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Dokumentum 62010CC0117

Schlussanträge des Generalanwalts Mengozzi vom 17. Januar 2013.
Europäische Kommission gegen Rat der Europäischen Union.
Nichtigkeitsklage - Staatliche Beihilfen - Art. 88 Abs. 1 und 2 EG - Durch die Republik Polen gewährte Beihilfe für den Erwerb landwirtschaftlicher Flächen - Befugnisse des Rates der Europäischen Union - Bestehende Beihilferegelungen - Beitritt der Republik Polen zur Europäischen Union - Vor dem Beitritt gewährte Beihilfe - Zweckdienliche Maßnahmen - Untrennbarkeit zweier Beihilferegelungen - Veränderte Umstände - Außergewöhnliche Umstände - Wirtschaftskrise - Offensichtlicher Beurteilungsfehler - Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
Rechtssache C-117/10.

Határozatok Tára – Általános EBHT

Európai esetjogi azonosító: ECLI:EU:C:2013:11

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

PAOLO MENGOZZI

vom 17. Januar 2013 ( 1 )

Rechtssache C‑117/10

Europäische Kommission

gegen

Rat der Europäischen Union

„Staatliche Beihilfen — Zuständigkeit des Rates — Art. 88 Abs. 2 Unterabs. 3 EG — Bestehende Beihilferegelungen — Vorschlag zweckdienlicher Maßnahmen — Wirkungen — Verordnung Nr. 659/1999 — Beihilfen für Investitionen für den Erwerb landwirtschaftlicher Flächen in Polen“

1. 

Mit der vorliegenden Klage begehrt die Kommission die Nichtigerklärung der Entscheidung 2010/10/EG des Rates vom 20. November 2009 über die Gewährung einer staatlichen Beihilfe durch die Behörden der Republik Polen für den Erwerb landwirtschaftlicher Flächen zwischen dem 1. Januar 2010 und dem 31. Dezember 2013 ( 2 ) (im Folgenden: angefochtene Entscheidung).

2. 

Die Kommission hat parallel dazu drei Entscheidungen des Rates über Beihilfen der gleichen Art angefochten, die von der Republik Litauen (Rechtssache C‑111/10), der Republik Lettland (Rechtssache C‑118/10) und der Republik Ungarn (Rechtssache C‑121/10) gewährt wurden.

3. 

Alle diese Klagen betreffen dieselbe heikle Frage: Stellt ein Vorschlag der Kommission für zweckdienliche Maßnahmen im Rahmen der fortlaufenden Überprüfung der bestehenden Beihilferegelungen in den Mitgliedstaaten nach Art. 88 Abs. 1 EG (bzw., was die Rechtssachen C‑111/10, C‑118/10 und C‑121/10 angeht, Art. 108 Abs. 1 AEUV) eine endgültige Stellungnahme dieses Organs zur Vereinbarkeit der fraglichen Regelung mit dem Gemeinsamen Markt dar, die es dem Rat verwehrt, von seiner Befugnis nach Art. 88 Abs. 2 Unterabs. 3 EG (bzw. Art. 108 Abs. 2 Unterabs. 3 AEUV) Gebrauch zu machen und Beihilfen in Abweichung von Art. 87 EG (bzw. Art. 107 AEUV) und den übrigen anwendbaren Vorschriften zu genehmigen, falls dies durch außergewöhnliche Umstände gerechtfertigt ist?

I – Rechtlicher Rahmen

4.

Obwohl die angefochtene Entscheidung nach Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon veröffentlicht wurde, wurde sie gestützt auf die Bestimmungen des EG-Vertrags erlassen. Deshalb wird in den vorliegenden Schlussanträgen auf den EG-Vertrag Bezug genommen.

5.

Art. 88 Abs. 1 EG bestimmt:

„Die Kommission überprüft fortlaufend in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten die in diesen bestehenden Beihilferegelungen. Sie schlägt ihnen die zweckdienlichen Maßnahmen vor, welche die fortschreitende Entwicklung und das Funktionieren des Binnenmarkts erfordern.“

6.

Art. 88 Abs. 2 Unterabs. 3 und 4 EG lautet:

„Der Rat kann einstimmig auf Antrag eines Mitgliedstaats entscheiden, dass eine von diesem Staat gewährte oder geplante Beihilfe in Abweichung von Artikel 87 EG oder von den nach Artikel 89 EG erlassenen Verordnungen als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar gilt, wenn außergewöhnliche Umstände eine solche Entscheidung rechtfertigen. Hat die Kommission bezüglich dieser Beihilfe das in Unterabsatz 1 dieses Absatzes vorgesehene Verfahren bereits eingeleitet, so bewirkt der Antrag des betreffenden Staates an den Rat die Aussetzung dieses Verfahrens, bis der Rat sich geäußert hat.

Äußert sich der Rat nicht binnen drei Monaten nach Antragstellung, so entscheidet die Kommission.“

7.

Anhang IV Kapitel 4 der Akte über den Beitritt Polens zur Europäischen Union ( 3 ) (im Folgenden: Beitrittsakte von 2003) sieht in dem Teil über die Voraussetzungen für die Anwendung der Wettbewerbsregeln des EG-Vertrags Folgendes vor:

„Unbeschadet der Verfahren für bestehende Beihilfen nach Artikel 88 des EG-Vertrags werden die in einem neuen Mitgliedstaat vor dem Beitritt in Kraft gesetzten und nach dem Beitritt weiterhin anwendbaren Beihilferegelungen und Einzelbeihilfen zugunsten von Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Herstellung, Verarbeitung oder Vermarktung von Erzeugnissen nach Anhang I des EG-Vertrags (mit Ausnahme von Erzeugnissen und Verarbeitungserzeugnissen der Fischerei) unter nachstehenden Bedingungen als bestehende Beihilfen im Sinne des Artikels 88 Absatz 1 [EG] betrachtet:

Die Beihilfemaßnahmen werden der Kommission innerhalb von vier Monaten nach dem Tag des Beitritts mitgeteilt. Diese Mitteilung enthält Angaben zur Rechtsgrundlage für jede einzelne Maßnahme. … Die Kommission veröffentlicht eine Liste derartiger Beihilfen.

Diese Beihilfemaßnahmen werden bis zum Ende des dritten Jahres nach dem Tag des Beitritts als ‚bestehende‘ Beihilfen im Sinne des Artikels 88 Absatz 1 [EG] betrachtet.

Die neuen Mitgliedstaaten ändern diese Beihilfemaßnahmen erforderlichenfalls, damit sie spätestens am Ende des dritten Jahres nach dem Tag des Beitritts den Leitlinien der Kommission entsprechen. Danach wird jede Beihilfe, die als nicht mit diesen Leitlinien vereinbar angesehen wird, als neue Beihilfe betrachtet.“

8.

Nach Art. 1 Buchst. b und c der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 93 des EG-Vertrags ( 4 ) (später Art. 88 EG) in der durch die Beitrittsakte von 2003 geänderten Fassung bezeichnet der Ausdruck

„b)

‚bestehende Beihilfen‘

i)

unbeschadet … des Anhangs IV Nummer 3 und der Anlage zu diesem Anhang der Akte über den Beitritt … Polens … alle Beihilfen, die vor Inkrafttreten des Vertrages in dem entsprechenden Mitgliedstaat bestanden, also Beihilferegelungen und Einzelbeihilfen, die vor Inkrafttreten des Vertrages eingeführt worden sind und auch nach dessen Inkrafttreten noch anwendbar sind;

ii)

genehmigte Beihilfen, also Beihilferegelungen und Einzelbeihilfen, die von der Kommission oder vom Rat genehmigt wurden;

c)

‚neue Beihilfen‘ alle Beihilfen, also Beihilferegelungen und Einzelbeihilfen, die keine bestehenden Beihilfen sind, einschließlich Änderungen bestehender Beihilfen;

…“

9.

In den Art. 17 bis 19 des Kapitels V der Verordnung Nr. 659/1999 ist das Verfahren für bestehende Beihilfen festgelegt. Art. 17 („Zusammenarbeit nach Artikel [88] Absatz 1 [EG]“) Abs. 2 dieser Verordnung bestimmt:

„Gelangt die Kommission zur vorläufigen Auffassung, dass eine bestehende Beihilferegelung nicht oder nicht mehr mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar ist, so setzt sie den betreffenden Mitgliedstaat hiervon in Kenntnis und gibt ihm Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb einer Frist von einem Monat …“

10.

Art. 18 („Vorschlag zweckdienlicher Maßnahmen“) der Verordnung Nr. 659/1999 lautet:

„Gelangt die Kommission aufgrund der von dem betreffenden Mitgliedstaat nach Artikel 17 übermittelten Auskünfte zu dem Schluss, dass die bestehende Beihilferegelung mit dem Gemeinsamen Markt nicht oder nicht mehr vereinbar ist, so schlägt sie dem betreffenden Mitgliedstaat zweckdienliche Maßnahmen vor. Der Vorschlag kann insbesondere in Folgendem bestehen:

a)

inhaltliche Änderung der Beihilferegelung oder

b)

Einführung von Verfahrensvorschriften oder

c)

Abschaffung der Beihilferegelung.“

11.

In Art. 19 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 659/1999 sind schließlich die Rechtsfolgen eines Vorschlags zweckdienlicher Maßnahmen folgendermaßen festgelegt:

„(1)   Wenn der betreffende Mitgliedstaat den vorgeschlagenen Maßnahmen zustimmt und die Kommission hiervon in Kenntnis setzt, hält die Kommission dies fest und unterrichtet den Mitgliedstaat hiervon. Der Mitgliedstaat ist aufgrund seiner Zustimmung verpflichtet, die zweckdienlichen Maßnahmen durchzuführen.

(2)   Wenn der betreffende Mitgliedstaat den vorgeschlagenen Maßnahmen nicht zustimmt und die Kommission trotz der von dem Mitgliedstaat vorgebrachten Argumente weiterhin die Auffassung vertritt, dass diese Maßnahmen notwendig sind, so leitet sie das Verfahren nach Artikel 4 Absatz 4 ein[ ( 5 ) ]. Die Artikel 6, 7 und 9 gelten entsprechend.“

12.

Gemäß Nr. 4.1.1.5 vierter Gedankenstrich des am 31. Dezember 2006 ausgelaufenen Gemeinschaftsrahmens für staatliche Beihilfen im Agrarsektor (im Folgenden: Gemeinschaftsrahmen Landwirtschaft von 2000) ( 6 ) kam der Erwerb von Flächen im Zusammenhang mit Investitionen in landwirtschaftliche Betriebe als zuschussfähige Ausgabe in Frage.

13.

Nr. 29 der Rahmenregelung der Gemeinschaft für staatliche Beihilfen im Agrar‑ und Forstsektor 2007‑2013 (im Folgenden: Gemeinschaftsrahmen Landwirtschaft 2007‑2013) ( 7 ), die den Gemeinschaftsrahmen Landwirtschaft von 2000 ab 1. Januar 2007 ersetzt hat ( 8 ), sieht vor:

„Investitionsbeihilfen für landwirtschaftliche Betriebe sollten als mit Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe c des Vertrags vereinbar erklärt werden, wenn die Bedingungen von Artikel 4 der Verordnung (EG) Nr. 1857/2006 [erfüllt sind]“ ( 9 ).

14.

Art. 4 Abs. 1 und 8 der Verordnung Nr. 1857/2006, auf den die genannte Nr. 29 des Gemeinschaftsrahmens Landwirtschaft 2007‑2013 verweist, bestimmt:

„(1)   Beihilfen für Investitionen in landwirtschaftlichen Betrieben innerhalb der Gemeinschaft zur Primärproduktion landwirtschaftlicher Erzeugnisse sind mit dem Gemeinsamen Markt im Sinne von Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe c [EG] vereinbar und von der Anmeldepflicht gemäß Artikel 88 Absatz 3 [EG] freigestellt, wenn sie die Bedingungen der Absätze 2 bis 10 des vorliegenden Artikels erfüllen.

(8)   Für den Erwerb von Grundstücken, außer für Bauzwecke, können für Kosten von bis zu 10 % der zuschussfähigen Ausgaben der Investitionen Beihilfen gewährt werden.“

15.

Nr. 195 des Gemeinschaftsrahmens Landwirtschaft 2007‑2013 steht in dessen Kapitel VIII. E („Bestehende Beihilfemaßnahmen im Einklang mit der Beitrittsakte 2003“) und lautet:

„Für die Bewertung der Beihilferegelungen und der Einzelbeihilfen, die im Sinne von Ziffer 4 Kapitel 4 des Anhangs IV zur Beitrittsakte 2003 als bestehende Beihilfen gelten, bleibt die am 31. Dezember 2006 anzuwendende Rahmenregelung für staatliche Beihilfen im Agrarsektor unbeschadet der Nummer 196 bis 31. Dezember 2007 gültig, sofern die Beihilfen bis spätestens 30. April 2007 an die Vorschriften angepasst worden sind.“

16.

Die Nrn. 196 bis 198 des Gemeinschaftsrahmens Landwirtschaft 2007‑2013 stehen in dessen Kapitel VIII. F („Vorschläge für zweckdienliche Maßnahmen“) und lauten:

„(196)

Gemäß Artikel 88 Absatz 1 des Vertrags schlägt die Kommission den Mitgliedstaaten vor, ihre bestehenden Beihilferegelungen bis spätestens 31. Dezember 2007 an die Bestimmungen der vorliegenden Rahmenregelung anzupassen, ausgenommen bestehende Beihilferegelungen … für Investitionen betreffend den Flächenkauf in landwirtschaftlichen Betrieben, die bis zum 31. Dezember 2009 angepasst werden müssen, um mit diesen Leitlinien übereinzustimmen.

(197)

Die Mitgliedstaaten werden gebeten, ihre Zustimmung zu diesen Vorschlägen für zweckdienliche Maßnahmen bis spätestens 28. Februar 2007 schriftlich zu bestätigen.

(198)

Hat ein Mitgliedstaat diesen Vorschlägen bis zu diesem Datum nicht schriftlich zugestimmt, wendet die Kommission Artikel 19 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 an und leitet erforderlichenfalls das in diesem Artikel genannte Verfahren ein.“

17.

Die Kommission hat einer im Amtsblatt vom 15. März 2008 veröffentlichten Mitteilung ( 10 ) zufolge gemäß Art. 19 Abs. 1 der Verordnung Nr. 659/1999 Kenntnis davon genommen, dass die polnischen Behörden ihr mit Schreiben vom 26. Februar 2007 die „ausdrückliche und uneingeschränkte Zustimmung“ Polens zu den in Nr. 196 des Gemeinschaftsrahmens Landwirtschaft 2007‑2013 vorgeschlagenen zweckdienlichen Maßnahmen gegeben haben.

II – Vorgeschichte des Rechtsstreits und angefochtene Entscheidung

18.

Polen hatte der Kommission im Jahr 2004 nach dem in Anhang IV Kapitel 4 der Beitrittsakte von 2003 festgelegten, vorstehend in Nr. 7 genannten Verfahren die Maßnahmen mitgeteilt, die seiner Ansicht nach bis zum Ende des dritten Jahres nach dem Beitritt als bestehende Beihilfen im Sinne des Art. 88 Abs. 1 EG betrachtet werden sollten. Dazu gehörten u. a. folgende Maßnahmen: „Zinssubventionen bei Krediten für Investitionen im Agrar‑ und Lebensmittelsektor“ und „Verkauf von landwirtschaftlichen Flächen aus der Reserve im Besitz des Finanzministeriums unter Rückzahlung des geschuldeten Betrags in Raten zu einem vergünstigten Zinssatz“ ( 11 ).

19.

Mit Schreiben vom 30. Mai 2005 forderte die Kommission die Mitgliedstaaten auf, ihr Vorschläge zur Vereinfachung der Vorschriften über staatliche Beihilfen im Agrarsektor zu unterbreiten. Die polnische Regierung bat die Kommission in einem Schreiben von Juni 2006 in Bezug auf den Entwurf neuer Leitlinien, den die Kommission ihr am 19. Mai 2006 übermittelt hatte, die Beihilfen für Investitionen für den Erwerb landwirtschaftlicher Flächen aufrechtzuerhalten. Mit Schreiben vom 3. November 2006 ersuchte die polnische Regierung die Kommission, den Entwurf der Verordnung Nr. 1857/2006 zu ändern, indem Art. 4 Abs. 8 Buchst. e gestrichen und der Erwerb landwirtschaftlicher Flächen den in Art. 4 Abs. 4 der Verordnung aufgeführten zuschussfähigen Beihilfen für Investitionen hinzugefügt wird. Denselben Vorschlag hatte Polen in der Sitzung der Kommission mit den Mitgliedstaaten am 25. Oktober 2006 unterbreitet.

