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Document 62009CJ0035

Urteil des Gerichtshofes (Zweite Kammer) vom 1. Juli 2010.
Ministero dell'Economia e delle Finanze und Agenzia delle Entrate gegen Paolo Speranza.
Ersuchen um Vorabentscheidung: Corte suprema di cassazione - Italien.
Indirekte Steuern - Besteuerung der Erhöhung des Gesellschaftskapitals - Art. 4 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 69/335/EWG - Nationale Regelung zur Besteuerung der Eintragung des Rechtsakts der Erhöhung des Kapitals einer Gesellschaft in das Handelsregister - Besteuerung der Gesellschaft, in die Kapital eingelegt wird, und des Notars als Gesamtschuldner - Keine tatsächliche Kapitalzuführung - Beschränkung der Beweismöglichkeiten.
Rechtssache C-35/09.

Sammlung der Rechtsprechung 2010 I-06581

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2010:393

Rechtssache C-35/09

Ministero dell'Economia e delle Finanze und Agenzia delle Entrate

gegen

Paolo Speranza

(Vorabentscheidungsersuchen der Corte suprema di cassazione)

„Indirekte Steuern – Besteuerung der Erhöhung des Gesellschaftskapitals – Art. 4 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 69/335/EWG – Nationale Regelung zur Besteuerung der Eintragung des Rechtsakts der Erhöhung des Kapitals einer Gesellschaft in das Handelsregister – Besteuerung der Gesellschaft, in die Kapital eingelegt wird, und des Notars als Gesamtschuldner – Keine tatsächliche Kapitalzuführung – Beschränkung der Beweismöglichkeiten“

Leitsätze des Urteils

1.        Steuerliche Vorschriften – Harmonisierung der Rechtsvorschriften – Indirekte Steuern auf die Ansammlung von Kapital – Gesellschaftsteuer, die von den Kapitalgesellschaften erhoben wird – Erhöhung des Gesellschaftskapitals

(Richtlinie 69/335 des Rates in ihrer durch die Richtlinie 85/303 geänderten Fassung, Art. 4 Abs. 1 Buchst. c und 5 Abs. 1 Buchst. a)

2.        Gemeinschaftsrecht – Grundsätze – Anspruch auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz

3.        Steuerliche Vorschriften – Harmonisierung der Rechtsvorschriften – Indirekte Steuern auf die Ansammlung von Kapital – Gesellschaftsteuer, die von den Kapitalgesellschaften erhoben wird – Erhöhung des Gesellschaftskapitals

(Richtlinie 69/335 des Rates in ihrer durch die Richtlinie 85/303 geänderten Fassung)

1.        Art. 4 Abs. 1 Buchst. c und Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 69/335 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital in ihrer durch die Richtlinie 85/303 geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass sie dem nicht entgegenstehen, dass ein Mitgliedstaat die Eintragung des Rechtsakts der Erhöhung des Kapitals einer Gesellschaft als den Zeitpunkt festlegt, zu dem der Gesellschaftsteuertatbestand erfüllt ist, sofern der Zusammenhang zwischen der Erhebung dieser Steuer und der tatsächlichen Zuführung von Vermögenswerten an die begünstigte Gesellschaft bestehen bleibt. Wurde bei der Vornahme dieses Rechtsakts die Einlage tatsächlich noch nicht geleistet und steht nicht fest, dass sie geleistet werden wird, darf die Zahlung der Gesellschaftsteuer von dem betreffenden Mitgliedstaat so lange nicht gefordert werden, bis diese Einlage feststeht.

Wenn sich herausstellt, dass nach der Eintragung des Rechtsakts der Erhöhung des Kapitals aber vor der Zahlung der Gesellschaftsteuer aufgrund eines Betrugs die Einlage bei dieser Eintragung in Wirklichkeit tatsächlich nicht geleistet worden war und dass feststeht, dass sie nicht mehr geleistet werden wird, kann die Zahlung der Gesellschaftsteuer daher nicht mehr gefordert werden.

(vgl. Randnrn. 38, 48, Tenor 1)

2.        Der Effektivitätsgrundsatz ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die die Möglichkeiten des Nachweises vor den Finanzgerichten, dass die von einer Gesellschaft beschlossene Kapitalerhöhung tatsächlich nicht geleistet wurde, auf die Vorlage eines rechtskräftig gewordenen Zivilurteils beschränkt, in dem die Nichtigkeit oder Aufhebung der Eintragung festgestellt wird, so dass die Gesellschaftsteuer auf jeden Fall gezahlt werden muss und ihre Erstattung nur durch Vorlage eines solchen Zivilurteils erwirkt werden kann, während nach der Richtlinie 69/335 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital in ihrer durch die Richtlinie 85/303 geänderten Fassung in Anbetracht der Tatsache, dass eine Einlage tatsächlich nicht geleistet wurde, die Zahlung dieser Gesellschaftsteuer nicht gefordert werden durfte. Da nämlich das Finanzgericht keine Möglichkeit hat, den Rechtsakt der Erhöhung des Kapitals inzident für nichtig zu erklären, und daher der Klage vor den Finanzgerichten, mit der die Einziehung der Gesellschaftsteuer verhindert werden soll, jede praktische Wirksamkeit genommen wird, während vergleichbare, gegen andere Steuern erhobene Rechtsbehelfe geeignet sind, einen Steuerpflichtigen von der Verpflichtung zur Entrichtung einer nicht geschuldeten Steuer zu befreien, macht eine solche Regelung die Ausübung der durch die Richtlinie 69/335 verliehenen Rechte praktisch unmöglich oder erschwert sie zumindest übermäßig.

