This document is an excerpt from the EUR-Lex website
Document 62009CC0145
Opinion of Mr Advocate General Bot delivered on 8 June 2010. # Land Baden-Württemberg v Panagiotis Tsakouridis. # Reference for a preliminary ruling: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg - Germany. # Freedom of movement for persons - Directive 2004/38/EC - Articles 16(4) and 28(3)(a) - Union citizen born and having resided for over 30 years in the host Member State - Absences from the host Member State - Criminal convictions - Expulsion decision - Imperative grounds of public security. # Case C-145/09.
Schlussanträge des Generalanwalts Bot vom 8. Juni 2010.
Land Baden-Württemberg gegen Panagiotis Tsakouridis.
Ersuchen um Vorabentscheidung: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg - Deutschland.
Freizügigkeit - Richtlinie 2004/38/EG - Art. 16 Abs. 4 und Art. 28 Abs. 3 Buchst. a - Unionsbürger, der im Aufnahmemitgliedstaat geboren ist und dort mehr als 30 Jahre gewohnt hat - Abwesenheiten vom Aufnahmemitgliedstaat - Strafrechtliche Verurteilungen - Ausweisungsverfügung - Zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit.
Rechtssache C-145/09.
Schlussanträge des Generalanwalts Bot vom 8. Juni 2010.
Land Baden-Württemberg gegen Panagiotis Tsakouridis.
Ersuchen um Vorabentscheidung: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg - Deutschland.
Freizügigkeit - Richtlinie 2004/38/EG - Art. 16 Abs. 4 und Art. 28 Abs. 3 Buchst. a - Unionsbürger, der im Aufnahmemitgliedstaat geboren ist und dort mehr als 30 Jahre gewohnt hat - Abwesenheiten vom Aufnahmemitgliedstaat - Strafrechtliche Verurteilungen - Ausweisungsverfügung - Zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit.
Rechtssache C-145/09.
Sammlung der Rechtsprechung 2010 I-11979
ECLI identifier: ECLI:EU:C:2010:322
SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS
YVES BOT
vom 8. Juni 20101(1)
Rechtssache C‑145/09
Land Baden-Württemberg
gegen
Panagiotis Tsakouridis
(Vorabentscheidungsersuchen des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg [Deutschland])
„Richtlinie 2004/38/EG – Freizügigkeit – Unionsbürger – Strafrechtliche Verurteilungen – Ausweisungsverfügung – Zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit“
1. Mit dem vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen bittet der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (Deutschland) den Gerichtshof, die Voraussetzungen für die Gewährung des Schutzes vor Ausweisung nach Art. 28 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2004/38/EG(2) näher zu bestimmen. Diese Vorschrift sieht vor, dass gegen einen Unionsbürger, der seinen Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im Aufnahmemitgliedstaat gehabt hat, eine Ausweisung nur aus zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit verfügt werden darf.
2. Insbesondere wird der Gerichtshof gefragt, ob der Begriff „zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit“ dahin zu verstehen ist, dass er nur Erwägungen umfasst, die sich auf den Schutz des Mitgliedstaats und seiner Einrichtungen beziehen, und ob sich wiederholte und längere Abwesenheiten vom Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats auf die Berechnung der Frist von zehn Jahren auswirken, die für die Erlangung des Ausweisungsschutzes vorgeschrieben ist.
3. In den vorliegenden Schlussanträgen werde ich dem Gerichtshof vorschlagen, zu entscheiden, dass Art. 28 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2004/38 dahin auszulegen ist, dass der Begriff „öffentliche Sicherheit“ nicht nur im engen Sinne auf die Gefährdung der inneren oder äußeren Sicherheit des Aufnahmemitgliedstaats oder des Bestands seiner Einrichtungen zu beziehen ist, sondern auch auf schwerwiegende Beeinträchtigungen von Grundinteressen der Gesellschaft wie der grundlegenden Schutzgüter seiner Bürger, die dieser Mitgliedstaat durch Strafvorschriften, die er zu ihrem Schutz aufgestellt hat, näher bestimmt hat.
4. Ich werde dem Gerichtshof zudem erläutern, welche besonderen Voraussetzungen meines Erachtens erfüllt sein müssen, damit eine zuständige nationale Behörde rechtmäßig eine Ausweisungsverfügung erlassen kann, insbesondere in einer Situation wie der im Ausgangsverfahren geschilderten, in der eine solche Verfügung im Anschluss an die Vollstreckung einer strafrechtlichen Sanktion erfolgen würde.
5. Darüber hinaus werde ich dem Gerichtshof darlegen, aus welchen Gründen ich meine, dass vorübergehende Abwesenheiten, die die starke Bindung zwischen dem Unionsbürger und dem Aufnahmemitgliedstaat nicht in Frage stellen – was zu prüfen Sache des nationalen Richters ist – in der Regel keine Auswirkungen auf die Berechnung der nach Art. 28 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2004/38 vorgesehenen Frist von zehn Jahren haben.
6. Dagegen kann eine Abwesenheit vom Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats von über 16 Monaten, die wie im vorliegenden Fall nur durch die zwangsweise Rückkehr des Unionsbürgers infolge einer gerichtlichen Entscheidung der zuständigen Stellen dieses Mitgliedstaats beendet wurde, meines Erachtens dazu führen, dass der Unionsbürger den in dieser Vorschrift vorgesehenen erhöhten Schutz verliert, soweit in dieser Abwesenheit der Bruch der starken Bindung zwischen dem Unionsbürger und dem Aufnahmemitgliedstaat zum Ausdruck kommt, was festzustellen Sache des nationalen Richters ist.
I – Rechtlicher Rahmen
A – Primärrecht
7. Art. 3 Abs. 2 EUV lautet:
„Die Union bietet ihren Bürgerinnen und Bürgern einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts ohne Binnengrenzen, in dem – in Verbindung mit geeigneten Maßnahmen in Bezug auf die Kontrollen an den Außengrenzen, das Asyl, die Einwanderung sowie die Verhütung und Bekämpfung der Kriminalität – der freie Personenverkehr gewährleistet ist.“
B – Richtlinie 2004/38
8. Vor dem Inkrafttreten der Richtlinie 2004/38 gab es mehrere Richtlinien und Verordnungen zur Freizügigkeit und zum Aufenthaltsrecht europäischer Staatsangehöriger. Mit dieser Richtlinie wurde das Unionsrecht in diesem Bereich zusammengefasst und vereinfacht.
9. Mit ihr wurde nämlich die Verpflichtung der Unionsbürger, sich eine Aufenthaltskarte zu beschaffen, aufgehoben, ein Recht auf Daueraufenthalt für Unionsbürger eingeführt und die Möglichkeit der Mitgliedstaaten, den Aufenthalt von Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten in ihrem Gebiet zu beschränken, eingeschränkt.
10. So sieht Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 vor, dass Unionsbürger, die sich fünf Jahre lang ununterbrochen im Aufnahmemitgliedstaat aufgehalten haben, das Recht haben, sich dort auf Dauer aufzuhalten. In Art. 16 Abs. 3 dieser Richtlinie wird klargestellt, dass die Kontinuität des Aufenthalts durch vorübergehende Abwesenheiten von bis zu insgesamt sechs Monaten im Jahr nicht berührt wird.
11. Wenn das Recht auf Daueraufenthalt erworben wurde, führt nach Art. 16 Abs. 4 der genannten Richtlinie nur die Abwesenheit vom Aufnahmemitgliedstaat, die zwei aufeinanderfolgende Jahre überschreitet, zu seinem Verlust.
12. Die Unionsbürger genießen darüber hinaus Schutz vor Ausweisung. In unmittelbarer Anlehnung an die Rechtsprechung des Gerichtshofs in diesem Bereich schränkt die Richtlinie 2004/38 die Möglichkeit der Mitgliedstaaten, die Freizügigkeit und das Aufenthaltsrecht der Unionsbürger zu beschränken, eng ein.
13. Nach Art. 27 Abs. 1 der Richtlinie dürfen die Mitgliedstaaten dieses Recht daher aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit beschränken, wobei diese Gründe nicht zu wirtschaftlichen Zwecken geltend gemacht werden dürfen.
14. Art. 27 Abs. 2 der Richtlinie greift die vom Gerichtshof aufgestellten Kriterien auf und sieht vor, dass bei Maßnahmen aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren ist(3) und ausschließlich das persönliche Verhalten des von der Ausweisungsverfügung Betroffenen ausschlaggebend sein darf(4). Strafrechtliche Verurteilungen allein können ohne Weiteres diese Maßnahmen nicht begründen. Zudem muss das persönliche Verhalten eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt(5).
15. Art. 28 der Richtlinie 2004/38, der den Schutz vor Ausweisung betrifft, lautet:
„(1) Bevor der Aufnahmemitgliedstaat eine Ausweisung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit verfügt, berücksichtigt er insbesondere die Dauer des Aufenthalts des Betroffenen im Hoheitsgebiet, sein Alter, seinen Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Aufnahmemitgliedstaat und das Ausmaß seiner Bindungen zum Herkunftsstaat.
