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Document 62010CJ0281

Urteil des Gerichtshofes (Vierte Kammer) vom 20. Oktober 2011.
PepsiCo, Inc. gegen Grupo Promer Mon Graphic SA.
Rechtsmittel - Verordnung (EG) Nr. 6/2002 - Art. 5, 6, 10 und 25 Abs. 1 Buchst. d - Gemeinschaftsgeschmacksmuster - Gemeinschaftsgeschmacksmuster, das einen runden Werbeträger wiedergibt - Älteres Gemeinschaftsgeschmacksmuster - Unterschiedlicher Gesamteindruck - Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers - Informierter Benutzer - Umfang der gerichtlichen Nachprüfung - Verfälschung von Tatsachen.
Rechtssache C-281/10 P.

Sammlung der Rechtsprechung 2011 I-10153

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2011:679

Rechtssache C‑281/10 P

PepsiCo Inc.

gegen

Grupo Promer Mon Graphic SA

„Rechtsmittel – Verordnung (EG) Nr. 6/2002 – Art. 5, 6, 10 und 25 Abs. 1 Buchst. d – Gemeinschaftsgeschmacksmuster – Gemeinschaftsgeschmacksmuster, das einen runden Werbeträger wiedergibt – Älteres Gemeinschaftsgeschmacksmuster – Unterschiedlicher Gesamteindruck – Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers – Informierter Benutzer – Umfang der gerichtlichen Nachprüfung – Verfälschung von Tatsachen“

Leitsätze des Urteils

1.        Gemeinschaftsgeschmacksmuster – Nichtigkeitsgründe – Kollision mit einem älteren Geschmacksmuster – Geschmacksmuster, das beim informierten Benutzer keinen anderen Gesamteindruck als das ältere Geschmacksmuster erweckt – Informierter Benutzer – Begriff

(Verordnung Nr. 6/2002 des Rates, Art. 6 Abs. 1, 10 Abs. 1 und 25 Abs. 1 Buchst. d)

2.        Gemeinschaftsgeschmacksmuster – Beschwerdeverfahren – Klage beim Gemeinschaftsrichter – Zuständigkeit des Gerichts – Offensichtliche Beurteilungsfehler – Ermessensspielraum des Amts

(Verordnung Nr. 6/2002 des Rates, Art. 61)

1.        Der Begriff des informierten Benutzers ist als Begriff zu verstehen, der zwischen dem im Markenbereich anwendbaren Begriff des Durchschnittsverbrauchers, von dem keine speziellen Kenntnisse erwartet werden und der im Allgemeinen keinen direkten Vergleich zwischen den einander gegenüberstehenden Marken anstellt, und dem des Fachmanns als Sachkundigen mit profunden technischen Fertigkeiten liegt. Somit kann der Begriff des informierten Benutzers als Bezeichnung eines Benutzers verstanden werden, dem keine durchschnittliche Aufmerksamkeit, sondern eine besondere Wachsamkeit eigen ist, sei es wegen seiner persönlichen Erfahrung oder seiner umfangreichen Kenntnisse in dem betreffenden Bereich.

Die Natur des informierten Benutzers an sich bedingt es, dass er, soweit möglich, einen direkten Vergleich der fraglichen Geschmacksmuster vornimmt. Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass ein solcher Vergleich im betreffenden Bereich undurchführbar oder ungewöhnlich ist, insbesondere wegen spezieller Umstände oder der Merkmale der Gegenstände, die die Geschmacksmuster darstellen. Mangels eines entsprechenden konkreten Hinweises im Rahmen der Verordnung Nr. 6/2002 über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster kann nicht angenommen werden, dass der Unionsgesetzgeber die Beurteilung von Geschmacksmustern auf einen direkten Vergleich beschränken wollte.

Was den Grad der Aufmerksamkeit des informierten Benutzers betrifft, ist dieser zwar nicht der durchschnittlich informierte, aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher, der ein Geschmacksmuster in der Regel als Ganzes wahrnimmt und nicht auf die verschiedenen Einzelheiten achtet, aber auch kein Sachkundiger oder Fachmann, der minimale Unterschiede, die zwischen den einander gegenüberstehenden Geschmacksmustern bestehen können, im Detail feststellen kann. Somit setzt die Bezeichnung „informiert“ voraus, dass der Benutzer, ohne dass er ein Entwerfer oder technischer Sachverständiger wäre, verschiedene Geschmacksmuster kennt, die es in dem betroffenen Wirtschaftsbereich gibt, dass er gewisse Kenntnisse in Bezug auf die Elemente besitzt, die diese Geschmacksmuster für gewöhnlich aufweisen, und dass er diese Produkte aufgrund seines Interesses an ihnen mit vergleichsweise großer Aufmerksamkeit benutzt.

(vgl. Randnrn. 53, 55, 57, 59)

2.        Das Gericht ist im Rahmen einer gegen eine Entscheidung des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) gerichteten Aufhebungsklage dafür zuständig, die vom Amt vorgenommene Beurteilung der vom Antragsteller vorgebrachten Angaben einer vollen Rechtmäßigkeitsprüfung zu unterziehen.

Was den Umfang der gerichtlichen Nachprüfung betrifft, kann das Gericht dem Amt einen gewissen Ermessensspielraum einräumen, insbesondere wenn das Amt hochtechnische Beurteilungen vorzunehmen hat, und sich in Bezug auf den Umfang seiner Prüfung von Entscheidungen der Beschwerdekammer im Bereich der gewerblichen Geschmacksmuster auf die Prüfung offensichtlicher Beurteilungsfehler beschränken.

