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Document 62009CJ0359

Urteil des Gerichtshofes (Vierte Kammer) vom 3. Februar 2011.
Donat Cornelius Ebert gegen Budapesti Ügyvédi Kamara.
Ersuchen um Vorabentscheidung: Fővárosi Ítélőtábla - Ungarn.
Rechtsanwälte - Richtlinie 89/48/EWG - Anerkennung der Hochschuldiplome, die eine mindestens dreijährige Berufsausbildung abschließen - Richtlinie 98/5/EG - Ständige Ausübung des Rechtsanwaltsberufs in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem die Qualifikation erworben wurde - Führung der Berufsbezeichnung des Aufnahmemitgliedstaats - Voraussetzungen - Eintragung bei einer Berufskammer für Rechtsanwälte des Aufnahmemitgliedstaats.
Rechtssache C-359/09.

Sammlung der Rechtsprechung 2011 I-00269

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2011:44

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer)

3. Februar 2011(*)

„Rechtsanwälte – Richtlinie 89/48/EWG – Anerkennung der Hochschuldiplome, die eine mindestens dreijährige Berufsausbildung abschließen – Richtlinie 98/5/EG – Ständige Ausübung des Rechtsanwaltsberufs in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem die Qualifikation erworben wurde – Führung der Berufsbezeichnung des Aufnahmemitgliedstaats – Voraussetzungen – Eintragung bei einer Berufskammer für Rechtsanwälte des Aufnahmemitgliedstaats“

In der Rechtssache C‑359/09

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Fővárosi Ítélőtábla (Ungarn) mit Entscheidung vom 23. Juni 2009, beim Gerichtshof eingegangen am 7. September 2009, in dem Verfahren

Donat Cornelius Ebert

gegen

Budapesti Ügyvédi Kamara

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot, der Richter K. Schiemann und L. Bay Larsen (Berichterstatter) sowie der Richterinnen C. Toader und A. Prechal,

Generalanwalt: P. Cruz Villalón,

Kanzler: B. Fülöp, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 16. September 2010,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        von Herrn Rechtsanwalt Ebert selbst,

–        der Budapesti Ügyvédi Kamara, vertreten durch P. Kiss und P. Köves, ügyvédek,

–        der ungarischen Regierung, vertreten durch J. Fazekas, M. Fehér und Zs. Tóth als Bevollmächtigte,

–        der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek als Bevollmächtigten,

–        der spanischen Regierung, vertreten durch J. López-Medel Bascones als Bevollmächtigten,

–        der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von P. Gentili, avvocato dello Stato,

–        der österreichischen Regierung, vertreten durch E. Riedl als Bevollmächtigten,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch B. Simon und H. Støvlbæk als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 89/48/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 über eine allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome, die eine mindestens dreijährige Berufsausbildung abschließen (ABl. 1989, L 19, S. 16), in der durch die Richtlinie 2001/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Mai 2001 (ABl. L 206, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 89/48) und der Richtlinie 98/5/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 1998 zur Erleichterung der ständigen Ausübung des Rechtsanwaltsberufs in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem die Qualifikation erworben wurde (ABl. L 77, S. 36).

2        Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Ebert, einem deutschen Staatsangehörigen, der als Rechtsanwalt Mitglied der Rechtsanwaltskammer Düsseldorf (Deutschland) ist, gegen die Budapesti Ügyvédi Kamara (Rechtsanwaltskammer Budapest) (Ungarn) über das von Herrn Ebert beanspruchte Recht, die Berufsbezeichnung „ügyvéd“ (Rechtsanwalt in Ungarn) zu führen, ohne Mitglied der erwähnten Rechtsanwaltskammer dieses Mitgliedstaats zu sein.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

 Richtlinie 89/48

3        Die Erwägungsgründe 7 und 8 der Richtlinie 89/48, die zeitlich auf das Ausgangsverfahren anwendbar ist, lauten:

„Es ist angezeigt, insbesondere den Begriff ‚reglementierte berufliche Tätigkeit‘ zu definieren, um unterschiedliche soziologische Verhältnisse in den einzelnen Mitgliedstaaten zu berücksichtigen. Als reglementierte berufliche Tätigkeit ist nicht nur eine berufliche Tätigkeit zu betrachten, deren Aufnahme in einem Mitgliedstaat an den Besitz eines Diploms gebunden ist, sondern auch eine berufliche Tätigkeit, deren Aufnahme frei ist, wenn sie in Verbindung mit der Führung eines Titels ausgeübt wird, der denjenigen vorbehalten ist, die bestimmte Qualifikationsvoraussetzungen erfüllen. …

Die allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome zielt weder auf eine Änderung der die Berufsausübung einschließlich der Berufsethik betreffenden Bestimmungen ab, die für alle Personen gelten, die einen Beruf im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats ausüben, noch auf einen Ausschluss der Zuwanderer von der Anwendung dieser Bestimmungen. Die Regelung sieht lediglich geeignete Maßnahmen vor, mit denen sichergestellt werden kann, dass der Zuwanderer den die Berufsausübung betreffenden Bestimmungen des Aufnahmestaats nachkommt.“

