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Document 62009CJ0424

Urteil des Gerichtshofes (Große Kammer) vom 5. April 2011.
Christina Ioanni Toki gegen Ypourgos Ethnikis paideias kai Thriskevmaton.
Ersuchen um Vorabentscheidung: Symvoulio tis Epikrateias - Griechenland.
Richtlinie 89/48/EWG - Art. 3 Abs. 1 Buchst. a und b - Anerkennung der Hochschuldiplome - Umweltingenieur - Einer reglementierten beruflichen Tätigkeit gleichgestellte Tätigkeit - Anwendbarer Anerkennungsmechanismus - Begriff ‚Berufserfahrung‘.
Rechtssache C-424/09.

Sammlung der Rechtsprechung 2011 I-02587

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2011:210

Rechtssache C‑424/09

Christina Ioanni Toki

gegen

Ypourgos Ethnikis paideias kai Thriskevmaton

(Vorabentscheidungsersuchen des Symvoulio tis Epikrateias)

„Richtlinie 89/48/EWG – Art. 3 Abs. 1 Buchst. a und b – Anerkennung der Hochschuldiplome – Umweltingenieur – Einer reglementierten beruflichen Tätigkeit gleichgestellte Tätigkeit – Anwendbarer Anerkennungsmechanismus – Begriff ‚Berufserfahrung‘“

Leitsätze des Urteils

1.        Freizügigkeit – Niederlassungsfreiheit – Arbeitnehmer – Anerkennung der Hochschuldiplome, die eine mindestens dreijährige Berufsausbildung abschließen – Richtlinie 89/48 – Zugang zu einem reglementierten Beruf oder dessen Ausübung unter denselben Voraussetzungen wie bei Inländern – Reglementierten Berufen gleichgestellte Berufe – Anwendung des in Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie vorgesehenen Anerkennungsmechanismus unabhängig von der Zughörigkeit des Betroffenen zu einem Berufsverband oder einer Berufsorganisation

(Richtlinie 89/48 des Rates, Art. 1 Buchst. d Unterabs. 2 und Art. 3 Abs. 1 Buchst. b)

2.        Freizügigkeit – Niederlassungsfreiheit – Arbeitnehmer – Anerkennung der Hochschuldiplome, die eine mindestens dreijährige Berufsausbildung abschließen – Richtlinie 89/48 – Zugang zu einem reglementierten Beruf oder dessen Ausübung unter denselben Voraussetzungen wie bei Inländern – Reglementierten Berufen gleichgestellte Berufe – Auf Berufserfahrung gestützter Zugang – Voraussetzungen

(Richtlinie 89/48 des Rates, Art. 3 Abs. 1 Buchst. b)

1.        Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 89/48 über eine allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome, die eine mindestens dreijährige Berufsausbildung abschließen, in der durch die Richtlinie 2001/19 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass der in ihm vorgesehene Anerkennungsmechanismus anwendbar ist, wenn der fragliche Beruf im Heimat- oder Herkunftsmitgliedstaat unter Art. 1 Buchst. d Unterabs. 2 der Richtlinie fällt, unabhängig davon, ob der Betroffene Vollmitglied des fraglichen Verbands oder der fraglichen Organisation ist.

(vgl. Randnr. 26, Tenor 1)

2.        Die Berufserfahrung, die der Antragsteller im Rahmen seines Antrags auf Genehmigung der Ausübung eines im Aufnahmemitgliedstaat reglementierten Berufs nachweist, muss, um gemäß Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 89/48 über eine allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome, die eine mindestens dreijährige Berufsausbildung abschließen, in der durch die Richtlinie 2001/19 geänderten Fassung berücksichtigt werden zu können, folgende drei Voraussetzungen erfüllen:

–        Die geltend gemachte Erfahrung muss in einer vollzeitlichen Arbeit von mindestens zwei Jahren in den vorhergehenden zehn Jahren bestehen,

–        diese Arbeit muss in der dauerhaften und regelmäßigen Ausübung einer Gesamtheit beruflicher Tätigkeiten bestanden haben, die den betreffenden Beruf im Heimat- oder Herkunftsmitgliedstaat kennzeichnen, ohne dass diese Arbeit alle diese Tätigkeiten abgedeckt haben muss, und

–        der Beruf, wie er im Heimat- oder Herkunftsmitgliedstaat normalerweise ausgeübt wird, muss im Hinblick auf die von ihm umfassten Tätigkeiten dem Beruf gleichwertig sein, für dessen Ausübung im Aufnahmemitgliedstaat eine Genehmigung beantragt wurde.

