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Document 62009CJ0427

Urteil des Gerichtshofes (Zweite Kammer) vom 28. Juli 2011.
Generics (UK) Ltd gegen Synaptech Inc.
Ersuchen um Vorabentscheidung: Court of Appeal (England & Wales) (Civil Division) - Vereinigtes Königreich.
Patentrecht - Arzneimittel - Ergänzendes Schutzzertifikat für Arzneimittel - Verordnung (EWG) Nr. 1768/92 - Art. 2 - Anwendungsbereich.
Rechtssache C-427/09.

Sammlung der Rechtsprechung 2011 I-07099

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2011:520

Rechtssache C-427/09

Generics (UK) Ltd

gegen

Synaptech Inc.

(Vorabentscheidungsersuchen des Court of Appeal

[England & Wales] [Civil Division])

„Patentrecht – Arzneimittel – Ergänzendes Schutzzertifikat für Arzneimittel – Verordnung (EWG) Nr. 1768/92 – Art. 2 – Anwendungsbereich“

Leitsätze des Urteils

Rechtsangleichung – Einheitliche Rechtsvorschriften – Gewerbliches und kommerzielles Eigentum – Patentrecht – Ergänzendes Schutzzertifikat für Arzneimittel – Geltungsbereich

(Verordnung Nr. 1768/92 des Rates; Richtlinie 65/65 des Rates)

Ein Erzeugnis, das als Humanarzneimittel in der Europäischen Gemeinschaft in den Verkehr gebracht wurde, bevor dafür eine der Richtlinie 65/65 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Arzneimittel in der Fassung der Richtlinie 89/341 konforme Genehmigung erteilt wurde und insbesondere ohne dass es Gegenstand der Prüfung seiner Unschädlichkeit und seiner Wirksamkeit war, fällt nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1768/92 über die Schaffung eines ergänzenden Schutzzertifikats für Arzneimittel in der Fassung aufgrund der Akte über die Bedingungen des Beitritts der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge im Sinne ihres Art. 2 in der geänderten Fassung, und für dieses Erzeugnis kann kein ergänzendes Schutzzertifikat erteilt werden.

(vgl. Randnr. 36 und Tenor)








URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)

28. Juli 2011(*)

„Patentrecht – Arzneimittel – Ergänzendes Schutzzertifikat für Arzneimittel – Verordnung (EWG) Nr. 1768/92 – Art. 2 – Anwendungsbereich“

In der Rechtssache C‑427/09

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Court of Appeal (England & Wales) (Civil Division) (Vereinigtes Königreich) mit Entscheidung vom 22. Oktober 2009, beim Gerichtshof eingegangen am 28. Oktober 2009, in dem Verfahren

Generics (UK) Ltd

gegen

Synaptech Inc.

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. N. Cunha Rodrigues, der Richter A. Arabadjiev, A. Rosas und U. Lõhmus (Berichterstatter), sowie der Richterin P. Lindh,

Generalanwalt: P. Mengozzi,

Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin, und B. Fülöp, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündlichen Verhandlungen vom 9. Dezember 2010 und 17. Februar 2011,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der Generics (UK) Ltd, vertreten durch M. Tappin, QC, und K. Bacon, Barrister, sowie durch S. Cohen und G. Morgan, Solicitors,

–        der Synaptech Inc., vertreten durch S. Thorley, QC, und C. May, Barrister,

–        der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von L. Ventrella, avvocato dello Stato,

–        der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes und A. P. Antunes als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch H. Krämer als Bevollmächtigten,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 31. März 2011

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 13 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1768/92 des Rates vom 18. Juni 1992 über die Schaffung eines ergänzenden Schutzzertifikats für Arzneimittel (ABl. L 182, S. 1) in der Fassung aufgrund der Akte über die Bedingungen des Beitritts der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge (ABl. 1994, C 241, S. 21, und ABl. 1995, L 1, S. 1) (im Folgenden: Verordnung Nr. 1768/92).