(vgl. Randnrn. 66-67)







URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer)

20. Oktober 2011(*)

„Rechtsmittel – Verordnung (EG) Nr. 6/2002 – Art. 5, 6, 10 und 25 Abs. 1 Buchst. d – Gemeinschaftsgeschmacksmuster – Gemeinschaftsgeschmacksmuster, das einen runden Werbeträger wiedergibt – Älteres Gemeinschaftsgeschmacksmuster – Unterschiedlicher Gesamteindruck – Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers – Informierter Benutzer – Umfang der gerichtlichen Nachprüfung – Verfälschung von Tatsachen“

In der Rechtssache C‑281/10 P

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 3. Juni 2010,

PepsiCo, Inc. mit Sitz in New York (Vereinigte Staaten), Prozessbevollmächtigte: E. Armijo Chávarri, abogado, und Rechtsanwältin V. von Bomhard,

Rechtsmittelführerin,

andere Verfahrensbeteiligte:

Grupo Promer Mon Graphic, SA mit Sitz in Sabadell (Spanien), Prozessbevollmächtigte: R. Almaraz Palmero, abogada,

Klägerin im ersten Rechtszug,

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM), vertreten durch A. Folliard-Monguiral als Bevollmächtigten,

Beklagter im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.‑C. Bonichot, der Richter K. Schiemann und L. Bay Larsen, der Richterin C. Toader (Berichterstatterin) und des Richters E. Jarašiūnas,

Generalanwalt: P. Mengozzi,

Kanzler: A. Impellizzeri, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 10. März 2011,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 12. Mai 2011

folgendes

Urteil

1        Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die PepsiCo, Inc. (im Folgenden: PepsiCo) die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 18. März 2010, Grupo Promer Mon Graphic/HABM – PepsiCo (Wiedergabe eines runden Werbeträgers) (T‑9/07, Slg. 2010, II‑0000, im Folgenden: angefochtenes Urteil), mit dem der Klage der Grupo Promer Mon Graphic SA (im Folgenden: Grupo Promer) auf Aufhebung der Entscheidung der Dritten Beschwerdekammer des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) vom 27. Oktober 2006 (Sache R 1001/2005‑3) zu einem Nichtigkeitsverfahren zwischen der Grupo Promer und PepsiCo (im Folgenden: streitige Entscheidung) stattgegeben wurde.

 Rechtlicher Rahmen

2        Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 6/2002 des Rates vom 12. Dezember 2001 über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster (ABl. 2002, L 3, S. 1) bestimmt:

„(1)      Ein Geschmacksmuster wird durch ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster geschützt, soweit es neu ist und Eigenart hat.

…“

3        Art. 5 der Verordnung Nr. 6/2002 lautet:

„(1)      Ein Geschmacksmuster gilt als neu, wenn der Öffentlichkeit:

a)      im Fall nicht eingetragener Gemeinschaftsgeschmacksmuster vor dem Tag, an dem das Geschmacksmuster, das geschützt werden soll, erstmals der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird,

b)      im Fall eingetragener Gemeinschaftsgeschmacksmuster vor dem Tag der Anmeldung zur Eintragung des Geschmacksmusters, das geschützt werden soll, oder, wenn eine Priorität in Anspruch genommen wird, vor dem Prioritätstag,

kein identisches Geschmacksmuster zugänglich gemacht worden ist.

(2) Geschmacksmuster gelten als identisch, wenn sich ihre Merkmale nur in unwesentlichen Einzelheiten unterscheiden.“

4        Art. 6 dieser Verordnung sieht vor:

„(1)      Ein Geschmacksmuster hat Eigenart, wenn sich der Gesamteindruck, den es beim informierten Benutzer hervorruft, von dem Gesamteindruck unterscheidet, den ein anderes Geschmacksmuster bei diesem Benutzer hervorruft, das der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist, und zwar:

a)      im Fall nicht eingetragener Gemeinschaftsgeschmacksmuster vor dem Tag, an dem das Geschmacksmuster, das geschützt werden soll, erstmals der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird,

b)      im Fall eingetragener Gemeinschaftsgeschmacksmuster vor dem Tag der Anmeldung zur Eintragung oder, wenn eine Priorität in Anspruch genommen wird, vor dem Prioritätstag.

(2)      Bei der Beurteilung der Eigenart wird der Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung des Geschmacksmusters berücksichtigt.“

5        Art. 10 der Verordnung Nr. 6/2002 bestimmt:

„(1)      Der Umfang des Schutzes aus dem Gemeinschaftsgeschmacksmuster erstreckt sich auf jedes Geschmacksmuster, das beim informierten Benutzer keinen anderen Gesamteindruck erweckt.

(2)      Bei der Beurteilung des Schutzumfangs wird der Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung seines Geschmacksmusters berücksichtigt.“

6        In Art. 25 dieser Verordnung heißt es:

„(1)      Ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster kann nur dann für nichtig erklärt werden:

b)      wenn es die Voraussetzungen der Artikel 4 bis 9 nicht erfüllt,

d)      wenn das Gemeinschaftsgeschmacksmuster mit einem älteren Geschmacksmuster kollidiert, das der Öffentlichkeit nach dem Anmeldetag oder, wenn eine Priorität in Anspruch genommen wird, nach dem Prioritätstag des Gemeinschaftsgeschmacksmusters zugänglich gemacht wurde und das seit einem vor diesem Tag liegenden Zeitpunkt durch ein eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster oder durch die Anmeldung eines solchen oder durch ein eingetragenes Geschmacksmusterrecht eines Mitgliedstaats oder durch die Anmeldung eines solchen geschützt ist,

(3)      Die Nichtigkeitsgründe gemäß Absatz 1 Buchstabe d), e) und f) kann nur der Anmelder oder Inhaber des älteren Rechts geltend machen.

…“

7        Art. 52 Abs. 1 der Verordnung Nr. 6/2002 sieht vor, dass „[v]orbehaltlich des Artikels 25 Absätze 2, 3, 4 und 5 … jede natürliche oder juristische Person sowie eine hierzu befugte Behörde beim Amt einen Antrag auf Nichtigerklärung eines eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters stellen [kann]“.

8        Art. 61 Abs. 1 bis 3 der Verordnung Nr. 6/2002 bestimmt:

„(1)      Die von den Beschwerdekammern getroffenen Entscheidungen sind mit der Klage beim Gerichtshof anfechtbar.