(vgl. Randnr. 42, Tenor 2)







URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer)

5. April 2011(*)

„Richtlinie 89/48/EWG – Art. 3 Abs. 1 Buchst. a und b – Anerkennung der Hochschuldiplome – Umweltingenieur – Einer reglementierten beruflichen Tätigkeit gleichgestellte Tätigkeit – Anwendbarer Anerkennungsmechanismus – Begriff ‚Berufserfahrung‘“

In der Rechtssache C‑424/09

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Symvoulio tis Epikrateias (Griechenland) mit Entscheidung vom 29. Juni 2009, beim Gerichtshof eingegangen am 28. Oktober 2009, in dem Verfahren

Christina Ioanni Toki

gegen

Ypourgos Ethnikis paideias kai Thriskevmaton

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten A. Tizzano, J. N. Cunha Rodrigues, K. Lenaerts, J.‑C. Bonichot, K. Schiemann (Berichterstatter), J.‑J. Kasel und D. Šváby, der Richterin R. Silva de Lapuerta, der Richter E. Juhász, G. Arestis und M. Safjan sowie der Richterin M. Berger,

Generalanwalt: P. Mengozzi,

Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 12. Oktober 2010,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        von Frau Toki, vertreten durch T. Georgopoulos, dikigoros,

–        der griechischen Regierung, vertreten durch E. Skandalou als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Zavvos und H. Støvlbæk als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 30. November 2010

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 89/48/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 über eine allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome, die eine mindestens dreijährige Berufsausbildung abschließen (ABl. 1989, L 19, S. 16), in der durch die Richtlinie 2001/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Mai 2001 (ABl. L 206, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 89/48).

2        Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Toki, die Inhaberin bestimmter Qualifikationen im Bereich des Umweltingenieurwesens ist, die sie im Vereinigten Königreich erworben hat, und dem Ypourgos Ethnikis paideias kai Thriskevmaton (Minister für Bildung und Glaubensgemeinschaften) hinsichtlich der Entscheidungen des Symvoulio Anagnorisis Epangelmatikis Isotimias Titlon Tritovathmias Ekpaidefsis (Ausschuss für die Anerkennung der beruflichen Gleichwertigkeit von Hochschuldiplomen), mit denen ihr der Zugang zum Beruf des Umweltingenieurs in Griechenland verwehrt wurde.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

3        Die Richtlinie 89/48 hat gemäß ihrem dritten und ihrem vierten Erwägungsgrund zum Ziel, eine allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome einzuführen, die den europäischen Bürgern die Ausübung aller beruflichen Tätigkeiten, die in einem Aufnahmemitgliedstaat von einer weiterführenden Bildung im Anschluss an den Sekundarabschnitt abhängig sind, erleichtert, sofern sie Diplome besitzen, die sie auf diese Tätigkeiten vorbereiten, die einen wenigstens dreijährigen Studiengang bescheinigen und die in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellt wurden.

4        Nach dem fünften und dem zehnten Erwägungsgrund dieser Richtlinie behalten die Mitgliedstaaten bei denjenigen Berufen, für deren Ausübung die Europäische Union kein Mindestniveau der notwendigen Qualifikation festgelegt hat, die Möglichkeit, dieses Niveau mit dem Ziel zu bestimmen, die Qualität der in ihrem Hoheitsgebiet erbrachten Leistungen zu sichern, und die allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome zielt nicht auf eine Änderung der die Berufsausübung einschließlich der Berufsethik betreffenden Bestimmungen ab, die für alle Personen gelten, die einen Beruf im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats ausüben.

5        Die Richtlinie 89/48 gilt nach ihrem Art. 2 für alle Angehörigen eines Mitgliedstaats, die einen „reglementierten Beruf“ in einem anderen Mitgliedstaat ausüben wollen.

6        Nach der Definition in Art. 1 Buchst. c der Richtlinie 89/48 gilt als „reglementierter Beruf“ die reglementierte berufliche Tätigkeit oder die reglementierten beruflichen Tätigkeiten insgesamt, die in einem Mitgliedstaat den betreffenden Beruf ausmachen.

7        Nach Art. 1 Buchst. d der Richtlinie 89/48 gilt

„… als reglementierte berufliche Tätigkeit eine berufliche Tätigkeit, deren Aufnahme oder Ausübung oder eine ihrer Arten der Ausübung in einem Mitgliedstaat direkt oder indirekt durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften an den Besitz eines Diploms gebunden ist. Als Art der Ausübung einer reglementierten beruflichen Tätigkeit gilt insbesondere

–        die Ausübung einer beruflichen Tätigkeit in Verbindung mit der Führung eines Titels, der nur von Personen geführt werden darf, die ein Diplom besitzen, das in einschlägigen Rechts- und Verwaltungsvorschriften festgelegt ist;

–        die Ausübung einer beruflichen Tätigkeit im Gesundheitswesen, wenn die Vergütung dieser Tätigkeit und/oder eine diesbezügliche Erstattung durch das einzelstaatliche System der sozialen Sicherheit an den Besitz eines Diploms gebunden ist.

