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Document 62009CC0250

Schlussanträge des Generalanwalts Bot vom 2. September 2010.
Vasil Ivanov Georgiev gegen Tehnicheski universitet - Sofia, filial Plovdiv.
Ersuchen um Vorabentscheidung: Rayonen sad Plovdiv - Bulgarien.
Richtlinie 2000/78/EG - Art. 6 Abs. 1 - Verbot der Diskriminierung wegen des Alters - Universitätsprofessoren - Nationale Vorschrift, wonach ab Vollendung des 65. Lebensjahrs nur befristete Arbeitsverträge abgeschlossen werden - Zwangsweise Versetzung in den Ruhestand mit Vollendung des 68. Lebensjahrs - Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen wegen des Alters.
Verbundene Rechtssachen C-250/09 und C-268/09.

Sammlung der Rechtsprechung 2010 I-11869

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2010:487

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

YVES BOT

vom 2. September 20101(1)

Verbundene Rechtssachen C‑250/09 und C‑268/09

Vasil Ivanov Georgiev

gegen

Tehnicheski universitet – Sofia, Filial Plovdiv

(Vorabentscheidungsersuchen des Rajonen sad Plovdiv [Bulgarien])

„Sozialpolitik – Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf – Befristeter Arbeitsvertrag für Universitätsprofessoren, die das 65. Lebensjahr vollendet haben – Festsetzung des endgültigen Rentenalters für Universitätsprofessoren auf 68 Jahre – Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen wegen des Alters“





1.        Der Gerichtshof hat sich bereits in mehreren Urteilen mit Problemen im Zusammenhang mit der zwangsweisen Versetzung in den Ruhestand, der Erlaubnis, einen Arbeitnehmer, der das Rentenalter erreicht hat, zu entlassen, und der Einstellung von Arbeitnehmern ab einem bestimmten Alter mittels befristeter Verträge beschäftigt oder wird dies in naher Zukunft tun(2). Die vorliegende Rechtssache gibt dem Gerichtshof die Möglichkeit, seine Rechtsprechung zu ergänzen, indem er diese verschiedenen Problemstellungen dieses Mal zusammen behandelt.

2.        Der Rajonen sad Plovdiv (Bulgarien) möchte nämlich wissen, ob eine nationale Regelung, die einem Arbeitgeber erlaubt, den Arbeitsvertrag eines Universitätsprofessors, der das 65. Lebensjahr vollendet hat, zu beenden, und die vorsieht, dass das Arbeitsverhältnis über dieses Alter hinaus nur mit befristeten Verträgen um jeweils ein Jahr, jedoch insgesamt um nicht mehr als drei Jahre verlängert werden kann, mit der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf(3) vereinbar ist.

3.        In den vorliegenden Schlussanträgen werde ich die Gründe darlegen, aus denen ich der Ansicht bin, dass die Richtlinie einer solchen Regelung nicht entgegensteht, und ich werde mich dabei weitgehend auf die vorliegende Rechtsprechung stützen.

I –    Rechtlicher Rahmen

A –    Unionsrecht

4.        Nach Art. 1 der Richtlinie ist deren „Zweck … die Schaffung eines allgemeinen Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung in Beschäftigung und Beruf im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den Mitgliedstaaten“.

5.        Art. 2 der Richtlinie bestimmt:

„(1)      Im Sinne dieser Richtlinie bedeutet ‚Gleichbehandlungsgrundsatz‘, dass es keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung wegen eines der in Artikel 1 genannten Gründe geben darf.

(2)      Im Sinne des Absatzes 1

a)      liegt eine unmittelbare Diskriminierung vor, wenn eine Person wegen eines der in Artikel 1 genannten Gründe in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde;

…“

6.        Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie bestimmt:

„Ungeachtet des Artikels 2 Absatz 2 können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass Ungleichbehandlungen wegen des Alters keine Diskriminierung darstellen, sofern sie objektiv und angemessen sind und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel, worunter insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind, gerechtfertigt sind und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind.