(vgl. Randnrn. 45-48, Tenor 1)

3.        Die Richtlinie 69/335 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital in ihrer durch die Richtlinie 85/303 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass sie dem nicht entgegensteht, dass ein Mitgliedstaat hinsichtlich der Zahlung der Gesellschaftsteuer die gesamtschuldnerische Haftung der Amtsperson vorsieht, die die Urkunde über die Erhöhung des Gesellschaftskapitals aufgenommen oder entgegengenommen hat, sofern diese Amtsperson über das Recht verfügt, gegen die Gesellschaft, die Empfängerin der Kapitalzuführung ist, ein Regressverfahren einzuleiten.

Mit der Richtlinie 69/335 sollen nämlich nicht die Modalitäten für die Einziehung der Gesellschaftsteuer harmonisiert werden, und sie steht grundsätzlich der gesamtschuldnerischen Haftung dieser Amtsperson nicht entgegen, die sowohl eine Garantie dafür darstellt, dass die durch die Kapitalerhöhung begünstigte Gesellschaft ihre Steuerschuld erfüllt, als auch eine Maßnahme, mit der die Erhebung der Gesellschaftsteuer vereinfacht werden soll. Der Amtsperson die gesamtschuldnerische Verpflichtung zur Entrichtung der Gesellschaftsteuer aufzuerlegen, ginge allerdings über das hinaus, was zur Erreichung der vorgenannten Ziele erforderlich ist, verfügte diese Amtsperson nicht über das Recht, gegen die Gesellschaft, die Empfängerin der Kapitalzuführung ist, ein Regressverfahren einzuleiten.

(vgl. Randnrn. 52-54, 56, 58, Tenor 2)








URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)

1. Juli 2010(*)

„Indirekte Steuern – Besteuerung der Erhöhung des Gesellschaftskapitals – Art. 4 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 69/335/EWG – Nationale Regelung zur Besteuerung der Eintragung des Rechtsakts der Erhöhung des Kapitals einer Gesellschaft in das Handelsregister – Besteuerung der Gesellschaft, in die Kapital eingelegt wird, und des Notars als Gesamtschuldner – Keine tatsächliche Kapitalzuführung – Beschränkung der Beweismöglichkeiten“

In der Rechtssache C‑35/09

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht von der Corte suprema di cassazione (Italien) mit Entscheidung vom 3. Dezember 2008, beim Gerichtshof eingegangen am 28. Januar 2009, in dem Verfahren

Ministero dell’Economia e delle Finanze,

Agenzia delle Entrate

gegen

Paolo Speranza

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. N. Cunha Rodrigues, der Richterin P. Lindh sowie der Richter A. Rosas, U. Lõhmus und A. Arabadjiev (Berichterstatter),

Generalanwalt: J. Mazák,

Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 28. Januar 2010,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        von Herrn Speranza, vertreten durch W. Viscardini und G. Doná, avvocati,

–        der italienischen Regierung, vertreten durch I. Bruni als Bevollmächtigte im Beistand von P. Gentili und D. Del Gaizo, avvocati dello Stato,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Aresu und M. Afonso als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 25. März 2010

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung des Art. 4 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 69/335/EWG des Rates vom 17. Juli 1969 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital (ABl. L 249, S. 25) in ihrer durch die Richtlinie 85/303/EWG des Rates vom 10. Juni 1985 (ABl. L 156, S. 23) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 69/335) sowie des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit.

2        Es ergeht in einem Rechtsstreit des Ministero dell’Economia e delle Finanze und der Agenzia delle Entrate (Agentur der Einnahmen) gegen Herrn Speranza, Notar in Padua (Italien), über einen vom Ufficio del Registro di Padova, der örtlichen Dienststelle der Agenzia delle Entrate, erlassenen Steuerbescheid betreffend die Besteuerung der LEJA Srl (im Folgenden: LEJA), einer Gesellschaft mit Sitz in Padua, und von Herrn Speranza als Gesamtschuldner wegen der Eintragung des Rechtsakts der Erhöhung des Kapitals dieser Gesellschaft in das Handelsregister.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

3        Art. 1 der Richtlinie 69/335 sieht vor, dass „[d]ie Mitgliedstaaten … eine gemäß den Bestimmungen der Artikel 2 bis 9 harmonisierte Abgabe auf Kapitalzuführungen an Kapitalgesellschaften [erheben], die nachfolgend als Gesellschaftsteuer bezeichnet wird“.