(2) Der Aufnahmemitgliedstaat darf gegen Unionsbürger oder ihre Familienangehörigen, ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit, die das Recht auf Daueraufenthalt in seinem Hoheitsgebiet genießen, eine Ausweisung nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit verfügen.
(3) Gegen Unionsbürger darf eine Ausweisung nicht verfügt werden, es sei denn, die Entscheidung beruht auf zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit, die von den Mitgliedstaaten festgelegt wurden, wenn sie
a) ihren Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im Aufnahmemitgliedstaat gehabt haben oder
b) minderjährig sind, es sei denn, die Ausweisung ist zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.“
C – Deutsches Recht
16. Mit dem Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizügigkeitsgesetz/EU) vom 30. Juli 2004(6) wurden die Bestimmungen der Richtlinie 2004/38 in das deutsche Recht umgesetzt. § 6 Abs. 1 FreizügG/EU sieht vor, dass der Verlust des Rechts auf Einreise und Aufenthalt in Deutschland nur aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit festgestellt werden kann. Nach § 6 Abs. 2 FreizügG/EU dürfen im Bundeszentralregister noch nicht getilgte strafrechtliche Verurteilungen insoweit berücksichtigt werden, als die ihnen zugrunde liegenden Umstände ein persönliches Verhalten erkennen lassen, das eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstellt. Es muss eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.
17. Nach § 6 Abs. 3 FreizügG/EU sind bei einer Entscheidung über eine Ausweisung insbesondere die Dauer des Aufenthalts des Betroffenen in Deutschland, sein Alter, sein Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration in Deutschland und das Ausmaß seiner Bindungen zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen.
18. Gemäß § 6 Abs. 4 FreizügG/EU darf eine Feststellung des Verlusts des Rechts auf Einreise und Aufenthalt in Deutschland nach Erwerb des Daueraufenthaltsrechts nur aus schwerwiegenden Gründen getroffen werden.
19. Nach § 6 Abs. 5 FreizügG/EU darf eine Feststellung nach § 6 Abs. 1 bei Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen, die ihren Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, und bei Minderjährigen nur aus zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit getroffen werden. Für Minderjährige gilt dies nicht, wenn der Verlust des Aufenthaltsrechts zum Wohl des Kindes notwendig ist. Zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit können nur dann vorliegen, wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens fünf Jahren verurteilt oder bei der letzten rechtskräftigen Verurteilung Sicherungsverwahrung angeordnet wurde, wenn die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland betroffen ist oder wenn vom Betroffenen eine terroristische Gefahr ausgeht.
II – Sachverhalt und Ausgangsverfahren
20. Herr Tsakouridis ist griechischer Staatsangehöriger und wurde am 1. März 1978 in Deutschland geboren. Er hat stets in Deutschland gelebt und seine schulische Ausbildung dort absolviert. Seit Oktober 2001 ist er im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis für Deutschland.
21. Herr Tsakouridis wurde 1998 wegen Besitzes eines verbotenen Gegenstands, 1999 wegen gefährlicher Körperverletzung und 2000 und 2002 wegen vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung zur Zahlung von Geldstrafen verurteilt.
22. Von März 2004 bis Mitte Oktober 2004 betrieb er auf Rhodos (Griechenland) einen Crêpes-Stand. Danach kehrte er nach Deutschland zurück, wo er ab Dezember 2004 arbeitete. Mitte Oktober 2005 kehrte er erneut nach Griechenland zurück und betrieb seinen Crêpes-Stand weiter.
23. Am 22. November 2005 erließ das Amtsgericht Stuttgart einen internationalen Haftbefehl gegen Herrn Tsakouridis. Am 19. November 2006 wurde er in Rhodos festgenommen und am 19. März 2007 nach Deutschland überführt.
24. Mit Urteil vom 28. August 2007 verurteilte das Landgericht Stuttgart Herrn Tsakouridis wegen unerlaubten bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in acht Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten. Aus den in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen geht hervor, dass er sich derzeit zur Bewährung auf freiem Fuß befindet.
25. Mit Bescheid vom 19. August 2008 stellte das Regierungspräsidium Stuttgart den Verlust des Rechts von Herrn Tsakouridis auf Einreise und Aufenthalt im Bundesgebiet fest und drohte ihm die Abschiebung nach Griechenland an.
26. Das Regierungspräsidium Stuttgart führte aus, mit dem Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 28. August 2007 werde das Mindeststrafmaß von fünf Jahren Freiheitsstrafe überschritten, so dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit im Sinne von § 6 Abs. 5 FreizügG/EU vorlägen. Das persönliche Verhalten von Herrn Tsakouridis gefährde außerdem aktuell die öffentliche Ordnung, da die von ihm begangenen Betäubungsmittelstraftaten ausgesprochen schwerwiegend seien und eine konkrete Wiederholungsgefahr bestehe. Ferner bestehe ein Grundinteresse der Gesellschaft daran, dass die besonders sozial schädliche Rauschgiftkriminalität mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln wirksam bekämpft werde. Angesichts seiner Aufenthalte in Griechenland in jüngster Zeit werde Herr Tsakouridis zudem keine Schwierigkeiten haben, sich an die dortigen Lebensverhältnisse zu gewöhnen.
27. Am 17. September 2008 erhob Herr Tsakouridis gegen den Bescheid vom 19. August 2008 Klage beim Verwaltungsgericht. Da das Landgericht Stuttgart in seinem Urteil vom 28. August 2007 festgestellt habe, dass Herr Tsakouridis nur untergeordnetes Bandenmitglied und aufgrund seiner familiären Verpflichtungen in die Straftat involviert gewesen sei, da er in Deutschland aufgewachsen sei, seine schulische Ausbildung in Deutschland genossen habe, eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Sinne von § 6 Abs. 1 FreizügG/EU daher nicht ersichtlich sei und er zudem eine intensive Bindung zu seinem in Deutschland lebenden Vater habe, war das Verwaltungsgericht der Auffassung, dass die Feststellung des Verlusts des Rechts auf Einreise und Aufenthalt im Bundesgebiet unverhältnismäßig sei.
28. Mit Urteil vom 24. November 2008 hob das Verwaltungsgericht den Bescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart daher mit der Begründung auf, der Verlust des Rechts auf Einreise und Aufenthalt könne bei Unionsbürgern nur aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit festgestellt werden, wobei die Tatsache einer strafrechtlichen Verurteilung für sich allein nicht genüge, um einen solchen Verlust zu begründen. Darüber hinaus müsse eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre.
29. Da sich Herr Tsakouridis seit mehr als zehn Jahren im Bundesgebiet aufgehalten und sein Daueraufenthaltsrecht aufgrund seiner Aufenthalte in Griechenland auch nicht verloren habe, dürfe der Verlust des Rechts auf Einreise und Aufenthalt nach § 6 Abs. 5 Satz 1 FreizügG/EU nur aus zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit festgestellt werden. Derartige Gründe lägen hier jedoch nicht vor, da der Begriff „öffentliche Sicherheit“ nur die innere und die äußere Sicherheit eines Mitgliedstaats umfasse und damit enger sei als der Begriff „öffentliche Ordnung“. Herr Tsakouridis stelle möglicherweise eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung, jedoch keineswegs für den Bestand des Staates und seiner Einrichtungen oder das Überleben der Bevölkerung dar.
30. Das Land Baden-Württemberg legte gegen dieses Urteil Berufung beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg ein.
III – Vorlagefragen
31. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
1. Ist der in Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38 verwendete Begriff der „zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit“ dahin gehend auszulegen, dass nur unabweisbare Gefährdungen der äußeren oder inneren Sicherheit des Mitgliedstaats eine Ausweisung rechtfertigen können und hierzu nur die Existenz des Staates mit seinen wesentlichen Einrichtungen, deren Funktionsfähigkeit, das Überleben der Bevölkerung sowie die auswärtigen Beziehungen und das friedliche Zusammenleben der Völker zählen?
2. Unter welchen Voraussetzungen geht der nach einem zehnjährigen Aufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat erreichte erhöhte Ausweisungsschutz nach Art. 28 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2004/38 wieder verloren? Ist in diesem Zusammenhang der Verlusttatbestand für das Daueraufenthaltsrecht nach Art. 16 Abs. 4 dieser Richtlinie entsprechend anzuwenden?
3. Für den Fall, dass die Frage 2 und eine entsprechende Anwendbarkeit des Art. 16 Abs. 4 der Richtlinie 2004/38 bejaht werden: Geht der erhöhte Ausweisungsschutz allein durch den Zeitablauf verloren, unabhängig von den maßgeblichen Gründen für die Abwesenheit?
4. Ebenfalls für den Fall, dass die Frage 2 und eine entsprechende Anwendbarkeit des Art. 16 Abs. 4 der Richtlinie 2004/38 bejaht werden: Ist eine zwangsweise Rückkehr in den Aufnahmemitgliedstaat im Rahmen einer Strafverfolgungsmaßnahme vor Ablauf des Zweijahreszeitraums geeignet, den erhöhten Ausweisungsschutz zu erhalten, auch wenn im Anschluss an die Rückkehr zunächst für längere Zeit von den Grundfreiheiten kein Gebrauch gemacht werden kann?