20.

Mit Schreiben vom 21. April 2009 baten die polnischen Behörden die Kommission, Nr. 196 der Rahmenregelung für 2007‑2013 zu ändern. Die Kommission antwortete mit Schreiben vom 15. Mai 2009, die Möglichkeit, bestehende Beihilferegelungen für Investitionen für den Erwerb landwirtschaftlicher Flächen aufrechtzuerhalten, sei ausnahmsweise in die Rahmenregelung aufgenommen worden, um dem Wunsch einiger Mitgliedstaaten, darunter Polen, zu entsprechen, jedoch könne eine solche Ausnahmeregelung nicht verlängert werden.

21.

Die polnischen Behörden ersuchten die Präsidentschaft der Union mit Schreiben vom 12. Juni 2009, die Beihilfen für den Erwerb landwirtschaftlicher Flächen in Polen für die Zeit vom 1. Januar 2010 bis zum 31. Dezember 2013 gemäß Art. 88 Abs. 2 Unterabs. 3 EG ausnahmsweise zu genehmigen. Die gleiche Bitte wurde am 28. September 2009 dem Rat (Landwirtschaft und Fischerei) unterbreitet. Die Kommission macht geltend, sie habe mehrfach sowohl in den vorbereitenden Sitzungen des Sonderausschusses für Landwirtschaft als auch bei Zusammenkünften mit Vertretern der polnischen Regierung darauf hingewiesen, dass sie mit der gewünschten Maßnahme nicht einverstanden sei und stattdessen andere Lösungen vorgeschlagen habe.

22.

Am 20. November 2009 nahm der Rat die angefochtene Entscheidung einstimmig an (sieben Delegationen enthielten sich der Stimme). Art. 1 dieser Entscheidung lautet:

„Eine [außerordentliche] Beihilfe der polnischen Regierung in Höhe von bis zu 400 Mio. PLN, die zwischen dem 1. Januar 2010 und dem 31. Dezember 2013 für Kredite zum Kauf landwirtschaftlicher Nutzflächen gewährt wird, wird als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar betrachtet.“

23.

Die für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärte Beihilfe wird in den Erwägungsgründen 9 und 10 der angefochtenen Entscheidung folgendermaßen beschrieben:

„(9)

Die zu gewährende staatliche Beihilfe beträgt 400 Mio. PLN und sollte den Verkauf von 600000 Hektar landwirtschaftlicher Flächen zwischen 2010 und 2013 ermöglichen, damit landwirtschaftliche Betriebe, die die Kriterien für Familienbetriebe erfüllen, d. h. nicht mehr als 300 Hektar umfassen, aufgebaut oder vergrößert werden können. Die Regelung sollte den Aufbau von etwa 24000 landwirtschaftlichen Betrieben mit einer Fläche ermöglichen, die nicht unter der Durchschnittsgröße in der betreffenden Woiwodschaft liegt. Der durchschnittliche Beihilfebeitrag pro Betrieb sollte etwa 4500 Euro betragen. Der Preis für die in Frage kommenden Nutzflächen sollte nicht über dem durchschnittlichen Marktpreis in der betreffenden Woiwodschaft liegen. Für den Verkauf von Land aus der Reserve im Besitz des Finanzministeriums sollte ein Ausschreibungsverfahren durchgeführt werden.

(10)

Die Beihilfe wird in Form von Subventionen für Zinsen auf Darlehen gewährt, d. h. durch Zahlung der Differenz zwischen dem von der Bank angewendeten Jahreszinssatz, der das Anderthalbfache des Rediskontsatzes für die von der Polnischen Nationalbank rediskontierten Wechsel beträgt, und dem vom Kreditnehmer tatsächlich gezahlten Zinssatz, der mindestens 2 % beträgt.“

III – Verfahren vor dem Gerichtshof und Anträge der Parteien

24.

Mit Klageschrift, die am 3. März 2010 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen ist, hat die Kommission die vorliegende Klage erhoben. Mit Beschluss vom 9. August 2010 sind die Republik Ungarn, die Republik Litauen und die Republik Polen als Streithelferinnen zur Unterstützung der Anträge des Rates zugelassen worden.

25.

Die Kommission beantragt, die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären und dem Rat die Kosten aufzuerlegen. Der Rat beantragt, die Klage als unbegründet abzuweisen und der Kommission die Kosten aufzuerlegen. Ungarn, Polen und Litauen beantragen, die Klage als unbegründet abzuweisen. Polen unterstützt die Anträge des Rates auch im Hinblick auf die Verurteilung der Kommission in die Kosten.

IV – Zur Klage

26.

Die Kommission stützt ihre Klage auf vier Klagegründe, mit denen sie die Unzuständigkeit des Rates zum Erlass der angefochtenen Entscheidung, einen Ermessensmissbrauch, einen Verstoß gegen den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit der Organe und einen offensichtlichen Beurteilungsfehler geltend macht. Vor der Prüfung dieser Klagegründe ist ein kurzer Hinweis auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Rolle der Kommission und des Rates im Verfahren zur Kontrolle staatlicher Beihilfen geboten.

A – Die Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Rolle der Kommission und des Rates im Verfahren zur Kontrolle staatlicher Beihilfen

27.

Der Gerichtshof hat sich zur Tragweite von Art. 88 Abs. 2 Unterabs. 3 EG erstmals im Rahmen einer Klage befasst, die die Kommission gegen zwei Entscheidungen des Rates erhoben hatte, mit denen dieser Beihilfen zur Destillation bestimmter Weine in Italien und in Frankreich genehmigt hatte ( 12 ). Der Gerichtshof ist in dem in dieser Rechtssache erlassenen Urteil, soweit es für das vorliegende Verfahren von Bedeutung ist, implizit davon ausgegangen, dass die nach dieser Bestimmung des Vertrags dem Rat zugewiesene Zuständigkeit nicht etwa entfällt, wenn die Kommission im Rahmen einer Entscheidung über die Einleitung des Verfahrens nach Art. 88 Abs. 2 EG die Unvereinbarkeit der später vom Rat genehmigten Beihilfe festgestellt hat.

28.

In zwei darauffolgenden Urteilen hat sich der Gerichtshof zu dem Fall geäußert, dass die Kommission und der Rat hinsichtlich der Vereinbarkeit der fraglichen Beihilfe gegensätzliche Standpunkte vertreten.

29.

In der Rechtssache, in der der Gerichtshof als Plenum am 29. Juni 2004 das erste dieser Urteile erlassen hat ( 13 ), hatte die Kommission bestimmte von der Portugiesischen Republik im Schweinesektor eingeführte Beihilfen nach Abschluss des Verfahrens nach Art. 88 Abs. 2 EG für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärt und deren Rückforderung angeordnet. Auf Wunsch von Portugal hatte der Rat daraufhin gemäß Art. 88 Abs. 2 Unterabs. 3 EG eine Entscheidung erlassen, durch die eine Beihilfe an die portugiesischen Schweinezüchter, die die genannten Beihilfen zurückzahlen sollten, für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt worden war. Die Kommission stellte die Befugnis des Rates zum Erlass einer solchen Entscheidung in Frage, die ihrer Ansicht nach einer Genehmigung der Beihilfen entsprach, die sie zuvor für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärt hatte. Der Gerichtshof hat in seinem Urteil zunächst festgestellt, dass Art. 88 EG der Kommission eine zentrale Rolle verleiht, um über die Vereinbarkeit staatlicher Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt zu entscheiden, und zwar sowohl bei der Prüfung bestehender Beihilferegelungen als auch bei der Genehmigung neuer Beihilferegelungen. Danach hat er darauf hingewiesen, dass sich aus dem Wortlaut von Art. 88 Abs. 2 Unterabs. 3 EG selbst ergibt, dass „[diese Vorschrift] einen Ausnahme‑ und Sonderfall regelt“ ( 14 ) und dass die dem Rat übertragene Befugnis „offenkundig Ausnahmecharakter“ hat ( 15 ). Daraus folgt dem Gerichtshof zufolge, dass „der Rat, wenn die Kommission eine Entscheidung erlassen hat, mit der die Unvereinbarkeit einer Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt festgestellt wird, dieser Entscheidung ihre Wirksamkeit nicht dadurch nehmen [kann], dass er selbst die Beihilfe nach Art. 88 Abs. 2 Unterabs. 3 EG für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt“ ( 16 ). Ferner hat der Gerichtshof festgestellt, dass „[der Rat] eine solche Entscheidung ebenso wenig dadurch ihrer Wirkung berauben [kann], dass er nach der genannten Vorschrift eine Beihilfe für mit dem Gemeinsamen Markt für vereinbar erklärt, die dazu bestimmt ist, die Empfänger der von der Kommission für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärten … Beihilfe für die Rückzahlungen zu entschädigen, zu denen sie aufgrund der fraglichen Entscheidung verpflichtet sind“. Diese Auslegung trägt, so der Gerichtshof, zur Rechtssicherheit bei, da sich „durch sie verhindern lässt, dass über ein und dieselbe staatliche Beihilfe von der Kommission und vom Rat nacheinander widersprüchliche Entscheidungen erlassen werden“, und steht dem entgegen, dass die „Bestandskraft einer Verwaltungsentscheidung, die nach Ablauf angemessener Klagefristen oder Erschöpfung des Rechtswegs eingetreten ist“ ( 17 ), in Frage gestellt wird.

30.

Der Gerichtshof hat diese Grundsätze mit Urteil vom 22. Juni 2006 ( 18 ) bestätigt. Dieser Rechtsstreit betraf eine Entscheidung des Rates, mit der dieser dem Königreich Belgien erlaubt hatte, Koordinierungszentren bestimmte Steuererleichterungen zu gewähren. Die Kommission hatte zur Steuerregelung für diese Zentren mehrere Stellungnahmen abgegeben, darunter eine Entscheidung nach Art. 88 Abs. 2 EG vom Februar 2003 über die Unvereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt. Im April 2003 hatte die belgische Regierung der Kommission einige Änderungen an dem Gesetz über die Koordinierungszentren mitgeteilt, die die Einleitung eines erneuten förmlichen Prüfverfahrens zur Folge hatten. Gleichzeitig hatte sich Belgien an den Rat gewandt, der am 16. Juli 2003 eine Entscheidung nach Art. 88 Abs. 2 Unterabs. 3 EG erließ, mit der die Anwendung der fraglichen Steuerregelung für bestimmte Koordinierungszentren verlängert wurde. Der Gerichtshof stellte unter Hinweis auf das vorerwähnte Urteil vom 29. Juni 2004 fest, dass die vom Rat gebilligten Maßnahmen mit denen übereinstimmten, die die Kommission mit ihrer Entscheidung vom Februar 2003 für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärt hatte. Er wies das Vorbringen des Rates, der geltend machte, dass es sich bei diesen Maßnahmen um neue Beihilfen handele, die durch neue gesetzliche Bestimmungen eingeführt worden seien und an eine beschränkte Zahl von Unternehmen vergeben würden, die leicht identifizierbar seien, zurück und erklärte die Entscheidung wegen Unzuständigkeit für nichtig.

31.

Aus dem Vorstehenden ergibt sich zum einen, dass das Kriterium für die Aufteilung der der Kommission und dem Rat durch Art. 88 Abs. 2 EG zugewiesenen Zuständigkeiten auf dem Prinzip der Vorgreiflichkeit beruht, wonach, „[w]enn eines der beiden Organe eine Entscheidung über die Vereinbarkeit einer gewährten Beihilfe getroffen hat, das andere dadurch daran gehindert [ist], seinerseits eine Entscheidung bezüglich dieser Beihilfe zu treffen“ ( 19 ), und zum anderen, dass beim gegenwärtigen Stand der Rechtsprechung nur eine endgültige Entscheidung des zuerst tätig werdenden Organs die Zuständigkeit des anderen ausschließt.

B – Zum ersten Klagegrund: Unzuständigkeit des Rates

32.

Die Kommission erhebt mit ihrem ersten Klagegrund, der auf eine fehlende Zuständigkeit des Rates gestützt ist, zwei Rügen. Zum einen sei die angefochtene Entscheidung nach Ablauf der nach Art. 88 Abs. 2 Unterabs. 4 EG vorgesehenen Dreimonatsfrist erlassen worden. Zum anderen sei der Rat unter den vorliegenden Umständen nicht befugt gewesen, nach Art. 88 Abs. 2 Unterabs. 3 EG vorzugehen. Obwohl die mit der letztgenannten Rüge aufgeworfene Frage logischerweise eine Vorfrage für die erste Rüge ist, will ich mich aus Gründen der Zweckmäßigkeit an die von der Kommission in ihren Schriftsätzen festgelegte Reihenfolge halten.

1. Zur ersten Rüge des ersten Klagegrundes: Nichteinhaltung der nach Art. 88 Abs. 2 Unterabs. 4 EG vorgesehenen Frist

33.

Nach Ansicht der Kommission ist der Rat verpflichtet, die ihm nach Art. 88 Abs. 2 Unterabs. 3 EG eingeräumte Befugnis innerhalb von drei Monaten ab Antragstellung des betroffenen Mitgliedstaats auszuüben. Diese Befristung, die durch den außergewöhnlichen Charakter der dem Rat eingeräumten Zuständigkeit begründet sei, sei in Art. 88 Abs. 2 Unterabs. 4 EG ausdrücklich festgelegt. Im vorliegenden Fall sei die am 20. November 2009 angenommene Entscheidung nach Ablauf der genannten Frist erlassen worden, da der Antrag Polens mit Schreiben vom 12. Juni 2009 gestellt worden sei. Der Rat hält dem entgegen, dass die Kommission Art. 88 Abs. 2 EG falsch auslege; aus Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 4 dieser Vorschrift ergebe sich nämlich, dass die Dreimonatsfrist nur für den Fall gelte, dass der Antrag des Mitgliedstaats gestellt werde, nachdem die Kommission das Verfahren nach Art. 88 Abs. 2 EG eingeleitet habe.

34.

Meines Erachtens ist die vom Rat vertretene Auffassung zu Art. 88 Abs. 2 Unterabs. 3 und 4 EG zutreffend. Die Dreimonatsfrist ist zwar in einem separaten Unterabsatz dieses Artikels festgelegt, was den Eindruck vermitteln könnte, dass die fragliche Befristung generell gilt, doch die terminologische Einheitlichkeit von Unterabs. 3 Satz 2 und Unterabs. 4 („… der Antrag des betreffenden Staates an den Rat [bewirkt] die Aussetzung dieses Verfahrens, bis der Rat sich geäußert hat“ und „[ä]ußert sich der Rat nicht“) ( 20 ) und die offenbar vom Bestehen eines bereits eingeleiteten Verfahrens ausgehende Formulierung des letzten Satzteils von Unterabs. 4 („so entscheidet die Kommission“) sprechen meiner Ansicht nach für die vom Rat befürwortete Auslegung ( 21 ). Danach gehört die dem Rat nach Art. 88 Abs. 2 Unterabs. 3 EG auferlegte Befristung für die Ausübung der ihm eingeräumten Befugnis zu der vom Vertrag festgelegten Regelung, durch die, falls der Antrag eines Mitgliedstaats nach Einleitung des Verfahrens nach Art. 88 Abs. 2 Unterabs. 2 EG gestellt wird, ein etwaiger Entscheidungskonflikt verhindert werden soll. Insofern hat die verhältnismäßig kurze Frist zum Zweck, die Verpflichtung der Kommission zur Aussetzung des Verfahrens dadurch auszugleichen, dass es schnell wieder aufgenommen werden kann, falls der Rat untätig bleibt.

35.

Die vorgeschlagene Auslegung, die von der Rechtsprechung des Gerichtshofs im Übrigen implizit gebilligt wird ( 22 ), lässt die Frage etwaiger Befristungen zur Ausübung der fraglichen Befugnis des Rates in anderen Fällen als dem soeben untersuchten unberührt. In dieser Hinsicht fragt sich, ob die nach Art. 88 Abs. 2 Unterabs. 4 EG vorgesehene Dreimonatsfrist nicht entsprechend angewandt werden kann, falls die Kommission die Einleitung des nach Art. 88 Abs. 2 Unterabs. 2 EG vorgesehenen Verfahrens beabsichtigt, nachdem der betroffene Mitgliedstaat einen Antrag gemäß Art. 88 Abs. 2 Unterabs. 3 EG gestellt hat und die fragliche Beihilfemaßnahme vom Rat noch geprüft wird ( 23 ). Das ist hier jedoch offensichtlich nicht der Fall.

36.

Die Ausübung der Befugnis des Rates setzt gemäß den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts die Einhaltung einer angemessenen Frist voraus. Abgesehen von allen sonstigen Erwägungen bin ich jedoch in Anbetracht aller Umstände des vorliegenden Falles nicht der Ansicht, dass eine Frist von etwa fünf Monaten, selbst unter Berücksichtigung des außergewöhnlichen Charakters der Intervention des Rates, unverhältnismäßig ist.

