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Document 62008TJ0541

    Urteil des Gerichts (Dritte Kammer) vom 11. Juli 2014.
    Sasol u. a. gegen Europäische Kommission.
    Wettbewerb – Kartelle – Markt für Paraffinwachse – Markt für Paraffingatsch – Entscheidung, mit der eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG festgestellt wird – Abstimmung der Preise und Aufteilung der Märkte – Haftung einer Muttergesellschaft für die von ihren Tochtergesellschaften und von einem Gemeinschaftsunternehmen, an dem sie beteiligt ist, begangenen Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln – Bestimmender Einfluss der Muttergesellschaft – Vermutung im Fall einer 100%igen Beteiligung – Unternehmensnachfolge – Verhältnismäßigkeit – Gleichbehandlung – Leitlinien von 2006 für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen – Erschwerende Umstände – Rolle als Anführer – Obergrenze der Geldbuße – Unbeschränkte Nachprüfung.
    Rechtssache T‑541/08.

    Court reports – general

    ECLI identifier: ECLI:EU:T:2014:628

    Parteien
    Entscheidungsgründe
    Tenor

    Parteien

    In der Rechtssache T‑541/08

    Sasol mit Sitz in Rosebank (Südafrika),

    Sasol Holding in Germany GmbH mit Sitz in Hamburg (Deutschland),

    Sasol Wax International AG mit Sitz in Hamburg,

    Sasol Wax GmbH mit Sitz in Hamburg,

    Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte W. Bosch, U. Denzel und C. von Köckritz,

    Klägerinnen,

    gegen

    Europäische Kommission, vertreten durch F. Castillo de la Torre und R. Sauer als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt M. Gray,

    Beklagte,

    wegen teilweiser Nichtigerklärung der Entscheidung K(2008) 5476 endg. der Kommission vom 1. Oktober 2008 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 des EWR-Abkommens (Sache COMP/39.181 – Kerzenwachse) sowie, hilfsweise, Nichtigerklärung der gegen die Klägerinnen verhängten Geldbuße oder deren Herabsetzung

    erlässt

    DAS GERICHT (Dritte Kammer)

    unter Mitwirkung des Präsidenten O. Czúcz (Berichterstatter) sowie der Richterin I. Labucka und des Richters D. Gratsias,

    Kanzler: N. Rosner, Verwaltungsrat,

    aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 3. Juli 2013

    folgendes

    Urteil

    Entscheidungsgründe

    Sachverhalt

    1. Verwaltungsverfahren und Erlass der angefochtenen Entscheidung

    1. Mit der Entscheidung K(2008) 5476 endg. vom 1. Oktober 2008 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 des EWR-Abkommens (Sache COMP/39.181 – Kerzenwachse) (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) stellte die Kommission der Europäischen Gemeinschaften fest, dass die Klägerinnen, Sasol Wax GmbH, Sasol Wax International AG, Sasol Holding in Germany GmbH und Sasol (im Folgenden: Sasol Ltd) (im Folgenden die Klägerinnen zusammen: Sasol), mit anderen Unternehmen gegen Art. 81 Abs. 1 EG und Art. 53 Abs. 1 des EWR-Abkommens verstoßen hätten, indem sie sich an einem Kartell auf dem Markt für Paraffinwachse im EWR und auf dem deutschen Markt für Paraffingatsch beteiligt hätten.

    2. Außer an Sasol war die angefochtene Entscheidung an folgende Unternehmen gerichtet: die ENI SpA, die Esso Deutschland GmbH, die Esso Société anonyme française, die ExxonMobil Petroleum and Chemical BVBA und die Exxon Mobil Corp. (die vier Letzteren im Folgenden zusammen: ExxonMobil), die H & R ChemPharm GmbH, die H & R Wax Company Vertrieb GmbH und die Hansen & Rosenthal KG (im Folgenden zusammen: H & R), die Tudapetrol Mineralölerzeugnisse Nils Hansen KG, die MOL Nyrt., die Repsol YPF Lubricantes y Especialidades SA, die Repsol Petróleo SA und die Repsol YPF SA (die drei Letzteren im Folgenden zusammen: Repsol), die Shell Deutschland Oil GmbH, die Shell Deutschland Schmierstoff GmbH, die Deutsche Shell GmbH, die Shell International Petroleum Company Ltd, die Shell Petroleum Company Ltd, die Shell Petroleum NV und die Shell Transport and Trading Company Ltd (im Folgenden zusammen: Shell), die RWE Dea AG und die RWE AG (im Folgenden zusammen: RWE) sowie die Total SA und die Total France SA (im Folgenden zusammen: Total) (erster Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

    3. Paraffinwachse werden in Raffinerien aus Rohöl hergestellt. Sie werden für die Herstellung von Produkten wie Kerzen, Chemikalien, Reifen und Erzeugnissen der Automobilindustrie sowie in der Kautschuk-, Verpackungs-, Klebstoff- und Kaugummiindustrie eingesetzt (vierter Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

    4. Bei der Herstellung von Paraffinwachsen dient Paraffingatsch als Ausgangsmaterial. Es fällt in Raffinerien als Nebenprodukt bei der Herstellung von Mineralölen aus Rohöl an. Es wird auch an Endabnehmer, z. B. an Hersteller von Spanplatten, verkauft (fünfter Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

    5. Die Kommission begann ihre Untersuchung, nachdem Shell Deutschland Schmierstoff sie mit Schreiben vom 17. März 2005 über das Bestehen eines Kartells informiert hatte und bei ihr einen Antrag auf Geldbußenerlass gemäß der Mitteilung der Kommission von 2002 über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. 2002, C 45, S. 3) (im Folgenden: Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002) gestellt hatte (72. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

    6. Am 28. und 29. April 2005 führte die Kommission in Anwendung von Art. 20 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 [EG] und 82 [EG] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) Nachprüfungen in den Räumlichkeiten von „H & R/Tudapetrol“, ENI, MOL sowie in denjenigen der Gesellschaften der Gruppen Sasol, ExxonMobil, Repsol und Total durch (75. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

    7. Zwischen dem 25. und 29. Mai 2007 teilte die Kommission die Mitteilung der Beschwerdepunkte jeder der oben in Rn. 2 genannten Gesellschaften, und somit auch den Klägerinnen, mit (85. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Mit Schreiben vom 13. August 2007 beantworteten Sasol Wax und Sasol Wax International gemeinsam die Mitteilung der Beschwerdepunkte. Mit Schreiben vom selben Tag beantworteten auch Sasol Holding in Germany und Sasol Ltd gemeinsam die Mitteilung der Beschwerdepunkte.

    8. Am 10. und 11. Dezember 2007 führte die Kommission eine mündliche Anhörung durch, an der die Klägerinnen teilnahmen (91. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

    9. In der angefochtenen Entscheidung vertritt die Kommission aufgrund der ihr vorliegenden Beweise die Ansicht, dass die Adressaten, die die Mehrheit der Paraffinwachs- und Paraffingatschhersteller im EWR ausmachten, an einer einzigen, komplexen und fortdauernden Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG und Art. 53 EWR-Abkommen teilgenommen hätten, die das Gebiet des EWR betreffe. Diese Zuwiderhandlung habe in Vereinbarungen oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen betreffend Preisfestsetzungen sowie den Austausch und die Offenlegung von kommerziell empfindlichen Informationen über Paraffinwachse bestanden (im Folgenden: Hauptteil der Zuwiderhandlung). In Bezug auf RWE (später Shell), ExxonMobil, MOL, Repsol, Sasol und Total habe die Zuwiderhandlung im Hinblick auf Paraffinwachse auch in der Aufteilung der Kunden und/oder der Märkte bestanden (im Folgenden: zweiter Teil der Zuwiderhandlung). Außerdem habe die von RWE, ExxonMobil, Sasol und Total begangene Zuwiderhandlung auch auf dem deutschen Markt an Endabnehmer verkauftes Paraffingatsch betroffen (im Folgenden: Paraffingatsch betreffender Teil der Zuwiderhandlung) (Erwägungsgründe 2, 95, 328 und Art. 1 der angefochtenen Entscheidung).

    10. Die rechtswidrigen Verhaltensweisen seien bei wettbewerbswidrigen Zusammenkünften, die von den Teilnehmern als „technische Treffen“ oder manchmal als „Blauer Salon“ bezeichnet worden seien, und bei „Gatsch-Treffen“ besprochen worden, die speziell Fragen zum Paraffingatsch gewidmet gewesen seien.

    11. Die im vorliegenden Fall verhängten Geldbußen wurden auf der Grundlage der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe a) der Verordnung Nr. 1/2003 (ABl. 2006, C 210, S. 2) (im Folgenden: Leitlinien von 2006) berechnet, die zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der Mitteilung der Beschwerdepunkte an die oben in Rn. 2 genannten Gesellschaften in Kraft waren.

    12. Die angefochtene Entscheidung enthält u. a. folgende Bestimmungen:

    „Artikel 1

    Die folgenden Unternehmen haben eine Zuwiderhandlung gegen Artikel 81 Absatz 1 [EG] und – seit dem 1. Januar 1994 – gegen Artikel 53 EWR-Abkommen begangen, indem sie sich in den jeweils genannten Zeiträumen an einer fortdauernden Vereinbarung und/oder einer fortdauernden abgestimmten Verhaltensweise im Paraffinwachssektor auf dem Gemeinsamen Markt und, seit 1. Januar 1994, im Europäischen Wirtschaftsraum beteiligten:

    Sasol Wax GmbH: vom 3. September 1992 bis zum 28. April 2005;

    Sasol Wax International AG: vom 1. Mai 1995 bis zum 28. April 2005;

    Sasol Holding in Germany GmbH: vom 1. Mai 1995 bis zum 28. April 2005;

    Sasol [Ltd]: vom 1. Mai 1995 bis zum 28. April 2005;

    Bei den folgenden Unternehmen betrifft die Zuwiderhandlung auch an Endkunden auf dem deutschen Markt verkauftes Paraffingatsch im jeweils angegebenen Zeitraum:

    Sasol Wax GmbH: vom 30. Oktober 1997 bis zum 12. Mai 2004;

    Sasol Wax International AG: vom 30. Oktober 1997 bis zum 12. Mai 2004;

    Sasol Holding in Germany GmbH: vom 30. Oktober 1997 bis zum 12. Mai 2004;

    Sasol [Ltd]: vom 30. Oktober 1997 bis zum 12. Mai 2004;

    Artikel 2

    Für die in Artikel 1 genannte Zuwiderhandlung werden folgende Geldbußen festgesetzt:

    ENI S.p.A: 29 120 000 EUR

    Esso Société Anonyme Française: 83 588 400 EUR

    davon gesamtschuldnerisch mit:

    ExxonMobil Petroleum and Chemical BVBA und ExxonMobil Corporation: 34 670 400 EUR, davon gesamtschuldnerisch mit Esso Deutschland GmbH: 27 081 600 EUR;

    Tudapetrol Mineralölerzeugnisse Nils Hansen KG: 12 000 000 EUR

    Hansen & Rosenthal KG gesamtschuldnerisch mit H & R Wax Company Vertrieb GmbH: 24 000 000 EUR

    davon gesamtschuldnerisch mit:

    H & R ChemPharm GmbH: 22 000 000 EUR;

    MOL Nyrt.: 23 700 000 EUR

    Repsol YPF Lubricantes y Especialidades S.A. gesamtschuldnerisch mit Repsol Petróleo S.A. und Repsol YPF S.A.: 19 800 000 EUR;

    Sasol Wax GmbH: 318 200 000 EUR

    davon gesamtschuldnerisch mit:

    Sasol Wax International AG, Sasol Holding in Germany GmbH und Sasol [Ltd]: 250 700 000 EUR;

    Shell Deutschland Oil GmbH, Shell Deutschland Schmierstoff GmbH, Deutsche Shell GmbH, Shell International Petroleum Company Limited, the Shell Petroleum Company Limited, Shell Petroleum N.V. und the Shell Transport and Trading Company Limited: 0 EUR;

    RWE-Dea AG gesamtschuldnerisch mit RWE AG: 37 440 000 EUR;

    Total France SA gesamtschuldnerisch mit Total SA: 128 163 000 EUR.“

    2. Zu den Strukturen der Sasol-Gruppe und von Vara sowie zur Zurechnung der Verantwortung an die Muttergesellschaften in der angefochtenen Entscheidung

    13. Im 449. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung stellt die Kommission zunächst die unmittelbar für die Zuwiderhandlung verantwortliche Gesellschaft der Sasol-Gruppe fest. Sie gelangt zu dem Schluss, dass zu den Personen, die an den technischen Treffen teilgenommen hätten, vom Beginn der Zuwiderhandlung am 3. September 1992 bis zum 30. April 1995 Beschäftigte der Hans-Otto Schümann GmbH & Co. KG (im Folgenden: HOS) gehört hätten. Vom 1. Mai 1995 bis zum 31. Dezember 2002 habe es sich sodann um die Schümann Sasol GmbH & Co. KG gehandelt, die im Jahr 2000 zur Schümann Sasol GmbH (im Folgenden zusammen: Schümann Sasol) geworden sei. Ab dem 1. Januar 2003 sei Sasol Wax der Arbeitgeber der in Rede stehenden Mitarbeiter gewesen.

    14. Daher wurde im 452. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung Sasol Wax, die Nachfolgerin von HOS und Schümann Sasol, als an der Zuwiderhandlung unmittelbar Beteiligte für den Zeitraum vom 3. September 1992 bis zum 28. April 2005 für die Zuwiderhandlung zur Verantwortung gezogen.

    15. Die Kommission prüft auch die zeitliche Entwicklung der Kapitalbeteiligung an HOS, Schümann Sasol und Sasol Wax. Sie unterscheidet insoweit drei Phasen (454. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

    16. Zur ersten Phase vom 3. September 1992 bis zum 30. April 1995 (im Folgenden: Schümann-Phase) stellt die Kommission fest, dass HOS letztlich, über die Vara Holding GmbH & Co. KG (im Folgenden: Vara), dem einzigen Kommanditisten von HOS, unter der Kontrolle von Herrn Schümann persönlich gestanden sei (Erwägungsgründe 450 und 457 der angefochtenen Entscheidung). Das Kapital von Vara sei mehrheitlich von Herrn Schümann gehalten worden, die anderen Anteilseigner seien die Mitglieder seiner Familie gewesen. In der angefochtenen Entscheidung werden weder Vara noch Herr Schümann für die von HOS begangene Zuwiderhandlung zur Verantwortung gezogen.

    17. Die zweite Phase habe vom 1. Mai 1995 bis zum 30. Juni 2002 gedauert (im Folgenden: Phase des Gemeinschaftsunternehmens). Am 1. Mai 1995 habe Sasol Ltd zwei Drittel von HOS erworben. In Folge einer Umstrukturierung sei HOS zu Schümann Sasol geworden und weiterhin die unmittelbar für die Zuwiderhandlung verantwortliche Gesellschaft gewesen. Schümann Sasol sei eine 99,9%ige Tochtergesellschaft der Schümann Sasol International AG gewesen, an der weiterhin ein Drittel des Kapitals von Vara und letztlich von der Familie Schümann gehalten worden sei. Zwei Drittel des Kapitals von Schümann Sasol International seien von Sasol Holding in Germany, selbst eine 100%ige Tochtergesellschaft von Sasol Ltd, gehalten worden. Für diese Phase stellte die Kommission die gesamtschuldnerische Haftung von Sasol Wax (als Rechtsnachfolgerin von Schümann Sasol), Sasol Wax International (als Rechtsnachfolgerin von Schümann Sasol International, Muttergesellschaft von Schümann Sasol), Sasol Holding in Germany (als zu zwei Dritteln des Kapitals von Schümann Sasol International beteiligter Muttergesellschaft) und Sasol Ltd (als Muttergesellschaft von Sasol Holding in Germany) fest (Erwägungsgründe 451 und 478 der angefochtenen Entscheidung). Die drei Letzteren hätten nämlich bestimmenden Einfluss auf Schümann Sasol ausgeübt (Erwägungsgrund 453 der angefochtenen Entscheidung). Weder Vara, zu einem Drittel am Kapital von Schümann Sasol International beteiligt, noch der Familie Schümann, Eigentümerin von Vara, wurde die Verantwortung für die von Schümann Sasol begangene Zuwiderhandlung zugewiesen, deren Anteile zu diesem Zeitpunkt im Besitz von Schümann Sasol International (im Folgenden: Schümann Sasol International oder Gemeinschaftsunternehmen), der Gesellschaft, die von Vara und der Sasol-Gruppe gemeinsam gehalten wurde, standen.

    18. Die dritte Phase habe vom 1. Juli 2002 bis zum 28. April 2005, dem Zeitpunkt des Endes der Zuwiderhandlung, gedauert (im Folgenden: Sasol-Phase). Am 30. Juni 2002 habe die Sasol-Gruppe das verbleibende Drittel des Kapitals der Schümann Sasol International erworben, das bis zu diesem Zeitpunkt von Vara gehalten worden sei. Schümann Sasol, in Sasol Wax umbenannt, sei die Tochtergesellschaft von Schümann Sasol International geblieben, die ihrerseits in Sasol Wax International umbenannt worden sei. Das gesamte Kapital von Sasol Wax International sei nunmehr von Sasol Holding in Germany und letztlich von Sasol Ltd gehalten worden. Für diese Phase macht die Kommission die vier Klägerinnen gesamtschuldnerisch für die von Sasol Wax begangene Zuwiderhandlung haftbar, da sie davon ausgeht, dass die ersten drei Klägerinnen bestimmenden Einfluss auf Sasol Wax ausgeübt hätten (Erwägungsgründe 451 und 453 der angefochtenen Entscheidung).

    Verfahren und Anträge der Parteien

    19. Die Klägerinnen haben mit Klageschrift, die am 15. Dezember 2008 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.

    20. Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Dritte Kammer) beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen. Im Rahmen prozessleitender Maßnahmen gemäß Art. 64 seiner Verfahrensordnung hat es die Parteien aufgefordert, bestimmte Fragen zu beantworten und bestimmte Schriftstücke vorzulegen. Die Parteien sind dieser Aufforderung fristgerecht nachgekommen.

    21. In der Sitzung vom 3. Juli 2013 haben die Parteien mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

    22. In Anbetracht des tatsächlichen Zusammenhangs mit den Rechtssachen T‑540/08, Esso u. a./Kommission, T‑543/08, RWE und RWE Dea/Kommission, T‑544/08, Hansen & Rosenthal und H & R Wax Company Vertrieb/Kommission, T‑548/08, Total/Kommission, T‑550/08, Tudapetrol/Kommission, T‑551/08, H & R ChemPharm/Kommission, T‑558/08, ENI/Kommission, T‑562/08, Repsol Lubricantes y Especialidades u. a./Kommission, und T‑566/08, Total Raffinage Marketing/Kommission, der Sachnähe und der Schwierigkeit der aufgeworfenen Rechtsfragen hat das Gericht beschlossen, die Beratungen zu diesen zusammenhängenden Rechtssachen erst nach der letzten mündlichen Verhandlung zu eröffnen, nämlich der am 3. Juli 2013 in der vorliegenden Rechtssache.

    23. Die Klägerinnen beantragen in ihrer Klageschrift,

    – die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit sie von ihr betroffen sind;

    – hilfsweise, die gegen sie in der angefochtenen Entscheidung verhängte Geldbuße für nichtig zu erklären oder deren Betrag angemessen herabzusetzen;

    – der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

    24. Die Kommission beantragt,

    – die Klage insgesamt einschließlich der hilfsweise gestellten Anträge abzuweisen;

    – den Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen.