IV – Beurteilung
32. Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob der Begriff „öffentliche Sicherheit“ vom Begriff „öffentliche Ordnung“ zu unterscheiden ist und ob der erstgenannte dahin gehend enger auszulegen ist als der letztgenannte, dass nur eine Ausweisung eines Unionsbürgers, der eine Bedrohung für den Bestand eines Mitgliedstaats und seiner Einrichtungen darstellt, als Ausweisung aus zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit angesehen werden kann.
33. Mit der zweiten, der dritten und der vierten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob wiederholte Abwesenheiten vom Aufnahmemitgliedstaat und die zwangsweise Rückkehr des Unionsbürgers im Rahmen einer Strafverfolgungsmaßnahme Auswirkungen auf den erhöhten Schutz nach Art. 28 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2004/38 haben können.
A – Vorbemerkungen
34. Die Vorbemerkungen werden zwei Punkte betreffen, und zwar zum einen den Geist und die Struktur des mit der Richtlinie 2004/38 errichteten Systems und zum anderen die Allgemeingültigkeit der fundamentalen Grundsätze des Strafrechts.
1. Geist und Struktur des mit der Richtlinie 2004/38 errichteten Systems
35. Gemäß ihrem dritten Erwägungsgrund wird mit der Richtlinie 2004/38 das Ziel verfolgt, das Freizügigkeits- und Aufenthaltsrecht aller Unionsbürger zu vereinfachen und zu verstärken.
36. Die in Art. 45 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union bekräftigte Freizügigkeit stellt eine der Grundfreiheiten des Binnenmarkts dar. Nachdem die Freizügigkeit innerhalb der Union zunächst den Arbeitnehmern zugutekam, erfasst sie nunmehr alle Unionsbürger unabhängig von deren Stellung und gleich, ob diese eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben oder nicht. Die Unionsbürgerschaft verleiht somit jedem Unionsbürger vorbehaltlich der in Art. 20 Abs. 2 Unterabs. 2 AEUV ausdrücklich vorgesehenen Beschränkungen das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten zu bewegen und aufzuhalten.
37. Selbstverständlich muss diese Freizügigkeit unter Beachtung der Gesetze jedes Mitgliedstaats ausgeübt werden. So darf ein Mitgliedstaat die Freizügigkeit eines Unionsbürgers nach Art. 27 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit beschränken. Da diese Beschränkung der Freizügigkeit jedoch einen fundamentalen Grundsatz des Unionsrechts berührt, unterliegt sie engen Voraussetzungen(7).
38. Wie oben gesehen, begründet Art. 28 dieser Richtlinie einen erhöhten Schutz für Unionsbürger und in bestimmten Fällen für ihre Familienangehörigen.
39. Nach Art. 28 Abs. 1 der Richtlinie muss ein Mitgliedstaat daher, wenn er gegen einen Unionsbürger eine Ausweisung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit verfügt, zunächst eine Reihe von Gesichtspunkten berücksichtigen, wie etwa die Dauer des Aufenthalts des betreffenden Unionsbürgers im Hoheitsgebiet, sein Alter, seinen Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Aufnahmemitgliedstaat und das Ausmaß seiner Bindungen zum Herkunftsstaat.
40. Nach Art. 28 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 darf ein Aufnahmemitgliedstaat, wenn ein Unionsbürger oder seine Familienangehörigen das Recht auf Daueraufenthalt in seinem Hoheitsgebiet genießen, gegen diese Personen eine Ausweisung nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit verfügen.
41. Schließlich können nach Art. 28 Abs. 3 Buchst. a dieser Richtlinie allein zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit eine Ausweisungsverfügung gegen einen Unionsbürger begründen, der seinen Aufenthalt in den letzten zehn Jahren vor dieser Verfügung im Aufnahmemitgliedstaat gehabt hat.
42. Diesen drei Absätzen entnehme ich vor allem, dass die Dauer des Aufenthalts ein entscheidender Faktor bei der Gewährung des erhöhten Ausweisungsschutzes für Unionsbürger ist.
43. Dies erklärt sich dadurch, dass die Dauer des Aufenthalts nach Ansicht des Unionsgesetzgebers Aufschluss über eine gewisse Integration in den Aufnahmemitgliedstaat gibt(8). Je länger der Zeitraum des Aufenthalts im Hoheitsgebiet dieses Staates ist, umso engere Bindungen werden zu diesem Staat vermutet.
44. Eine Ausweisungsverfügung gegen einen Unionsbürger, der sein Freizügigkeitsrecht in Anspruch genommen hat und vollständig in den Aufnahmemitgliedstaat integriert ist, könnte diesem Unionsbürger daher sehr schaden(9).
45. Daher genießt der Unionsbürger einen Schutz vor Ausweisung, der entsprechend dem Grad der Integration in den Aufnahmemitgliedstaat zunimmt. Mit dem geschilderten System wird also das Postulat aufgestellt, dass der Grad der Integration von der Dauer des Aufenthalts abhängt. Je länger der Aufenthalt ist, desto stärkere Integration wird vermutet und desto umfassender ist der Schutz vor Ausweisung(10).
2. Allgemeingültigkeit der fundamentalen Grundsätze des Strafrechts
46. Die Besonderheiten des vorliegenden Falls bedingen, dass die vom Regierungspräsidium Stuttgart beabsichtigte Entscheidung nicht nur den Voraussetzungen der Richtlinie 2004/38 entsprechen muss, sondern auch, da es sich um eine Entscheidung handelt, die infolge einer strafrechtlichen Verurteilung erlassen wurde und sich an deren Vollstreckung anschließt, die fundamentalen Grundsätze hinsichtlich des Zwecks der Strafe beachten muss.
47. Zwar steht fest, dass die vom Gerichtshof zu Recht angewandte Auslegungsmethode Raum für eine Auslegung lässt, die dem Ziel jeder Richtlinie eigens Rechnung trägt, um deren praktische Wirksamkeit sicherzustellen, jedoch können die Grundrechte und die fundamentalen Grundsätze nicht je nachdem, in welchem Bereich sie auftreten, unterschiedlich angewandt werden, da sie sonst ihren grundlegenden Charakter verlören. Dieser grundlegende Charakter eines Rechts oder eines Grundsatzes begründet im Gegenteil einen gemeinsamen Standard, von dem im Bereich des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts insbesondere die Fragen, die mit der Unionsbürgerschaft zusammenhängen, nicht ausgenommen werden können.
48. Der schon in der Vergangenheit bei Theologen, Philosophen und Theoretikern anzutreffende Gedanke, dass eine Strafe dem Zweck der Wiedereingliederung des Verurteilten dienen muss, ist heute ein Grundsatz, der von allen modernen Rechtsordnungen, insbesondere denen der Mitgliedstaaten, geteilt und bekräftigt wird(11). So hat auch der Europarat 2006 eine Empfehlung zu den Europäischen Strafvollzugsgrundsätzen(12) verabschiedet, die vorsieht, dass „[j]ede Freiheitsentziehung … so durchzuführen [ist], dass sie den betroffenen Personen die Wiedereingliederung in die Gesellschaft erleichtert“(13). Der von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedete und am 16. Dezember 1966 in New York unterzeichnete Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte sieht in seinem Art. 10 Abs. 3 ebenfalls vor, dass „[d]er Strafvollzug … eine Behandlung der Gefangenen ein[schließt], die vornehmlich auf ihre Besserung und gesellschaftliche Wiedereingliederung hinzielt“.
49. Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat entschieden, dass es „eines der wesentlichen Ziele der Gefängnisstrafe [ist], die Gesellschaft zu schützen, zum Beispiel einen Straftäter daran zu hindern, rückfällig zu werden und weiteren Schaden anzurichten. Andererseits ist es ein berechtigtes Ziel, Personen, die zu Gefängnisstrafen verurteilt worden sind, schrittweise wieder in die Gesellschaft einzugliedern. Unter diesem Gesichtspunkt sind Maßnahmen berechtigt, die, wie eine befristete Beurlaubung, die soziale Eingliederung des Gefangenen erlauben“(14).
50. Die Beachtung des Grundsatzes der Wiedereingliederungsfunktion der Strafe scheint mir untrennbar mit dem Begriff der Menschenwürde verbunden zu sein und damit zur Familie der allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts zu gehören.
51. Daher meine ich, die Aufmerksamkeit des Gerichtshofs auf die Besonderheiten des vorliegenden Falls lenken zu sollen, in dem eine Ausweisungsverfügung im Anschluss an eine Maßnahme der bedingten Entlassung ergehen soll, die eine Vollstreckungsmodalität einer auf Wiedereingliederung ausgerichteten Strafe ist.
