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Document 62009CJ0307

Urteil des Gerichtshofes (Zweite Kammer) vom 10. Februar 2011.
Vicoplus SC PUH (C-307/09), BAM Vermeer Contracting sp. zoo (C-308/09) und Olbek Industrial Services sp. zoo (C-309/09) gegen Minister van Sociale Zaken en Werkgelegenheid.
Ersuchen um Vorabentscheidung: Raad van State - Niederlande.
Freier Dienstleistungsverkehr - Entsendung von Arbeitnehmern - Beitrittsakte von 2003 - Übergangsmaßnahmen - Zugang polnischer Staatsangehöriger zum Arbeitsmarkt der Staaten, die zum Zeitpunkt des Beitritts der Republik Polen bereits Mitgliedstaaten der Union waren - Erfordernis einer Beschäftigungserlaubnis für die Überlassung von Arbeitnehmern - Richtlinie 96/71/EG - Art. 1 Abs. 3.
Verbundene Rechtssachen C-307/09, C-308/09 und C-309/09.

Sammlung der Rechtsprechung 2011 I-00453

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2011:64

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)

10. Februar 2011(*)

„Freier Dienstleistungsverkehr – Entsendung von Arbeitnehmern – Beitrittsakte von 2003 – Übergangsmaßnahmen – Zugang polnischer Staatsangehöriger zum Arbeitsmarkt der Staaten, die zum Zeitpunkt des Beitritts der Republik Polen bereits Mitglied der Union waren – Erfordernis einer Beschäftigungserlaubnis für die Überlassung von Arbeitnehmern – Richtlinie 96/71/EG – Art. 1 Abs. 3“

In den verbundenen Rechtssachen C‑307/09 bis C‑309/09

betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Raad van State (Niederlande) mit Entscheidungen vom 29. Juli 2009, beim Gerichtshof eingegangen am 3. August 2009, in den Verfahren

Vicoplus SC PUH (C‑307/09),

BAM Vermeer Contracting sp. z o.o. (C‑308/09),

Olbek Industrial Services sp. z o.o. (C‑309/09)

gegen

Minister van Sociale Zaken en Werkgelegenheid

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. N. Cunha Rodrigues sowie der Richter A. Arabadjiev, A. Rosas, U. Lõhmus (Berichterstatter) und A. Ó Caoimh,

Generalanwalt: Y. Bot,

Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 8. Juli 2010,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der Vicoplus SC PUH, vertreten durch E. Vliegenberg, advocaat,

–        der BAM Vermeer Contracting sp. zoo und Olbek Industrial Services sp. zoo, vertreten durch M. Lewandowski, advocaat,

–        der niederländischen Regierung, vertreten durch C. Wissels und B. Koopman als Bevollmächtigte,

–        der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek und T. Müller als Bevollmächtigte,

–        der dänischen Regierung, vertreten durch C. Vang als Bevollmächtigten,

–        der deutschen Regierung, vertreten durch M. Lumma, N. Graf Vitzthum und J. Möller als Bevollmächtigte,

–        der österreichischen Regierung, vertreten durch E. Riedl und G. Hesse als Bevollmächtigte,

–        der polnischen Regierung, vertreten durch M. Dowgielewicz, J. Faldyga und K. Majcher als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch J. Enegren, I. Rogalski, W. Wils und E. Traversa als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 9. September 2010

folgendes

Urteil

1        Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung der Art. 56 AEUV und 57 AEUV sowie von Art. 1 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen (ABl. 1997, L 18, S. 1).

2        Diese Ersuchen ergehen im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten zwischen den polnischen Unternehmen Vicoplus SC PUH (im Folgenden: Vicoplus), BAM Vermeer Contracting sp. z o.o. (im Folgenden: BAM Vermeer) und Olbek Industrial Services sp. z o.o. (im Folgenden: Olbek) einerseits und dem Minister van Sociale Zaken en Werkgelegenheid (Minister für Soziales und Beschäftigung) andererseits wegen Geldbußen, die gegen diese Unternehmen verhängt worden waren, weil sie polnische Arbeitnehmer in die Niederlande entsandt hatten, ohne über eine Beschäftigungserlaubnis zu verfügen.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

 Beitrittsakte von 2003

3        Nach Art. 24 der Akte über die Bedingungen des Beitritts der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge (ABl. 2003, L 236, S. 33, im Folgenden: Beitrittsakte von 2003) finden die in den Anhängen V bis XIV dieser Akte aufgeführten Maßnahmen unter den dort festgelegten Bedingungen auf die neuen Mitgliedstaaten Anwendung.