Eine berufliche Tätigkeit, auf die Unterabsatz 1 nicht zutrifft, wird einer reglementierten beruflichen Tätigkeit gleichgestellt, wenn sie von Mitgliedern eines Verbands oder einer Organisation ausgeübt wird, dessen bzw. deren Ziel insbesondere die Förderung und Wahrung eines hohen Niveaus in dem betreffenden Beruf ist und der bzw. die zur Verwirklichung dieses Ziels von einem Mitgliedstaat in besonderer Form anerkannt wird und

–        seinen bzw. ihren Mitgliedern ein Diplom ausstellt,

–        sicherstellt, dass seine bzw. ihre Mitglieder die von ihm bzw. ihr festgelegten Regeln für das berufliche Verhalten beachten und

–        ihnen das Recht verleiht, einen Titel zu führen bzw. bestimmte Kennbuchstaben zu verwenden oder einen diesem Diplom entsprechenden Status in Anspruch zu nehmen.

Ein nicht erschöpfendes Verzeichnis von Verbänden oder Organisationen, die zum Zeitpunkt der Genehmigung dieser Richtlinie die [Bedingungen] des Unterabsatzes 2 erfüllen, ist im Anhang enthalten. Wenn ein Mitgliedstaat einen Verband oder eine Organisation nach den Bestimmungen des Unterabsatzes 2 anerkennt, setzt er die Kommission davon in Kenntnis. Die Kommission veröffentlicht diese Information im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften.“

8        In dem in Art. 1 Buchst. d der Richtlinie 89/48 erwähnten Verzeichnis ist u. a. der „Engineering Council“ aufgeführt.

9        Der Begriff „Berufserfahrung“ im Sinne der Richtlinie wird in ihrem Art. 1 Buchst. e als „tatsächliche und rechtmäßige Ausübung des betreffenden Berufs in einem Mitgliedstaat“ definiert.

10      Art. 3 der Richtlinie 89/48 sieht vor:

„Wenn der Zugang zu einem reglementierten Beruf oder dessen Ausübung im Aufnahmestaat von dem Besitz eines Diploms abhängig gemacht wird, kann die zuständige Stelle einem Angehörigen eines Mitgliedstaats den Zugang zu diesem Beruf oder dessen Ausübung unter denselben Voraussetzungen wie bei Inländern nicht wegen mangelnder Qualifikation verweigern,

a)      wenn der Antragsteller das Diplom besitzt, das in einem anderen Mitgliedstaat erforderlich ist, um Zugang zu diesem Beruf in seinem Hoheitsgebiet zu erhalten oder ihn dort auszuüben, und wenn dieses Diplom in einem Mitgliedstaat erworben wurde, oder

b)      wenn der Antragsteller diesen Beruf vollzeitlich zwei Jahre lang in den vorhergehenden zehn Jahren in einem anderen Mitgliedstaat ausgeübt hat, der diesen Beruf nicht gemäß Artikel 1 Buchstabe c) und Buchstabe d) [Untera]bsatz 1 reglementiert, sofern der Betreffende dabei im Besitz von einem oder mehreren Ausbildungsnachweisen war,

–        die in einem Mitgliedstaat von einer nach dessen Rechts- und Verwaltungsvorschriften bestimmten zuständigen Stelle ausgestellt worden waren;

–        aus denen hervorgeht, dass der Inhaber ein mindestens dreijähriges Studium oder ein dieser Dauer entsprechendes Teilzeitstudium an einer Universität oder einer Hochschule oder einer anderen Ausbildungseinrichtung mit gleichwertigem Niveau in einem Mitgliedstaat absolviert und gegebenenfalls die über das Studium hinaus erforderliche berufliche Ausbildung abgeschlossen hatte und

–        die er zur Vorbereitung auf die Ausübung dieses Berufs erworben hatte.

Die zweijährige Berufserfahrung nach Unterabsatz 1 darf jedoch nicht verlangt werden, wenn der oder die unter diesem Buchstaben genannte(n) Ausbildungsnachweis(e) des Antragstellers den Abschluss einer reglementierten Ausbildung bestätigen.

Dem Ausbildungsnachweis nach Unterabsatz 1 sind ein jedes Prüfungszeugnis bzw. Prüfungszeugnisse insgesamt gleichgestellt, die von einer zuständigen Stelle in einem Mitgliedstaat ausgestellt werden, wenn sie eine in der Gemeinschaft erworbene Ausbildung bestätigen und von diesem Mitgliedstaat als gleichwertig anerkannt werden, sofern diese Anerkennung den übrigen Mitgliedstaaten und der Kommission mitgeteilt worden ist.“

11      Ungeachtet des Art. 3 der Richtlinie 89/48 kann der Aufnahmemitgliedstaat nach Art. 4 der Richtlinie vom Antragsteller bei bestimmten dort festgelegten Fallgestaltungen verlangen, dass er eine Berufserfahrung von einer bestimmten Dauer nachweist, einen höchstens dreijährigen Anpassungslehrgang absolviert oder eine Eignungsprüfung ablegt.