37.

Nach alledem meine ich, dass die erste Rüge der Kommission zurückzuweisen ist.

38.

Hilfsweise trägt der Rat für den Fall, dass der Gerichtshof die nach Art. 88 Abs. 2 Unterabs. 4 EG vorgesehene Dreimonatsfrist im vorliegenden Fall für anwendbar halten sollte, vor, er habe innerhalb dieser Frist Stellung genommen. Er macht mit Unterstützung der polnischen Regierung geltend, er sei erst am 28. September 2009, als die polnischen Behörden das Schreiben an den Rat (Landwirtschaft und Fischerei) gesandt hätten, von Polen wirksam befasst worden. Der in diesem Schreiben an den Rat gestellte Antrag, gemäß Art. 88 Abs. 2 Unterabs. 3 EG tätig zu werden, habe den mit Schreiben vom 12. Juni 2009 gestellten gleichlautenden Antrag ersetzt, der nach einem zwischen dem Rat und den polnischen Behörden geführten Schriftwechsel zurückgezogen worden sei. Deshalb habe der Rat zu dem Schreiben vom 12. Juni 2009 nicht Stellung nehmen können, das weder verteilt noch auf die Tagesordnung einer seiner Sitzungen oder einer Sitzung eines seiner Vorbereitungsgremien gesetzt worden sei.

39.

Dazu meine ich, dass weder bestritten worden ist noch bestritten werden kann, dass es sich bei dem Schreiben vom 12. Juni 2009 sowohl von seiner Überschrift als auch von seinem Inhalt her in jeder Hinsicht um einen Antrag nach Art. 88 Abs. 2 Unterabs. 3 EG handelt. Der Rat bestreitet nicht, das an den Präsidenten des Rates (Landwirtschaft und Fischerei) gerichtete Schreiben zusammen mit einer Mitteilung ( 24 ) der Ständigen Vertretung Polens bei der Europäischen Union erhalten zu haben, obwohl er behauptet, ohne daraus irgendwelche besonderen Schlussfolgerungen zu ziehen, es nur als Kopie und nicht im Original erhalten zu haben ( 25 ). Weder der Rat noch die polnische Regierung haben jedoch einen Beweis für ihre Behauptung erbracht, wonach der in diesem Schreiben enthaltene Antrag von den polnischen Behörden zurückgezogen worden ist. Unter diesen Umständen ist meiner Ansicht nach mit dem im Schreiben vom 12. Juni 2009 enthaltenen Antrag die Dreimonatsfrist nach Art. 88 Abs. 2 Unterabs. 4 EG ausgelöst worden, soweit sie im vorliegenden Fall anwendbar ist, und demzufolge ist die angefochtene Entscheidung nach Ablauf dieser Frist ergangen. Ebenso ist meiner Ansicht nach das Argument zurückzuweisen, das der Rat auf den Umstand stützt, dass allein der Antrag vom 28. September 2009 nach dem vorgesehenen Entscheidungsverfahren „behandelt“ worden sei. Eine etwaige Untätigkeit oder Verspätung des Rates in Bezug auf die Einleitung des internen Prüfverfahrens ist nämlich für den Zeitpunkt, zu dem die Frist nach Art. 88 Abs. 2 Unterabs. 4 EG ausgelöst wird und der mit dem Zeitpunkt der Antragstellung übereinstimmt, unerheblich.

2. Zur zweiten Rüge des ersten Klagegrundes: fehlende Zuständigkeit des Rates, nach Art. 88 Abs. 2 Unterabs. 3 EG vorzugehen

40.

Die Kommission macht im Rahmen dieser Rüge im Wesentlichen geltend, der Vorschlag zweckdienlicher Maßnahmen in Nr. 196 des Gemeinschaftsrahmens Landwirtschaft 2007‑2013 stelle zusammen mit der Zustimmung Polens zu diesem Vorschlag eine „Entscheidung“ dar, mit der die Kommission die Beihilferegelung, die durch die angefochtene Entscheidung für die gesamte Geltungsdauer des genannten Gemeinschaftsrahmens, d. h. bis zum 31. Dezember 2013, genehmigt worden sei, für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärt habe.

41.

Die von den Beteiligten vor dem Gerichtshof geführten Erörterungen werfen im Wesentlichen vier Fragen auf. Bei der ersten geht es darum, ob – wie die Kommission, vom Rat und den als Streithelfer auftretenden Mitgliedstaaten widersprochen, geltend macht – die von Polen im Jahr 2004 mitgeteilte Beihilferegelung für den Erwerb landwirtschaftlicher Flächen bis zum 31. Dezember 2009 den Status als „bestehende Beihilfe“ beibehalten hat und insofern Gegenstand für den Vorschlag zweckdienlicher Maßnahmen in Nr. 196 des Gemeinschaftsrahmens Landwirtschaft 2007‑2013 sein konnte (siehe unten, Buchst. a). Bei der zweiten Frage geht es um den Status der durch die angefochtene Entscheidung genehmigten Beihilferegelung und insbesondere darum, ob diese Regelung, wie die Kommission geltend macht, mit derjenigen übereinstimmt, die Gegenstand des Vorschlags zweckdienlicher Maßnahmen in Nr. 196 des genannten Gemeinschaftsrahmens war, oder ob sie, wie der Rat mit Unterstützung der als Streithelfer auftretenden Mitgliedstaaten vorträgt, eine neue und andersartige Beihilfe darstellt (siehe unten, Buchst. b). Die dritte Frage betrifft die Wirkungen eines Vorschlags zweckdienlicher Maßnahmen, dem der betroffene Mitgliedstaat zugestimmt hat (siehe unten, Buchst. c). Die vierte Frage schließlich bezieht sich auf die Bestimmung der Tragweite des Vorschlags zweckdienlicher Maßnahmen in Nr. 196 des Gemeinschaftsrahmens Landwirtschaft 2007‑2013 und auf die Annahme dieses Vorschlags durch Polen (siehe unten, Buchst. d).

a) Zum Status der Beihilferegelung, die von Polen für den Erwerb landwirtschaftlicher Flächen bis zum 31. Dezember 2009 erlassen wurde

42.

Die Auffassung der Kommission geht von der Annahme aus, dass die von Polen vor dem Beitritt zur Gemeinschaft eingeführten Maßnahmen zur Förderung von Investitionen in den Erwerb landwirtschaftlicher Flächen vom Zeitpunkt ihrer Mitteilung an die Kommission im Jahr 2004 an bis zum 31. Dezember 2009 stets eine bestehende Beihilfe im Sinne von Art. 88 Abs. 1 EG gewesen seien. Der Rat ist demgegenüber der Auffassung, dass die von Polen im Jahr 2004 angemeldeten Beihilferegelungen gemäß Anhang IV Kapitel 4 Ziff. 4 der Beitrittsakte von 2003 erst ab Ende des dritten Jahrs nach dem Beitritt als bestehende Beihilfen anzusehen seien. Die Kommission sei nicht befugt, die Anwendung dieser Regelungen im Wege eines Vorschlags zweckdienlicher Maßnahmen im Sinne von Art. 88 Abs. 1 EG zu verlängern, wie sie es in Nr. 196 des Gemeinschaftsrahmens Landwirtschaft 2007‑2013 getan habe. Außerdem könne ein solcher Vorschlag keine Änderung der primärrechtlichen Bestimmungen – hier der Regelung in Anhang IV der Beitrittsakte von 2003 – zur Folge haben.

43.

Ich halte das Vorbringen des Rates nicht für stichhaltig.

44.

Anhang IV Kapitel 4 Ziff. 4 der Beitrittsakte von 2003 sieht vor, dass in den neuen Mitgliedstaaten angewandte und der Kommission mitgeteilte Beihilfemaßnahmen für die Landwirtschaft „bis zum Ende des dritten Jahres nach dem Tag des Beitritts als ‚bestehende‘ Beihilfen im Sinne des Artikels 88 Absatz 1 [EG] betrachtet werden“ und dass danach „jede Beihilfe, die als nicht mit diesen Leitlinien vereinbar angesehen wird, als neue Beihilfe betrachtet [wird]“. Dieser Bestimmung ist im Umkehrschluss zu entnehmen, dass Beihilfemaßnahmen, die am Ende des genannten Zeitraums, d. h. am 30. April 2007, mit dem Gemeinschaftsrahmen vereinbar waren, ihren Status als bestehende Beihilfen über diesen Zeitpunkt hinaus behalten haben.

45.

Der Gemeinschaftsrahmen Landwirtschaft 2007‑2013 gilt gemäß seiner Nr. 194 ab 1. Januar 2007. In Nr. 195 dieses Gemeinschaftsrahmens wurde jedoch eine spezifische Regelung für bestehende Beihilfen im Sinne von Anhang IV Kapitel 4 Ziff. 4 der Beitrittsakte von 2003 eingeführt, wonach der bis zum 31. Dezember 2006 geltende Gemeinschaftsrahmen, d. h. der Gemeinschaftsrahmen Landwirtschaft von 2000, zum Zweck der Beurteilung dieser Beihilfen bis zum 31. Dezember 2007 seine Gültigkeit behält. Außerdem hat die Kommission allen Mitgliedstaaten in Nr. 196 des Gemeinschaftsrahmens Landwirtschaft 2007‑2013 eine am 31. Dezember 2009 ausgelaufene zweijährige Übergangszeit eingeräumt, damit sie ihre in den jeweiligen Rechtsordnungen geltenden Beihilferegelungen für den Erwerb landwirtschaftlicher Flächen schrittweise an den neuen Gemeinschaftsrahmen anpassen können.

46.

Wie ich in Nr. 12 der vorliegenden Schlussanträge festgestellt habe, umfasste der bis zum 31. Dezember 2007 für Beihilfen im Sinne von Nr. 195 des Gemeinschaftsrahmens Landwirtschaft 2007‑2013 geltende Gemeinschaftsrahmen Landwirtschaft 2000 den Erwerb landwirtschaftlicher Flächen, die für Investitionsbeihilfen zugunsten landwirtschaftlicher Betriebe in Betracht kamen. Daraus folgt, dass die von Polen im Jahr 2004 mitgeteilten Beihilfemaßnahmen für den Erwerb landwirtschaftlicher Flächen bei Ablauf der nach Anhang IV Kapitel 4 Ziff. 4 der Beitrittsakte von 2003 – d. h. am 30. April 2007 – vorgesehenen Dreijahresfrist mit dem für sie geltenden Gemeinschaftsrahmen vereinbar waren ( 26 ) und daher ihren Status als bestehende Beihilfen bis zum 31. Dezember 2007 behalten haben, dem Zeitpunkt, ab dem sie nicht mehr unter den Gemeinschaftsrahmen Landwirtschaft 2000 fielen. Die genannten Maßnahmen waren daher gemäß Nr. 196 des Gemeinschaftsrahmens Landwirtschaft 2007‑2013 über den 31. Dezember 2007 hinaus als bestehende Beihilfen anzusehen.

47.

Nach alledem hat die Kommission dadurch, dass sie, wie der Rat geltend macht, die Anwendung der Beihilferegelungen über die nach Anhang IV Kapitel 4 Ziff. 4 der Beitrittsakte von 2003 vorgesehene Frist hinaus verlängert hat, als diese Beihilferegelungen als neue Beihilfen hätten eingestuft werden müssen, da sie nicht mehr mit dem geltenden Gemeinschaftsrahmen vereinbar waren, weder gegen die nach Art. 88 Abs. 1 und 2 EG vorgesehenen Verfahren verstoßen noch durch den Gemeinschaftsrahmen Landwirtschaft 2007‑2013 eine Änderung primärrechtlicher Bestimmungen vorgenommen. Sie hat nämlich in Nr. 196 des genannten Gemeinschaftsrahmens lediglich die Anwendung der Beurteilungskriterien dieser Regelungen in zeitlicher Hinsicht geändert und dadurch gemäß der bereits genannten Vorschrift des Anhangs IV der Beitrittsakte von 2003 verhindert, dass diese Beihilferegelungen ihre Einstufung als bestehende Beihilfen verlieren.

48.

Deshalb ist dem Vorbringen der Kommission folgend festzustellen, dass die von Polen 2004 mitgeteilten Beihilferegelungen für den Erwerb landwirtschaftlicher Flächen ihren Status als bestehende Beihilfen im Sinne von Anhang IV Kapitel 4 Ziff. 4 der Beitrittsakte von 2003 bis zum 31. Dezember 2009 beibehalten haben, d. h. bis zu dem Zeitpunkt, bis zu dem sie gemäß Nr. 196 des Gemeinschaftsrahmens Landwirtschaft 2007‑2013 mit diesem Gemeinschaftsrahmen in Einklang gebracht werden mussten. Daraus ergibt sich, dass diese Regelungen durchaus Gegenstand zweckdienlicher Maßnahmen im Sinne von Art. 88 Abs. 1 EG und Art. 18 der Verordnung Nr. 659/1999 sein konnten.

b) Zu der durch die angefochtene Entscheidung genehmigten Beihilferegelung

49.

Der Rat macht mit Unterstützung der polnischen Regierung geltend, die durch die angefochtene Entscheidung genehmigte Beihilferegelung für den Erwerb landwirtschaftlicher Flächen sei auf jeden Fall als eine „neue Beihilfe“ einzustufen, weil sie sich in einer Reihe von Punkten von der Beihilferegelung unterscheide, zu der sich die Kommission geäußert habe, und weil sie am 1. Januar 2010 ihre Eigenschaft als bestehende Beihilfe verloren habe, da Polen sie nicht bis zum 31. Dezember 2009 geändert habe.

50.

Zunächst möchte ich dazu feststellen, dass der bloße Umstand, dass die von der angefochtenen Entscheidung betroffene fragliche Beihilfe entgegen der vom Rat offenbar vertretenen Auffassung als „neue“ Beihilfe im Sinne von Art. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 659/1999 einzustufen ist, nicht darauf schließen lässt, dass der Rat mit dem Erlass dieser Entscheidung im Rahmen seiner ihm in Art. 88 Abs. 2 Unterabs. 3 EG eingeräumten Zuständigkeit gehandelt hätte. Der Gerichtshof hat im Urteil vom 29. Juni 2004, Kommission/Rat, nämlich ein ähnliches Vorbringen des Rates ( 27 ) zurückgewiesen und stattdessen unter Hinweis auf die Prüfung der Auswirkungen der fraglichen Maßnahmen festgestellt, dass die Zuständigkeit des Rates nach Art. 88 Abs. 2 Unterabs. 3 EG nicht nur in Bezug auf eine Beihilfemaßnahme, die die Kommission bereits für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärt hat, sondern auch in Bezug auf eine andere Maßnahme, die als „neue Beihilfe“ eingestuft werden kann, auszuschließen ist, soweit diese beiden Maßnahmen so untrennbar miteinander verbunden sind, dass eine Unterscheidung zwischen ihnen willkürlich erscheint.

51.

Somit steht zwischen den Beteiligten unstreitig fest, dass sich sowohl die vom Rat genehmigte Beihilferegelung als auch die von Polen im Jahr 2004 angemeldete und bis zum 31. Dezember 2009 als bestehende Beihilfe durchgeführte Beihilfemaßnahme auf Zuschüsse für die Zahlung von Zinsen für Kredite zum Erwerb landwirtschaftlicher Flächen bezieht. Außerdem wird in den Schreiben der polnischen Behörden an den Rat vom 12. Juni und 28. September 2009 in mehreren Abschnitten ausdrücklich auf das Erfordernis hingewiesen, Polen bis zum 31. Dezember 2013 die Möglichkeit„einzuräumen“ oder zu „erhalten“, Beihilfen für den Erwerb landwirtschaftlicher Nutzflächen ( 28 ) zu gewähren, oder auch diese Beihilfen im Zeitraum 2010 bis 2013 „weiterhin zu gewähren“ ( 29 ). Auf dieses Erfordernis hatten diese Behörden bereits bei den Konsultationen im Hinblick auf den Erlass des Gemeinschaftsrahmens Landwirtschaft 2007‑2013 nachdrücklich hingewiesen (siehe oben, Nrn. 19 f.).

52.

In diesem Zusammenhang führen der Rat und die polnische Regierung in Bezug auf die vom Rat genehmigte Regelung lediglich aus, diese habe i) eine andere zeitliche Wirkung als die, die in Nr. 196 des Gemeinschaftsrahmens Landwirtschaft 2007‑2013 berücksichtigt worden sei; ii) sie betreffe andere Empfänger; iii) sie sei in einem anderen Regelungsrahmen eingeführt worden, und iv) sie sei unter Berücksichtigung von Umständen beurteilt worden, die zum Zeitpunkt der Verabschiedung des Gemeinschaftsrahmens Landwirtschaft 2007‑2013 nicht bestanden hätten.

