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Document 62010CJ0119

Urteil des Gerichtshofes (Erste Kammer) vom 15. Dezember 2011.
Frisdranken Industrie Winters BV gegen Red Bull GmbH.
Ersuchen um Vorabentscheidung: Hoge Raad der Nederlanden - Niederlande.
Marken - Richtlinie 89/104/EWG - Art. 5 Abs. 1 Buchst. b - Abfüllen von Getränkedosen, die bereits mit einem einer Marke ähnlichen Zeichen versehen sind - Dienstleistung im Auftrag und nach den Anweisungen eines Dritten - Gerichtliches Vorgehen des Markeninhabers gegen den Dienstleistenden.
Rechtssache C-119/10.

Sammlung der Rechtsprechung 2011 -00000

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2011:837

Rechtssache C-119/10

Frisdranken Industrie Winters BV

gegen

Red Bull GmbH

(Vorabentscheidungsersuchen des Hoge Raad der Nederlanden)

„Marken – Richtlinie 89/104/EWG – Art. 5 Abs. 1 Buchst. b – Abfüllen von Getränkedosen, die bereits mit einem einer Marke ähnlichen Zeichen versehen sind – Dienstleistung im Auftrag und nach den Anweisungen eines Dritten – Gerichtliches Vorgehen des Markeninhabers gegen den Dienstleistenden“

Leitsätze des Urteils

Rechtsangleichung – Marken – Richtlinie 89/104 – Recht des Inhabers einer Marke, sich der Benutzung eines identischen oder ähnlichen Zeichens durch einen Dritten für identische oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen zu widersetzen – Benutzung der Marke im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie – Begriff

(Richtlinie 89/104 des Rates, Art. 5 Abs. 1 Buchst. b)

Art. 5 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 89/104 über die Marken ist dahin auszulegen, dass ein Dienstleistender, der im Auftrag und nach den Anweisungen eines Dritten Aufmachungen abfüllt, die der Dritte ihm zur Verfügung gestellt hat, der darauf zuvor ein Zeichen hat anbringen lassen, das mit einem als Marke geschützten Zeichen identisch oder ihm ähnlich ist, nicht selbst eine Benutzung dieses Zeichens vornimmt, die nach dieser Bestimmung verboten werden kann.

Soweit ein solcher Dienstleistender seinen Kunden die Benutzung von Marken ähnlichen Zeichen ermöglicht, kann seine Rolle nicht nach den Bestimmungen der Richtlinie 89/104, sondern muss gegebenenfalls nach anderen Rechtsvorschriften beurteilt werden.

Im Übrigen hat die Feststellung, dass der Inhaber einer Marke nicht auf der alleinigen Grundlage der Richtlinie 89/104 gegen den Dienstleistenden vorgehen kann, keineswegs zur Folge, dass es dem Kunden des Dienstleistenden ermöglicht wird, den Schutz, den der Markeninhaber nach dieser Richtlinie genießt, zu unterlaufen, indem er den Herstellungsprozess aufspaltet und seine einzelnen Bestandteile Dienstleistenden überträgt. Diese Leistungen können nämlich dem betreffenden Kunden zugerechnet werden, der somit nach der Richtlinie verantwortlich bleibt.

(vgl. Randnrn. 35-37 und Tenor)







URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)

15. Dezember 2011(*)

„Marken – Richtlinie 89/104/EWG – Art. 5 Abs. 1 Buchst. b – Abfüllen von Getränkedosen, die bereits mit einem einer Marke ähnlichen Zeichen versehen sind – Dienstleistung im Auftrag und nach den Anweisungen eines Dritten – Gerichtliches Vorgehen des Markeninhabers gegen den Dienstleistenden“

In der Rechtssache C‑119/10

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Hoge Raad der Nederlanden (Niederlande) mit Entscheidung vom 19. Februar 2010, beim Gerichtshof eingegangen am 4. März 2010, in dem Verfahren

Frisdranken Industrie Winters BV

gegen

Red Bull GmbH

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano, der Richter M. Safjan, M. Ilešič (Berichterstatter) und E. Levits sowie der Richterin M. Berger,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 10. März 2011,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der Frisdranken Industrie Winters BV, vertreten durch P. N. A. M. Claassen, advocaat,

–        der Red Bull GmbH, vertreten durch S. Klos und A. Alkema, advocaten,

–        der polnischen Regierung, vertreten durch M. Laszuk als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Nijenhuis und F. W. Bulst als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 14. April 2011

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 5 Abs. 1 und 3 der Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. 1989, L 40, S. 1).