 Nationales Recht

12      Die Umsetzung der Richtlinie 89/48 in die griechische Rechtsordnung ist Gegenstand des Präsidialdekrets 165/2000 vom 23. Juni 2000 (FEK A’ 149/28.6.2000) in der durch die Präsidialdekrete 373/2001 vom 22. Oktober 2001 (FEK A’ 251) und 385/2002 vom 23. Dezember 2002 (FEK A’ 334) geänderten Fassung (im Folgenden: Dekret 165/2000).

13      Art. 2 Abs. 3 und 4 des Dekrets Nr. 165/2000 enthält dieselben Definitionen des reglementierten Berufs, der reglementierten beruflichen Tätigkeit und der einer reglementierten beruflichen Tätigkeit gleichgestellten beruflichen Tätigkeit wie die Richtlinie 89/48. Hinsichtlich des in Art. 3 der Richtlinie 89/48 vorgesehenen Anerkennungsmechanismus bestimmt Art. 4 Abs. 1 Buchst. b dieses Dekrets jedoch: „Wenn der Zugang zu einem reglementierten Beruf oder dessen Ausübung in Griechenland vom Besitz eines Diploms im Sinne des Art. 2 abhängig gemacht wird, kann der in Art. 10 genannte Ausschuss einem Angehörigen eines Mitgliedstaats den Zugang zu diesem Beruf oder dessen Ausübung unter denselben Voraussetzungen wie bei Inländern nicht wegen mangelnder Qualifikation verweigern, wenn der Antragsteller … diesen Beruf vollzeitlich zwei Jahre lang in den vorhergehenden zehn Jahren in einem anderen Mitgliedstaat ausgeübt hat, der diesen Beruf nicht gemäß Art. 2 Abs. 3 und 4 dieses Dekrets reglementiert …“

14      Folglich verweist diese nationale Bestimmung in den Fällen, in denen die Anwendung des von ihr vorgesehenen Anerkennungsmechanismus ausgeschlossen ist, nicht nur auf die Bestimmung, die Art. 1 Buchst. c der Richtlinie 89/48 entspricht, sondern auch auf sämtliche Art. 1 Buchst. d der Richtlinie entsprechenden Bestimmungen. Dies bewirkt, dass die Anwendung dieses Anerkennungsmechanismus ausgeschlossen ist, wenn der Betroffene aus einem Mitgliedstaat kommt, in dem die Ausübung des fraglichen Berufs von privaten Organisationen reglementiert wird, die von diesem Mitgliedstaat gemäß Art. 1 Buchst. d Unterabs. 2 der Richtlinie anerkannt sind.

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

15      Frau Toki ist griechische Staatsangehörige und Inhaberin des Diploms „Bachelor of Engineering“ sowie des Diploms „Master of Science“ in Umwelttechnik, die sie im Vereinigten Königreich in den Jahren 1997 an der Universität Sheffield Hallam und 1998 an der Universität Portsmouth erwarb. Am 1. September 1999 stellte diese Frau Toki als Forscherin ein. Frau Toki arbeitete bis 31. August 2002 in der Abteilung Bauingenieurwesen. Die von Frau Toki ausgeübten Tätigkeiten umfassten neben der allgemeinen Forschungsarbeit die Betreuung noch nicht graduierter und graduierter Studierender bei deren Arbeiten sowie die Bewertung der Wirksamkeit eines innovativen Verfahrens der Abfallbehandlung in Zusammenarbeit mit einem in der Abfallbehandlungstechnik spezialisierten Unternehmen.

16      Im Vereinigten Königreich werden die Tätigkeiten des Ingenieurberufs vom Engineering Council reglementiert, der in dem Verzeichnis nach Art. 1 Buchst. d Unterabs. 3 der Richtlinie 89/48 ausdrücklich genannt ist. Die Mitgliedschaft in dieser Organisation ist für die Ausübung des Ingenieurberufs nicht verpflichtend, doch ist ein großer Teil der auf diesem Gebiet Berufstätigen Mitglied der Organisation und unterwirft sich freiwillig der von ihr erarbeiteten Reglementierung. Frau Toki schrieb sich als Praktikantin in das Register des Engineering Council ein, ohne jedoch später Vollmitglied („Chartered Engineer“) des Engineering Council zu werden. Zudem schrieb sie sich als Mitglied bei der Chartered Institution of Water and Environmental Management als Graduierte („graduate“) ein.

17      Da der Beruf des Umweltingenieurs in Griechenland reglementiert ist, beantragte Frau Toki die Anerkennung ihres Rechts auf Ausübung dieses Berufs und machte hierzu die Qualifikationen und die Berufserfahrung geltend, die sie im Vereinigten Königreich erworben hatte. Dieser Antrag wurde mit Entscheidung des Symvoulio Anagnorisis Epangelmatikis Isotimias Titlon Tritovathmias Ekpaidefsis vom 12. April 2005 mit der Begründung abgelehnt, da Frau Toki nicht Vollmitglied des Engineering Council sei und nicht den Titel „Chartered Engineer“ besitze und demnach nicht Inhaberin eines Ingenieurdiploms im Vereinigten Königreich sei, könne sie nicht den Anerkennungsmechanismus in Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 89/48 in Anspruch nehmen.