52. Nach alledem stellt sich die Frage, ob Herr Tsakouridis, der in Deutschland geboren wurde und nahezu sein ganzes Leben dort verbracht hat, aus Deutschland ausgewiesen werden kann, weil er wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt wurde.
B – Zum Begriff „zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit“
53. Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Gründe für die Ausweisungsverfügung gegen Herrn Tsakouridis als zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit im Sinne des Art. 28 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2004/38 angesehen werden können.
54. Diese Frage geht in Wirklichkeit dahin, ob der Begriff „öffentliche Sicherheit“ vom Begriff „öffentliche Ordnung“ zu unterscheiden ist und ob der erstgenannte dahin gehend enger auszulegen ist als der letztgenannte, dass nur eine Ausweisung eines Unionsbürgers, der eine Bedrohung für die Existenz eines Mitgliedstaats und seiner Einrichtungen darstellt, als Ausweisung aus zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit angesehen werden kann.
55. Aus den Gründen, die ich im Folgenden darlegen werde, meine ich nicht, dass der Begriff „öffentliche Sicherheit“ ausschließlich in dem engen Sinne auszulegen ist, dass nur der Bestand eines Mitgliedstaats oder seiner Einrichtungen erfasst wäre.
56. Die Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Begriff „öffentliche Sicherheit“ ist nicht unerheblich. In den achtziger und neunziger Jahren hatte er in mehreren Fällen zu prüfen, ob ein Mitgliedstaat eine Beschränkung des freien Warenverkehrs aus Gründen der öffentlichen Sicherheit rechtfertigen konnte(15). Der Gerichtshof hatte auch über die Frage zu entscheiden, ob nationale Maßnahmen, die Frauen diskriminierten, aus Gründen des Schutzes der öffentlichen Sicherheit eines Mitgliedstaats gerechtfertigt sein konnten(16).
57. In allen diesen Rechtssachen hat der Gerichtshof anerkannt, dass die im Widerspruch zum freien Warenverkehr stehende oder Frauen diskriminierende nationale Maßnahme aus Gründen der öffentlichen Sicherheit gerechtfertigt sein konnte. Er hat jedoch den eigentlichen Inhalt dieses Begriffs nie näher bestimmt, sondern lediglich ausgeführt, dass dieser Begriff im Sinne des Art. 30 EG sowohl die innere Sicherheit eines Mitgliedstaats als auch seine äußere Sicherheit umfasst(17).
58. Es leuchtet ohne Weiteres ein, dass sich der Begriff „äußere Sicherheit“ auf die Sicherheit eines Mitgliedstaats in seinen Beziehungen zu anderen Staaten bezieht. Im Urteil Leifer, in dem es um eine Maßnahme ging, mit der der Verkauf chemischer Erzeugnisse an den Irak einer Genehmigungspflicht unterworfen wurde, hat der Gerichtshof ausgeführt, dass die Gefahr einer erheblichen Störung der auswärtigen Beziehungen oder des friedlichen Zusammenlebens der Völker die Sicherheit eines Mitgliedstaats beeinträchtigen kann(18).
59. Der Begriff „innere Sicherheit“ ist dagegen schwieriger zu erfassen. Ist er vom Begriff „öffentliche Ordnung“ völlig zu trennen, wie das vorlegende Gericht vorschlägt, oder sind diese beiden Begriffe nicht vielmehr, wenn schon nicht untrennbar, dann wenigstens eng miteinander verbunden?
1. Die Begriffe „öffentliche Ordnung“ und „öffentliche Sicherheit“
60. Der Gerichtshof hat festgestellt, dass die besonderen Umstände, die möglicherweise die Berufung auf den Begriff „öffentliche Ordnung“ rechtfertigen, von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat und im zeitlichen Wechsel verschieden sein können, so dass insoweit den zuständigen innerstaatlichen Behörden ein Beurteilungsspielraum innerhalb der durch den Vertrag gesetzten Grenzen zuzubilligen ist(19). Darüber hinaus hat er ausgeführt, dass den Mitgliedstaaten keine Werteskala hinsichtlich der Beurteilung von Verhaltensweisen, die im Widerspruch zur öffentlichen Ordnung stehen, vorgeschrieben ist(20).
61. Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass der freie Personenverkehr nach Art. 3 Abs. 2 EUV in Verbindung mit geeigneten Maßnahmen in Bezug auf die Verhütung und Bekämpfung der Kriminalität gewährleistet ist. Ziel der Union ist es nämlich u. a., einen Raum der Sicherheit zu schaffen. Um dieses Ziel erreichen zu können, trifft jeden Mitgliedstaat die grundlegende Pflicht, in seinem eigenen Hoheitsgebiet für diesen Raum der Sicherheit zu sorgen.
62. Daher können die Mitgliedstaaten im Wesentlichen weiterhin frei nach ihren nationalen Bedürfnissen bestimmen, was die öffentliche Ordnung und Sicherheit erfordern(21).
63. So hat der Gerichtshof anerkannt, dass der Begriff „öffentliche Ordnung“ u. a. die Verhütung von Gewalt in Ballungsgebieten(22), die Bekämpfung des Handels mit gestohlenen Fahrzeugen(23), den Schutz des Münzrechts(24) oder auch die Achtung der Menschenwürde(25) umfasst.
64. Unter dem Gesichtspunkt der inneren Sicherheit hat der Gerichtshof im Urteil Johnston anerkannt, dass das Verbot für Frauen in der nordirischen Polizei, Waffen zu tragen, aus Gründen der öffentlichen Sicherheit gerechtfertigt ist, da Frauen bei schweren inneren Unruhen in höherem Maß der Gefahr von Anschlägen ausgesetzt sind(26).
65. Dieses Urteil stellt meines Erachtens jedoch eine Ausnahme dar, da der Gerichtshof in den meisten die öffentliche Ordnung und die öffentliche Sicherheit betreffenden Rechtssachen, über die er zu entscheiden hatte, nicht klar zwischen diesen beiden Begriffen unterschieden hat(27).
66. Noch deutlicher ist diese fehlende Unterscheidung im Urteil Oteiza Olazabal(28). In dieser Rechtssache hat der Gerichtshof nämlich entschieden, dass die Verhinderung der Tätigkeit einer bewaffneten und organisierten Gruppe der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit zugeordnet werden kann(29). Er hat jedoch dann unter dem Gesichtspunkt der öffentlichen Ordnung geprüft, ob die Ausweisung des Betroffenen in der genannten Rechtssache gerechtfertigt war.
67. Außerdem scheinen die beiden Begriffe in der Formulierung des Art. 27 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 selbst, mit der allerdings die Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Begriff „öffentliche Ordnung“ aufgegriffen wurde(30), vermengt zu werden. Diese Bestimmung sieht nämlich vor, dass bei Maßnahmen aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren ist und allein das persönliche Verhalten des Betroffenen ausschlaggebend sein darf und dass dieses Verhalten eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen muss, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, wobei dieser Begriff „Grundinteresse der Gesellschaft“ meines Erachtens faktisch die gemeinsame Bezeichnung für diese beiden Begriffe bildet.
68. Selbst wenn im Hinblick auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs – insbesondere die Urteile Johnston und Oteiza Olazabal – offenkundig ist, dass sich die innere Sicherheit eines Staates auf die Bekämpfung des Terrorismus bezieht, erweist es sich daher als schwierig, wenn nicht gar gekünstelt, die Begriffe „öffentliche Ordnung“ und „öffentliche Sicherheit“ jeweils unter eine eigene Definition zu fassen, deren Inhalt abschließend wäre.
69. Dies gilt umso mehr, als die Mitgliedstaaten, wie bereits ausgeführt, im Wesentlichen weiterhin frei nach ihren nationalen Bedürfnissen bestimmen können, was die öffentliche Ordnung und Sicherheit erfordern. Sie allein sind für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und den Schutz der inneren Sicherheit zuständig und verfügen über einen Beurteilungsspielraum, um unter Berücksichtigung der jeweiligen sozialen Umstände und der Bedeutung, die sie einem im Hinblick auf das Unionsrecht legitimen Ziel beimessen, zu bestimmen, welche Maßnahmen geeignet sind, zu Ergebnissen zu führen(31).
70. Gewiss ist der Gerichtshof dafür zuständig, darüber zu wachen, dass ein so grundlegendes Recht wie das, sich im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats zu bewegen und aufzuhalten, beachtet wird, dies ändert jedoch nichts daran, dass allein die Mitgliedstaaten selbst die Gefahren der Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung und der öffentlichen Sicherheit in ihrem eigenen Hoheitsgebiet zu beurteilen haben(32).
71. In diesem Zusammenhang ist klar, dass der Unionsgesetzgeber, der damit der Rechtsprechung des Gerichtshofs folgte, den Mitgliedstaaten einen gewissen Beurteilungsspielraum hinsichtlich des Inhalts des Begriffs „öffentliche Sicherheit“ einräumen wollte. So heißt es in Art. 28 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2004/38, dass die Ausweisungsverfügung auf zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit beruhen muss, „die von den Mitgliedstaaten festgelegt wurden“.