    Rechtliche Würdigung

    25. Die Klägerinnen machen zur Stützung ihrer Klage sieben Klagegründe geltend. Mit dem ersten Klagegrund wird gerügt, dass die Verantwortlichkeit für die von Schümann Sasol in der Phase des Gemeinschaftsunternehmens begangene Zuwiderhandlung zu Unrecht Sasol Ltd, Sasol Holding in Germany und Sasol Wax International zugerechnet worden sei. Mit dem zweiten Klagegrund wird gerügt, dass die Verantwortlichkeit für die von Sasol Wax in der Sasol-Phase begangene Zuwiderhandlung zu Unrecht Sasol Ltd, Sasol Holding in Germany und Sasol Wax International zugerechnet worden sei. Mit dem dritten Klagegrund rügen die Klägerinnen einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, soweit die Kommission Vara nicht gesamtschuldnerisch für die Schümann-Phase und die Phase des Gemeinschaftsunternehmens haftbar gemacht habe. Der vierte Klagegrund betrifft eine unrichtige Festsetzung des Grundbetrags der Geldbuße. Mit dem fünften Klagegrund rügen die Klägerinnen die fehlerhafte Berücksichtigung der Anführerrolle von Sasol. Der sechste Klagegrund betrifft eine Rechtswidrigkeit der undifferenzierten Begrenzung des Geldbußenbetrags für die verschiedenen Phasen der Zuwiderhandlung. Mit dem siebten Klagegrund wird gerügt, dass Sasol rechtswidrig bestimmte Teile der Geldbuße nicht vollständig erlassen worden seien.

    1. Zum ersten Klagegrund: rechtswidrige Zurechnung der Verantwortlichkeit für die Zuwiderhandlung von Schümann Sasol an Sasol Ltd, Sasol Holding in Germany und Sasol Wax International in der Phase des Gemeinschaftsunternehmens

    26. Die Klägerinnen sind der Auffassung, die Kommission sei zu Unrecht zu dem Schluss gelangt, dass Sasol Ltd über ihre 100%ige Tochtergesellschaft Sasol Holding in Germany allein einen bestimmenden Einfluss auf Schümann Sasol International ausgeübt habe, und habe daher Sasol Ltd, Sasol Holding in Germany und Sasol Wax International zu Unrecht die Verantwortlichkeit für die Phase des Gemeinschaftsunternehmens zugerechnet. Die organisatorischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Verbindungen zwischen Schümann Sasol und diesen Gesellschaften, auf die sich die Kommission in der angefochtenen Entscheidung gestützt habe, ließen einen solchen Schluss nicht zu.

    27. Die Klägerinnen sind der Ansicht, dass Vara, die andere Muttergesellschaft, in der Phase des Gemeinschaftsunternehmens allein einen bestimmenden Einfluss auf Schümann Sasol International ausgeübt habe. Hilfsweise tragen sie vor, dieser bestimmende Einfluss sei von den beiden Muttergesellschaften gemeinsam ausgeübt worden.

    28. Die Kommission erwidert, dass gegen Sasol im Hinblick auf deren eigene Verantwortung und im Einklang mit den Leitlinien von 2006 eine Sanktion verhängt worden sei. Nach ständiger Rechtsprechung sei außerdem die Kommission nicht verpflichtet, zu begründen, warum sie gegen Dritte keine Entscheidung erlassen habe, mit der eine Zuwiderhandlung festgestellt werde, und ein Unternehmen könne eine ihm gegenüber verhängte Sanktion nicht aus dem Grund anfechten, dass gegen ein anderes Unternehmen keine Geldbuße verhängt worden sei.

    Vorbemerkungen

    29. Was die gesamtschuldnerische Haftung einer Muttergesellschaft für das Verhalten ihrer Tochtergesellschaft oder eines Gemeinschaftsunternehmens anbelangt, an dem sie beteiligt ist, so vermag der Umstand, dass eine Tochtergesellschaft oder ein Gemeinschaftsunternehmen eigene Rechtspersönlichkeit besitzt, noch nicht auszuschließen, dass deren Verhalten der Muttergesellschaft zugerechnet werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 14. Juli 1972, Imperial Chemical Industries/Kommission, 48/69, Slg. 1972, 619, Rn. 132).

    30. Das Wettbewerbsrecht der Union betrifft nämlich die Tätigkeit von Unternehmen, und der Begriff des Unternehmens umfasst jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einrichtung unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung (Urteil des Gerichtshofs vom 10. September 2009, Akzo Nobel u. a./Kommission, C‑97/08 P, Slg. 2009, I‑8237, Rn. 54, und Urteil des Gerichts vom 13. Juli 2011, General Technic-Otis u. a./Kommission, T‑141/07, T‑142/07, T‑145/07 und T‑146/07, Slg. 2011, II‑4977, Rn. 53).

    31. Die Unionsgerichte haben ferner klargestellt, dass in diesem Zusammenhang unter dem Begriff des Unternehmens eine wirtschaftliche Einheit zu verstehen ist, selbst wenn diese wirtschaftliche Einheit rechtlich aus mehreren natürlichen oder juristischen Personen gebildet wird (vgl. Urteile des Gerichtshofs vom 12. Juli 1984, Hydrotherm Gerätebau, 170/83, Slg. 1984, 2999, Rn. 11, und Akzo Nobel u. a./Kommission, oben in Rn. 30 angeführt, Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung; Urteil des Gerichts vom 29. Juni 2000, DSG/Kommission, T‑234/95, Slg. 2000, II‑2603, Rn. 124). Sie haben betont, dass es bei der Anwendung der Wettbewerbsregeln nicht auf die sich aus der Verschiedenheit der Rechtspersönlichkeit ergebende formale Trennung zwischen zwei Gesellschaften ankommt, sondern vielmehr darauf, ob sich die beiden Gesellschaften auf dem Markt einheitlich verhalten. Es kann also notwendig sein, zu ermitteln, ob zwei oder mehrere Gesellschaften mit je eigener Rechtspersönlichkeit ein und dasselbe Unternehmen oder ein und dieselbe wirtschaftliche Einheit mit einheitlichem Marktverhalten bilden oder hierzu gehören (Urteil Imperial Chemical Industries/Kommission, oben in Rn. 29 angeführt, Rn. 140; Urteile des Gerichts vom 15. September 2005, DaimlerChrysler/Kommission, T‑325/01, Slg. 2005, II‑3319, Rn. 85, und General Technic-Otis u. a./Kommission, oben in Rn. 30 angeführt, Rn. 54).

    32. Verstößt eine solche wirtschaftliche Einheit gegen die Wettbewerbsregeln, hat sie nach dem Grundsatz der persönlichen Verantwortlichkeit für diese Zuwiderhandlung einzustehen (Urteil Akzo Nobel u. a./Kommission, oben in Rn. 30 angeführt, Rn. 56, und Urteil General Technic-Otis u. a./Kommission, oben in Rn. 30 angeführt, Rn. 55).

    33. Einer Muttergesellschaft kann das Verhalten ihrer Tochtergesellschaft aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu demselben Unternehmen zugerechnet werden, wenn die Tochtergesellschaft ihr Marktverhalten nicht unabhängig bestimmt, weil sie insoweit unter dem bestimmenden Einfluss der Muttergesellschaft steht, und zwar vor allem wegen der wirtschaftlichen, organisatorischen und rechtlichen Bindungen zwischen diesen beiden Rechtssubjekten (vgl. in diesem Sinne Urteil Akzo Nobel u. a./Kommission, oben in Rn. 30 angeführt, Rn. 58, und Urteil des Gerichts vom 20. März 2002, HFB u. a./Kommission, T‑9/99, Slg. 2002, II‑1487, Rn. 527).

    34. Das Marktverhalten der Tochtergesellschaft steht insbesondere dann unter dem bestimmenden Einfluss der Muttergesellschaft, wenn die Tochtergesellschaft im Wesentlichen die Weisungen befolgt, die ihr in dieser Hinsicht von der Muttergesellschaft erteilt werden (Urteil des Gerichtshofs Imperial Chemical Industries/Kommission, oben in Rn. 29 angeführt, Rn. 133, 137 und 138; vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 16. November 2000, Metsä-Serla u. a./Kommission, C‑294/98 P, Slg. 2000, I‑10065, Rn. 27).

    35. Das Marktverhalten der Tochtergesellschaft steht grundsätzlich auch dann unter dem bestimmenden Einfluss der Muttergesellschaft, wenn sich diese nur die Befugnis vorbehält, bestimmte strategische Geschäftsentscheidungen vorzugeben oder zu genehmigen, gegebenenfalls durch ihre Vertreter in den Organen der Tochtergesellschaft, während die Befugnis, die Geschäftspolitik der Tochtergesellschaft im engen Sinne festzulegen, deren sie operativ führenden Geschäftsführern übertragen wird, die von der Muttergesellschaft ausgewählt werden und die geschäftlichen Interessen der Muttergesellschaft vertreten und fördern (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 9. September 2011, Alliance One International/Kommission, T‑25/06, Slg. 2011, II‑5741, Rn. 138 und 139, bestätigt durch Beschluss des Gerichtshofs vom 13. Dezember 2012, Alliance One International/Kommission, C‑593/11 P, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Rn. 30).

    36. Ist die Einheitlichkeit des Marktverhaltens der Tochtergesellschaft und ihrer Muttergesellschaft gewährleistet, etwa in den oben in den Rn. 34 und 35 beschriebenen Fällen oder durch andere wirtschaftliche, organisatorische und rechtliche Bindungen zwischen den in Rede stehenden Gesellschaften, sind diese Teil ein und derselben wirtschaftlichen Einheit und bilden damit ein Unternehmen im Sinne der oben in Rn. 31 angeführten Rechtsprechung. Weil eine Muttergesellschaft und ihre Tochtergesellschaft ein Unternehmen im Sinne von Art. 81 EG bilden, kann die Kommission demnach eine Entscheidung, mit der Geldbußen verhängt werden, an die Muttergesellschaft richten, ohne dass deren persönliche Beteiligung an der Zuwiderhandlung nachzuweisen wäre (vgl. in diesem Sinne Urteil Akzo Nobel u. a./Kommission, oben in Rn. 30 angeführt, Rn. 59).

    37. Die Rechtsprechung, auf die oben in den Rn. 29 bis 36 Bezug genommen worden ist, ist auch auf den Fall anwendbar, dass einer oder mehreren Muttergesellschaften die Verantwortung für eine von ihrem Gemeinschaftsunternehmen begangene Zuwiderhandlung zugerechnet wird (Urteil General Technic-Otis u. a./Kommission, oben in Rn. 30 angeführt, Rn. 52 bis 56).

    38. Anhand dieser Regeln sind die Argumente der Klägerinnen und die Richtigkeit der in der angefochtenen Entscheidung enthaltenen Feststellungen zu der Frage zu prüfen, ob den Klägerinnen die Verantwortung für die in Rede stehende Zuwiderhandlung für das Verhalten von Schümann Sasol und ihrer Muttergesellschaft Schümann Sasol International, die in der Phase des Gemeinschaftsunternehmens zu zwei Drittel von Sasol Holding in Germany und zu einem Drittel von Vara gehalten wurde, zugerechnet werden durfte.

    Angefochtene Entscheidung

    39. Die Kommission weist in der angefochtenen Entscheidung das Vorbringen der Klägerinnen zum Nachweis, dass Schümann Sasol International in der Phase des Gemeinschaftsunternehmens tatsächlich unter der Kontrolle von Vara gestanden sei, zurück. Sie stützt dieses Ergebnis im Wesentlichen auf folgende Erwägungen:

    „…

    (471) Die Kommission ist der Ansicht, dass Sasol über die Sasol Holding in Germany GmbH als ihre 100%ige Tochter einen bestimmenden Einfluss auf die Schümann Sasol International AG ausgeübt hat.

    (472) Wie von Sasol erläutert, bestand der für das Tagesgeschäft zuständige Verwaltungsrat aus je einem Vertreter von Sasol und Vara sowie einem Vorsitzenden. Gemäß der Geschäftsordnung des Verwaltungsrats soll dieser in größtmöglichem Umfang Beschlüsse einmütig oder durch einfache Mehrheit fassen. Bei Stimmengleichheit gibt das Votum des Vorsitzenden des [Verwaltungsrats] den Ausschlag. Sasol zufolge war der Vorsitzende während der Dauer des Gemeinschaftsunternehmens meist ein Vertreter von Vara. Nach weiteren Untersuchungen widerspricht die Kommission der Darstellung von Sasol in diesem Punkt. Die betreffende Person hatte das Amt des Vorsitzenden vermutlich eher wegen ihrer Branchenkenntnisse inne, und außerdem war Sasol daran gelegen, dass diese Person Vorsitzender des Gemeinschaftsunternehmens sein würde. Für Sasol als Mehrheitseigner war es wichtig, jemanden im Verwaltungsrat zu haben, der mit dem früheren Geschäft von HOS vertraut war. Die betreffende Person war für den deutschen Rechtsvorgänger der Schümann Sasol International AG tätig und daher mit dem Tagesgeschäft des Unternehmens vertraut, das von Sasol übernommen werden sollte. Als die betreffende Person ihr Amt als Vorsitzender antrat (am 2. Mai 1995), war sie nicht bei Vara beschäftigt. Diese Person nahm erst 1997 ein Beschäftigungsverhältnis bei Vara auf. Die Person war Vorsitzender des Gemeinschaftsunternehmens vom 2. Mai 1995 bis zum 30. Juni 2001, als sie durch Herrn [D. S. R.] von Sasol ersetzt wurde.

    (473) Der Aufsichtsrat des Gemeinschaftsunternehmens bestand aus sechs Mitgliedern (vier Vertretern von Sasol und [zwei] Vertreter[n] von Vara). Wie von Sasol erläutert, sah die Aktionärs- und Stimmrechtsvereinbarung vor, dass Sasol und Vara Beschlüsse einmütig fassten, wobei beide Unternehmen jeweils eine Stimme hatten; dadurch wurde die Mehrheit von Sasol im Aufsichtsrat aufgehoben. Wenn keine Einmütigkeit erreicht werden konnte, galt der betreffende Antrag als abgelehnt. Die Aktionärs- und Stimmrechtsvereinbarung sah in Abschnitt 3 (über Beschlüsse des Aufsichtsrats) aber auch vor, dass Abschnitt 1 der Vereinbarung entsprechend gelten solle. In Abschnitt 1.5 ist festgelegt, dass bei fehlender Einmütigkeit in den unter den Buchstaben a – d genannten Fällen der Antrag von Sasol – sofern dieser mehr als 50% des Gesellschaftskapitals hinter sich vereint – angenommen wird und Vara entsprechend dem Antrag von Sasol stimmt. Unter den Buchstaben a – d werden in Abschnitt 1.5 folgende Fälle genannt: Genehmigung der Jahresabschlüsse, Benennung von Prüfern, Benennung von Prüfern zur Durchführung von Sonderprüfungen und die Genehmigung von Kapitalinvestitionen der Gesellschaft sowie verbundener Gesellschaften.

    (474) Zudem erklärt Sasol, Vara habe in der Aktionärsversammlung eine Sperrminorität besessen, da dort getroffene Beschlüsse eine Mehrheit von 3/4 aller abgegebenen Stimmen voraussetzten und Vara nur über 1/3 der Stimmen verfügte. Sasol zufolge sah die Aktionärs- und Stimmrechtsvereinbarung zudem vor, dass Sasol und Vara alle Aktionärsbeschlüsse in allen Angelegenheiten gemeinsam und einmütig fassten, wobei jedes Unternehmen jeweils eine Stimme haben sollte; wenn keine Einmütigkeit erreicht würde, sollten weder Sasol noch Vara entscheidungsbefugt sein; somit konnte Vara nicht überstimmt werden. Wie bereits erläutert, werden in der Aktionärs- und Stimmrechtsvereinbarung in Abschnitt 1.5 jedoch gewisse Angelegenheiten genannt, bei denen der Antrag von Sasol Vorrang haben sollte (siehe Randnummer [473]).

    (475) In Anbetracht der in [den] Randnummern (472) – (474) beschriebenen Situation sowie insbesondere in Anbetracht der Möglichkeit für Sasol, eigene Vorstellungen in wichtigen strategischen Entscheidungen durchzusetzen, wenn keine Einmütigkeit erreicht werden konnte (z. B. in den in Abschnitt 1.5 der Aktionärs- und Stimmrechtsvereinbarung genannten Fällen wie etwa der Genehmigung von Investitionen), ist festzustellen, dass Sasol die Kontrolle über das Gemeinschaftsunternehmen besaß. Dass wie Sasol argumentiert, Führungskräfte der Schümann Sasol … früher bei HOS angestellt waren, widerspricht diesem Ergebnis nicht, weil in Personalentscheidungen auf der höheren Führungsebene die Genehmigung des Aufsichtsrates vorgeschrieben war (Abschnitt 2 Ziffer 2 Buchstabe c der Geschäftsordnung des Verwaltungs[rats]) und weil Sasol daher die Möglichkeit hatte, gegen diese Entscheidungen ein Veto einzulegen.

    (481) Aus den genannten Gründen macht die Kommission nicht nur die Schümann Sasol … als aktive Gesellschaft, sondern auch die Sasol International AG, die Sasol Ltd und die Sasol Holding in Germany GmbH als deren Muttergesellschaften für die Dauer des Gemeinschaftsunternehmen haftbar, da nachgewiesen wurde, dass Sasol das Gemeinschaftsunternehmen kontrolliert hat. … Wie in den Randnummern (329) – (333) erklärt, bilden verschiedene Unternehmen, die derselben Gruppe angehören, eine wirtschaftliche Einheit und damit ein Unternehmen gemäß Artikel 81 [EG], wenn die betreffenden Unternehmen nicht unabhängig über ihr Marktverhalten entscheiden können. Bei einem Gemeinschaftsunternehmen kann festgestellt werden, dass das Gemeinschaftsunternehmen und die Muttergesellschaften gemeinsam eine wirtschaftliche Einheit gemäß Artikel 81 [EG] bilden, wenn das Gemeinschaftsunternehmen nicht unabhängig über sein Verhalten auf dem Markt entschieden hat. Ob das Gemeinschaftsunternehmen als Vollfunktions-Gemeinschaftsunternehmen … zu betrachten ist, ist in diesem Zusammenhang unerheblich, da … Beweise für die Ausübung eines bestimmenden Einflusses vorliegen. Dass die Muttergesellschaften eines Gemeinschaftsunternehmens haftbar gemacht werden können, steht im Einklang mit der diesbezüglichen Rechtspraxis der Kommission und entspricht den allgemeinen Rechtsgrundsätzen (siehe Randnummer [340]) der Gerichte der Gemeinschaft. Dass die Entscheidung in einer anderen Sache nicht an Muttergesellschaften eines Gemeinschaftsunternehmens gerichtet würde, bedeutet unter den Gegebenheiten in dieser Sache nicht, dass die Sasol International AG, die Sasol Ltd und die Sasol Holding in Germany GmbH als Muttergesellschaften der Sasol-Gruppe nicht für das Verhalten ihrer Tochtergesellschaft haftbar gemacht werden könnten; die Kommission verfügt bei ihren Entscheidungen darüber, welche Rechtssubjekte eines Unternehmens sie für eine Zuwiderhandlung haftbar macht, über einen gewissen Ermessensspielraum, und diese Bewertung wird für jeden einzelnen Fall gesondert vorgenommen.“

    Zur Unterscheidung zwischen dem Begriff der Kontrolle und dem der tatsächlichen Ausübung eines bestimmenden Einflusses im Kontext von Art. 81 EG

    40. Vorab ist festzustellen, dass die Kommission bei der Prüfung der Frage der Zurechenbarkeit der von Schümann Sasol, einer Tochtergesellschaft des Gemeinschaftsunternehmens, begangenen Zuwiderhandlung zwischen den Begriffen „Kontrolle“ und „Kontrollbefugnis“ zum einen und „wirtschaftliche Einheit“ sowie „tatsächliche Ausübung eines bestimmenden Einflusses auf das Geschäftsverhalten“ zum anderen nicht ausdrücklich unterschieden hat.

    41. Die Klägerinnen machen geltend, dieser Ansatz sei unrichtig, da der Begriff „Kontrolle“ nicht eine tatsächliche Ausübung eines bestimmenden Einflusses bedeute.