18      Frau Toki focht diese Entscheidung vor dem vorlegenden Gericht an und machte geltend, ihr Antrag sei zu Unrecht nach den Bestimmungen des Dekrets 165/2000 zur Umsetzung von Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 89/48, konkret dessen Art. 4 Abs. 1 Buchst. a, abgelehnt worden, während er vielmehr nach den Bestimmungen des Dekrets zur Umsetzung von Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie, nämlich Art. 4 Abs. 1 Buchst. b des Dekrets 165/2000, hätte geprüft werden müssen, denn zum einen sei der Beruf des Umweltingenieurs nicht reglementiert, zum anderen besitze sie die verlangten Diplome sowie eine dreijährige Berufserfahrung in den vorhergehenden zehn Jahren in diesem Mitgliedstaat.

19      Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts steht die Ablehnung des Antrags von Frau Toki in Einklang mit den durch das Dekret 165/2000 aufgestellten Regeln, wonach, wie bereits in den Randnrn. 13 und 14 des vorliegenden Urteils ausgeführt, die Anwendung des Anerkennungsmechanismus nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 89/48 ausgeschlossen ist, wenn der fragliche Beruf im Herkunftsmitgliedstaat reglementiert oder einer reglementierten beruflichen Tätigkeit im Sinne von Art. 1 Buchst. d Unterabs. 2 der Richtlinie gleichgestellt ist.

20      Das Symvoulio tis Epikrateias sieht sich vor Schwierigkeiten bei der Auslegung der Richtlinie 89/48 gestellt und hat daher das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.      Findet der in Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 89/48 vorgesehene Anerkennungsmechanismus in den Fällen Anwendung, in denen der fragliche Beruf im Herkunftsmitgliedstaat im Sinne von Art. 1 Buchst. d Unterabs. 2 der Richtlinie reglementiert ist und der Betroffene nicht Vollmitglied eines Verbands oder einer Organisation ist, der bzw. die die Voraussetzungen dieses Unterabsatzes erfüllt?

2.      Ist als vollzeitliche Ausübung eines Berufs im Herkunftsmitgliedstaat im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 89/48 die Ausübung dieses Berufs als Selbständiger oder abhängig Beschäftigter, für die im Aufnahmemitgliedstaat eine Genehmigung gemäß der Richtlinie 89/48 beantragt wird, zu verstehen, oder kann darunter auch die Forschungstätigkeit auf einem mit dem Beruf zusammenhängenden wissenschaftlichen Gebiet verstanden werden, die bei einer grundsätzlich gemeinnützigen Einrichtung erbracht wird?

 Zu den Vorlagefragen

 Zur ersten Frage

21      Zum jeweiligen Anwendungsbereich der beiden in Art. 3 Abs. 1 Buchst. a und b der Richtlinie 89/48 vorgesehenen Anerkennungsregelungen hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass sich aus der Systematik des Art. 3 ergibt, dass nur eine der beiden Regelungen auf einen konkreten Sachverhalt Anwendung finden kann (Urteil vom 7. September 2006, Price, C‑149/05, Slg. 2006, I‑7691, Randnr. 36).

22      Die erste Frage des vorlegenden Gerichts betrifft den besonderen – von Art. 1 Buchst. d Unterabs. 2 der Richtlinie 89/48 erfassten und vor allem in Irland und dem Vereinigten Königreich verbreiteten – Fall, dass der fragliche Beruf nicht im Sinne von Unterabs. 1 dieser Bestimmung durch den Herkunftsmitgliedstaat reglementiert ist, in der Praxis jedoch häufig von den Mitgliedern eines Verbands oder einer privaten Organisation ausgeübt wird, der bzw. die in besonderer Form vom betreffenden Mitgliedstaat anerkannt ist und seine bzw. ihre Mitglieder bestimmten Regeln unterwirft.

23      Aus Art. 3 Abs. 1 Buchst. a und b der Richtlinie 89/48 ergibt sich, dass allein der in seinem Abs. 1 Buchst. b vorgesehene Mechanismus auf die unter Art. 1 Buchst. d Unterabs. 2 der Richtlinie 89/48 fallenden Berufe angewandt werden kann. Zum einen sind die Mitglieder eines Verbands oder einer Organisation nach Art. 1 Buchst. d Unterabs. 2 der Richtlinie unzweifelhaft nicht Inhaber eines Diploms, das in einem anderen Mitgliedstaat erforderlich ist, um Zugang zu einem Beruf zu erhalten, wie dies Art. 3 Abs. 1 Buchst. a verlangt. Zum anderen schließt Art. 3 Abs. 1 Buchst. b von seinem Anwendungsbereich ausdrücklich die von Unterabs. 1 des Art. 1 Buchst. d erfassten Berufe aus, nicht indessen die Berufe, die Unterabs. 2 von Art. 1 Buchst. d erfasst, so dass er auf diese umfassend Anwendung findet.