53.

Zum ersten der vorgenannten Aspekte möchte ich bemerken, dass sich weder aus den Akten ergibt noch vom Rat oder der polnischen Regierung geltend gemacht wird, dass die von Polen im Jahr 2004 mitgeteilte Beihilferegelung für den Erwerb landwirtschaftlicher Flächen für eine bestimmte Dauer eingeführt worden sei. Die wiederholten Versuche, die Kommission dazu zu veranlassen, für diese Art von Beihilfen in den Gemeinschaftsrahmen Landwirtschaft 2007‑2013 eine ähnliche Bestimmung wie die im vorherigen Gemeinschaftsrahmen enthaltene aufzunehmen, zeigen vielmehr die klare Absicht der polnischen Behörden, die genannte Regelung über den gesamten Zeitraum des neuen Gemeinschaftsrahmens und damit über den von der Kommission festgelegten 31. Dezember 2009 hinaus aufrechtzuerhalten. Es kann daher nicht behauptet werden, die von Polen im Jahr 2004 angemeldete Regelung habe eine andere zeitliche Wirkung als die gehabt, um die es in der angefochtenen Entscheidung gehe. Im Übrigen erinnere ich daran, dass nach Nr. 196 des Gemeinschaftsrahmens Landwirtschaft 2007‑2013 die in den Mitgliedstaaten bestehenden Beihilferegelungen für den Erwerb landwirtschaftlicher Flächen im Einklang mit den Bestimmungen dieses Gemeinschaftsrahmens vom 1. Januar 2010 bis zum 31. Dezember 2013 anzuwenden sind. Abgesehen von den Wirkungen einer solchen Bestimmung, auf die ich später eingehen werde, gilt diese zweifellos für Beihilfen, die sich auf den in der angefochtenen Entscheidung maßgeblichen Zeitraum beziehen. Jedenfalls hat der Gerichtshof in Randnr. 36 seines Urteils vom 22. Juni 2006 den Umstand, dass die vom Rat genehmigte Beihilferegelung eine andere zeitliche Geltung als die von der Kommission für unvereinbar erklärte hat, als nicht zwangsläufig erheblich für die Feststellung angesehen, dass die Entscheidung des Rates derjenigen der Kommission widerspricht.

54.

Ebenso wenig stichhaltig ist auch das Vorbringen, die Beihilferegelung, auf die sich die angefochtene Entscheidung beziehe, betreffe andere Empfänger als die, die gestützt auf die von Polen im Jahr 2004 angemeldete Regelung einen Antrag gestellt hätten. Da nämlich nichts dafür spricht, dass die Beihilfen im Rahmen dieser Regelungen aufgrund objektiv anderer Voraussetzungen gewährt wurden, ist der bloße Umstand, dass diese Beihilfen im Einzelfall anderen Personen als denen zugutekommen könnten, denen sie bereits zuerkannt wurden, oder Personen die ursprünglich zwar nicht zu den potenziellen Empfängern gehörten, diesen jedoch in der Folge aufgrund einer Änderung ihrer sachlichen oder rechtlichen Situation hinzugereiht wurden, als eine normale Wirkung der Anwendung einer Beihilferegelung im Laufe der Zeit anzusehen. Das Gleiche gilt für den Fall, dass die geltende Regelung ausdrücklich vorsieht, dass eine Person, die bereits eine Beihilfe erhalten hat, im Rahmen derselben Regelung nicht erneut eine Beihilfe beantragen kann ( 30 ).

55.

Was das Vorbringen angeht, die durch die angefochtene Entscheidung genehmigten Beihilfen seien in einem neuen nationalen Regelungsrahmen eingeführt worden, möchte ich darauf hinweisen, dass die Verordnung des Ministerrats vom 6. Januar 2010, deren Fundstelle die polnische Regierung erst in ihrem Streithilfeschriftsatz nennt, meinen Untersuchungen zufolge lediglich einige Vorschriften der Verordnung des Ministerrats vom 22. Januar 2009 über einige Aufgaben des Amtes für die Umstrukturierung und Modernisierung der Landwirtschaft in Bezug auf Fälle erläutert, in denen die fraglichen Beihilfen nicht gewährt werden können, weil der Vertrag über den Verkauf einer Fläche von Personen geschlossen wurde, die miteinander verwandt oder durch eine Rechtsnachfolge miteinander verbunden sind. Diese Verordnung nennt im Übrigen die Verordnung des Landwirtschaftsministers vom 19. Juni 2007 als rechtlichen Bezugsrahmen für die rechtliche Regelung von Beihilfen im Agrarsektor ( 31 ). Demzufolge handelte es sich, obwohl durch den von der polnischen Regierung angeführten Rechtsakt im Jahr 2010 die Modalitäten für die Gewährung von Beihilfen für den Erwerb landwirtschaftlicher Flächen tatsächlich geändert wurden, um eine geringfügige Änderung, die das Vorbringen der Kommission nicht in Frage stellt, wonach diese Beihilfen weiterhin in einem rechtlichen Rahmen gewährt würden, der im Verhältnis zu dem, der am 31. Dezember 2009 gegolten habe, weitgehend unverändert geblieben sei.

56.

Das Argument, die angefochtene Entscheidung sei unter Berücksichtigung von Umständen erlassen worden, die zum Zeitpunkt der Verabschiedung des Gemeinschaftsrahmens Landwirtschaft 2007‑2013 nicht bestanden hätten, geht meines Erachtens, soweit es auf die von der Kommission und vom Rat vorgetragenen Gesichtspunkte Bezug nimmt, um nachzuweisen, dass sich diese Organe zu verschiedenen Regelungen geäußert hätten, offensichtlich ins Leere.

57.

Was schließlich das Argument angeht, seit dem 1. Januar 2010 handele es sich bei der in Polen angewandten Beihilferegelung für den Erwerb landwirtschaftlicher Flächen um eine „neue Beihilfe“, da dieser Mitgliedstaat die im Gemeinschaftsrahmen Landwirtschaft 2007‑2013 vorgeschlagenen zweckdienlichen Maßnahmen nicht zum 31. Dezember 2009 ergriffen habe, ist zum einen festzustellen, dass eine solche Beurteilung keinen Einfluss auf die Regelung als solche hat, und zum anderen, dass es, wie ich in Nr. 50 der vorliegenden Schlussanträge ausgeführt habe, nicht ausreicht, lediglich die Befugnis des Rates zum Erlass der angefochtenen Entscheidung nachzuweisen, namentlich in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem erwiesen ist, dass der Rat und die Kommission sich zu Maßnahmen geäußert haben, die im Wesentlichen übereinstimmen.

58.

Nach alledem ist festzustellen, dass das Vorbringen des Rates und Polens nicht in Frage stellen kann, dass – wie sich aus der Prüfung der Akten ergibt – die in diesem Mitgliedstaat geltende Beihilferegelung für den Erwerb landwirtschaftlicher Flächen, die Gegenstand des Vorschlags für zweckdienliche Maßnahmen in Nr. 196 des Gemeinschaftsrahmens Landwirtschaft 2007‑2013 ist, auf der einen und die durch die angefochtene Entscheidung genehmigte Regelung auf der anderen Seite im Wesentlichen übereinstimmen.

59.

Daher bleibt noch zu prüfen, ob die Kommission hinsichtlich der Vereinbarkeit der fraglichen Regelung mit dem Gemeinsamen Markt einen endgültigen Standpunkt eingenommen hatte, so dass die Zuständigkeit des Rates nach Art. 88 Abs. 2 Unterabs. 3 EG ausgeschlossen war.

c) Zu den Wirkungen eines vom betroffenen Mitgliedstaat angenommenen Vorschlags zweckdienlicher Maßnahmen

60.

Die Kommission vertritt die Auffassung, die Wirkungen von Nr. 196 des Gemeinschaftsrahmens Landwirtschaft 2007‑2013 in Verbindung mit der Zustimmung der Mitgliedstaaten zu den in dieser Nr. 196 vorgeschlagenen zweckdienlichen Maßnahmen seien mit einem Bündel von Einzelfallentscheidungen zu vergleichen, durch die die nach dem 31. Dezember 2009 nicht mit diesem Gemeinschaftsrahmen konformen Beihilferegelungen für den Erwerb landwirtschaftlicher Flächen für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärt würden. Die Tatsache, dass es sich nicht um Einzelfallentscheidungen handele, ändere nichts daran, dass die Kommission ihre Stellungnahme zur Vereinbarkeit dieser Regelungen abgegeben habe, indem sie ihr Ermessen im Wege des Gemeinschaftsrahmens ausgeübt habe, anstatt dies in Einzelfällen zu tun. Polen sei im vorliegenden Fall durch die Entscheidung über seine bestehenden Beihilferegelungen für den Erwerb landwirtschaftlicher Flächen verpflichtet gewesen, diese Regelungen bis zum 31. Dezember 2009 aufzuheben und danach bis zum 31. Dezember 2013 keine derartigen Regelungen mehr erneut einzuführen. Daraus folge, dass der Rat nach den vom Gerichtshof in den Urteilen vom 29. Juni 2004, Kommission/Rat, und vom 22. Juni 2006, Kommission/Rat, aufgestellten Grundsätzen (siehe oben, Nrn. 29 f.) nicht befugt gewesen sei, eine Entscheidung zu erlassen, durch die Polen erneut ermächtigt werde, derartige Beihilfen zu gewähren.

61.

Der Rat, unterstützt von der polnischen Regierung, erwidert, dass die Kommission im vorliegenden Fall im Gegensatz zu den vorgenannten Rechtssachen keine Entscheidung über die Unvereinbarkeit von Beihilfemaßnahmen erlassen habe, die durch die angefochtene Entscheidung gebilligt worden seien. Der Gerichtshof habe außerdem in dem Urteil vom 29. Februar 1996, Kommission/Rat (siehe oben, Nr. 27), festgestellt, dass die Befugnis des Rates nach Art. 88 Abs. 2 Unterabs. 3 EG nicht durch eine bloße Stellungnahme der Kommission zur Vereinbarkeit einer Beihilfe entfallen könne. Der Rat meint, die Kommission habe zur Vereinbarkeit der in Polen vom 1. Januar 2010 bis zum 31. Dezember 2013 geltenden Beihilferegelungen für den Erwerb landwirtschaftlicher Flächen keine Stellungnahme abgegeben, weder in Form einer Entscheidung noch in Form einer einfachen Stellungnahme. Nr. 196 in Verbindung mit Nr. 29 des Gemeinschaftsrahmens Landwirtschaft 2007‑2013 habe lediglich zur Folge, dass ab 1. Januar 2010 jede Beihilfe für den Erwerb landwirtschaftlicher Flächen als neue Beihilfe anzusehen sei. Deren Vereinbarkeit sei nach den Art. 87 und 88 EG zu beurteilen, es sei denn, dass eine Ausnahme gemäß der Verordnung Nr. 1857/2006 vorliege.

62.

Meiner Ansicht nach besaß die Kommission nach Art. 88 EG genauso wie nach dem jetzigen Art. 108 AEUV die allgemeine Zuständigkeit für Entscheidungen über die Vereinbarkeit staatlicher Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt, und zwar sowohl für die Prüfung bestehender Beihilferegelungen als auch für die Genehmigung neuer Beihilfen. Die Kommission war in Ausübung dieser Befugnis gemäß Abs. 1 dieser Vorschrift verpflichtet, fortlaufend in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten alle bestehenden Beihilferegelungen zu überprüfen.

63.

Die Modalitäten dieser Überprüfung sind im Wesentlichen in den Art. 17 bis 19 der Verordnung Nr. 659/1999 festgelegt: Gelangt die Kommission zu der vorläufigen Auffassung, dass eine bestehende Beihilferegelung nicht oder nicht mehr mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar ist, so schlägt sie dem betreffenden Mitgliedstaat die zur Beseitigung der festgestellten Probleme erforderlichen Maßnahmen vor, einschließlich, gegebenenfalls, der Aufhebung der Regelung, und falls der Mitgliedstaat das nicht akzeptiert, leitet sie das förmliche Prüfverfahren nach Art. 88 Abs. 2 EG ein.

64.

Die fortlaufende Überprüfung der bestehenden Beihilferegelungen ebenso wie die Prüfung neuer Beihilfevorhaben oder von Vorhaben zur Änderung von Beihilfen nach Art. 88 Abs. 3 EG umfasst somit zwei Phasen, von denen die zweite nur Eventualcharakter hat. Während die Kommission jedoch im Fall neuer Beihilfen, außer wenn der betroffene Mitgliedstaat die Anmeldung zurückzieht, das förmliche Prüfverfahren einleiten muss, falls sie erhebliche Zweifel an der Vereinbarkeit der mitgeteilten Beihilfe mit dem Gemeinsamen Binnenmarkt hat oder von ihrer Unvereinbarkeit überzeugt ist, wird dieses Verfahren bei bestehenden Beihilfen nur dann eingeleitet, wenn und soweit der betroffene Mitgliedstaat sich weigert, die vorgeschlagenen Maßnahmen zu ergreifen. Stimmt der betroffene Mitgliedstaat zu, ist er nämlich nach Art. 19 Abs. 1 der Verordnung Nr. 659/1999 zur Durchführung dieser Maßnahmen verpflichtet, ohne dass die Kommission gegen ihn eine verbindliche Entscheidung ergehen lassen muss. Die Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens dient also im Rahmen der Prüfung bestehender Beihilfen hauptsächlich dazu, der Feststellung der Unvereinbarkeit, auf deren Grundlage die Kommission zweckdienliche Maßnahmen empfohlen hat, verbindlichen Charakter zu verleihen, da diese Feststellung als solche, ohne die Zustimmung des betroffenen Mitgliedstaats, keine Bindungswirkung hat ( 32 ).

65.

Da Polen im vorliegenden Fall den in Nr. 196 des Gemeinschaftsrahmens Landwirtschaft 2007‑2013 enthaltenen Vorschlag zweckdienlicher Maßnahmen akzeptiert hat, brauchte die Kommission das Verfahren nach Art. 88 Abs. 2 EG nicht einzuleiten. Es ist jedoch unstreitig, dass die polnischen Behörden diese Maßnahmen nicht durchgeführt und stattdessen den Rat ersucht haben, eine Entscheidung nach Art. 88 Abs. 2 Unterabs. 3 EG ergehen zu lassen. Unter diesen Umständen ist daher zu prüfen, welche Folgen eine etwaige Verletzung der den Mitgliedstaaten nach Art. 19 Abs. 1 der Verordnung Nr. 659/1999 obliegenden Verpflichtung hat, die von der Kommission empfohlenen und von den Mitgliedstaaten akzeptierten Maßnahmen durchzuführen. Insbesondere ist zu prüfen, ob die Kommission, wie der Rat und die polnische Regierung geltend machen, unter diesen Umständen verpflichtet war, das förmliche Prüfverfahren einzuleiten. Falls das zu bejahen ist, wäre die Verletzung der nach Art. 19 Abs. 1 der Verordnung Nr. 659/1999 vorgesehenen Verpflichtung einer Ablehnung der vorgeschlagenen Maßnahmen gleichzustellen, und die Stellungnahme der Kommission wäre nicht als endgültig anzusehen. Die Wirkungen eines Vorschlags zweckdienlicher Maßnahmen, denen der Mitgliedstaat zunächst zugestimmt hat, ohne danach jedoch etwas zu unternehmen, wären daher nicht anders als die einer Entscheidung über die Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens in Bezug auf ein Beihilfevorhaben, das auf den ersten Blick für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar gehalten wurde. Diese Entscheidung kann nach Ansicht des Gerichtshofs als solche die Zuständigkeit des Rates nach Art. 88 Abs. 2 Unterabs. 3 EG nicht ausschließen ( 33 ). Falls die Frage jedoch zu verneinen ist, hätte die Zustimmung des Mitgliedstaats zu dem Vorschlag zweckdienlicher Maßnahmen dieselben oder ähnliche Wirkungen wie eine auf Art. 88 Abs. 2 Unterabs. 1 EG gestützte Unvereinbarkeitsentscheidung ( 34 ), und die vorstehend in den Nrn. 29 f. angeführte Rechtsprechung wäre auf den vorliegenden Fall übertragbar.

66.