2        Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Generics (UK) Ltd (im Folgenden: Generics) und der Synaptech Inc. (im Folgenden: Synaptech) wegen des für das Erzeugnis namens „Galantamin“ oder seine sauren Zusatzsalze (im Folgenden: Galantamin) erteilten ergänzenden Schutzzertifikats (im Folgenden auch: Zertifikat).

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

 Die Verordnung Nr. 1768/92

3        In den Erwägungsgründen 1 bis 4 und 8 der Verordnung Nr. 1768/92 heißt es:

„Die Forschung im pharmazeutischen Bereich trägt entscheidend zur ständigen Verbesserung der Volksgesundheit bei.

Arzneimittel, vor allem solche, die das Ergebnis einer langen und kostspieligen Forschungstätigkeit sind, werden in der Gemeinschaft und in Europa nur weiterentwickelt, wenn für sie eine günstige Regelung geschaffen wird, die einen ausreichenden Schutz zur Förderung einer solchen Forschung vorsieht.

Derzeit wird durch den Zeitraum zwischen der Einreichung einer Patentanmeldung für ein neues Arzneimittel und der Genehmigung für das Inverkehrbringen desselben Arzneimittels der tatsächliche Patentschutz auf eine Laufzeit verringert, die für die Amortisierung der in der Forschung vorgenommenen Investitionen unzureichend ist.

Diese Tatsache führt zu einem unzureichenden Schutz, der nachteilige Auswirkungen auf die pharmazeutische Forschung hat.

Die Dauer des durch das Zertifikat gewährten Schutzes muss so festgelegt werden, dass dadurch ein ausreichender tatsächlicher Schutz erreicht wird. Hierzu müssen demjenigen, der gleichzeitig Inhaber eines Patents und eines Zertifikats ist, insgesamt höchstens fünfzehn Jahre Ausschließlichkeit ab der ersten Genehmigung für das Inverkehrbringen des betreffenden Arzneimittels in der Gemeinschaft eingeräumt werden.“

4        Art. 1 („Definitionen“) der Verordnung Nr. 1768/92 bestimmt:

„Im Sinne dieser Verordnung ist

b)       Erzeugnis: der Wirkstoff oder die Wirkstoffzusammensetzung eines Arzneimittels;

…“

5        Art. 2 („Anwendungsbereich“) dieser Verordnung lautet:

„Für jedes im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats durch ein Patent geschützte Erzeugnis, das vor seinem Inverkehrbringen als Arzneimittel Gegenstand eines verwaltungsrechtlichen Genehmigungsverfahrens gemäß der Richtlinie 65/65/EWG [des Rates vom 26. Januar 1965 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Arzneimittel (ABl. 1965, Nr. 22, S. 369) in der Fassung der Richtlinie 89/341/EWG des Rates vom 3. Mai 1989 (ABl. L 142, S. 11) (im Folgenden: Richtlinie 65/65)] oder der Richtlinie 81/851/EWG [des Rates vom 28. September 1981 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Tierarzneimittel (ABl. L 317, S. 1) in der Fassung der Richtlinie 90/676/EWG des Rates vom 13. Dezember 1990 (ABl. L 373, S. 15)] ist, kann nach den in dieser Verordnung festgelegten Bedingungen und Modalitäten ein Zertifikat erteilt werden.“

6        Art. 3 („Bedingungen für die Erteilung des Zertifikats“) dieser Verordnung sieht vor:

„Das Zertifikat wird erteilt, wenn in dem Mitgliedstaat, in dem die Anmeldung nach Artikel 7 eingereicht wird, zum Zeitpunkt dieser Anmeldung

a)       das Erzeugnis durch ein in Kraft befindliches Grundpatent geschützt ist;

b)       für das Erzeugnis als Arzneimittel eine gültige Genehmigung für das Inverkehrbringen gemäß der Richtlinie [65/65] bzw. der Richtlinie [81/851] erteilt wurde;

c)       für das Erzeugnis nicht bereits ein Zertifikat erteilt wurde;

d)       die unter Buchstabe b) erwähnte Genehmigung die erste Genehmigung für das Inverkehrbringen dieses Erzeugnisses als Arzneimittel ist.“