Derartige Ungleichbehandlungen können insbesondere Folgendes einschließen:

a)      die Festlegung besonderer Bedingungen für den Zugang zur Beschäftigung und zur beruflichen Bildung sowie besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Bedingungen für Entlassung und Entlohnung, um die berufliche Eingliederung von Jugendlichen, älteren Arbeitnehmern und Personen mit Fürsorgepflichten zu fördern oder ihren Schutz sicherzustellen;

b)      die Festlegung von Mindestanforderungen an das Alter, die Berufserfahrung oder das Dienstalter für den Zugang zur Beschäftigung oder für bestimmte mit der Beschäftigung verbundene Vorteile;

c)      die Festsetzung eines Höchstalters für die Einstellung aufgrund der spezifischen Ausbildungsanforderungen eines bestimmten Arbeitsplatzes oder aufgrund der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand.“

B –    Nationales Recht

7.        Art. 325 Abs. 3 des Arbeitsgesetzes(4) sieht vor, dass der Arbeitsvertrag mit Ablauf der vertraglich vereinbarten Frist ohne Kündigung durch die Parteien endet.

8.        Art. 328 Arbeitsgesetz lautet:

„(1)      Ein Arbeitgeber kann einen Arbeitsvertrag durch schriftliche Kündigung, die an den Arbeitnehmer oder den Beschäftigten gerichtet ist, unter Einhaltung der in Art. 326 Abs. 2 vorgesehenen Fristen in folgenden Fällen beenden:

10.      wenn Anspruch auf eine Altersrente besteht und – bei Professoren, Dozenten, Assistenten der Stufen I und II sowie promovierten Naturwissenschaftlern – wenn sie das 65. Lebensjahr vollendet haben;

…“

9.        § 11 der Übergangs- und Schlussbestimmungen des Gesetzes über die Hochschulausbildung(5) bestimmt:

„Auf Vorschlag des Lehrstuhlrats und des Rates der Haupteinheit und/oder der Zweigstelle können durch Entscheidung des Akademischen Rates die Arbeitsverträge mit habilitierten Personen, die die Stelle eines ,Professors‘ innehaben, bei Erreichen des Alters nach Art. 328 Abs. 1 Nr. 10 des Arbeitsgesetzes um jeweils ein Jahr verlängert werden, jedoch insgesamt um nicht mehr als drei Jahre, und für habilitierte Personen, die die Stelle eines ,Dozenten‘ innehaben, um jeweils ein Jahr, jedoch insgesamt um nicht mehr als zwei Jahre.“

10.      Art. 7 Abs. 1 Nr. 6 des Gesetzes zum Schutz vor Diskriminierung(6) sieht vor, dass die „Festsetzung eines Höchstalters für die Einstellung, wenn sie mit der Notwendigkeit einer Ausbildung für die entsprechende Stelle oder der Notwendigkeit einer angemessenen Dauer der Beschäftigung auf der Stelle vor dem Eintritt in den Ruhestand zusammenhängt, keine Diskriminierung dar[stellt], soweit dies zur Erreichung eines rechtmäßigen Ziels objektiv gerechtfertigt ist und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels nicht über das Erforderliche hinausgehen“.

II – Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

11.      Die vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen betreffen dieselbe Person, Herrn Georgiev, und beziehen sich auf denselben Sachverhalt. Der Unterschied zwischen den beiden Ersuchen besteht darin, dass das zweite Ersuchen (Rechtssache C‑268/09) gegenüber dem ersten (Rechtssache C‑250/09) eine zusätzliche Frage enthält.

12.      Herr Georgiev begann 1985 als Lehrbeauftragter an der Tehnicheski universitet – Sofia, filial Plovdiv (Technische Universität Sofia – Zweigstelle Plovdiv) (im Folgenden: Universität) zu arbeiten.

