ein ausreichendes Maß an Qualität und Sicherheit der Eisenbahninfrastruktur für das gesamte Netz oder einen Großteil davon verwirklicht sei.

46

In Anbetracht des derzeitigen Zustands der tschechischen Eisenbahninfrastruktur könne die Umsetzung der in Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2001/14 vorgesehenen Verpflichtung nicht zur Gänze sichergestellt werden, ohne die Sicherheit oder die Qualität der in Rede stehenden Infrastruktur zu gefährden.

47

Jedenfalls würden die Anreize nach Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2001/14 derzeit durch den Staatsfonds für die Verkehrsinfrastruktur geschaffen. Dieser übernehme nämlich über Zuschüsse, die der Staat gewähre, den Großteil der Instandhaltungskosten der Eisenbahn, so dass die Höhe der Wegeentgelte ohne diese Zuschüsse um ein Vielfaches höher wäre.

48

Das Königreich Spanien macht geltend, es sei unangemessen, die Zugangsentgelte zu senken, ohne zuvor das Eisenbahnnetz modernisiert und so die Unterhaltungskosten verringert zu haben.

49

Im Übrigen müsse die Verwirklichung von Maßnahmen zur Senkung der Kosten im Rahmen des mit Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2001/14 verfolgten Ziels erfolgen, wonach die Einnahmen und Ausgaben des Betreibers der Infrastruktur ohne staatliche Mittel ausgeglichen sein müssten.

Würdigung durch den Gerichtshof

50

Nach Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2001/14 sind den Betreibern der Infrastruktur unter gebührender Berücksichtigung der Sicherheit und der Aufrechterhaltung und Verbesserung der Qualität der Fahrwegbereitstellung Anreize zur Senkung der mit der Fahrwegbereitstellung verbundenen Kosten und der Zugangsentgelte zu geben.

51

Art. 6 Abs. 3 dieser Richtlinie sieht vor, dass die Verpflichtung aus Art. 6 Abs. 2 entweder durch eine vertragliche Vereinbarung zwischen der zuständigen Behörde und dem Betreiber der Infrastruktur, die eine Laufzeit von mehreren Jahren hat und die staatliche Finanzierung regelt, oder durch geeignete aufsichtsrechtliche Maßnahmen, in deren Rahmen angemessene Befugnisse vorgesehen sind, umgesetzt wird.

52

Was hier das Argument der Tschechischen Republik betrifft, die Eisenbahninfrastruktur sei in einem schadhaften Zustand, genügt die Feststellung, dass die Mitgliedstaaten zwar nach Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2001/14 im Rahmen der Anwendung von dessen Abs. 2 und 3 den Zustand der Fahrwege zu berücksichtigen haben, sie jedoch auch verpflichtet sind, entweder dafür zu sorgen, dass Finanzierungsvereinbarungen mit mehrjähriger Laufzeit geschlossen werden, die Anreize umfassen, oder einen rechtlichen Rahmen hierfür zu schaffen.

53

Wie nämlich der Generalanwalt in Nr. 54 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, schließt der schadhafte Zustand der Infrastruktur nicht den Erlass von Maßnahmen aus, mit denen gewährleistet werden soll, dass zum einen die mit dem Betrieb der Infrastruktur verbundenen Kosten denen einer effizient bewirtschafteten Infrastruktur entsprechen und sie zum anderen keine überflüssigen Kosten beinhalten, die auf nicht sinnvollen Ausgaben des Betreibers der Infrastruktur beruhen.

54

Dazu ist jedoch klarzustellen, dass die Wahl der zu schaffenden Anreize und insbesondere die von den Mitgliedstaaten mit diesen verfolgten konkreten Ziele nach Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2001/14 mit den Anforderungen an die Sicherheit und mit dem Maß der Qualität der Fahrwegbereitstellung vereinbar sein müssen.

55

Außerdem ist festzustellen, dass die von der Tschechischen Republik geltend gemachte staatliche Finanzierung des Betreibers der Infrastruktur, auch wenn sie geeignet ist, zu einer Senkung der Kosten der Fahrwegbereitstellung und der Höhe der Zugangsentgelte zu führen, als solche keine Anreizwirkung gegenüber diesem Betreiber hat, da diese Finanzierung keine Verpflichtung seinerseits mit sich bringt.

56

Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass die Tschechische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2001/14 verstoßen hat, dass sie keine Anreize für den Betreiber der Infrastruktur zur Senkung der Kosten der Fahrwegbereitstellung und der Höhe der Zugangsentgelte geschaffen hat.

Zur dritten Rüge: Verkennung des Begriffs „Kosten …, die unmittelbar aufgrund des Zugbetriebs anfallen“ im Sinne von Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 2001/14

Vorbringen der Parteien

57

Die Kommission macht geltend, dass in der Tschechischen Republik das Entgelt für das Mindestzugangspaket und den Schienenzugang zu Serviceeinrichtungen entgegen Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 2001/14 nicht in Höhe der Kosten festgelegt sei, die unmittelbar aufgrund des Zugbetriebs anfielen.

58

Der Begriff „Kosten …, die unmittelbar aufgrund des Zugbetriebs anfallen“ im Sinne dieser Bestimmung beziehe sich auf die Grenzkosten. Der Begriff „Grenzkosten“ entspreche nur den Kosten, die aufgrund des tatsächlichen Zugbetriebs anfielen, und nicht den Festkosten, da diese nicht je nach Betrieb des Eisenbahndiensts unterschiedlich ausfielen.

59

Die Tschechische Republik meint dagegen, da weder die Richtlinie 2001/14 noch irgendeine andere Bestimmung des Unionsrechts die Kosten aufführe, die unter den Begriff „Kosten …, die unmittelbar aufgrund des Zugbetriebs anfallen“ zu fassen seien, sei bei der Ermittlung dieser Kosten darauf abzustellen, ob es möglich sei, einen unmittelbaren Zusammenhang der jeweiligen Kosten mit dem Zugbetrieb herzustellen, also darauf, ob die Kosten tatsächlich für diesen Betrieb aufgewandt worden seien. Folglich fielen unter diesen Begriff alle Kosten, die unmittelbar mit einer Tätigkeit oder einem Gegenstand verbunden seien, ohne die oder ohne den ein Verkehr der Züge im Eisenbahnnetz nicht möglich wäre.