4        Nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. a dieser Richtlinie werden u. a. die als „società per azioni“ (Aktiengesellschaft) und die als „società a responsabilità limitata“ (Gesellschaft mit beschränkter Haftung) bezeichneten Gesellschaften italienischen Rechts als Kapitalgesellschaften angesehen.

5        Gemäß Art. 4 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie unterliegt „[d]er Gesellschaftsteuer … die Erhöhung des Kapitals einer Kapitalgesellschaft durch Einlagen jeder Art“.

6        Nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. a dieser Richtlinie wird die Gesellschaftsteuer erhoben „bei … Erhöhung des Kapitals … [einer Kapitalgesellschaft] … auf den tatsächlichen Wert der von den Gesellschaftern geleisteten oder zu leistenden Einlagen jeder Art abzüglich der Lasten und Verbindlichkeiten, die der Gesellschaft jeweils aus der Einlage erwachsen; den Mitgliedstaaten steht es frei, die Gesellschaftsteuer erst dann zu erheben, wenn die Einlagen tatsächlich geleistet werden“.

7        Nach Art. 7 der Richtlinie 69/335 unterliegen die steuerbaren Umsätze einem Steuersatz, der zur Zeit der im Ausgangsverfahren maßgebenden Ereignisse, vorbehaltlich in dieser Richtlinie vorgesehener Ausnahmen, 1 % nicht überschreiten durfte.

 Nationales Recht

8        Art. 1 des durch das Dekret Nr. 131 des Präsidenten der Republik vom 26. April 1986 (Supplemento ordinario zu GURI Nr. 99 vom 30. April 1986) genehmigten Testo unico delle disposizioni concernenti la imposta di registro (kodifizierte Fassung der Vorschriften über die Registersteuer) in seiner zur im Ausgangsverfahren maßgebenden Zeit anwendbaren Fassung (im Folgenden: Testo unico) ist zu entnehmen, dass eine „Registersteuer … für eintragungspflichtige Rechtsakte sowie für Rechtsakte [gilt], die freiwillig zur Eintragung vorgelegt werden“.

9        Nach den Art. 2 und 27 Abs. 5 des Testo unico sowie nach Art. 4 Buchst. a Nr. 5 des Tarifs I in dessen Anhang sind Rechtsakte der Kapitalerhöhung nach Genehmigung eintragungspflichtig und unterliegen einer Steuer in Höhe von 1 % der beschlossenen Erhöhung.

10      Den Angaben des vorlegenden Gerichts zufolge ist es, da die Registersteuer eine Rechtsgeschäftsteuer ist, für das Steuerschuldverhältnis unerheblich, ob die Einlage geleistet wurde.

11      Nach Art. 38 des Testo unico befreit die Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit des Rechtsgeschäfts nicht von der Verpflichtung zur Zahlung der Steuer und kann die Erstattung einer bezahlten Steuer erst erfolgen, wenn ein Zivilurteil Rechtskraft erlangt hat, mit dem aus einem den Parteien nicht vorwerfbaren Grund die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts festgestellt oder dieses für nichtig erklärt wird. Daher hat das Finanzgericht keine Möglichkeit, die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts inzident festzustellen, wie es in Art. 2 Abs. 3 des Decreto legislativo Nr. 546/1992 vom 31. Dezember 1992 Disposizioni sul processo tributario in attuazione della delega al Governo contenuta nell’art. 30 della legge 30 dicembre 1991, n. 413 (Vorschriften über das abgabenrechtliche Verfahren in Ausübung der Befugnis der Regierung nach Art. 30 des Gesetzes Nr. 413 vom 30. Dezember 1991) (Supplemento ordinario zu GURI Nr. 9 vom 13. Januar 1993) im Allgemeinen für die Finanzgerichtsbarkeit vorgesehen ist.

12      Nach Art. 57 Abs. 1 und 2 des Testo unico ist neben der Gesellschaft, deren Kapital erhöht wird, auch die das Protokoll aufnehmende Amtsperson als Gesamtschuldner zur Zahlung der Steuer verpflichtet.

13      Der Corte suprema di cassazione zufolge ergibt sich aus Art. 27 des Gesetzes Nr. 89 Ordinamento del notariato e degli archivi notarili (Notariats- und Notariatsarchivordnung) vom 16. Februar 1913 (Gazzetta ufficiale Nr. 55 vom 7. März 1913), dass der Notar verpflichtet ist, sein Amt auf Verlangen auszuüben.

14      Nach Art. 28 dieses Gesetzes ist der Notar befugt, eine Beurkundung, um die er ersucht wird, abzulehnen, „wenn die Parteien nicht den für diese Urkunde zu entrichtenden Betrag an Steuern, Honoraren und Auslagen bei ihm hinterlegen“.

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

15      Am 30. Juli 1993 beschloss die Gesellschafterversammlung von LEJA, die Gesellschaft in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln und deren Gesellschaftskapital von 20 000 000 ITL, etwa 10 329 Euro, auf 58 400 000 000 ITL, etwa 30 161 083 Euro, zu erhöhen.