24      Zwar sieht Art. 1 Buchst. d Unterabs. 2 der Richtlinie 89/48 vor, dass die von dieser Bestimmung erfassten Berufe den reglementierten Berufen gleichgestellt sind, wenn sie von Mitgliedern eines Verbands oder einer Organisation ausgeübt werden, diese Gleichstellung ist jedoch, wie der Generalanwalt in Nr. 57 seiner Schlussanträge ausführt, nicht vollständig, und diese Berufe sind keine reglementierten Berufe im Sinne von Art. 1 Buchst. c dieser Richtlinie. Folglich kann der in Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie vorgesehene Anerkennungsmechanismus, anders als in den Randnrn. 45 und 47 des Urteils Price entschieden worden ist, nicht von Antragstellern geltend gemacht werden, die einen solchen Beruf haben. Ferner ist entgegen dem, was sich aus den Randnrn. 36, 45, 46 und 48 des genannten Urteils Price zu ergeben scheint, auf einen unter Art. 1 Buchst. d Unterabs. 2 der Richtlinie 89/48 fallenden Beruf der Anerkennungsmechanismus nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. b dieser Richtlinie anwendbar.

25      Unabhängig davon, ob Frau Toki Vollmitglied des Engineering Council ist oder nicht, ist also allein die in Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 89/48 vorgesehene Anerkennungsregelung auf ihren Fall anwendbar, da dieser nicht unter Art. 1 Buchst. c und d Unterabs. 1 der Richtlinie fällt.

26      Folglich ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 89/48 dahin auszulegen ist, dass der in ihm vorgesehene Anerkennungsmechanismus anwendbar ist, wenn der fragliche Beruf im Heimat- oder Herkunftsmitgliedstaat unter Art. 1 Buchst. d Unterabs. 2 der Richtlinie fällt, unabhängig davon, ob der Betroffene Vollmitglied des fraglichen Verbands oder der fraglichen Organisation ist.

 Zur zweiten Frage

27      Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, anhand welcher Kriterien festzustellen ist, ob die Berufserfahrung, die der Antragsteller zur Erlangung der Genehmigung, einen reglementierten Beruf im Aufnahmemitgliedstaat auszuüben, nachweist, nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 89/48 zu berücksichtigen ist.

28      Die Richtlinie definiert in ihrem Art. 1 Buchst. e den Begriff Berufserfahrung für die Zwecke dieser Richtlinie als die „tatsächliche und rechtmäßige Ausübung des betreffenden Berufs in einem Mitgliedstaat“.

29      Zur Beantwortung der zweiten Frage ist in einem ersten Schritt der Inhalt des Begriffs der tatsächlichen Ausübung eines Berufs in Bezug auf die Anerkennungsregelung in Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 89/48 zu erläutern, sodann ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, unter welchen Umständen der Beruf, auf den sich diese Erfahrung im Herkunftsmitgliedstaat bezieht, als derselbe Beruf gelten kann wie der, für den die Genehmigung im Aufnahmemitgliedstaat beantragt wird.

30      Die in Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 89/48 vorgesehene Voraussetzung, wonach ein Antragsteller aus einem Mitgliedstaat, der weder den Beruf, den der Antragsteller in einem anderen Mitgliedstaat ausüben möchte, noch die entsprechende Ausbildung reglementiert, eine Mindestberufserfahrung von zwei Jahren nachweisen muss, soll dem Aufnahmemitgliedstaat ähnliche Garantien verschaffen, wie sie bestehen, wenn der fragliche Beruf oder die auf seine Ausübung vorbereitende Ausbildung im Herkunftsmitgliedstaat reglementiert ist und Art. 3 Abs. 1 Buchst. a oder Art. 3 Abs. 2 anwendbar ist.

31      Fehlt es an einer Reglementierung eines Berufs durch den Staat, wird die Garantie eines bestimmten Qualitätsniveaus der Leistungen in dem betreffenden Beruf nämlich häufig durch die Gesetze des Marktes sichergestellt, und zwar dadurch, dass nur die Angehörigen des fraglichen Berufs, die über Befähigungen auf einem von Arbeitgebern oder Kunden für hinreichend gehaltenen Niveau verfügen, diesen Beruf als abhängig Beschäftigte oder Selbständige in dem vorgesehenen Zeitraum von zwei Jahren vollzeitlich ausüben können. Das Erfordernis einer Berufserfahrung von dieser Dauer bezieht sich daher auf die tatsächlich bestehende Möglichkeit für den Antragsteller, den fraglichen Beruf im Herkunftsmitgliedstaat auszuüben.