4        Anhang XII der Beitrittsakte von 2003 trägt die Überschrift „Liste nach Artikel 24 der Beitrittsakte: Polen“. Kapitel 2 („Freizügigkeit“) dieses Anhangs sieht in den Nrn. 1, 2, 5 und 13 vor:

„1.      Hinsichtlich der Freizügigkeit von Arbeitnehmern und der Dienstleistungsfreiheit mit vorübergehender Entsendung von Arbeitskräften im Sinne des Artikels 1 der Richtlinie 96/71/EG gelten [die Artikel 45 AEUV und 56 Absatz 1 AEUV] zwischen Polen einerseits und Belgien, der Tschechischen Republik, Dänemark, Deutschland, Estland, Griechenland, Spanien, Frankreich, Irland, Italien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Ungarn, den Niederlanden, Österreich, Portugal, Slowenien, der Slowakei, Finnland, Schweden und dem Vereinigten Königreich andererseits in vollem Umfang nur vorbehaltlich der Übergangsbestimmungen der Nummern 2 bis 14.

2.      Abweichend von den Artikeln 1 bis 6 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 [des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft (ABl. L 257, S. 2)] und bis zum Ende eines Zeitraums von zwei Jahren nach dem Tag des Beitritts werden die derzeitigen Mitgliedstaaten nationale oder sich aus bilateralen Abkommen ergebende Maßnahmen anwenden, um den Zugang polnischer Staatsangehöriger zu ihren Arbeitsmärkten zu regeln. Die derzeitigen Mitgliedstaaten können solche Maßnahmen bis zum Ende eines Zeitraums von fünf Jahren nach dem Tag des Beitritts weiter anwenden.

5.      Ein Mitgliedstaat, der am Ende des unter Nummer 2 genannten Zeitraums von fünf Jahren nationale oder sich aus bilateralen Abkommen ergebende Maßnahmen beibehält, kann im Falle schwerwiegender Störungen seines Arbeitsmarktes oder der Gefahr derartiger Störungen nach entsprechender Mitteilung an die Kommission diese Maßnahmen bis zum Ende des Zeitraums von sieben Jahren nach dem Tag des Beitritts weiter anwenden. Erfolgt keine derartige Mitteilung, so gelten die Artikel 1 bis 6 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68.

13.      Um tatsächlichen oder drohenden schwerwiegenden Störungen in bestimmten empfindlichen Dienstleistungssektoren auf ihren Arbeitsmärkten zu begegnen, die sich in bestimmten Gebieten aus der länderübergreifenden Erbringung von Dienstleistungen im Sinne des Artikels 1 der Richtlinie 96/71/EG ergeben könnten, können Deutschland und Österreich, solange sie gemäß den vorstehend festgelegten Übergangsbestimmungen nationale Maßnahmen oder Maßnahmen aufgrund von bilateralen Vereinbarungen über die Freizügigkeit polnischer Arbeitnehmer anwenden, nach Unterrichtung der Kommission von Artikel [56 Absatz 1 AEUV] abweichen, um im Bereich der Erbringung von Dienstleistungen durch in Polen niedergelassene Unternehmen die zeitweilige grenzüberschreitende Beschäftigung von Arbeitnehmern einzuschränken, deren Recht, in Deutschland oder Österreich eine Arbeit aufzunehmen, nationalen Maßnahmen unterliegt.

…“

 Richtlinie 96/71

5        Art. 1 („Anwendungsbereich“) der Richtlinie 96/71 sieht vor:

„(1)      Diese Richtlinie gilt für Unternehmen mit Sitz in einem Mitgliedstaat, die im Rahmen der länderübergreifenden Erbringung von Dienstleistungen Arbeitnehmer gemäß Absatz 3 in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats entsenden.

(3)      Diese Richtlinie findet Anwendung, soweit die in Absatz 1 genannten Unternehmen eine der folgenden länderübergreifenden Maßnahmen treffen:

a)      einen Arbeitnehmer in ihrem Namen und unter ihrer Leitung in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats im Rahmen eines Vertrags entsenden, der zwischen dem entsendenden Unternehmen und dem in diesem Mitgliedstaat tätigen Dienstleistungsempfänger geschlossen wurde, sofern für die Dauer der Entsendung ein Arbeitsverhältnis zwischen dem entsendenden Unternehmen und dem Arbeitnehmer besteht, oder

b)      einen Arbeitnehmer in eine Niederlassung oder ein der Unternehmensgruppe angehörendes Unternehmen im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats entsenden, sofern für die Dauer der Entsendung ein Arbeitsverhältnis zwischen dem entsendenden Unternehmen und dem Arbeitnehmer besteht, oder

c)      als Leiharbeitsunternehmen oder als einen Arbeitnehmer zur Verfügung stellendes Unternehmen einen Arbeitnehmer in ein verwendendes Unternehmen entsenden, das seinen Sitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat oder dort seine Tätigkeit ausübt, sofern für die Dauer der Entsendung ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Leiharbeitunternehmen oder dem einen Arbeitnehmer zur Verfügung stellenden Unternehmen und dem Arbeitnehmer besteht.