16      Das Versammlungsprotokoll wurde von Herrn Speranza in seiner Eigenschaft als Notar aufgenommen. Darin war festgehalten, dass eine Gesellschafterin von LEJA, die Tecnoitalia Srl, die gesamte beschlossene Kapitalerhöhung gegen Einlage von 6 244 Aktien der im Handelsregister des Gerichts in Koper (Slowenien) eingetragenen Gesellschaft Lama dd gezeichnet habe. Ein vom Tribunale di Padova eingesetzter Sachverständiger schätzte den Wert der genannten Aktien auf 58 380 000 000 ITL, etwa 30 150 754 Euro.

17      Nach Genehmigung des Beschlusses durch die Corte di appello di Venezia wurde der Rechtsakt der Kapitalerhöhung mit dem in der betreffenden nationalen Regelung vorgesehenen proportionalen Satz besteuert, und das Ufficio del Registro di Padova stellte sowohl LEJA als auch Herrn Speranza in seiner Eigenschaft als Notar einen Steuerbescheid über 578 102 000 ITL, etwa 298 565 Euro, zu.

18      Der Letztgenannte focht diesen Steuerbescheid vor dem in erster Instanz zuständigen Finanzgericht erfolglos an. Das Urteil des Finanzgerichts wurde im Berufungsverfahren abgeändert.

19      Das Ministero dell’Economia e delle Finanze und die Agenzia delle Entrate legten gegen das Berufungsurteil Kassationsbeschwerde ein und machten die Verletzung und fehlerhafte Anwendung zahlreicher Bestimmungen des Testo unico geltend.

20      Herr Speranza trägt vor, die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Kapitalerhöhung sei nicht durchgeführt worden, da die Tecnoitalia Srl die Aktien der Lama dd zu keinem Zeitpunkt habe einbringen können, was im Übrigen zur Zahlungsunfähigkeit von LEJA geführt habe. Außerdem verstoße die nationale Regelung insoweit gegen die Richtlinie 69/335, als sie zum einen die nach Registerrecht vorgesehene Möglichkeit, den Rechtsakt der Kapitalerhöhung selbst dann zu besteuern, wenn tatsächlich keine Einlage geleistet worden sei, und zum anderen die gesamtschuldnerische Verpflichtung des die Urkunde errichtenden Notars enthalte.

21      Die Corte suprema di cassazione vertritt die Auffassung, dass auf der Grundlage der nationalen Regelung der Kassationsbeschwerde des Ministero dell’Economia e delle Finanze und der Agenzia delle Entrate stattgegeben werden müsste.

22      In der Erwägung, dass zum einen die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Registersteuer als „Gesellschaftsteuer“ im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 69/335 einzustufen sei und zum anderen Art. 4 Buchst. a Nr. 5 des Tarifs I im Anhang des Testo unico in Verbindung mit dessen Art. 38 die Besteuerung des bloßen Beschlusses über die Kapitalerhöhung, unabhängig von seiner Ausführung oder Gültigkeit, vorsehe, hegt die Corte suprema di cassazione Zweifel an der Vereinbarkeit der nationalen Regelung mit Art. 4 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 69/335.

23      Die gleichen Zweifel hegt sie in Bezug auf die Zulässigkeit von Art. 57 des Testo unico, soweit dieser vorsehe, dass der Notar, der die Urkunde aufgenommen habe, als Gesamtschuldner zur Zahlung der Steuer verpflichtet sei.

24      Das vorlegende Gericht weist ferner darauf hin, dass, selbst wenn die gesamtschuldnerische Haftung des Notars als mit der Richtlinie vereinbar anzusehen sein sollte, die Verteidigungsmittel, die diesem als einer an dem Rechtsstreit zwischen dem betroffenen Unternehmen und der Finanzverwaltung nicht beteiligten Person eingeräumt seien, unzulänglich sein könnten.

25      Unter diesen Umständen hat die Corte suprema di cassazione beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Ist Art. 4 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 69/335, wonach der Gesellschaftsteuer die Erhöhung des Kapitals einer Kapitalgesellschaft durch Einlagen jeder Art unterliegt, dahin auszulegen, dass eine effektiv geleistete Einlage und nicht ein bloßer Beschluss über eine Kapitalerhöhung, der im Wesentlichen unausgeführt bleibt, besteuert werden soll?

2.      Ist Art. 4 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 69/335 dahin auszulegen, dass die Steuer ausschließlich von der Gesellschaft, in die Kapital eingelegt wird, und nicht von der Amtsperson, die darüber eine Urkunde aufnimmt oder entgegennimmt, zu tragen ist?

3.      Entsprechen jedenfalls die vom italienischen Recht der Amtsperson eingeräumten Verteidigungsmittel dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, wenn man berücksichtigt, dass Art. 38 des Testo unico die Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit des Beschlusses über die Kapitalerhöhung für unerheblich erklärt und die Erstattung der bezahlten Steuer erst nach Vorliegen eines rechtskräftigen Zivilurteils zulässt, mit dem die Nichtigkeit des Beschlusses festgestellt oder der Anfechtung stattgegeben wird?