60

In der Tschechischen Republik sei das Verfahren zur Festsetzung der Höhe der Entgelte durch den Betreiber der Eisenbahninfrastruktur, das sich aus § 34c des Eisenbahngesetzes in Verbindung mit den von dem Betreiber nach dieser Bestimmung erlassenen Schienennetz-Nutzungsbedingungen Nr. 57822/10-OŘ über die Fahrpläne für den Zeitraum 2010/2011 (im Folgenden: Schienennetz-Nutzungsbedingungen 2010/2011) ergebe, der Garant dafür, dass in dem entsprechenden Betrag allein die unmittelbar mit dem Zugbetrieb verbundenen Kosten berücksichtigt seien. Um zu ermitteln, ob bestimmte Kosten oder eine Kategorie von Kosten unmittelbar aufgrund des Zugbetriebs anfielen, sei zu prüfen, ob diese Kosten oder diese Kategorie von Kosten durch den Betrieb einer besonderen Eisenbahnbeförderung verursacht worden seien.

61

Unter Heranziehung einer Stellungnahme der Gemeinschaft der Europäischen Bahnen (Community of European Railway and Infrastructure Companies, CER) vom Mai 2011 zur Neufassung des ersten Eisenbahnpakets macht die Tschechische Republik insbesondere geltend, dass die Kosten der Planung, der Trassenzuweisung, der Verkehrssteuerung, der Abfertigung und der Signalisierung einer Zugbewegung zu der Kategorie der Kosten gehören müssten, die unmittelbar aufgrund des Zugbetriebs anfielen.

Würdigung durch den Gerichtshof

62

Nach Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 2001/14 muss – unbeschadet von Art. 7 Abs. 4 und 5 sowie Art. 8 dieser Richtlinie – das Entgelt für das Mindestzugangspaket und den Schienenzugang zu Serviceeinrichtungen in Höhe der Kosten festgelegt werden, die unmittelbar aufgrund des Zugbetriebs anfallen.

63

Nach Ansicht der Kommission sind die „Kosten …, die unmittelbar aufgrund des Zugbetriebs anfallen“, im Sinne von Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 2001/14 als die Grenzkosten zu verstehen, die aufgrund des tatsächlichen Zugbetriebs anfallen. In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission klargestellt, dass diese Kosten im Wesentlichen den mit der Abnutzung der Schienen durch die Zugbewegungen verbundenen Kosten entsprächen. Dagegen meint die Tschechische Republik, dass die Kosten, die für die Berechnung der Höhe der Entgelte berücksichtigt werden dürften, die seien, für die sich ein unmittelbarer Kausalzusammenhang mit dem Zugbetrieb feststellen lasse, d. h. die Kosten, die für den Zugbetrieb notwendig seien.

64

Hierzu ist festzustellen, dass die Richtlinie 2001/14 keine Definition des Begriffs „Kosten …, die unmittelbar aufgrund des Zugbetriebs anfallen“ enthält und dass keine Vorschrift des Unionsrechts festlegt, welche Kosten unter diesen Begriff fallen und welche nicht.

65

Da es sich zudem um einen Begriff aus den Wirtschaftswissenschaften handelt, dessen Anwendung – wie der Generalanwalt in Nr. 75 seiner Schlussanträge ausgeführt hat – beträchtliche praktische Schwierigkeiten aufwirft, ist davon auszugehen, dass die Mitgliedstaaten beim derzeitigen Stand des Unionsrechts hinsichtlich der Umsetzung dieses Begriffs in innerstaatliches Recht und seiner dortigen Anwendung über einen gewissen Wertungsspielraum verfügen.

66

Im vorliegenden Fall ist somit zu prüfen, ob es die tschechische Regelung erlaubt, in die Berechnung des Entgelts für das Mindestzugangspaket und den Schienenzugang zu Eisenbahneinrichtungen Kosten einzubeziehen, die offenkundig nicht unmittelbar aufgrund des Zugbetriebs anfallen.

67

Nach Auffassung der Kommission geht aus dem Erlass Nr. 501/2005 über die Festlegung der vom Schienenbetreiber getragenen Kosten in Verbindung mit dem Betrieb und der Sicherstellung der Betriebsfähigkeit, der Modernisierung und der Entwicklung der Eisenbahnfahrwege (vyhláška č. 501/2005 Sb., o vymezení nákladů provozovatele dráhy spojených s provozováním a zajišťováním provozuschopnosti, modernizace a rozvoje železniční dopravní cesty) vom 8. Dezember 2005 (im Folgenden: Erlass Nr. 501/2005) hervor, dass die Gemeinkosten in die Berechnung der Entgelte einbezogen werden. Ferner werde die Höhe der Entgelte in der Tschechischen Republik auf der Grundlage eines „Kapazitätsmodells“ berechnet, das für die Aufteilung der Kosten herangezogen werde. Die Kommission ist der Ansicht, dass die Mitgliedstaaten die unmittelbar aufgrund des Zugbetriebs anfallenden Kosten nicht in dieser Weise berechnen könnten, da diese variabel seien und sich je nach dem tatsächlichen Zugbetrieb änderten.

68

Die Tschechische Republik macht demgegenüber geltend, dass der Erlass Nr. 501/2005 nur die Festsetzung der Kosten betreffe, die dem Betreiber des Schienennetzes vor dem 1. Juli 2008 entstanden seien und dass dieser Erlass keinesfalls als Grundlage für die Festsetzung der Höhe der mit der Nutzung dieser Infrastruktur verbundenen Kosten diene. Die Tschechische Republik bestreitet somit nicht, dass nach diesem Erlass Gemeinkosten in die Berechnung der vom Betreiber der Infrastruktur getragenen Kosten einfließen, macht aber geltend, dass sie bei der Berechnung der Kosten nach Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 2001/14 nicht berücksichtigt würden. Sie trägt außerdem vor, dass das Kapazitätsmodell nicht zur unmittelbaren Festlegung der Höhe der Entgelte diene, sondern nur einen der Parameter darstelle, anhand deren der Höchstpreis für die Nutzung des Schienennetzes durch einen bestimmten Zug in einem bestimmten Sektor berechnet werde.