(2)      Die Klage kann auf die Behauptung der Unzuständigkeit, der Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften, der Verletzung des Vertrages, dieser Verordnung und einer bei ihrer Durchführung anzuwendenden Rechtsnorm oder auf Ermessensmissbrauch gestützt werden.

(3)      Der Gerichtshof kann die angefochtene Entscheidung aufheben oder abändern.“

 Vorgeschichte des Rechtsstreits und streitige Entscheidung

9        PepsiCo meldete am 9. September 2003 gemäß der Verordnung Nr. 6/2002 ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster beim HABM an. Dabei nahm sie die Priorität des am 23. Juli 2003 angemeldeten spanischen Geschmacksmusters Nr. 157156 in Anspruch, dessen Anmeldung am 16. November 2003 bekannt gemacht wurde.

10      Das Gemeinschaftsgeschmacksmuster wurde unter der Nr. 74463‑0001 für die Erzeugnisse „Werbeartikel für Spiele“ eingetragen. Es wird wie folgt wiedergegeben:

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11      Am 4. Februar 2004 reichte Grupo Promer einen Antrag auf Erklärung der Nichtigkeit des Geschmacksmusters Nr. 74463-0001 (im Folgenden: streitiges Geschmacksmuster) nach Art. 52 der Verordnung Nr. 6/2002 ein.

12      Der Antrag auf Nichtigerklärung wurde auf das unter der Nr. 53186‑0001 eingetragene Gemeinschaftsgeschmacksmuster (im Folgenden: älteres Geschmacksmuster) gestützt, dessen Anmeldetag der 17. Juli 2003 war und für das die Priorität des am 8. Juli 2003 angemeldeten spanischen Geschmacksmusters Nr. 157098 in Anspruch genommen war, dessen Anmeldung am 1. November 2003 bekannt gemacht worden war. Das ältere Geschmacksmuster ist für das Erzeugnis „Metallblech für Spiele“ eingetragen. Es wird wie folgt wiedergegeben:

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13      Als Gründe für den Antrag auf Nichtigerklärung wurden das Fehlen von Neuheit und Eigenart des streitigen Geschmacksmusters im Sinne von Art. 25 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 6/2002 und das Bestehen eines älteren Rechts im Sinne von Art. 25 Abs. 1 Buchst. d dieser Verordnung geltend gemacht.

14      Mit Entscheidung vom 20. Juni 2005 gab die Nichtigkeitsabteilung des HABM dem Antrag auf Nichtigerklärung des streitigen Geschmacksmusters nach Art. 25 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 6/2002 statt.

15      Am 18. August 2005 legte PepsiCo gemäß den Art. 55 bis 60 der Verordnung Nr. 6/2002 beim HABM Beschwerde gegen die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung ein.

16      Mit der streitigen Entscheidung hob die Dritte Beschwerdekammer des HABM (im Folgenden: Beschwerdekammer) die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung auf und wies den Antrag auf Nichtigerklärung zurück. Sie wies zunächst das Vorbringen der Klägerin hinsichtlich der Bösgläubigkeit von PepsiCo zurück und vertrat sodann im Wesentlichen die Auffassung, dass das streitige Geschmacksmuster nicht mit dem älteren Recht der Klägerin kollidiere und dass daher die Voraussetzungen des Art. 25 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 6/2002 nicht erfüllt seien.

17      Die Beschwerdekammer führte dazu aus, die mit den fraglichen Geschmacksmustern verbundenen Erzeugnisse gehörten zu einer besonderen Kategorie von Werbeartikeln, nämlich den „tazos“ oder „rappers“, so dass die Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung solcher Werbeartikel „erheblich eingeschränkt“ sei. Folglich genüge der Unterschied im Profil der fraglichen Geschmacksmuster für die Schlussfolgerung, dass sie beim informierten Benutzer einen unterschiedlichen Gesamteindruck erweckten.

 Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

18      Grupo Promer erhob mit Klageschrift, die am 9. Januar 2007 bei der Kanzlei des Gerichts einging, Klage auf Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung und Verurteilung des HABM und PepsiCo zur Tragung der Kosten.

19      Die Klägerin machte drei Klagegründe geltend, die sie erstens auf Bösgläubigkeit von PepsiCo und eine enge Auslegung der Verordnung Nr. 6/2002, zweitens auf fehlende Neuheit des streitigen Geschmacksmusters und drittens auf einen Verstoß gegen Art. 25 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 6/2002 stützt.

20      Mit dem angefochtenen Urteil hat das Gericht, nachdem es den ersten Klagegrund zurückgewiesen hatte, dem dritten Klagegrund stattgegeben und festgestellt, dass der zweite Klagegrund daher nicht mehr zu prüfen sei.

21      Der dritte Klagegrund gliederte sich in vier Teile.

22      Erstens rügte Grupo Promer die Bezeichnung der Kategorien der von den fraglichen Geschmacksmustern betroffenen Erzeugnisse als diejenige der „pogs“, „rappers“ oder „tazos“ mit der Begründung, dass es sich um verschiedene Erzeugnisse handle. Ihrer Ansicht nach hätte die Beschwerdekammer auf die allgemeine Kategorie der Werbeartikel für Spiele abstellen müssen.

23      Das Gericht ist in Randnr. 60 des angefochtenen Urteils zu dem Ergebnis gekommen, die Beschwerdekammer sei zutreffend davon ausgegangen, dass das fragliche Erzeugnis innerhalb der weitgefassten Kategorie der Werbeartikel für Spiele zu einer speziellen Kategorie gehöre, nämlich zu derjenigen der unter der Bezeichnung „pogs“, „rappers“ oder „tazos“ bekannten Spielfiguren.

24      Zweitens wendete sich Grupo Promer unter Berufung darauf, dass sich das streitige Geschmacksmuster auf die allgemeine Kategorie der Werbeartikel für Spiele beziehe, gegen die Beurteilung in der angefochtenen Entscheidung, wonach die Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung des streitigen Geschmacksmusters „erheblich eingeschränkt“ sei.