 Zu den Vorlagefragen

 Zur Zulässigkeit der dritten Frage

26      Die italienische Regierung zieht die Zuständigkeit des Gerichtshofs für die Beantwortung der dritten Frage betreffend die Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit in Zweifel.

27      Da es um einen dem EG-Vertrag entnommenen allgemeinen Grundsatz gehe – so diese Regierung –, könnte der Gerichtshof zur Auslegung von dessen Tragweite nur in Rechtssachen berufen sein, die mit grenzüberschreitenden Fallgestaltungen in Zusammenhang stünden. Der Sachverhalt des Ausgangsverfahrens entspreche jedoch einer Fallgestaltung von rein internem Charakter. Folglich könne der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Anwendung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Bestimmungen nicht entgegenstehen, und der Gerichtshof sei zu einer Sachentscheidung nicht befugt.

28      Hierzu genügt der Hinweis, dass die Mitgliedstaaten nach ständiger Rechtsprechung auch die Erfordernisse des Schutzes der in der Unionsrechtsordnung anerkannten allgemeinen Grundsätze bei der Durchführung unionsrechtlicher Regelungen zu beachten haben; sie müssen diese Regelungen deshalb, soweit irgend möglich, so anwenden, dass diese Erfordernisse nicht verkannt werden (Urteil vom 27. Juni 2006, Parlament/Rat, C‑540/03, Slg. 2006, I‑5769, Randnr. 105 und die dort angeführte Rechtsprechung).

29      Das vorlegende Gericht nimmt hier Bezug auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Hinblick auf die sich aus der Anwendung von Art. 38 des Testo unico auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens ergebenden Konsequenzen. Es zeigt sich jedoch, dass der Testo unico, insbesondere in seinen Art. 1, 2, 10, 13, 14, 27, 38 und 57, der Umsetzung der Richtlinie 69/335 in italienisches Recht dient.

30      Da das vorlegende Gericht auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Rahmen der Umsetzung der Richtlinie 69/335 durch die Italienische Republik Bezug nimmt, ist die dritte Frage daher zulässig.

 Zur ersten und zur dritten Frage

31      Mit der ersten und der dritten Frage, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 4 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 69/335 einer nationalen Regelung entgegensteht, die die Eintragung des Rechtsakts der Erhöhung des Kapitals einer Gesellschaft der Gesellschaftsteuer unterwirft, und ob der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit einer nationalen Regelung entgegensteht, die die Möglichkeiten des Nachweises vor den Finanzgerichten, dass die dieser Erhöhung entsprechende Einlage tatsächlich nicht geleistet wurde, auf die Vorlage eines rechtskräftig gewordenen Zivilurteils beschränkt, mit dem die Nichtigkeit der Eintragung festgestellt oder diese für nichtig erklärt wird, so dass die Gesellschaftsteuer auf jeden Fall zu entrichten ist und ihre Erstattung nur durch Vorlage eines solchen Zivilurteils erwirkt werden kann.

32      Der Gerichtshof hat bereits entschieden, dass der Entstehungstatbestand der Gesellschaftsteuer in der Leistung der das Kapital einer Gesellschaft erhöhenden Einlagen selbst besteht und nicht in einem anderen Vorgang oder Formerfordernis (Urteil vom 30. März 2006, Aro Tubi Trafilerie, C‑46/04, Slg. 2006, I‑3009, Randnr. 27).

33      Er hat jedoch auch festgestellt, dass in Art. 4 Abs. 1 Buchst. c und Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 69/335 nicht festgelegt ist, wann der Gesellschaftsteuertatbestand erfüllt ist (Urteil vom 17. Oktober 2002, ESTAG, C‑339/99, Slg. 2002, I‑8837, Randnr. 49).

34      Da nämlich Art. 5 Abs. 1 Buchst. a dieser Richtlinie die Erhebung der Gesellschaftsteuer auf von den Gesellschaftern geleistete oder zu leistende Einlagen sowie auch erst dann ermöglicht, wenn die Einlagen tatsächlich geleistet wurden, können die Mitgliedstaaten die Zahlung dieser Steuer entweder fordern, nachdem die Einlagen tatsächlich geleistet wurden, zeitgleich mit deren Einbringung oder sogar vor dieser Kapitalzuführung, sofern diese feststeht (vgl. in diesem Sinne Urteil ESTAG, Randnr. 50).

35      Folglich steht Art. 4 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 69/335 dem nicht entgegen, dass ein Mitgliedstaat die Eintragung des Rechtsakts der Erhöhung des Kapitals einer Gesellschaft als den Zeitpunkt festlegt, zu dem der Gesellschaftsteuertatbestand erfüllt ist, sofern der Zusammenhang zwischen der Erhebung dieser Steuer und der tatsächlichen Zuführung von Vermögenswerten an die begünstigte Gesellschaft bestehen bleibt (vgl. in diesem Sinne Urteil ESTAG, Randnrn. 49 und 50).