7        Art. 4 („Schutzgegenstand“) dieser Verordnung bestimmt:

„In den Grenzen des durch das Grundpatent gewährten Schutzes erstreckt sich der durch das Zertifikat gewährte Schutz allein auf das Erzeugnis, das von der Genehmigung für das Inverkehrbringen des entsprechenden Arzneimittels erfasst wird, und zwar auf diejenigen Verwendungen des Erzeugnisses als Arzneimittel, die vor Ablauf des Zertifikats genehmigt wurden.“

8        Art. 13 der Verordnung Nr. 1768/92 betreffend die Laufzeit des Zertifikats sieht vor:

„(1) Das Zertifikat gilt ab Ablauf der gesetzlichen Laufzeit des Grundpatents für eine Dauer, die dem Zeitraum zwischen der Einreichung der Anmeldung für das Grundpatent und dem Zeitpunkt der ersten Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Gemeinschaft entspricht, abzüglich eines Zeitraums von fünf Jahren.

(2)      Ungeachtet des Absatzes 1 beträgt die Laufzeit des Zertifikats höchstens fünf Jahre vom Zeitpunkt seines Wirksamwerdens an.“

9        Art. 19 Abs. 1 dieser Verordnung, der zu den Übergangsbestimmungen gehört, sieht vor:

„Für jedes Erzeugnis, das zum Zeitpunkt des Beitritts durch ein in Kraft befindliches Patent geschützt ist und für das als Arzneimittel eine erste Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Gemeinschaft oder in Österreich, Finnland oder Schweden nach dem 1. Januar 1985 erteilt wurde, kann ein Zertifikat erteilt werden.

Bezüglich der in Dänemark, in Deutschland und in Finnland zu erteilenden Zertifikate tritt an die Stelle des 1. Januars 1985 der 1. Januar 1988.

Bezüglich der in Belgien, in Italien und in Österreich zu erteilenden Zertifikate tritt an die Stelle des 1. Januars 1985 der 1. Januar 1982.“

 Die Richtlinie 65/65

10      Kapitel II der Richtlinie 65/65 mit der Überschrift „Genehmigung für das Inverkehrbringen von Arzneimitteln“ umfasste die Art. 3 bis 10.

11      Art. 3 der Richtlinie 65/65 sah vor:

„Ein Arzneimittel darf in einem Mitgliedstaat erst dann in den Verkehr gebracht werden, wenn die zuständige Behörde dieses Mitgliedstaats die Genehmigung dafür erteilt hat.“

12      In Art. 4 dieser Richtlinie waren die Angaben und Unterlagen aufgeführt, die dem Antrag auf Genehmigung für das Inverkehrbringen (im Folgenden: Genehmigung) beizufügen waren, darunter insbesondere das Ergebnis einer Prüfung der Unschädlichkeit und der Wirksamkeit des betreffenden Arzneimittels, d. h. die Ergebnisse von Versuchen physikalisch-chemischer, biologischer oder mikrobiologischer, pharmakologischer und toxikologischer sowie ärztlicher oder klinischer Art.

13      Nach Art. 5 dieser Richtlinie wurde die Genehmigung von Arzneimitteln versagt, wenn „sich nach der Prüfung der in Artikel 4 aufgeführten Angaben und Unterlagen [ergab], entweder dass das Arzneimittel bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schädlich [war] oder dass seine therapeutische Wirksamkeit fehlt[e] oder vom Antragsteller unzureichend begründet [war] oder dass das Arzneimittel nicht die angegebene Zusammensetzung nach Art und Menge [aufwies]“. Die Genehmigung wurde auch dann versagt, „wenn die Angaben und Unterlagen zur Stützung des Antrags nicht den Bestimmungen des Artikels 4 [entsprachen]“.