25      Das Gericht hat in Randnr. 70 des angefochtenen Urteils festgestellt, die Beschwerdekammer habe zu Recht die Ansicht vertreten, dass die Gestaltungsfreiheit des Entwerfers an dem für das streitige Geschmacksmuster in Anspruch genommenen Prioritätstag „erheblich eingeschränkt“ gewesen sei, insbesondere da der Entwerfer die gemeinsamen Merkmale der fraglichen Erzeugnisse in sein Geschmacksmuster habe einbeziehen müssen.

26      Drittens handelte es sich laut Grupo Promer bei den informierten Benutzern um Kinder im Alter von etwa 5 bis 10 Jahren und nicht um Marketingleiter, wie es in der angefochtenen Entscheidung heiße. Ein Marketingleiter in der Nahrungsmittelindustrie sei nämlich kein Endbenutzer und verfüge über größere Sachkenntnis als ein schlichter Benutzer.

27      In diesem Zusammenhang hat das Gericht den Begriff des informierten Benutzers in Randnr. 62 des angefochtenen Urteils definiert und in den Randnrn. 64 und 65 dieses Urteils erwogen, dass die Beschwerdekammer zu Recht gemeint habe, es komme unabhängig davon, ob der informierte Benutzer ein etwa 5- bis 10-jähriges Kind oder aber der Marketingleiter einer Gesellschaft sei, die Erzeugnisse herstelle, für die mit der Abgabe von „pogs“, „rappers“ oder „tazos“ geworben werde, darauf an, dass diese beiden Personengruppen das Phänomen der „rappers“ kennten.

28      Viertens riefen die fraglichen Geschmacksmuster nach Ansicht von Grupo Promer denselben Gesamteindruck hervor, da die Unterschiede in ihrem jeweiligen Profil entgegen der Beurteilung der Beschwerdekammer in der angefochtenen Entscheidung nicht offensichtlich seien, sondern ihre Feststellung besondere Aufmerksamkeit und eine genaue Betrachtung der Scheibe erfordere.

29      Zu diesem Aspekt hat das Gericht unter Berücksichtigung des Grades der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung des streitigen Geschmacksmusters ebenso wie die Beschwerdekammer ausgeführt, dass zwischen den fraglichen Geschmacksmustern bestehende Ähnlichkeiten, soweit sie gemeinsame Merkmale beträfen, für den Gesamteindruck, der beim informierten Benutzer durch diese Geschmacksmuster erweckt werde, nur geringe Bedeutung hätten. Hinzu komme, dass, je beschränkter die Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung des streitigen Geschmacksmusters sei, desto eher geringfügige Unterschiede zwischen den betreffenden Geschmacksmustern für die Erzeugung eines unterschiedlichen Gesamteindrucks beim informierten Benutzer ausreichen könnten.

30      Dann hat das Gericht in den Randnrn. 77 bis 82 des angefochtenen Urteils fünf Ähnlichkeiten zwischen den beiden einander gegenüberstehenden Geschmacksmustern geprüft. Beide bestünden aus einer nahezu flachen Scheibe und seien mit einem konzentrischen Kreis ganz nahe am Rand der Scheibe und einem konzentrischen Kreis, dessen Radius etwa ein Drittel kürzer ist als derjenige des durch den äußeren Rand der Scheibe gebildeten Kreises, versehen, bei beiden sei der gekrümmte Rand der Scheibe im Verhältnis zu dem zwischen Rand und erhabenem zentralen Teil liegenden Zwischenteil erhaben und beide seien in den jeweiligen Proportionen des erhabenen zentralen Teils und des zwischen Rand und erhabenem zentralen Teil befindlichen Zwischenteils ähnlich.

31      Das Gericht hat festgestellt, die erste Ähnlichkeit sei ein Merkmal, das den Geschmacksmustern der Erzeugnisse des fraglichen Typs gemeinsam sei, und die zweite Ähnlichkeit könne für den Entwerfer eine mit Sicherheitserfordernissen zusammenhängende Vorgabe bedeuten, und daraus geschlossen, dass diese Ähnlichkeiten im Rahmen des Gesamteindrucks, den der informierte Benutzer von den fraglichen Geschmacksmustern gewinne, seine Aufmerksamkeit nicht erwecken würden.

32      Hingegen beträfen die letzten drei Ähnlichkeiten Bestandteile, in Bezug auf die für den Entwerfer Gestaltungsfreiheit bei der Entwicklung des streitigen Geschmacksmusters bestanden habe und die folglich die Aufmerksamkeit des informierten Benutzers erwecken würden, und zwar umso mehr, als die oben liegenden Flächen im vorliegenden Fall für diesen Benutzer am sichtbarsten seien.

33      Was die Unterschiede zwischen den fraglichen Geschmacksmustern betrifft, hat das Gericht in Randnr. 83 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass das streitige Geschmacksmuster von oben betrachtet gegenüber dem älteren Geschmacksmuster zwei zusätzliche konzentrische Kreise aufweise und dass sich die beiden Geschmacksmuster insoweit im Profil unterschieden, als das streitige Geschmacksmuster stärker gewölbt sei, die Wölbung aber trotzdem sehr schwach ausgeprägt bleibe.

34      Das Gericht ist jedoch davon ausgegangen, dass die von der Beschwerdekammer festgestellten Unterschiede nicht für die Feststellung ausreichten, dass das streitige Geschmacksmuster beim informierten Benutzer einen anderen Gesamteindruck als das ältere Geschmacksmuster erwecke. Folglich hat es die streitige Entscheidung aufgehoben.

 Anträge der Verfahrensbeteiligten vor dem Gerichtshof

35      PepsiCo beantragt,

–        das angefochtene Urteil aufzuheben;

–        den Rechtsstreit unter Zurückweisung der im ersten Rechtszug gestellten Anträge endgültig zu entscheiden, hilfsweise, die Rechtssache an das Gericht zurückzuverweisen;

–        Grupo Promer die Kosten aufzuerlegen.