    42. Erstens ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 3 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates vom 20. Januar 2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen („EG-Fusionskontrollverordnung“) (ABl. L 24, S. 1), „[d]ie Kontrolle … durch Rechte, Verträge oder andere Mittel begründet [wird], die einzeln oder zusammen unter Berücksichtigung aller tatsächlichen oder rechtlichen Umstände die Möglichkeit gewähren, einen bestimmenden Einfluss auf die Tätigkeit eines Unternehmens auszuüben“.

    43. Nach der Rechtsprechung kann sich die Kommission bei der Prüfung der Frage, ob das wettbewerbswidrige Verhalten einer Gesellschaft einer anderen Gesellschaft nach Art. 81 EG zugerechnet werden kann, nicht wie bei der Anwendung der Verordnung Nr. 139/2004 beim Nachweis der Kontrolle ausschließlich auf die Fähigkeit der Letzteren zur Einflussnahme stützen, ohne zu prüfen, ob tatsächlich ein Einfluss ausgeübt wurde (Urteil General Technic-Otis u. a./Kommission, oben in Rn. 30 angeführt, Rn. 69).

    44. Vielmehr obliegt es ihr grundsätzlich, einen solchen entscheidenden Einfluss anhand einer Reihe tatsächlicher Umstände zu beweisen (vgl. Urteil des Gerichts vom 27. September 2006, Avebe/Kommission, T‑314/01, Slg. 2006, II‑3085, Rn. 136 und die dort angeführte Rechtsprechung). Zu diesen Umständen gehört, dass dieselben natürlichen Personen gleichzeitig leitende Positionen in der Muttergesellschaft und ihrer Tochtergesellschaft oder ihrem Gemeinschaftsunternehmen innehatten (Urteil des Gerichts vom 12. Juli 2011, Fuji Electric/Kommission, T‑132/07, Slg. 2011, II‑4091, Rn. 184; vgl. auch in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommission, C‑189/02 P, C‑202/02 P, C‑205/02 P bis C‑208/02 P und C‑213/02 P, Slg. 2005, I‑5425, Rn. 119 und 120) oder dass die genannten Gesellschaften die Weisungen ihrer einheitlichen Leitung zu befolgen hatten und sich auf dem Markt nicht unabhängig verhalten konnten (vgl. in diesem Sinne Urteil HFB u. a./Kommission, oben in Rn. 33 angeführt, Rn. 527).

    45. Im vorliegenden Fall hat sich die Kommission nicht auf einen solchen direkten Beweis der Ausübung eines bestimmenden Einflusses durch Sasol Ltd und Sasol Holding in Germany auf Schümann Sasol International gestützt.

    46. Die Kommission hat nämlich im Wesentlichen die Entscheidungsbefugnis geprüft, die Sasol in den Organen des Gemeinschaftsunternehmens durch seine Vertreter ausüben konnte. Die Analyse beruht insoweit im Kern auf einer abstrakten Prüfung der Modalitäten der Entscheidungsfindung innerhalb der Organe, die sich auf die Bestimmungen in der Aktionärs- und Stimmrechtsvereinbarung und der Geschäftsordnung des Verwaltungsrats stützen, die die in der Satzung der gemeinsamen Struktur vorgesehenen Abstimmungsmodalitäten übernahmen. Außerdem stützt die Kommission ihr Ergebnis, Sasol Holding in Germany und Sasol Ltd die Verantwortung für das Verhalten von Schümann Sasol International zuzurechnen, insbesondere auf die Feststellung, es sei „nachgewiesen [worden], dass Sasol das Gemeinschaftsunternehmen kontrolliert hat“ (481. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

    47. Daraus ergibt sich, dass die Kommission im vorliegenden Fall die Ausübung eines bestimmenden Einflusses durch Sasol Ltd und Sasol Holding in Germany auf das Geschäftsverhalten von Schümann Sasol International wie bei einer nach den Regeln für die Genehmigung von Zusammenschlüssen durchgeführten Prüfung im Wesentlichen auf der Grundlage einer abstrakten Prüfung der vor der Aufnahme der Tätigkeit von Schümann Sasol International unterzeichneten Dokumente festgestellt hat.

    48. Zweitens hat das Gericht somit zu prüfen, inwieweit eine solche abstrakte und in die Zukunft gerichtete Prüfung, die im Bereich von Unternehmenszusammenschlüssen durchgeführt wird, wo der Erlass der Genehmigungsentscheidung der Aufnahme der Tätigkeit des Gemeinschaftsunternehmens vorausgeht, auch dem Nachweis der tatsächlichen Ausübung eines bestimmenden Einflusses auf das Geschäftsverhalten des Gemeinschaftsunternehmens in einer Entscheidung dienen kann, mit der den Muttergesellschaften die Verantwortung für eine in der Vergangenheit von dem genannten Gemeinschaftsunternehmen begangene Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG zugerechnet wird.

    49. Hierzu ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass, selbst wenn die Befugnis oder die Möglichkeit, die Geschäftsentscheidungen des Gemeinschaftsunternehmens zu bestimmen, an sich lediglich auf der bloßen Fähigkeit beruht, einen bestimmenden Einfluss auf sein Geschäftsverhalten auszuüben, und damit unter den Begriff „Kontrolle“ im Sinne der Verordnung Nr. 139/2004 fällt, die Kommission und die Unionsgerichte davon ausgehen können, dass die gesetzlichen Vorschriften und die Bestimmungen der Vereinbarungen über den Betrieb dieses Unternehmens, insbesondere die der Vereinbarung zur Gründung des Gemeinschaftsunternehmens und der Stimmrechtsvereinbarung der Anteilseigner, umgesetzt und eingehalten wurden. Insoweit darf die Prüfung der tatsächlichen Ausübung eines bestimmenden Einflusses auf das Geschäftsverhalten des Gemeinschaftsunternehmens, wie bei der Prüfung hinsichtlich der Kontrolle, aus einer abstrakten Prüfung der vor der Aufnahme der Tätigkeit des Gemeinschaftsunternehmens unterzeichneten Dokumente bestehen. Insbesondere wenn diese Vorschriften und Bestimmungen vorsehen, dass für eine Beschlussfassung innerhalb eines Organs des Gemeinschaftsunternehmens die Stimmen jeder Muttergesellschaft erforderlich sind, können die Kommission und die Unionsgerichte in Ermangelung gegenteiliger Beweise zu der Feststellung gelangen, dass diese Beschlüsse von den Muttergesellschaften gemeinsam gefasst wurden (vgl. in diesem Sinne Urteile Avebe/Kommission, oben in Rn. 44 angeführt, Rn. 137 bis 139, Fuji Electric/Kommission, oben in Rn. 44 angeführt, Rn. 186 bis 193, und General Technic-Otis u. a./Kommission, oben in Rn. 30 angeführt, Rn. 112 und 113). Ebenso können die Kommission und die Unionsgerichte, wenn die in Rede stehenden Bestimmungen einer Muttergesellschaft gestatten, die Entscheidungen der Organe des Gemeinschaftsunternehmens allein zu bestimmen, in Ermangelung gegenteiliger Beweise zu der Feststellung gelangen, dass diese Muttergesellschaft einen bestimmenden Einfluss auf diese Entscheidungen ausübte.

    50. Da jedoch die Prüfung hinsichtlich der tatsächlichen Ausübung eines bestimmenden Einflusses nachträglich erfolgt und daher auf konkreten Umständen beruhen kann, können sowohl die Kommission als auch die betroffenen Parteien den Nachweis erbringen, dass die Geschäftsentscheidungen des Gemeinschaftsunternehmens nach anderen Modalitäten gefasst wurden als denen, die sich aus der bloßen abstrakten Prüfung der Vereinbarung über den Betrieb des Gemeinschaftsunternehmens ergaben (vgl. in diesem Sinne Urteile Fuji Electric/Kommission, oben in Rn. 44 angeführt, Rn. 194 und 195, und General Technic-Otis u. a./Kommission, oben in Rn. 30 angeführt, Rn. 115 bis 117). Insbesondere können die Kommission oder die betroffenen Parteien den Nachweis erbringen, dass ungeachtet der Befugnis einer Muttergesellschaft, die betreffenden Beschlüsse über ihre Vertreter in den Organen des Gemeinschaftsunternehmens allein zu fassen, diese Beschlüsse tatsächlich von mehreren oder von allen Muttergesellschaften einstimmig gefasst wurden.

    Zur Begründetheit der Feststellung der Kommission, dass die von Schümann Sasol International begangene Zuwiderhandlung Sasol Holding in Germany und Sasol Ltd zuzurechnen sei

    51. Die Klägerinnen widersprechen der Würdigung der Kommission, die von Schümann Sasol International begangene Zuwiderhandlung sei Sasol Holding in Germany und Sasol Ltd zuzurechnen, im Wesentlichen in zweifacher Hinsicht. Zum einen habe die Kommission einen Beurteilungsfehler begangen, indem sie nicht anerkannt habe, dass Herr B. I., Vorsitzender des Verwaltungsrats von Schümann Sasol International, der Vertreter von Vara gewesen sei. Vara habe nämlich durch ihren Vertreter, Herrn B. I., während des größten Teils der Phase des Gemeinschaftsunternehmens die Entscheidungen des Verwaltungsrats allein bestimmen können, da nach der Geschäftsordnung des Verwaltungsrats das Votum des Vorsitzenden bei Stimmengleichheit der Mitglieder in diesem Verwaltungsrat den Ausschlag gegeben habe. Zum anderen habe Vara nach der Satzung des Gemeinschaftsunternehmens und der Aktionärs- und Stimmrechtsvereinbarung die meisten Beschlüsse in der Aktionärsversammlung und im Aufsichtsrat des Gemeinschaftsunternehmens verhindern können, so dass Sasol Holding in Germany diese Entscheidungen nicht allein mit den Stimmen ihrer Vertreter habe fassen können. Auf dieser Grundlage sind die Klägerinnen der Auffassung, dass Sasol Holding in Germany keinen bestimmenden Einfluss auf das Geschäftsverhalten von Schümann Sasol International habe ausüben können.

    52. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission hinsichtlich der Zurechnung der Verantwortung für eine von einem Gemeinschaftsunternehmen begangene Zuwiderhandlung an mehrere Muttergesellschaften die tatsächliche Ausübung eines bestimmenden Einflusses nachweisen kann, indem sie eine gemeinsame Leitung des Gemeinschaftsunternehmens durch seine Muttergesellschaften feststellt. Zum Wesen dieser gemeinsamen Leitung hat das Gericht in seinem Urteil Avebe/Kommission (oben in Rn. 44 angeführt, Rn. 136 bis 138) diejenigen Indizien als relevant angesehen, die belegen, dass die von den Muttergesellschaften jeweils ernannten Mitglieder der Organe des Gemeinschaftsunternehmens, die die Geschäftsinteressen der Muttergesellschaften vertreten, bei der Festlegung und Umsetzung der Geschäftspolitik des Gemeinschaftsunternehmens eng zusammenarbeiten sollten und dass die von ihnen getroffenen Entscheidungen zwangsläufig einen übereinstimmenden Willen der von der Kommission zur Verantwortung gezogenen Muttergesellschaften widerspiegelten. Das Gericht hat nicht nur die strategische Entscheidungsfindung im Gemeinschaftsunternehmen geprüft, sondern auch die Führung des Tagesgeschäfts, und hat darauf hingewiesen, dass die beiden von den beiden Muttergesellschaften ernannten Direktoren auch in dieser Hinsicht eng zusammenarbeiten sollten (Urteil Avebe/Kommission, oben in Rn. 44 angeführt, Rn. 136 bis 138).

    53. Hingegen hat die Kommission im vorliegenden Fall nicht die beiden Muttergesellschaften für die von Schümann Sasol International begangene Zuwiderhandlung verantwortlich gemacht, sondern nur Sasol Holding in Germany und ihre Muttergesellschaft Sasol Ltd.

    54. Wenn jedoch die Kommission die Verantwortung für die von einem Gemeinschaftsunternehmen begangene Zuwiderhandlung nur einer seiner Muttergesellschaften zurechnet, hat sie den Beweis zu erbringen, dass der bestimmende Einfluss auf das Geschäftsverhalten des Gemeinschaftsunternehmens einseitig von dieser Muttergesellschaft ausgeübt wurde.

    55. Aus der angefochtenen Entscheidung und den Schriftsätzen der Kommission im Rahmen des Verfahrens vor dem Gericht ergibt sich, dass diese der Auffassung ist, die oben in Rn. 54 beschriebene Bedingung sei im vorliegenden Fall erfüllt gewesen. Sie stellt nämlich im 471. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung fest, dass „Sasol [Ltd] über die Sasol Holding in Germany GmbH als ihre 100%ige Tochter einen bestimmenden Einfluss auf die Schümann Sasol International AG ausgeübt hat“. Außerdem führt die Kommission in Rn. 49 der Klagebeantwortung aus, dass „Sasol [Ltd] (über Sasol Holding) eine alleinige Kontrolle über [Schümann Sasol International] ausgeübt hatte“, und in Rn. 67 der Klagebeantwortung, dass „Vara die Zuwiderhandlung nicht zuzurechnen war, da Sasol die einzige war, die einen bestimmenden Einfluss auf das Gemeinschaftsunternehmen ausübte“.

    56. Daher ist zu prüfen, ob die Kommission aufgrund der in der angefochtenen Entscheidung zusammengetragenen Gesichtspunkte und trotz des Vorbringens der Klägerinnen im Verwaltungsverfahren zur Bedeutung von Vara für die Leitung des Gemeinschaftsunternehmens den Schluss ziehen durfte, dass Sasol einseitig einen bestimmenden Einfluss auf Schümann Sasol International ausübte.

    Zum Verwaltungsrat der Schümann Sasol International

    57. Die Klägerinnen bringen vor, dass die Beschlüsse des Verwaltungsrats von Schümann Sasol International mit einfacher Mehrheit erlassen worden seien und bei Stimmengleichheit das Votum des Vorsitzenden des Verwaltungsrats den Ausschlag gegeben habe. Der Vorsitzende des Verwaltungsrats, Herr B. I., habe jedoch die Interessen von Vara vertreten.

    58. Sie machen im Wesentlichen geltend, der Kommission sei ein Fehler bei der Beurteilung der ihr vorliegenden Beweise unterlaufen, soweit sie zu dem Schluss gelangt sei, dass Herr B. I. nicht Vara vertreten, sondern den Vorsitz des Gemeinschaftsunternehmens auf Ersuchen von Sasol geführt habe. Die Kommission habe ihre Feststellung auf die Erklärung von Vara vom 11. Oktober 2007 gestützt, in der Herr B. I. im Namen von Vara auf die Fragen der Kommission geantwortet und paradoxerweise erklärt habe, Vara in der Phase des Gemeinschaftsunternehmens nicht vertreten zu haben, obwohl er sich als Vertreter von Vara für jede andere Frage bezeichnet habe, die sich die Kommission stellen könnte.

    59. Außerdem verweisen die Klägerinnen auf ihre Erklärung vom 18. April 2008, laut der Herr B. I. in Wahrheit dauerhaft als rechte Hand von Herrn Schümann gehandelt und Vara im Gemeinschaftsunternehmen mit Sasol vertreten habe. Vor der Phase des Gemeinschaftsunternehmens sei Herr B. I. die natürliche Person gewesen, die eine beherrschende Funktion in HOS ausgeübt habe, die von Vara, deren Generaldirektor er seit 1987 gewesen sei, kontrolliert worden sei, und er habe als Vertrauter von Herrn Schümann gehandelt. Außerdem habe Herr B. I. auch während und nach der Phase des Gemeinschaftsunternehmens Führungsfunktionen in Vara und anderen von Herrn Schümann gehaltenen Gesellschaften ausgeübt. Der enge Bezug zwischen Herrn B. I. und Vara sowie Herrn Schümann ergebe sich auch aus der Ankündigung der Errichtung der gemeinsamen Struktur vom 6. Juni 1995.

    60. Diese Tatsachen seien der Kommission während des Verwaltungsverfahrens bekannt gewesen, sie habe sie jedoch außer Acht gelassen und ohne Begründung der Erklärung von Vara den Vorzug gegeben, die von Herrn B. I. persönlich gestammt habe, d. h. von einer Person, die als Kommanditist selbst einen Teil des Kapitals von Vara gehalten habe.

    61. Die Kommission weist zunächst darauf hin, dass der Begriff „bestimmender Einfluss“ nicht die operative Geschäftsführung des Gemeinschaftsunternehmens, sondern die grundlegende Ausrichtung seiner Geschäftspolitik betreffe. Wie sich aus der Satzung von Schümann Sasol International ergebe, sei der Verwaltungsrat unter der Kontrolle des Aufsichtsrats tätig geworden, und die wichtige Aspekte seiner Geschäftspolitik betreffenden Handlungen des Verwaltungsrats hätten der vorherigen Zustimmung des Aufsichtsrats bedurft.

    62. Sodann trägt die Kommission vor, dass Herr B. I. nicht Vara vertreten, sondern seinen Titel seinen Kenntnissen in dem Bereich verdankt habe, in dem Schümann Sasol tätig gewesen sei, und seine Bestellung dem Willen von Sasol entsprochen habe. Vara habe mit ihrer Erklärung vom 11. Oktober 2007 der Kommission mitgeteilt, dass Herr B. I. als Direktor von Sasol International bestimmt worden sei, da Sasol seine eingehenden Kenntnisse der Tätigkeit von HOS nutzen und ihn daher in den Verwaltungsrat habe bestellen wollen. Diese Auskunft sei glaubwürdig, da Sasol besonderes Interesse daran gehabt habe, dass das Gemeinschaftsunternehmen gut geführt werde, und die Kontinuität seiner Geschäftsführung habe sicherstellen wollen, indem sie seinen täglichen Betrieb einem Verwaltungsratsmitglied anvertraut habe, das den Paraffinwachssektor und insbesondere das ehemalige Geschäft von HOS gekannt habe. Jedenfalls hat die Kommission in Rn. 10 der Gegenerwiderung die Auffassung vertreten, ihre im 472. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung genannten Feststellungen bedeuteten, dass Herr B. I. im Verwaltungsrat von Schümann Sasol International Sasol und nicht Vara vertreten habe.

    63. Das Gericht hält es für zweckmäßig, zunächst die Rolle von Herrn B. I. im Verwaltungsrat von Schümann Sasol International und sodann die allgemeinere Frage, ob Sasol einseitig die in diesem Verwaltungsrat erlassenen Beschlüsse bestimmen konnte, zu prüfen.

    Zur Rolle von Herrn B. I.

    64. Es ist darauf hinzuweisen, dass Herr B. I. fast während der gesamten Phase des Gemeinschaftsunternehmens der Vorsitzende des Verwaltungsrats von Schümann Sasol International war.

    65. Während des Verwaltungsverfahrens legten die Klägerinnen dar, dass Herr B. I. der Vertreter von Vara gewesen sei, während Vara erklärte, seine Bestellung habe dem Willen von Sasol entsprochen. so dass er Vara nicht vertreten habe.

    66. Zunächst geben die im 472. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung genannten Feststellungen genau den Inhalt einer Erklärung von Vara vom 11. Oktober 2007 wieder. Hingegen wurden der in der Erklärung von Sasol vom 18. April 2008 geäußerte Standpunkt, wonach Herr B. I. Vara vertreten habe, sowie die Unterlagen, auf die er gestützt wurde, von der Kommission zurückgewiesen.

    67. Zum Inhalt der Feststellungen der Kommission in Bezug auf die Rolle von Herrn B. I. machen die Klägerinnen im Wesentlichen geltend, der Kommission sei ein Beurteilungsfehler unterlaufen, indem sie nicht anerkannt habe, dass er Vara im Verwaltungsrat vertreten habe.

    68. Erstens ist festzustellen, dass Herr B. I. in den von Herrn Schümann gehaltenen Gesellschaften und in der Vara-Gruppe vor, während und nach der Phase des Gemeinschaftsunternehmens wichtige Positionen bekleidete.