13.      Sein Arbeitsvertrag wurde im Jahr 2006 bei Vollendung des 65. Lebensjahrs mit der Begründung beendet, er habe das Rentenalter erreicht.

14.      Der Akademische Rat der Universität erteilte Herrn Georgiev jedoch nach § 11 der Übergangs- und Schlussbestimmungen des Gesetzes über die Hochschulausbildung die Erlaubnis, weiterzuarbeiten. Es wurde ein neuer Arbeitsvertrag für die Dauer von einem Jahr geschlossen, der vorsah, dass Herr Georgiev als Lehrkraft an der Fakultät für Maschinenbau arbeiten werde.

15.      Mit einer im Jahr 2006 unterzeichneten Zusatzvereinbarung wurde der Vertrag um ein Jahr verlängert.

16.      Im Jahr 2007 wurde Herr Georgiev zum Professor ernannt.

17.      Mit einer im Jahr 2008 unterzeichneten neuen Zusatzvereinbarung wurde der Vertrag ein weiteres Mal um ein Jahr verlängert.

18.      Im Jahr 2009 wurde das Arbeitsverhältnis zwischen der Universität und Herrn Georgiev nach Art. 325 Abs. 3 des Arbeitsgesetzes durch Verfügung des Direktors der Universität beendet.

19.      Herr Georgiev erhob zwei Klagen beim Gericht in Plovdiv. Mit der einen beantragt er, festzustellen, dass die in seinem ersten befristeten Vertrag enthaltene Klausel, die die Dauer seines Arbeitsvertrags auf ein Jahr begrenzt, unwirksam ist und dass dieser Vertrag als unbefristeter Vertrag einzustufen ist (Klage, die der Rechtssache C‑268/09 zugrunde liegt). Die andere Klage bezieht sich auf die Verfügung des Direktors der Universität, mit der sein Arbeitsverhältnis mit der Universität bei Vollendung des 68. Lebensjahrs beendet wurde (Klage, die der Rechtssache C‑250/09 zugrunde liegt). Der Rajonen sad Plovdiv hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof die folgenden drei Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt. Die ersten beiden Fragen sind beiden Rechtssachen gemeinsam, die dritte Frage wird nur in der Rechtssache C‑268/09 gestellt:

1.      Stehen die Bestimmungen der Richtlinie der Anwendung eines nationalen Gesetzes entgegen, das den Abschluss unbefristeter Arbeitsverträge mit Professoren, die das 65. Lebensjahr vollendet haben, nicht zulässt? Sind in diesem Zusammenhang und konkreter unter Berücksichtigung von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie die in Art. 7 Abs. 1 Nr. 6 des Gesetzes zum Schutz vor Diskriminierung genannten Maßnahmen, die Altersgrenzen für die Beschäftigung auf einer konkreten Stelle einführen, objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt sowie verhältnismäßig, unter Beachtung dessen, dass die Richtlinie in vollem Umfang in bulgarisches Recht umgesetzt worden ist?

2.      Stehen die Bestimmungen der Richtlinie der Anwendung eines nationalen Gesetzes entgegen, wonach Professoren, die das 68. Lebensjahr vollendet haben, zwangsweise in den Ruhestand versetzt werden? Ist es angesichts der dargelegten Tatsachen und Umstände der vorliegenden Rechtssache und im Fall der Feststellung eines Widerspruchs zwischen den Bestimmungen der Richtlinie und dem einschlägigen nationalen Recht, in das die Richtlinie umgesetzt wurde, möglich, dass die Auslegung der Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts zur Nichtanwendung des nationalen Rechts führt?

3.      Legt das nationale Recht das Erreichen des genannten Alters als einzige Voraussetzung für die Beendigung des unbefristeten Arbeitsverhältnisses und für die Möglichkeit seiner Fortsetzung als befristetes Arbeitsverhältnis zwischen demselben Arbeitnehmer und demselben Arbeitgeber für dieselbe Stelle fest? Legt das nationale Recht eine maximale Dauer und eine maximale Zahl von Verlängerungen des befristeten Arbeitsverhältnisses mit demselben Arbeitgeber nach Umwandlung des unbefristeten Vertrags in einen befristeten fest, nach deren Ablauf eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien nicht möglich ist?