36      Das HABM beantragt, dem Rechtsmittel stattzugeben und Grupo Promer die Kosten aufzuerlegen.

37      Grupo Promer beantragt,

–        das Rechtsmittel als unzulässig und unbegründet zurückzuweisen;

–        PepsiCo die Kosten des Rechtsmittelverfahrens aufzuerlegen;

–        PepsiCo und dem HABM die ihr entstandene Kosten vor dem Gericht aufzuerlegen;

–        PepsiCo die Kosten des Verfahrens vor dem HABM aufzuerlegen.

 Zum Rechtsmittel

38      PepsiCo macht als einzigen Rechtsmittelgrund einen Verstoß gegen Art. 25 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 6/2002 geltend. Der Rechtsmittelgrund untergliedert sich in fünf Teile. Die ersten vier betreffen verschiedene Fehler, die das Gericht in Bezug auf die Grenzen der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers, den Begriff des informierten Benutzers und den Grad seiner Aufmerksamkeit, den Umfang der dem Gericht obliegenden gerichtlichen Nachprüfung und die Möglichkeit, die Erzeugnisse statt der fraglichen Geschmacksmuster zu vergleichen, begangen haben soll, und der letzte eine angebliche Tatsachenverfälschung.

 Zum ersten Teil des einzigen Rechtsmittelgrundes: Grenzen der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers

 Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

39      PepsiCo trägt vor, dass die drei vom Gericht dargestellten Ähnlichkeiten (zentrale Kreisform, erhabener Rand, Proportionen) auf die Funktion des fraglichen Erzeugnisses zurückzuführen seien und ihnen gemeinsame Merkmale seien, was die Gestaltungsfreiheit des Entwerfers begrenze. Das Gericht habe diese Grenzen beim Vergleich der in Rede stehenden Geschmacksmuster jedoch nicht berücksichtigt. Festzustellen, dass die fraglichen Geschmacksmuster wegen genau dieser gemeinsamen Merkmale ähnlich seien, bedeute nichts anderes, als Grupo Promer das ausschließliche Recht einzuräumen, diese gemeinsamen Merkmale zu verwerten, was dem mit Art. 25 Abs. 1 Buchst. d der Verordnung Nr. 6/2002 verfolgten Ziel nicht entspreche.

40      Das HABM macht geltend, auch wenn Merkmale wie die flache Scheibenform oder der konvexe Zentralbereich durch die Funktion oder durch Rechtsvorschriften nicht geboten seien, so seien sie doch durch Marktvorgaben bestimmt, die somit die Gestaltungsfreiheit des Entwerfers begrenzten.

41      Die Aktenstücke zeigten, dass die große Mehrheit – wenn nicht alle – „pogs“ am Prioritätstag des streitigen Geschmacksmusters eine runde zentrale Wölbung hätten. Der Grund dafür liege darin, dass „pogs“, die eine andere als eine runde zentrale Wölbung aufwiesen, nicht auf die überwiegende Mehrheit der „pogs“ mit diesem Merkmal gestapelt werden könnten.

42      Grupo Promer ist der Ansicht, dass dieser Teil des einzigen Rechtsmittelgrundes unzulässig sei, da er sich gegen im angefochtenen Urteil vorgenommene Beurteilungen tatsächlicher Art richte.

 Würdigung durch den Gerichtshof

43      Es ist zu bemerken, dass PepsiCo mit dem ersten Teil ihres einzigen Rechtsmittelgrundes dem Gericht im Wesentlichen vorwirft, dass es entschieden habe, dass die zentrale Kreisform, der erhabene Rand und die Proportionen, die bei den in Rede stehenden Geschmacksmustern ähnlich seien, nicht aus einer Begrenzung der Gestaltungsfreiheit ihres Entwerfers resultierten, obwohl diese Ähnlichkeiten in Wirklichkeit notwendig seien, damit die in Rede stehenden Erzeugnisse ihre Funktion erfüllen könnten. Dies habe das Gericht dazu gebracht, den von jedem der einander gegenüberstehenden Geschmacksmuster erzeugten Gesamteindruck falsch zu beurteilen.

44      PepsiCo möchte demnach eine vom Gericht vorgenommene Beurteilung tatsächlicher Art in Frage stellen, ohne nachzuweisen, dass eine Tatsachenverfälschung vorliegt, und ohne die Maßgeblichkeit der Gesichtspunkte in Zweifel zu ziehen, die den Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung des Geschmacksmusters bestimmen, wie sie das Gericht in Randnr. 67 des angefochtenen Urteils genannt hat, nämlich insbesondere die Vorgaben, die sich aus den durch die technische Funktion des Erzeugnisses oder eines Bestandteils des Erzeugnisses bedingten Merkmalen oder aus den auf das Erzeugnis anwendbaren gesetzlichen Vorschriften ergeben, oder die Schlussfolgerungen zu bestreiten, die das Gericht in Randnr. 72 dieses Urteils daraus gezogen hat.

45      Nach ständiger Rechtsprechung ist allein das Gericht zuständig für die Tatsachenfeststellung, sofern sich nicht aus den Prozessakten ergibt, dass seine Feststellungen tatsächlich falsch sind, und für die Würdigung der Tatsachen. Die Würdigung der Tatsachen ist, sofern der dem Gericht unterbreitete Vortrag nicht verfälscht wird, daher keine Rechtsfrage, die als solche der Kontrolle des Gerichtshofs im Rahmen eines Rechtsmittels unterliegt (Urteil vom 29. April 2004, Parlament/Ripa di Meana u. a., C‑470/00 P, Slg. 2004, I‑4167, Randnr. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).