    69. Herr B. I. wurde am 29. November 1996 Kommanditist von Vara, einer der unmittelbaren Muttergesellschaften von Schümann Sasol International. Diese Eigenschaft bedeutete, dass er einen Teil des Kapitals von Vara hielt, wobei die anderen Eigentümer von Vara die Mitglieder der Familie Schümann waren. Das Gericht ist insoweit der Auffassung, dass die Beteiligung am Gesellschaftskapital einen Umstand darstellt, der belegen kann, dass Herr B. I. sich mit den besonderen Geschäftsinteressen von Vara identifizieren konnte.

    70. Ebenso war Herr B. I., zumindest während eines Teils der Phase des Gemeinschaftsunternehmens und gleichzeitig mit der Ausübung seiner Funktion als Vorsitzender des Verwaltungsrats von Schümann Sasol International, Generaldirektor von Vara.

    71. Aus der Rechtsprechung ergibt sich, dass die Kumulierung von Leitungspositionen in einer der Muttergesellschaften und in deren Gemeinschaftsunternehmen einen bedeutenden Anhaltspunkt dafür darstellt, dass diese Muttergesellschaft über die Ausübung der Entscheidungsbefugnis eines solchen Mitglieds der Unternehmensleitung des Gemeinschaftsunternehmens einen Einfluss auf die Geschäftsentscheidungen des Gemeinschaftsunternehmens ausübt (vgl. in diesem Sinne Urteil Fuji Electric/Kommission, oben in Rn. 44 angeführt, Rn. 199).

    72. Sodann war Herr B. I. ab 15. Juni 1995 Geschäftsführer der Vara Beteiligungsgesellschaft mbH. Nach einem von den Klägerinnen vorgelegten Beweismittel bekleidete er diesen Posten gemeinsam mit Herrn Schümann auch noch im Jahr 2011. Außerdem war er vom 4. April 1989 bis zum Zeitpunkt der Auflösung dieser Gesellschaft am 13. September 1996 Geschäftsführer der Beteiligungsgesellschaft Hans-Otto Schümann mbH. Letztere Gesellschaft ist auch mit Herrn Schümann, dem Gründer und Haupteigentümer von Vara, verbunden.

    73. Überdies wurde Herr B. I., als ihn Herr D. S. R. am 1. Juli 2001 als Vorsitzenden des Verwaltungsrats von Schümann Sasol International ersetzte, eines der sechs Mitglieder des Aufsichtsrats dieser Gesellschaft. Damit ersetzte Herr B. I. Herrn E. B. R, der laut der Kommission auch der Vertreter von Vara war, wobei die Zusammensetzung des Aufsichtsrats im Übrigen unverändert blieb. Dies weist darauf hin, dass Herr B. I. Vara im Aufsichtsrat vertrat. Dieser Umstand genügt außerdem für sich genommen für die Zurückweisung der Auffassung der Kommission, wonach Herr B. I. Sasol im Verwaltungsrat vertreten habe, da es unvorstellbar ist, dass er in einem solchen Fall unmittelbar nach dem Ende seines Mandats hätte beginnen können, Vara im Aufsichtsrat zu vertreten.

    74. Schließlich ist festzustellen, dass Herr Schümann und Herr B. I. in dem an sämtliche Mitarbeiter von HOS gerichteten Schreiben vom 2. Februar 1995 diese Mitarbeiter über die Verhandlungen informierten, die sie mit Sasol führten. Darin führen sie aus: „[Wir] werden … nach wie vor unseren Einfluss [auf die neue Leitung des Gemeinschaftsunternehmens] geltend machen können.“

    75. Auf dieser Grundlage stellt das Gericht fest, dass die Klägerinnen bereits im Verwaltungsverfahren Beweise vorgelegt hatten, die belegen können, dass Herr B. I. enge Bindungen zur Vara-Gruppe und zu Herrn Schümann unterhielt, dass er sich mit den besonderen Geschäftsinteressen von Vara identifizieren konnte, insbesondere aufgrund seiner Eigenschaft als Kommanditist, und dass Vara aufgrund der Kumulierung von Positionen durch Herrn B. I. einen bedeutenden Einfluss auf die Beschlüsse des Verwaltungsrats des Gemeinschaftsunternehmens ausüben konnte, was zur Angleichung der Geschäftspolitik von Schümann Sasol International an die von Vara führen konnte.

    76. Die Kommission hat daher einen Beurteilungsfehler begangen, als sie bei ihrer Analyse diese Reihe relevanter Beweise außer Acht gelassen und in der angefochtenen Entscheidung lediglich darauf hingewiesen hat, dass die Bestellung von Herrn B. I. den Willen von Sasol widergespiegelt habe. Eine solche Darstellung schafft ein verzerrtes Bild der maßgeblichen Umstände der Rechtssache und entspricht nicht dem Kriterium, nach dem die Verantwortung für eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG anhand aussagekräftiger und übereinstimmender Beweise nachgewiesen werden muss und nach dem die Kommission alle ihr vorgelegten maßgeblichen rechtlichen und tatsächlichen Umstände unparteiisch zu berücksichtigen hat (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 27. September 2006, Dresdner Bank u. a./Kommission, T‑44/02 OP, T‑54/02 OP, T‑56/02 OP, T‑60/02 OP und T‑61/02 OP, Slg. 2006, II‑3567, Rn. 59 bis 63; vgl. entsprechend Urteil des Gerichtshofs vom 17. Mai 2001, IECC/Kommission, C‑450/98 P, Slg. 2001, I‑3947, Rn. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    77. Das Vorbringen der Kommission vermag dieses Ergebnis nicht in Frage zu stellen.

    78. Erstens bezieht sich die Kommission auf die Tatsache, dass Sasol ihre Zustimmung zur Bestellung von Herrn B. I. zum Vorsitzenden des Verwaltungsrats gegeben habe.

    79. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach der Satzung von Schümann Sasol International sowie der Aktionärs- und Stimmrechtsvereinbarung alle Mitglieder des Verwaltungsrats und dessen Vorsitzender vom Aufsichtsrat einmütig durch die Vertreter von Vara und Sasol bestellt werden mussten. Daher musste zum einen die Zusammensetzung des Verwaltungsrats ein Einvernehmen zwischen den beiden Muttergesellschaften, d. h. den Willen beider, widerspiegeln. Zum anderen musste auch Vara seine Zustimmung zur Bestellung der von Sasol benannten Mitglieder geben, die die Kommission als die Vertreter Letzterer angesehen hat.

    80. Folglich erlaubt die Tatsache, dass Sasol ihre Zustimmung zur Bestellung von Herrn B. I. zum Vorsitzenden des Verwaltungsrats gegeben hat, weder die Feststellung, dass er über das hinaus, was im Rahmen einer loyalen Geschäftsführung eines von zwei Muttergesellschaften gehaltenen Gemeinschaftsunternehmens erforderlich ist, die Geschäftsinteressen von Sasol vertreten hat, noch die Widerlegung der von den Klägerinnen beigebrachten Beweise zum Nachweis, dass Vara über die Entscheidungsbefugnis von Herrn B. I. einen Einfluss im Verwaltungsrat ausgeübt habe.

    81. Zweitens ist darauf hinzuweisen, dass der einzige konkrete Beweis, auf den die Kommission ihren Schluss stützt, dass Herr B. I. nicht Vara vertreten habe, sondern seine Bestellung den Willen von Sasol widergespiegelt habe, die oben in Rn. 66 angeführte Erklärung von Vara vom 11. Oktober 2007 ist.

    82. Nach Auffassung der Kommission ist diese Erklärung besonders zuverlässig, da sie in Beantwortung eines Auskunftsersuchens der Kommission vorgelegt worden sei. Vara habe ein erhebliches Interesse daran gehabt, den Sachverhalt richtig darzustellen, da eine falsche Erklärung mit einer verfahrensrechtlichen Geldbuße, wie in Art. 23 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 vorgesehen, habe geahndet werden können.

    83. Insoweit wird auf der ersten Seite der Beantwortung des Auskunftsersuchens vom 11. Oktober 2007, die die in Rede stehende Erklärung enthält, darauf hingewiesen, dass die für die Antworten verantwortliche Person in erster Linie Herr B. I. sei. Ferner steht fest, dass, wie die Klägerinnen vorbringen, Herr B. I. zu diesem Zeitpunkt immer noch Kommanditist von Vara war.

    84. Außerdem ist festzustellen, dass die Kommission weder in ihrem an Vara gerichteten Auskunftsersuchen noch in der angefochtenen Entscheidung definierte, was sie unter dem Begriff „Vertretung“ verstand. Daher konnte Vara, da Herr B. I. nicht formal zur Vertretung von Vara im Verwaltungsrat des Gemeinschaftsunternehmens beauftragt war, in ihrer Erklärung behaupten, dass keine Vertretung vorliege, ohne eine verfahrensrechtlichen Geldbuße zu riskieren.

    85. Überdies betrifft die Prüfung der organisatorischen Verbindungen zwischen dem Gemeinschaftsunternehmen und der Muttergesellschaft nicht zwangsläufig die Frage der Vertretung der Muttergesellschaft aufgrund eines formalen Mandats, das Letztere dem Geschäftsführer des Gemeinschaftsunternehmens übertragen hat. Es ist sachdienlicher, die Vertretung der Geschäftsinteressen der Muttergesellschaft im weiteren Sinne (vgl. oben, Rn. 35) und den Einfluss auf die Entscheidungen der Organe des Gemeinschaftsunternehmens, um die Geschäftspolitik dieses Unternehmens an die der Muttergesellschaft anzugleichen, wovon insbesondere die Kumulierung von Leitungspositionen in der Muttergesellschaft und im Gemeinschaftsunternehmen zeugt, sowie die Beteiligung eines Geschäftsführers des Gemeinschaftsunternehmens am Kapital der Muttergesellschaft zu berücksichtigen (vgl. oben, Rn. 44).

    86. Unter diesem Gesichtspunkt ist hinzuzufügen, dass die Frage der Vertretung der Geschäftsinteressen einer Muttergesellschaft im Verwaltungsrat eines Gemeinschaftsunternehmens keine bloße Tatsache ist, deren Leugnung vorbehaltlich des Falls einer Tatsachenverfälschung angemessenerweise eine verfahrensrechtliche Geldbuße nach sich ziehen könnte. Diese Frage gehört vielmehr zu der Beurteilung, die die Kommission unter unparteiischer Berücksichtigung aller ihr von den Muttergesellschaften, die oft gegenteilige Interessen haben, die sie zur Betonung des einen oder anderen maßgeblichen Umstands veranlassen, vorgelegten maßgeblichen rechtlichen und tatsächlichen Umstände durchzuführen hat. Außerdem ist festzustellen, dass die Kommission im vorliegenden Fall weder gegen Sasol noch gegen Vara eine verfahrensrechtliche Geldbuße verhängt hat, auch wenn sie in diesem Punkt völlig gegensätzliche Erklärungen abgegeben haben.

    87. Nach alledem ist zu prüfen, ob der Beurteilungsfehler, der der Kommission bei der Prüfung der Rolle von Herrn B. I. unterlaufen ist (vgl. oben, Rn. 76), die Beurteilung des von Sasol auf den Verwaltungsrat von Schümann Sasol International ausgeübten Einflusses beeinträchtigen kann.

    Zur Bestimmung der Entscheidungen des Verwaltungsrats von Schümann Sasol International

    88. Die Klägerinnen machen geltend, aufgrund der beherrschenden Rolle der Vara vertretenden Verwaltungsratsmitglieder, insbesondere der von Herrn B. I., hätten Sasol Ltd und Sasol Holding in Germany die Entscheidungen dieses Verwaltungsrats nicht bestimmen können.

    89. Erstens ist festzustellen, dass Herr B. I. in seiner Ankündigung vom 6. Juni 1995 an die Mitarbeiter der Schümann Sasol AG (die später zu Schümann Sasol International wurde) die Rollen des Verwaltungsrats des Gemeinschaftsunternehmens beschrieb. Er führte aus, dass er „neben der Koordinierung der Arbeit des Verwaltungsrats für Marketing, Verkauf und Einkauf und die Kontrolle der Tochtergesellschaften verantwortlich [bleibt]“, während Herr D. S. R. (von Sasol) seinen Dienstposten in Südafrika behalte und sich um die Herstellung und die technischen Aspekte kümmern werde. Herr B. I. wies auch darauf hin, dass ein drittes Mitglied in Hamburg (Deutschland) bestellt werde.

    90. Es ist festzustellen, dass die Entscheidungsbefugnisse von Herrn B. I. ein Indiz für seine zentrale Rolle im Verwaltungsrat von Schümann Sasol International sind.

    91. Zweitens haben Herr B. I. und Herr Schümann in dem an sämtliche Mitarbeiter von HOS gerichteten Schreiben vom 2. Februar 1995 darauf hingewiesen, dass sie auf die neue Leitung des Gemeinschaftsunternehmens weiterhin wie in der Vergangenheit, als Vara der einzige Anteilseigner von HOS gewesen war, Einfluss nehmen könnten (vgl. oben, Rn. 74).

    92. Aus diesem Schreiben geht auch hervor, dass nach den Erwartungen von Herrn B. I. und Herrn Schümann Letzterer und Vara durch Herrn B. I. eine zentrale Rolle in der Leitung von Schümann Sasol International spielen konnten.

    93. Drittens führt die Kommission in der angefochtenen Entscheidung keinen Umstand an, der belegen könnte, dass trotz der Entscheidungsbefugnisse von Herrn B. I. und seiner aufgrund seines Vorsitzes ausschlaggebenden Stimme bei Stimmengleichheit Sasol einseitig die Beschlüsse des Verwaltungsrats hätte bestimmen können, für den Fall, dass sich ergeben hätte, dass Herr B. I. in Wahrheit Vara und Herrn Schümann im Verwaltungsrat von Schümann Sasol International vertrat.

    94. Viertens ergibt sich eine solche Möglichkeit von Sasol, die Beschlüsse des Verwaltungsrats entscheidend zu bestimmen, auch nicht aus den die verschiedenen Zusammensetzungen des Verwaltungsrats betreffenden Umständen, die von den Klägerinnen im Verwaltungsverfahren dargelegt wurden.

    95. Vom 2. Mai bis zum 31. Oktober 1995 setzte sich der Verwaltungsrat von Schümann Sasol International aus Herrn B. I. und Herrn D. S. R., dem Vertreter von Sasol, zusammen. Wie die Klägerinnen zutreffend ausführen, konnte Herr B. I. seine eigenen Entscheidungen im Verwaltungsrat aufgrund seines ausschlaggebenden Stimmrechts durchsetzen.

    96. In der Zeit vom 1. November 1995 bis zum 30. Juni 2001 setzte sich der Verwaltungsrat von Schümann Sasol International aus seinem Vorsitzenden, Herrn B. I., sowie Herrn D. S. R. und Herrn H. G. B. zusammen. Die Klägerinnen sind der Auffassung, dass Letzterer der Vertreter von Vara gewesen sei, während die Kommission der Meinung ist, er sei der Vertreter von Sasol gewesen.

    97. Es ist festzustellen, dass die Kommission in der angefochtenen Entscheidung die Frage nicht geprüft hat, ob Herr H. G. B. tatsächlich die Geschäftsinteressen der einen oder der anderen Muttergesellschaft vertrat. Außerdem liegen Hinweise vor, dass Herr H. G. B. die Interessen von Vara vertrat (vgl. oben, Rn. 99). Daher erlaubt diese Zusammensetzung des Verwaltungsrats auch nicht den Schluss, dass Sasol einseitig seine Entscheidungen habe bestimmen können.

    98. Vom 1. Juli 2001 bis zum 16. Mai 2002 war Herr D. S. R. (von Sasol) Vorsitzender des Verwaltungsrats; das andere Mitglied war Herr H. G. B.

    99. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass diese Zusammensetzung des Verwaltungsrats davon zeugt, dass Herr H. G. B. der Vertreter von Vara war. Es kann nämlich vernünftigerweise nicht davon ausgegangen werden, dass Vara als Inhaberin eines Drittels des Kapitals von Schümann Sasol International einem Verwaltungsrat zugestimmt hätte, der sich nur aus Vertretern von Sasol zusammensetzte.

    100. Die Klägerinnen machen geltend, in diesem Zeitraum seien alle Verwaltungsratsbeschlüsse einmütig gefasst worden.

    101. Es ist hervorzuheben, dass die angefochtene Entscheidung nicht die geringste Prüfung des fraglichen Zeitraums enthält. Da die gesamte Verantwortung für die vom Gemeinschaftsunternehmen begangene Zuwiderhandlung allein Sasol zugerechnet wurde, hätte die Kommission nachweisen müssen, dass Sasol einseitig einen bestimmenden Einfluss auf die Geschäftspolitik von Schümann Sasol International ausübte (vgl. oben, Rn. 54).

    102. Es ist jedoch darauf hinzuweisen (vgl. oben, Rn. 52), dass die einmütige Beschlussfassung im Verwaltungsrat von einer engen Zusammenarbeit der Vertreter der Muttergesellschaften und daher von einer gemeinsamen Leitung des Gemeinschaftsunternehmens zeugt, was ein Indiz für die gemeinsame Ausübung eines bestimmenden Einflusses und nicht für die Ausübung eines bestimmenden Einflusses durch eine der Muttergesellschaften allein darstellt (vgl. in diesem Sinne Urteile Avebe/Kommission, oben in Rn. 44 angeführt, Rn. 137 und 138, sowie Fuji Electric/Kommission, oben in Rn. 44 angeführt, Rn. 194).

    103. Daher kann auch diese Zusammensetzung des Verwaltungsrats den Schluss nicht stützen, dass Sasol einseitig die Entscheidungen von Schümann Sasol International bestimmt habe.

    104. Vom 17. Mai bis zum 24. September 2002 setzte sich der Verwaltungsrat von Schümann Sasol International schließlich aus Herrn D. S. R., Herrn H. G. B. und Herrn C. D. I. zusammen.

    105. Die Klägerinnen tragen vor, die letzten beiden oben angeführten Verwaltungsratsmitglieder seien die Vertreter von Vara gewesen, so dass Herr D. S. R. selbst als Vorsitzender durch diese habe überstimmt werden können.

    106. Es ist festzustellen, dass die angefochtene Entscheidung weder eine Prüfung der Ausübung eines bestimmenden Einflusses der einen oder der anderen Muttergesellschaft durch Herrn H. G. B. und Herrn C. D. I. noch die allgemeine Darstellung dieser Zusammensetzung des Verwaltungsrats enthält. Außerdem liegen Hinweise vor, dass Herr H. G. B. die Interessen von Vara vertrat (vgl. oben, Rn. 99). Daher geht aus der angefochtenen Entscheidung nicht hervor, dass Sasol im fraglichen Zeitraum durch ihre Vertreter im Verwaltungsrat einseitig dessen Beschlüsse habe bestimmen können.

    107. Nach alledem ist festzustellen, dass die Kommission in der angefochtenen Entscheidung nicht nachgewiesen hat, dass im Hinblick auf die Entscheidungsbefugnis von Herrn B. I. und der anderen Verwaltungsratsmitglieder, die Vara zugeordnet werden konnten, Sasol tatsächlich den Inhalt der Entscheidungen des Verwaltungsrats von Schümann Sasol International durch die Mitglieder, die ihre Geschäftsinteressen vertraten und für die Angleichung des Verhaltens von Schümann Sasol International an ihr eigenes sorgten, einseitig bestimmte. Die angefochtene Entscheidung enthält auch keine unmittelbaren Nachweise (vgl. oben, Rn. 44), die geeignet wären, einen solchen bestimmenden Einfluss durch Sasol zu belegen.

    Zur Relevanz der operativen Geschäftsführung

    108. Die Kommission macht geltend, der Verwaltungsrat von Schümann Sasol International sei für das Tagesgeschäft dieser Gesellschaft zuständig gewesen. Nach dem Urteil des Gerichts vom 12. Dezember 2007, Akzo Nobel u. a./Kommission (T‑112/05, Slg. 2007, II‑5049, Rn. 63 bis 65, 82 und 83), sei jedoch die operative Geschäftsführung einer Tochtergesellschaft für die Beurteilung des Vorliegens einer wirtschaftlichen Einheit zwischen einer Tochtergesellschaft und ihrer Muttergesellschaft unerheblich, da die über die Geschäftspolitik im engen Sinne ausgeübte Kontrolle keine erforderliche Voraussetzung für die Feststellung sei, dass eine Muttergesellschaft mit einer Tochtergesellschaft ein Unternehmen bilde. Es genüge vielmehr, dass die Muttergesellschaft eine bedeutende Rolle bei den Fragen spiele, die die Geschäftspolitik der Tochtergesellschaft bestimmten.