69

Nach dem Vorbringen der Tschechischen Republik folgt das Verfahren zur Festsetzung der Entgelte aus § 34c des Eisenbahngesetzes in Verbindung mit den Schienennetz-Nutzungsbedingungen 2010/2011, nach denen die Höhe des Entgelts von der Art des Zugs, dem Gewicht des Zugs und der zurückgelegten Entfernung abhänge. Die Methode zur Berechnung des Preises für die Nutzung des Fahrwegs berücksichtige ferner die von der Kontrollbehörde festgelegten besonderen Regeln und die Entgeltrahmenregelung, die in Zugkilometern ausgedrückten Kosten des Betriebs des Dienstes, die in Bruttotonnenkilometern ausgedrückten, tatsächlich durch den Zugbetrieb verursachten unmittelbaren Kosten für die Sicherstellung der Betriebsfähigkeit des Fahrwegs sowie Mehrkosten, die unmittelbar im Zusammenhang mit der Nutzung des Fahrwegs stünden.

70

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass es nach ständiger Rechtsprechung in einem Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 258 AEUV der Kommission obliegt, das Vorliegen der gerügten Vertragsverletzung nachzuweisen. Sie muss dem Gerichtshof die erforderlichen Anhaltspunkte liefern, anhand deren er das Vorliegen dieser Vertragsverletzung prüfen kann, wobei sie sich nicht auf irgendwelche Vermutungen stützen darf (vgl. u. a. Urteile vom 28. Februar 2013, Kommission/Österreich, C-555/10, Randnr. 62, und Kommission/Deutschland, C-556/10, Randnr. 66 und die dort angeführte Rechtsprechung).

71

Im vorliegenden Fall bestreitet die Tschechische Republik, dass der Erlass Nr. 501/2005 und das Kapazitätsmodell als Grundlage für die Festsetzung der Entgelte für die Nutzung der Infrastruktur dienen, und der Kommission ist es nicht gelungen, die Begründetheit ihres diesbezüglichen Vorbringens nachzuweisen.

72

Im Übrigen ist davon auszugehen, dass die tschechische Regelung, genauer gesagt die Schienennetz-Nutzungsbedingungen 2010/2011, die Elemente enthält, anhand deren der Betreiber der Infrastruktur die Entgelte gemäß dem in Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 2001/14 genannten Erfordernis festsetzen und die Kontrollbehörde ihre Höhe überprüfen kann. Zur konkreten Anwendung dieser Elemente ist festzustellen, dass die Kommission keine konkreten Beispiele angegeben hat, die zeigten, dass die Zugangsentgelte in der Tschechischen Republik in Verkennung dieses Erfordernisses festgesetzt würden. Nach der in Randnr. 70 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung darf sich die Kommission jedoch insoweit nicht auf irgendwelche Vermutungen stützen.

73

Nach alledem ist die von der Kommission zur Begründung ihrer Klage vorgetragene dritte Rüge für unbegründet zu erklären.

Zur vierten Rüge: Fehlen einer leistungsabhängigen Entgeltregelung

Vorbringen der Parteien

74

Die Kommission vertritt die Auffassung, die Tschechische Republik habe dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 11 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2001/14 verstoßen, dass sie es unterlassen habe, eine leistungsabhängige Entgeltregelung zu schaffen, die den Eisenbahnunternehmen und dem Betreiber der Infrastruktur Anreize zur Minimierung von Störungen und zur Erhöhung der Leistung des Schienennetzes biete.

75

Die Tschechische Republik macht zunächst geltend, die Kommission habe unter Berücksichtigung des Standes der Harmonisierung auf der Ebene der Europäischen Union nicht nachgewiesen, dass die leistungsabhängige Entgeltregelung, die durch die auf der Grundlage von § 34c des Eisenbahngesetzes erlassenen Schienennetz-Nutzungsbedingungen 2010/2011 geschaffen worden sei, nicht ausreichend sei.

76

Dieser Mitgliedstaat fügt hinzu, dass § 51 Abs. 1 bis 4 und 6 bis 8 des Eisenbahngesetzes die Verhängung von Sanktionen vorsehe, wenn die auf die Sicherstellung des Netzbetriebs abzielenden Verpflichtungen missachtet würden oder Maßnahmen zur Behebung von Störungen des Betriebs nicht erlassen worden seien.

77

Schließlich gibt die Tschechische Republik in ihrer Gegenerwiderung an, § 34c Abs. 2 Buchst. k des Eisenbahngesetzes in der durch das Gesetz Nr. 134/2011 (zákon č. 134/2011 Sb., kterým se mění zákon č. 266/1994 Sb.) vom 3. Mai 2011 geänderten Fassung sehe nunmehr vor, dass die Schienennetz-Nutzungsbedingungen „ein System finanzieller Anreize für die mit der Zuweisung befasste Stelle und für das Beförderungsunternehmen zur Minimierung von Störungen der Infrastruktur und zur Erhöhung der Durchlässigkeit des Netzes für die Zwecke der Verhandlung eines Vertrags über den Zugbetrieb“ enthalten müssten, und dass „das System Geldbußen und Bonuszahlungen beinhalten kann“.

78

Das Königreich Spanien macht geltend, dass jede Maßnahme im Einzelnen zu untersuchen und zu prüfen sei, ob die Maßnahmen im Rahmen der gesamten Wegeentgeltregelung eine Minimierung von Störungen und eine Erhöhung der Leistung des Schienennetzes bewirkten, was das Ziel der Richtlinie 2001/14 sei.

Würdigung durch den Gerichtshof

79

Nach Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2001/14 müssen die Entgeltregelungen für die Fahrwegnutzung den Eisenbahnunternehmen und den Betreibern der Infrastruktur durch leistungsabhängige Bestandteile Anreize zur Minimierung von Störungen und zur Erhöhung der Leistung des Schienennetzes bieten. Diese leistungsabhängigen Bestandteile können nach dieser Vorschrift Strafen, Entschädigungen und eine Bonusregelung umfassen.

80

Daraus folgt zum einen, dass die Mitgliedstaaten in die Entgeltregelungen für die Fahrwegnutzung leistungsabhängige Bestandteile aufnehmen müssen, die sowohl den Eisenbahnunternehmen als auch dem Betreiber der Infrastruktur Anreize zur Erhöhung der Leistung des Schienennetzes bieten sollen. Was zum anderen den Typus der Anreize betrifft, die von den Mitgliedstaaten eingeführt werden können, so behalten diese die Freiheit der Wahl der konkreten Maßnahmen, die Teil der genannten Regelung werden, solange diese Maßnahmen ein kohärentes und transparentes Ganzes bilden, das als „leistungsabhängige Bestandteile“ eingestuft werden kann (Urteil Kommission/Spanien, Randnr. 64).