Der Wortlaut von Art. 19 der Verordnung Nr. 659/1999 enthält nichts, was für das eine oder das andere Ergebnis spräche. Insbesondere ist nach Abs. 2 dieser Vorschrift, der sich allgemein auf den Fall bezieht, dass der Mitgliedstaat „den vorgeschlagenen Maßnahmen nicht zustimmt“, nicht von vornherein auszuschließen, dass er auch für den Fall gilt, dass die Weigerung erfolgt, nachdem der Mitgliedstaat diese Maßnahmen anfänglich akzeptiert hatte. Die Gliederung dieses Artikels in zwei verschiedene Absätze, von denen jeder einen spezifischen Fall behandelt (Annahme des Vorschlags in Abs. 1 und Zurückweisung des Vorschlags in Abs. 2), enthält jedoch ein systematisches Argument zugunsten der Auffassung, dass die Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens nicht erforderlich ist, wenn sich der Mitgliedstaat und die Kommission von vornherein nicht über die zu ergreifenden Maßnahmen einig sind. Der Rechtsprechung des Gerichtshofs sind weitere Gesichtspunkte zugunsten dieser Auffassung zu entnehmen. So hat der Gerichtshof im Urteil IJssel-Vliet ( 35 ) unter Hinweis auf ein früheres Urteil in der Rechtssache CIRFS u. a./Kommission ( 36 ) in Bezug auf die Niederlande anerkannt, dass die Bedingungen für die Gewährung von Beihilfen im Fischereisektor, die nach dem von der Kommission gestützt auf Art. 93 Abs. 1 EG aufgestellten Gemeinschaftsrahmen vorgesehen sind, der in Zusammenarbeit mit diesem Mitgliedstaat erstellt und von diesem ausdrücklich akzeptiert wurde, verbindlichen Charakter haben. Der Gerichtshof ist zu diesem Ergebnis gekommen, indem er insbesondere darauf abgestellt hat, dass die Kommission und die niederländische Regierung „zusammengewirkt“ hatten und sich weder der eine noch der andere Teil von dieser Zusammenarbeit einseitig freimachen konnte ( 37 ).

67.

Aufgrund dieser Rechtsprechung bildet meiner Ansicht nach der besondere Rahmen der Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten, der nach dem Vertrag selbst gewollt und sogar vorgeschrieben ist, den Schlüssel für die Auslegung des gesamten Systems der Überwachung und Prüfung bestehender Beihilferegelungen. In diesem Rahmen haben nämlich zunächst der Gerichtshof und danach der Gesetzgeber den verbindlichen Charakter des aus dieser Zusammenarbeit resultierenden Rechtsakts anerkannt. In demselben Kontext ist meines Erachtens daher die Kommission befugt, gegen den Mitgliedstaat, der der von ihm selbst eingegangenen Verpflichtung, die von der Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen durchzuführen, nicht nachkommt, ein Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten ( 38 ). Es wäre nämlich mit den Wirkungen eines Vorschlags zweckdienlicher Maßnahmen, der von dem Mitgliedstaat, an den der Vorschlag gerichtet war, akzeptiert wurde, unvereinbar, der Kommission in einem solchen Fall als einziges Mittel die Einleitung des Verfahrens nach Art. 88 Abs. 2 EG zuzugestehen. Im Übrigen könnte der betroffene Mitgliedstaat dann weiterhin, trotz der von ihm zuvor eingegangenen Verpflichtung, während der gesamten Dauer dieses Verfahrens Beihilfen nach der bestehenden Regelung gewähren.

68.

Außerdem ist daran zu erinnern, dass die Kommission ihren Vorschlag zweckdienlicher Maßnahmen nach Abschluss einer Prüfung der fraglichen Regelung unterbreitet hat und dass dieser Vorschlag gemäß Art. 18 der Verordnung Nr. 659/1999 die vorherige Feststellung voraussetzt, dass die Regelung, wie sie von dem betreffenden Mitgliedstaat angewendet wird, mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar ist. Falls diese Maßnahmen es erforderlich machen, einige Aspekte der fraglichen Regelung zu ändern, ist diese Änderung für die Kommission eine notwendige Voraussetzung, um dem Mitgliedstaat erlauben zu können, weiterhin Beihilfen nach der bestehenden Regelung zu gewähren. Daraus folgt, dass die Kommission, wenn sie, nachdem die zweckdienlichen Maßnahmen akzeptiert wurden, das Prüfverfahren abschließt, zu der fraglichen Regelung förmlich Stellung genommen hat. Dies ist eine Stellungnahme in dem Sinne, dass die fragliche Regelung, sofern der betroffene Mitgliedstaat die vorgeschlagenen Maßnahmen durchführt, mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar ist oder, wenn er diese Maßnahmen nicht durchführt, mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar ist ( 39 ).

69.

Aus diesen Gründen bin ich, wenn der Mitgliedstaat sich verpflichtet, die von der Kommission vorgeschlagenen zweckdienlichen Maßnahmen durchzuführen, der Auffassung, dass ihre Stellungnahme zur Vereinbarkeit der fraglichen Beihilferegelung endgültigen Charakter hat und dass die fragliche Regelung bei einem Verstoß gegen diese Verpflichtung als mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar anzusehen ist ( 40 ).

70.

Wäre ein vom betroffenen Mitgliedstaat akzeptierter Vorschlag zweckdienlicher Maßnahmen eine endgültige Stellungnahme der Kommission zur Vereinbarkeit der fraglichen Beihilferegelung, so würde dies auch die heikle Frage nach der Anfechtbarkeit dieses Rechtsakts im Sinne von Art. 230 EG (jetzt Art. 263 AEUV) aufwerfen. Das Recht einer durch diese Stellungnahme verletzten Person, deren Nichtigerklärung zu verlangen und zu erwirken, ergibt sich anscheinend zwar logisch aus deren Wesen als Rechtsakt, der verbindliche Rechtswirkungen entfaltet, doch ist zu bedenken, dass diese Wirkungen durch die Handlung eines Dritten entstehen (Zustimmung durch den Mitgliedstaat), worauf die Kommission keinen Einfluss hat, während die einzige Handlung der Kommission selbst (der Vorschlag zweckdienlicher Maßnahmen) eine Empfehlung darstellt, die als solche unverbindlich ist ( 41 ).

71.

Ich meine dazu, dass das Verfahren nach den Art. 18 und 19 der Verordnung Nr. 659/1999 in seiner Gesamtheit und in dem besonderen, vom Vertrag gewollten Kontext der Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten zu sehen ist, auf dem, wie erwähnt, das gesamte System der Überwachung bestehender Beihilferegelungen beruht. Im Rahmen dieses Verfahrens sind die von der Kommission vorgeschlagenen zweckdienlichen Maßnahmen für den betroffenen Mitgliedstaat nicht verbindlich; es steht ihm frei, den Vorschlag zu akzeptieren und sich zur Durchführung dieser Maßnahmen zu verpflichten, oder ihn abzulehnen und ein Verfahren nach Art. 88 Abs. 2 EG in Kauf zu nehmen. Die Zustimmung durch den Mitgliedstaat ist jedoch gemäß Art. 19 Abs. 1 der Verordnung Nr. 659/1999 eine empfangsbedürftige Willenserklärung, d. h., sie entfaltet keine Wirkung, wenn sie der Kommission nicht übermittelt und von dieser nicht förmlich zur Kenntnis genommen wurde und wenn die Kommission den Mitgliedstaat hiervon nicht unterrichtet hat ( 42 ). Die zwingende Wirkung des Vorschlags zweckdienlicher Maßnahmen geht daher letztlich auf eine Handlung der Kommission zurück ( 43 ). Anders gesagt, aufgrund der Zustimmung des betroffenen Mitgliedstaats, der Kenntnisnahme der Kommission von dieser Zustimmung und der Unterrichtung des Mitgliedstaats von dieser Kenntnisnahme ist der Vorschlag zweckdienlicher Maßnahmen nicht mehr eine bloße Empfehlung – d. h. ein seinem Wesen nach nicht verbindlicher Rechtsakt ( 44 ), der demzufolge nicht angefochten werden kann ( 45 ) – und entfaltet dieselben Wirkungen wie eine Entscheidung ( 46 ). Die von einem solchen Rechtsakt betroffenen Personen (Beihilfeempfänger, deren Wettbewerber, Gebietskörperschaften, die die Beihilfen gewähren, usw.) müssen daher unter den nach Art. 230 Abs. 4 EG vorgesehenen Voraussetzungen einen Rechtsbehelf einlegen können. Der Gerichtshof neigt in seinem Urteil vom 18. Juni 2002, Deutschland/Kommission ( 47 ), offenbar zu derselben Auffassung, während das Gericht unlängst ausdrücklich festgestellt hat, dass ein Vorschlag zweckdienlicher Maßnahmen, dem ein Mitgliedstaat zugestimmt hat, ein unanfechtbarer Rechtsakt im Sinne von Art. 230 Abs. 4 EG sei ( 48 ).

72.

Aus all diesen Gründen stimme ich der Auffassung der Kommission zu, dass ein Vorschlag zweckdienlicher Maßnahmen, dem der Mitgliedstaat, an den er gerichtet ist, zugestimmt hat, eine endgültige Stellungnahme der Kommission zur Vereinbarkeit der fraglichen Beihilferegelung darstellt, die verbindliche Rechtswirkungen wie eine Entscheidung entfaltet. Ein solcher Rechtsakt kann daher nach der in den Nrn. 29 f. der vorliegenden Schlussanträge angeführten Rechtsprechung des Gerichtshofs dem Erlass einer mit ihm unvereinbaren Entscheidung gemäß Art. 88 Abs. 2 Unterabs. 3 EG entgegenstehen.

73.

An dieser Stelle ist nun die Tragweite der von der Kommission im Rahmen des Vorschlags zweckdienlicher Maßnahmen in Nr. 196 des Gemeinschaftsrahmens Landwirtschaft 2007‑2013 abgegebenen Stellungnahme zur Vereinbarkeit der Beihilfen für den Erwerb landwirtschaftlicher Flächen einerseits und der von Polen durch die Zustimmung zu diesem Vorschlag übernommenen Verpflichtungen andererseits zu klären. Die Feststellung einer etwaigen Unzuständigkeit des Rates für den Erlass der angefochtenen Entscheidung hängt nämlich von der Antwort auf diese zwei Fragen ab.

d) Zur Tragweite der zweckdienlichen Maßnahmen nach Nr. 196 des Gemeinschaftsrahmens Landwirtschaft 2007‑2013 und der Zustimmung Polens

74.

Im Gemeinschaftsrahmen Landwirtschaft 2007‑2013 sind die Kriterien festgelegt, nach denen die Kommission in der Zeit vom 31. Dezember 2007 bis 31. Dezember 2013 Beihilfen im Agrarsektor beurteilen will. Gemäß Nr. 29 dieses Gemeinschaftsrahmens sollen Investitionsbeihilfen für landwirtschaftliche Betriebe für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt werden, wenn sie die Bedingungen von Art. 4 der Verordnung Nr. 1857/2006 erfüllen; Art. 4 Abs. 8 dieser Verordnung bestimmt: „Für den Erwerb von Grundstücken, außer für Bauzwecke, können für Kosten von bis zu 10 % der zuschussfähigen Ausgaben der Investitionen Beihilfen gewährt werden.“ Die Kommission macht somit zu Recht geltend, dass der Gemeinschaftsrahmen Landwirtschaft 2007‑2013 eine Stellungnahme beinhalte, der zufolge Investitionsbeihilfen für den Erwerb landwirtschaftlicher Flächen, die nicht im Einklang mit Art. 4 Abs. 8 der Verordnung Nr. 1857/2006 stünden, mit dem Gemeinsamen Markt grundsätzlich nicht vereinbar seien. Im Fall neuer Beihilferegelungen und neuer Einzelbeihilfen kann diese Stellungnahme als solche jedoch nicht als endgültig angesehen werden, weil die Kommission nach Nr. 183 des Gemeinschaftsrahmens verpflichtet ist, die Unvereinbarkeit derartiger Beihilfen mittels des in Art. 88 EG vorgesehenen Prüfverfahrens festzustellen und zu erklären. Wenn die Kommission also in einigen Teilen ihrer beim Gerichtshof eingereichten Schriftsätze offenbar behauptet, dass nach dem genannten Gemeinschaftsrahmen sämtliche mit diesem nicht im Einklang stehenden Investitionsbeihilfen für den Erwerb landwirtschaftlicher Flächen vom 31. Dezember 2007 bis zum 31. Dezember 2013 für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar „erklärt“ worden seien, ist dies unzutreffend. Insofern ist dem Vorbringen des Rates zuzustimmen, dass der Kommission, wenn man ihrer Auffassung folgte, entgegen dem Verfahren nach Art. 88 EG eine Regelungsbefugnis eingeräumt würde.

75.

Was die zum Zeitpunkt der Annahme des Gemeinschaftsrahmens Landwirtschaft 2007‑2013 bestehenden Beihilferegelungen zum Erwerb landwirtschaftlicher Flächen angeht, wird in Nr. 196 dieses Gemeinschaftsrahmens den Mitgliedstaaten vorgeschlagen, diese Regelungen bis zum 31. Dezember 2009 mit diesem in Einklang zu bringen. Grundlage dieses Vorschlags ist die in Nr. 29 des Gemeinschaftsrahmens Landwirtschaft enthaltene Stellungnahme, wonach derartige Beihilfen, falls sie die nach Art. 4 Abs. 8 der Verordnung Nr. 1857/2006 vorgesehenen Bedingungen nicht erfüllen, mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar sind. Im vorliegenden Fall steht fest, dass Polen der Kommission seine Zustimmung zur Durchführung der empfohlenen zweckdienlichen Maßnahmen mitgeteilt hat. Die Kommission hat diese Zustimmung gemäß Art. 26 Abs. 1 der Verordnung Nr. 659/1999 folgendermaßen bekannt gemacht:

„Gemäß Nummer 196 de[s Gemeinschaftsrahmens Landwirtschaft 2007‑2013] müssen die Mitgliedstaaten ihre bestehenden Beihilferegelungen bis spätestens 31. Dezember 2007 an die Bestimmungen de[s Gemeinschaftsrahmens] anpassen. Bestehende Beihilferegelungen … für Investitionen betreffend den Flächenkauf in landwirtschaftlichen Betrieben [müssen] bis spätestens 31. Dezember 2009 angepasst werden, um sie mit de[m Gemeinschaftsrahmen] in Einklang zu bringen.

Gemäß Nummer 197 de[s Gemeinschaftsrahmens] müssen die Mitgliedstaaten ihre Zustimmung zu den Vorschlägen für zweckdienliche Maßnahmen schriftlich bis spätestens 28. Februar 2007 bestätigen.

Die Kommission hat die Mitgliedstaaten mit Schreiben vom 29. Januar 2007 daran erinnert, dass sie den zweckdienlichen Maßnahmen zustimmen müssen.

Folgende Mitgliedstaaten haben schriftlich ihre ausdrückliche und uneingeschränkte Zustimmung zu den vorgeschlagenen zweckdienlichen Maßnahmen erteilt: …

Polen 26. Februar 2007 …

Gemäß Artikel 19 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 nimmt die Kommission Kenntnis von der ausdrücklichen und uneingeschränkten Zustimmung der oben aufgeführten Mitgliedstaaten zu den von ihr vorgeschlagenen zweckdienlichen Maßnahmen.“

76.

Inhalt und Tragweite der von Polen somit eingegangenen Verpflichtung ergeben sich somit entgegen dem Vorbringen des Rates eindeutig aus Nr. 196 in Verbindung mit Nr. 29 des Gemeinschaftsrahmens Landwirtschaft 2007‑2013 und Art. 4 Abs. 8 der Verordnung Nr. 1857/2006: Polen war verpflichtet, seine bestehenden Beihilferegelungen für Investitionen für den Erwerb landwirtschaftlicher Flächen so zu ändern, dass die Möglichkeit, für den Erwerb landwirtschaftlicher Flächen über die in Art. 4 Abs. 8 der Verordnung Nr. 1857/2006 vorgesehene Frist hinaus Beihilfen zu gewähren, entfällt.

77.

Polen hat gegen diese Verpflichtung verstoßen, indem es diese Beihilferegelungen unverändert beibehalten hat.

e) Schlussfolgerungen hinsichtlich der Zuständigkeit des Rates für den Erlass der angefochtenen Entscheidung

78.

Nach alledem hat der Rat nicht nur dadurch, dass er die Beihilfemaßnahmen genehmigt hat, die im Wesentlichen mit denen übereinstimmen, die Polen zu beseitigen zugesagt hatte, diesen Mitgliedstaat faktisch von der Verpflichtung entbunden, die dieser gegenüber der Kommission eingegangen war, und somit den Verstoß gegen eine nach Art. 88 Abs. 1 EG getroffene Vereinbarung legitimiert, sondern auch eine Entscheidung erlassen, die hinsichtlich der Vereinbarkeit dieser Maßnahmen mit dem Gemeinsamen Binnenmarkt in offenem Widerspruch zu der endgültigen Stellungnahme der Kommission in Nr. 196 des Gemeinschaftsrahmens Landwirtschaft 2007‑2013 steht.