    109. Das Urteil, auf das sich die Kommission bezieht, betrifft allerdings einen Sachverhalt, in dem die Muttergesellschaft 100 % des Kapitals der Tochtergesellschaft hielt.

    110. Zwar kann die Frage der operativen Geschäftsführung unerheblich sein, wenn es sich um eine zu 100 % von einer einzigen Muttergesellschaft gehaltene Tochtergesellschaft handelt, da der Nachweis der operativen Eigenständigkeit der Tochtergesellschaft für sich genommen nicht die Vermutung der Ausübung eines bestimmenden Einflusses zu widerlegen vermag (vgl. die unten in Rn. 153 angeführte Rechtsprechung).

    111. Jedoch werden bei einem einzigen Anteilseigner alle Entscheidungen – einschließlich derjenigen, die die operative Geschäftsführung der Tochtergesellschaft betreffen – von Geschäftsführern getroffen, die unmittelbar oder (mittels der Organe, deren Mitglieder von der Muttergesellschaft benannt wurden) mittelbar allein von der Muttergesellschaft nominiert und ernannt werden. Da es keine weiteren Anteilseigner gibt, sind zudem die einzigen Geschäftsinteressen, die in der Tochtergesellschaft bestehen, grundsätzlich die des einzigen Anteilseigners. Daher kann die Kommission die tatsächliche Ausübung eines bestimmenden Einflusses auch dort vermuten, wo die operative Geschäftsführung von Geschäftsführern der Tochtergesellschaft eigenständig wahrgenommen wird.

    112. Bei Gemeinschaftsunternehmen gibt es dagegen eine Mehrheit von Anteilseignern, und die Entscheidungen seiner Organe werden von Mitgliedern getroffen, die die Geschäftsinteressen der verschiedenen Muttergesellschaften vertreten, die übereinstimmen, aber auch unterschiedlich sein können. Somit bleibt die Frage relevant, ob die Muttergesellschaft, insbesondere durch von ihr bestellte Geschäftsführer und/oder Geschäftsführer, die gleichzeitig Leitungspositionen in der Muttergesellschaft innehaben, einen tatsächlichen Einfluss auf die operative Geschäftsführung des Gemeinschaftsunternehmens ausgeübt hat.

    113. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass das Gericht in den Urteilen Fuji Electric/Kommission, oben in Rn. 44 angeführt (Rn. 195), und General Technic-Otis u. a./Kommission, oben in Rn. 30 angeführt (Rn. 112 bis 117), die Modalitäten der zur operativen Geschäftsführung gehörenden Entscheidungsfindung im Einzelnen geprüft hat, um die Ausübung eines bestimmenden Einflusses durch die Klägerinnen in diesen Rechtssachen im Hinblick auf das Marktverhalten ihrer Gemeinschaftsunternehmen zu beurteilen.

    114. Folglich ist das Vorbringen der Kommission, wonach die Bestimmung der Geschäftspolitik im engen Sinne des Gemeinschaftsunternehmens durch seine Muttergesellschaft bei der Prüfung des Vorliegens einer wirtschaftlichen Einheit zwischen diesen unerheblich sei, zurückzuweisen.

    Ergebnis hinsichtlich des Verwaltungsrats von Schümann Sasol International

    115. Erstens ist der Kommission in der angefochtenen Entscheidung ein Beurteilungsfehler bei der Prüfung der Rolle von Herrn B. I. unterlaufen (vgl. oben, Rn. 76). Es ist nicht auszuschließen, dass sie ohne diesen Fehler zu dem Ergebnis gekommen wäre, dass Vara während eines beachtlichen Teils der Phase des Gemeinschaftsunternehmens einen bestimmenden Einfluss auf die Entscheidungen des Verwaltungsrats von Schümann Sasol International ausübte. Zweitens hat die Kommission jedenfalls nicht nachgewiesen, dass Sasol tatsächlich den Inhalt der Entscheidungen des Verwaltungsrats von Schümann Sasol International einseitig bestimmt hatte (vgl. oben, Rn. 107). Drittens ist der auf die Entscheidungen des Verwaltungsrats des Gemeinschaftsunternehmens ausgeübte Einfluss im Hinblick auf die Zurechenbarkeit der Verantwortung für eine von diesem begangene Zuwiderhandlung an seine Muttergesellschaften in hohem Maße relevant (vgl. oben, Rn. 114).

    Zum Aufsichtsrat und zur Hauptversammlung von Schümann Sasol International

    116. Die Klägerinnen tragen vor, die Kommission hätte aufgrund der Entscheidungsbefugnisse von Vara nicht feststellen dürfen, dass Sasol die Entscheidungen im Aufsichtsrat und der Hauptversammlung von Schümann Sasol International entscheidend beeinflusst habe.

    117. Nun zeigen die von der Kommission in den Erwägungsgründen 473 und 474 der angefochtenen Entscheidung zusammengetragenen Gesichtspunkte, dass sowohl Sasol als auch Vara alle Beschlüsse in der Hauptversammlung und dem Aufsichtsrat von Schümann Sasol International, mit Ausnahme der in Abschnitt 1.5 der Aktionärs- und Stimmrechtsvereinbarung genannten, verhindern konnten.

    118. Von den in Abschnitt 1.5 der Aktionärs- und Stimmrechtsvereinbarung genannten Beschlüssen fällt nur die Genehmigung von Investitionen unter die Kategorie der strategischen Geschäftsentscheidungen, die sich nach der Konsolidierten Mitteilung der Kommission zu Zuständigkeitsfragen gemäß der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 (ABl. 2008, C 95, S. 1) auf das Gemeinschaftsunternehmen auswirken.

    119. Außerdem betreffen nach Rn. 69 der Konsolidierten Mitteilung der Kommission zu Zuständigkeitsfragen gemäß der Verordnung Nr. 139/2004 die bedeutendsten Vetorechte die Entscheidungen über die Ernennung oder Entlassung von Mitgliedern der Unternehmensleitung und die Genehmigung der Finanzplanung des Gemeinschaftsunternehmens. Dort wird auch ausgeführt, dass das Recht, die Zusammensetzung der Unternehmensleitung (z. B. des Vorstands) mitzubestimmen, normalerweise dessen Inhaber einen bestimmenden Einfluss auf die Geschäftspolitik des Unternehmens sichert. Das gleiche gilt für Entscheidungen über die Finanzplanung, denn die Finanzplanung entscheidet über den Umfang der Tätigkeit des Gemeinschaftsunternehmens und vor allem über die Höhe der Investitionen.

    120. Nach den gesetzlichen Vorschriften und den Bestimmungen der Vereinbarungen über den Betrieb des Gemeinschaftsunternehmens Schümann Sasol International hatte Sasol Holding in Germany jedoch nur das Recht, die Entscheidungen über die Genehmigung von Investitionen einseitig zu bestimmen, und nicht die bedeutendsten strategischen Geschäftsentscheidungen, nämlich die über die Finanzplanung, die Ernennung oder Entlassung von Geschäftsführern oder den Geschäftsplan.

    121. Daher hat die Kommission nicht anhand einer auf Rechtsvorschriften und die Bestimmungen der Vereinbarungen über den Betrieb des Gemeinschaftsunternehmens gestützten abstrakten Prüfung (vgl. oben, Rn. 49) nachgewiesen, dass Sasol im Aufsichtsrat und in der Hauptversammlung von Schümann Sasol International sämtliche diese betreffenden strategischen Geschäftsentscheidungen allein bestimmen konnte. Aus der abstrakten Prüfung ergibt sich vielmehr, dass die meisten Entscheidungen gemeinsam von Sasol Holding in Germany und Vara zu erlassen waren.

    122. Außerdem enthält die angefochtene Entscheidung keinen auf konkreten Umständen beruhenden Nachweis (vgl. oben, Rn. 50), aus dem sich ergäbe, dass Sasol Ltd und Sasol Holding in Germany tatsächlich trotz der Sperrmöglichkeit von Vara die strategischen Geschäftsentscheidungen des Gemeinschaftsunternehmens Schümann Sasol International allein bestimmt hätten.

    123. Nach alledem kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass die Kommission nicht nachgewiesen hat, dass Sasol einseitig die meisten Entscheidungen des Aufsichtsrats und der Hauptversammlung von Schümann Sasol International und insbesondere die diese betreffenden strategischen Geschäftsentscheidungen über die Finanzplanung, den Geschäftsplan und die Ernennung von Mitgliedern der Unternehmensleitung bestimmt hatte.

    Zur tatsächlichen Ausübung eines bestimmenden Einflusses durch Sasol Holding in Germany auf das Marktverhalten von Schümann Sasol International

    124. Nach dem 475. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung ist „[i]n Anbetracht der in [den] Randnummern (472) – (474) beschriebenen Situation sowie insbesondere in Anbetracht der Möglichkeit für Sasol, eigene Vorstellungen in wichtigen strategischen Entscheidungen durchzusetzen, wenn keine Einmütigkeit erreicht werden konnte (z. B. in den in Abschnitt 1.5 der Aktionärs- und Stimmrechtsvereinbarung genannten Fällen wie etwa der Genehmigung von Investitionen), … festzustellen, dass Sasol die Kontrolle über das Gemeinschaftsunternehmen besaß“. Im 481. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung führt die Kommission aus, dass „nachgewiesen wurde, dass Sasol das Gemeinschaftsunternehmen kontrolliert hat“ und dass „Beweise für die Ausübung eines bestimmenden Einflusses [von Sasol Holding in Germany auf Schümann Sasol International] vorliegen“.

    125. Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Kommission in der angefochtenen Entscheidung nicht nachgewiesen hat, dass Sasol einseitig die Verwaltungsratsbeschlüsse von Schümann Sasol International und im Wesentlichen die strategischen Entscheidungen ihrer Hauptversammlung und ihres Aufsichtsrat bestimmte (vgl. oben, Rn. 115 und 123).

    126. Ebenso hat die Kommission nicht anhand unmittelbarer Beweise die Ausübung eines bestimmenden Einflusses von Sasol Holding in Germany und Sasol Ltd auf das Geschäftsverhalten von Schümann Sasol International nachgewiesen.

    127. Folglich ist die Würdigung der Kommission, die sie veranlasst hat, die Verantwortung für die von Schümann Sasol, der Tochtergesellschaft von Schümann Sasol International, begangene Zuwiderhandlung Sasol Holding in Germany und Sasol Ltd zuzurechnen, mit Beurteilungsfehlern behaftet. Dem ersten Klagegrund ist somit stattzugeben und die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit sie die Verantwortung für die von Schümann Sasol begangene Zuwiderhandlung Sasol Holding in Germany und Sasol Ltd zurechnet.

    128. Die angefochtene Entscheidung ist somit für nichtig zu erklären, soweit die Kommission feststellt, dass sich Sasol Holding in Germany und Sasol Ltd an der Zuwiderhandlung vor dem 1. Juli 2002 beteiligt haben.

    Zum Beweisangebot der Klägerinnen

    129. Die Klägerinnen schlagen vor, Herrn C. D. I. (derzeitiges Vorstandsmitglied von Sasol Wax International) als Zeugen für die Tatsache zu vernehmen, dass in der Phase des Gemeinschaftsunternehmens die grundlegende Ausrichtung der Strategie und der Geschäfte der gemeinsamen Struktur von Vara durch Herrn Schümann und Herrn B. I. festgelegt worden sei.

    130. In Anbetracht obiger Erwägungen hält das Gericht diese Zeugenaussage nicht für erforderlich, so dass das Beweisangebot zurückgewiesen wird.

    2. Zum zweiten Klagegrund: fehlerhafte Zurechnung der Verantwortlichkeit für die Zuwiderhandlung an Sasol Ltd, Sasol Holding in Germany und Sasol Wax International in der Sasol-Phase

    131. Die Klägerinnen machen geltend, die Kommission habe die Verantwortung für das Verhalten von Sasol Wax in der Sasol-Phase vom 1. Juli 2002 bis zum 28. April 2005 zu Unrecht ihrer Muttergesellschaft, Sasol Wax International, deren Muttergesellschaft, Sasol Holding in Germany, und der Gesellschaft an der Spitze der Gruppe, Sasol Ltd, zugerechnet.

    Zum ersten Teil: Rechtsfehler hinsichtlich der Möglichkeit der Zurechnung einer von einer Tochtergesellschaft begangenen Zuwiderhandlung an ihre Muttergesellschaft allein auf der Grundlage einer auf die 100%ige Kapitalbeteiligung gestützten Vermutung

    132. Im 494. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung führt die Kommission Folgendes aus:

    „[D]ie Kommission [kann] gemäß der ständigen Rechtsprechung annehmen, dass Muttergesellschaften einen bestimmenden Einfluss auf ihre 100%igen Tochtergesellschaften ausüben. Wenn diese Vermutung zum Tragen kommt (wie in dieser Sache bei der Sasol Wax International AG, der Sasol Holding in Germany GmbH und der Sasol Ltd), müssen die Muttergesellschaften diese Vermutung durch Beweise dafür, dass ihre Tochter unabhängig über ihr Marktverhalten entschieden hat, widerlegen.“

    133. Nach Ansicht der Klägerinnen hat die Kommission einen Rechtsfehler begangen, indem sie eine unzutreffende Rechtsnorm angewandt habe. Keine gültige Rechtsgrundlage erlaube es, zu vermuten, dass eine 100%ige Beteiligung für sich allein zum Nachweis ausreiche, dass eine Muttergesellschaft für das Kartell, an dem sich ihre Tochtergesellschaft beteiligt habe, verantwortlich sei. Eine solche Vermutung verstoße gegen den Grundsatz der individuellen rechtlichen Verantwortung und die Unschuldsvermutung.

    134. In dem besonderen Fall, dass eine Muttergesellschaft 100 % des Kapitals ihrer Tochtergesellschaft hält, die gegen die Wettbewerbsregeln der Union verstoßen hat, kann zum einen diese Muttergesellschaft einen bestimmenden Einfluss auf das Verhalten dieser Tochtergesellschaft ausüben und besteht zum anderen eine widerlegliche Vermutung, dass diese Muttergesellschaft tatsächlich einen bestimmenden Einfluss auf das Verhalten ihrer Tochtergesellschaft ausübt. Unter diesen Umständen genügt es, dass die Kommission nachweist, dass die Muttergesellschaft das gesamte Kapital der Tochtergesellschaft hält, um anzunehmen, dass die Muttergesellschaft einen bestimmenden Einfluss auf die Geschäftspolitik dieses Tochterunternehmens ausübt. Die Kommission kann in der Folge dem Mutterunternehmen als Gesamtschuldner die Haftung für die Zahlung der gegen dessen Tochterunternehmen verhängten Geldbuße zuweisen, sofern die vom Mutterunternehmen, dem es obliegt, diese Vermutung zu widerlegen, vorgelegten Beweise nicht für den Nachweis ausreichen, dass sein Tochterunternehmen auf dem Markt eigenständig auftritt (vgl. Urteil vom 10. September 2009, Akzo Nobel u. a./Kommission, oben in Rn. 30 angeführt, Rn. 60 und 61 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    135. Darüber hinaus gilt nach der Rechtsprechung die Vermutung der Verantwortlichkeit, die darauf beruht, dass sich eine Gesellschaft im Besitz sämtlicher Kapitalanteile einer anderen Gesellschaft befindet, nicht nur in Fällen einer unmittelbaren Beziehung zwischen der Muttergesellschaft und ihrer Tochtergesellschaft, sondern auch in Fällen wie dem vorliegenden, in denen es sich wegen der Zwischenschaltung einer anderen Gesellschaft um eine mittelbare Beziehung handelt (Urteil des Gerichtshofs vom 20. Januar 2011, General Química u. a./Kommission, C‑90/09 P, Slg. 2011, I‑1, Rn. 90).

    136. Somit hat die Kommission keinen Rechtsfehler begangen, indem sie festgestellt hat, dass sie bei einer 100%igen Kapitalbeteiligung der Muttergesellschaft an der Tochtergesellschaft annehmen kann, dass diese Muttergesellschaft sowie die mittelbaren Muttergesellschaften tatsächlich einen bestimmenden Einfluss auf die Geschäftspolitik der Tochtergesellschaft ausgeübt haben.

    137. Wird die Vermutung der Ausübung eines bestimmenden Einflusses der Muttergesellschaft auf die Tochtergesellschaft nicht widerlegt, kann die Kommission feststellen, dass die Tochtergesellschaft und die unmittelbaren und mittelbaren Muttergesellschaften Teil ein und derselben wirtschaftlichen Einheit sind und damit ein einziges Unternehmen im Sinne der oben in Rn. 31 angeführten Rechtsprechung bilden. Weil eine Muttergesellschaft und ihre Tochtergesellschaft ein einziges Unternehmen im Sinne von Art. 81 EG bilden, kann die Kommission demnach eine Entscheidung, mit der Geldbußen verhängt werden, an die Muttergesellschaft richten, ohne dass deren persönliche Beteiligung an der Zuwiderhandlung nachzuweisen wäre (vgl. die oben in Rn. 36 angeführte Rechtsprechung).

    138. Ein solches Vorgehen verstößt nicht gegen den Grundsatz der persönlichen Verantwortlichkeit. Gegen Sasol Wax International, Sasol Holding in Germany und Sasol Ltd wurde nämlich selbst eine Sanktion wegen der Zuwiderhandlung verhängt, die ihnen aufgrund ihrer engen wirtschaftlichen und rechtlichen Bindungen zu Sasol Wax, die sich daraus ergaben, dass sie deren gesamtes Kapital hielten, persönlich zur Last gelegt wird (vgl. in diesem Sinne Urteil Metsä-Serla u. a./Kommission, oben in Rn. 34 angeführt, Rn. 34).

    139. Zur angeblichen Verletzung des Grundsatzes der Unschuldsvermutung ist darauf hinzuweisen, dass nach diesem jede beschuldigte Person bis zum rechtsförmlich erbrachten Beweis ihrer Schuld als unschuldig gilt. Sie verbietet damit jede ausdrückliche Feststellung und selbst jede Anspielung auf die Verantwortlichkeit einer eines bestimmten Verstoßes beschuldigten Person in einer verfahrensbeendenden Entscheidung, wenn diese Person nicht alle im Rahmen eines normalen, mit einer Sachentscheidung abzuschließenden Verfahrensablaufs zur Ausübung der Verteidigungsrechte erforderlichen Garantien in Anspruch nehmen konnte (Urteil des Gerichts vom 12. Oktober 2007, Pergan Hilfsstoffe für industrielle Prozesse/Kommission, T‑474/04, Slg. 2007, II‑4225, Rn. 76).

    140. Die Anwendung des Grundsatzes der Unschuldsvermutung im Bereich des Wettbewerbsrechts muss an die Tatsache angepasst werden, dass im Gegensatz zum Strafverfahren, das zwangsläufig eine (natürliche oder juristische) Person betrifft, das Wettbewerbsrecht auf das Unternehmen anzuwenden ist, das eine gegebenenfalls aus mehreren juristischen Personen bestehende wirtschaftliche Einheit bezeichnet. Zudem steht es den Gesellschaften an der Spitze der Unternehmensgruppe offen, ihre internen Strukturen umzugestalten, insbesondere indem sie für bestimmte Tätigkeiten Gesellschaften mit eigener Rechtspersönlichkeit gründen.