72. Während daher einige Mitgliedstaaten die innere Sicherheit in ihrem Hoheitsgebiet durch Bedrohungen seitens bewaffneter Unabhängigkeitsgruppen gefährdet sehen, hat für andere die Bekämpfung der Plage des Rauschgifthandels durch organisierte Banden Vorrang bei der Gewährleistung der Sicherheit in ihrem Hoheitsgebiet.
73. Während der Gerichtshof die Bekämpfung des Betäubungsmittelhandels unter den Begriff „öffentliche Ordnung“ gefasst hat(33), meine ich, dass dieser Handel häufig allein dadurch, dass die Drogenhändler nicht davor zurückschrecken, sich in bewaffneten Banden zu organisieren, die in den Ballungsgebieten Gewalttätigkeiten auslösen, unmittelbar die physische Sicherheit der Bevölkerung gefährdet.
74. Meines Erachtens besteht ein bedeutender Unterschied zwischen jemandem, der Rauschgift für seinen eigenen Konsum kauft und damit die öffentliche Ordnung stört, und jemandem, der sich – mit allen Gefahren, die dies für die physische Sicherheit der Bevölkerung mit sich bringt – an einem echten Netz des Rauschgifthandels beteiligt.
75. Gleiches gilt für andere Bereiche wie etwa die Kinderpornografie. Betrachtet jemand im Internet Fotografien pädophilen Inhalts, ist dies unbestreitbar ein Angriff auf die öffentliche Ordnung, eine höhere Schwelle wird jedoch überschritten, wenn eine Beteiligung an einem pädophilen Netz vorliegt, das hinter diesen Fotografien steht.
76. Die Tatsache, dass der Gerichtshof anerkannt hat, dass die Bekämpfung der verschiedenen Formen der mit dem Konsum von Alkohol zusammenhängenden Kriminalität der Erhaltung der inneren Sicherheit dient(34), bestärkt mich zudem in meiner Beurteilung. In der Rechtssache Heinonen hatte die finnische Regierung ihre Maßnahme zur Beschränkung der Einfuhr von Alkohol damit begründet, dass der erheblich gestiegene Alkoholkonsum in Finnland u. a. zu immer häufigerer Trunkenheit am Steuer, zur Zunahme und Verschärfung von Gewalt sowie zum Entstehen und zur Verbreitung von Schwarzmärkten geführt habe(35).
77. Die öffentliche Sicherheit muss daher meines Erachtens dahin verstanden werden, dass sie nicht nur die Sicherheit des Mitgliedstaats und seiner Einrichtungen umfasst, sondern auch sämtliche Maßnahmen, mit denen schwerwiegenden Beeinträchtigungen bedeutender Schutzgüter seiner Bürger begegnet werden soll.
78. Somit scheinen mir die Gründe, die der Gerichtshof unter den Begriff „öffentliche Ordnung“ gefasst hat, ebenso gut unter den Begriff „öffentliche Sicherheit“ fallen zu können.
79. Dies führt jedoch nicht zu einer Abschwächung der Garantien, die die Möglichkeiten einschränken, eine Ausweisungsverfügung gegen einen Unionsbürger zu erlassen.
80. Hat sich der Unionsbürger in den letzten zehn Jahren vor der Ausweisungsverfügung im Aufnahmemitgliedstaat aufgehalten, können nämlich nur zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit in dem Sinne, in dem ich diesen Begriff in Nr. 77 der vorliegenden Schlussanträge definiert habe, eine derartige Verfügung begründen.
2. Der Begriff „zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit“ im Sinne des Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38
81. Zwar hat der Gerichtshof zahlreiche Interessen als zwingende Gründe des Allgemeininteresses angesehen(36), der Begriff „zwingende Gründe“ hat jedoch keine selbständige Definition erfahren.
82. Der Gerichtshof hat jedoch bereits entschieden, dass eine Maßnahme zum Schutz der öffentlichen Sicherheit einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses darstellt(37), ebenso wie die öffentliche Ordnung und die Gesundheit der Bevölkerung.
83. Im Übrigen wird der Begriff „zwingende Gründe“ in Art. 4 Nr. 8 der Richtlinie 2006/123/EG(38) definiert als „Gründe, die der Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung als solche anerkannt hat, einschließlich folgender Gründe: öffentliche Ordnung; öffentliche Sicherheit; Sicherheit der Bevölkerung [und] öffentliche Gesundheit“.
84. Wenn ein Grund der öffentlichen Sicherheit seiner Natur nach ein zwingender Grund ist, soll mit der Verwendung dieser Formulierung meines Erachtens im Wesentlichen die Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit der Gründe unterstrichen werden, die der betreffenden nationalen Maßnahme zugrunde liegen.
85. Bei Verstößen von nationalen Maßnahmen gegen die Grundfreiheiten hat sich der Gerichtshof nämlich stets der Frage gewidmet, ob diese Maßnahme gerechtfertigt und zur Erreichung des angestrebten Ziels erforderlich ist und ob nicht andere, weniger belastende Maßnahmen in Betracht kommen, um dieses Ziel zu erreichen(39).
86. Für den besonderen Fall einer Maßnahme, die das Aufenthalts- und Freizügigkeitsrecht einer Person aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit beschränkt, hat der Gerichtshof entschieden, dass die zuständigen nationalen Behörden eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vornehmen müssen, bei der sie im Auge behalten, dass eine solche Maßnahme nur aus diesen Gründen gerechtfertigt sein kann, wenn sie zum Schutz der Belange, die sie gewährleisten soll, erforderlich ist, und auch nur insoweit, als diese Ziele nicht mit weniger einschränkenden Maßnahmen erreicht werden können(40).
87. Die nationalen Behörden haben daher bei der Prüfung, wo der angemessene Ausgleich zwischen den betroffenen berechtigten Interessen liegt, die besondere Rechtsstellung der dem Unionsrecht unterliegenden Personen und die entscheidende Bedeutung des Grundsatzes der Freizügigkeit zu berücksichtigen(41).
88. Auch darf nach Art. 27 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 allein das persönliche Verhalten des Betroffenen für seine Ausweisung ausschlaggebend sein, vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig(42).
89. Ebenfalls nach dieser Vorschrift muss die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch dieses Verhalten schließlich gegenwärtig sein(43). Hierzu hat der Gerichtshof entschieden, dass die Voraussetzung des Vorliegens einer gegenwärtigen Gefährdung grundsätzlich zu dem Zeitpunkt erfüllt sein muss, zu dem die Ausweisung erfolgt(44).
90. Wie in den Nrn. 37 bis 44 der vorliegenden Schlussanträge dargelegt, sieht diese Richtlinie einen Ausweisungsschutz vor, dessen Intensität mit der Dauer des Aufenthalts des Unionsbürgers zunimmt. Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie stellt die letzte und damit höchste Stufe des Schutzes dar.
91. Angesichts der Stellung dieses Absatzes im Aufbau des Art. 28 der Richtlinie 2004/38 und der Dauer des Aufenthalts des betroffenen Unionsbürgers im Aufnahmemitgliedstaat sind daher meines Erachtens im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung hohe Anforderungen an die Rechtfertigung zu stellen.
92. Zudem genießen Minderjährige nach Art. 28 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie 2004/38 den gleichen Grad an Schutz wie Personen, die sich in den letzten zehn Jahren vor der Ausweisungsverfügung im Aufnahmemitgliedstaat aufgehalten haben. Dies zeigt deutlich, dass eine solche Verfügung nur ausnahmsweise, unter Berücksichtigung der besonderen Schwere des zur Last gelegten Verhaltens, erlassen werden kann.
93. Es ist daher zunächst Aufgabe der zuständigen nationalen Behörde und gegebenenfalls des nationalen Richters, sicherzustellen, dass die Ausweisungsverfügung gegen einen Unionsbürger den Umständen jedes Einzelfalls und der Schwere der Gefährdung von Personen entsprechend genau begründet wird.
94. Im vorliegenden Fall, in dem es um eine Ausweisungsverfügung geht, die sich an die Verbüßung einer Strafe anschließt, nimmt die Verhältnismäßigkeitsprüfung meines Erachtens eine besondere Bedeutung ein, die es erfordert, dass die zuständige Behörde Gesichtspunkte berücksichtigt, die belegen, dass die erlassene Verfügung geeignet ist, Wiederholungsgefahren vorzubeugen.
95. Diese Behörde muss meines Erachtens, wenn sie gegen einen Unionsbürger nach Verbüßung seiner Strafe eine Ausweisungsverfügung erlässt, darlegen, inwieweit diese Verfügung der Wiedereingliederung des Straftäters nicht schadet. Einzig eine solche Vorgehensweise, die an die Individualisierung der Strafe anknüpft, an die sie sich anschließt, erscheint mir geeignet, sowohl die Interessen des Betroffenen als auch allgemein das Interesse der Union zu wahren. Selbst nachdem der entlassene Straftäter aus einem Mitgliedstaat mit dem Verbot der Wiedereinreise ausgewiesen wurde, kann er als Unionsbürger in den übrigen Mitgliedstaaten von seiner Freizügigkeit Gebrauch machen. Es entspricht daher dem Allgemeininteresse, dass die Umstände seiner Freilassung geeignet sind, ihn von der Begehung von Straftaten abzuhalten, und jedenfalls nicht drohen, ihn erneut in die Straffälligkeit zu stürzen.