81

Im vorliegenden Fall können die von der Tschechischen Republik angeführten gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen nicht als ein solches Ganzes bildend angesehen werden.

82

Zu § 34c des Eisenbahngesetzes ist zunächst festzustellen, dass dieser keine Bestimmung enthält, die die Aufnahme einer leistungsabhängigen Entgeltregelung in die Schienennetz-Nutzungsbedingungen vorsieht. Hinsichtlich der Schienennetz-Nutzungsbedingungen 2010/2011 ist darauf hinzuweisen, dass nach deren Nr. 6.4 der Betreiber der Infrastruktur einem etwaigen Ersuchen eines Beförderers nachkommt, eine finanzielle Entschädigungsregelung in Form gegenseitiger Vertragsstrafen einzuführen, deren Grundsätze vertraglich festzulegen sind. Daraus folgt, dass diese Regelung, deren Anwendung der Wahl der Vertragsparteien überlassen bleibt, selbst dann, wenn sie bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist anwendbar gewesen sein sollte, lediglich fakultativen Charakter hat und daher nicht als eine vollständige und angemessene Umsetzung von Art. 11 der Richtlinie 2001/14 angesehen werden kann.

83

Sodann kann § 51 Abs. 1 bis 4 und 6 bis 8 des Eisenbahngesetzes, den die Tschechische Republik in ihrer Gegenerwiderung anführt, nicht als eine Bestimmung angesehen werden, mit der im Sinne von Art. 11 der Richtlinie 2001/14 im Rahmen der Entgeltregelung für die Fahrwegnutzung leistungsabhängige Bestandteile eingeführt werden, da sie sich darauf beschränkt, die Verhängung von Sanktionen im Fall entweder einer Missachtung der auf die Sicherstellung des Netzbetriebs abzielenden Verpflichtungen oder fehlender Maßnahmen zur Behebung von Störungen des Betriebs vorzusehen.

84

Schließlich kann bei § 2 des Gesetzes über den Verkehrsinfrastrukturfonds, soweit er lediglich die Gewährung finanzieller Mittel für die Instandhaltung oder Verbesserung des Zustands der Eisenbahninfrastruktur vorsieht, nicht davon ausgegangen werden, dass er eine Regelung einführt, die für die Eisenbahnunternehmen und den Betreiber der Infrastruktur Anreize zur Verbesserung der Netzleistungen schüfe.

85

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung das Vorliegen einer Vertragsverletzung anhand der Lage zu beurteilen ist, in der sich der Mitgliedstaat bei Ablauf der Frist befand, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzt wurde; später eingetretene Veränderungen kann der Gerichtshof nicht berücksichtigen (vgl. u. a. Urteile vom 8. November 2012, Kommission/Griechenland, C-528/10, Randnr. 26, und, in diesem Sinne, vom 28. Februar 2013, Kommission/Ungarn, C-473/10, Randnr. 96).

86

Da das Gesetz Nr. 134/2011 vom 3. Mai 2011 erlassen wurde, nachdem die von der Kommission in ihrer mit Gründen versehenen Stellungnahme vom 9. Oktober 2009 gesetzte Frist abgelaufen war, kann dieses Änderungsgesetz demnach vom Gerichtshof im Rahmen seiner Prüfung der Begründetheit der vorliegenden Vertragsverletzungsklage nicht berücksichtigt werden.

87

Nach alledem ist festzustellen, dass die Tschechische Republik bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist keine leistungsunabhängige Entgeltregelung eingeführt hatte, die den Eisenbahnunternehmen und dem Betreiber der Infrastruktur gemäß den Anforderungen von Art. 11 der Richtlinie 2001/14 Anreize zur Minimierung von Störungen und zur Erhöhung der Leistung des Schienennetzes bieten konnte.

88

Somit ist die vierte Rüge, auf die die Kommission ihre Klage stützt, begründet.

Zur fünften Rüge: Vorheriger verwaltungsrechtlicher Rechtsbehelf gegen die Entscheidungen der Regulierungsstelle und deren fehlende Befugnis, von Amts wegen tätig zu werden

Vorbringen der Parteien

89

Die Kommission macht geltend, dass Art. 30 Abs. 5 der Richtlinie 2001/14 darauf abziele, der Regulierungsstelle eine Entscheidungsfindung in völliger Unabhängigkeit und ein schnelles und wirksames Ergreifen von Maßnahmen zur Behebung eines Marktversagens zu ermöglichen. Ferner führe Art. 30 Abs. 6 nicht die Möglichkeit einer verwaltungsinternen Kontrolle der Entscheidungen der Regulierungsstelle ein, sondern sehe ausdrücklich nur die Möglichkeit einer gerichtlichen Nachprüfung vor.

90

Aus § 56 Buchst. c des Eisenbahngesetzes ergebe sich jedoch, dass die Entscheidungen des Eisenbahnamts, das die Regulierungsstelle in der Tschechischen Republik sei, entgegen Art. 30 Abs. 5 der Richtlinie 2001/14 mit einem Verwaltungsrechtsbehelf beim Verkehrsministerium angefochten werden könnten.

91

Die Kommission macht darüber hinaus geltend, Art. 30 Abs. 5 der Richtlinie 2001/14 sei dahin auszulegen, dass die Regulierungsstelle über alle in Art. 30 dieser Richtlinie genannten Angelegenheiten befinde und entsprechende Maßnahmen, insbesondere die in den Abs. 2 und 3 aufgeführten, erlasse. Aus § 34g des Eisenbahngesetzes gehe jedoch klar hervor, dass das Eisenbahnamt auf Antrag eines Antragstellers nur die Schienennetz-Nutzungsbedingungen einschließlich der Kriterien, die diese Bedingungen enthielten, und das Verfahren über die Zuweisung von Fahrwegkapazität prüfen könne. Die Kommission schließt daraus, dass dieses Amt nicht in allen in Art. 30 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 2001/14 genannten Angelegenheiten Entscheidungen oder Abhilfemaßnahmen erlassen könne, wie z. B. in Bezug auf die Höhe oder Struktur der Wegeentgelte, die ein Antragsteller im Sinne von Art. 2 Buchst. b dieser Richtlinie zu zahlen habe oder hätte, wie in Art. 30 Abs. 2 Buchst. e dieser Richtlinie vorgesehen.