2        Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Red Bull GmbH (im Folgenden: Red Bull) und der Frisdranken Industrie Winters BV (im Folgenden: Winters) über das Befüllen von Dosen, auf denen Zeichen angebracht sind, die Marken von Red Bull ähnlich sind, mit Erfrischungsgetränken durch Winters.

 Rechtlicher Rahmen

3        Art. 5 Abs. 1 bis 3 der Richtlinie 89/104 bestimmt:

„(1)      Die eingetragene Marke gewährt ihrem Inhaber ein ausschließliches Recht. Dieses Recht gestattet es dem Inhaber, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr

a)      ein mit der Marke identisches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die mit denjenigen identisch sind, für die sie eingetragen ist;

b)      ein Zeichen zu benutzen, wenn wegen der Identität oder der Ähnlichkeit des Zeichens mit der Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die Marke und das Zeichen erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, die die Gefahr einschließt, dass das Zeichen mit der Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird.

(2)      Die Mitgliedstaaten können ferner bestimmen, dass es dem Inhaber gestattet ist, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr ein mit der Marke identisches oder ihr ähnliches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die nicht denen ähnlich sind, für die die Marke eingetragen ist, wenn diese in dem betreffenden Mitgliedstaat bekannt ist und die Benutzung des Zeichens die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt.

(3)      Sind die Voraussetzungen der Absätze l und 2 erfüllt, so kann insbesondere verboten werden:

a)      das Zeichen auf Waren oder deren Aufmachung anzubringen;

b)      unter dem Zeichen Waren anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen oder unter dem Zeichen Dienstleistungen anzubieten oder zu erbringen;

c)      Waren unter dem Zeichen einzuführen oder auszuführen;

d)      das Zeichen in den Geschäftspapieren und in der Werbung zu benutzen.“

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

4        Red Bull stellt unter der weltweit bekannten Marke RED BULL ein Energiegetränk her und handelt damit. Diese Marke hat Red Bull mit Wirkung für u. a. die Beneluxstaaten international registrieren lassen.

5        Winters ist ein Unternehmen, dessen Haupttätigkeit im Befüllen von Dosen mit von ihr selbst oder von Dritten hergestellten Getränken besteht.

6        Die Smart Drinks Ltd (im Folgenden: Smart Drinks), eine juristische Person des Rechts der Britischen Jungferninseln, steht mit Red Bull im Wettbewerb.

7        Winters befüllte im Auftrag von Smart Drinks Dosen mit einem Erfrischungsgetränk. Zu diesem Zweck belieferte Smart Drinks Winters mit leeren Dosen und den zugehörigen Verschlusskapseln, die mit verschiedenen Zeichen, Verzierungen und Schriftzügen versehen waren. Diese Dosen trugen u. a. die Zeichen BULLFIGHTER, PITTBULL, RED HORN (später LONG HORN) und LIVE WIRE. Darüber hinaus lieferte Smart Drinks Winters den Extrakt des Erfrischungsgetränks. Winters befüllte die Dosen nach den Anweisungen und Rezepten von Smart Drinks mit einer bestimmten Menge des Extrakts, füllte sie mit Wasser und gegebenenfalls mit Kohlensäure auf und verschloss sie. Anschließend stellte sie Smart Drinks die abgefüllten Dosen wieder zur Verfügung, die diese in Staaten außerhalb des Beneluxraums ausführte.

8        Winters erbrachte nur diese Abfülldienstleistungen für Smart Drinks, ohne die abgefüllten Dosen zu ihr zu befördern. Auch die Lieferung und/oder der Verkauf der Dosen an Dritte war nicht Teil ihrer Tätigkeit.