36      Wurde bei der Vornahme dieses Rechtsakts die Einlage tatsächlich noch nicht geleistet und steht nicht fest, dass sie geleistet werden wird, darf die Zahlung der Gesellschaftsteuer von dem betreffenden Mitgliedstaat nämlich so lange nicht gefordert werden, bis diese Einlage feststeht (vgl. in diesem Sinne Urteil ESTAG, Randnrn. 50 und 51).

37      Im vorliegenden Fall ist der dem Gerichtshof vorgelegten Akte zu entnehmen, dass bei der Eintragung des Rechtsakts der Erhöhung des Kapitals der LEJA der zur Stützung des Eintragungsantrags vorgelegte Urkundenbeweis erkennen ließ, dass die Einlage bereits geleistet worden war oder zumindest feststand.

38      Aus dieser Akte geht ferner hervor, dass sich anschließend, und bevor die Zahlung dieser Steuer erfolgt wäre, jedoch herausstellte, dass aufgrund eines Betrugs die Einlage bei der Eintragung in Wirklichkeit tatsächlich nicht geleistet worden war und dass feststand, dass sie nicht mehr geleistet werden würde. Unter solchen Umständen konnte in Anbetracht der in den Randnrn. 33, 34 und 36 des vorliegenden Urteils dargelegten Erwägungen die Zahlung der Gesellschaftsteuer daher nicht mehr gefordert werden.

39      Das vorlegende Gericht führt jedoch aus, dass nach Art. 38 des Testo unico die Zahlung der Gesellschaftsteuer auf jeden Fall erfolgen müsse, sobald die Urkunde, aufgrund deren die Einlage eingetragen werde, aufgenommen sei, und dass die Erstattung dieser Steuer nur erwirkt werden könne, wenn den Finanzgerichten ein rechtskräftig gewordenes Zivilurteil vorgelegt werde, in dem die Nichtigkeit dieses Rechtsakts festgestellt werde.

40      In Anbetracht der in den Randnrn. 33, 34 und 36 des vorliegenden Urteils dargelegten Erwägungen und insbesondere des Umstands, dass die Zahlung der Gesellschaftsteuer erst gefordert werden darf, wenn die spätere Kapitalzufuhr feststeht, sind Art. 4 Abs. 1 Buchst. c und Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 69/335 dahin auszulegen, dass sie einer solchen nationalen Regelung entgegenstehen.

41      Die italienische Regierung hat insoweit zwar zu Recht geltend gemacht, dass die Richtlinie 69/335 keineswegs regelt, mit welchen Befugnissen die Mitgliedstaaten ihre Finanzgerichte ausstatten und wie sie die Verfahren ausgestalten, die für bei diesen Gerichten eingelegte Rechtsbehelfe gelten, doch darf nach ständiger Rechtsprechung eine in der internen Rechtsordnung eines Mitgliedstaats vorgesehene Verfahrensmodalität die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz) (vgl. u. a. Urteil vom 15. April 2010, Barth, C‑542/08, Slg. 2010, I‑0000, Randnr. 17 und die dort angeführte Rechtsprechung).

42      Das Erfordernis in Bezug auf die Effektivität ist nämlich Ausdruck der allgemeinen Verpflichtung der Mitgliedstaaten, den gerichtlichen Schutz der dem Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte zu gewährleisten. Es gilt sowohl für die Bestimmung der Gerichte, die für die Entscheidung über auf dieses Recht gestützte Klagen zuständig sind, als auch für die Bestimmung der Verfahrensmodalitäten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. März 2010, Alassini u. a., C‑317/08 bis C‑320/08, Slg. 2010, I‑0000, Randnr. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung).

43      Der Gerichtshof hat ausgeführt, dass jeder Fall, in dem sich die Frage stellt, ob eine nationale Verfahrensvorschrift die Anwendung des Unionsrechts unmöglich macht oder übermäßig erschwert, unter Berücksichtigung der Stellung dieser Vorschrift im gesamten Verfahren, des Verfahrensablaufs und der Besonderheiten des Verfahrens vor den verschiedenen nationalen Stellen zu prüfen ist (Urteil vom 6. Oktober 2009, Asturcom Telecomunicaciones, C‑40/08, Slg. 2009, I‑0000, Randnr. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).

44      Im vorliegenden Fall hat das vorlegende Gericht darauf hingewiesen, dass die Finanzgerichte nach Art. 2 Abs. 3 des Decreto Legislativo Nr. 546 vom 31. Dezember 1992 im Allgemeinen befugt seien, Rechtsakte inzident für nichtig zu erklären. Offenbar führt diese Erklärung dazu, dass die Steuerpflichtigen der Entrichtung einer Steuer entgehen können, da diese nicht mehr gefordert werden kann.

45      Was die Gesellschaftsteuer angeht, ergibt sich aus dem Vorabentscheidungsersuchen jedoch, dass das Finanzgericht keine Möglichkeit hat, den Rechtsakt inzident für nichtig zu erklären, so dass die Nichtigkeit oder die Anfechtbarkeit des Rechtsakts, aufgrund dessen die Einlage im Handelsregister eingetragen wird, den Steuerpflichtigen nach Art. 38 des Testo unico nicht von der Verpflichtung befreit, die fragliche Steuer zu entrichten.