4        Art. 1 Buchst. a der Richtlinie 89/48 definiert den Begriff „Diplom“ im Sinne dieser Richtlinie wie folgt:

„… alle Diplome, Prüfungszeugnisse oder sonstige Befähigungsnachweise …

–        die in einem Mitgliedstaat von einer nach seinen Rechts- und Verwaltungsvorschriften bestimmten zuständigen Stelle ausgestellt werden,

–        aus denen hervorgeht, dass der Diplominhaber ein mindestens dreijähriges Studium oder ein dieser Dauer entsprechendes Teilzeitstudium an einer Universität oder einer Hochschule oder einer anderen Ausbildungseinrichtung mit gleichwertigem Niveau absolviert und gegebenenfalls die über das Studium hinaus erforderliche berufliche Ausbildung abgeschlossen hat, und

–        aus denen hervorgeht, dass der Zeugnisinhaber über die beruflichen Voraussetzungen verfügt, die für den Zugang zu einem reglementierten Beruf oder dessen Ausübung in diesem Mitgliedstaat erforderlich sind,

…“

5        Art. 2 der Richtlinie 89/48 bestimmt:

„Diese Richtlinie gilt für alle Angehörigen eines Mitgliedstaats, die als Selbständige oder abhängig Beschäftigte einen reglementierten Beruf in einem anderen Mitgliedstaat ausüben wollen.

Diese Richtlinie gilt nicht für die Berufe, die Gegenstand einer Einzelrichtlinie sind, mit der in den Mitgliedstaaten eine gegenseitige Anerkennung der Diplome eingeführt wird.“

6        Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 89/48 sieht vor:

„Wenn der Zugang zu einem reglementierten Beruf oder dessen Ausübung im Aufnahmestaat von dem Besitz eines Diploms abhängig gemacht wird, kann die zuständige Stelle einem Angehörigen eines Mitgliedstaats den Zugang zu diesem Beruf oder dessen Ausübung unter denselben Voraussetzungen wie bei Inländern nicht wegen mangelnder Qualifikation verweigern,

a)      wenn der Antragsteller das Diplom besitzt, das in einem anderen Mitgliedstaat erforderlich ist, um Zugang zu diesem Beruf in seinem Hoheitsgebiet zu erhalten oder ihn dort auszuüben, und wenn dieses Diplom in einem Mitgliedstaat erworben wurde …,

…“

7        Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 89/48 bestimmt:

„Artikel 3 hindert den Aufnahmestaat nicht daran, vom Antragsteller ebenfalls zu verlangen,

b)      dass er einen höchstens dreijährigen Anpassungslehrgang absolviert oder eine Eignungsprüfung ablegt,

–        wenn seine bisherige Ausbildung gemäß Artikel 3 Buchstaben a) und b) sich auf Fächer bezieht, die sich wesentlich von denen unterscheiden, die von dem Diplom abgedeckt werden, das in dem Aufnahmestaat vorgeschrieben ist, oder

–        wenn in dem in Artikel 3 Buchstabe a) vorgesehenen Fall der reglementierte Beruf in dem Aufnahmestaat eine oder mehrere reglementierte berufliche Tätigkeiten umfasst, die in dem Heimat- oder Herkunftsmitgliedstaat des Antragstellers nicht Bestandteil des betreffenden reglementierten Berufs sind, und wenn dieser Unterschied in einer besonderen Ausbildung besteht, die in dem Aufnahmestaat gefordert wird und sich auf Fächer bezieht, die sich wesentlich von denen unterscheiden, die von dem Diplom abgedeckt werden, das der Antragsteller vorweist …

         …

Wenn der Aufnahmestaat von dieser Möglichkeit Gebrauch macht, muss er dem Antragsteller die Wahl zwischen dem Anpassungslehrgang und der Eignungsprüfung lassen. Abweichend von diesem Grundsatz kann der Aufnahmestaat einen Anpassungslehrgang oder eine Eignungsprüfung vorschreiben, wenn es sich um Berufe handelt, deren Ausübung eine genaue Kenntnis des nationalen Rechts erfordert und bei denen die Beratung und/oder der Beistand in Fragen des innerstaatlichen Rechts ein wesentlicher und ständiger Bestandteil der beruflichen Tätigkeit ist. …“

8        Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 89/48 bestimmt:

„Die zuständige Behörde eines Aufnahmestaats, die für den Zugang zu einem reglementierten Beruf einen Nachweis der Ehrenhaftigkeit, ein Führungszeugnis oder eine Bescheinigung darüber, dass der Betreffende nicht in Konkurs geraten ist, fordert oder die Ausübung dieses Berufs bei schwerwiegendem standeswidrigen Verhalten oder bei einer strafbaren Handlung untersagt, erkennt bei Angehörigen der anderen Mitgliedstaaten, die diesen Beruf im Hoheitsgebiet des Aufnahmestaats ausüben wollen, die von den zuständigen Behörden des Heimat- oder Herkunftsmitgliedstaats ausgestellten Bescheinigungen, aus denen hervorgeht, dass diesen Anforderungen Genüge geleistet wird, als ausreichenden Nachweis an.