96. Im Ausgangsverfahren sind die Qualifizierung der Straftat und die Höhe der Strafdrohung Anhaltspunkte, die bei der Beurteilung der grundlegenden Bedeutung des geschützten Interesses für die Gesellschaft zu berücksichtigen sind. Die an der maximalen Strafdrohung gemessene Höhe der verhängten Strafe und das Maß der Beteiligung von Herrn Tsakouridis an dem Betäubungsmittelhandel, der dieser Strafe zugrunde lag, sind ebenfalls objektive Anhaltspunkte, die dem nationalen Richter helfen, die Schwere des Verhaltens von Herrn Tsakouridis zu bestimmen. Umgekehrt müssen, damit ein ausgewogenes Verhältnis erreicht wird, auch seine persönliche Situation, etwa dass seine Familie im Aufnahmemitgliedstaat lebt, dass er eine wirtschaftliche Tätigkeit in diesem Staat ausübt und dass er Bindungen zu seinem Herkunftsmitgliedstaat hat, sowie die Auswirkungen, die die Maßnahmen der Hilfe, Betreuung und Kontrolle, mit denen seine bedingte Entlassung begleitet wird, auf den Grad der Wiedereingliederung oder das Rückfallrisiko haben, oder die Informationen, die diesen Maßnahmen hierüber zu entnehmen sind, in die Abwägung eingehen. Das Scheitern derartiger Maßnahmen könnte die beabsichtigte Ausweisung in der Tat rechtfertigen.
97. Nach alledem meine ich, dass Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38 dahin auszulegen ist, dass der Begriff „öffentliche Sicherheit“ nicht nur im engen Sinne auf die Gefährdung der inneren oder äußeren Sicherheit des Aufnahmemitgliedstaats oder des Bestands seiner Einrichtungen zu beziehen ist, sondern auch auf schwerwiegende Beeinträchtigungen von Grundinteressen der Gesellschaft wie der grundlegenden Schutzgüter seiner Bürger, die dieser Mitgliedstaat durch Strafvorschriften, die er zu ihrem Schutz aufgestellt hat, näher bestimmt hat.
98. Die zuständige nationale Behörde, die die Ausweisungsverfügung erlässt, hat diese Verfügung entsprechend den tatsächlichen und rechtlichen Umständen, aus denen sich ergibt, dass diese Kriterien erfüllt sind, genau zu begründen.
99. Darüber hinaus muss die zuständige nationale Behörde, wenn die Ausweisungsverfügung wie im vorliegenden Fall nach Verbüßung einer Strafe erlassen wird, darlegen, inwieweit diese Verfügung nicht der Wiedereingliederungsfunktion der Strafe zuwiderläuft.
C – Zur Voraussetzung der Dauer des Aufenthalts
100. Mit der zweiten, der dritten und der vierten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Herr Tsakouridis den erhöhten Schutz in Anspruch nehmen kann, obwohl sein Aufenthalt in Deutschland in den letzten zehn Jahren vor der Ausweisungsverfügung durch Abwesenheiten unterbrochen war und seine Rückkehr nach Deutschland die Folge einer gerichtlichen Entscheidung ist.
101. Nach Art. 28 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2004/38 setzt dieser Schutz nämlich einen Aufenthalt im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats in den letzten zehn Jahren vor der Ausweisungsverfügung voraus. Der Vorschrift lässt sich jedoch nichts über die Auswirkungen entnehmen, die Abwesenheiten von diesem Hoheitsgebiet während des genannten Zeitraums auf den erhöhten Schutz haben könnten.
102. Daher fragt sich das vorlegende Gericht, ob die in Art. 16 dieser Richtlinie vorgesehenen Voraussetzungen für den Erwerb und den Verlust des Daueraufenthaltsrechts entsprechend anzuwenden sind.
103. Danach stünden vorübergehende Abwesenheiten von bis zu insgesamt sechs Monaten im Jahr der Erlangung des erhöhten Schutzes nicht entgegen(45), und sein Verlust könnte nur aufgrund einer Abwesenheit vom Aufnahmemitgliedstaat, die zwei aufeinanderfolgende Jahre überschreitet, festgestellt werden(46).
104. Die Ansichten der Regierungen der Mitgliedstaaten, die im vorliegenden Fall schriftliche Erklärungen eingereicht haben, gehen in diesem Punkt auseinander.
105. Nach Ansicht der dänischen und der ungarischen Regierung wirken sich vorübergehende Abwesenheiten vom Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats nicht aus, solange die Bindungen zu diesem Staat nicht aufgegeben werden. Nach Auffassung der dänischen Regierung kann Art. 16 Abs. 4 der Richtlinie 2004/38 entsprechend angewandt werden, während die ungarische Regierung der Ansicht ist, dass diese Bestimmung ein Anhaltspunkt für die Beurteilung des Verlusts der Bindung zum Aufnahmemitgliedstaat sein könne.
106. Die Regierung des Vereinigten Königreichs ist der Auffassung, dass der Unionsbürger den erhöhten Schutz genieße, wenn er nach einem Aufenthalt von fünf Jahren ein Daueraufenthaltsrecht im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats erworben und sich anschließend weitere fünf Jahre lang rechtmäßig dort aufgehalten habe.
107. Nach Ansicht der belgischen Regierung ist keine Analogie möglich. Sie meint, dass der Unionsbürger seinen Anspruch auf erhöhten Schutz verliere, wenn er das Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats verlassen habe, und dass hiervon keine Ausnahme zugelassen werden könne.
108. Die polnische Regierung und die Europäische Kommission halten ebenfalls eine analoge Anwendung des Art. 16 Abs. 4 der Richtlinie 2004/38 nicht für möglich. Nach Ansicht der polnischen Regierung kann der einzige Grund für den Verlust des erhöhten Schutzes das Abreißen sämtlicher Verbindungen zum Aufnahmemitgliedstaat sein. Nach Auffassung der Kommission ist zu prüfen, ob sich der Lebensmittelpunkt des Unionsbürgers weiterhin im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats befindet. Kurzfristige Abwesenheiten dürften sich daher nicht auf die Berechnung der Dauer auswirken.
109. Meines Erachtens ist es angesichts des Aufbaus des Art. 28 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2004/38 nicht möglich, Art. 16 Abs. 4 der Richtlinie entsprechend auf ihn anzuwenden. Entscheidend ist die Aufrechterhaltung einer starken Bindung zum Aufnahmemitgliedstaat.
110. Wie bereits festgestellt, ergibt sich aus dem Wortlaut des Art. 28 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2004/38 nicht, welche Folge eine Abwesenheit vom Aufnahmemitgliedstaat für den erhöhten Schutz oder dessen Verlust hat.
111. Nach ständiger Rechtsprechung sind, wenn eine unionsrechtliche Bestimmung es nach ihrem Wortlaut nicht ermöglicht, genau festzustellen, wie sie zu verstehen ist, die Systematik und die Ziele der Regelung, zu der sie gehört, zu berücksichtigen(47).
112. Folglich sind die Fragen des vorlegenden Gerichts unter Berücksichtigung des Zusammenhangs, in den sich die in Rede stehende Bestimmung einfügt, sowie der Systematik und der Ziele der Richtlinie 2004/38 zu beantworten.
113. Die Unionsbürgerschaft verleiht jedem Bürger der Union das elementare Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten(48). Mit der genannten Richtlinie soll dieses Recht vereinfacht und verstärkt werden(49), damit die Freizügigkeit der Unionsbürger zwischen den Mitgliedstaaten unter ähnlichen Bedingungen stattfindet wie denjenigen, die für die Bürger eines Mitgliedstaats gelten, die sich innerhalb ihres eigenen Landes bewegen und ihren Wohnort wechseln(50).
114. Nach dem Willen des Unionsgesetzgebers sollen sich Unionsbürger nach einem mehrjährigen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat als ihrem Herkunftsmitgliedstaat in diesem anderen Mitgliedstaat wirklich integriert fühlen können.
115. Da die Ausweisung aus dem Aufnahmemitgliedstaat diesen Unionsbürgern sehr schaden kann, hat der Unionsgesetzgeber wie gesehen einen auf dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beruhenden Mechanismus zum Schutz vor Ausweisung eingerichtet(51).
116. Da die Dauer des Aufenthalts ein Integrationsfaktor ist, hat der Unionsgesetzgeber Art. 28 der Richtlinie 2004/38 so gestaltet, dass die Gründe, aus denen der Aufnahmemitgliedstaat eine Ausweisungsverfügung erlassen kann, umso strenger sind, je länger der Aufenthalt im Hoheitsgebiet dieses Staates ist.