32      Dieses Erfordernis kann dagegen nicht so verstanden werden, dass es den spezifischen Inhalt der beruflichen Qualifikationen des Antragstellers betrifft oder die in Randnr. 11 des vorliegenden Urteils im Einzelnen aufgeführten Ausgleichsmaßnahmen nach Art. 4 der Richtlinie 89/48 ersetzt, die jedenfalls auf einen Antragsteller angewandt werden können, wenn zwischen der Ausbildung, der er sich im Herkunftsmitgliedstaat unterzogen hat, und der Ausbildung, die im Aufnahmemitgliedstaat normalerweise verlangt wird, erhebliche Unterschiede bestehen.

33      Was den Rahmen angeht, in dem der Beruf im Herkunftsmitgliedstaat ausgeübt worden sein muss, ist, wie es auch der Generalanwalt in Nr. 70 seiner Schlussanträge getan hat, zum einen darauf hinzuweisen, dass für die Anwendung des Anerkennungsmechanismus nach der Richtlinie 89/48 die Frage unerheblich ist, in welchem organisatorischen und statusrechtlichen Zusammenhang ein Antragsteller seinen Beruf im Herkunftsmitgliedstaat ausgeübt hat, und zum anderen darauf, dass der Umstand, dass sein Arbeitgeber in diesem Mitgliedstaat eine gemeinnützige Einrichtung war, keinen Einfluss auf die Anwendbarkeit von Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie hat. Nach dem Wortlaut von Art. 2 Abs. 1 gilt die Richtlinie für alle Angehörigen eines Mitgliedstaats, die als „Selbständige oder abhängig Beschäftigte“ einen reglementierten Beruf in einem anderen Mitgliedstaat ausüben wollen, und keine Bestimmung dieser Richtlinie enthält einen Hinweis darauf, dass ein Beruf, der meist in Selbständigkeit ausgeübt wird, im Herkunftsmitgliedstaat selbständig und nicht abhängig beschäftigt ausgeübt worden sein muss, damit die so erworbene Berufserfahrung berücksichtigt werden kann.

34      Zwar muss nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 89/48 der fragliche Beruf ferner „vollzeitlich“ ausgeübt worden sein und Art. 1 Buchst. c der Richtlinie definiert einen reglementierten Beruf als „reglementierte berufliche Tätigkeit oder reglementierte berufliche Tätigkeiten insgesamt“, die diesen Beruf ausmachen; soll der Anwendungsbereich des Anerkennungsmechanismus nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. b nicht übermäßig eingeschränkt werden, kann jedoch nicht verlangt werden, dass ein Antragsteller vollständig und ausschließlich sämtlichen den fraglichen Beruf ausmachenden Tätigkeiten nachgegangen ist, damit seine Erfahrung berücksichtigt werden kann.

35      Daher ist es für Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 89/48 als ausreichend anzusehen, dass die geltend gemachte Berufserfahrung im Rahmen einer vollzeitlichen Arbeit mit der dauerhaften und regelmäßigen Ausübung einer Gesamtheit beruflicher Tätigkeiten, die den betreffenden Beruf kennzeichnen, einhergegangen ist, ohne dass sie alle diese Tätigkeiten abzudecken braucht.

36      Welche beruflichen Tätigkeiten zu einem bestimmten Beruf gehören, ist in erster Linie eine Tatsachenfrage, die – gegebenenfalls unter Inanspruchnahme der Hilfe der Behörden des Herkunftsmitgliedstaats – von den zuständigen Stellen des Aufnahmemitgliedstaats unter der Kontrolle der nationalen Gerichte zu entscheiden ist. Wenn der im Herkunftsmitgliedstaat ausgeübte Beruf wie im vorliegenden Fall in diesem Staat kein reglementierter Beruf im Sinne von Art. 1 Buchst. d Unterabs. 1 der Richtlinie 89/48 ist, sind die normalerweise von den Angehörigen dieses Berufs in diesem Mitgliedstaat ausgeübten beruflichen Tätigkeiten zugrunde zu legen.

37      Im Rahmen dieser Beurteilung müssen die zuständigen Stellen des Aufnahmemitgliedstaats prüfen, ob die Berufserfahrung nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 89/48 in erster Linie in einer praktischen und mit dem Arbeitsmarkt für den betreffenden Beruf zusammenhängenden Erfahrung besteht.

38      Insoweit können die von Frau Toki ausgeübten Tätigkeiten wie die allgemeine Forschungsarbeit oder die Betreuung noch nicht graduierter oder graduierter Studierender bei deren Arbeiten, die in Randnr. 15 des vorliegenden Urteils beschrieben worden sind, allein nicht als tatsächliche Ausübung des Berufs des Umweltingenieurs und somit als für die Zwecke von Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 89/48 zu berücksichtigende Berufserfahrung angesehen werden.