…“

9        Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 89/48 lautet:

„Die zuständige Behörde des Aufnahmestaats erkennt den Angehörigen der Mitgliedstaaten, die die Voraussetzungen für den Zugang zu einem reglementierten Beruf und dessen Ausübung im Hoheitsgebiet des Aufnahmestaats erfüllen, das Recht zu, die diesem Beruf entsprechende Berufsbezeichnung des Aufnahmestaats zu führen.“

 Richtlinie 98/5

10      Die Erwägungsgründe 2, 3 und 7 der Richtlinie 98/5 lauten:

„(2)      Ein in einem Mitgliedstaat voll qualifizierter Rechtsanwalt kann aufgrund der Richtlinie 89/48 … bereits die Anerkennung seines Diploms beantragen, um sich in einem anderen Mitgliedstaat zwecks Ausübung des Rechtsanwaltsberufs unter der Berufsbezeichnung dieses Mitgliedstaats niederzulassen. Zweck der genannten Richtlinie ist die Integration des Rechtsanwalts in den Berufsstand des Aufnahmestaats. Sie zielt weder darauf ab, dass die dort geltenden Berufs- und Standesregeln geändert werden, noch dass der betreffende Anwalt ihrer Anwendung entzogen wird.

(3)      Während sich einige Rechtsanwälte insbesondere durch erfolgreiche Ablegung der in der Richtlinie 89/48 … vorgesehenen Eignungsprüfung rasch in den Berufsstand des Aufnahmestaats integrieren können, sollten andere vollständig qualifizierte Rechtsanwälte diese Integration nach einem bestimmten Zeitraum der Berufsausübung im Aufnahmestaat unter ihrer ursprünglichen Berufsbezeichnung erreichen oder aber ihre Tätigkeit unter der ursprünglichen Berufsbezeichnung fortsetzen können.

(7)      Diese Richtlinie sieht entsprechend ihrer Zielsetzung davon ab, rein innerstaatliche Situationen zu regeln, und berührt die nationalen Berufsregeln nur insoweit, als dies notwendig ist, damit sie ihren Zweck tatsächlich erreichen kann. Insbesondere berührt diese Richtlinie nicht die nationalen Regelungen für den Zugang zum Rechtsanwaltsberuf und für die Ausübung dieses Berufs unter der Berufsbezeichnung des Aufnahmestaats.“

11      Art. 2 der Richtlinie 98/5 („Recht auf Berufsausübung unter der ursprünglichen Berufsbezeichnung“) bestimmt:

„Jeder Rechtsanwalt hat das Recht, die in Artikel 5 genannten Anwaltstätigkeiten auf Dauer in jedem anderen Mitgliedstaat unter seiner ursprünglichen Berufsbezeichnung auszuüben.

Die Eingliederung in den Berufsstand des Aufnahmestaats wird in Artikel 10 geregelt.“

12      Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 98/5 lautet:

„Der unter seiner ursprünglichen Berufsbezeichnung tätige Rechtsanwalt unterliegt neben den im Herkunftsstaat geltenden Berufs- und Standesregeln hinsichtlich aller Tätigkeiten, die er im Aufnahmestaat ausübt, den gleichen Berufs- und Standesregeln wie die Rechtsanwälte, die unter der jeweiligen Berufsbezeichnung des Aufnahmestaats praktizieren.“

13      Art. 10 („Gleichstellung mit den Rechtsanwälten des Aufnahmestaats“) der Richtlinie 98/5 sieht vor:

„(1)      Der Rechtsanwalt, der unter seiner ursprünglichen Berufsbezeichnung tätig ist und eine mindestens dreijährige effektive und regelmäßige Tätigkeit im Aufnahmestaat im Recht dieses Mitgliedstaats, einschließlich des Gemeinschaftsrechts, nachweist, wird für den Zugang zum Rechtsanwaltsberuf im Aufnahmestaat von den in Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe b) der Richtlinie 89/48 … vorgesehenen Voraussetzungen freigestellt. …

(2)      Der in einem Aufnahmestaat unter seiner ursprünglichen Berufsbezeichnung tätige Rechtsanwalt kann jederzeit die Anerkennung seines Diploms nach der Richtlinie 89/48 … beantragen, um zum Rechtsanwaltsberuf im Aufnahmestaat zugelassen zu werden und ihn unter der entsprechenden Berufsbezeichnung dieses Mitgliedstaats auszuüben.

(3)      Der unter seiner ursprünglichen Berufsbezeichnung tätige Rechtsanwalt, der den Nachweis einer mindestens dreijährigen effektiven und regelmäßigen Tätigkeit im Aufnahmestaat erbringt, im Recht des Aufnahmestaats jedoch nur während eines kürzeren Zeitraums tätig war, kann bei der zuständigen Stelle dieses Mitgliedstaats die Zulassung zum Rechtsanwaltsberuf im Aufnahmestaat und das Recht erlangen, diesen unter der entsprechenden Berufsbezeichnung dieses Mitgliedstaats auszuüben, ohne dass die Voraussetzungen der Richtlinie 89/48 … Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe b) auf ihn Anwendung finden. Dafür gilt Folgendes:

(6)      Der Rechtsanwalt, der im Aufnahmestaat gemäß den Absätzen 1, 2 und 3 zum Rechtsanwaltsberuf zugelassen wird, ist berechtigt, neben der Berufsbezeichnung, die dem Rechtsanwaltsberuf im Aufnahmestaat entspricht, auch die ursprüngliche Berufsbezeichnung in der Amtssprache oder einer der Amtssprachen des Herkunftsstaats zu führen.“

 Nationales Recht

14      Der Zugang zum Rechtsanwaltsberuf in Ungarn bestimmt sich nach folgenden Regelungen:

–        Gesetz Nr. C/2001 über die Anerkennung der ausländischen Prüfungszeugnisse und Diplome (A külföldi bizonyítványok és oklevelek elismeréséről szóló 2001. évi C. törvény) (im Folgenden: Gesetz über die Anerkennung von Prüfungszeugnissen und Diplomen);

–        Gesetz Nr. XI/1998 über die Rechtsanwälte (Az ügyvédekről szóló 1998. évi XI. törvény) (im Folgenden: Rechtsanwaltsgesetz).