9        Am 2. August 2006 beantragte Red Bull bei der Rechtbank ‘s-Hertogenbosch im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, Winters zu verurteilen, jede Benutzung von Zeichen zu unterlassen, die mit bestimmten Marken von Red Bull identisch sind oder mit ihnen gedanklich in Verbindung gebracht werden. Sie machte geltend, dass Winters durch das Abfüllen von Dosen, die mit den Zeichen BULLFIGHTER, PITTBULL, RED HORN, LONG HORN und LIVE WIRE versehen seien, ihre Markenrechte verletze. Der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Richter stellte fest, dass das Abfüllen der Dosen als Benutzung dieser Zeichen anzusehen sei, dass aber nur das Zeichen BULLFIGHTER in Verbindung mit den hierfür verwendeten Dosen mit den Marken von Red Bull identisch sei. Er verurteilte Winters daher am 26. September 2006 dazu, das Abfüllen der mit dem Zeichen BULLFIGHTER versehenen Dosen zu unterlassen.

10      Red Bull und Winters legten gegen dieses Urteil beim Gerechtshof te ’s‑Hertogenbosch Berufung bzw. Anschlussberufung ein.

11      Der Gerechtshof bestätigte die Feststellung der Rechtbank, dass das Abfüllen der Dosen durch Winters als Benutzung der von Smart Drinks auf den Dosen angebrachten Zeichen anzusehen sei. Er verwies dabei auf die Herkunftsfunktion der Marke sowie auf den Umstand, dass bei dem Warentyp, um den es gehe, nämlich Getränken, ein Zeichen nur dadurch angebracht werden könne, dass das Getränk mit einer Aufmachung verbunden werde, die bereits mit diesem Zeichen versehen sei. Indem Winters den verdünnten Extrakt und die mit den betreffenden Zeichen versehenen Dosen zum Endprodukt verbinde, bringe sie diese Zeichen auf der Ware an, auch wenn sie sie nicht auf den Dosen angebracht habe.

12      Zur Frage, ob die genannten Zeichen mit den Marken von Red Bull identisch sind, stellte der Gerechtshof fest, dass dies bei den Zeichen BULLFIGHTER, PITTBULL und LIVE WIRE der Fall sei. Bei der Bestimmung des maßgeblichen Publikums sei dabei angesichts der Art der Waren von einer breiten Öffentlichkeit und, da die von Winters für Smart Drinks verarbeiteten Produkte nicht für den Beneluxraum, sondern für Staaten außerhalb davon bestimmt seien, im abstrakten Sinne von einem durchschnittlichen Verbraucher im Beneluxraum auszugehen.

13      Mit Urteil vom 29. Januar 2008 hat der Gerechtshof daher gestützt auf die Bestimmungen des am 25. Februar 2005 in Den Haag unterzeichneten Benelux-Übereinkommens über geistiges Eigentum (Marken und Muster oder Modelle), die Art. 5 Abs. 1 Buchst. b und 2 der Richtlinie 89/104 entsprechen, Winters verurteilt, das Abfüllen von mit den Zeichen BULLFIGHTER, PITTBULL und LIVE WIRE versehenen Dosen zu unterlassen. Dagegen legte Winters Kassationsbeschwerde ein.

14      Der Hoge Raad der Nederlanden hat daraufhin das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.      a)      Ist das reine „Abfüllen“ von Aufmachungen, die mit einem Zeichen versehen sind, als Benutzung dieses Zeichens im geschäftlichen Verkehr im Sinne des Art. 5 der Richtlinie 89/104 anzusehen, auch wenn das Abfüllen eine Dienstleistung für und im Auftrag eines Dritten zur Unterscheidung der Waren dieses Auftraggebers darstellt?

b)      Macht es für die Beantwortung von Frage 1 Buchst. a einen Unterschied, ob eine Zuwiderhandlung im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Buchst. a oder b der Richtlinie 89/104 vorliegt?

2.      Sofern Frage 1 Buchst. a bejaht wird, kann die Benutzung des Zeichens auch dann nach Art. 5 der Richtlinie 89/104 im Beneluxraum verboten werden, wenn die mit dem Zeichen versehenen Waren ausschließlich für den Export in Staaten außerhalb des Beneluxgebiets oder der Europäischen Union vorgesehen sind und sie innerhalb des jeweiligen Gebiets – außer in dem Unternehmen, das die Waren abgefüllt hat – nicht vom Publikum wahrgenommen werden können?