46      Der erste Teil des einzigen Rechtsmittelgrundes ist daher unzulässig.

 Zum zweiten Teil des einzigen Rechtsmittelgrundes: Begriff des informierten Benutzers und Grad seiner Aufmerksamkeit

 Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

47      PepsiCo ist der Ansicht, das Gericht habe ungeeignete Kriterien angewandt, indem es verneint habe, dass die fraglichen Geschmacksmuster beim „informierten Benutzer“ einen unterschiedlichen Gesamteindruck erweckten. Der „informierte Benutzer“ entspreche weder dem normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher in der Definition durch das Markenrecht, noch ausschließlich dem Endabnehmer der fraglichen Erzeugnisse.

48      Zum anderen könne angenommen werden, dass der informierte Benutzer in der Lage sei, die Geschmacksmuster nebeneinander zu vergleichen, und er sich im Gegensatz zum Markenrecht nicht auf seine ungenaue Erinnerung verlassen müsse.

49      Wenn das Gericht die einschlägigen Kriterien angewandt hätte, wäre es zu dem Ergebnis gekommen, dass der informierte Benutzer die in Rede stehenden Geschmacksmuster dank der beiden markantesten Unterschiede, nämlich erstens der beiden zusätzlichen konzentrischen Kreise, die auf der Oberseite des streitigen Geschmacksmusters deutlich sichtbar seien, und zweitens der gekrümmten Form des streitigen Geschmacksmusters im Gegensatz zur vollständigen Flachheit (mit Ausnahme des hochgestellten Rands) des älteren Geschmackmusters, leicht unterscheiden könnte.

50      Außerdem beachte der informierte Benutzer nicht nur die Flächen eines Geschmacksmusters, die „am sichtbarsten sind“, und konzentriere sich auf die „leicht wahrzunehmenden“ Elemente (Randnr. 83 des angefochtenen Urteils), sondern habe auch die Gelegenheit, das Geschmacksmuster in seiner Gesamtheit unter Berücksichtigung der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers genauer zu prüfen und es mit älteren Geschmacksmustern zu vergleichen.

51      Das HABM trägt ebenfalls vor, dass der Vergleich nicht auf die ungenaue Erinnerung des informierten Benutzers zu stützen sei, sondern auf einen direkten Vergleich der Geschmacksmuster.

52      Grupo Promer meint, dass dieser Teil des einzigen Rechtsmittelgrundes auch eine Tatsachenfrage betreffe. Das Gericht habe kein das Markenrecht betreffendes Kriterium, wie die Verwechslungsgefahr zwischen den beiden einander gegenüberstehenden Geschmacksmustern, angewandt.

 Würdigung durch den Gerichtshof

53      Es ist erstens festzustellen, dass die Verordnung Nr. 6/2002 den Begriff des informierten Benutzers nicht definiert. Wie der Generalanwalt in den Nrn. 43 und 44 seiner Schlussanträge zutreffend ausgeführt hat, ist er aber als Begriff zu verstehen, der zwischen dem im Markenbereich anwendbaren Begriff des Durchschnittsverbrauchers, von dem keine speziellen Kenntnisse erwartet werden und der im Allgemeinen keinen direkten Vergleich zwischen den einander gegenüberstehenden Marken anstellt, und dem des Fachmanns als Sachkundigen mit profunden technischen Fertigkeiten liegt. Somit kann der Begriff des informierten Benutzers als Bezeichnung eines Benutzers verstanden werden, dem keine durchschnittliche Aufmerksamkeit, sondern eine besondere Wachsamkeit eigen ist, sei es wegen seiner persönlichen Erfahrung oder seiner umfangreichen Kenntnisse in dem betreffenden Bereich.

54      Es ist aber festzustellen, dass das Gericht eben diesen Zwischenbegriff in Randnr. 62 des angefochtenen Urteils herangezogen hat. Das wird im Übrigen durch die Schlussfolgerung veranschaulicht, die es daraus in Randnr. 64 des angefochtenen Urteils zieht, indem es feststellt, dass der informierte Benutzer im vorliegenden Fall ein etwa 5‑ bis 10‑jähriges Kind oder ein Marketingleiter einer Gesellschaft sein könne, die Erzeugnisse herstelle, für die durch die Abgabe von „pogs“, „rappers“ oder „tazos“ geworben werde.

55      Zweitens ist richtig, wie der Generalanwalt in den Nrn. 51 und 52 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, dass es die Natur des informierten Benutzers an sich nach der oben genannten Definition bedingt, dass er, soweit möglich, einen direkten Vergleich der fraglichen Geschmacksmuster vornimmt. Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass ein solcher Vergleich im betreffenden Bereich undurchführbar oder ungewöhnlich ist, insbesondere wegen spezieller Umstände oder der Merkmale der Gegenstände, die die Geschmacksmuster darstellen.

56      Demnach kann dem Gericht nicht vorgeworfen werden, einen Rechtsfehler begangen zu haben, indem es die Beurteilung des von den einander gegenüberstehenden Geschmacksmustern hervorgerufenen Gesamteindrucks beurteilt hat, ohne von der Prämisse auszugehen, dass ein informierter Benutzer in jedem Fall einen direkten Vergleich dieser Geschmacksmuster vornehme.

57      Dies gilt umso mehr, als mangels eines entsprechenden konkreten Hinweises im Rahmen der Verordnung Nr. 6/2002 nicht angenommen werden kann, dass der Unionsgesetzgeber die Beurteilung von Geschmacksmustern auf einen direkten Vergleich beschränken wollte.

58      Daraus folgt, dass die Formulierung des Gerichts in Randnr. 77 des angefochtenen Urteils, wonach „der informierte Benutzer diese Ähnlichkeit im Rahmen des Gesamteindrucks, den er von dem fraglichen Geschmacksmustern gewinnt, nicht wahrnehmen [wird]“, keinen Rechtsfehler des Gerichts zum Ausdruck bringt, auch wenn sie aus ihrem Kontext genommen darauf hindeuten sollte, dass das Gericht seine Begründung auf eine indirekte, auf einer ungenauen Erinnerung basierende Vergleichsmethode gestützt hat.