 Das Gesetz über die Anerkennung von Prüfungszeugnissen und Diplomen

15      Für die Zeit vom 1. Mai 2004 bis 20. Oktober 2007 lauteten die einschlägigen Bestimmungen des Gesetzes über die Anerkennung von Prüfungszeugnissen und Diplomen wie folgt:

„Artikel 21

1.      Die Bestimmungen dieses Teils finden Anwendung, wenn ein Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats in Ungarn einen reglementierten Beruf ausüben will und er berechtigt ist, den gleichen Beruf im Entsendestaat oder Herkunftsland auszuüben.

Artikel 35

1.      Die zuständige Behörde kann entweder einen Anpassungslehrgang vorschreiben, dessen Dauer drei Jahre nicht übersteigen darf, oder eine Eignungsprüfung,

a)      wenn der praktische oder theoretische Teil der Ausbildung des Antragstellers erheblich von der Ausbildung abweicht, die für den Erwerb des in Ungarn für die Ausübung des reglementierten Berufs vorgeschriebenen Diploms erforderlich ist,

2.      Die zuständige Behörde sorgt dafür, dass der Antragsteller zwischen dem Anpassungslehrgang und der Eignungsprüfung wählen kann.

3.      Die zuständige Behörde kann von Abs. 2 bei jedem Beruf abweichen, dessen Ausübung eine genaue Kenntnis des ungarischen Rechts verlangt und dessen ständiger und wesentlicher Bestandteil die Beratung in Fragen des ungarischen Rechts ist. In einem solchen Fall verpflichtet die zuständige Behörde den Antragsteller, einen Anpassungslehrgang zu absolvieren oder sich einer Eignungsprüfung zu unterziehen.

…“

16      Nach einem vom 1. Mai 2004 bis 8. Mai 2009 geltenden, vom ungarischen Minister für Bildung veröffentlichten Verzeichnis der reglementierten Berufe handelt es sich bei dem für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufs erforderlichen Prüfungsnachweis um ein Diplom im Sinne des Gesetzes über die Anerkennung von Prüfungsnachweisen und Diplomen.

 Das Rechtsanwaltsgesetz

17      Bei Einreichung der Klage am 13. Dezember 2006, mit der das Ausgangsverfahren eingeleitet wurde, lauteten die einschlägigen Bestimmungen des Rechtsanwaltsgesetzes wie folgt:

„Artikel 6

1.      Ein Rechtsanwalt

a)      darf nicht durch einen Arbeitsvertrag, einen Dienstleistungsvertrag im öffentlichen Interesse oder einen anderen Vertrag, der eine Pflicht zur Ausführung einer Arbeit beinhaltet, gebunden sein und darf weder im öffentlichen Dienst beschäftigt noch Beamter, noch Notar, noch hauptamtlicher Bürgermeister sein,

b)      darf keine Tätigkeit als Einzelunternehmer und keine Tätigkeit ausüben, die eine unbeschränkte finanzielle Haftung beinhaltet.

3.      Der Rechtsanwalt ist verpflichtet, der Rechtsanwaltskammer jeden Unvereinbarkeitsgrund binnen 15 Tagen nach dessen Eintritt mitzuteilen.

Artikel 13

1.      Den Beruf des Rechtsanwalts – mit Ausnahme des Berufs des Rechtsanwalts im Lohn‑ oder Gehaltsverhältnis – kann ausüben, wer in das Rechtsanwaltsverzeichnis eingetragen ist und den Rechtsanwaltseid geleistet hat.

3.      Die Eintragung in das Verzeichnis der Rechtsanwälte erfolgt auf Antrag eines Bewerbers, sofern dieser

a)      Staatsangehöriger eines Staates ist, der dem Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum [vom 2. Mai 1992 (ABl. 1994, L 1, S. 3)] beigetreten ist;

c)      nicht vorbestraft ist;

d)      das Studium der Rechtswissenschaft erfolgreich abgeschlossen hat;

e)      in Ungarn die juristische Berufsprüfung bestanden hat;

f)      der Ügyvédek Biztosító és Segélyező Egyesülete [Berufshaftpflicht‑ und Unterstützungsversicherung der ungarischen Rechtsanwälte] angeschlossen ist oder eine von der Rechtsanwaltskammer anerkannte Berufshaftpflichtversicherung abgeschlossen hat;

g)      im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Rechtsanwaltskammer eine für die ständige Ausübung des Rechtsanwaltsberufs geeignete Kanzlei eröffnet hat;

h)      keinen der in Abs. 4 aufgeführten Ausschlusstatbestände erfüllt.