    141. Unter diesen Umständen kann zur Wahrung der praktischen Wirksamkeit des Wettbewerbsrechts der Union die bloße Tatsache, dass eine Muttergesellschaft eine 100%ige oder nahezu 100%ige Tochtergesellschaft hält, die sich an der Zuwiderhandlung unmittelbar beteiligt hat, für die Kommission als Grundlage ihrer Verantwortlichkeit genügen. Sobald dieser Beschwerdepunkt durch die Kommission mitgeteilt wurde, obliegt es der Muttergesellschaft, die Gegenbeweise für die fehlende wirtschaftliche Einheit zwischen ihr und ihrer Tochtergesellschaft beizubringen. Im vorliegenden Fall ist die Kommission diesem Ansatz gefolgt, indem sie die von den Klägerinnen vorgelegten Beweise aufmerksam geprüft und somit den Grundsatz der Unschuldsvermutung beachtet hat.

    142. Daraus folgt, dass der erste Teil des zweiten Klagegrundes zurückzuweisen ist.

    Zum zweiten Teil: fehlerhafte Feststellung der Nichtwiderlegung der Vermutung

    143. Die Klägerinnen sind der Ansicht, sie hätten anhand der in ihren Antworten auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte enthaltenen Beweismittel nachgewiesen, dass Sasol Wax International tatsächlich keinen bestimmenden Einfluss auf Sasol Wax ausgeübt habe, da sie sich weder in deren strategische Geschäftsentscheidungen noch in die operative Geschäftsführung eingemischt habe.

    Zur angefochtenen Entscheidung

    144. Hinsichtlich der von den Klägerinnen im Rahmen ihrer Antworten auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte vorgelegten Beweismittel führt die Kommission in der angefochtenen Entscheidung Folgendes aus:

    „…

    (498) Bezüglich der geschäftsführenden Direktoren und der Zusammensetzung und der Rolle des Aufsichts[rats] der Sasol Wax GmbH räumt Sasol ein, dass die Sasol Wax International AG die Befugnis zur Benennung der geschäftsführenden Direktoren und der Mitglieder des Aufsichtsrates der Sasol Wax GmbH hatte. Außerdem wird bestätigt, dass mehrere Mitglieder des Aufsichtsrats der Sasol Wax GmbH im Laufe der Jahre auch dem Verwaltungsrat der Sasol Wax International AG angehört haben bzw. noch immer angehören. Sasol erklärt, dies sei nicht erheblich, da der Aufsichtsrat keine wesentliche Rolle gespielt habe (keine wirksame Kontrolle des Managements und/oder der Strategie der Sasol Wax GmbH), da der Aufsichtsrat von früheren Vara-Mitarbeitern dominiert gewesen sei, und da er keinen Einfluss auf das Geschäftsverhalten der Sasol Wax GmbH genommen habe. Erstens ist hinreichend, dass die Sasol International AG die Befugnis zur Benennung der geschäftsführenden Direktoren und der Mitglieder des Aufsichtsrats hatte; daher ist unerheblich, ob der Aufsichtsrat weiterhin mit so genannten früheren Vara-Leuten besetzt war. Zweitens ist bezüglich der Rolle des Aufsichtsrats festzustellen, dass in der Satzung gewisse Angelegenheiten genannt sind, für die der Aufsichtsrat zuständig ist (z. B. die Benennung, Entlassung und Beaufsichtigung des Managements, die Genehmigung von Jahresabschlüssen und Budgets, die Genehmigung von Investitionen in einer Höhe von über 0,5 Mio. EUR und Änderungen der Unternehmensstruktur). Sasol erklärt zwar, dass keine dieser Befugnisse eine erhebliche Rolle im Hinblick auf das Geschäftsverhalten der Sasol Wax GmbH gespielt habe; es habe keine Fälle gegeben, in denen der Aufsichtsrat Einfluss auf das Management der Sasol Wax GmbH ausgeübt habe, und die Direktoren der Sasol Wax GmbH hätten regelmäßig Maßnahmen getroffen, die entscheidend für das strategische Geschäftsverhalten der Sasol Wax GmbH gewesen seien, ohne zuvor die Genehmigung des Aufsichtsrats einzuholen; die Befugnisse, die dem Aufsichtsrat übertragen wurden, zeigen jedoch, dass der Aufsichtsrat durchaus eine strategische und finanzielle Rolle und Verantwortung übernehmen sollte, die vom üblichen Tagesgeschäft der Gesellschaft zu unterscheiden sind, für das der Verwaltungsrat und die Direktoren der Gesellschaft zuständig waren.

    (499) Außerdem argumentiert Sasol, dass die Sasol Wax International AG keinen Einfluss ausgeübt habe, werde auch aus der Tatsache deutlich, dass Vertreter von Sasol in den technischen Treffen weiterhin die früheren Vara-Leute gewesen seien und dass die Führungskräfte des Geschäftsbereichs, auf deren Tätigkeit sich die technischen Treffen ausgewirkt hätten, nicht in Beziehung zur Sasol Ltd gestanden hätten. Bezüglich des Verhaltens der so genannten früheren Vara-Leute ist festzustellen, dass die betreffenden Personen in dem Zeitraum, in dem sie das illegale Verhalten gezeigt haben, Mitarbeiter der Sasol-Gruppe waren; dabei ist unerheblich, ob sie früher bei Vara beschäftigt waren oder dass ihr unmittelbarer Arbeitgeber eine Tochtergesellschaft der Sasol Wax International AG, der Sasol Holding in Germany GmbH oder der Sasol Ltd war, so lange nachgewiesen werden kann, dass die Muttergesellschaften bestimmenden Einfluss auf diese Tochtergesellschaft ausgeübt haben.“

    Allgemeine Bemerkungen

    145. Nach der Rechtsprechung war es Sache der Klägerinnen, um die oben in Rn. 134 beschriebene Vermutung der Ausübung eines bestimmenden Einflusses der Muttergesellschaft auf das Verhalten ihrer Tochtergesellschaft zu widerlegen, alle Angaben in Bezug auf die organisatorischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Verbindungen zwischen Sasol Wax und Sasol Wax International vorzulegen, die ihrer Ansicht nach dem Nachweis dienen könnten, dass sie keine wirtschaftliche Einheit darstellen. Das Gericht muss bei seiner Würdigung alle ihm vorgelegten Angaben berücksichtigen, wobei deren Charakter und Bedeutung je nach den Merkmalen des jeweiligen Falls variieren können (Urteil des Gerichts vom 12. Dezember 2007, Akzo Nobel u. a./Kommission, oben in Rn. 108 angeführt, Rn. 65, bestätigt durch Urteile des Gerichtshofs vom 10. September 2009, Akzo Nobel u. a./Kommission, oben in Rn. 30 angeführt, und vom 13. Juli 2011, Eni/Kommission, T‑39/07, Slg. 2011, II‑4457, Rn. 95).

    146. Diese Vermutung beruht auf der Feststellung, dass zum einen – von wirklich außergewöhnlichen Umständen abgesehen – eine Gesellschaft, die die Gesamtheit des Kapitals einer Tochtergesellschaft hält, allein aufgrund dieser Beteiligung einen bestimmenden Einfluss auf das Verhalten dieser Tochtergesellschaft ausüben kann und dass es zum anderen normalerweise am zweckmäßigsten ist, in der Sphäre der Einheiten, denen gegenüber diese Vermutung eingreift, zu ermitteln, ob diese Befugnis zur Einflussnahme tatsächlich nicht ausgeübt wurde (Urteil des Gerichtshofs vom 29. September 2011, Elf Aquitaine/Kommission, C‑521/09 P, Slg. 2011, I‑8947, Rn. 60).

    147. Zudem rechtfertigt sich die Anwendung einer solchen Vermutung dadurch, dass die Muttergesellschaft, wenn sie alleinige Anteilseignerin der Tochtergesellschaft ist, über alle in Betracht kommenden Instrumente verfügt, um das Geschäftsverhalten der Tochtergesellschaft auf ihr eigenes abzustimmen. Insbesondere bestimmt der Alleinaktionär, indem er ihre Satzung beschließt, grundsätzlich den Umfang der Eigenständigkeit der Tochtergesellschaft, er wählt ihre Geschäftsführer aus und trifft oder genehmigt die strategischen Geschäftsentscheidungen der Tochtergesellschaft, gegebenenfalls durch seine Vertreter in deren Organen. Darüber hinaus wird die wirtschaftliche Einheit zwischen der Muttergesellschaft und ihrer Tochtergesellschaft gewöhnlich zusätzlich durch Verpflichtungen gesichert, die sich aus dem Gesellschaftsrecht der Mitgliedstaaten ergeben, etwa zur Erstellung konsolidierter Abschlüsse, durch die Verpflichtung der Tochtergesellschaft, der Muttergesellschaft in regelmäßigen Zeiträumen über ihre Tätigkeit Bericht zu erstatten, sowie durch die Feststellung der Jahresabschlüsse der Tochtergesellschaft durch die allein aus der Muttergesellschaft gebildete Hauptversammlung, was notwendigerweise impliziert, dass die Muttergesellschaft die Geschäftstätigkeiten der Tochtergesellschaft zumindest in ihren Grundzügen verfolgt.

    148. Sodann ist hervorzuheben, dass bei einer Tochtergesellschaft, die zu 100 % oder nahezu 100 % von einer einzigen Muttergesellschaft gehalten wird, im Grunde ein einziges geschäftliches Interesse besteht und die Mitglieder der Organe der Tochtergesellschaft von dem alleinigen Anteilseigner bestimmt und ernannt werden, der ihnen zumindest informell Weisungen erteilen und Leistungskriterien vorgeben kann. Daher besteht in einem solchen Fall notwendigerweise ein Vertrauensverhältnis zwischen der Geschäftsleitung der Tochtergesellschaft und derjenigen der Muttergesellschaft, und diese Geschäftsleitungen verhalten sich zwangsläufig so, dass sie das einzige bestehende geschäftliche Interesse, nämlich das der Muttergesellschaft, vertreten und fördern (vgl. auch oben, Rn. 35). So ist die Einheitlichkeit des Marktverhaltens der Mutt ergesellschaft und ihrer Tochtergesellschaft trotz der Eigenständigkeit gewährleistet, über die die Geschäftsleitung der Tochtergesellschaft bei der Führung von deren operativem Geschäft verfügt, welche sich nach der für die Tochtergesellschaft festgelegten Geschäftspolitik im engeren Sinne richtet. Zudem ist es in der Regel der einzige Anteilseigner, der allein und nach seinen eigenen Interessen die Modalitäten der Entscheidungsfindung einer Tochtergesellschaft bestimmt und den Umfang ihrer operativen Eigenständigkeit bestimmt. Dies kann er nach seinem eigenen Willen durch neu festgelegte Regeln für die Betriebsführung der Tochtergesellschaft oder im Rahmen einer Umstrukturierung oder selbst durch die Schaffung informeller Entscheidungsstrukturen ändern.

    149. Somit erscheint die Anwendung der Vermutung, die Muttergesellschaft habe tatsächlich einen bestimmenden Einfluss auf das Geschäftsverhalten ihrer Tochtergesellschaft ausgeübt, gerechtfertigt, da sie Situationen, die für die Beziehungen zwischen einer Tochtergesellschaft und ihrer einzigen Muttergesellschaft charakteristisch sind, dadurch erfasst, dass ihr zufolge der Umstand, dass das gesamte oder nahezu gesamte Kapital einer Tochtergesellschaft von einer einzigen Muttergesellschaft gehalten wird, grundsätzlich ein einheitliches Verhalten dieser beiden Gesellschaften auf dem Markt impliziert.

    150. Gleichwohl verfügen die betroffenen Gesellschaften nach der Mitteilung der Beschwerdepunkte uneingeschränkt über die Möglichkeit, den Beweis dafür zu führen, dass die oben in den Rn. 147 und 148 beschriebenen Mechanismen, die gewöhnlich zur Abstimmung des Geschäftsverhaltens der Tochtergesellschaft auf das ihrer Muttergesellschaft führen, nicht normal funktioniert haben, so dass die wirtschaftliche Einheit der Gruppe aufgehoben wurde.

    Zur operativen Geschäftsführung von Sasol Wax

    151. Die Klägerinnen sind der Auffassung, den Beweis erbracht zu haben, dass die Sasol-Gruppe die Politik verfolgt habe, sich nicht in das eigenständige Verhalten ihrer Tochtergesellschaft Sasol Wax einzumischen. Sie berufen sich insoweit auf eine von der Geschäftsleitung von Sasol Wax International am 9. April 2001 unterzeichnete Mitteilung.

    152. Laut den Klägerinnen „mussten die Angelegenheiten des operativen Tagesgeschäfts von Sasol Wax als eigenständige Einheit behandelt werden“, während die „Visionen, Aufgaben und Strategien“ von Sasol Wax International zu entwickeln waren. Außerdem seien die Geschäftsführer von Sasol Wax zu keinem Zeitpunkt der Ausübung eines Vetos von Sasol Wax International gegenübergestanden, und die Geschäftsleitung Letzterer in der Sasol-Phase könne sich an keine Weisung an die Geschäftsführer von Sasol Wax erinnern.

    153. Hierzu hat das Gericht bereits entschieden, dass der Umstand, dass eine Tochtergesellschaft eine eigene örtliche Geschäftsleitung hat und über ihre eigenen Mittel verfügt, für sich genommen nicht beweist, dass sie ihr Marktverhalten gegenüber ihrer Muttergesellschaft eigenständig bestimmt. Die Aufgabenteilung zwischen Tochtergesellschaften und ihren Muttergesellschaften, insbesondere der Umstand, dass die Führung der laufenden Geschäfte der lokalen Geschäftsleitung einer 100%igen Tochtergesellschaft übertragen wird, ist eine gängige Praxis großer Unternehmen, die aus einer Vielzahl von Tochtergesellschaften bestehen, die letztlich von derselben Konzernobergesellschaft gehalten werden. Bei einer 100%igen oder nahezu 100%igen Beteiligung am Kapital der unmittelbar an der Zuwiderhandlung beteiligten Tochtergesellschaft sind die insoweit vorgelegten Beweise nicht geeignet, die Vermutung, dass die Muttergesellschaft und die Konzernobergesellschaft tatsächlich bestimmenden Einfluss auf das Verhalten der Tochtergesellschaft ausgeübt haben, zu widerlegen (vgl. in diesem Sinne Urteil Alliance One International/Kommission, oben in Rn. 35 angeführt, Rn. 130 und 131).

    154. Diese Lösung ist im Übrigen durch die Erwägungen oben in den Rn. 35, 147 und 148 gerechtfertigt, aus denen sich ergibt, dass die Geschäftsleitung der zu 100 % oder nahezu 100 % von einer einzigen Muttergesellschaft gehaltenen Tochtergesellschaft sich gewöhnlich so verhält, dass sie die einzigen bestehenden geschäftlichen Interessen, nämlich die der einzigen Muttergesellschaft, vertritt und fördert. Somit stellt die Geschäftsleitung der Tochtergesellschaft bei der Ausübung ihrer autonomen Befugnisse grundsätzlich sicher, dass das Geschäftsverhalten der Tochtergesellschaft mit dem des übrigen Konzerns in Einklang steht.

    155. Daraus folgt, dass das Vorbringen der Klägerinnen zur operativen Eigenständigkeit von Sasol Wax, das eine Aufhebung der aus Sasol Wax und Sasol Wax International bestehenden wirtschaftlichen Einheit nicht zu belegen vermag, zurückzuweisen ist.

    Zu den strategischen Geschäftsentscheidungen

    156. Erstens bringen die Klägerinnen vor, Sasol Wax International habe keinen Gebrauch von ihrer Befugnis gemacht, die Geschäftsführer von Sasol Wax zu benennen, und habe die ehemalige Leitung von HOS nicht ersetzt. Sasol Wax sei in der Tradition der Familie Schümann als eigenständige wirtschaftliche Einheit von drei von HOS übernommenen Geschäftsführern geleitet worden. Die Kommission habe einen Rechtsfehler begangen, indem sie in der angefochtenen Entscheidung die Relevanz dieses Umstands verneint und angenommen habe, dass es genüge, dass Sasol Wax International die Befugnis gehabt habe, die Geschäftsführer zu benennen.

    157. Ein solches Vorbringen wurde vom Gericht jedoch bereits in seinem Urteil Alliance One/Kommission, oben in Rn. 35 angeführt (Rn. 137), zurückgewiesen. Angesichts der Befugnis des Alleingesellschafters, im vorliegenden Fall Sasol Wax International, nach dem Erwerb des gesamten Kapitals von Sasol Wax deren Geschäftsführer auszuwählen, kann der Verbleib dieser Geschäftsführer in ihrer Funktion nur einer Entscheidung der einzigen Muttergesellschaft zugeschrieben werden, und er zeigt die Verbindung dieser Geschäftsführer zur Muttergesellschaft. Daher ist dieser Umstand nicht geeignet, die Vermutung, dass die Muttergesellschaft tatsächlich einen bestimmenden Einfluss auf das Verhalten ihrer Tochtergesellschaft ausgeübt hat, zu widerlegen.

    158. Zweitens weisen die Klägerinnen darauf hin, dass sie die Protokolle aller Sitzungen des Aufsichtsrats von Sasol Wax und Sasol Wax International vorgelegt hätten. Keines dieser Dokumente enthalte einen Hinweis auf einen bedeutenden Einfluss, den die unmittelbaren und mittelbaren Muttergesellschaften von Sasol Wax auf diese ausgeübt hätten. Außerdem hätten die Geschäftsführer von Sasol Wax regelmäßig Initiativen betreffend das strategische Geschäftsverhalten Letzterer ergriffen, ohne die Genehmigung des Aufsichtsrats oder der Gesellschafter einzuholen. Dies sei bei den langfristigen Lieferverträgen mit ExxonMobil und Shell, die allein von den Geschäftsführern von Sasol Wax verhandelt und abgeschlossen worden seien, bei der Zuordnung des Personals der Profit-Center von Sasol Wax sowie bei einem Programm zur Kostenreduzierung und zur Vergabe von Unteraufträgen an Dritte hinsichtlich der Logistikdienstleistungen von Sasol Wax der Fall gewesen.

    159. Es ist festzustellen, dass die Initiativen der Geschäftsführer von Sasol Wax nicht die unter dem Gesichtspunkt der Beurteilung der Einheitlichkeit des Marktverhaltens der Tochtergesellschaft und ihrer Muttergesellschaft bedeutendsten strategischen Geschäftsentscheidungen betreffen, wie die über die Finanzplanung, den Geschäftsplan, über große Investitionen oder die Ernennung von Mitgliedern der Unternehmensleitung. Die Klägerinnen bestreiten auch nicht, dass der Aufsichtsrat für die Genehmigung der Jahresabschlüsse von Sasol Wax zuständig war.

    160. Nach alledem ist daher festzustellen, dass das Vorbringen der Klägerinnen nicht belegt, dass die Mechanismen, die gewöhnlich die Einheitlichkeit des Marktverhaltens der Muttergesellschaft und ihrer zu 100 % gehaltenen Tochtergesellschaft sicherstellen und die Grundlage der Vermutung der tatsächlichen Ausübung eines bestimmenden Einflusses bilden, aufgehoben wurden (vgl. oben, Rn. 147 und 148), so dass die Kommission hinreichend nachweisen konnte, dass eine wirtschaftliche Einheit vorlag, die dem Begriff des Unternehmens nach Art. 81 EG entsprach.

    Zur Unwiderleglichkeit der Vermutung

    161. Nach Ansicht der Klägerinnen wäre für den Fall, dass entgegen dem gesamten Vorbringen der Klägerinnen festgestellt werden sollte, dass dieses nicht ausreicht, um die Vermutung der tatsächlichen Ausübung eines bestimmenden Einflusses der Muttergesellschaft auf das Verhalten ihrer Tochtergesellschaft zu widerlegen, diese Vermutung unter Verstoß gegen Art. 2 der Verordnung Nr. 1/2003, die Begründungspflicht, den Grundsatz der persönlichen Verantwortlichkeit und die Unschuldsvermutung faktisch unwiderleglich.