20.      Herr Georgiev, die Universität, die bulgarische, die deutsche und die slowakische Regierung sowie die Kommission der Europäischen Gemeinschaften haben schriftliche Erklärungen eingereicht.

III – Untersuchung

21.      Ich werde die drei Vorlagefragen, die im Wesentlichen darauf gerichtet sind, ob die Richtlinie dahin auszulegen ist, dass sie einer nationalen Regelung entgegensteht, die einem Arbeitgeber erlaubt, den Arbeitsvertrag eines Universitätsprofessors zu beenden, der das 65. Lebensjahr vollendet hat, und die vorsieht, dass das Arbeitsverhältnis über dieses Alter hinaus nur mit jeweils auf ein Jahr befristeten Verträgen, jedoch insgesamt um nicht mehr als drei Jahre verlängert werden kann, zusammen prüfen.

22.      Für die Beantwortung dieser Fragen ist zu untersuchen, ob die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung in den Geltungsbereich der Richtlinie fällt, ob sie eine Ungleichbehandlung aufgrund des Alters enthält und, falls dies bejaht wird, ob die Richtlinie dieser Ungleichbehandlung entgegensteht.

23.      Zunächst ist hinsichtlich des Geltungsbereichs der Richtlinie festzustellen, dass sich aus ihrem Art. 3 Abs. 1 Buchst. c ergibt, dass sie im Rahmen der auf die Union übertragenen Zuständigkeiten für alle Personen in Bezug auf die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Entlassungsbedingungen und des Arbeitsentgelts, gilt. Die im Ausgangsverfahren fragliche Regelung wirkt sich unmittelbar auf die Dauer und die Modalitäten des Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien sowie allgemein auf die Ausübung der Berufstätigkeit von Universitätsprofessoren aus, indem sie deren künftige Teilnahme am aktiven Berufsleben ab einem Alter von 65 Jahren begrenzt und eine solche Teilnahme nach Vollendung des 68. Lebensjahrs verhindert. Es bestehen meines Erachtens deshalb keine Zweifel, dass diese Regelung in den Geltungsbereich der Richtlinie fällt(7).

24.      Was weiter die Frage betrifft, ob die im Ausgangsverfahren fragliche Regelung eine Ungleichbehandlung aufgrund des Alters in Bezug auf Beschäftigung und Beruf enthält, ist festzustellen, dass nach Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie „Gleichbehandlungsgrundsatz“ im Sinne dieser Richtlinie bedeutet, dass es keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung wegen eines der in Art. 1 der Richtlinie genannten Gründe geben darf. Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie erläutert, dass eine unmittelbare Diskriminierung im Sinne seines Abs. 1 vorliegt, wenn eine Person wegen eines der in Art. 1 der Richtlinie genannten Gründe in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person.

25.      Dadurch, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung einem Arbeitgeber erlaubt, den Arbeitsvertrag eines Universitätsprofessors zu beenden, der das 65. Lebensjahr vollendet hat, und bestimmt, dass das Arbeitsverhältnis über dieses Alter hinaus nur mit jeweils auf ein Jahr befristeten Verträgen, jedoch insgesamt um nicht mehr als drei Jahre verlängert werden kann, sieht sie für Universitätsprofessoren, die das 65. Lebensjahr vollendet haben, sowie für diejenigen, die das 68. Lebensjahr vollendet haben, eine weniger günstige Behandlung vor als für andere berufstätige Universitätsprofessoren. Im Gegensatz zu anderen berufstätigen Universitätsprofessoren, die grundsätzlich einen unbefristeten Arbeitsvertrag erhalten, sind Universitätsprofessoren, die das 65. Lebensjahr vollendet haben, nämlich gezwungen, einen befristeten Vertrag zu akzeptieren, wenn sie ihren Beruf weiter ausüben wollen. Ferner sind Professoren, die das 68. Lebensjahr vollendet haben, gezwungen, ihre Tätigkeit an der Universität zu beenden. Eine solche Regelung führt daher zu einer unmittelbar auf dem Alter beruhenden Ungleichbehandlung im Sinne von Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie(8).