3.      Sofern Frage 2 (Buchst. a oder b) bejaht wird, welcher Maßstab ist dann bei der Prüfung einer Markenverletzung anzulegen: Ist die Wahrnehmung eines (durchschnittlich informierten, umsichtigen und verständigen Durchschnitts‑)Verbrauchers im Beneluxraum (bzw. in der Europäischen Union) – der unter den gegebenen Umständen lediglich fiktiv oder abstrakt bestimmt werden kann – maßgeblich, oder ist insoweit von einem anderen Maßstab auszugehen, etwa der Wahrnehmung eines Verbrauchers aus dem Staat, in den die Waren exportiert werden?

 Zu den Vorlagefragen

 Zur ersten Frage

15      Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 5 Abs. 1 Buchst. a und b der Richtlinie 89/104 dahin auszulegen ist, dass ein Dienstleistender, der im Auftrag und nach den Anweisungen eines Dritten Aufmachungen abfüllt, die der Dritte ihm zur Verfügung gestellt hat, der darauf zuvor ein Zeichen angebracht hat, das mit einem als Marke geschützten Zeichen identisch oder ihm ähnlich ist, selbst eine Benutzung dieses Zeichens vornimmt, die nach dieser Bestimmung verboten werden kann.

 Beim Gerichtshof abgegebene Erklärungen

16      Winters ist der Ansicht, dass das reine Abfüllen einer mit einem Zeichen versehenen Aufmachung, das als Dienstleistung für einen Dritten erfolge, keine Benutzung des Zeichens im Sinne von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 89/104 sei. Sie stützt sich insbesondere auf das Urteil vom 23. März 2010, Google France und Google (C‑236/08 bis C‑238/08, Slg. 2010, I‑2417, Randnrn. 50, 56 und 57), in dem der Gerichtshof entschieden habe, dass der Anbieter eines Referenzierungsdienstes zulasse, dass seine Kunden die Zeichen benutzten, die die Schlüsselwörter bildeten, diese Zeichen jedoch nicht selbst benutze, obwohl die Dienstleistung nicht nur vergütet werde und die technischen Voraussetzungen für die Benutzung der betreffenden Zeichen durch die Kunden schaffe, sondern auch einen direkten Kontakt zum Publikum einschließe. Winters entnimmt dem, dass ihre eigenen Dienstleistungen, die auf das bloße Abfüllen im Rahmen des Herstellungsprozesses beschränkt seien, ohne eine Rolle beim Verkauf der Getränke oder irgendeine Form von Kommunikation mit dem Publikum einzuschließen, erst recht nicht als „Benutzung“ angesehen werden könnten.

17      Die polnische Regierung teilt diesen Standpunkt im Wesentlichen. Sie macht insbesondere geltend, dass sich das Äußere der Dosen weder auf die Tätigkeit von Winters auswirke noch auf die wirtschaftlichen Vorteile, die das Unternehmen durch diese Tätigkeit erlange und die gleich ausfielen, ob die Dosen mit den Zeichen versehen seien oder nicht. Zwar übe Winters eine wirtschaftliche Tätigkeit aus, doch sei diese rein technischer Art, weil Winters bloß ausführend tätig sei.

18      Außerdem stellten die in Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 89/104 genannten Tätigkeiten nur dann eine Rechtsverletzung dar, wenn die Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 1 vorlägen. Da dies hier nicht der Fall sei, komme es nicht darauf an, ob das Abfüllen einer mit einem Zeichen versehenen Dose als „Anbringung“ dieses Zeichens auf der betreffenden Ware angesehen werden könne. Die von Red Bull und der Europäischen Kommission vertretene Auffassung sei im Übrigen angreifbar, weil das Zeichen in Wirklichkeit nicht auf der Ware, sondern auf der Aufmachung angebracht sei. Folgte man dieser Auffassung, stellte sich daher zudem die Frage, welches Unternehmen gegen das Markenrecht verstoße, dasjenige, das das Zeichen auf den Dosen aufgedruckt habe, oder dasjenige, das diese abgefüllt habe.

19      Red Bull und die Kommission sind hingegen der Ansicht, dass die Benutzung eines Zeichens im Sinne von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 89/104 auch das Abfüllen von mit einem Zeichen versehenen Aufmachungen umfasse, selbst wenn es als Dienstleistung auf Anweisung eines Kunden und zur Unterscheidung von dessen Waren erfolge.