46      Folglich wird in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens einem bei den italienischen Finanzgerichten eingelegten Rechtsbehelf, mit dem die Einziehung einer Gesellschaftsteuer verhindert werden soll, die nach der Richtlinie 69/335 nicht erhoben werden darf, entgegen dem Vorbringen der italienischen Regierung jede praktische Wirksamkeit genommen, während nach dem vom vorlegenden Gericht geschilderten allgemeinen verfahrensrechtlichen Kontext vergleichbare, gegen andere Steuern erhobene Rechtsbehelfe geeignet sind, einen Steuerpflichtigen von der Verpflichtung zur Entrichtung einer nicht geschuldeten Steuer zu befreien.

47      Daher ist festzustellen, dass, wie Herr Speranza und die Kommission zu Recht geltend gemacht haben, eine nationale Regelung, die die Möglichkeiten des Nachweises vor den Finanzgerichten, dass die von einer Gesellschaft beschlossene Kapitalerhöhung tatsächlich nicht geleistet wurde, auf die Vorlage eines rechtskräftig gewordenen Zivilurteils beschränkt, in dem die Nichtigkeit oder Aufhebung der Eintragung festgestellt wird, so dass die Gesellschaftsteuer auf jeden Fall gezahlt werden muss und ihre Erstattung nur durch Vorlage eines solchen Zivilurteils erwirkt werden kann, die Ausübung der durch die Richtlinie 69/335 verliehenen Rechte praktisch unmöglich macht oder zumindest übermäßig erschwert.

48      Demnach ist, ohne dass eine Auslegung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit vorzunehmen ist, auf die erste und die dritte Frage zu antworten, dass Art. 4 Abs. 1 Buchst. c und Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 69/335 dahin auszulegen sind, dass sie dem nicht entgegenstehen, dass ein Mitgliedstaat die Eintragung des Rechtsakts der Erhöhung des Kapitals einer Gesellschaft als den Zeitpunkt festlegt, zu dem der Gesellschaftsteuertatbestand erfüllt ist, sofern der Zusammenhang zwischen der Erhebung dieser Steuer und der tatsächlichen Zuführung von Vermögenswerten an die begünstigte Gesellschaft bestehen bleibt. Wurde bei der Vornahme dieses Rechtsakts die Einlage tatsächlich noch nicht geleistet und steht nicht fest, dass sie geleistet werden wird, darf die Zahlung der Gesellschaftsteuer von dem betreffenden Mitgliedstaat so lange nicht gefordert werden, bis diese Einlage feststeht. Der Effektivitätsgrundsatz ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die die Möglichkeiten des Nachweises vor den Finanzgerichten, dass die von einer Gesellschaft beschlossene Kapitalerhöhung tatsächlich nicht geleistet wurde, auf die Vorlage eines rechtskräftig gewordenen Zivilurteils beschränkt, in dem die Nichtigkeit oder Aufhebung der Eintragung festgestellt wird, so dass die Gesellschaftsteuer auf jeden Fall gezahlt werden muss und ihre Erstattung nur durch Vorlage eines solchen Zivilurteils erwirkt werden kann.

 Zur zweiten Frage

49      Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 4 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 69/335 dem entgegensteht, dass die Gesellschaftsteuer außer von der Gesellschaft, in die Kapital eingelegt wird, auch von der Amtsperson zu tragen ist, die die Urkunde betreffend die Erhöhung des Gesellschaftskapitals aufgenommen oder entgegengenommen hat.

50      Nach der Rechtsprechung wird nach dem Aufbau der Richtlinie 69/335 und ihrer Systematik die Gesellschaftsteuer bei der Kapitalgesellschaft erhoben, die Empfängerin der fraglichen Kapitalzuführung ist. Dies ist gewöhnlich die Gesellschaft, der die in Rede stehenden Mittel oder Leistungen physisch übertragen werden. Nur ausnahmsweise kann es sich anders verhalten und muss der „eigentliche Empfänger“ der fraglichen Mittel oder Leistungen ermittelt werden (Urteil vom 12. Januar 2006, Senior Engineering Investments, C‑494/03, Slg. 2006, I‑525, Randnr. 25).

51      Aus diesem Aufbau und dieser Systematik ergibt sich ferner, dass die Mitgliedstaaten die von einer Kapitalerhöhung begünstigte Gesellschaft nicht über die in den Art. 6 bis 9 und 11 dieser Richtlinie vorgesehenen Fälle hinaus von der Gesellschaftsteuer befreien dürfen.

52      Mit der Richtlinie 69/335 sollen jedoch, wie der Generalanwalt in den Nrn. 38, 39 und 47 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, nicht die Modalitäten für die Einziehung der Gesellschaftsteuer harmonisiert, sondern die Erfüllung der Steuerschuld durch den Steuerpflichtigen sichergestellt sowie die Erhebung dieser Steuer vereinfacht werden.