92

Schließlich verlange Art. 30 Abs. 3 der Richtlinie 2001/14, dass in den dort genannten Angelegenheiten die Regulierungsstelle von Amts wegen tätig werde, während § 34g des Eisenbahngesetzes vorsehe, dass das Eisenbahnamt nur auf Antrag eines Antragstellers tätig werde.

93

Die Tschechische Republik macht erstens geltend, die Richtlinie 2001/14 schließe nicht aus, dass die Entscheidungen der Regulierungsstelle vor einer eventuellen gerichtlichen Nachprüfung zwingend der Kontrolle eines anderen unabhängigen Organs im Bereich der Exekutive unterworfen würden.

94

Insbesondere könnten aus Art. 30 Abs. 6 der Richtlinie 2001/14 keine Anforderungen an die interne Organisation des Verwaltungsverfahrens der Mitgliedstaaten abgeleitet werden; die Mitgliedstaaten seien grundsätzlich frei, ihre eigenen Verfahrensbestimmungen festzulegen.

95

Was zweitens die Zuständigkeit der Regulierungsstelle betrifft, trägt die Tschechische Republik vor, dass es in einem Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 258 AEUV der Kommission obliege, das Vorliegen der gerügten Vertragsverletzung nachzuweisen. Letztere habe in ihrer mit Gründen versehenen Stellungnahme außer Art. 30 Abs. 2 Buchst. e der Richtlinie 2001/14 keine den Umfang der Befugnisse des Eisenbahnamts betreffende Bestimmung genannt, die nicht ordnungsgemäß umgesetzt worden sei. Die Tschechische Republik gehe daher nur auf die Umsetzung von Art. 30 Abs. 2 Buchst. e der Richtlinie 2001/14 als einzigen Klagegrund ein, der entsprechend der Rechtsprechung des Gerichtshofs hinreichend genau formuliert sei.

96

Im Hinblick auf Art. 30 Abs. 2 Buchst. e der Richtlinie 2001/14 sei die Zuständigkeit des Eisenbahnamts in vollem Umfang von § 34g in Verbindung mit § 34c Abs. 2 des Eisenbahngesetzes gedeckt. Diesen Bestimmungen sei nämlich zu entnehmen, dass die Befugnisse des Eisenbahnamts die Prüfung der Höhe und der Struktur der Wegeentgelte umfassten. Wenn nun aber die Regulierungsstelle mit den erforderlichen Befugnissen ausgestattet sei, um Maßnahmen im Sinne von Art. 30 Abs. 2 Buchst. e der Richtlinie 2001/14 zu treffen, sei die logische Folge daraus, dass sie auch mit den erforderlichen Befugnissen ausgestattet sei, um das Prüfverfahren im Rahmen der staatlichen Aufsicht von Amts wegen einzuleiten.

97

In ihrer Erwiderung macht die Kommission geltend, aus § 34g des Eisenbahngesetzes gehe klar hervor, dass die Zuständigkeiten des Eisenbahnamts auf die Kontrolle der Schienennetz-Nutzungsbedingungen und des Verfahrens zur Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn beschränkt seien. Außerdem erfolge diese Kontrolle nach dieser Bestimmung aufgrund der Beschwerde eines Antragstellers, die binnen einer Frist von 15 Tagen ab Veröffentlichung der Schienennetz-Nutzungsbedingungen oder ab Zustellung der Erklärung im Sinne von § 34e Abs. 4 des Eisenbahngesetzes einzureichen sei. Folglich entsprächen die Befugnisse des Eisenbahnamts nicht den Befugnissen, die einer Regulierungsstelle nach Art. 30 Abs. 5 der Richtlinie 2001/14 übertragen werden müssten.

98

In ihrer Gegenerwiderung wendet die Tschechische Republik ein, dass die Rügen der Kommission mit Ausnahme der Rüge in Bezug auf die Zuständigkeit der Regulierungsstelle im Hinblick auf die Höhe der Entgelte für unzulässig erklärt werden müssten. Die Kommission habe nämlich in ihrer Klageschrift den Gegenstand der Rüge in gleicher Weise definiert wie in der mit Gründen versehenen Stellungnahme, und zwar dahin gehend, dass die Rüge sich nur auf den Umfang der Zuständigkeit des Eisenbahnamts im Hinblick auf die Höhe der Entgelte bezogen habe. Demgegenüber habe die Kommission in ihrer Erwiderung fünf neue Rügen in Bezug auf die Umsetzung von Art. 30 Abs. 5 der Richtlinie 2001/14 erhoben, die weder in der mit Gründen versehenen Stellungnahme noch in der Klageschrift enthalten gewesen seien, und damit gegen das Recht der Tschechischen Republik auf ein faires Verfahren verstoßen.

Würdigung durch den Gerichtshof

– Zum ersten Teil der fünften Rüge

99

Mit dem ersten Teil der fünften Rüge macht die Kommission geltend, dass nach § 56 des Eisenbahngesetzes die Entscheidungen des Eisenbahnamts Gegenstand eines Rechtsbehelfs vor dem Verkehrsministerium seien. Ein solcher vorheriger Verwaltungsrechtsbehelf stehe im Widerspruch zu Art. 30 Abs. 5 der Richtlinie 2001/14.

100

Dagegen macht die Tschechische Republik geltend, dass die Richtlinie 2001/14 bei einer Auslegung im Licht des Grundsatzes der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten einer verpflichtenden Kontrolle der Entscheidungen der Regulierungsstelle durch ein anderes Verwaltungsorgan vor einer etwaigen gerichtlichen Prüfung nicht entgegenstehe.

101

Hierzu ist zunächst festzustellen, dass Art. 30 der Richtlinie 2001/14 die Möglichkeit der Mitgliedstaaten, eine derartige vorherige Kontrolle im Verwaltungsweg einzuführen, weder ausdrücklich vorsieht noch ausdrücklich ausschließt.

102

Sodann ist darauf hinzuweisen, dass Art. 30 Abs. 1 dieser Richtlinie den Mitgliedstaaten die Verpflichtung auferlegt, eine Regulierungsstelle einzurichten, bei der es sich u. a. um das für Verkehrsfragen zuständige Ministerium handeln kann.