    162. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die zur Widerlegung der in Rede stehenden Vermutung zusammengetragenen Argumente der Klägerinnen die übliche Funktionsweise eines großen internationalen Unternehmens beschreiben, dessen örtliche Einheit, Sasol Wax, von Geschäftsführern geleitet wird, die mit Entscheidung von Sasol Wax International, ihrer 100 %igen Muttergesellschaft, auf ihren Positionen bestätigt wurden, wobei diese auch beschlossen hat, diesen Geschäftsführern die Befugnisse zur Festlegung der Geschäftspolitik im engen Sinne zu übertragen, und sich die Befugnis vorbehalten hat, die strategischen Geschäftsentscheidungen im Aufsichtsrat und der Hauptversammlung von Sasol Wax zu treffen.

    163. Die Widerlegung der Vermutung, dass die Muttergesellschaft tatsächlich einen bestimmenden Einfluss auf das Verhalten ihrer Tochtergesellschaft ausgeübt hat, ist jedoch keine Frage der Menge und der Detailliertheit der Beweise, wenn sich aus diesen ergibt, dass eine für ein großes multinationales Unternehmen normale Organisationssituation vorliegt, in der die Befugnisse der operativen Geschäftsführung an die Geschäftsführer seiner örtlichen Einheiten übertragen sind. Um diese Vermutung zu widerlegen, sind außergewöhnliche Umstände darzulegen, die zeigen, dass die wirtschaftliche Einheit der Gruppe, obwohl das gesamte Kapital der Tochtergesellschaften der Gruppe von ihren Muttergesellschaften gehalten wird, aufgehoben worden ist, da die Mechanismen, die gewöhnlich für die Abstimmung des Geschäftsverhaltens der Tochtergesellschaft auf das ihrer Muttergesellschaft sorgen, nicht normal funktioniert haben.

    164. Die Klägerinnen haben jedoch im vorliegenden Fall keine solchen Umstände vorgetragen.

    165. Ferner ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof und das Gericht bereits festgestellt haben, dass die Vermutung, dass die Muttergesellschaft einen bestimmenden Einfluss auf das Verhalten ihrer Tochtergesellschaft ausgeübt hat, nicht unwiderleglich ist. Aus der Rechtsprechung ergibt sich, dass sich eine Vermutung – selbst wenn sie schwer zu widerlegen ist – innerhalb akzeptabler Grenzen hält, wenn sie im Hinblick auf das verfolgte legitime Ziel angemessen ist, die Möglichkeit besteht, den Beweis des Gegenteils zu erbringen, und die Verteidigungsrechte gewahrt sind (Urteil Elf Aquitaine/Kommission, oben in Rn. 146 angeführt, Rn. 62, und Urteil des Gerichts vom 27. September 2012, Shell Petroleum u. a./Kommission, T‑343/06, Rn. 54). Dies ist bei der Vermutung, dass die Tochtergesellschaft und ihre einzige Muttergesellschaft eine wirtschaftliche Einheit gebildet haben, auch im Hinblick auf die Erwägungen oben in den Rn. 147 bis 150, der Fall.

    166. Daher ist die Rüge der Klägerinnen, mit der eine Unwiderleglichkeit der in Rede stehenden Vermutung beanstandet wird, zurückzuweisen.

    Ergebnis

    167. Nach alledem ist festzustellen, dass die Kommission zu Recht davon ausgegangen ist, dass Sasol Wax und Sasol Wax International eine wirtschaftliche Einheit im Sinne der oben in Rn. 36 angeführten Rechtsprechung bildeten, so dass die zu dieser Einheit gehörenden Gesellschaften für die in Rede stehende Zuwiderhandlung gesamtschuldnerisch haftbar gemacht werden konnten.

    168. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerinnen weder zur Widerlegung der Vermutung der tatsächlichen Ausübung eines bestimmenden Einflusses auf das Geschäftsverhalten von Sasol Wax durch Sasol Holding in Germany noch zur Widerlegung dieser Vermutung in Bezug auf die tatsächliche Ausübung eines solchen Einflusses durch die Sasol Ltd auf Letztere ein spezifisches Argument vorbringen.

    169. Deshalb ist der zweite Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

    Zum Beweisangebot der Klägerinnen

    170. Die Klägerinnen schlagen vor, Herrn C. D. I. und Herrn R. G. S., Geschäftsführer von Sasol Wax in der Sasol-Phase, zu der Tatsache als Zeugen zu vernehmen, dass weder Sasol Wax International noch Sasol Ltd ihrer Tochtergesellschaft Weisungen erteilt hätten und Sasol Wax ihr Geschäftsverhalten unabhängig bestimmt habe.

    171. In Anbetracht obiger Erwägungen ist das Gericht der Ansicht, dass diese Zeugenaussagen keinen Einfluss auf die Frage haben können, ob die von Sasol Wax begangene Zuwiderhandlung Sasol Wax International, Sasol Holding in Germany und Sasol Ltd zuzurechnen ist. Daher ist das Beweisangebot der Klägerinnen zurückzuweisen.

    3. Zum dritten Klagegrund: gesamtschuldnerische Haftung von Vara in der Schümann-Phase und der Phase des Gemeinschaftsunternehmens

    172. Die Klägerinnen bringen vor, in der Schümann-Phase sei die unmittelbar an der Zuwiderhandlung beteiligte Gesellschaft, HOS, von Vara und letztlich von Herrn Schümann persönlich kontrolliert worden. In der Phase des Gemeinschaftsunternehmens habe Vara auch zumindest eine gemeinsame Kontrolle über die operative Einheit, Schümann Sasol, ausgeübt. Da die Kommission Vara die Verantwortung für das Verhalten von HOS und Schümann Sasol nicht zugerechnet und nur die gesamtschuldnerische Haftung von Sasol für die Phase des Gemeinschaftsunternehmens festgestellt habe, habe sie Sasol gegenüber Vara diskriminiert.

    173. Die Kommission erkläre in keiner Weise, warum sie Sasol zum einen und Vara/Herrn Schümann zum anderen unterschiedlich behandelt habe. Außerdem weisen die Klägerinnen auf die im Urteil HFB u. a./Kommission, oben in Rn. 33 angeführt (Rn. 105), aufgestellten Grundsätze hin.

    174. Dieses Vorgehen der Kommission gefährde ernsthaft die Rechtsbehelfe, die Sasol Ltd, Sasol Holding in Germany und Sasol Wax International im Hinblick auf eine Rückgriffsklage gegen Herrn Schümann und/oder Vara zur Verfügung stünden, da Sasol nachweisen müsste, dass Letztere an der Zuwiderhandlung teilgenommen hätten. Ein solcher Beweis sei jedoch besonders schwierig, da die Klägerinnen die Gründe darzulegen hätten, aus denen die Kommission weder die Verantwortlichkeit von Vara noch die von Herrn Schümann festgestellt habe. Außerdem wäre die Feststellung der gesamtschuldnerischen Haftung Letzterer für Sasol umso wichtiger gewesen, als das Kartell u. a. von HOS und Herrn Schümann zu einem Zeitpunkt ins Leben gerufen worden sei, zu dem Sasol im europäischen Paraffinwachssektor keinerlei Tätigkeit ausgeübt habe.

    175. Schließlich habe die Kommission mangels Feststellung der gesamtschuldnerischen Haftung von Vara die von Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 vorgesehene Obergrenze von 10 % im Verhältnis zum Umsatz von Vara nicht angewandt.

    176. Die Kommission macht geltend, sie verfüge über ein Ermessen bei der Entscheidung, welche Einheiten eines Unternehmens sie für eine Zuwiderhandlung verantwortlich mache, wobei ihre Bewertung für jeden einzelnen Fall gesondert vorgenommen werde, und sie sei nicht verpflichtet, die Tatsache zu begründen, dass sie gegenüber Dritten keine ähnlichen Entscheidungen erlassen habe wie die, die an die verantwortlich gemachten Einheiten gerichtet seien.

    177. Jedenfalls könne nach der Rechtsprechung ein Unternehmen, das durch sein Verhalten gegen Art. 81 Abs. 1 EG verstoßen habe, nicht deshalb jeder Sanktion entgehen, weil gegen ein anderes Unternehmen keine Geldbuße verhängt worden sei. Auch wenn die Kommission einen Fehler begangen hätte, indem sie Vara die Zuwiderhandlung nicht zugerechnet habe, müsse der Grundsatz der Gleichbehandlung mit dem Gebot rechtmäßigen Handelns in Einklang gebracht werden, wonach sich niemand zu seinem Vorteil auf eine gegenüber anderen begangene Rechtsverletzung berufen könne.

    178. Vorweg ist darauf hinzuweisen, dass der Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz für die Phase des Gemeinschaftsunternehmens nicht zu prüfen ist, da dem ersten Klagegrund stattgegeben worden ist und die angefochtene Entscheidung in dieser Hinsicht für nichtig erklärt wird.

    179. Im Zuge der folgenden Erörterungen wird das Gericht nur die Rüge der Klägerinnen betreffend die Diskriminierung gegenüber Vara und Herrn Schümann in Bezug auf die Schümann-Phase prüfen.

    180. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission im 457. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung ausdrücklich einräumt, dass „HOS als unmittelbar an der Zuwiderhandlung beteiligtes Unternehmen letztlich von Herrn … Schümann persönlich kontrolliert wurde und dass die Verantwortung für die in diesem Zeitraum begangenen Zuwiderhandlungen letztlich bei Herrn Schümann liegt“. Die Kommission hat jedoch für die von HOS begangene Zuwiderhandlung weder Vara, deren unmittelbare Muttergesellschaft, noch Herrn Schümann gesamtschuldnerisch haftbar gemacht.

    181. Nach der Rechtsprechung ist der Grundsatz der Gleichbehandlung, der verlangt, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden dürfen, es sei denn, dass eine solche Behandlung objektiv gerechtfertigt ist, ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts, der in den Art. 20 und 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankert ist (Beschluss des Gerichtshofs vom 15. Juni 2012, Otis Luxembourg u. a./Kommission, C‑494/11 P, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Rn. 53; vgl. in diesem Sinne auch Urteil des Gerichtshofs vom 14. September 2010, Akzo Nobel Chemicals und Akcros Chemicals/Kommission, C‑550/07 P, Slg. 2010, I‑8301, Rn. 54 und 55).

    182. Außerdem steht die von der oben in Rn. 36 angeführten Rechtsprechung vorgesehene Möglichkeit, der Muttergesellschaft die Sanktion für das rechtswidrige Verhalten ihrer Tochtergesellschaft aufzuerlegen, der Verhängung einer Sanktion gegen die Tochtergesellschaft selbst nicht entgegen. Ein Unternehmen – d. h. eine aus persönlichen, materiellen und immateriellen Elementen bestehende wirtschaftliche Einheit (Urteil des Gerichtshofs vom 13. Juli 1962, Mannesmann/Hohe Behörde, 19/61, Slg. 1962, 719, 750) – wird nämlich von den nach seiner Rechtsform vorgesehenen Organen geleitet und alle Entscheidungen, mit denen ihm eine Geldbuße auferlegt wird, können an die satzungsgemäße Leitung des Unternehmens (Verwaltungsrat, Vorstand, Präsident, Geschäftsführer usw.) gerichtet werden, auch wenn die finanziellen Auswirkungen letztlich von seinen Eigentümern getragen werden. Gegen diesen Grundsatz würde verstoßen, wenn von der Kommission verlangt würde, bei einem rechtswidrigen Verhalten eines Unternehmens stets zu prüfen, wer der Eigentümer ist, der maßgebenden Einfluss auf das Unternehmen ausübt, und wenn sie nur gegen diesen Eigentümer eine Sanktion verhängen dürfte (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 29. April 2004, Tokai Carbon u. a./Kommission, T‑236/01, T‑239/01, T‑244/01 bis T‑246/01, T‑251/01 und T‑252/01, Slg. 2004, II‑1181, Rn. 279 bis 281). Die Befugnis, gegen die Muttergesellschaft eine Sanktion wegen des Verhaltens einer Tochtergesellschaft zu verhängen, wirkt sich daher nicht auf die Rechtmäßigkeit einer allein an die an der Zuwiderhandlung beteiligte Tochtergesellschaft gerichteten Entscheidung aus, weil die Kommission die Wahl hat, die Sanktion entweder der an der Zuwiderhandlung beteiligten Tochtergesellschaft oder der Muttergesellschaft aufzuerlegen, die sie im fraglichen Zeitraum kontrollierte (Urteil des Gerichts vom 14. Dezember 2006, Raiffeisen Zentralbank Österreich u. a./Kommission, T‑259/02 bis T‑264/02 und T‑271/02, Slg. 2006, II‑5169, Rn. 331).

    183. Diese Wahl hat die Kommission auch im Fall einer wirtschaftlichen Nachfolge in der Kontrolle über die Tochtergesellschaft. In diesem Fall kann die Kommission zwar das Verhalten der Tochtergesellschaft für die Zeit vor dem Übergang der alten Muttergesellschaft und für die Zeit danach der neuen Muttergesellschaft zurechnen, doch ist sie dazu nicht verpflichtet und kann sich dafür entscheiden, nur die Tochtergesellschaft wegen ihres eigenen Verhaltens mit einer Sanktion zu belegen (Urteil Raiffeisen Zentralbank Österreich u. a./Kommission, oben in Rn. 182 angeführt, Rn. 332).

    184. Im vorliegenden Fall rügen die Klägerinnen nicht die Zurechnung der von HOS begangenen Zuwiderhandlung an Sasol Wax aufgrund der Rechtsnachfolge zwischen Gesellschaften. Eine solche Zurechnung ist im Übrigen durch die Rechtsprechung gerechtfertigt, nach der eine rechtliche oder organisatorische Änderung einer Einrichtung, die gegen Wettbewerbsregeln verstoßen hat, nicht zwingend zur Folge hat, dass ein neues, von der Haftung für wettbewerbswidrige Handlungen seines Vorgängers befreites Unternehmen entsteht, sofern die beiden Einrichtungen wirtschaftlich gesehen identisch sind (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 24. September 2009, Erste Group Bank u. a./Kommission, C‑125/07 P, C‑133/07 P, C‑135/07 P und C‑137/07 P, Slg. 2009, I‑8681, Rn. 79 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    185. Die Klägerinnen sind dagegen der Auffassung, dass die Kommission, da sie Sasol Wax International, Sasol Holding in Germany und Sasol Ltd für die Sasol-Phase mit Sasol Wax gesamtschuldnerisch haftbar gemacht habe, die Muttergesellschaften von HOS für die Schümann-Phase nicht von der gesamtschuldnerischen Haftung habe befreien können, ohne gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz zu verstoßen.

    186. Es ist festzustellen, dass sich Sasol Wax International, Sasol Holding in Germany und Sasol Ltd, da sie in der Sasol-Phase die Gesamtheit des Kapitals der unmittelbar an der Zuwiderhandlung beteiligten Gesellschaft hielten, in einer identischen Situation wie Vara und Herr Schümann in der Schümann-Phase befanden.

    187. Daher hat die Kommission zwei vergleichbare Sachverhalte unterschiedlich behandelt.

    188. Das weitere Vorbringen der Kommission vermag diese Feststellung nicht in Frage zu stellen.

    189. Erstens macht die Kommission geltend, die Regeln über die Verjährung nach Art. 25 der Verordnung Nr. 1/2003 hätten sie daran gehindert, die gesamtschuldnerische Haftung von Vara und Herrn Schümann für die von HOS begangene Zuwiderhandlung festzustellen, da diese die Gesamtheit des Kapitals nur bis zum 30. April 1995 gehalten hätten.

    190. Ohne dass das Gericht im Rahmen des vorliegenden Verfahrens die Verantwortlichkeit von Vara und Herrn Schümann für die von Schümann Sasol begangene Zuwiderhandlung zu bestimmen hat, ist es insoweit möglich, dass die Frage, ob eine solche Verantwortlichkeit besteht, von der Kommission geprüft wurde, ohne die Beurteilungsfehler zu begehen, die bei der Prüfung des ersten Klagegrundes festgestellt wurden. Für den Fall, dass die Kommission jedoch festgestellt hätte, dass die Verantwortlichkeit von Vara und Herrn Schümann die Phase des Gemeinschaftsunternehmens betraf, die im vorliegenden Fall bis zum 30. Juni 2002 dauerte, wäre am 17. März 2005, als die Kommission vom Kartell und der Beteiligung von HOS unterrichtet wurde, keine der Verjährungsfristen nach Art. 25 der Verordnung Nr. 1/2003 verstrichen gewesen.

    191. Daraus folgt, dass das Vorbringen der Kommission in Bezug auf die Verjährung zurückzuweisen ist, da sie sich zur Begründung einer Ungleichbehandlung nicht mit Erfolg auf einen Unterschied zwischen der Situation von Vara und Herrn Schümann zum einen und der der Klägerinnen zum anderen berufen kann, der ohne von ihr begangene Beurteilungsfehler möglicherweise nicht vorgelegen hätte.

    192. Zweitens kann die von der Kommission angeführte Rechtsprechung an der oben in Rn. 187 angeführten Ungleichbehandlung nichts ändern. In seinem Urteil Raiffeisen Zentralbank Österreich u. a./Kommission, oben in Rn. 182 angeführt (Rn. 331), hat das Gericht nämlich bestätigt, dass die Kommission die Verantwortung zu Recht „entweder der an der Zuwiderhandlung beteiligten Tochtergesellschaft oder der Muttergesellschaft [auferlegen kann], die sie im fraglichen Zeitraum kontrollierte“, aber es hat nicht festgestellt, dass die Kommission die neue Muttergesellschaft für die Zeit nach dem Übergang der Tochtergesellschaft gesamtschuldnerisch haftbar machen und gleichzeitig die alte Muttergesellschaft von der gesamtschuldnerischen Haftung für die Zeit vor dem Übergang befreien könne. Ebenso lässt die Rechtsprechung die Praxis der Kommission zu, entweder nur die unmittelbar am Kartell beteiligte Gesellschaft oder sowohl die alte als auch die neue Muttergesellschaft gesamtschuldnerisch mit der Tochtergesellschaft zur Verantwortung zu ziehen (Urteile des Gerichts vom 13. September 2010, Trioplast Industrier/Kommission, T‑40/06, Slg. 2010, II‑4893, Rn. 72, und vom 3. März 2011, Areva u. a./Kommission, T‑117/07 und T‑121/07, Slg. 2011, II‑633, Rn. 137). Dagegen bringt die Kommission keinen Präzedenzfall vor, in dem eine Verantwortlichkeitsverteilung wie die von ihr im vorliegenden Fall festgestellte von der Rechtsprechung bestätigt worden wäre.

    193. Somit sind die Folgen der oben in Rn. 187 festgestellten Ungleichbehandlung zu prüfen.

    194. Nach der Rechtsprechung muss die Beachtung des Grundsatzes der Gleichbehandlung mit der Beachtung des Gebots rechtmäßigen Handelns in Einklang gebracht werden, woraus sich ergibt, dass sich niemand darauf berufen kann, das Recht sei zugunsten eines anderen fehlerhaft angewandt worden. Denn ein etwaiges rechtswidriges Handeln zugunsten eines anderen Unternehmens, das am Verfahren vor dem Gericht nicht beteiligt ist, kann nicht dazu führen, dass das Gericht eine Diskriminierung und damit ein rechtswidriges Handeln gegenüber den Klägerinnen feststellt. Eine solche Vorgehensweise liefe darauf hinaus, den Grundsatz der „Gleichbehandlung im Unrecht“ anzuerkennen und die Kommission dazu zu verpflichten, die ihr vorliegenden Beweise für die Verhängung einer Sanktion gegen ein Unternehmen, das eine damit bedrohte Zuwiderhandlung begangen hat, allein deshalb unberücksichtigt zu lassen, weil ein anderes Unternehmen in möglicherweise vergleichbarer Lage rechtswidrig einer solchen Sanktion entgangen ist. Im Übrigen kann ein Unternehmen, das durch sein Verhalten gegen Art. 81 Abs. 1 EG verstoßen hat, nicht deshalb jeder Sanktion entgehen, weil gegen andere Wirtschaftsteilnehmer, mit deren Situation der Unionsrichter – wie im vorliegenden Fall – nicht befasst ist, keine Geldbuße verhängt wurde (Urteil des Gerichtshofs vom 31. März 1993, Ahlström Osakeyhtiö u. a./Kommission, C‑89/85, C‑104/85, C‑114/85, C‑116/85, C‑117/85 und C‑125/85 bis C‑129/85, Slg. 1993, I‑1307, Rn. 197, sowie Urteil des Gerichts vom 16. November 2006, Peróxidos Orgánicos/Kommission, T‑120/04, Slg. 2006, II‑4441, Rn. 77).