…“

 Richtlinie 91/383/EWG

6        Art. 1 der Richtlinie 91/383/EWG des Rates vom 25. Juni 1991 zur Ergänzung der Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von Arbeitnehmern mit befristetem Arbeitsverhältnis oder Leiharbeitsverhältnis (ABl. L 206, S. 19) bestimmt:

„Diese Richtlinie gilt für

2.      Leiharbeitsverhältnisse zwischen einem Leiharbeitsunternehmen als Arbeitgeber einerseits und einem Arbeitnehmer andererseits, wobei letzterer zur Verfügung gestellt wird, um für und unter der Kontrolle eines entleihenden Unternehmens und/oder einer entleihenden Einrichtung zu arbeiten.“

 Nationales Recht

7        Nach Art. 2 Abs. 1 des Gesetzes über die Arbeit von Ausländern (Wet arbeid vreemdelingen, Stb. 1994, Nr. 959, im Folgenden: Wav) ist es Arbeitgebern untersagt, einen Ausländer in den Niederlanden ohne Beschäftigungserlaubnis zu beschäftigen.

8        Art. 1e Abs. 1 der Durchführungsverordnung zur Wav (Besluit uitvoering Wav, Stb. 1995, Nr. 406) in der durch die Verordnung vom 10. November 2005 (Stb. 2005, Nr. 577) geänderten Fassung (im Folgenden: Durchführungsverordnung) lautet:

„Das Verbot gemäß Art. 2 Abs. 1 Wav gilt nicht für einen Ausländer, der im Rahmen einer länderübergreifenden Erbringung von Dienstleistungen vorübergehend in den Niederlanden für einen Arbeitgeber tätig wird, der seinen Sitz außerhalb der Niederlande in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union hat, sofern

a)      der Ausländer in dem Staat, in dem der Arbeitgeber seinen Sitz hat, als dessen Arbeitnehmer beschäftigt werden darf,

b)      der Arbeitgeber die Tätigkeit in den Niederlanden vorab der Centrale Organisatie voor werk en inkomen (Zentrale Organisation für Arbeit und Einkommen) schriftlich angezeigt hat und

c)      es sich nicht um eine Dienstleistung handelt, die in der Überlassung von Arbeitskräften besteht.“

9        Dem vorlegenden Gericht zufolge bestand die Pflicht nach Art. 2 Abs. 1 Wav, eine Beschäftigungserlaubnis einzuholen, als in Anhang XII der Beitrittsakte von 2003 vorgesehene zeitweilige Beschränkung der Freizügigkeit der polnischen Arbeitnehmer bis zum 1. Mai 2007.

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

10      In der Rechtssache C‑307/09 stellte die Arbeidsinspectie (Gewerbeaufsicht) bei einer Kontrolle fest, dass bei dem niederländischen Unternehmen Maris, dessen Tätigkeit in der Überholung von Pumpen für Drittfirmen besteht, drei bei Vicoplus beschäftigte polnische Staatsangehörige arbeiteten. Nach einem Vertrag zwischen Maris und einer Drittfirma sollten sie dort vom 15. August bis zum 30. November 2005 tätig sein.

11      In der Rechtssache C‑308/09 geht es um einen Bericht der Arbeidsinspectie vom 31. Juli 2006, dem zufolge zwei polnische Staatsangehörige ab dem 10. Januar 2006 als Monteure in der Werkstatt des niederländischen Unternehmens Flevoservice en Flevowash BV arbeiteten. Sie waren bei BAM Vermeer beschäftigt, die mit diesem Unternehmen einen Vertrag über die Reparatur und Umrüstung von Lastwagen und Anhängern geschlossen hatte.

12      In der Rechtssache C‑309/09 ergibt sich aus der Vorlageentscheidung, dass die Rechtsvorgängerin von Olbek am 15. November 2005 einen Vertrag mit dem niederländischen Unternehmen HTG Nederveen BV geschlossen hatte, um diesem Personal zur Erbringung von Abfallentsorgungsleistungen zu verschaffen. Eine Kontrolle der Büros der HTG Nederveen BV durch die Arbeidsinspectie ergab, dass diese Leistungen u. a. durch 20 polnische Staatsangehörige erbracht wurden.

13      In diesen drei Rechtssachen wurden gegen die Klägerinnen der Ausgangsverfahren Geldbußen wegen Verstoßes gegen Art. 2 Abs. 1 Wav verhängt, weil sie polnische Arbeitnehmer in die Niederlande entsandt hatten, ohne eine entsprechende Beschäftigungserlaubnis eingeholt zu haben.

14      Der Staatssekretär für Soziales und Beschäftigung in der Rechtssache C‑307/09 und der Minister van Sociale Zaken en Werkgelegenheid in den Rechtssachen C‑308/09 und C‑309/09 wiesen die gegen diese Geldbußen eingelegten Beschwerden mit der Begründung zurück, dass es sich bei der von Vicoplus, BAM Vermeer und Olbek erbrachten Dienstleistung um eine Überlassung von Arbeitskräften im Sinne von Art. 1e Abs. 1 Buchst. c der Durchführungsverordnung gehandelt habe.