103

Schließlich müssen nach Art. 30 Abs. 6 die von der Regulierungsstelle nach Art. 30 Abs. 5 erlassenen Entscheidungen einer gerichtlichen Nachprüfbarkeit unterliegen.

104

Aus der Systematik der vorgenannten Bestimmungen ergibt sich, dass Art. 30 der Richtlinie 2001/14 dahin auszulegen ist, dass die von der Regulierungsstelle getroffenen Verwaltungsentscheidungen ausschließlich einer gerichtlichen Kontrolle unterliegen.

105

Mithin ist der erste Teil der fünften Rüge begründet.

– Zum zweiten Teil der fünften Rüge

106

Mit dem zweiten Teil der fünften Rüge wirft die Kommission der Tschechischen Republik vor, dem Eisenbahnamt nicht alle Befugnisse übertragen zu haben, über die die Regulierungsstelle nach Art. 30 Abs. 5 der Richtlinie 2001/14 verfügen müsse.

107

Nach Ansicht der Tschechischen Republik sind die Rügen der Kommission, abgesehen von derjenigen, die die Zuständigkeit der Regulierungsstelle in Bezug auf die Höhe der Entgelte betrifft, für unzulässig zu erklären.

108

Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass sich aus Art. 120 Buchst. c der Verfahrensordnung des Gerichtshofs und der einschlägigen Rechtsprechung ergibt, dass die Klageschrift den Streitgegenstand angeben und eine kurze Darstellung der Klagegründe enthalten muss und dass diese Angaben so klar und deutlich sein müssen, dass sie dem Beklagten die Vorbereitung seines Verteidigungsvorbringens und dem Gerichtshof die Wahrnehmung seiner Kontrollaufgabe ermöglichen. Folglich müssen sich die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Umstände, auf die eine Klage gestützt wird, zusammenhängend und verständlich unmittelbar aus der Klageschrift ergeben, und die Anträge der Klageschrift müssen eindeutig formuliert sein, damit der Gerichtshof nicht ultra petita entscheidet oder eine Rüge übergeht (vgl. u. a. Urteile vom 16. Juli 2009, Kommission/Polen, C-165/08, Slg. 2009, I-6843, Randnr. 42, und vom 14. Januar 2010, Kommission/Tschechische Republik, C-343/08, Slg. 2010, I-275, Randnr. 26).

109

Der Gerichtshof hat auch entschieden, dass eine nach Art. 258 AEUV erhobene Klage eine zusammenhängende und genaue Darstellung der Rügen enthalten muss, damit der Mitgliedstaat und der Gerichtshof die Tragweite des gerügten Verstoßes gegen das Unionsrecht richtig erfassen können, was notwendig ist, damit der betreffende Staat sich sachgerecht verteidigen und der Gerichtshof überprüfen kann, ob die behauptete Vertragsverletzung vorliegt (vgl. u. a. Urteil Kommission/Polen, Randnr. 43).

110

Im vorliegenden Fall hat die Kommission in ihrer Klageschrift im Hinblick auf die Befugnisse der Regulierungsstelle vorgetragen, Art. 30 Abs. 5 der Richtlinie 2001/14 sei dahin auszulegen, dass die Regulierungsstelle in allen Angelegenheiten nach Art. 30 und insbesondere in den in den Abs. 2 und 3 dieses Artikels genannten entscheiden und Maßnahmen treffen können müsse.

111

Allerdings hat die Kommission im Rahmen dieses Vorbringens nur die Zuständigkeit nach Art. 30 Abs. 2 Buchst. e hinsichtlich der Höhe oder Struktur der Wegeentgelte sowie die angebliche Unmöglichkeit für die Regulierungsstelle, von Amts wegen tätig zu werden, erwähnt.

112

Folglich ist der zweite Teil der fünften Rüge nur insoweit zulässig, als der geltend gemachte Verstoß gegen Art. 30 Abs. 5 der Richtlinie 2001/14 die Zuständigkeit nach Art. 30 Abs. 2 Buchst. e sowie die Befugnis der Regulierungsstelle, von Amts wegen tätig zu werden, betrifft.

113

Was als Erstes die Befugnis der Regulierungsstelle betrifft, von Amts wegen tätig zu werden, macht die Kommission geltend, § 34g des Eisenbahngesetzes sehe vor, dass das Eisenbahnamt nur auf Antrag eines Antragstellers tätig werde, wohingegen Art. 30 Abs. 3 der Richtlinie 2001/14 verlange, dass die Regulierungsstelle von Amts wegen handeln könne. Insoweit stützt sich die Kommission auf eine Auslegung von § 34g des Eisenbahngesetzes, wonach das Recht zum Handeln, dass § 34g Abs. 3 dem Eisenbahnamt zuerkenne, wie bei den Verfahren nach den Abs. 1 und 2 dieser Vorschrift davon abhängig sei, dass ein Antragsteller im Sinne von Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/14 einen entsprechenden Antrag stelle.

114

Diese Auslegung von § 34g Abs. 3 des Eisenbahngesetzes wird jedoch von der Tschechischen Republik zurückgewiesen. Dieser Mitgliedstaat führt nämlich aus, dass die staatliche Aufsicht auf dem Gebiet der Eisenbahn auf der Grundlage von § 58 Abs. 2 des Eisenbahngesetzes ausgeübt werde, wonach die Regulierungsstelle prüfe, „ob die gesetzlichen Verpflichtungen, denen der Eigentümer der Eisenbahn, der Betreiber der Eisenbahn und der Transportunternehmer unterliegen, im Rahmen des Eisenbahnbetriebs und des Bahntransports beachtet und erfüllt werden“.

115

Nach Ansicht dieses Mitgliedstaats überträgt diese Bestimmung in Verbindung mit dem Gesetz Nr. 552/1991 über die staatliche Aufsicht (zákon č. 552/1991 Sb., o státní kontrole) vom 6. Dezember 1991 in seiner auf den vorliegenden Rechtsstreit anwendbaren Fassung, das den für die Ausübung der staatlichen Aufsicht zuständigen Stellen die Befugnis überträgt, Überprüfungen durchzuführen und auf deren Grundlage ein Verfahren wegen einer Zuwiderhandlung einzuleiten, Abhilfemaßnahmen zu treffen oder Sanktionen für auf diese Weise festgestellte Ordnungswidrigkeiten zu verhängen, der Regulierungsstelle das Recht, von Amts wegen Entscheidungen nach § 34g Abs. 3 des Eisenbahngesetzes zu erlassen.