59      Was drittens den Grad der Aufmerksamkeit des informierten Benutzers betrifft, ist zu beachten, dass dieser zwar nicht der durchschnittlich informierte, aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher ist, der ein Geschmacksmuster in der Regel als Ganzes wahrnimmt und nicht auf die verschiedenen Einzelheiten achtet (vgl. entsprechend Urteil vom 22. Juni 1999, Lloyd Schuhfabrik Meyer, C‑342/97, Slg. 1999, I‑3819, Randnrn. 25 und 26), aber auch kein Sachkundiger oder Fachmann, der minimale Unterschiede, die zwischen den einander gegenüberstehenden Geschmacksmustern bestehen können, im Detail feststellen kann. Somit setzt die Bezeichnung „informiert“ voraus, dass der Benutzer, ohne dass er ein Entwerfer oder technischer Sachverständiger wäre, verschiedene Geschmacksmuster kennt, die es in dem betroffenen Wirtschaftsbereich gibt, dass er gewisse Kenntnisse in Bezug auf die Elemente besitzt, die diese Geschmacksmuster für gewöhnlich aufweisen, und dass er diese Produkte aufgrund seines Interesses an ihnen mit vergleichsweise großer Aufmerksamkeit benutzt.

60      Daher ist die Verwendung des Ausdrucks „leicht wahrgenommen“ in Randnr. 83 des angefochtenen Urteils in einem weiteren Kontext als ein nur punktueller Hinweis auf den bedeutenderen Wölbungsgrad im Fall des streitigen Geschmacksmusters zu verstehen. Da nämlich die Betrachtungsweise des Gerichts im Hinblick auf die Definition des informierten Benutzers richtig war, kann nicht geschlossen werden, dass die in Randnr. 83 des angefochtenen Urteils verwendeten Begriffe als solche bedeuteten, dass der Grad der Aufmerksamkeit des informierten Benutzers vom Gericht falsch beurteilt worden wäre.

61      Nach alledem ist der zweite Teil des einzigen Rechtsmittelgrundes als unbegründet zurückzuweisen.

 Zum dritten Teil des einzigen Rechtsmittelgrundes: Umfang der gerichtlichen Nachprüfung

 Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

62      PepsiCo verweist auf ein neueres Urteil des Gerichtshofs über Pflanzensorten (Urteil vom 15. April 2010, Schräder/CPVO, C‑38/09 P, Slg. 2010, I‑3209, Randnr. 77) und trägt vor, dass die akribische Prüfung der Unterschiede und Ähnlichkeiten der in Rede stehenden Geschmacksmuster, die das Gericht vorgenommen habe, über die Aufgabe des Gerichts nach Art. 61 Abs. 2 der Verordnung Nr. 6/2002 hinausgegangen sei. Demnach müsse die Frage, ob ein ähnlicher Gesamteindruck festzustellen sei, der Beurteilung durch die Beschwerdekammer überlassen werden.

63      Das HABM ist ebenfalls der Ansicht, das Gericht habe die Befugnisse nach Art. 61 der Verordnung Nr. 6/2002 über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster überschritten, indem es sich geweigert habe, die Prüfung auf offensichtliche Beurteilungsfehler zu beschränken.

64      Grupo Promer hält das Vorbringen von PepsiCo für unbegründet. Die vom Gerichtshof im Urteil Schräder/CPVO getroffenen Feststellungen hätten sich daraus ergeben, dass es sich um eine komplexe technische Prüfung gehandelt habe, während die vorliegende Rechtssache bloß die Prüfung eines Geschmacksmusters betreffe, um festzustellen, ob dem angefochtenen Geschmacksmuster die Eigenart fehle.

 Würdigung durch den Gerichtshof

65      Im vorliegenden Fall ist unstreitig, dass das Gericht im Rahmen der Aufhebung der Entscheidung der Beschwerdekammer eine eingehende Prüfung der fraglichen Geschmacksmuster vorgenommen hat.

66      In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass das Gericht dafür zuständig ist, die vom HABM vorgenommene Beurteilung der vom Antragsteller vorgebrachten Angaben einer vollen Rechtmäßigkeitsprüfung zu unterziehen (vgl. Urteil vom 5. Juli 2011, Edwin/HABM, C‑263/09 P, Slg. 2011, I‑0000, Randnr. 52).

67      Entsprechend dem Urteil Schräder/CPVO kann das Gericht dem HABM zwar einen gewissen Ermessensspielraum einräumen, insbesondere wenn das HABM hochtechnische Beurteilungen vorzunehmen hat, und sich in Bezug auf den Umfang seiner Prüfung von Entscheidungen der Beschwerdekammer im Bereich der gewerblichen Geschmacksmuster auf die Prüfung offensichtlicher Beurteilungsfehler beschränken.

68      Es ist jedoch festzustellen, dass das Gericht unter den spezifischen Umständen der vorliegenden Rechtssache nicht über eine Kontrolle der streitigen Entscheidung entsprechend seiner Abänderungsbefugnis nach Art. 61 der Verordnung Nr. 6/2000 hinausgegangen ist.

69      Folglich ist der dritte Teil des einzigen Rechtsmittelgrundes als unbegründet zurückzuweisen.

 Zum vierten Teil des einzigen Rechtsmittelgrundes: Überprüfung der Erzeugnisse statt der kollidierenden Geschmacksmuster

 Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

70      Nach Ansicht von PepsiCo ist es falsch, die Beurteilung der einander gegenüberstehenden Geschmacksmuster auf einen Vergleich von Mustern tatsächlicher Erzeugnisse zu stützen, die die Verfahrensbeteiligten zur Veranschaulichung ihres Vorbringens vorgelegt hätten. Insbesondere brauche das HABM im Rahmen ähnlicher Aufhebungsklagen keineswegs mögliche parallele oder zukünftige Klagen wegen Verletzung vorherzusehen, die auf dem gleichen älteren und dem gleichen neueren Geschmacksmuster, wie sie auf dem Markt verwendet würden, beruhten.