20      Erstens sei das Abfüllen von mit Zeichen versehenen Dosen mit einer „Anbringung“ dieser Zeichen auf der Ware im Sinne von Art. 5 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 89/104 gleichbedeutend, weil in diesem Moment des Herstellungsprozesses das Zeichen mit der Ware verbunden werde. Der Begriff „anbringen“ müsse nämlich so verstanden werden, dass er die Schaffung der körperlichen Verbindung zwischen dem Zeichen und der Ware bezeichne, unabhängig davon, mit welcher Technik die Verbindung geschaffen werde. Zudem ergebe sich aus Randnr. 61 des Urteils Google France und Google, dass die in Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 89/104 genannten Handlungen Beispiele für „Benutzungen“ im Sinne von Art. 5 Abs. 1 seien.

21      Zweitens sei, wenn ein Dienstleistender einem Kunden gegen Entgelt eine Leistung erbringe, die auf der Benutzung eines Zeichens beruhe, diese Benutzung als „Benutzung im geschäftlichen Verkehr“ anzusehen. Dass der Dienstleistende auf Anweisung des Kunden handle, ändere daran nichts; vielmehr bleibe die Dienstleistung eine Geschäftstätigkeit.

22      Drittens schließlich sei unerheblich, ob das Unternehmen, das das Zeichen auf den Waren oder deren Aufmachung anbringe, dies in Bezug auf eigene Waren oder als Dienstleistung für einen Dritten tue. Die Richtlinie 89/104 beruhe nämlich auf dem Grundsatz, dass bestimmte Handlungen, insbesondere diejenigen nach ihrem Art. 5 Abs. 3, dem Inhaber der eingetragenen Marke vorbehalten seien. Mit diesem Grundsatz und dem Zweck von Art. 5 wäre es unvereinbar, wenn Herstellungs- und Vertriebshandlungen, die eine Person ohne Zustimmung des Inhabers vornehme, aus dem bloßen Grund vom Anwendungsbereich des Art. 5 ausgenommen würden, dass die Waren dieser Person nicht gehörten. Das Ziel dieser Bestimmung könnte nämlich nicht erreicht werden, wenn es möglich wäre, den Schutz des Markeninhabers zu unterlaufen, indem der Herstellungsprozess ganz einfach aufgespalten werde und seine einzelnen Bestandteile verschiedenen Vertragspartnern übertragen würden.

23      Diese Auslegung werde durch das Urteil Google France und Google (Randnrn. 60 und 61) sowie durch den Beschluss vom 19. Februar 2009, UDV North America (C‑62/08, Slg. 2009, I‑1279, Randnrn. 39 bis 43), bestätigt. Außerdem ergebe sich aus der Systematik von Art. 5 Abs. 3, dass der Inhaber der Marke die dort genannten Handlungen jeweils einzeln verbieten und sich der Anbringung einer Marke somit unabhängig davon widersetzen könne, ob derjenige, der die Marke anbringe, die betreffenden Waren anschließend auch vertreibe.

 Antwort des Gerichtshofs

24      Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass nach der Vorlageentscheidung die fraglichen Zeichen, die sich auf den von Winters abgefüllten Dosen befinden, den geschützten Zeichen von Red Bull allenfalls ähnlich und nicht mit ihnen identisch sind. Daher ist von vornherein ausgeschlossen, dass Red Bull Winters das Abfüllen der Dosen auf der Grundlage von Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 89/104 verbieten kann, wonach die betreffenden Zeichen miteinander identisch sein müssen. Folglich hat sich der Gerichtshof im Rahmen der vorliegenden Rechtssache allein zur Auslegung von Art. 5 Abs. 1 Buchst. b zu äußern, für dessen Anwendung eine Ähnlichkeit der Zeichen genügt.