116

Hierzu ist daran zu erinnern, dass es nach ständiger Rechtsprechung in einem Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 258 AEUV der Kommission obliegt, das Vorliegen der gerügten Vertragsverletzung nachzuweisen. Sie muss dem Gerichtshof die erforderlichen Anhaltspunkte liefern, anhand deren er das Vorliegen der Vertragsverletzung prüfen kann, wobei sie sich nicht auf irgendwelche Vermutungen stützen kann (vgl. u. a. Urteile Kommission/Österreich, Randnr. 62, und Kommission/Deutschland, Randnr. 66).

117

Im vorliegenden Fall wird die von der Kommission vertretene Auslegung von § 34g Abs. 3 des Eisenbahngesetzes von der Tschechischen Republik zurückgewiesen, die sich auf Bestimmungen allgemeineren Inhalts bezieht, die für eine gegenteilige Auslegung sprechen.

118

Die Kommission hat die Fehlerhaftigkeit der von der Tschechischen Republik vertretenen Auslegung der nationalen Regelung nicht nachgewiesen. Somit ist davon auszugehen, dass ihr nicht der Nachweis gelungen ist, dass ihr Vorbringen, das Eisenbahnamt habe nicht die Befugnis, von Amts wegen tätig zu werden, begründet ist.

119

Was als Zweites die Zuständigkeit nach Art. 30 Abs. 2 Buchst. e der Richtlinie 2001/14 betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass die Tschechische Republik zum einen geltend macht, nach § 34g Abs. 1 und 3 in Verbindung mit § 34c Abs. 2 des Eisenbahngesetzes sei das Eisenbahnamt ermächtigt, im Rahmen der Prüfung der in den Schienennetz-Nutzungsbedingungen festgelegten Kriterien die Angaben über das Entgelt für die Zuweisung von Fahrwegkapazität und die Festlegung der Entgelte für die Benutzung der Fahrwege zu prüfen. Zum anderen stütze sich die Prüfung der Höhe der Wegeentgelte, die ein bestimmtes Transportunternehmen zu zahlen habe, auf § 34g Abs. 2 und 3 dieses Gesetzes. Nach diesen Bestimmungen sei das Eisenbahnamt ermächtigt, das Verfahren zur Zuweisung von Fahrwegkapazitäten zu prüfen, wozu nach den ausdrücklichen Bestimmungen des Gesetzes zwingend die Festlegung der genauen Höhe des Entgelts für den Zugang zur Infrastruktur gehöre.

120

Außerdem seien die Kriterien für die Schienennetz-Nutzungsbedingungen in § 34c Abs. 2 des Eisenbahngesetzes festgelegt. Zu diesen zählten u. a. Angaben über die Entgeltregelung für die Zuweisung von Fahrwegkapazität und über die Festlegung der Entgelte für die Benutzung der Fahrwege.

121

Wie die Tschechische Republik zu Recht geltend gemacht hat, sind die Angaben über die Entgeltregelung für die Zuweisung von Fahrwegkapazität und über die Festlegung der Entgelte für die Benutzung der Fahrwege nur eine andere Form der Bezeichnung für die Höhe der Wegeentgelte, die in Rechnung gestellt werden oder werden könnten. Ebenso umfasst die Art der Preisfestsetzung nach § 34g des Eisenbahngesetzes, deren Prüfung der Regulierungsstelle obliegt, die Struktur der Wegeentgelte.

122

Da somit die Regulierungsstelle die Befugnis hat, Entscheidungen über die Änderung der Schienennetz-Nutzungsbedingungen einschließlich der darin enthaltenen Kriterien oder über die Zuweisung von Fahrwegkapazitäten sowie insbesondere über die Art der Preisfestsetzung zu erlassen, scheinen die von der Tschechischen Republik angeführten Bestimmungen auf den ersten Blick gemessen an den Anforderungen von Art. 30 Abs. 2 Buchst. e der Richtlinie 2001/14 nicht unzureichend.

123

Nach der in Randnr. 70 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung obliegt es in einem Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 258 AEUV der Kommission, das Vorliegen der gerügten Vertragsverletzung nachzuweisen. Sie muss dem Gerichtshof die erforderlichen Anhaltspunkte liefern, anhand deren er das Vorliegen der Vertragsverletzung prüfen kann, wobei sie sich nicht auf irgendwelche Vermutungen stützen kann.

124

Im vorliegenden Fall ist indessen festzustellen, dass der Kommission nicht der Nachweis gelungen ist, dass ihr Vorbringen zu den Zuständigkeiten der Regulierungsstelle in Bezug auf die Höhe oder die Struktur der Wegeentgelte begründet ist.

125

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission die Rüge betreffend die in § 34g des Eisenbahngesetzes vorgesehene Frist von 15 Tagen für die Einreichung einer Beschwerde zum ersten Mal in ihrer Erwiderung vorgetragen hat. Da der Gegenstand einer Klage nach Art. 258 AEUV durch das in dieser Bestimmung vorgesehene vorprozessuale Verfahren eingegrenzt wird, muss die Klage auf die gleichen Gründe und das gleiche Vorbringen gestützt sein wie die mit Gründen versehene Stellungnahme, so dass eine Rüge, die nicht in der mit Gründen versehenen Stellungnahme erhoben wurde, im Verfahren vor dem Gerichtshof unzulässig ist (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteil vom 9. Februar 2006, Kommission/Vereinigtes Königreich, C-305/03, Slg. 2006, I-1213, Randnr. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung). Diese Rüge ist daher unzulässig.

126

Unter Berücksichtigung des Vorstehenden ist festzustellen, dass die Tschechische Republik gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 30 Abs. 5 der Richtlinie 2001/14 verstoßen hat, indem sie vorgesehen hat, dass die Entscheidungen der Regulierungsstelle einem vorherigen Verwaltungsrechtsbehelf unterliegen.

Zur sechsten Rüge: Fehlen der Stelle nach Art. 10 Abs. 7 der Richtlinie 91/440

Vorbringen der Parteien

127

Die Kommission ist der Auffassung, dass die Tschechische Republik gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 10 Abs. 7 der Richtlinie 91/440 verstoßen habe, da es in der Tschechischen Republik keine Stelle im Sinne dieser Bestimmung gebe, die die darin vorgesehenen Aufgaben wahrnehme.