14      Art. 24 dieser Richtlinie bestimmte:

„Die in dieser Richtlinie vorgesehene Regelung wird auf Arzneimittel, für die eine Genehmigung für das Inverkehrbringen auf Grund früherer Vorschriften erteilt worden ist, innerhalb der Fristen und zu den Bedingungen schrittweise angewandt, die in Artikel 39 Absatz 2 und 3 der zweiten Richtlinie 75/319/EWG [des Rates vom 20. Mai 1975 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Arzneispezialitäten (ABl. L 147, S. 13)] vorgesehen sind.“

 Die Richtlinie 75/319

15      Art. 39 Abs. 2 der Richtlinie 75/319 ist zu entnehmen, dass die den Mitgliedstaaten eingeräumte Frist zur schrittweisen Anwendung der Bestimmungen dieser Richtlinie auf Arzneimittel, die aufgrund früherer Vorschriften in den Verkehr gebracht worden waren, am 21. Mai 1990 abgelaufen ist.

16      Nach Art. 39 Abs. 3 dieser Richtlinie hatten die Mitgliedstaaten der Kommission der Europäischen Gemeinschaften spätestens zum 21. Mai 1978 die Anzahl der unter Art. 39 Abs. 2 fallenden Arzneimittel mitzuteilen und in jedem folgenden Jahr die Anzahl dieser Arzneimittel, für die die Genehmigung gemäß Art. 3 der Richtlinie 65/65 noch nicht erteilt worden war.

 Die nationalen Regelungen

17      In Deutschland wurden nach Art. 3 § 7 des Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelrechts vom 24. August 1976 (im Folgenden: deutsches Gesetz von 1976), mit dem die Richtlinie 65/65 umgesetzt wurde, Erzeugnisse, die sich in diesem Mitgliedstaat bereits im Verkehr befanden und sich auch am 1. Januar 1978, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes, noch im Verkehr befanden, ohne weitere Prüfung, jedoch vorbehaltlich einer Anzeigepflicht automatisch weiterhin zugelassen.

18      In Österreich war zur Zeit der im Ausgangsverfahren maßgebenden Ereignisse die Spezialitätenordnung von 1947 die für Arzneimittel geltende Regelung. Sie entsprach nicht den Anforderungen der Richtlinie 65/65.

 Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen

19      Aus dem Vorabentscheidungsersuchen geht hervor, dass Galantamin in Teilen Europas seien mehr als 40 Jahren als Arzneimittel vertrieben wurde. In Osteuropa wurde es zur Behandlung neuromuskulärer Erkrankungen verwendet.

20      In Österreich wurde Galantamin im Jahr 1963 zur Verwendung als Arzneimittel zur Behandlung von Kinderlähmung unter dem Markennamen Nivalin (im Folgenden: Nivalin) nach der Spezialitätenordnung von 1947 zugelassen.

21      Unter demselben Markennamen befand sich Galantamin in Deutschland bereits in den 1960er Jahren im Verkehr. Nach dem deutschen Gesetz von 1976 durfte es als ein kraft einer sogenannten „fiktiven“ Zulassung als Arzneimittel zugelassen geltendes Erzeugnis in Deutschland im Verkehr bleiben.

22      Am 16. Januar 1987 meldete Synaptech das Grundpatent für Galantamin beim Europäischen Patentamt an und beanspruchte die Verwendung von Galantamin zur Behandlung der Alzheimerkrankheit.