79.

Unter diesen Umständen schlage ich dem Gerichtshof vor, der zweiten Rüge des ersten Klagegrundes stattzugeben und in Anwendung der in den Nrn. 29 f. der vorliegenden Schlussanträge angeführten Rechtsprechung festzustellen, dass der Rat keine Zuständigkeit für den Erlass der angefochtenen Entscheidung besaß. Somit ist meiner Ansicht nach der von der Kommission erhobenen Klage stattzugeben und die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären. Für den Fall, dass der Gerichtshof der von mir vorgeschlagenen Lösung nicht folgt, wende ich mich nunmehr der Prüfung der übrigen von der Kommission geltend gemachten Klagegründe zu.

C – Zum zweiten und zum dritten Klagegrund: Ermessensmissbrauch bzw. Verletzung der Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit

80.

Mit ihrem zweiten Klagegrund macht die Kommission im Wesentlichen geltend, der Rat habe dadurch, dass er die in Nr. 196 des Gemeinschaftsrahmens Landwirtschaft 2007‑2013 für mit dem Gemeinsamen Markt für unvereinbar erklärten Beihilfemaßnahmen genehmigt habe, von seiner ihm nach Art. 88 Abs. 2 Unterabs. 3 EG eingeräumten Befugnis zu anderen als den vom Vertrag vorgesehenen Zwecken Gebrauch gemacht. Diese Bestimmung ermächtige den Rat zwar, unter außergewöhnlichen Umständen eine Beihilfe, die die Kommission nicht genehmigen könne, für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar zu erklären, gebe ihm jedoch nicht die Befugnis, die von der Kommission durch einen verbindlichen Rechtsakt getroffene Beurteilung der Vereinbarkeit einer Beihilfe zu neutralisieren.

81.

Ich möchte in diesem Zusammenhang lediglich darauf hinweisen, dass dieser Klagegrund von derselben Voraussetzung wie der erste Klagegrund ausgeht, d. h., dass Nr. 196 des Gemeinschaftsrahmens Landwirtschaft 2007‑2013 zusammen mit der Zustimmung Polens zu den in diesem vorgesehenen zweckdienlichen Maßnahmen eine endgültige und verbindliche Stellungnahme der Kommission zur Vereinbarkeit von Maßnahmen mit dem Gemeinsamen Markt darstellt, die mit denjenigen, die Gegenstand der angefochtenen Entscheidung sind, im Wesentlichen übereinstimmen. Wenn daher der Gerichtshof diese Annahme meinem Vorschlag folgend für zutreffend erklären sollte, würde der Klagegrund des Ermessensmissbrauchs vom ersten Klagegrund, mit dem die Unzuständigkeit des Rates gerügt wird, absorbiert; andernfalls wäre der Klagegrund des Ermessensmissbrauchs aus denselben Gründen wie beim ersten Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen.

82.

Mit ihrem dritten Klagegrund macht die Kommission geltend, durch den Erlass der angefochtenen Entscheidung habe der Rat Polen von der Verpflichtung zur Zusammenarbeit, die diesem Staat im Rahmen der in Art. 88 Abs. 1 EG vorgesehenen fortlaufenden Überprüfung der bestehenden Beihilferegelungen obliege, und von der Verpflichtung, die Polen durch seine Zustimmung zu den von der Kommission empfohlenen zweckdienlichen Maßnahmen eingegangen sei, entbunden. Auf diese Weise habe der Rat das durch den Vertrag geschaffene institutionelle Gleichgewicht gestört, indem er in die Zuständigkeiten eingegriffen habe, die der Vertrag der Kommission zugewiesen habe. Der Rat hält diesen Klagegrund für unbegründet und wirft der Kommission seinerseits vor, die Verpflichtung zur loyalen Zusammenarbeit verletzt zu haben, indem sie es versäumt habe, in den Sitzungen des Rates (Landwirtschaft und Fischerei), in denen der Antrag Polens behandelt worden sei, die angebliche Unzuständigkeit des Rates geltend zu machen, und indem sie Polen mit Schreiben vom 15. Mai 2009 vorgeschlagen habe, sich nach Art. 88 Abs. 2 Unterabs. 3 EG an den Rat zu wenden.

83.

Der vorliegende Klagegrund scheint mir gegenüber dem ersten Klagegrund eigenständig zu sein, wenn man das Vorbringen der Kommission dahin auslegt, dass sie dem Rat, soweit er unter den vorliegenden Umständen nicht davon Abstand genommen habe, gestützt auf die ihm vom Vertrag eingeräumten Befugnisse einen Rechtsakt zu erlassen, einen Verstoß gegen den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit vorwirft. Auf den ersten Blick gesehen habe ich nicht den Eindruck, dass die Verpflichtung zur loyalen Zusammenarbeit der Organe ( 49 ) oder der Grundsatz des institutionellen Gleichgewichts, nach dem der interinstitutionelle Dialog im Rahmen des Entscheidungsfindungssystems der Union ablaufen muss, einem Organ vorschreiben kann, von einer ihm zugewiesenen Zuständigkeit, die für einen Ausnahmefall gilt und von den für den jeweiligen Sachverhalt geltenden Regeln abweicht, im Rahmen der vorgesehenen Grenzen keinen Gebrauch zu machen, damit das Organ, dem hierfür eine allgemeine Zuständigkeit eingeräumt ist, diese ausüben kann. Wollte man im vorliegenden Fall das Gegenteil behaupten, so hätte das praktisch zur Folge, dass die Schranken für die dem Rat nach Art. 88 Abs. 2 Unterabs. 3 EG zugewiesenen Zuständigkeiten gegenüber den im Vertrag vorgesehenen Schranken, die der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung erläutert hat, neu festgelegt würden.

84.

Ich stimme dagegen dem Vorbringen der Kommission zu, dass in ihrem Vorschlag an Polen, einen Antrag nach Art. 88 Abs. 2 Unterabs. 3 EG zu stellen, und im Verhalten ihrer Beamten im Laufe des Verfahrens vor dem Rat kein Verstoß gegen den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit zu sehen ist und dass sich der Rat jedenfalls nicht auf diese Umstände berufen kann, um die ihm von der Kommission vorgeworfene Verletzung dieser Pflicht zu rechtfertigen.

D – Zum vierten Klagegrund: offensichtlicher Beurteilungsfehler in Bezug auf das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände sowie Verstoß gegen den Vertrag und gegen die allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts

85.

Mit ihrem vierten Klagegrund macht die Kommission im Wesentlichen zwei Rügen geltend. Erstens sei die angefochtene Entscheidung mit einem offensichtlichen Beurteilungsfehler behaftet, da die zur Rechtfertigung der genehmigten Beihilfemaßnahmen angeführten Umstände keinen Ausnahmecharakter hätten. Zweitens stünden diese Maßnahmen außer Verhältnis zu den verfolgten Zielen, insbesondere wegen der Dauer der erteilten Genehmigung.

86.

Zunächst ist festzustellen, dass der Rat, wie die Kommission selbst unter Hinweis auf das Urteil vom 29. Februar 1996, Kommission/Rat, einräumt, bei der Anwendung von Art. 88 Abs. 2 Unterabs. 3 EG ein weites Ermessen hat, so dass es gerechtfertigt ist, die gerichtliche Kontrolle auf die Prüfung zu beschränken, ob die Ausübung dieses Ermessens „mit einem offensichtlichen Fehler oder einem Ermessensmissbrauch behaftet ist oder ob die fragliche Behörde die Grenzen ihres Ermessens offensichtlich überschritten hat“ ( 50 ). Was speziell die vom Gerichtshof vorgenommene Kontrolle der Einhaltung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit angeht, bin ich, unter Berücksichtigung des Ausnahmecharakters der fraglichen Zuständigkeit und des den Unionsorganen im Bereich der gemeinsamen Agrarpolitik eingeräumten weiten Ermessens ( 51 ), insbesondere wenn sie Wertungen wirtschaftlicher, politischer und sozialer Art vorzunehmen und die verschiedenen, dieser Politik vom Vertrag zugewiesenen Ziele miteinander in Einklang zu bringen haben, der Auffassung, dass – wie im Übrigen bereits aus dem erwähnten Urteil vom 29. Februar 1996 hervorgeht ( 52 ) ‐ die Kontrolle des Gerichtshofs sich im vorliegenden Fall auf die Prüfung der offensichtlich fehlenden Eignung der genehmigten Maßnahme in Bezug auf den vom Rat verfolgten Zweck beschränken muss.

87.

Im Hinblick auf den Begriff „außergewöhnliche Umstände“ im Sinne der genannten Vorschrift halte ich die Auslegung der Kommission für zutreffend, dass ein strukturelles und nicht lediglich konjunkturelles Problem seinem Wesen nach, zumindest isoliert betrachtet, kein solcher Umstand sein kann. Generalanwalt Cosmas hat in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache C‑122/94 zum Begriff der außergewöhnlichen Umstände festgestellt, dass er „den Gedanken des Außerordentlichen und des Unvorhergesehenen oder zumindest einer nicht ständigen und nicht fortbestehenden Situation [enthält] und natürlich einer Situation, die von der üblichen Lage abweicht“.

1. Zur ersten Rüge: offensichtlicher Beurteilungsfehler in Bezug auf das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände im Sinne von Art. 88 Abs. 2 Unterabs. 3 EG

88.

Die Kommission macht im Rahmen dieser Rüge erstens geltend, die angefochtene Entscheidung stelle einige strukturelle Probleme des Agrarsektors in Polen fälschlich als außergewöhnliche Umstände dar. In diesem Zusammenhang stimme ich zunächst mit der Kommission dahin überein, dass die Kriterien, auf die der Rat im zweiten Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung hinweist, nämlich die „unvorteilhafte Flächenstruktur der polnischen Landwirtschaftsbetriebe“, die „geringen Direktzahlungen, die Polen aufgrund des in der Beitrittsakte von 2003 vorgesehenen abgestuften Verfahrens erhält“, und „die niedrigen Einkommen in der Landwirtschaft“ ( 53 ), als solche keine außergewöhnlichen Umstände im Sinne von Art. 88 Abs. 2 Unterabs. 3 EG sind. Zum einen nämlich beschreiben diese Kriterien lediglich die agrarwirtschaftliche Struktur Polens (geringe Größe der landwirtschaftlichen Betriebe, niedrige Einkommen), und zum anderen betreffen sie die Anwendung direkter Beihilfen ( 54 ), die in Rechtsakten vorgesehen waren, die zum Zeitpunkt des Beitritts des betroffenen Mitgliedstaats zur Union erlassen wurden. Da diese Kriterien nämlich von der Konjunktur unabhängig sind, fehlt es ihnen an der erforderlichen Außergewöhnlichkeit ( 55 ). Ich halte es demgegenüber nicht für sicher, dass das Gleiche auch für das letzte der im zweiten Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung erwähnten Kriterien gilt, wonach „die Zahlungen an die Landwirte durch die Abschwächung des Euro-Wechselkurses um 10 % an Wert verloren“ hätten, so dass sich das Einkommen der polnischen Landwirte im Jahr 2008 noch weiter verringert habe. Die Behauptung der Kommission, dass Fluktuationen der Wechselkurse der nationalen Währungen gegenüber dem Euro ein normales Phänomen seien, das für alle Mitgliedstaaten gelte, die noch nicht den Euro eingeführt hätten, schließt meines Erachtens als solche nicht aus, dass derartige Fluktuationen im Zusammenwirken mit anderen Faktoren in einem bestimmten Sektor eine außerordentlich ungünstige Konjunktur zur Folge haben ( 56 ). Außerdem schließt die Tatsache, dass eine bestimmte Situation gleichzeitig mehrere Mitgliedstaaten oder gegebenenfalls mehrere Wirtschaftsbereiche betreffen kann, nicht aus, dass es sich dabei um einen für die Anwendung von Art. 88 Abs. 2 Unterabs. 3 EG maßgeblichen Umstand handelt ( 57 ). Auch ist meines Erachtens nicht von vornherein auszuschließen, dass das im sechsten Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung erwähnte Kriterium – die Zunahme der Arbeitslosigkeit im ländlichen Raum im Jahr 2009 – außergewöhnlichen Charakter hatte, insbesondere nachdem, wie die Kommission feststellt, in der davor liegenden Zeit (2003 bis 2007) ein umgekehrter Trend zu verzeichnen war. Außerdem ergibt sich, wie der Rat hervorhebt, aus den in der Klageschrift angeführten statistischen Daten, dass die Arbeitslosigkeit im ländlichen Raum zwischen dem dritten Quartal des Jahres 2008 und dem des Jahres 2009 besonders stark (24,6 %) angestiegen ist. In dieser Hinsicht halte ich den Hinweis darauf, dass der Grad der Arbeitslosigkeit im ländlichen Raum in Polen im Vergleich zum durchschnittlichen Grad der Arbeitslosigkeit in der Union nicht besonders hoch sei und dass es sich um ein strukturelles Phänomen handele, für unerheblich.

89.

Schwieriger ist die Beurteilung des im siebten Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung angeführten Kriteriums, wonach die Preise für landwirtschaftliche Flächen in Polen seit 2007 beträchtlich und kontinuierlich gestiegen seien. Aus den von der Kommission vorgelegten Zahlen ergibt sich zwar ein seit 2003 konstanter Anstieg der Preise für landwirtschaftliche Flächen, doch ist dieses Phänomen seit dem vom Rat angegebenen Zeitpunkt (2007) noch deutlicher, ohne jedoch ein Ausmaß anzunehmen, das als außergewöhnlich bezeichnet werden könnte. Der von der Kommission vertretenen Auffassung, dass diese Steigerung auf einen strukturellen Faktor zurückzuführen sei, wonach landwirtschaftliche Flächen in nur geringem Maße verfügbar seien, so dass das Angebot die Nachfrage nicht befriedigen könne, kommt meiner Ansicht nach keine entscheidende Bedeutung zu, nachdem tatsächlich erwiesen ist, dass sich die Tendenz der steigenden Preise seit 2007 verstärkt hat.

90.

Zweitens trägt die Kommission im Rahmen dieser Rüge vor, der Rat habe „die Entwicklung der Marktbedingungen“ zu Unrecht als außergewöhnliche Umstände dargestellt. Dazu möchte ich insbesondere darauf hinweisen, dass die Kommission in Bezug auf die im vierten Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung erwähnte Steigerung derPreise der landwirtschaftlichen Betriebsmittel“ ( 58 )im Laufe des Jahres 2009 lediglich feststellt, dass die Kosten der genannten Faktoren in allen Mitgliedstaaten gestiegen seien. Diese Bemerkung reicht jedoch, wie ich bereits festgestellt habe, als solche nicht aus, um einem bestimmten Umstand unter Berücksichtigung der besonderen Folgen, die dieser in einem bestimmten Mitgliedstaat gehabt hat, den Ausnahmecharakter abzusprechen. Bezüglich der in den Erwägungsgründen 3 und 5 der angefochtenen Entscheidung genannten Umstände – die Rezession aufgrund der Wirtschaftskrise und die „Überschwemmungen in elf (von insgesamt 16) Woiwodschaften“ ( 59 ) – ist die Kommission demgegenüber offenbar der Ansicht, dass es sich dabei grundsätzlich um außergewöhnliche Umstände handeln kann.

91.

Auch wenn die bis hierhin durchgeführte Prüfung zeigt, dass einige der in der angefochtenen Entscheidung geltend gemachten Kriterien als solche keinen Ausnahmecharakter haben, reicht dies meines Erachtens für den Nachweis eines offensichtlichen Beurteilungsfehlers bezüglich der Umstände, die die Ausübung des dem Rat nach Art. 88 Abs. 2 Unterabs. 3 EG eingeräumten Ermessens rechtfertigen, nicht aus. Den von der Kommission vorgeschlagenen Ansatz, jedes der Kriterien einzeln zu prüfen, halte ich nicht für richtig. Aus der angefochtenen Entscheidung ergibt sich nämlich, dass der Hinweis auf bestimmte Kriterien, insbesondere auf diejenigen, die die Kommission als „strukturelle“ Kriterien der polnischen Landwirtschaft bezeichnet, notwendig ist, um den besonderen Kontext der genehmigten Maßnahmen zu beschreiben und die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der Rezession zu beurteilen, die nach dem Aufbau der angefochtenen Entscheidung den wichtigsten Rechtfertigungsgrund für den Erlass derartiger Maßnahmen darstellt. Darüber hinaus ergibt sich aus dem Urteil vom 29. Februar 1996, Kommission/Rat, deutlich, dass sich der Rat bei der Ausübung der ihm nach Art. 88 Abs. 2 Unterabs. 3 EG eingeräumten Zuständigkeit auf das Anhalten oder die Verschärfung struktureller Probleme in einem bestimmten Wirtschaftssektor berufen kann, um zu prüfen, welche Auswirkungen eine ungünstige Konjunktur für diesen Sektor hat ( 60 ).