128

Aus Art. 10 Abs. 7 Unterabs. 1 der Richtlinie 91/440 gehe hervor, dass die Überwachung des Wettbewerbs auf den Schienenverkehrsdienstleistungsmärkten entweder der gemäß Art. 30 der Richtlinie 2001/14 eingerichteten Regulierungsstelle oder einer anderen Stelle, die über dasselbe Ausmaß an Unabhängigkeit verfüge, übertragen werden könne. Im einen wie im anderen Fall müsse die fragliche Stelle die Anforderungen nach Art. 10 Abs. 7 Unterabs. 2 der Richtlinie 91/440 erfüllen, also nach den in Art. 30 Abs. 1 der Richtlinie 2001/14 vorgesehenen Regeln eingerichtet worden sein, Beschwerden der Antragsteller behandeln und auf der Grundlage einer Beschwerde oder von sich aus über geeignete Maßnahmen zur Beseitigung negativer Entwicklungen auf den Märkten entscheiden.

129

Insoweit weist die Kommission darauf hin, dass in der Tschechischen Republik der Wettbewerb von der Behörde für den Schutz des Wettbewerbs überwacht werde, deren Befugnisse im Gesetz über die Zuständigkeiten der Behörde für den Schutz des Wettbewerbs festgelegt seien.

130

Aus den tschechischen Bestimmungen gehe hervor, dass die Zuständigkeit dieser Behörde auf Fragen beschränkt sei, die unmittelbar mit dem Wettbewerb auf dem Schienenverkehrsdienstleistungsmarkt verbunden seien. Die Kommission schließt daraus, dass sie nicht all die Aufgaben wahrnehme, die sie nach Art. 10 Abs. 7 Unterabs. 2 der Richtlinie 91/440 wahrnehmen müsste, so dass sie nicht als Stelle angesehen werden könne, die die in dieser Bestimmung aufgeführten Aufgaben erfülle. Insbesondere könne die Behörde für den Schutz des Wettbewerbs nicht über sämtliche Beschwerden von Antragstellern entscheiden, die glaubten, ungerecht behandelt, diskriminiert oder in anderer Weise geschädigt worden zu sein, und sie könne nicht auf der Grundlage einer Beschwerde oder von sich aus über geeignete Maßnahmen zur Beseitigung negativer Entwicklungen auf den Schienenverkehrsdienstleistungsmärkten entscheiden.

131

Die Tschechische Republik macht geltend, dass dieser Klagegrund für unzulässig zu erklären sei. Die Kommission habe nämlich diese Rüge eines Verstoßes gegen Art. 10 Abs. 7 der Richtlinie 91/440 erstmals in der Klageschrift erhoben, so dass sie ihr die Möglichkeit genommen habe, in der Phase vor der Klageerhebung auf diese Kritik sachdienlich zu antworten.

Würdigung durch den Gerichtshof

132

Vorab ist daran zu erinnern, dass der Gegenstand einer nach Art. 258 AEUV erhobenen Klage durch das in dieser Vorschrift vorgesehene vorprozessuale Verfahren eingegrenzt wird. Folglich muss die Klage der Kommission auf dieselben Rügen gestützt werden wie die mit Gründen versehene Stellungnahme (vgl. Urteil vom 15. Juni 2010, Kommission/Spanien, C-211/08, Slg. 2010, I-5267, Randnr. 33).

133

Im vorliegenden Fall ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission der Tschechischen Republik in ihrer mit Gründen versehenen Stellungnahme vorgeworfen hat, sie sei ihren Verpflichtungen aus Art. 10 Abs. 7 der Richtlinie 91/440 deshalb nicht nachgekommen, weil die Richtlinien 91/440 und 2001/14 es nicht erlaubten, dass die in dieser Vorschrift und in Art. 30 der Richtlinie 2001/14 genannten Aufgaben auf mehrere Stellen verteilt würden. Die Kommission hat der Tschechischen Republik auch vorgeworfen, dass die Behörde für den Schutz des Wettbewerbs nicht mit den in Art. 30 der Richtlinie 2001/14 vorgesehenen Befugnissen wie der Kontrolle der vom Betreiber der Eisenbahninfrastruktur festgelegten Schienennetz-Nutzungsbedingungen oder der Entgeltregelungen ausgestattet sei, sondern allein für klassische Wettbewerbsverstöße zuständig sei.

134

Im Rahmen ihrer Klageschrift wirft die Kommission der Tschechischen Republik vor, die Behörde für den Schutz des Wettbewerbs nicht mit den Befugnissen ausgestattet zu haben, die für die Wahrnehmung der Aufgaben nach Art. 10 Abs. 7 Unterabs. 2 der Richtlinie 91/440 erforderlich seien.

135

Folglich ist die sechste Rüge der Kommission für unzulässig zu erklären, da sie im vorprozessualen Verfahren nicht erhoben wurde.

136

Nach alledem ist zum einen festzustellen, dass die Tschechische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 4 Abs. 1, Art. 6 Abs. 2, Art. 11 und Art. 30 Abs. 5 der Richtlinie 2001/14 verstoßen hat, dass sie nicht die Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen hat, die erforderlich sind, um diesen Bestimmungen nachzukommen, und zum anderen die Klage im Übrigen abzuweisen.

Kosten

137

Nach Art. 138 Abs. 3 der Verfahrensordnung trägt, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, jede Partei ihre eigenen Kosten. Da die Kommission und die Tschechische Republik jeweils teils obsiegt haben, teils unterlegen sind, ist zu entscheiden, dass sie jeweils ihre eigenen Kosten tragen.

138

Gemäß Art. 140 Abs. 1 der Verfahrensordnung, wonach die Mitgliedstaaten, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten tragen, trägt das Königreich Spanien seine eigenen Kosten.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Die Tschechische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 4 Abs. 1, Art. 6 Abs. 2, Art. 11 und Art. 30 Abs. 5 der Richtlinie 2001/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2001 über die Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn und die Erhebung von Entgelten für die Nutzung von Eisenbahninfrastruktur in der durch die Richtlinie 2004/49/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 geänderten Fassung verstoßen, dass sie nicht die Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen hat, die erforderlich sind, um diesen Bestimmungen nachzukommen.

 

2.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

 

3.

Die Europäische Kommission, die Tschechische Republik und das Königreich Spanien tragen ihre eigenen Kosten.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Tschechisch.

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