117. Denn nach Art. 28 Abs. 1 dieser Richtlinie darf der Aufnahmemitgliedstaat gegen einen Unionsbürger, der über kein Daueraufenthaltsrecht(52) verfügt, eine Ausweisungsverfügung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erlassen. Nach Art. 28 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 darf gegen einen Unionsbürger, der das Recht auf Daueraufenthalt genießt, eine solche Verfügung nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erlassen werden. Hat sich der Unionsbürger in den letzten zehn Jahren vor der Ausweisungsverfügung im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats aufgehalten, darf diese nach Art. 28 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie nur auf zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit gestützt werden.
118. Der Schutz vor Ausweisung sollte also in dem Maße zunehmen, wie die Unionsbürger angesichts der Dauer ihres Aufenthalts im Aufnahmemitgliedstaat dort stärker integriert sind(53).
119. Mir scheint daher, dass eine Kohärenz zwischen dem Grad der Integration in den Aufnahmemitgliedstaat und dem Grad des gewährten Schutzes gegeben sein muss.
120. Der Unionsgesetzgeber ist von der Prämisse ausgegangen, dass eine lange Dauer des Aufenthalts im Aufnahmemitgliedstaat ein hohes Maß an Integration verrät. Daher meine ich, dass nach einem Aufenthalt von mindestens zehn Jahren im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats eine Vermutung der vollständigen Integration gegeben ist.
121. Mit einem solchen Maß an Integration, das auf der letzten Stufe des Ausweisungsschutzes verlangt wird, sind Abwesenheiten vom Aufnahmemitgliedstaat, die geeignet sind, die starke Bindung zwischen dem Unionsbürger und diesem Staat abbrechen zu lassen, nicht zu vereinbaren.
122. Dem Unionsbürger können Abwesenheiten jedoch nicht völlig verboten werden. Denn es liefe dem mit der Richtlinie 2004/38 angestrebten Ziel der Freizügigkeit(54) zuwider, die Unionsbürger mit der Begründung davon abzuhalten, von ihrer Freizügigkeit Gebrauch zu machen, dass eine schlichte Abwesenheit vom Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats Auswirkungen auf ihren Anspruch auf erhöhten Schutz vor Ausweisung haben könnte.
123. Folglich dürfen sich vorübergehende berufs- oder urlaubsbedingte Abwesenheiten nicht auf den für die letzte Stufe des Ausweisungsschutzes vorgeschriebenen Zeitraum auswirken. Denn derartige Abwesenheiten vermögen die starke Bindung zwischen dem Unionsbürger und dem Aufnahmemitgliedstaat nicht in Frage zu stellen.
124. Dagegen meine ich, dass eine Abwesenheit von über 16 Monaten wie diejenige im vorliegenden Fall zum Verlust des erhöhten Schutzes nach Art. 28 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2004/38 führen kann und dass es daher nicht möglich ist, Art. 16 Abs. 4 dieser Richtlinie entsprechend anzuwenden.
125. Im vorliegenden Fall gibt das vorlegende Gericht an, dass Herr Tsakouridis zum ersten Mal von März 2004 bis Mitte Oktober 2004, d. h. etwa sechseinhalb Monate, und ein zweites Mal von Mitte Oktober 2005 bis März 2007, d. h. etwas über 16 Monate, vom deutschen Hoheitsgebiet abwesend war.
126. Was seine erste Abwesenheit betrifft, geht aus den Akten hervor, dass er Deutschland verließ, um in Griechenland eine einer saisonalen Beschäftigung gleichkommende Tätigkeit auszuüben.
127. Eine Abwesenheit aus derartigen Gründen hat sich auf den für die Erlangung des erhöhten Schutzes nach Art. 28 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2004/38 verlangten Zeitraum möglicherweise nicht ausgewirkt. Daher ist zu überprüfen, ob die Bindung zwischen dem Unionsbürger und dem Aufnahmemitgliedstaat immer noch genauso stark ist, etwa indem bei seiner Rückkehr in diesen Staat überprüft wird, ob er die Verbindung zu Familienangehörigen, die ebenfalls im Aufnahmemitgliedstaat leben, aufrechterhalten hat, ob er dort eine Wohnung beibehalten hat, oder auch, ob er innerhalb einer angemessenen Frist eine dauerhafte berufliche Tätigkeit wiederaufgenommen hat.
128. Dagegen hat die zweite Abwesenheit von Herrn Tsakouridis von Mitte Oktober 2005 bis März 2007, die nicht nach seinem eigenen Willen, sondern weil er aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung zwangsweise wieder in das Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats zurückgebracht wurde, beendet wurde, zur Unterbrechung des Zeitraums von zehn Jahren geführt. Eine derartige Abwesenheit zeigt nämlich, dass sich der Unionsbürger in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen hat und die Bindung zwischen ihm und dem Aufnahmemitgliedstaat daher nicht mehr so stark oder gar vollständig abgebrochen ist.
129. Nach den vorstehenden Ausführungen kommt es meines Erachtens kaum in Betracht, dass sich Herr Tsakouridis auf den erhöhten Schutz des Art. 28 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2004/38 berufen kann.
130. Im Übrigen genießen Unionsbürger unabhängig von der Dauer ihres Aufenthalts im Aufnahmemitgliedstaat Schutz gegen Ausweisung(55). Darüber hinaus sieht Art. 32 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 vor, dass Personen, gegen die ein Aufenthaltsverbot verhängt worden ist, nach einem angemessenen Zeitraum, in jedem Fall aber drei Jahre nach Vollstreckung des endgültigen Aufenthaltsverbots einen Antrag auf Aufhebung dieses Verbots stellen können, wobei ein Aufenthaltsverbot jedenfalls nicht auf Lebenszeit verhängt werden darf(56).
131. Nach den vorstehenden Ausführungen meine ich, dass Art. 28 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2004/38 dahin auszulegen ist, dass vorübergehende Abwesenheiten, die die starke Bindung zwischen dem Unionsbürger und dem Aufnahmemitgliedstaat nicht in Frage stellen – was zu prüfen Sache des nationalen Richters ist – in der Regel keine Auswirkungen auf die Berechnung der nach Art. 28 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2004/38 vorgesehenen Frist von zehn Jahren haben.
132. Dagegen kann eine Abwesenheit vom Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats von über 16 Monaten, die wie im vorliegenden Fall nur durch die zwangsweise Rückkehr des Unionsbürgers infolge einer gerichtlichen Entscheidung der zuständigen Stellen dieses Mitgliedstaats beendet wurde, dazu führen, dass der Unionsbürger den in Art. 28 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2004/38 vorgesehenen erhöhten Schutz verliert, soweit in dieser Abwesenheit der Bruch der starken Bindung zwischen dem Unionsbürger und dem Aufnahmemitgliedstaat zum Ausdruck kommt, was festzustellen Sache des nationalen Richters ist.
V – Ergebnis
133. Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die Frage des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg wie folgt zu beantworten:
Art. 28 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, ist dahin auszulegen, dass
– der Begriff „öffentliche Sicherheit“ nicht nur im engen Sinne auf die Gefährdung der inneren oder äußeren Sicherheit des Aufnahmemitgliedstaats oder des Bestands seiner Einrichtungen zu beziehen ist, sondern auch auf schwerwiegende Beeinträchtigungen von Grundinteressen der Gesellschaft wie der grundlegenden Schutzgüter seiner Bürger, die dieser Mitgliedstaat durch Strafvorschriften, die er zu ihrem Schutz aufgestellt hat, näher bestimmt hat;
– die zuständige nationale Behörde, die die Ausweisungsverfügung erlässt, diese Verfügung entsprechend den tatsächlichen und rechtlichen Umständen, aus denen sich ergibt, dass diese Kriterien erfüllt sind, genau zu begründen hat;
– die zuständige nationale Behörde, wenn die Ausweisungsverfügung wie im vorliegenden Fall nach Verbüßung einer Strafe erlassen wird, darlegen muss, inwieweit diese Verfügung nicht der Wiedereingliederungsfunktion der Strafe zuwiderläuft;
– vorübergehende Abwesenheiten, die die starke Bindung zwischen dem Unionsbürger und dem Aufnahmemitgliedstaat nicht in Frage stellen – was vom nationalen Richter zu prüfen ist – in der Regel keine Auswirkungen auf die Berechnung der nach Art. 28 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2004/38 vorgesehenen Frist von zehn Jahren haben;
– eine Abwesenheit vom Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats von über 16 Monaten, die wie im vorliegenden Fall nur durch die zwangsweise Rückkehr des Unionsbürgers infolge einer gerichtlichen Entscheidung der zuständigen Stellen dieses Mitgliedstaats beendet wurde, dazu führen kann, dass der Unionsbürger den in dieser Vorschrift vorgesehenen erhöhten Schutz verliert, soweit in dieser Abwesenheit der Bruch der starken Bindung zwischen dem Unionsbürger und dem Aufnahmemitgliedstaat zum Ausdruck kommt, was festzustellen Sache des nationalen Richters ist.