25      Nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 89/104 ist der Inhaber einer Marke berechtigt, eine ohne seine Zustimmung erfolgende Benutzung eines mit seiner Marke identischen oder ihr ähnlichen Zeichens durch einen Dritten zu verbieten, wenn die Benutzung im geschäftlichen Verkehr stattfindet, für Waren oder Dienstleistungen erfolgt, die mit denjenigen, für die die Marke eingetragen wurde, identisch oder ihnen ähnlich sind und wegen der für das Publikum bestehenden Gefahr von Verwechslungen die Hauptfunktion der Marke, d. h. die Gewährleistung der Herkunft der Waren oder Dienstleistungen gegenüber den Verbrauchern, beeinträchtigt oder beeinträchtigen kann (vgl. u. a. Urteil vom 12. Juni 2008, O2 Holdings und O2 [UK], C‑533/06, Slg. 2008, I‑4231, Randnr. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung).

26      Im Ausgangsverfahren ist unstreitig, dass Winters eine Geschäftstätigkeit ausübt und einen wirtschaftlichen Vorteil anstrebt, wenn sie als Dienstleistende im Auftrag und nach den Anweisungen von Smart Drinks Getränkedosen abfüllt, die dieses Unternehmen ihr geliefert hat, das darauf zuvor Zeichen hat anbringen lassen, die den Marken von Red Bull ähnlich sind.

27      Weiter ist unstreitig, dass die vorherige Anbringung dieser Zeichen auf den Dosen, deren Befüllen mit dem Erfrischungsgetränk und die spätere Ausfuhr des Endprodukts, nämlich der abgefüllten und mit den Zeichen versehenen Dosen, ohne Zustimmung von Red Bull erfolgt.

28      Auch wenn sich aus diesen Gesichtspunkten ergibt, dass ein Dienstleistender wie Winters im Geschäftsverkehr handelt, wenn er im Auftrag eines Dritten derartige Dosen abfüllt, folgt daraus jedoch noch nicht, dass der Dienstleistende diese Zeichen selbst im Sinne von Art. 5 der Richtlinie 89/104 „benutzt“ (vgl. entsprechend Urteil Google France und Google, Randnr. 55).

29      Wie der Gerichtshof bereits festgestellt hat, bedeutet der Umstand, dass die technischen Voraussetzungen für die Benutzung eines Zeichens geschaffen werden und diese Dienstleistung vergütet wird, nämlich nicht, dass deren Erbringer dieses Zeichen selbst benutzt (Urteil Google France und Google, Randnr. 57).

30      Ein Dienstleistender, der sich unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens darauf beschränkt, Dosen, die bereits mit Marken ähnlichen Zeichen versehen sind, im Auftrag und nach den Anweisungen eines Dritten abzufüllen und damit schlicht einen technischen Abschnitt des Prozesses der Herstellung des Endprodukts auszuführen, ohne irgendein Interesse an der äußeren Darstellung der Dosen und insbesondere an den darauf angebrachten Zeichen zu haben, „benutzt“ diese Zeichen nicht selbst im Sinne von Art. 5 der Richtlinie 89/104, sondern schafft nur die technischen Voraussetzungen für eine solche Benutzung durch den Dritten.

31      Hinzu kommt, dass ein Dienstleistender in der Lage von Winters die betreffenden Zeichen jedenfalls nicht im Sinne dieses Artikels „für Waren oder Dienstleistungen“ benutzen würde, die mit denjenigen, für die die Marke eingetragen ist, identisch oder ihnen ähnlich sind. Wie der Gerichtshof bereits festgestellt hat, bezieht sich diese Wendung im Grundsatz auf die Waren oder Dienstleistungen des Dritten, der das Zeichen benutzt (vgl. Urteile vom 25. Januar 2007, Adam Opel, C‑48/05, Slg. 2007, I‑1017, Randnrn. 28 und 29, O2 Holdings und O2 [UK], Randnr. 34, sowie Google France und Google, Randnr. 60). Es steht fest, dass im Ausgangsverfahren die von Winters erbrachte Dienstleistung im Abfüllen der Dosen besteht und dass diese Dienstleistung keinerlei Ähnlichkeit mit der Ware aufweist, für die die Marken von Red Bull eingetragen worden sind.