26.      Es ist nun zu untersuchen, ob die Ungleichbehandlungen, die aus der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Regelung folgen, mit der Richtlinie vereinbar sind. Insoweit ergibt sich aus Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie, dass Ungleichbehandlungen wegen des Alters keine verbotene Diskriminierung gemäß Art. 2 der Richtlinie darstellen, „sofern sie objektiv und angemessen sind und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel, worunter insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind, gerechtfertigt sind und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind“.

27.      Das Ziel, das mit der im Ausgangsverfahren fraglichen Regelung verfolgt wird, ergibt sich nicht ausdrücklich aus ihrem Wortlaut. Fehlt es in den fraglichen nationalen Rechtsvorschriften an einer genauen Angabe zum verfolgten Ziel, ist es, wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, wichtig, dass andere, aus dem allgemeinen Kontext der betreffenden Maßnahme abgeleitete Anhaltspunkte die Feststellung des hinter dieser Maßnahme stehenden Ziels ermöglichen, damit dessen Rechtmäßigkeit sowie die Angemessenheit und Erforderlichkeit der zu seiner Erreichung eingesetzten Mittel gerichtlich überprüft werden können(9).

28.      Im Rahmen des Ausgangsrechtsstreits ist es letztlich Sache des nationalen Gerichts, das allein für die Beurteilung des Sachverhalts des Rechtsstreits, mit dem es befasst ist, sowie für die Auslegung der anwendbaren nationalen Regelung zuständig ist, das mit dieser Regelung verfolgte Ziel zu ermitteln und zu prüfen, ob es sich um ein rechtmäßiges Ziel im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie handelt(10).

29.      Um dem nationalen Gericht somit eine für die Entscheidung des Ausgangsrechtstreits sachdienliche Antwort zu geben, ist zu prüfen, ob die Richtlinie solchen Ungleichbehandlungen wegen des Alters, wie sie im Ausgangsverfahren in Rede stehen, unter Berücksichtigung der Ziele, die in den dem Gerichtshof vorgelegten schriftlichen Erklärungen als mögliche Rechtfertigung genannt werden, entgegensteht.

30.      Überwiegend genannt wurde das Ziel der Verteilung der Beschäftigungsmöglichkeiten zwischen den Generationen innerhalb der betreffenden Berufsgruppe. Nach dem Vorbringen mehrerer Verfahrensbeteiligter, im Wesentlichen der bulgarischen, der deutschen und der slowakischen Regierung sowie der Kommission, soll die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung, indem sie einen solchen Zweck verfolgt, ermöglichen, die Zugangschancen der jungen Generationen zu Professorenstellen zu gewährleisten und die Qualität von Lehre und Forschung sicherzustellen.

31.      Nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie, sind die Ziele, die als „legitim“ im Sinne dieser Bestimmung angesehen werden können, insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung. Hierzu hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass die Förderung von Einstellungen unbestreitbar ein legitimes Ziel der Sozial- oder Beschäftigungspolitik der Mitgliedstaaten darstellt und dass diese Wertung offensichtlich auch für Instrumente der nationalen Arbeitsmarktpolitik gelten muss, die für bestimmte Arbeitnehmergruppen die Chancen auf Eingliederung in das Erwerbsleben verbessern sollen. Auch eine Maßnahme, die getroffen wurde, um den Zugang jüngerer Personen zum Beruf des Universitätsprofessors zu begünstigen, kann als eine Maßnahme der Beschäftigungspolitik angesehen werden(11).