4.      Nicht in die Rechtsanwaltskammer aufgenommen werden kann ein Bewerber,

a)      bei dem einer der Fälle der Unvereinbarkeit im Sinne von Art. 6 vorliegt und der diesem Sachverhalt nicht abhilft;,

b)      gegen den eine Nebenstrafe verhängt worden ist, die ihn von der Ausübung öffentlicher Ämter ausschließt oder ihm jede Beschäftigung im Zusammenhang mit einer juristischen Befähigung untersagt;

c)      gegen den durch ein gerichtliches Urteil eine unbedingte Freiheitsstrafe wegen einer vorsätzlich begangenen Straftat verhängt worden ist …;

d)      der aus der Rechtsanwaltskammer ausgeschlossen worden ist …;

e)      der einer Betreuung unterliegt, die seine Geschäftsfähigkeit beschränkt oder ausschließt, oder der geschäftsunfähig ist, ohne einer Betreuung zu unterliegen …;

f)      der durch seine Lebensweise oder sein Verhalten des für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufs erforderlichen öffentlichen Vertrauens unwürdig ist.

Artikel 89/A

1.      Die Bestimmungen dieses Gesetzes finden vorbehaltlich der in diesem Kapitel vorgesehenen Ausnahmen auf die Tätigkeit Anwendung, die im Gebiet der Republik Ungarn von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats des Europäischen Wirtschaftsraums ausgeübt wird, die berechtigt sind, den Rechtsanwaltsberuf unter einer in anderen Rechts- oder Verwaltungsvorschriften geregelten Berufsbezeichnung in einem Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraums auszuüben (im Folgenden: europäische Juristen).

Artikel 89/B

1.      Wer den Beruf des Rechtsanwalts im Gebiet der Republik Ungarn ausüben will, hat einen Antrag auf Eintragung in das bei der Rechtsanwaltskammer geführte Verzeichnis der europäischen Juristen zu stellen (im Folgenden im Rahmen dieses Kapitels: Verzeichnis), sofern er diese Tätigkeit dauerhaft als europäischer Jurist ausüben will; will er diese Tätigkeit nur gelegentlich als Dienstleistungserbringer ausüben, ist ihm die Beantragung der Eintragung freigestellt.

2.      Die Eintragung des Antragstellers in das Verzeichnis erfolgt, wenn er

a)      durch Vorlage einer Bescheinigung, die von der in seinem Mitgliedstaat für die Eintragung der Rechtsanwälte zuständigen Stelle ausgestellt worden ist und nicht älter als drei Monate sein darf, in beglaubigter Übersetzung ins Ungarische nachweist, dass er berechtigt ist, dort den Beruf des Rechtsanwalts auszuüben,

Artikel 89/F

1.      Die Rechtsanwaltskammer nimmt auf Antrag einen eingetragenen europäischen Juristen als ‚ügyvéd‘ (Rechtsanwalt) auf, wenn der Antragsteller

a)      die Voraussetzungen des Art. 13 Abs. 3 Buchst. c, f, g und h erfüllt,

b)      durch Dokumente die Zahl und die Art der von ihm bearbeiteten Rechtssachen oder im Rahmen einer auf besonderes Verlangen der Rechtsanwaltskammer durchgeführten Einzelanhörung glaubhaft nachweist, dass er über einen ununterbrochenen Zeitraum von drei Jahren in der Republik Ungarn den Beruf des Rechtsanwalts auf dem Gebiet des ungarischen Rechts ausgeübt hat (was die Anwendung des Gemeinschaftsrechts in Ungarn einschließt) und

c)      in der Einzelanhörung nachweist, dass er über die für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufs erforderlichen Ungarischkenntnisse verfügt.

2.      Die Rechtsanwaltskammer kann auf Antrag einen eingetragenen europäischen Juristen auch dann als Rechtsanwalt aufnehmen, wenn er den Beruf des Rechtsanwalts in Ungarn über einen ununterbrochenen Zeitraum von drei Jahren nicht nur auf dem Gebiet des ungarischen Rechts ausgeübt hat (was die Anwendung des Gemeinschaftsrechts in Ungarn einschließt) und die sonstigen Anforderungen des Abs. 1 erfüllt.

4. Nach der Aufnahme wird der europäische Jurist Vollmitglied der Rechtsanwaltskammer. Neben der Berufsbezeichnung ‚ügyvéd‘ (Rechtsanwalt) kann er im Rahmen seiner Berufsausübung weiterhin die in seinem Mitgliedstaat anerkannte Berufsbezeichnung führen.

         Artikel 89/I

2.      Ein europäischer Jurist darf im Rahmen seiner Tätigkeit ausschließlich die in seinem Mitgliedstaat anerkannte Berufsbezeichnung führen und hat die Bezeichnung der Berufsorganisation, der er angehört, in der Amtssprache seines Mitgliedstaats anzugeben. Zudem ist der Berufsbezeichnung eine ergänzende Erläuterung in Ungarisch hinzuzufügen, wenn sie mit der eines ‚ügyvéd‘ verwechselt werden kann.“

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

18      Herr Ebert, ein deutscher Staatsangehöriger, studierte in Deutschland Rechtswissenschaften und ist seit 1997 als Mitglied der Rechtsanwaltskammer Düsseldorf berechtigt, die Tätigkeit eines Rechtsanwalts unter dieser Bezeichnung auszuüben. Seit Ende der 90er Jahre lebt Herr Ebert in Ungarn, wo er nach einem Studium an der Universität Miskolc 2002 den Titel eines Doktors des Rechts erwarb.