92.

Nach alledem neige ich in Anbetracht des dem Rat in diesem Bereich eingeräumten weiten Ermessens zu der Auffassung, dass die Kommission den Nachweis eines offensichtlichen Beurteilungsfehlers in Bezug auf das Vorliegen von Umständen, die geeignet sind, den Erlass einer Entscheidung nach Art. 88 Abs. 2 Unterabs. 3 EG zu rechtfertigen, nicht erbracht hat.

2. Zur Unangemessenheit und Unverhältnismäßigkeit der durch die angefochtene Entscheidung genehmigten Maßnahmen

93.

Nach Ansicht der Kommission sind die vom Rat gebilligten Maßnahmen nicht geeignet, die in der angefochtenen Entscheidung genannten Probleme zu lösen. Erstens seien diese Maßnahmen nicht angemessen, um das Ziel, die landwirtschaftlichen Betriebe zu vergrößern, zu erreichen. Deren Größe habe sich im Laufe der Zeit kaum geändert, obwohl Polen seit 1996 entsprechende Maßnahmen ergriffen habe. Das beruhe darauf, dass die fraglichen Beihilfen, anstatt die Umstrukturierung der Landbesitzverhältnisse zu fördern, lediglich einen Anstieg der Preise für landwirtschaftliche Flächen bewirkt hätten. Aus demselben Grund seien die vom Rat gebilligten Maßnahmen auch völlig ungeeignet, um der im siebten Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung dargelegten Situation, dem starken und anhaltenden Anstieg dieser Preise seit 2007, abzuhelfen. Außerdem seien diese Maßnahmen nicht geeignet, um das Ziel zu erreichen, die Arbeitslosigkeit in den ländlichen Gebieten zu verringern, denn sie seien auf eine Konsolidierung der bestehenden landwirtschaftlichen Betriebe gerichtet. Schließlich sei auch nicht einzusehen, wie die genehmigte Beihilfe der Preissteigerung abhelfen könnte. Da diese Beihilfe mit der Aufnahme von Krediten zusammenhänge, stehe sie jedenfalls für Familien, deren Lebensstandard aufgrund des Anstiegs der Preise der landwirtschaftlichen Betriebsmittel katastrophal gesunken sei, nicht zur Verfügung.

94.

Das Vorbringen der Kommission reicht meines Erachtens nicht für den Nachweis aus, dass der Rat die Grenzen seiner Beurteilungsbefugnis offensichtlich überschritten hat, wenn man bedenkt, dass die fraglichen Maßnahmen, mit denen speziell Investitionen zum Erwerb landwirtschaftlicher Flächen gefördert werden sollen, offensichtlich ungeeignet sind, das Ziel zu erreichen, die Struktur der bestehenden landwirtschaftlichen Betriebe zu verbessern oder das Umsteigen von Arbeitslosen in die Landwirtschaft zu erleichtern (sechster Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Demnach ist die Behauptung nicht erwiesen, dass diese Maßnahmen der Grund für den konstanten Anstieg der Preise für landwirtschaftliche Flächen seien.

95.

Zweitens trägt die Kommission vor, sie habe, um den Folgen der Krise begegnen zu können, im Jahr 2009 eine spezielle Mitteilung betreffend einen vorübergehenden Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen zur Erleichterung des Zugangs zu Finanzierungsmitteln in der gegenwärtigen Finanz‑ und Wirtschaftskrise ( 61 ) (im Folgenden: vorübergehender Gemeinschaftsrahmen) erlassen, auf dessen Grundlage dank einiger nachfolgender Änderungen ( 62 ) verschiedene Formen staatlicher Interventionen zugunsten landwirtschaftlicher Betriebe, u. a. eine befristete Beihilfe in Höhe von bis zu 15000 Euro bis Ende 2010, genehmigt worden seien. Der Rat habe dadurch, dass er diese Beihilfe, die speziell darauf gerichtet gewesen sei, den mit der Krise verbundenen Problemen abzuhelfen, nicht berücksichtigt und insbesondere nicht geprüft habe, ob diese Beihilfe es erlaubt habe, diesen Problemen abzuhelfen, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt. Außerdem hätte der Rat weitere Maßnahmen berücksichtigen müssen, die die Kommission oder der Rat selbst ergriffen hätte, um den in der angefochtenen Entscheidung genannten Problemen abzuhelfen, oder die Polen zu diesem Zweck hätte ergreifen können.

96.

Das Vorbringen der Kommission erfordert eine Beurteilung, ob und innerhalb welcher Grenzen der Rat die Maßnahmen hätte berücksichtigen müssen, die bereits auf Unionsebene getroffen worden waren, um den vom antragstellenden Mitgliedstaat als außergewöhnliche Umstände geltend gemachten Situationen abzuhelfen. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Rat die ihm nach Art. 88 Abs. 2 Unterabs. 3 EG eingeräumte Zuständigkeit in Abweichung von Art. 87 EG und den in Art. 89 EG genannten Verordnungen ausübt. Deshalb kann in diesem Kontext nicht behauptet werden, dass der Rat an die Maßnahmen gebunden ist, die die Kommission oder er selbst in Anwendung dieser Artikel erlassen hat, mit Ausnahme natürlich der Entscheidungen der Kommission, die dieser Zuständigkeit entgegenstehen. Wollte man das Gegenteil behaupten, so stünde dies im Widerspruch zum eindeutigen Wortlaut von Art. 88 Abs. 2 Unterabs. 3 EG. Gleichzeitig sehe ich jedoch nicht, wie bei der Beurteilung, ob es sich im vorliegenden Fall um außergewöhnliche Umstände handelt, die gestützt auf die fragliche Vorschrift den Erlass einer Entscheidung rechtfertigen könnten, der rechtliche Rahmen, in dem die zu genehmigenden Maßnahmen zu sehen sind, völlig außer Acht gelassen werden könnte, insbesondere wenn der Rat zur Abgrenzung dieser im fraglichen Sektor bestehenden Umstände auf strukturelle und somit zeitlich andauernde Situationen verweist. Deshalb meine ich, dass der Rat zumindest weiterhin verpflichtet ist, bei seiner eigenen Beurteilung bestehende Maßnahmen zu berücksichtigen, die speziell dazu bestimmt sind, Situationen abzuhelfen, die die Genehmigung der fraglichen Beihilfen rechtfertigen könnten ( 63 ), auch wenn dies nicht bedeutet, dass der Rat verpflichtet wäre, in seiner Entscheidung sämtliche Rechtsvorschriften, die das fragliche Gebiet regeln, zu prüfen oder anzuführen.

97.

Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der angefochtenen Entscheidung nicht, dass der Rat geprüft hätte, ob Polen von den durch den vorübergehenden Gemeinschaftsrahmen gebotenen Möglichkeiten Gebrauch gemacht hat und welche Wirkungen etwaige auf dieser Grundlage ergriffene Maßnahmen gehabt haben. Ich stelle jedoch fest, dass die direkte Beihilfe in begrenzter Höhe, auf die sich die Kommission bezieht, zwar einerseits die wirtschaftlichen Auswirkungen der Krise mildern sollte, jedoch nicht speziell darauf gerichtet war, Anreize zu Investitionen zur Verbesserung der Struktur der landwirtschaftlichen Betriebe zu bieten, und andererseits nur bis zum 31. Dezember 2010 gewährt werden konnte. Unter diesen Umständen konnte der Rat meines Erachtens zu Recht davon ausgehen, dass ein gezielterer Eingriff mit einer größeren zeitlichen Tragweite, gegebenenfalls im Zusammenwirken mit anderen Maßnahmen, zum einen dazu dienen könnte, die Folgen der Finanzkrise zu mildern und insbesondere die Schwierigkeiten der Landwirte, Kredite zu erhalten, zu verringern, und zum anderen besser geeignet wäre, die strukturellen Probleme der polnischen Landwirtschaft anzugehen. Der Rat musste zwar meiner Ansicht nach in der angefochtenen Entscheidung die Maßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in den ländlichen Gebieten berücksichtigen, die nach der Verordnung Nr. 1698/2005 ( 64 ) im Rahmen der Gemeinschaftspolitik zur ländlichen Entwicklung vorgesehen sind, sowie die Auswirkungen der Beihilfen, die von Polen gewährt wurden, um die Verluste auszugleichen, die den Landwirten durch die Überschwemmungen von 2009 entstanden waren, und durch die den Angaben der Kommission zufolge etwa 80 % dieser Verluste gedeckt wurden, doch reicht dieses Unterlassen als solches meines Erachtens nicht aus, um die Rechtmäßigkeit der fraglichen Entscheidung in Frage zu stellen, da diese auf einer Vielzahl von Gründen und einer Gesamtbewertung der Situation des fraglichen Sektors in einem bestimmten Konjunkturabschnitt beruht. Dagegen dürfte der Rat meines Erachtens nicht, wie die Kommission geltend macht, eine spezifische Verpflichtung haben, andere Beihilfeinstrumente wie die Verordnung Nr. 1535/2007 ( 65 ) zu berücksichtigen, die Polen hätte anwenden können, um bestimmte Kosten der Landwirte auszugleichen. Es handelt sich dabei nämlich um Zuschüsse, die nicht ausdrücklich für die in der angefochtenen Entscheidung angegebenen Zwecke bestimmt sind. Jedenfalls ist die mit der angefochtenen Entscheidung gebilligte Regelung, wie der Rat in Bezug auf die vorgenannten Maßnahmen ausführt, darauf gerichtet, Anreize zu Investitionen für den Erwerb landwirtschaftlicher Flächen zu bieten, und liegt daher auf einer anderen Ebene als die genannten Maßnahmen.

98.

Schließlich macht die Kommission geltend, die genehmigten Maßnahmen seien aufgrund ihres zeitlichen Umfangs und der Dauer ihrer künftigen Wirkungen (da es sich um die Finanzierung langfristiger Kredite handele) als solche unverhältnismäßig.

99.

Aus dem Ausnahmecharakter der dem Rat in Art. 88 Abs. 2 Unterabs. 3 EG eingeräumten Zuständigkeit ergibt sich meines Erachtens, dass die aufgrund dieser Bestimmung gewährte Ausnahme zeitlich begrenzt sein muss und nur für die Zeit bewilligt werden darf, die unbedingt erforderlich ist, um die zur Begründung der Entscheidung angeführten Umstände zu beheben ( 66 ). Dies bedeutet, dass der Rat, wenn eine Entscheidung im Sinne von Art. 88 Abs. 2 Unterabs. 3 EG Beihilferegelungen betrifft, die – wie im vorliegenden Fall – für eine verhältnismäßig lange Zeit gelten sollen, die genauen Gründe anzugeben hat, aus denen er dies in Anbetracht der Umstände, auf die die Feststellung der Vereinbarkeit gestützt wurde, für erforderlich hält. Im vorliegenden Fall liefern die Schreiben der polnischen Behörden an den Rat vom 12. Juni und vom 28. September 2009 und die angefochtene Entscheidung zwar nur spärliche Angaben zu den Gründen, aus denen es als notwendig erachtet worden ist, die in Rede stehende Regelung für eine Zeit von vier Jahren zu genehmigen, doch lassen sich diese Gründe dem Kontext, in den sich der angefochtene Beschluss einfügt, und der Natur der genehmigten Maßnahmen, den Problemen, zu deren Lösung sie hätten beitragen sollen, sowie den verfolgten Zielen entnehmen. In seinen Schriftsätzen machte der Rat darüber hinaus ergänzende Angaben.

100.

Was die Begründetheit der Rüge der Kommission angeht, meine ich, dass diese im Wesentlichen auf der Feststellung der Übereinstimmung der Dauer der in der angefochtenen Entscheidung bewilligten Ausnahme und der zeitlichen Anwendbarkeit des Gemeinschaftsrahmens Landwirtschaft 2007‑2013 beruht, die nach Ansicht der Kommission erhellt, dass die Entscheidung des Rates eher dem Willen entspreche, die Anwendung dieses Rahmens zu verhindern, als die Ausnahme auf die Maßnahme zu beschränken, die für die Behebung der festgestellten Ungleichgewichtigkeiten strikt notwendig sei. Auch wenn ich eine solche Übereinstimmung zur Kenntnis nehme, gehe ich davon aus, dass unter Berücksichtigung der mit dem Beschluss verfolgten langfristigen Ziele und der womöglich ebenfalls langdauernden Auswirkungen der Wirtschafts- und Finanzkrise, die als außergewöhnliche Umstände zur Stützung dieses Beschlusses herangezogen worden sind, die Kommission nicht dargetan hat, dass der Rat durch die Genehmigung der in Rede stehenden Regelung für die Zeit vom 1. Januar 2010 bis zum 31. Dezember 2013 offensichtlich die Grenzen des Ermessens, über das er im Rahmen der Ausübung seiner Zuständigkeit nach Art. 88 Abs. 2 Unterabs. 3 EG verfügt, überschritten hat.

101.

Nach alledem bin ich der Auffassung, dass der vierte Klagegrund zurückzuweisen ist.

V – Ergebnis

102.

Aus den oben in den Nrn. 40 bis 79 genannten Gründen schlage ich dem Gerichtshof vor,

der zweiten Rüge des ersten Klagegrundes, betreffend die fehlende Zuständigkeit des Rates, stattzugeben,

die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären,

dem Rat die Kosten aufzuerlegen und

festzustellen, dass die Mitgliedstaaten, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten tragen.


( 1 ) Originalsprache: Italienisch.

( 2 ) ABl. 2010, L 4, S. 89.

( 3 ) Akte über die Bedingungen des Beitritts der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge (ABl. 2003, L 236, S. 33).

( 4 ) ABl. L 83, S. 1.

( 5 ) Dabei handelt es sich um das förmliche Prüfverfahren nach Art. 88 Abs. 2 EG.

( 6 ) ABl. 2000, C 28, S. 2.

( 7 ) ABl. 2006, C 319, S. 1.

( 8 ) Siehe Nr. 194 des Gemeinschaftsrahmens Landwirtschaft 2007‑2013.

( 9 ) Verordnung (EG) Nr. 1857/2006 der Kommission vom 15. Dezember 2006 über die Anwendung der Artikel 87 und 88 EG-Vertrag auf staatliche Beihilfen an kleine und mittlere in der Erzeugung von landwirtschaftlichen Erzeugnissen tätige Unternehmen und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 70/2001 (ABl. L 358, S. 3).

( 10 ) ABl. C 70, S. 11.

( 11 ) ABl. 2005, C 147, S. 2. Was Polen angeht, sind die Titel der fraglichen Regelungen in den Nrn. 1 und 5 aufgeführt.

( 12 ) Urteil vom 29. Februar 1996, Kommission/Rat (C-122/94, Slg. 1996, I-881). Zu der Frage hatte sich bereits Generalanwalt Mayras in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Kommission/Deutschland (70/72, Slg. 1973, 833, 835) geäußert.

( 13 ) Urteil vom 29. Juni 2004, Kommission/Rat (C-110/02, Slg. 2004, I-6333).

( 14 ) Randnr. 30 des Urteils; siehe auch in diesem Sinne – in einem obiter dictum – Urteil des Gerichtshofs vom 12. Oktober 1978, Kommission/Belgien (156/77, Slg. 1978, 1881).

( 15 ) Randnr. 31 des Urteils.

( 16 ) Randnr. 44 des Urteils.

( 17 ) Randnr. 35 des Urteils.

( 18 ) Kommission/Rat (C-399/03, Slg. 2006, I-5629).

( 19 ) Schlussanträge von Generalanwalt Jacobs in der Rechtssache C‑110/02, Nr. 20.

( 20 ) Hervorhebung nur hier.

( 21 ) Hierfür spricht auch die – in den meisten Sprachfassungen des Vertrags anzutreffende ‐ Verwendung der Konjunktion „tuttavia“ [Anm. d. Übers.: In der italienischen Fassung; die deutsche Fassung enthält keine entsprechende Formulierung] am Anfang von Art. 88 Abs. 2 Unterabs. 4 EG.

( 22 ) Urteil vom 29. Juni 2004, Kommission/Rat (Randnr. 33).

( 23 ) Eine derartige Anwendung setzt voraus, dass die Kommission trotz des beim Rat gestellten Antrags befugt ist, die Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens zu beschließen, das jedenfalls gemäß Art. 88 Abs. 2 Unterabs. 3 EG ausgesetzt bliebe. In diesem Fall würde die nach Art. 88 Abs. 2 Unterabs. 4 EG vorgesehene Frist mit Eröffnung des Verfahrens ausgelöst, und dieser Zeitpunkt fiele mit dem der Aussetzung des Verfahrens zusammen.