32.      Nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie ist zu prüfen, ob die Mittel zur Erreichung dieses Ziels „angemessen und erforderlich“ sind. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Mitgliedstaaten über einen weiten Ermessensspielraum bei der Wahl der Maßnahmen zur Erreichung ihrer Ziele im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik verfügen(12).

33.      Im Urteil Petersen hat der Gerichtshof ausgeführt, dass es nach der Entwicklung der Beschäftigungssituation in dem betreffenden Sektor nicht sachfremd erscheint, wenn die Behörden eines Mitgliedstaats davon ausgehen, dass die Anwendung einer Altersgrenze, die dazu führt, dass die ältesten Arbeitnehmer aus dem Arbeitsmarkt ausscheiden, die Beschäftigung jüngerer Berufsangehöriger begünstigen kann. Was die Festlegung dieser Altersgrenze auf 68 Jahre angeht, ist der Gerichtshof der Ansicht, dass dieses Alter hinreichend weit fortgeschritten erscheint, um als Endpunkt der Ausübung eines Berufs zu dienen(13). Aus dem Urteil Palacios de la Villa ergibt sich, dass die gleiche Einschätzung in Bezug auf eine Altersgrenze von 65 Jahren möglich ist(14); dies gilt erst recht, wenn, wie im vorliegenden Fall, die Arbeitnehmer, die dieses Alter erreicht haben, nicht zwingend in den Ruhestand versetzt werden.

34.      Meines Erachtens ist es als legitim anzuerkennen, wenn ein Mitgliedstaat bestrebt ist, in der Berufsgruppe der Universitätsprofessoren eine ausgewogene Altersstruktur durch Errichtung einer Altersgrenze sicherzustellen. Die Zusammenarbeit von Lehrkräften und Forschern verschiedener Generationen begünstigt meines Erachtens den Erfahrungsaustausch und die Innovation und damit die Verbesserung der Qualität des Unterrichts und der Forschung an den Universitäten. Darüber hinaus ist es unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Zahl der freien Stellen in diesem Sektor begrenzt ist und die Berufslaufbahnen relativ lang sein können, angemessen, davon auszugehen, dass eine Altersgrenze den Berufszugang Jüngerer erleichtert.

35.      Somit geht eine Regelung, wie sie im Ausgangsverfahren in Rede steht, nicht über das hinaus, was erforderlich ist, um das Ziel der Verteilung der Beschäftigungsmöglichkeiten zwischen den Generationen in dem betreffenden Beruf zu gewährleisten.

36.      Die Verhältnismäßigkeit dieser Regelung ergibt sich zunächst daraus, dass ein Universitätsprofessor, der gezwungen ist, seine Tätigkeit zu beenden, sowohl im Alter von 65 Jahren als auch mit 68 Jahren einen Anspruch auf ein Ruhegehalt hat. Die genannte Regelung kann also nicht als übermäßige Beeinträchtigung der berechtigten Erwartungen der Arbeitnehmer angesehen werden, die wegen Erreichens eines Alters von 65 bis 68 Jahren ihre Berufstätigkeit beenden müssen, weil eine solche Regelung nicht nur auf ein bestimmtes Alter abstellt, sondern auch den Umstand berücksichtigt, dass den Betroffenen am Ende ihrer beruflichen Laufbahn ein finanzieller Ausgleich in Gestalt einer Altersrente zugutekommt(15), deren Höhe von Herrn Georgiev im Übrigen nicht bestritten wird.

37.      Ferner ist darauf hinzuweisen, dass die für Professoren bestehende Möglichkeit, über das 65. Lebensjahr hinaus mittels befristeter Verträge tätig zu sein, eine Lockerung der Regel des Eintritts in den Ruhestand ab diesem Alter bewirkt, da diesen Professoren dadurch die Möglichkeit eröffnet wird, ihren Beruf weitere drei Jahre auszuüben. Diese Möglichkeit trägt somit dazu bei, die Ungleichbehandlung der Professoren, die das 65. Lebensjahr vollendet haben, abzuschwächen.