23      1997 übernahm Janssen-Cilag den Vertrieb von Nivalin in Österreich und stellte 1999 in Schweden einen Antrag auf Zulassung von Galantamin unter dem Markennamen Reminyl (im Folgenden: Reminyl) in einem Arzneimittel zur Behandlung der Alzheimerkrankheit. Nach einer gemäß der Richtlinie 65/65 durchgeführten Prüfung wurde Reminyl am 1. März 2000 zugelassen.

24      Im September 2000 wurde Reminyl im Vereinigten Königreich zugelassen.

25      Die fiktive deutsche Zulassung, die ab dem Inkrafttreten des deutschen Gesetzes von 1976 am 1. Januar 1978 zugunsten von Nivalin gegolten hatte, und die im Jahr 1963 erteilte österreichische Zulassung desselben Arzneimittels erloschen im zweiten Halbjahr 2000 bzw. im Laufe des Jahres 2001.

26      Am 7. Dezember 2000 beantragte Synaptech beim Patent Office im Vereinigten Königreich ein ergänzendes Schutzzertifikat für Galantamin und nahm auf die schwedische Zulassung als die erste Genehmigung für das Inverkehrbringen dieses Erzeugnisses als Arzneimittel in der Gemeinschaft Bezug. Aufgrund dieser Zulassung wurde das beantragte Zertifikat mit der höchstzulässigen Laufzeit von fünf Jahren erteilt, die im Januar 2012 endet; das Grundpatent für Galantamin lief am 16. Januar 2007 ab.

27      Da Generics der Ansicht war, dass das Ende der Laufzeit dieses Zertifikats vom Patent Office, das auf die schwedische Zulassung abgestellt hatte, nicht ordnungsgemäß berechnet worden sei, erhob sie Klage beim High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division (Patents Court), um eine Berichtigung nach Section 34 des Patents Act 1977 (Patentgesetz) zu erwirken. Gegen die Abweisung dieser Klage legte Generics Rechtsmittel beim vorlegenden Gericht ein.

28      Im Rahmen des vorliegenden Verfahrens räumte Generics vor jenem Gericht ein, dass die deutsche und die österreichische Zulassung den in der Richtlinie 65/65 festgelegten Anforderungen zu keiner Zeit entsprochen hätten und dass die erste dieser Richtlinie konforme Genehmigung von Galantamin die schwedische Zulassung gewesen sei.

29      Da der Court of Appeal (England & Wales) (Civil Division) im Hinblick auf die Auslegung des Begriffs „erste Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Gemeinschaft“ im Sinne von Art. 13 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1768/92 Zweifel hat, hat er beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Ist unter der „ersten Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Gemeinschaft“ im Sinne von Art. 13 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1768/92 die erste Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Gemeinschaft zu verstehen, die gemäß der Richtlinie 65/65 (jetzt ersetzt durch die Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel [ABl. L 311, S. 67]) erteilt wurde, oder reicht jede Genehmigung, die das Inverkehrbringen in der Gemeinschaft oder im Europäischen Wirtschaftsraum ermöglicht?

2.      Falls eine „erste Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Gemeinschaft“ im Sinne von Art. 13 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1768/92 gemäß der Richtlinie 65/65 (jetzt ersetzt durch die Richtlinie 2001/83/EG) erteilt worden sein muss, ist dann eine Genehmigung, die 1963 in Österreich nach Maßgabe der damals geltenden (den Anforderungen der Richtlinie 65/65 nicht entsprechenden) innerstaatlichen Vorschriften erteilt, nicht an die Richtlinie 65/65 angepasst und schließlich 2001 zurückgenommen wurde, als eine gemäß der Richtlinie 65/65 erteilte Genehmigung in dem genannten Sinne anzusehen?

 Zu den Vorlagefragen

30      Mit diesen Fragen möchte das vorlegende Gericht wissen, welche Genehmigung die erste in der Gemeinschaft im Sinne der Art. 13 Abs. 1 und 19 der Verordnung Nr. 1768/92 ist, um die Laufzeit des für Galantamin erteilten ergänzenden Schutzzertifikats zu ermitteln.