15      Nachdem die Rechtbank ’s-Gravenhage die gegen diese Entscheidungen erhobenen Klagen abgewiesen hatte, legten die Klägerinnen der Ausgangsverfahren beim Raad van State Berufung ein.

16      Dieses Gericht stellt fest, dass die in Art. 1e Abs. 1 der Durchführungsverordnung vorgesehene Pflicht, für die Überlassung von Arbeitskräften eine Beschäftigungserlaubnis einzuholen, unstreitig eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs darstelle. Aus den Urteilen vom 27. März 1990, Rush Portuguesa (C‑113/89, Slg. 1990, I‑1417), vom 9. August 1994, Vander Elst (C‑43/93, Slg. 1994, I‑3803), vom 21. Oktober 2004, Kommission/Luxemburg (C‑445/03, Slg. 2004, I‑10191), vom 19. Januar 2006, Kommission/Deutschland (C‑244/04, Slg. 2006, I‑885) und vom 21. September 2006, Kommission/Österreich (C‑168/04, Slg. 2006, I‑9041), ergebe sich jedoch, dass eine solche Beschränkung u. a. mit dem im Allgemeininteresse liegenden Ziel gerechtfertigt werden könne, den nationalen Arbeitsmarkt insbesondere gegen die Umgehung von Beschränkungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit zu schützen.

17      Hierzu führt das vorlegende Gericht erläuternd aus, dass die Beibehaltung dieser Pflicht zur Einholung einer Beschäftigungserlaubnis insbesondere auf das Urteil Rush Portuguesa gestützt sei, weist aber darauf hin, dass der Gerichtshof die in Randnr. 16 dieses Urteils angestellten Erwägungen nicht in die späteren Urteile übernommen habe. Daher stelle sich die Frage, ob das Unionsrecht es nunmehr verbiete, unter den Umständen der Ausgangsverfahren die Überlassung von Arbeitskräften von der Einholung einer Beschäftigungserlaubnis abhängig zu machen.

18      Das vorlegende Gericht möchte deshalb wissen, ob die nach Art. 2 Abs. 1 Wav für die Erbringung einer in der Überlassung von Arbeitskräften bestehenden Dienstleistung erforderliche Beschäftigungserlaubnis unter Berücksichtigung auch des Vorbehalts zur Arbeitnehmerfreizügigkeit in Kapitel 2 Nr. 2 des Anhangs XII der Beitrittsakte von 2003 eine im Hinblick auf die Art. 56 AEUV und 57 AEUV verhältnismäßige Maßnahme zum Schutz des nationalen Arbeitsmarkts darstellt. Sollte dies der Fall sein, stellt sich diesem Gericht zufolge die Frage nach der Tragweite des Begriffs „Überlassung von Arbeitskräften“ und insbesondere nach der Bedeutung, die der Art der Haupttätigkeit beizumessen ist, die das diese Dienstleistung erbringende Unternehmen im Mitgliedstaat seiner Niederlassung ausübt.

19      Unter diesen Umständen hat der Raad van State beschlossen, die Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof die folgenden, jeweils gleichlautenden Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Sind die Art. 56 AEUV und 57 AEUV dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie der in Art. 2 Wav in Verbindung mit Art. 1e Abs. 1 Buchst. c der Durchführungsverordnung, wonach für die Entsendung von Arbeitnehmern im Sinne des Art. 1 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 96/71 eine Beschäftigungserlaubnis erforderlich ist, entgegenstehen?

2.      Anhand welcher Kriterien ist zu bestimmen, ob eine Entsendung von Arbeitnehmern im Sinne von Art. 1 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 96/71 vorliegt?

20      Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 2. Oktober 2009 sind die Rechtssachen C‑307/09 bis C‑309/09 zu gemeinsamem schriftlichen und mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden.

 Zu den Vorlagefragen

 Zur ersten Frage

21      Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Art. 56 AEUV und 57 AEUV der Regelung eines Mitgliedstaats entgegenstehen, die die Entsendung im Sinne des Art. 1 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 96/71 in das Hoheitsgebiet dieses Staates von Arbeitnehmern, die Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaats sind, von der Einholung einer Beschäftigungserlaubnis abhängig macht.

22      Es ist darauf hinzuweisen, dass der Umstand, dass ein einzelstaatliches Gericht eine Vorlagefrage ihrer Form nach unter Bezugnahme auf bestimmte Vorschriften des Unionsrechts formuliert hat, den Gerichtshof nicht daran hindert, diesem Gericht unabhängig davon, worauf es in seinen Fragen Bezug genommen hat, alle Auslegungshinweise zu geben, die ihm bei der Entscheidung der bei ihm anhängigen Rechtssache von Nutzen sein können. Der Gerichtshof hat insoweit aus dem gesamten von dem einzelstaatlichen Gericht vorgelegten Material, insbesondere der Begründung der Vorlageentscheidung, diejenigen Elemente des Unionsrechts herauszuarbeiten, die unter Berücksichtigung des Gegenstands des Rechtsstreits einer Auslegung bedürfen (vgl. Urteil vom 27. Oktober 2009, ČEZ, C‑115/08, Slg. 2009, I‑10265, Randnr. 81 und die dort angeführte Rechtsprechung).