39      Demgegenüber könnten die Arbeiten in Kooperation mit einem privaten, auf die Behandlung flüssiger Abfälle spezialisierten Unternehmen, wie sie in Randnr. 15 des vorliegenden Urteils beschrieben worden sind, eine solche Ausübung darstellen, vorausgesetzt allerdings, dass diese Tätigkeit mindestens zwei Jahre dauerhaft und regelmäßig im Rahmen einer vollzeitlichen Arbeit ausgeübt wurde, was die nationalen Stellen gegebenenfalls zu prüfen haben.

40      Sollte festgestellt werden, dass Frau Toki tatsächlich den Beruf des Umweltingenieurs im Vereinigten Königreich ausgeübt hat, wäre zu ermitteln, ob dieser Beruf denselben Beruf darstellt wie der, für dessen Ausübung sie die Erteilung einer Genehmigung in Griechenland beantragt hat. Im Rahmen der durch Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 89/48 eingeführten Anerkennungsregelung ist es Sache der zuständigen Stellen des Aufnahmemitgliedstaats, zu prüfen, ob dies der Fall ist.

41      Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt sich, dass der Ausdruck „dieser Beruf“ in Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 89/48 dahin zu verstehen ist, dass er Berufe meint, die im Hinblick auf die von ihnen umfassten Tätigkeiten im Heimat- oder Herkunftsmitgliedstaat und im Aufnahmemitgliedstaat gleich sind oder sich entsprechen oder in bestimmten Fällen bloß gleichwertig sind (Urteil vom 19. Januar 2006, Colegio de Ingenieros de Caminos, Canales y Puertos, C‑330/03, Slg. 2006, I‑801, Randnr. 20). Diese Auslegung gilt auch dann, wie der Generalanwalt in Nr. 75 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, wenn es sich um Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie handelt, der ausdrücklich auf die Ausübung „dieses Berufs“ abstellt.

42      Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass die Berufserfahrung, die der Antragsteller im Rahmen seines Antrags auf Genehmigung der Ausübung eines im Aufnahmemitgliedstaat reglementierten Berufs nachweist, folgende drei Voraussetzungen erfüllen muss, um gemäß Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 89/48 berücksichtigt werden zu können:

–        Die geltend gemachte Erfahrung muss in einer vollzeitlichen Arbeit von mindestens zwei Jahren in den vorhergehenden zehn Jahren bestehen,

–        diese Arbeit muss in der dauerhaften und regelmäßigen Ausübung einer Gesamtheit beruflicher Tätigkeiten bestanden haben, die den betreffenden Beruf im Heimat- oder Herkunftsmitgliedstaat kennzeichnen, ohne dass diese Arbeit alle diese Tätigkeiten abgedeckt haben muss, und

–        der Beruf, wie er im Heimat- oder Herkunftsmitgliedstaat normalerweise ausgeübt wird, muss im Hinblick auf die von ihm umfassten Tätigkeiten dem Beruf gleichwertig sein, für dessen Ausübung im Aufnahmemitgliedstaat eine Genehmigung beantragt wurde.

 Kosten

43      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:

1.      Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 89/48/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 über eine allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome, die eine mindestens dreijährige Berufsausbildung abschließen, in der durch die Richtlinie 2001/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Mai 2001 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass der in ihm vorgesehene Anerkennungsmechanismus anwendbar ist, wenn der fragliche Beruf im Heimat- oder Herkunftsmitgliedstaat unter Art. 1 Buchst. d Unterabs. 2 der Richtlinie fällt, unabhängig davon, ob der Betroffene Vollmitglied des fraglichen Verbands oder der fraglichen Organisation ist.

2.      Die Berufserfahrung, die der Antragsteller im Rahmen seines Antrags auf Genehmigung der Ausübung eines im Aufnahmemitgliedstaat reglementierten Berufs nachweist, muss, um gemäß Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 89/48 in der durch die Richtlinie 2001/19 geänderten Fassung berücksichtigt werden zu können, folgende drei Voraussetzungen erfüllen:

–        Die geltend gemachte Erfahrung muss in einer vollzeitlichen Arbeit von mindestens zwei Jahren in den vorhergehenden zehn Jahren bestehen,

–        diese Arbeit muss in der dauerhaften und regelmäßigen Ausübung einer Gesamtheit beruflicher Tätigkeiten bestanden haben, die den betreffenden Beruf im Heimat- oder Herkunftsmitgliedstaat kennzeichnen, ohne dass diese Arbeit alle diese Tätigkeiten abgedeckt haben muss, und

–        der Beruf, wie er im Heimat- oder Herkunftsmitgliedstaat normalerweise ausgeübt wird, muss im Hinblick auf die von ihm umfassten Tätigkeiten dem Beruf gleichwertig sein, für dessen Ausübung im Aufnahmemitgliedstaat eine Genehmigung beantragt wurde.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Griechisch.

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