19      2004 schloss Herr Ebert einen Kooperationsvertrag mit einer Rechtsanwaltskanzlei und wurde mit Bescheid der Budapesti Ügyvédi Kamara vom 20. September 2004 in das Verzeichnis der europäischen Juristen im Sinne von Art. 89/A des Rechtsanwaltsgesetzes eingetragen, so dass er die Tätigkeit eines Rechtsanwalts in diesem Mitgliedstaat unter seiner ursprünglichen Berufsbezeichnung ausüben kann.

20      Nach den Angaben in der Vorlageentscheidung gründete Herr Ebert 2005 seine eigene Rechtsanwaltskanzlei in Ungarn, die mit Bescheid vom 6. April 2005 bei der Budapesti Ügyvédi Kamara eingetragen wurde.

21      Ebenfalls nach der Vorlageentscheidung beantragte Herr Ebert beim Fővárosi Bíróság (Gericht in Budapest) am 13. Dezember 2006 die Anerkennung seines Rechts, die ungarische Berufsbezeichnung „ügyvéd“ in Ungarn zu führen, ohne Mitglied der Rechtsanwaltskammer zu sein.

22      Das Fővárosi Bíróság wies diese Klage mit der Begründung ab, dass Herr Ebert nach den Art. 1 und 7 Abs. 1 und 3 der Richtlinie 89/48 die Berufsbezeichnung „ügyvéd“ nur führen dürfe, wenn er eine Mitgliedschaft in der Rechtsanwaltskammer nachweise. Herr Ebert legte gegen diese Entscheidung Rechtsmittel beim Fővárosi Ítélőtábla (Gericht in Budapest) ein.

23      In diesem Zusammenhang hat das Fővárosi Ítélőtábla das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.      Können die Richtlinie 89/48 und die Richtlinie 98/5 dahin ausgelegt werden, dass der Rechtsmittelführer, der deutscher Staatsangehöriger ist, in Deutschland die Prüfung für den Zugang zum Beruf des Rechtsanwalts bestanden hat und dort Mitglied einer Rechtsanwaltskammer ist, aber eine ungarische Aufenthaltserlaubnis besitzt und in Ungarn arbeitet, berechtigt ist, in Gerichts- und Verwaltungsverfahren neben der deutschen Bezeichnung „Rechtsanwalt“ und der ungarischen Bezeichnung „európai közösségi jogász“ (europäischer Jurist) die Bezeichnung „ügyvéd“ (Rechtsanwalt) zu führen, die die offizielle Berufsbezeichnung im Aufnahmestaat (Ungarn) ist, obwohl er in Ungarn weder in das Verzeichnis der Rechtsanwälte eingetragen ist noch eine entsprechende Genehmigung besitzt?

2.      Ergänzt die Richtlinie 98/5 die Richtlinie 89/48 in dem Sinne, dass die Richtlinie 98/5 eine spezielle gesetzliche Regelung für den Bereich der Rechtsanwaltschaft darstellt, während sich die Richtlinie 89/48 allgemein darauf beschränkt, die Anerkennung der Hochschuldiplome zu regeln?

24      Herr Ebert hat in seinen schriftlichen Erklärungen und in der Sitzung ausgeführt, dass er in Wirklichkeit nur beim ungarischen Ministerium für Bildung und Kultur beantragt habe, einer Eignungsprüfung unterzogen zu werden, um gemäß der Richtlinie 89/48 die Erlaubnis zur Ausübung des Rechtsanwaltsberufs unter der Berufsbezeichnung seines Aufnahmemitgliedstaats zu erhalten, und dass dieses Ministerium diesen Antrag nicht beschieden, sondern der Budapesti Ügyvédi Kamara übermittelt habe, die diesen Antrag ebenfalls nicht beschieden habe.

25      In der Sitzung hat die Budapesti Ügyvédi Kamara bestätigt, dass sie diesen Antrag vom Ministerium für Bildung und Kultur erhalten habe, doch sei sie nach dem nationalen Recht in Bezug auf die Anerkennung der Hochschuldiplome gemäß der Richtlinie 89/48 nicht zuständig, sondern diese Zuständigkeit obliege dem Ministerium für Bildung und Kultur, das den Antrag von Herrn Ebert noch nicht beschieden habe. Die Budapesti Ügyvédi Kamara führte aus, sie habe aus diesem Grund den Antrag nicht bescheiden können, jedoch Herrn Ebert in das Verzeichnis der europäischen Juristen eingetragen.

26      Die ungarische Regierung hat im Verfahren vor dem Gerichtshof bestätigt, dass nach dem Gesetz über die Anerkennung von Berufsabschlüssen und Diplomen, mit dem die Richtlinie 89/48 in das ungarische Recht umgesetzt worden sei, die Anerkennung der Diplome von Herrn Ebert in die Zuständigkeit des Ministeriums für Bildung und Kultur falle.

 Zu den Vorlagefragen

 Zur zweiten Frage

27      Mit seiner zweiten Frage, die als erste zu prüfen ist, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Richtlinie 98/5 die Anwendung der Richtlinie 89/48 in dem Sinne ausschließt, dass die in Art. 10 Abs. 1 und 3 der Richtlinie 98/5 vorgesehenen Modalitäten die einzige Möglichkeit für die Rechtsanwälte anderer Mitgliedstaaten darstellen, Zugang zur Berufsbezeichnung eines Rechtsanwalts in einem Aufnahmemitgliedstaat zu erhalten, oder ob beide Richtlinien einander dadurch ergänzen, dass sie für die Rechtsanwälte der Mitgliedstaaten zwei Wege des Zugangs zum Rechtsanwaltsberuf in einem Aufnahmemitgliedstaat unter dessen Berufsbezeichnung eröffnen.