23      Das vorlegende Gericht führt aus, das Königreich der Niederlande habe mit der Beibehaltung – bis zum 1. Mai 2007 – der in Art. 2 Abs. 1 Wav vorgesehenen Pflicht, für polnische Staatsangehörige, die in diesem Mitgliedstaat arbeiten wollten, eine Beschäftigungserlaubnis einzuholen, die Regelung über die Ausnahmen von der Arbeitnehmerfreizügigkeit in Kapitel 2 Nr. 2 des Anhangs XII der Beitrittsakte von 2003 angewandt. Es fragt sich jedoch, wie aus den Randnrn. 16 bis 18 des vorliegenden Urteils hervorgeht, ob die Beibehaltung dieses Erfordernisses für eine in der Überlassung von polnischen Arbeitnehmern im Hoheitsgebiet des Königreichs der Niederlande bestehende Dienstleistung in Art. 1e Abs. 1 Buchst. c der Durchführungsverordnung mit dieser Ausnahmeregelung gerechtfertigt werden könne.

24      Hierzu ist festzustellen, dass sich die Frage der Vereinbarkeit einer nationalen Regelung mit den Art. 56 AEUV und 57 AEUV nicht mehr stellt, wenn diese Regelung durch eine der in Art. 24 der Beitrittsakte von 2003 bezeichneten Übergangsmaßnahmen, im vorliegenden Fall die des Kapitels 2 Nr. 2 des Anhangs XII dieser Akte, gerechtfertigt ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. Oktober 2006, Valeško, C‑140/05, Slg. 2006, I‑10025, Randnr. 74).

25      Es ist daher zu prüfen, ob eine Regelung wie die in den Ausgangsverfahren fragliche in den Anwendungsbereich dieser Übergangsmaßnahme fällt.

26      Erstens sieht Kapitel 2 Nr. 2 des Anhangs XII der Beitrittsakte von 2003 insoweit eine Ausnahme von der Freizügigkeit der Arbeitnehmer vor, als die Anwendbarkeit der Art. 1 bis 6 der Verordnung Nr. 1612/68 auf polnische Staatsangehörige übergangsweise ausgesetzt wird. Nach dieser Vorschrift wenden die Mitgliedstaaten nämlich in einem Zeitraum von zwei Jahren ab dem 1. Mai 2004, dem Tag des Beitritts der Republik Polen zur Union, nationale oder sich aus bilateralen Abkommen ergebende Maßnahmen an, um den Zugang polnischer Staatsangehöriger zu ihren Arbeitsmärkten zu regeln. Dort ist ferner vorgesehen, dass die Mitgliedstaaten solche Maßnahmen bis zum Ende eines Zeitraums von fünf Jahren nach dem Tag des Beitritts der Republik Polen zur Union weiter anwenden können.

27      Zweitens ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass die Tätigkeit, die darin besteht, dass ein Unternehmen anderen entgeltlich Arbeitnehmer, die im Dienst dieses Unternehmens bleiben, zur Verfügung stellt, ohne dass ein Arbeitsvertrag mit dem Entleihunternehmen geschlossen wird, eine Berufstätigkeit darstellt, die die in Art. 57 Abs. 1 AEUV niedergelegten Voraussetzungen erfüllt und daher als Dienstleistung im Sinne dieser Vorschrift anzusehen ist (vgl. Urteil vom 17. Dezember 1981, Webb, 279/80, Slg. 1981, 3305, Randnr. 9, und Beschluss vom 16. Juni 2010, RANI Slovakia, C‑298/09, Randnr. 36).

28      Der Gerichtshof hat jedoch anerkannt, dass eine solche Tätigkeit Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt des Mitgliedstaats des Dienstleistungsempfängers haben kann. Zum einen können nämlich auch auf Arbeitnehmer, die von Unternehmen beschäftigt werden, die Arbeitnehmer zur Verfügung stellen, eventuell die Art. 45 AEUV bis 48 AEUV und die zu deren Durchführung erlassenen Unionsverordnungen anwendbar sein (vgl. Urteil Webb, Randnr. 10).

29      Zum anderen wirkt sich die Überlassung von Arbeitnehmern wegen der Besonderheiten der mit ihr verbundenen Arbeitsbeziehungen unmittelbar sowohl auf die Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt als auch auf die berechtigten Interessen der betroffenen Arbeitnehmer aus (Urteil Webb, Randnr. 18).

30      Insoweit hat der Gerichtshof in Randnr. 16 des Urteils Rush Portuguesa festgestellt, dass ein Unternehmen, das Dritten Arbeitskräfte überlässt, zwar Erbringer von Dienstleistungen im Sinne des AEU-Vertrags ist, jedoch Tätigkeiten ausübt, die gerade darin bestehen, dem Arbeitsmarkt des Aufnahmemitgliedstaats Arbeitnehmer zuzuführen.