( 24 ) Diese Mitteilung trägt irrtümlich das Datum 16. Juli 2009.

( 25 ) Die Mitteilung und das Schreiben wurden vom Sekretariat des Rates am 24. Juni 2009 eingetragen.

( 26 ) Weder der Rat noch einer der als Streithelfer beigetretenen Mitgliedstaaten bestreitet die Vereinbarkeit der genannten Maßnahmen mit dem Gemeinschaftsrahmen Landwirtschaft 2000.

( 27 ) Der Rat machte, unterstützt durch die portugiesische Regierung, geltend, die streitige Beihilfe sei eine „neue Beihilfe“, weil sie aus einer neuen Zahlung bestehe, auf einer anderen nationalen Rechtsvorschrift beruhe als die Gesetzes-Dekrete, mit denen die von der Kommission für unvereinbar erklärte Beihilferegelung eingeführt worden sei, und für sie andere Förderungs‑ und Zahlungsbedingungen gälten, als sie für die nach diesen Gesetzesdekreten gewährten Beihilfen gegolten hätten (Randnr. 21).

( 28 ) Vgl. Randnr. 4 des Schreibens vom 12. Juni 2009 und Randnr. 5 des Schreibens vom 28. September 2009.

( 29 ) Vgl. Randnr. 5 des Schreibens vom 28. September 2009.

( 30 ) Dieser Schlussfolgerung stehen weder Art. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 659/1999, wonach „Änderungen bestehender Beihilfen“„neue Beihilfen“ sind, noch die vom Rat und der polnischen Regierung angeführte Rechtsprechung –insbesondere die Urteile des Gerichtshofs vom 17. Juni 1999, Piaggio (C-295/97, Slg. 1999, I-3735), und vom 18. Juni 2002, Deutschland/Kommission (C-242/00, Slg. 2002, I-5603) – entgegen, in denen der Gerichtshof ein Verzeichnis der für Beihilfen für die Regionalentwicklung förderfähigen Regionen, das das bereits von der Kommission genehmigte Verzeichnis ergänzen und demzufolge den räumlichen und subjektiven Anwendungsbereich der fraglichen Beihilferegelung ändern sollte, implizit als „neue Beihilfe“ eingestuft hat.

( 31 ) Dz. U. Nr. 109, poz. 750.

( 32 ) Das schließt nicht aus, dass die Kommission im Rahmen des Verfahrens nach Art. 88 Abs. 3 EG ihren Standpunkt ändert, namentlich aufgrund des Vorbringens der Betroffenen. Im vorliegenden Fall ist die Kommission jedoch an den Gemeinschaftsrahmen Landwirtschaft 2007‑2013 gebunden.

( 33 ) Urteil vom 29. Februar 1996, Kommission/Rat.

( 34 ) Mit der Folge, dass die Kommission gegen den Mitgliedstaat, der seine Verpflichtungen verletzt hat, gemäß Art. 88 Abs. 2 Unterabs. 2 EG oder Art. 226 EG (jetzt Art. 258 AEUV) Klage erheben könnte.

( 35 ) Urteil vom 15. Oktober 1996, IJssel-Vliet (C-311/94, Slg. 1996, I-5023); vgl. auch die Schlussanträge von Generalanwalt Lenz vom 23. Mai 1996 (Slg. 1996, I‑5025).

( 36 ) Urteil vom 24. März 1993, CIRFS u. a./Kommission (C-313/90, Slg. 1993, I-1125).

( 37 ) Urteil IJssel-Vliet, Randnrn. 36, 37 und 41; siehe auch in demselben Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 29. Juni 1995, Spanien/Kommission (C-135/93, Slg. 1995, I-1651). Ein Teil der Lehre vertritt die Ansicht, dass die Rechtsprechung des Gerichtshofs zu den bindenden Wirkungen der von den Mitgliedstaaten akzeptierten Vorschläge für zweckdienliche Maßnahmen trotz ihrer unbestreitbaren praktischen Vorteile einige grundsätzliche Fragen aufwirft, da sie im Wesentlichen darauf hinauslaufe, dem Rechtsquellensystem des Gemeinschaftsrechts eine neue Art von Rechtsakt hinzuzufügen, vgl. z. B. in diesem Sinne M. Waelbroeck, „Les propositions de mesures utiles: une nouvelle source de droit communautaire“, in Mélanges en hommage à Jean-Victor Louis, 2003, S. 217. Trotz dieser berechtigten Fragen ist diese Rechtsprechung inzwischen hinreichend gefestigt, so dass eine Änderung weder wahrscheinlich noch wünschenswert ist. Im Übrigen ist sie, wie wir gesehen haben, in der Verordnung Nr. 659/1999 genau kodifiziert worden.

( 38 ) Vgl. in diesem Sinne in Bezug auf den Verstoß gegen die Verpflichtung zur Vorlage von Jahresberichten über bestehende Beihilferegelungen im Zuge des von der Kommission aufgestellten und von dem fraglichen Mitgliedstaat stillschweigend akzeptierten Gemeinschaftsrahmens für staatliche Beihilfen im Agrarsektor Urteil des Gerichtshofs vom 12. Januar 2006, Kommission/Luxemburg (C-69/05, Slg. 2006, I-7).

( 39 ) Mit anderen Worten, die Stellungnahme der Kommission entfaltet unter diesen Umständen ähnliche Wirkungen wie eine mit Bedingungen und Auflagen verbundene Entscheidung im Sinne von Art. 7 Abs. 4 der Verordnung Nr. 659/1999.

( 40 ) Entgegen dem Vorbringen des Rates und der polnischen Regierung lässt Randnr. 35 des Urteils CIRFS u. a./Kommission einen anderen Schluss, wonach die fragliche Beihilferegelung in dem Fall, dass die zweckdienlichen Maßnahmen nicht ergriffen werden, zu einer neuen Beihilfe würde, deren Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt von der Kommission im Rahmen des Verfahrens nach Art. 88 Abs. 2 EG zu prüfen wäre, nicht zu. In der Rechtssache CIRFS u. a./Kommission sah nämlich die streitige Regelung, der die Niederlande zugestimmt hatten, lediglich die Verpflichtung vor, die im Rahmen der bestehenden Beihilferegelung gewährten Beihilfen mitzuteilen und die Regelung nicht zu ändern.

( 41 ) Vgl. Urteil des Gerichts vom 22. Oktober 1996, Salt Union/Kommission (T-330/94, Slg. 1996, II-1475), und die Schlussanträge von Generalanwalt Mischo in der Rechtssache C‑242/00 (Urteil vom 18. Juni 2002, Deutschland/Kommission). Ein Teil der Lehre vertritt die Ansicht, dass Personen, die durch einen Vorschlag zweckdienlicher Maßnahmen, denen der betroffene Mitgliedstaat zugestimmt hat, verletzt worden sind, den Rechtsakt, durch den der fragliche Mitgliedstaat seine Zustimmung gegeben hat, lediglich vor einem nationalen Gericht anfechten können, siehe in diesem Sinne M. Waelbroek, S. 221.

( 42 ) In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass nach Art. 26 der Verordnung Nr. 659/1999 die Kommission „im Amtsblatt … eine Zusammenfassung ihrer Entscheidungen [nach] … Artikel 18 in Verbindung mit Artikel 19 Absatz 1 [veröffentlicht]“ und dass in dieser Zusammenfassung ihrer Entscheidungen darauf hinzuweisen ist, „dass eine Kopie der Entscheidung in ihrer/ihren verbindlichen Sprachfassung/en erhältlich ist“. Zu den Wirkungen einer solchen Veröffentlichung siehe Urteil des Gerichts vom 11. März 2009, TF1/Kommission (T-354/05, Slg. 2009, II-471).

( 43 ) Das Gericht stellt in diesem Zusammenhang im Urteil TF1/Kommission (Randnr. 70) fest: „[D]as Prüfverfahren [zur fortlaufenden Prüfung bestehender Beihilfen endet] … erst, wenn die Kommission in Ausübung ihrer ausschließlichen Befugnis zur Beurteilung der Vereinbarkeit staatlicher Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt beschließt, den Zusagen des betreffenden Staates als ihren Bedenken entsprechend zuzustimmen.“

( 44 ) Art. 249 Abs. 5 EG (jetzt Art. 288 Abs. 5 AEUV). In bestimmten Fällen gesteht der Vertrag Empfehlungen begrenzte Rechtswirkungen zu: siehe Art. 97 Abs. 2 EG (jetzt Art. 117 AEUV). Vgl. Urteil des Gerichts vom 15. Dezember 1999, Freistaat Sachsen u. a./Kommission (T-132/96 und T-143/96, Slg. 1999, II-3663, Randnr. 209), sowie die Schlussanträge von Generalanwalt Mayras in der Rechtssache 70/72 und von Generalanwalt Lenz in der Rechtssache C‑313/90.

( 45 ) Art. 230 Abs. 1 EG (jetzt Art. 263 Abs. 1 AEUV). Das Gericht hat in seinem Urteil Salt Union/Kommission festgestellt, dass die Weigerung der Kommission, einem Mitgliedstaat zweckdienliche Maßnahmen vorzuschlagen, kein anfechtbarer Rechtsakt ist, weil der Mitgliedstaat nicht verpflichtet ist, den Vorschlag zu akzeptieren.

( 46 ) Im Urteil TF1/Kommission (Randnr. 69) hat das Gericht das in den Art. 17, 18 und 19 der Verordnung Nr. 659/1999 vorgesehene Verfahren als eines definiert, „das schon seiner Natur nach ein Entscheidungsverfahren ist“.

( 47 ) In der Rechtssache, die zu diesem Urteil geführt hat (C-242/00, Slg. 2002, I-5603), hatte die Bundesrepublik Deutschland auf Nichtigerklärung einer Entscheidung geklagt, mit der die Kommission nach Auffassung der Klägerin bestimmte Regionalbeihilfen nur insoweit als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar angesehen habe, als sie sich auf Gebiete bezögen, die einem bestimmten Prozentsatz der deutschen Bevölkerung entsprächen. Die Kommission trug mit der von ihr geltend gemachten Unzulässigkeitseinrede insbesondere vor, dass mit der von der deutschen Regierung angefochtenen Entscheidung lediglich zwei Stellungnahmen bestätigt würden, die vorher aufgrund der Leitlinien für staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung angenommen worden seien. In diesen Leitlinien habe sie die Fördergebietsbevölkerungshöchstgrenze für den Zeitraum 2000 bis 2006 festgelegt und von der deutschen Regierung verlangt, ihre bestehenden Beihilferegelungen diesen Leitlinien anzupassen. Der Gerichtshof stellte unter Zurückweisung dieser Argumentation zunächst fest, dass die fraglichen Stellungnahmen, die in dem Urteil als „Entscheidungen“ bezeichnet werden, „als Bestandteil der Leitlinien für Regionalbeihilfen anzusehen [sind]; als solche sind sie nur dann verbindlich, wenn die Mitgliedstaaten ihnen zugestimmt haben“. Außerdem hätten die deutschen Behörden der von der Kommission vorgeschlagenen Anpassung zwar zugestimmt, jedoch in Bezug auf die Methode der Berechnung der Höchstgrenzen einen ausdrücklichen Vorbehalt geltend gemacht. Unter diesen Umständen zog der Gerichtshof die Schlussfolgerung, dass der Teil der Leitlinien für Regionalbeihilfen, der die Methode der Berechnung der Fördergebietsbevölkerungshöchstgrenze betrifft, für Deutschland nicht verbindlich ist, so dass die von der Kommission geltend gemachten Stellungnahmen nicht als Rechtsakte angesehen werden können, die durch die angefochtene Entscheidung – die erste mit Bindungswirkung für den Mitgliedstaat – lediglich bestätigt werden. Der Gerichtshof hat also nicht von vornherein die Möglichkeit ausgeschlossen, dass ein von einem Mitgliedstaat akzeptierter Vorschlag zweckdienlicher Maßnahmen eine anfechtbare Handlung ist, er hat dies vielmehr im Wesentlichen nur für jenen Fall ausgeschlossen.

( 48 ) Urteil TF1/Kommission, Randnrn. 60 bis 81.

( 49 ) Vgl. Art. 13 Abs. 2 EUV und in Bezug auf die Rechtsprechung insbesondere die Urteile des Gerichtshofs vom 27. September 1988, Griechenland/Rat (204/86, Slg. 1988, 5323), sowie vom 30. März 1995, Parlament/Rat (C-65/93, Slg. 1995, I-643).

( 50 ) Randnrn. 18 f. des Urteils. Außerdem weist der Gerichtshof in Randnr. 18 des Urteils darauf hin, dass „sich das Ermessen, über das der Rat verfügt, wenn er bei der Durchführung der Agrarpolitik der Gemeinschaft einen komplexen wirtschaftlichen Sachverhalt beurteilen muss, nicht ausschließlich auf die Art und die Tragweite der zu erlassenden Bestimmungen bezieht, sondern in bestimmtem Umfang auch auf die Feststellung von Grunddaten insbesondere in dem Sinne, dass es dem Rat freisteht, sich gegebenenfalls auf globale Feststellungen zu stützen“.

( 51 ) Vgl. zuletzt Urteil vom 26. Juni 2012, Polen/Kommission (C‑335/09 P, Randnrn. 71 f.), betreffend die Durchführungsbefugnisse der Kommission, und Urteil des Gerichts vom 3. September 2009, Chemionova u. a./Kommission (T-326/07, Slg. 2009, II-2685, Randnrn. 194 bis 196).

( 52 ) Insoweit, als sich der Gerichtshof in Randnr. 18 unter Bezugnahme auf Randnr. 25 des Urteils vom 29. Oktober 1980, Roquette Frères/Rat (138/79, Slg. 1980, 3333), allgemein auf den Fall einer offensichtlichen Überschreitung der Ermessensgrenzen bezieht.

( 53 ) Hervorhebungen jeweils nur hier.

( 54 ) Das in der Beitrittsakte von 2003 (S. 369 f.) vorgesehene System der schrittweisen Einführung von Direktzahlungen der Gemeinschaft wurde durch den Beschluss 2004/281/EG des Rates vom 22. März 2004 zur Anpassung der Akte über die Bedingungen des Beitritts der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge infolge der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (ABl. L 93, S. 1) angepasst. Dieser Beschluss war Gegenstand einer von Polen erhobenen Nichtigkeitsklage, die vom Gerichtshof mit Urteil vom 23. Oktober 2007, Polen/Rat (C-273/04, Slg. 2007, I-8925), abgewiesen wurde. Für einen Überblick über die Regelung und ihr Funktionieren siehe die Schlussanträge von Generalanwalt Poiares Maduro vom 21. Juni 2007 in jener Sache.

( 55 ) Ich weise jedoch dem Rat folgend darauf hin, dass gemäß dem Bericht in Anlage A.11 zur Klageschrift das Einkommen der Landwirte im Jahr 2008 gegenüber dem Jahr 2007 um 16 % rückläufig war.

( 56 ) Dafür spricht offenbar der Bericht „Five years of Poland in the European Union“, von dem die Kommission als Anlage zu ihrer Klageschrift einige Auszüge vorgelegt hat.

( 57 ) In Randnr. 22 des Urteils vom 29. Februar 1996, Kommission/Rat, wurde ein entsprechendes Vorbringen der Kommission zurückgewiesen.

( 58 ) Hervorhebung nur hier.

( 59 ) Hervorhebung nur hier.

( 60 ) Randnr. 21 des Urteils.

( 61 ) ABl. C 83, S. 1.

( 62 ) Mitteilung der Kommission im Hinblick auf die Änderung des vorübergehenden Gemeinschaftsrahmens für staatliche Beihilfen zur Erleichterung des Zugangs zu Finanzierungsmitteln in der gegenwärtigen Finanz‑ und Wirtschaftskrise (ABl. 2009, C 261, S. 2).

( 63 ) Siehe in diesem Sinne auch die Schlussanträge von Generalanwalt Cosmas in der Rechtssache C‑122/94, insbesondere Nr. 850.

( 64 ) Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 des Rates vom 20. September 2005 über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) (ABl. L 277, S. 1).

( 65 ) Verordnung (EG) Nr. 1535/2007 der Kommission vom 20. Dezember 2007 über die Anwendung der Artikel 87 und 88 EG-Vertrag auf De-minimis-Beihilfen im Agrarerzeugnissektor (ABl. L 337, S. 35).

( 66 ) In diesem Sinne Urteil vom 29. Februar 1996, Kommission/Rat (Randnr. 25).

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