38.      In diesem Punkt der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Regelung unterscheidet sich die vorliegende Rechtssache von derjenigen, in der das Urteil Mangold ergangen ist. In diesem Urteil hat der Gerichtshof entschieden, dass eine nationale Maßnahme, die es erlaubt, mit Arbeitnehmern, die das 52. Lebensjahr vollendet haben, ohne objektiven Grund einen befristeten Vertrag zu schließen, der Richtlinie zuwiderläuft. Im Unterschied zur vorliegenden Rechtssache betraf die in dem genannten Urteil fragliche nationale Regelung Arbeitnehmer, die noch keinen Rentenanspruch erworben hatten, und die Verträge konnten beliebig oft verlängert werden. Außerdem betrifft die im Ausgangsverfahren fragliche Regelung nur eine spezifische Kategorie von Arbeitnehmern, während die im Urteil Mangold fragliche Regelung allgemein anwendbar war.

39.      Schließlich hat der Gerichtshof zwar bei mehreren Gelegenheiten darauf hingewiesen, dass feste Beschäftigungsverhältnisse einen wichtigen Aspekt des Arbeitnehmerschutzes darstellen, doch hat er gleichzeitig anerkannt, dass befristete Arbeitsverträge unter bestimmten Umständen den Bedürfnissen sowohl der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer entsprechen können(16).

40.      Ebendies ist meines Erachtens in der vorliegenden Rechtssache der Fall. Der Abschluss befristeter Verträge ist nämlich geeignet, den von Professoren möglicherweise geäußerten Wunsch, ihre Tätigkeit nach Erreichen des 65. Lebensjahrs fortzusetzen, damit in Einklang zu bringen, dass es den Universitäten möglich sein muss, jedes Jahr entsprechend ihren Bedürfnissen und entsprechend den Besonderheiten der betroffenen Fachrichtung neu zu bewerten, ob diese Verlängerung einer gerechten Verteilung der Beschäftigungsmöglichkeiten zwischen den Generationen innerhalb dieser Berufsgruppe nicht abträglich ist.

41.      Aus alledem ergibt sich meines Erachtens, dass Art. 2 Abs. 2 Buchst. a und Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren streitigen, die einem Arbeitgeber erlaubt, den Arbeitsvertrag eines Universitätsprofessors, der das 65. Lebensjahr vollendet hat, zu beenden, und die vorsieht, dass das Arbeitsverhältnis über dieses Alter hinaus nur mit jeweils auf ein Jahr befristeten Verträgen, jedoch insgesamt um nicht mehr als drei Jahre verlängert werden kann, nicht entgegenstehen, sofern mit dieser Regelung eine Verteilung der Beschäftigungsmöglichkeiten zwischen den Generationen innerhalb dieser Berufsgruppe erreicht werden soll, was vom nationalen Gericht zu prüfen ist.

IV – Ergebnis

42.      Nach alledem schlage ich vor, die Vorlagefragen des Rajonen sad Plovdiv wie folgt zu beantworten:

Art. 2 Abs. 2 Buchst. a und Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren streitigen, die einem Arbeitgeber erlaubt, den Arbeitsvertrag eines Universitätsprofessors, der das 65. Lebensjahr vollendet hat, zu beenden, und die vorsieht, dass das Arbeitsverhältnis über dieses Alter hinaus nur mit jeweils auf ein Jahr befristeten Verträgen, jedoch insgesamt um nicht mehr als drei Jahre verlängert werden kann, nicht entgegenstehen, sofern mit dieser Regelung eine Verteilung der Beschäftigungsmöglichkeiten zwischen den Generationen innerhalb dieser Berufsgruppe erreicht werden soll, was vom nationalen Gericht zu prüfen ist.