31      Diese Feststellung liegt darin begründet, dass der im Sinne des Art. 1 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 96/71 entsandte Arbeitnehmer während des Zeitraums der Überlassung typischerweise auf einem Arbeitsplatz im verwendenden Unternehmen verwendet wird, der sonst mit einem Arbeitnehmer dieses Unternehmens besetzt worden wäre.

32      Daraus folgt, dass eine mitgliedstaatliche Regelung wie die in den Ausgangsverfahren in Rede stehende als Maßnahme anzusehen ist, die im Sinne des Kapitels 2 Nr. 2 des Anhangs XII der Beitrittsakte von 2003 den Zugang polnischer Staatsangehöriger zum Arbeitsmarkt dieses Mitgliedstaats regelt.

33      Daher ist diese Regelung, die während der in Kapitel 2 Nr. 2 des Anhangs XII der Beitrittsakte von 2003 vorgesehenen Übergangszeit die Entsendung polnischer Staatsangehöriger im Sinne des Art. 1 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 96/71 in das Hoheitsgebiet dieses Staates weiterhin von der Einholung einer Beschäftigungserlaubnis abhängig macht, mit den Art. 56 AEUV und 57 AEUV vereinbar.

34      Diese Schlussfolgerung ist auch in Anbetracht der Zielsetzung der fraglichen Bestimmung geboten, mit der verhindert werden soll, dass nach dem Beitritt neuer Mitgliedstaaten in den alten Mitgliedstaaten infolge einer sofortigen beträchtlichen Zuwanderung von Arbeitnehmern, die Staatsangehörige der neuen Mitgliedstaaten sind, Störungen auf dem Arbeitsmarkt auftreten (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 27. September 1989, Lopes da Veiga, 9/88, Slg. 1989, 2989, Randnr. 10, und Rush Portuguesa, Randnr. 13). Diese Zielsetzung geht u. a. aus Kapitel 2 Nr. 5 des Anhangs XII der Beitrittsakte von 2003 hervor, da dort vorgesehen ist, dass ein Mitgliedstaat im Falle schwerwiegender Störungen seines Arbeitsmarkts oder der Gefahr derartiger Störungen die Maßnahmen nach Kapitel 2 Nr. 2 bis zum Ende des Zeitraums von sieben Jahren nach dem Tag des Beitritts der Republik Polen weiter anwenden kann.

35      Wie der Generalanwalt in Nr. 51 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, wäre es gekünstelt, bei einem Zustrom von Arbeitnehmern zum Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats danach zu unterscheiden, ob sie im Zuge der Überlassung von Arbeitnehmern oder unmittelbar und eigenverantwortlich in den Markt eintreten, da diese potenziell beträchtliche Zuwanderung in beiden Fällen zu Störungen auf diesem Arbeitsmarkt führen kann. Würde die Überlassung von Arbeitnehmern vom Anwendungsbereich des Kapitels 2 Nr. 2 des Anhangs XII der Beitrittsakte von 2003 ausgeschlossen, bestünde daher die Gefahr, dass dieser Vorschrift ein Großteil ihrer praktischen Wirksamkeit genommen würde.

36      Die Schlussfolgerung in Randnr. 33 des vorliegenden Urteils entspricht im Übrigen den Ausführungen des Gerichtshofs im Urteil Rush Portuguesa zu Art. 216 der Akte über die Bedingungen des Beitritts des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik und die Anpassungen der Verträge (ABl. 1985, L 302, S. 23). In Randnr. 14 dieses Urteils hat er nämlich festgestellt, dass diese Vorschrift u. a. dann Anwendung findet, wenn es um den Zugang portugiesischer Arbeitnehmer zum Arbeitsmarkt anderer Mitgliedstaaten geht, und ist in Randnr. 16 des Urteils zu dem Schluss gelangt, dass sie der Überlassung von Arbeitnehmern aus Portugal an Dritte durch ein Dienstleistungen erbringendes Unternehmen entgegenstünde.

37      Zwar hat der Gerichtshof, wie das vorlegende Gericht ausgeführt hat, in seinen späteren Urteilen nicht ausdrücklich auf Randnr. 16 des Urteils Rush Portuguesa Bezug genommen, er hat jedoch auf Randnr. 17 dieses Urteils verwiesen, in der die sich aus Randnr. 16 ergebende Folge erläutert wird, dass ein Mitgliedstaat – unter Wahrung der unionsrechtlichen Grenzen – in der Lage sein muss, zu prüfen, ob eine Dienstleistung nicht in Wirklichkeit auf die Überlassung von Arbeitnehmern abzielt, die keine Arbeitnehmerfreizügigkeit genießen (vgl. Urteile Kommission/Luxemburg, Randnr. 39, und Kommission/Österreich, Randnr. 56).