28      Herr Ebert, die ungarische, die tschechische, die spanische und die österreichische Regierung sowie die Europäische Kommission sind der Ansicht, dass die Richtlinien 98/5 und 89/48 zwei Wege des Zugangs zum Rechtsanwaltsberuf im Aufnahmemitgliedstaat eröffnen. In der Sitzung hat die Budapesti Ügyvédi Kamara ausgeführt, dass sie diese Ansicht teile.

29      Nach ihrem Art. 2 Abs. 2 gilt die Richtlinie 89/48 nicht für Berufe, die Gegenstand einer Einzelrichtlinie sind, mit der in den Mitgliedstaaten eine gegenseitige Anerkennung der Diplome eingeführt wird.

30      Aus Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 98/5 geht jedoch hervor, dass ein Rechtsanwalt, der unter seiner ursprünglichen Berufsbezeichnung tätig ist und eine mindestens dreijährige effektive und regelmäßige Tätigkeit im Aufnahmestaat im Recht dieses Mitgliedstaats, einschließlich des Unionsrechts, nachweist, für den Zugang zum Rechtsanwaltsberuf im Aufnahmestaat von den in Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 89/48 vorgesehenen Voraussetzungen freigestellt wird.

31      Unter den in Art. 10 Abs. 3 der Richtlinie 98/5 beschriebenen Voraussetzungen kann ferner der unter seiner ursprünglichen Berufsbezeichnung tätige Rechtsanwalt, der den Nachweis einer mindestens dreijährigen effektiven und regelmäßigen Tätigkeit im Aufnahmestaat erbringt, im Recht des Aufnahmestaats jedoch nur während eines kürzeren Zeitraums tätig war, bei der zuständigen Stelle dieses Mitgliedstaats die Zulassung zum Rechtsanwaltsberuf im Aufnahmestaat und das Recht erlangen, diesen unter der entsprechenden Berufsbezeichnung dieses Mitgliedstaats auszuüben, ohne dass die Voraussetzungen von Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 89/48 auf ihn Anwendung finden.

32      Ist allerdings im Rahmen dieser Modalitäten des Zugangs zur Ausübung des Rechtsanwaltsberufs unter der Berufsbezeichnung des Aufnahmestaats ein qualifizierter Rechtsanwalt eines anderen Mitgliedstaats von der Erfüllung der Voraussetzungen nach Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 89/48 befreit, ist festzustellen, dass die Richtlinie 98/5 einem solchen Rechtsanwalt insbesondere dann, wenn er noch keine mindestens dreijährige effektive und regelmäßige Tätigkeit im Aufnahmestaat nachweisen kann, nicht die Möglichkeit nimmt, den Zugang zum Rechtsanwaltsberuf unter der Berufsbezeichnung dieses Staates unter Berufung auf die Richtlinie 89/48 zu beanspruchen. Wie nämlich die Erwägungsgründe 2 und 3 der Richtlinie 98/5 erkennen lassen und wie aus deren Art. 10 Abs. 2 ausdrücklich hervorgeht, kann ein Rechtsanwalt, der seinen Beruf unter seiner ursprünglichen Berufsbezeichnung in einem Aufnahmemitgliedstaat ausübt, jederzeit gemäß der Richtlinie 89/48 die Anerkennung seines Diploms beantragen, um Zugang zum Rechtsanwaltsberuf in diesem Staat zu erlangen und diesen Beruf unter der in diesem Mitgliedstaat verliehenen Berufsbezeichnung auszuüben.

33      In einer solchen Situation hat der Inhaber eines „Diploms“ im Sinne von Art. 1 Buchst. a der Richtlinie 89/48, wie Herr Ebert, nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. a dieser Richtlinie Anspruch auf Zugang zum reglementierten Beruf des Rechtsanwalts im Aufnahmemitgliedstaat. Da es sich jedoch um einen Beruf handelt, dessen Ausübung eine genaue Kenntnis des nationalen Rechts erfordert und bei dem die Beratung und/oder der Beistand in Fragen des innerstaatlichen Rechts ein wesentlicher und ständiger Bestandteil der beruflichen Tätigkeit ist, hindert Art. 3 der geänderten Richtlinie 89/48 den Aufnahmemitgliedstaat gleichwohl nicht, in Anwendung von Art. 4 Abs. 1 Buchst. b dieser Richtlinie vom Antragsteller darüber hinaus die Ablegung einer Eignungsprüfung zu verlangen, sofern dieser Mitgliedstaat zuvor prüft, ob die vom Antragsteller im Rahmen seiner Berufspraxis erworbenen Kenntnisse den wesentlichen Unterschied nach Art. 4 Abs. 1 dieser Richtlinie ganz oder teilweise ausgleichen können (vgl. Urteil vom 22. Dezember 2010, Koller, C‑118/09, Slg. 2010, I‑0000, Randnrn. 38 und 39).