1 – Originalsprache: Französisch.


2 – Zur Zwangsversetzung in den Ruhestand vgl. Urteil vom 16. Oktober 2007, Palacios de la Villa (C‑411/05, Slg. 2007, I‑8531), und die beim Gerichtshof anhängigen Rechtssachen Rosenbladt (C‑45/09) sowie Fuchs und Köhler (C‑159/10 und C‑160/10); zur Erlaubnis, einen Arbeitnehmer, der das Rentenalter erreicht hat, zu entlassen, vgl. Urteil vom 5. März 2009, Age Concern England (C‑388/07, Slg. 2009, I‑1569); zur Einstellung von Arbeitnehmern ab einem bestimmten Alter mittels befristeter Verträge vgl. Urteil vom 22. November 2005, Mangold (C‑144/04, Slg. 2005, I‑9981), und die beim Gerichtshof anhängige Rechtssache Deutsche Lufthansa (C‑109/09). Vgl. auch Urteil vom 12. Januar 2010, Petersen (C‑341/08, Slg. 2008, I‑0000), bezüglich einer nationalen Bestimmung, die das Höchstalter für die Ausübung des Berufs eines Kassenzahnarztes auf 68 Jahre festlegt.


3 – ABl. L 303, S. 16 (im Folgenden: Richtlinie).


4 – DV Nr. 26 vom 1. April 1986, danach geändert und im DV Nr. 41 vom 2. Juni 2009 veröffentlicht, in Kraft getreten am 1. Juli 2009.


5 – DV Nr. 112 vom 27. Dezember 1995, zuletzt geändert und im DV Nr. 74 vom 15. September 2009 veröffentlicht.


6 – DV Nr. 86 vom 30. September 2003, in Kraft getreten am 1. Januar 2004, geändert und im DV Nr. 74 vom 15. September 2009 veröffentlicht, in Kraft getreten am 15. September 2009.


7 – Vgl. entsprechend Urteile Palacios de la Villa (Randnrn. 45 und 46) und Age Concern England (Randnrn. 27 und 28).


8 – Aus den Akten ergibt sich, dass nach bulgarischem Recht ein Arbeitsvertrag eines männlichen Arbeitnehmers grundsätzlich ab Vollendung des 63. Lebensjahrs beendet werden kann. Auch wenn Universitätsprofessoren sich unter diesem Gesichtspunkt gegenüber anderen Arbeitnehmern in einer vorteilhaften Situation zu befinden scheinen, ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass sie eine potenziell der Richtlinie entgegenstehende Ungleichbehandlung wegen des Alters erfahren, da Bezugspunkt für den Vergleich die Situation von Universitätsprofessoren ist, die noch nicht das 65. oder 68. Lebensjahr vollendet haben.


9 – Vgl. u. a. Urteil Petersen (Randnr. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).


10 – Vgl. u. a. Urteile Age Concern England (Randnr. 47) und Petersen (Randnr. 42).


11 – Vgl. entsprechend Urteil Petersen (Randnr. 68 und die dort angeführte Rechtsprechung).


12 – Vgl. u. a. Urteil vom 19. Januar 2010, Kücükdeveci (C‑555/07, Slg. 2010, I‑0000, Randnr. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).


13 – Urteil Petersen (Randnr. 70).


14 – Urteil Palacios de la Villa (Randnr. 72).


15 – Vgl. insoweit Urteil Palacios de la Villa (Randnr. 73), in dem der Gerichtshof auf eine Altersrente verweist, „deren Höhe nicht als unangemessen betrachtet werden kann“. Zu definieren, was diese Formulierung umfasst, ist eines der zentralen Probleme der Rechtssache Rosenbladt.


16 – Vgl. u. a. Urteil vom 15. April 2008, Impact (C‑268/06, Slg. 2008, I‑2483, Randnr. 87 und die dort angeführte Rechtsprechung).

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