38      Kapitel 2 Nr. 1 des Anhangs XII der Beitrittsakte von 2003 enthält zwar Übergangsbestimmungen nicht nur hinsichtlich der Freizügigkeit von Arbeitnehmern, sondern auch hinsichtlich der Dienstleistungsfreiheit mit vorübergehender Entsendung von Arbeitskräften im Sinne des Art. 1 der Richtlinie 96/71. Nach Nr. 13 dieses Kapitels dürfen aber nur die Bundesrepublik Deutschland und die Republik Österreich unter den dort genannten Voraussetzungen bezüglich der so definierten länderübergreifenden Erbringung von Dienstleistungen von Art. 56 AEUV abweichen.

39      Insoweit ist festzustellen, dass Art. 1 der Richtlinie 96/71 zwei Fälle der länderübergreifenden Überlassung von Arbeitnehmern betrifft. Zum einen erfasst Abs. 3 Buchst. c dieser Vorschrift die Entsendung eines Arbeitnehmers durch ein Unternehmen mit Sitz in einem Mitgliedstaat – unabhängig davon, ob es ein Leiharbeitsunternehmen ist oder einen Arbeitnehmer zur Verfügung stellt – in ein verwendendes Unternehmen, das seinen Sitz im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats hat oder dort seine Tätigkeit ausübt. Zum anderen betrifft Abs. 3 Buchst. b die Entsendung eines Arbeitnehmers eines einer Unternehmensgruppe angehörenden Unternehmens in eine Niederlassung oder ein Unternehmen derselben Gruppe im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats.

40      Kapitel 2 Nr. 13 des Anhangs XII der Beitrittsakte von 2003 ist allerdings, wie die dänische und die deutsche Regierung ausgeführt haben, das Ergebnis von Verhandlungen, die die Bundesrepublik Deutschland und die Republik Österreich geführt haben, um eine Übergangsregelung für sämtliche von Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 96/71 erfassten Dienstleistungen vorzusehen. Dieses Ergebnis kann jedoch nicht zur Folge gehabt haben, dass die anderen Staaten, die zum Zeitpunkt des Beitritts der Republik Polen bereits Mitgliedstaaten der Union waren, ihre nationalen Maßnahmen bezüglich der Entsendung im Sinne des Art. 1 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 96/71 von polnischen Arbeitnehmern nicht anwenden dürfen. Dies liefe der Zielsetzung von Nr. 2 dieses Kapitels, wie sie in Randnr. 34 des vorliegenden Urteils beschrieben worden ist, zuwider.

41      Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass die Art. 56 AEUV und 57 AEUV es nicht verbieten, dass ein Mitgliedstaat während der in Kapitel 2 Nr. 2 des Anhangs XII der Beitrittsakte von 2003 vorgesehenen Übergangszeit die Entsendung von polnischen Arbeitnehmern im Sinne des Art. 1 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 96/71 in sein Hoheitsgebiet von der Einholung einer Beschäftigungserlaubnis abhängig macht.

 Zur zweiten Frage

42      Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, anhand welcher Kriterien sich bestimmen lässt, ob eine Dienstleistung eine Entsendung im Sinne des Art. 1 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 96/71 darstellt.

43      Erstens ergibt sich, wie in Randnr. 27 des vorliegenden Urteils ausgeführt, aus Randnr. 9 des Urteils Webb, dass die Überlassung von Arbeitnehmern eine gegen Entgelt erbrachte Dienstleistung im Sinne des Art. 57 Abs. 1 AEUV ist, da der zur Verfügung gestellte Arbeitnehmer im Dienst des Dienstleistungserbringers bleibt, ohne dass ein Arbeitsvertrag mit dem Entleiher geschlossen wird.

44      Art. 1 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 96/71 sieht auch vor, dass zwischen dem Leiharbeitsunternehmen oder dem Unternehmen, das einen Arbeitnehmer zur Verfügung stellt, und dem Arbeitnehmer für die Dauer der Entsendung ein Arbeitsverhältnis bestehen muss.

45      Zweitens ist zwischen der Überlassung und einem vorübergehenden Ortswechsel von Arbeitnehmern, die in einen anderen Mitgliedstaat entsandt werden, um dort im Rahmen von Dienstleistungen ihres Arbeitgebers Arbeiten auszuführen, zu unterscheiden (vgl. in diesem Sinne Urteil Rush Portuguesa, Randnr. 15), wobei ein Ortswechsel zu diesem Zweck im Übrigen unter Art. 1 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 96/71 fällt.

46      Wie der Generalanwalt in Nr. 65 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, geht die Entsendung von Arbeitnehmern in einen anderen Mitgliedstaat durch ihren Arbeitgeber in letzterem Fall mit einer vom Arbeitgeber dort erbrachten Dienstleistung einher. Von einer Entsendung im Sinne des Art. 1 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 96/71 ist daher auszugehen, wenn der Wechsel der Arbeitnehmer in einen anderen Mitgliedstaat anders als bei dem in der vorstehenden Randnummer beschriebenen vorübergehenden Ortswechsel der eigentliche Gegenstand einer länderübergreifenden Dienstleistung ist.