34      Somit kann ein Rechtsanwalt eines Mitgliedstaats Zugang zum Rechtsanwaltsberuf in einem Aufnahmemitgliedstaat, in dem dieser Beruf reglementiert ist, entweder nach der Richtlinie 89/48 oder nach Art. 10 Abs. 1 und 3 der Richtlinie 98/5 haben und diesen unter der verliehenen Berufsbezeichnung ausüben.

35      Somit ist auf die zweite Frage zu antworten, dass die Richtlinien 89/48 und 98/5 einander dadurch ergänzen, dass sie für die Rechtsanwälte der Mitgliedstaaten zwei Wege des Zugangs zum Rechtsanwaltsberuf in einem Aufnahmemitgliedstaat unter der dortigen Berufsbezeichnung einführen.

 Zur ersten Frage

36      Mit seiner ersten Frage möchte das nationale Gericht wissen, ob die Richtlinien 89/48 und 98/5 einer nationalen Regelung entgegenstehen, die für die Ausübung der Rechtsanwaltstätigkeit unter der Berufsbezeichnung des Aufnahmemitgliedstaats die Verpflichtung vorsieht, Mitglied einer Einrichtung wie einer Rechtsanwaltskammer zu sein.

37      Aus Art. 3 der Richtlinie 89/48 geht hervor, dass eine Person, wenn sie das Diplom besitzt, das in einem Mitgliedstaat erforderlich ist, um Zugang zu einem Beruf zu erhalten, das Recht auf Zugang zu diesem Beruf in einem Aufnahmemitgliedstaat unter denselben Voraussetzungen wie Inländer hat, mit Ausnahme der Voraussetzungen des Besitzes eines Diploms des Aufnahmemitgliedstaats.

38      Ferner ergibt sich aus Art. 6 der Richtlinie 89/48 im Licht ihres zehnten Erwägungsgrundes, dass, wer Zugang zu einem in einem Aufnahmemitgliedstaat reglementierten Beruf aufgrund der Anerkennung eines Diploms im Sinne von Art. 1 Buchst. a der Richtlinie hat, den Regelungen dieses Aufnahmemitgliedstaats für den Beruf, insbesondere was die Beachtung des Standesrechts angeht, nachzukommen hat.

39      Weiter ergibt sich aus Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 98/5, dass selbst ein Rechtsanwalt, der im Aufnahmemitgliedstaat unter seiner ursprünglichen Berufsbezeichnung tätig ist, den gleichen Berufs‑ und Standesregeln wie die Rechtsanwälte unterliegt, die unter der Berufsbezeichnung des Aufnahmemitgliedstaats tätig sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 2. Dezember 2010, Jakubowska, C‑225/09, Slg. 2010, I‑0000, Randnr. 57).

40      Somit ist festzustellen, dass weder die Richtlinie 89/48 noch die Richtlinie 98/5 der Anwendung nationaler Bestimmungen, gleich ob Rechts- oder Verwaltungsvorschriften, die durch das Allgemeininteresse gerechtfertigt sind, wie Vorschriften über Organisation, Standespflichten, Kontrolle und Haftung, auf alle Personen, die den Rechtsanwaltsberuf im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats ausüben, insbesondere hinsichtlich des Zugangs zu diesem Beruf, entgegenstehen (vgl. in diesem Sinne in Bezug auf die Richtlinie 89/48 Urteil vom 30. November 1995, Gebhard, C‑55/94, Slg. 1995, I‑4165, Randnr. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

41      Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob die Budapesti Ügyvédi Kamara diese Bestimmungen im Einklang mit dem Unionsrecht und insbesondere dem Diskriminierungsverbot angewandt hat (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 31. März 1993, Kraus, C‑19/92, Slg. 1993, I‑1663, Randnr. 32, Gebhard, Randnr. 37, und vom 11. Juni 2009, Kommission/Österreich, C‑564/07, Randnr. 31).

42      Daher ist auf die erste Frage zu antworten, dass weder die Richtlinie 89/48 noch die Richtlinie 98/5 einer nationalen Regelung entgegenstehen, die für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufs unter der Berufsbezeichnung des Aufnahmemitgliedstaats die Verpflichtung vorsieht, Mitglied einer Einrichtung wie einer Rechtsanwaltskammer zu sein.

 Kosten

43      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit. Die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:

1.      Weder die Richtlinie 89/48/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 über eine allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome, die eine mindestens dreijährige Berufsausbildung abschließen, in der durch die Richtlinie 2001/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Mai 2001 geänderten Fassung noch die Richtlinie 98/5/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 1998 zur Erleichterung der ständigen Ausübung des Rechtsanwaltsberufs in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem die Qualifikation erworben wurde, stehen der Anwendung nationaler Bestimmungen, gleich ob Rechts- oder Verwaltungsvorschriften, die durch das Allgemeininteresse gerechtfertigt sind, wie Vorschriften über Organisation, Standespflichten, Kontrolle und Haftung, auf alle Personen, die den Rechtsanwaltsberuf im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats ausüben, insbesondere hinsichtlich des Zugangs zu diesem Beruf, entgegen.

2.      Die Richtlinien 89/48 und 98/5 ergänzen einander dadurch, dass sie für die Rechtsanwälte der Mitgliedstaaten zwei Wege des Zugangs zum Rechtsanwaltsberuf in einem Aufnahmemitgliedstaat unter der dortigen Berufsbezeichnung einführen.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Ungarisch.

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