32      Zwar hat der Gerichtshof weiter entschieden, dass sich die zitierte Wendung unter bestimmten Umständen auch auf die Waren oder Dienstleistungen einer anderen Person beziehen kann, für deren Rechnung der Dritte handelt. So wird in dem Fall, dass der Erbringer einer Dienstleistung ein einer fremden Marke entsprechendes Zeichen benutzt, um für Waren zu werben, die einer seiner Kunden mit Hilfe dieser Dienstleistung vermarktet, diese Benutzung von der Wendung erfasst, sofern das Zeichen in der Weise benutzt wird, dass eine Verbindung zwischen dem Zeichen und der Dienstleistung hergestellt wird (vgl. in diesem Sinne Urteile Google France und Google, Randnr. 60, vom 12. Juli 2011, L’Oréal u. a., C‑324/09, Slg. 2011, I‑0000, Randnrn. 91 und 92, sowie Beschluss UDV North America, Randnrn. 43 bis 51).

33      Wie die Generalanwältin sinngemäß in Nr. 28 ihrer Schlussanträge hervorgehoben hat, ist jedoch das Befüllen von Getränkedosen, die mit Marken ähnlichen Zeichen versehen sind, seinem Wesen nach nicht mit einer Dienstleistung vergleichbar, die auf Förderung des Vertriebs von mit derartigen Zeichen versehenen Waren gerichtet ist, und impliziert insbesondere nicht, dass eine Verbindung zwischen diesen Zeichen und der Abfülldienstleistung geschaffen wird. Der Abfüllbetrieb tritt nämlich nicht gegenüber dem Verbraucher auf, was jede gedankliche Verbindung zwischen seinen Dienstleistungen und den betreffenden Zeichen ausschließt.

34      Da demnach die Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 89/104 in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens nicht vorliegen, so dass der Inhaber dem Dienstleistenden nicht auf dieser Grundlage das Abfüllen der Getränkedosen, die mit seinen Marken ähnlichen Zeichen versehen sind, verbieten kann, ist unerheblich, ob dieses Abfüllen eine Anbringung der Zeichen auf den Waren oder auf deren Aufmachung im Sinne von Art. 5 Abs. 3 Buchst. a darstellt.

35      Soweit ein solcher Dienstleistender seinen Kunden die Benutzung von Marken ähnlichen Zeichen ermöglicht, kann seine Rolle nicht nach den Bestimmungen der Richtlinie 89/104, sondern muss gegebenenfalls nach anderen Rechtsvorschriften beurteilt werden (vgl. entsprechend Urteile Google France und Google, Randnr. 57, sowie L’Oréal u. a., Randnr. 104).

36      Im Übrigen hat die Feststellung, dass der Inhaber einer Marke nicht auf der alleinigen Grundlage der Richtlinie 89/104 gegen den Dienstleistenden vorgehen kann, entgegen den Befürchtungen von Red Bull und der Kommission keineswegs zur Folge, dass es dem Kunden des Dienstleistenden ermöglicht wird, den Schutz, den der Markeninhaber nach dieser Richtlinie genießt, zu unterlaufen, indem er den Herstellungsprozess aufspaltet und seine einzelnen Bestandteile Dienstleistenden überträgt. Hierzu genügt der Hinweis, dass diese Leistungen dem betreffenden Kunden zugerechnet werden könnten, der somit nach der Richtlinie verantwortlich bleibt.

37      Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 5 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 89/104 dahin auszulegen ist, dass ein Dienstleistender, der im Auftrag und nach den Anweisungen eines Dritten Aufmachungen abfüllt, die der Dritte ihm zur Verfügung gestellt hat, der darauf zuvor ein Zeichen hat anbringen lassen, das mit einem als Marke geschützten Zeichen identisch oder ihm ähnlich ist, nicht selbst eine Benutzung dieses Zeichens vornimmt, die nach dieser Bestimmung verboten werden kann.

 Zur zweiten und zur dritten Vorlagefrage

38      Angesichts der Antwort auf die erste Frage sind die zweite und die dritte Frage nicht zu beantworten.

 Kosten

39      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:

Art. 5 Abs. 1 Buchst. b der Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken ist dahin auszulegen, dass ein Dienstleistender, der im Auftrag und nach den Anweisungen eines Dritten Aufmachungen abfüllt, die der Dritte ihm zur Verfügung gestellt hat, der darauf zuvor ein Zeichen hat anbringen lassen, das mit einem als Marke geschützten Zeichen identisch oder ihm ähnlich ist, nicht selbst eine Benutzung dieses Zeichens vornimmt, die nach dieser Bestimmung verboten werden kann.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Niederländisch.

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