47      Drittens arbeitet ein im Sinne des Art. 1 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 96/71 entsandter Arbeitnehmer, wie alle Regierungen, die beim Gerichtshof Erklärungen eingereicht haben, und die Kommission ausgeführt haben, unter der Aufsicht und Leitung des verwendenden Unternehmens. Dies folgt zwingend daraus, dass ein solcher Arbeitnehmer seine Arbeit nicht im Rahmen einer Dienstleistung verrichtet, die sein Arbeitgeber im Aufnahmemitgliedstaat erbringt.

48      Dieses Merkmal ist auch in Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 91/383 genannt, der vorsieht, dass ein bei einem Leiharbeitsunternehmen beschäftigter Arbeitnehmer zur Verfügung gestellt wird, um für und unter der Kontrolle eines entleihenden Unternehmens und/oder einer entleihenden Einrichtung zu arbeiten.

49      Dass ein Arbeitnehmer im Aufnahmemitgliedstaat zur Verfügung gestellt wurde, lässt sich dagegen nicht schon deshalb verneinen, weil er mit Beendigung der Entsendung wieder in seinen Herkunftsmitgliedstaat zurückkehrt. Denn ein Arbeitnehmer, der entsandt wird, um im Rahmen von Dienstleistungen seines Arbeitgebers im Sinne des Art. 1 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 96/71 Arbeiten auszuführen, kehrt zwar nach Erbringung dieser Leistung in der Regel in seinen Herkunftsstaat zurück (vgl. in diesem Sinne Urteile Rush Portuguesa, Randnr. 15, und Vander Elst, Randnr. 21), doch kann auch ein im Sinne des Art. 1 Abs. 3 Buchst. c dieser Richtlinie entsandter Arbeitnehmer den Aufnahmemitgliedstaat verlassen und in seinen Herkunftsmitgliedstaat zurückkehren, nachdem er seine Tätigkeit für das verwendende Unternehmen beendet hat.

50      Außerdem lässt sich, auch wenn die mangelnde Entsprechung der vom Arbeitnehmer im Aufnahmemitgliedstaat erfüllten Aufgaben und der Haupttätigkeit seines Arbeitgebers dafür sprechen könnte, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellt worden ist, doch nicht ausschließen, dass dieser Arbeitnehmer Dienstleistungen für seinen Arbeitgeber erbringt, die zu einem sekundären oder neuen Tätigkeitsbereich des Arbeitgebers gehören. Umgekehrt lässt sich eine Überlassung des Arbeitnehmers nicht schon deshalb verneinen, weil diese Aufgaben der Haupttätigkeit des Arbeitgebers des zur Verfügung gestellten Arbeitnehmers entsprechen, da dies insbesondere bei einer Entsendung innerhalb einer Gruppe im Sinne des Art. 1 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie 96/71 der Fall sein kann.

51      Auf die zweite Frage ist daher zu antworten, dass die Entsendung von Arbeitnehmern im Sinne des Art. 1 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 96/71 eine gegen Entgelt erbrachte Dienstleistung ist, bei der der entsandte Arbeitnehmer im Dienst des die Dienstleistung erbringenden Unternehmens bleibt, ohne dass ein Arbeitsvertrag mit dem verwendenden Unternehmen geschlossen würde. Ihr wesentliches Merkmal besteht darin, dass der Wechsel des Arbeitnehmers in den Aufnahmemitgliedstaat der eigentliche Gegenstand der Dienstleistung des erbringenden Unternehmens ist und dass der Arbeitnehmer seine Aufgaben unter der Aufsicht und Leitung des verwendenden Unternehmens wahrnimmt.

 Kosten

52      Für die Parteien der Ausgangsverfahren ist das Verfahren ein Zwischenstreit in den bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreitigkeiten; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

1.      Die Art. 56 AEUV und 57 AEUV verbieten nicht, dass ein Mitgliedstaat während der in Kapitel 2 Nr. 2 des Anhangs XII der Akte über die Bedingungen des Beitritts der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge vorgesehenen Übergangszeit die Entsendung von polnischen Arbeitnehmern im Sinne des Art. 1 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen in sein Hoheitsgebiet von der Einholung einer Beschäftigungserlaubnis abhängig macht.

2.      Die Entsendung von Arbeitnehmern im Sinne des Art. 1 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 96/71 ist eine gegen Entgelt erbrachte Dienstleistung, bei der der entsandte Arbeitnehmer im Dienst des die Dienstleistung erbringenden Unternehmens bleibt, ohne dass ein Arbeitsvertrag mit dem verwendenden Unternehmen geschlossen würde. Ihr wesentliches Merkmal besteht darin, dass der Wechsel des Arbeitnehmers in den Aufnahmemitgliedstaat der eigentliche Gegenstand der Dienstleistung des erbringenden Unternehmens ist und dass der Arbeitnehmer seine Aufgaben unter der Aufsicht und Leitung des verwendenden Unternehmens wahrnimmt.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Niederländisch.

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