31      Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die Antwort auf diese Fragen nur dann entscheidungserheblich ist, wenn das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Erzeugnis in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fiele und dafür dementsprechend ein ergänzendes Schutzzertifikat erteilt werden könnte.

32      Um dem vorlegenden Gericht eine sachdienliche Antwort zu geben, ist zunächst zu prüfen, ob ein Erzeugnis wie das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Galantamin in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1768/92 im Sinne ihres Art. 2 fällt.

33      Zu diesem Anwendungsbereich hat der Gerichtshof im Urteil vom 28. Juli 2011, Synthon (C‑195/09, Slg. 2011, I‑0000, Randnr. 51), entschieden, dass Art. 2 der Verordnung Nr. 1768/92 dahin auszulegen ist, dass ein Erzeugnis wie das im Ausgangsverfahren in jener Rechtssache in Rede stehende, das als Humanarzneimittel in der Gemeinschaft in den Verkehr gebracht wurde, bevor dafür eine der Richtlinie 65/65 konforme Genehmigung erteilt wurde und insbesondere ohne dass es Gegenstand der Prüfung seiner Unschädlichkeit und seiner Wirksamkeit war, nicht in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fiel und dementsprechend für dieses Erzeugnis kein ergänzendes Schutzzertifikat erteilt werden konnte.

34      Der Vorlageentscheidung ist aber zu entnehmen, dass in der vorliegenden Rechtssache Galantamin zum Zeitpunkt der Zertifikatsanmeldung bereits als Humanarzneimittel in der Gemeinschaft in den Verkehr gebracht worden war, bevor dafür eine der Richtlinie 65/65 konforme Genehmigung erteilt worden war und insbesondere ohne dass es Gegenstand einer Prüfung seiner Unschädlichkeit und seiner Wirksamkeit gewesen ist.

35      Daraus folgt, dass ein Erzeugnis wie Galantamin vom Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1768/92 im Sinne ihres Art. 2 ausgeschlossen ist und dafür kein ergänzendes Schutzzertifikat erteilt werden kann. Die vom vorlegenden Gericht herangezogenen Art. 13 und 19 dieser Verordnung finden auf ein solches Erzeugnis daher keine Anwendung. Diese Bestimmungen sind mithin nicht auszulegen.

36      Nach alledem ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass ein Erzeugnis wie das im Ausgangsverfahren in Rede stehende, das als Humanarzneimittel in der Gemeinschaft in den Verkehr gebracht wurde, bevor dafür eine der Richtlinie 65/65 konforme Genehmigung erteilt wurde und insbesondere ohne dass es Gegenstand der Prüfung seiner Unschädlichkeit und seiner Wirksamkeit war, nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1768/92 im Sinne ihres Art. 2 fällt und für dieses Erzeugnis kein ergänzendes Schutzzertifikat erteilt werden kann.

 Kosten

37      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

Ein Erzeugnis wie das im Ausgangsverfahren in Rede stehende, das als Humanarzneimittel in der Europäischen Gemeinschaft in den Verkehr gebracht wurde, bevor dafür eine der Richtlinie 65/65/EWG des Rates vom 26. Januar 1965 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Arzneimittel in der Fassung der Richtlinie 89/341/EWG des Rates vom 3. Mai 1989 konforme Genehmigung erteilt wurde und insbesondere ohne dass es Gegenstand der Prüfung seiner Unschädlichkeit und seiner Wirksamkeit war, fällt nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung (EWG) Nr. 1768/92 des Rates vom 18. Juni 1992 über die Schaffung eines ergänzenden Schutzzertifikats für Arzneimittel in der Fassung aufgrund der Akte über die Bedingungen des Beitritts der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge im Sinne ihres Art. 2 in der geänderten Fassung, und für dieses Erzeugnis kann kein ergänzendes Schutzzertifikat erteilt werden.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Englisch.

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