1 – Originalsprache: Französisch.
2 – Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG (ABl. L 158, S. 77, und Berichtigung ABl. 2005, L 197, S. 34).
3 – Vgl. Urteil vom 18. Mai 1982, Adoui und Cornuaille (115/81 und 116/81, Slg. 1982, 1665).
4 – Vgl. Urteil vom 26. Februar 1975, Bonsignore (67/74, Slg. 1975, 297).
5 – Vgl. Urteil vom 27. Oktober 1977, Bouchereau (30/77, Slg. 1977, 1999).
6 – BGBl. 2004 I S. 1950, zuletzt geändert durch das Gesetz vom 26. Februar 2008 (BGBl. 2008 I S. 215) (im Folgenden: FreizügG/EU).
7 – Vgl. insbesondere Urteile vom 4. Dezember 1974, Van Duyn (41/74, Slg. 1974, 1337, Randnr. 18), und vom 27. April 2006, Kommission/Deutschland (C‑441/02, Slg. 2006, I‑3449, Randnr. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).
8 – Vgl. Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (KOM[2001] 257 endg.).
9 – Vgl. 23. Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/38.
10 – Vgl. 24. Erwägungsgrund dieser Richtlinie.
11 – Beispielsweise in Deutschland wird der Wiedereingliederungszweck der Strafe in § 2 Strafvollzugsgesetz hervorgehoben. In Spanien sieht Art. 25 Abs. 2 der Verfassung von 1978 vor, dass Freiheitsstrafen und Sicherungsmaßnahmen auf Besserung und soziale Wiedereingliederung gerichtet sind. In Italien bestimmt Art. 27 Abs. 3 der Verfassung von 1948, dass Strafen nicht aus einer menschenunwürdigen Behandlung bestehen dürfen und die Erziehung und Besserung des Verurteilten zum Ziel haben müssen.
12 – Vom Ministerkomitee am 11. Januar 2006 verabschiedete Empfehlung Rec(2006)2 an die Mitgliedstaaten über die Europäischen Strafvollzugsgrundsätze.
13 – Vgl. Teil I Nr. 6 des Anhangs dieser Empfehlung.
14 – Vgl. EGMR, Urteil vom 24. Oktober 2002, Mastromatteo/Italien, Recueil des arrêts et décisions 2002-VIII, Nr. 72.
15 – Vgl. Urteile vom 10. Juli 1984, Campus Oil u. a. (72/83, Slg. 1984, 2727), vom 4. Oktober 1991, Richardt und „Les Accessoires Scientifiques“ (C‑367/89, Slg. 1991, I‑4621), und vom 17. Oktober 1995, Leifer u. a. (C‑83/94, Slg. 1995, I‑3231).
16 – Vgl. Urteile vom 15. Mai 1986, Johnston (222/84, Slg. 1986, 1651), und vom 26. Oktober 1999, Sirdar (C‑273/97, Slg. 1999, I‑7403).
17 – Vgl. Urteile Richardt und „Les Accessoires Scientifiques“ (Randnr. 22), Leifer u. a. (Randnr. 26) und vom 11. Januar 2000, Kreil (C‑285/98, Slg. 2000, I‑69, Randnr. 17).
18 – Vgl. Randnrn. 28 und 29 des Urteils.
19 – Urteile van Duyn (Randnr. 18) und vom 28. Oktober 1975, Rutili (36/75, Slg. 1975, 1219, Randnr. 28).
20 – Vgl. Urteil Adoui und Cornuaille (Randnr. 8).
21 – Vgl. Urteile Rutili (Randnr. 26) und vom 14. März 2000, Église de scientologie (C‑54/99, Slg. 2000, I‑1335, Randnr. 179).
22 – Vgl. Urteil Bonsignore.
23 – Vgl. Urteil vom 30. April 1991, Boscher (C‑239/90, Slg. 1991, I‑2023).
24 – Vgl. Urteil vom 23. November 1978, Thompson u. a. (7/78, Slg. 1978, 2247).
25 – Vgl. Urteil vom 14. Oktober 2004, Omega (C‑36/02, Slg. 2004, I‑9609).
26 – Vgl. Randnrn. 35 und 36 des Urteils. Vgl. auch Urteil Sirdar (Randnr. 17).
27 – Vgl. insbesondere Urteile Bonsignore sowie vom 8. April 1976, Royer (48/75, Slg. 1976, 497), und vom 17. Juni 1997, Shingara und Radiom (C‑65/95 und C‑111/95, Slg. 1997, I‑3343).
28 – Urteil vom 26. November 2002 (C‑100/01, Slg. 2002, I‑10981).
29 – Vgl. Randnr. 35 des Urteils.
30 – Vgl. Urteil Rutili (Randnr. 28).
31 – Vgl. Urteile vom 9. Dezember 1997, Kommission/Frankreich (C‑265/95, Slg. 1997, I‑6959, Randnr. 33), und vom 15. Juni 1999, Heinonen (C‑394/97, Slg. 1999, I‑3599, Randnr. 43).
32 – Vgl. in diesem Sinne Urteil van Duyn (Randnr. 18).
33 – Vgl. Urteile vom 19. Januar 1999, Calfa (C‑348/96, Slg. 1999, I‑11), und vom 29. April 2004, Orfanopoulos und Oliveri (C‑482/01 und C‑493/01, Slg. 2004, I‑5257).
34 – Vgl. Urteil Heinonen (Randnr. 43).
35 – Ebd. (Randnr. 18).
36 – Als nicht abschließende Aufzählung vgl. u. a. zur Lauterkeit des Handelsverkehrs und zum Verbraucherschutz Urteil vom 18. Mai 1993, Yves Rocher (C‑126/91, Slg. 1993, I‑2361), zur Kohärenz des Steuersystems Urteil vom 13. März 2007, Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation (C‑524/04, Slg. 2007, I‑2107), zum Schutz der Verbraucher und der sozialen Ordnung im Bereich der Glücksspiele Urteil vom 6. März 2007, Placanica u. a. (C‑338/04, C‑359/04 und C‑360/04, Slg. 2007, I‑1891), und zur Sicherheit des Straßenverkehrs Urteil vom 15. März 2007, Kommission/Finnland (C‑54/05, Slg. 2007, I‑2473).
37 – Vgl. insbesondere Urteil vom 13. Juni 2002, Sea-Land Service und Nedlloyd Lijnen (C‑430/99 und C‑431/99, Slg. 2002, I‑5235, Randnrn. 39 und 41).
38 – Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt (ABl. L 376, S. 36).
39 – Vgl. insbesondere zum freien Warenverkehr Urteil Boscher (Randnrn. 22 und 23), zum freien Dienstleistungsverkehr Urteil Omega (Randnr. 36) und zur Freizügigkeit Urteil Oteiza Olazabal (Randnr. 43).
40 – Vgl. Urteil Oteiza Olazabal (Randnr. 43). Vgl. zum freien Kapitalverkehr Urteil Église de scientologie (Randnr. 18) und zum freien Warenverkehr Urteil Omega (Randnr. 36).
41 – Vgl. Urteil Orfanopoulos und Oliveri (Randnr. 96). Vgl. auch Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament vom 19. Juli 1999 zu den Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt von Unionsbürgern, soweit sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind (KOM[1999] 372 endg.).
42 – Vgl. insbesondere Urteil Bonsignore (Randnrn. 5 und 6).
43 – Vgl. Urteile Bouchereau (Randnr. 28) und vom 31. Januar 2006, Kommission/Spanien (C‑503/03, Slg. 2006, I‑1097, Randnr. 44).
44 – Vgl. Urteil Orfanopoulos und Oliveri (Randnrn. 78 und 79).
45 – Vgl. Art. 16 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38.
46 – Vgl. Art. 16 Abs. 4 dieser Richtlinie.
47 – Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. April 2009, Falco Privatstiftung Rabitsch (C‑533/07, Slg. 2009, I‑3327, Randnrn. 19 und 20). Vgl. auch Urteile vom 17. November 1983, Merck (292/82, Slg. 1983, 3781, Randnr. 12), vom 14. Juni 2001, Kvaerner (C‑191/99, Slg. 2001, I‑4447, Randnr. 30), und vom 14. Dezember 2006, ASML (C‑283/05, Slg. 2006, I‑12041, Randnrn. 16 und 22).
48 – Vgl. den ersten Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/38.
49 – Vgl. den dritten Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/38.
50 – Vgl. den in Fn. 8 genannten Richtlinienvorschlag.
51 – Vgl. den 23. Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/38.
52 – Es sei daran erinnert, dass das Daueraufenthaltsrecht gemäß Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie nach einem ununterbrochenen Aufenthalt von fünf Jahren im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats erworben wird.
53 – Vgl. den 24. Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/38.
54 – Vgl. den zweiten Erwägungsgrund dieser Richtlinie.
55 – Vgl. Art. 28 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2004/38.
56 – Vgl. den 27. Erwägungsgrund der Richtlinie. Vgl. auch Urteil Calfa (Randnrn. 18 und 29).