53      Die gesamtschuldnerische Haftung der Amtsperson, die die Urkunde über die Erhöhung des Kapitals einer Gesellschaft aufgenommen oder entgegengenommen hat, ist sowohl als eine Garantie dafür, dass die durch diese Erhöhung begünstigte Gesellschaft ihre Steuerschuld erfüllt, als auch eine Maßnahme anzusehen, mit der die Erhebung der Gesellschaftsteuer vereinfacht werden soll.

54      Folglich steht die Richtlinie 69/335 grundsätzlich dem nicht entgegen, dass ein Mitgliedstaat eine Haftung der Amtsperson vorsieht, die die Urkunde über die Kapitalerhöhung aufgenommen oder entgegengenommen hat.

55      Da allerdings, wie aus den Randnrn. 50 und 51 des vorliegenden Urteils hervorgeht, die Gesellschaftsteuer bei der Kapitalgesellschaft erhoben wird, die Empfängerin der fraglichen Kapitalzuführung ist, dürfen die Mitgliedstaaten die von einer Kapitalerhöhung begünstigte Gesellschaft nicht über die in den Art. 6 bis 9 und 11 dieser Richtlinie vorgesehenen Fälle hinaus von der Gesellschaftsteuer befreien.

56      Der Amtsperson die gesamtschuldnerische Verpflichtung zur Entrichtung der Gesellschaftsteuer aufzuerlegen, ginge über das hinaus, was zur Erreichung der in den Randnrn. 53 und 54 des vorliegenden Urteils genannten Ziele erforderlich ist, verfügte diese Amtsperson nicht über das Recht, gegen die Gesellschaft, die Empfängerin der Kapitalzuführung ist, ein Regressverfahren einzuleiten.

57      Im vorliegenden Fall ist der Akte zu entnehmen, dass zum einen Art. 28 des Gesetzes Nr. 89 vom 16. Februar 1913 den Notar ermächtigt, eine Beurkundung, um die er ersucht wird, abzulehnen, wenn die Parteien nicht den für diese Urkunde zu entrichtenden Betrag an Steuern, Honoraren und Auslagen bei ihm hinterlegen, und dass zum anderen der Notar über das Recht verfügt, gegen die Gesellschaft, die Empfängerin der Kapitalzuführung ist, ein Regressverfahren einzuleiten.

58      Demnach ist auf die zweite Frage zu antworten, dass die Richtlinie 69/335 dahin auszulegen ist, dass sie dem nicht entgegensteht, dass ein Mitgliedstaat die gesamtschuldnerische Haftung der Amtsperson vorsieht, die die Urkunde über die Erhöhung des Gesellschaftskapitals aufgenommen oder entgegengenommen hat, sofern diese Amtsperson über das Recht verfügt, gegen die Gesellschaft, die Empfängerin der Kapitalzuführung ist, ein Regressverfahren einzuleiten.

 Kosten

59      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

1.      Art. 4 Abs. 1 Buchst. c und Art. 5 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 69/335/EWG des Rates vom 17. Juli 1969 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital in ihrer durch die Richtlinie 85/303/EWG des Rates vom 10. Juni 1985 geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass sie dem nicht entgegenstehen, dass ein Mitgliedstaat die Eintragung des Rechtsakts der Erhöhung des Kapitals einer Gesellschaft als den Zeitpunkt festlegt, zu dem der Gesellschaftsteuertatbestand erfüllt ist, sofern der Zusammenhang zwischen der Erhebung dieser Steuer und der tatsächlichen Zuführung von Vermögenswerten an die begünstigte Gesellschaft bestehen bleibt. Wurde bei der Vornahme dieses Rechtsakts die Einlage tatsächlich noch nicht geleistet und steht nicht fest, dass sie geleistet werden wird, darf die Zahlung der Gesellschaftsteuer von dem betreffenden Mitgliedstaat so lange nicht gefordert werden, bis diese Einlage feststeht. Der Effektivitätsgrundsatz ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die die Möglichkeiten des Nachweises vor den Finanzgerichten, dass die von einer Gesellschaft beschlossene Kapitalerhöhung tatsächlich nicht geleistet wurde, auf die Vorlage eines rechtskräftig gewordenen Zivilurteils beschränkt, in dem die Nichtigkeit oder Aufhebung der Eintragung festgestellt wird, so dass die Gesellschaftsteuer auf jeden Fall gezahlt werden muss und ihre Erstattung nur durch Vorlage eines solchen Zivilurteils erwirkt werden kann.

2.      Die Richtlinie 69/335 in ihrer durch die Richtlinie 85/303 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass sie dem nicht entgegensteht, dass ein Mitgliedstaat die gesamtschuldnerische Haftung der Amtsperson vorsieht, die die Urkunde über die Erhöhung des Gesellschaftskapitals aufgenommen oder entgegengenommen hat, sofern diese Amtsperson über das Recht verfügt, gegen die Gesellschaft, die Empfängerin der Kapitalzuführung ist, ein Regressverfahren einzuleiten.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Italienisch.

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