71      Grupo Promer weist darauf hin, dass die Produktmuster auch von der Nichtigkeitsabteilung und der Beschwerdekammer geprüft worden seien. Demnach sei die vom Gericht vorgenommene Beurteilung über alle bereits zu den Akten gereichten Beweise eine Tatsachenfrage, die keinen Rechtsmittelgrund vor dem Gerichtshof bilden könne.

 Würdigung durch den Gerichtshof

72      Das Gericht hat in Randnr. 83 des angefochtenen Urteils bekräftigt, dass seine Beurteilung des Wölbungsgrades des in Rede stehenden Geschmacksmusters „durch die tatsächlich vertriebenen Erzeugnisse, wie sie in den dem Gericht übermittelten Akten des HABM dargestellt werden, bestätigt wird“.

73      Da jedoch im Bereich der Geschmacksmuster die Person, die den Vergleich vornimmt, der informierte Benutzer ist, der sich – wie in den Randnrn. 53 und 59 des vorliegenden Urteils festgestellt – vom einfachen Durchschnittsverbraucher unterscheidet, ist es nicht falsch, bei der Beurteilung des Gesamteindrucks, den das fragliche Geschmacksmuster hervorruft, die tatsächlich vertriebenen Erzeugnisse, die diesen Geschmacksmustern entsprechen, heranzuziehen.

74      Jedenfalls geht aus der Verwendung des Verbs „bestätigen“ in Randnr. 83 des angefochtenen Urteils hervor, dass das Gericht seine Beurteilung der einander gegenüberstehenden Geschmacksmuster in Wirklichkeit auf ihre Beschreibung und Darstellung in den jeweiligen Anmeldungen zur Eintragung gestützt hat, so dass der Vergleich der tatsächlichen Erzeugnisse nur zur Veranschaulichung verwendet wurde, um die bereits getroffenen Schlussfolgerungen zu bestätigen, und nicht als Basis der Begründung des angefochtenen Urteils angesehen werden kann.

75      Der vierte Teil des einzigen Rechtsmittelgrundes ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

 Zum fünften Teil des einzigen Rechtsmittelgrundes: Tatsachenverfälschung

 Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

76      PepsiCo, unterstützt durch das HABM, rügt eine Tatsachenverfälschung durch das Gericht, da insbesondere die Annahme, der informierte Benutzer beschränkte seine Wahrnehmung des fraglichen Gegenstand auf die bloße „Draufsicht“, unrealistisch sei und im Widerspruch zur allgemeinen Erfahrung stehe. Außerdem seien die Unterschiede der in Rede stehenden Geschmacksmuster selbst bei einer Prüfung rein von oben sofort wahrnehmbar.

77      Grupo Promer trägt vor, die angebliche Tatsachenverfälschung, die gerügt werde, ohne eine Verfälschung der Würdigung der Beweismittel geltend zu machen, könne keine Grundlage für ein Rechtsmittel vor dem Gerichtshof bilden. Diese Würdigung der Tatsachen und Beweismittel sei, sofern die dem Gericht vorgelegten Beweismittel nicht verfälscht worden seien, daher keine Rechtsfrage, die als solche im Rahmen eines Rechtsmittels der Kontrolle des Gerichtshofs unterliege.

 Würdigung durch den Gerichtshof

78      Der Gerichtshof hat bereits entschieden, dass ein Rechtsmittelführer angesichts des Ausnahmecharakters einer Rüge der Tatsachenverfälschung nach Art. 256 AEUV, Art. 58 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union und Art. 112 § 1 Abs. 1 Buchst. c der Verfahrensordnung des Gerichtshofs insbesondere genau angeben muss, welche Tatsachen das Gericht verfälscht haben soll, und die Beurteilungsfehler darlegen muss, die das Gericht seines Erachtens zu dieser Verfälschung veranlasst haben (vgl. u. a. Urteil vom 7. Januar 2004, Aalborg Portland u. a./Kommission, C‑204/00 P, C‑205/00 P, C‑211/00 P, C‑213/00 P, C‑217/00 P und C‑219/00 P, Slg. 2004, I‑123, Randnr. 50).

79      Eine solche Verfälschung muss sich aus den Akten offensichtlich ergeben, ohne dass eine neue Tatsachen- und Beweiswürdigung vorgenommen werden muss (Urteil vom 18. Dezember 2008, Les Éditions Albert René/HABM, C‑16/06 P, Slg. 2008, I‑10053, Randnr. 69 und die dort angeführte Rechtsprechung).

80      Im vorliegenden Fall wirft PepsiCo dem Gericht im Wesentlichen vor, die Tatsachen verfälscht zu haben, indem es die fraglichen Geschmacksmuster bloß im Hinblick auf die Wahrnehmung ihrer „Draufsicht“ verglichen und somit die Unterschiede ignoriert habe, die offensichtlich seien, wenn sie von der Seite wahrgenommen würden. Dabei gibt PepsiCo nicht genau an, welche Beweise das Gericht verfälscht haben soll und welche Beurteilungsfehler seiner Auffassung nach das Gericht zu dieser Verfälschung veranlasst haben.

81      Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass das Vorbringen der Rechtsmittelführerin zu diesem Punkt den in der vorstehend angeführten Rechtsprechung entwickelten Anforderungen nicht genügt. Daher ist der fünfte Teil des einzigen Rechtsmittelgrundes als unzulässig zurückzuweisen.

82      Da die Rechtsmittelführerin mit allen Teilen ihres einzigen Rechtsmittelgrundes unterlegen ist, ist das Rechtsmittel insgesamt zurückzuweisen.

 Kosten

83      Nach Art. 69 § 2 der Verfahrensordnung, der gemäß ihrem Art. 118 auf das Rechtsmittelverfahren entsprechende Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da Grupo Promer die Verurteilung von PepsiCo beantragt hat und diese mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, ist sie zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1.      Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

2.      Die PepsiCo, Inc. trägt die Kosten.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Englisch.

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