    195. Die Kommission hat jedoch zu Recht festgestellt, dass Sasol Wax für die von HOS begangene Zuwiderhandlung, deren Nachfolgerin sie als unmittelbar am Kartell beteiligte Gesellschaft wurde, verantwortlich war (vgl. oben, Rn. 184), so dass diese für den Zeitraum vom 3. September 1992 bis zum 28. April 2005 rechtmäßig verurteilt werden konnte.

    196. Wie sich aus der Prüfung des zweiten Klagegrundes ergibt, beging die Kommission auch keinen Fehler, als sie die Verantwortlichkeit für die unmittelbar von Sasol Wax in der Sasol-Phase begangene Zuwiderhandlung Sasol Wax International, Sasol Holding in Germany und Sasol Ltd zugerechnet hat. Folglich machte die Kommission sie für den Zeitraum vom 1. Juli 2002 bis zum 28. April 2005 zu Recht gesamtschuldnerisch haftbar, so dass der vorliegende Klagegrund insoweit zurückzuweisen ist.

    197. Die oben in Rn. 187 festgestellte Ungleichbehandlung rechtfertigt dagegen die Abänderung der angefochtenen Entscheidung, soweit sie die Erhöhung der Verantwortlichkeit von Sasol Wax International, Sasol Holding in Germany und Sasol Ltd hinsichtlich des für die Schümann-Phase verhängten Teils der Geldbuße (vgl. unten, Rn. 452) zur Folge hat.

    198. Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass die Tatsache, dass die angefochtene Entscheidung nicht in Bezug auf die fehlende Verurteilung von Vara und Herrn Schümann für das Verhalten von HOS für nichtig erklärt wird, keine Auswirkung auf das etwaige Recht der Klägerinnen hat, eine Rückgriffsklage vor dem nationalen Gericht zu erheben.

    4. Zum vierten Klagegrund: unrichtige Festsetzung des Grundbetrags der Geldbuße

    Zum ersten Teil: keine wirksame Rechtsgrundlage der angefochtenen Entscheidung

    199. Als Erstes machen die Klägerinnen geltend, Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 stelle keine wirksame Rechtsgrundlage für den Erlass der angefochtenen Entscheidung dar.

    200. Diese Bestimmung entspreche nämlich nicht dem Erfordernis einer „klaren und unzweideutigen Rechtsgrundlage“, die für Entscheidungen der Kommission mit repressivem Charakter erforderlich sei, insbesondere im Hinblick auf Art. 6 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK) und die Charta der Grundrechte, da sie der Kommission völlige Freiheit bei der Verhängung von Geldbußen innerhalb der Obergrenze von 10 % des Umsatzes des betreffenden Unternehmen lasse.

    201. Es ist darauf hinzuweisen, dass das Gericht ein solches Vorbringen bereits geprüft und zurückgewiesen hat.

    202. Zunächst ist das Vorbringen der Klägerinnen zum Fehlen einer „klaren und unzweideutigen Rechtsgrundlage“ dahin zu verstehen, dass diese sich auf den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit im Zusammenhang mit Delikten und Sanktionen (nullum crimen, nulla poena sine lege) , wie er in Art. 49 Abs. 1 der Charta der Grundrechte verankert ist, berufen. Dieser Grundsatz verlangt, dass eine unionsrechtliche Regelung klar die Zuwiderhandlungen und die Sanktionen definiert (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 29. März 2011, ThyssenKrupp Nirosta/Kommission, C‑352/09 P, Slg. 2011, I‑2359, Rn. 80).

    203. Außerdem verfügt die Kommission nach der Rechtsprechung beim Erlass von Entscheidungen, mit denen Geldbußen wegen der Teilnahme an rechtswidrigen Kartellen verhängt werden, für die Festsetzung der Höhe einer solchen Geldbuße nicht über ein unbegrenztes Ermessen, da die anwendbaren Bestimmungen eine Obergrenze der Geldbußen anhand des Umsatzes der betreffenden Unternehmen, d. h. anhand eines objektiven Kriteriums, vorsehen. Auch wenn es somit keine für alle Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln geltende absolute Obergrenze gibt, besteht für die mögliche Geldbuße doch eine bezifferbare und absolute Obergrenze, die bei jedem Unternehmen für jeden Fall der Zuwiderhandlung in einer Weise berechnet wird, bei der der Höchstbetrag der möglichen Geldbuße im Voraus bestimmbar ist (Urteile des Gerichts vom 5. April 2006, Degussa/Kommission, T‑279/02, Slg. 2006, II‑897, Rn. 74 bis 76, vom 8. Oktober 2008, Schunk und Schunk Kohlenstoff-Technik/Kommission, T‑69/04, Slg. 2008, II‑2567, Rn. 35 und 36, und vom 12. Dezember 2012, Ecka Granulate und non ferrum Metallpulver/Kommission, T‑400/09, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Rn. 28).

    204. Außerdem trifft es zwar zu, dass die in Art. 23 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 genannten Kriterien der Schwere und der Dauer der Zuwiderhandlung der Kommission ein weites Ermessen belassen, doch handelt es sich um Kriterien, die von anderen Gesetzgebern bei vergleichbaren Bestimmungen herangezogen wurden und die es der Kommission erlauben, Sanktionen unter Berücksichtigung des Grades der Rechtswidrigkeit des fraglichen Verhaltens zu verhängen (Urteile Degussa/Kommission, oben in Rn. 203 angeführt, Rn. 76, Schunk und Schunk Kohlenstoff-Technik/Kommission, oben in Rn. 203 angeführt, Rn. 37, sowie Ecka Granulate und non ferrum Metallpulver/Kommission, oben in Rn. 203 angeführt, Rn. 29).

    205. Darüber hinaus hatte die Kommission bei der Festsetzung von Geldbußen wie der im vorliegenden Fall in Rede stehenden die allgemeinen Rechtsgrundsätze und insbesondere die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit in ihrer Auslegung durch die Rechtsprechung des Gerichts und die des Gerichtshofs zu beachten. Zudem unterliegt die Verwaltungspraxis der Kommission der unbeschränkten Nachprüfung durch den Unionsrichter. Gerade diese Nachprüfung hat es ermöglicht, durch eine ständige und veröffentlichte Rechtsprechung etwaige unbestimmte Begriffe in Art. 23 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 1/2003 zu präzisieren (Urteile Degussa/Kommission, oben in Rn. 203 angeführt, Rn. 77 und 79, Schunk und Schunk Kohlenstoff-Technik/Kommission, oben in Rn. 203 angeführt, Rn. 41, sowie Ecka Granulate und non ferrum Metallpulver/Kommission, oben in Rn. 203 angeführt, Rn. 30).

    206. Ferner gehört das Wettbewerbsrecht, auch wenn es zwar strafrechtsähnlichen Charakter hat, doch nicht zum Kernbereich des Strafrechts. Außerhalb des „harten Kerns“ des Strafrechts müssen die in Art. 6 EMRK niedergelegten strafrechtlichen Garantien nicht notwendigerweise in ihrer vollen Strenge zur Anwendung kommen (vgl. EGMR, Urteil Jussila/Finnland vom 23. November 2006, Recueil des arrêts et des décisions , 2006-XIV, § 43).

    207. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass bei den rechtswidrigen Handlungen im Wettbewerbsrecht anders als im Strafrecht sowohl die Gewinne als auch die Sanktionen rein finanzieller Natur sind – ebenso wie im Übrigen die Beweggründe der Zuwiderhandelnden, die sich bei ihrem Vorgehen von wirtschaftlichen Erwägungen leiten lassen. Die mehr oder weniger genaue Vorhersehbarkeit der Höhe der wegen der Beteiligung an einem rechtswidrigen Kartell zu verhängenden Geldbuße hätte daher überaus schädliche Auswirkungen auf die Wirksamkeit der Wettbewerbspolitik der Union, da die Unternehmen, die die Zuwiderhandlungen begehen, unmittelbar die Kosten und den Gewinn ihrer rechtswidrigen Aktivitäten vergleichen, die Wahrscheinlichkeit der Aufdeckung berücksichtigen und so versuchen könnten, die Profitabilität solcher Aktivitäten zu gewährleisten (vgl. in diesem Sinne Urteile Degussa/Kommission, oben in Rn. 203 angeführt, Rn. 83, Schunk und Schunk Kohlenstoff-Technik/Kommission, oben in Rn. 203 angeführt, Rn. 45, sowie Ecka Granulate und non ferrum Metallpulver/Kommission, oben in Rn. 203 angeführt, Rn. 32).

    208. Nach alledem ist davon auszugehen, dass Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 gleichzeitig ein Mittel darstellt, das der Kommission erlaubt, die Wettbewerbspolitik der Union mit der erforderlichen Wirksamkeit umzusetzen, und eine hinreichend klare und deutliche Rechtsgrundlage für den Erlass der Entscheidungen, mit denen Geldbußen gegen die an Kartellen beteiligten Unternehmen verhängt werden. Deshalb ist die insoweit vorgebrachte Rüge der Klägerinnen zurückzuweisen.

    209. Als Zweites sind die Klägerinnen der Auffassung, die Kommission habe gegen das Rückwirkungsverbot verstoßen, indem sie in der angefochtenen Entscheidung die Leitlinien von 2006 angewandt habe, obwohl die in Rede stehende Zuwiderhandlung im April 2005 geendet habe.

    210. Hierzu hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass die Kommission dadurch, dass sie in der Vergangenheit für bestimmte Arten von Zuwiderhandlungen Geldbußen in bestimmter Höhe verhängt hat, nicht daran gehindert ist, dieses Niveau innerhalb der in der Verordnung Nr. 1/2003 gezogenen Grenzen anzuheben, wenn dies erforderlich ist, um die Durchführung der Wettbewerbspolitik der Union sicherzustellen. Die wirksame Anwendung der Wettbewerbsregeln der Union verlangt nämlich, dass die Kommission das Niveau der Geldbußen jederzeit den Erfordernissen dieser Politik anpassen kann (Urteile des Gerichtshofs vom 7. Juni 1983, Musique Diffusion française u. a./Kommission, 100/80 bis 103/80, Slg. 1983, 1825, Rn. 109, vom 2. Oktober 2003, Aristrain/Kommission, C‑196/99 P, Slg. 2003, I‑11005, Rn. 81, und Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Rn. 44 angeführt, Rn. 169).

    211. Die der Kommission durch die Art. 81 EG und 82 EG übertragene Überwachungsaufgabe umfasst nämlich nicht nur die Pflicht, einzelne Zuwiderhandlungen zu ermitteln und zu ahnden, sondern auch den Auftrag, eine allgemeine Politik mit dem Ziel zu verfolgen, die im Vertrag niedergelegten Grundsätze auf das Wettbewerbsrecht anzuwenden und das Verhalten der Unternehmen in diesem Sinne zu lenken (Urteile Musique Diffusion française u. a./Kommission, oben in Rn. 210 angeführt, Rn. 105, und Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Rn. 44 angeführt, Rn. 170).

    212. Die betreffenden Unternehmen müssen sich folglich dessen bewusst sein, dass die Kommission jederzeit beschließen kann, das Niveau der Geldbußen gegenüber dem in der Vergangenheit praktizierten Niveau anzuheben. Das gilt nicht nur dann, wenn die Kommission das Niveau der Geldbußen durch die Verhängung von Geldbußen in Einzelentscheidungen anhebt, sondern auch dann, wenn diese Anhebung dadurch erfolgt, dass Verhaltensnormen mit allgemeiner Geltung wie die Leitlinien auf konkrete Fälle angewandt werden (Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Rn. 44 angeführt, Rn. 229 und 230).

    213. Somit war die Ersetzung der Leitlinien von 1998 durch eine neue Methode der Berechnung der Geldbußen, wie sie in den Leitlinien von 2006 vorgesehen ist, falls sie sich verschärfend auf die Höhe der Geldbußen ausgewirkt haben sollte, für die Teilnehmer des Kartells zum Zeitpunkt von dessen Durchführung hinreichend vorhersehbar. Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass nach der oben in Rn. 206 angeführten Rechtsprechung die in Art. 6 EMRK niedergelegten strafrechtlichen Garantien im Bereich des Wettbewerbsrechts nicht notwendigerweise in ihrer vollen Strenge zur Anwendung kommen müssen. Die Tragweite dieser Rechtsprechung ist entsprechend auf Art. 7 der EMRK zu erweitern. Jedenfalls hat die Einführung neuer Leitlinien den Höchstbetrag der Geldbuße nach Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003, der den einzigen anwendbaren rechtlichen Rahmen darstellt, nicht geändert. Die Kommission hat daher, indem sie in der angefochtenen Entscheidung die Leitlinien von 2006 auf vor deren Erlass begangene Zuwiderhandlungen angewandt hat, nicht gegen das Rückwirkungsverbot verstoßen (vgl. in diesem Sinne Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Rn. 44 angeführt, Rn. 231 und 232).

    214. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass, wäre die Kommission zur Anwendung der Leitlinien verpflichtet, die im Zeitraum der Begehung der Zuwiderhandlung gegolten haben, der sich im vorliegenden Fall über 13 Jahre erstreckte, ihre in der oben in Rn. 210 angeführten Rechtsprechung anerkannte Befugnis, die Methoden der Berechnung der Geldbuße zur Erfüllung ihrer Verpflichtung zur wirksamen Anwendung der Wettbewerbsregeln der Union anzupassen, vereitelt würde.

    215. Daraus folgt, dass die zweite Rüge der Klägerinnen ebenfalls zurückzuweisen ist und folglich der erste Teil des vierten Klagegrundes insgesamt zurückzuweisen ist.

    Zum zweiten Teil: fehlerhafte Einbeziehung des Verkaufs von Mikrowachsen in den Wert der verkauften Waren von Sasol

    216. Nach Ziff. 13 der Leitlinien von 2006 verwendet die Kommission zur Festsetzung des Grundbetrags der Geldbuße den Wert der von dem betreffenden Unternehmen im relevanten räumlichen Markt innerhalb des EWR verkauften Waren oder Dienstleistungen, die mit dem Verstoß in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang stehen. Nach der zu dieser Ziffer gehörigen Fußnote werden die mittelbaren Verkäufe beispielsweise bei horizontalen Preisabsprachen, bei denen der Preis des Produkts als Referenzpreis für Produkte höherer oder geringerer Qualität genommen wird, berücksichtigt.

    217. Die Klägerinnen sind der Auffassung, die Mikrowachse seien vom Kartell nicht betroffen gewesen, so dass die Kommission den Umsatz aus diesen Produkten zu Unrecht in den für die Berechnung der Geldbuße berücksichtigten Wert der verkauften Waren einbezogen habe.

    Zu den Grundsätzen der Beweiswürdigung

    218. Nach der Rechtsprechung hat die Kommission die von ihr festgestellten Zuwiderhandlungen zu beweisen und die Beweismittel beizubringen, die das Vorliegen der eine Zuwiderhandlung darstellenden Tatsachen rechtlich hinreichend beweisen (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 17. Dezember 1998, Baustahlgewebe/Kommission, C‑185/95 P, Slg. 1998, I‑8417, Rn. 58, und Urteil Dresdner Bank u. a./Kommission, oben in Rn. 76 angeführt, Rn. 59 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    219. Was den Umfang der gerichtlichen Kontrolle anbelangt, hat nach ständiger Rechtsprechung d as Gericht bei einer Nichtigkeitsklage gegen eine Entscheidung nach Art. 81 Abs. 1 EG generell eine umfassende Prüfung der Frage vorzunehmen, ob die Tatbestandsmerkmale von Art. 81 Abs. 1 EG erfüllt sind (vgl. Urteil des Gerichts vom 26. Oktober 2000, Bayer/Kommission, T‑41/96, Slg. 2000, II‑3383, Rn. 62 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    220. Ein hierauf bezogener etwaiger Zweifel des Gerichts muss dem Unternehmen zugutekommen, an das die Entscheidung gerichtet ist, mit der eine Zuwiderhandlung festgestellt wird. Das Gericht kann daher nicht davon ausgehen, dass die Kommission das Vorliegen der betreffenden Zuwiderhandlung rechtlich hinreichend nachgewiesen hat, wenn bei ihm noch Zweifel in dieser Hinsicht bestehen; dies gilt insbesondere dann, wenn es sich um eine Klage auf Nichtigerklärung einer Entscheidung zur Verhängung einer Geldbuße handelt (Urteile des Gerichts Dresdner Bank u. a./Kommission, oben in Rn. 76 angeführt, Rn. 60, und vom 12. Juli 2011, Hitachi u. a./Kommission, T‑112/07, Slg. 2011, II‑3871, Rn. 58).

    221. Unter den genannten Umständen ist nämlich die Unschuldsvermutung insbesondere nach Art. 6 Abs. 2 der EMRK zu beachten, die zu den Grundrechten gehört, die allgemeine Grundsätze des Unionsrechts darstellen. Angesichts der Art der betreffenden Zuwiderhandlungen sowie der Art und der Schwere der ihretwegen verhängten Sanktionen gilt die Unschuldsvermutung insbesondere in Verfahren wegen Verletzung der für Unternehmen geltenden Wettbewerbsregeln, die zur Verhängung von Geldbußen oder Zwangsgeldern führen können (Urteil Hitachi u. a./Kommission, oben in Rn. 220 angeführt, Rn. 59; vgl. in diesem Sinne Urteil Dresdner Bank u. a./Kommission, oben in Rn. 76 angeführt, Rn. 61 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    222. Somit ist es erforderlich, dass die Kommission aussagekräftige und übereinstimmende Beweise beibringt, um das Vorliegen der Zuwiderhandlung nachzuweisen. Jedoch muss nicht jeder von der Kommission erbrachte Beweis notwendigerweise für jeden Teil der Zuwiderhandlung diesen Kriterien entsprechen. Es genügt, wenn ein von der Kommission angeführtes Bündel von Indizien im Ganzen betrachtet dem genannten Erfordernis entspricht (vgl. Urteil Dresdner Bank u. a./Kommission, oben in Rn. 76 angeführt, Rn. 62 und 63 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    223. Die Indizien, die die Kommission in der angefochtenen Entscheidung anführt, um einen Verstoß gegen Art. 81 Abs. 1 EG zu beweisen, sind nicht einzeln, sondern in ihrer Gesamtheit zu würdigen (vgl. Urteil des Gerichts vom 8. Juli 2008, BPB/Kommission, T‑53/03, Slg. 2008, II‑1333, Rn. 185 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    224. Es ist auch darauf hinzuweisen, dass die Kommission das Bestehen einer Zuwiderhandlung oft unter dafür ungünstigen Voraussetzungen nachweisen muss, da seit den Vorgängen, die die Zuwiderhandlung bilden, mehrere Jahre vergangen sein können und mehrere von der Untersuchung betroffene Unternehmen nicht aktiv mit der Kommission zusammengearbeitet haben. Wenn die Kommission somit auch notwendig nachweisen muss, dass eine rechtswidrige Vereinbarung über die Aufteilung von Märkten geschlossen wurde, wäre es überzogen, außerdem noch zu verlangen, dass sie den spezifischen Mechanismus nachweist, mit dem dieses Ziel erreicht werden sollte. Es wäre nämlich für ein Unternehmen, das sich einer Zuwiderhandlung schuldig gemacht hat, zu einfach, sich jeder Sanktion zu entziehen, könnte es sich in einer Situation, in der das Bestehen einer rechtswidrigen Vereinbarung und ihr wettbewerbswidriger Zweck hinreichend bewiesen sind, darauf berufen, dass die über die Funktionsweise der Vereinbarung vorgelegten Informationen zu unbestimmt seien. Die Unternehmen können sich in einer solchen Situation sachgerecht dadurch verteidigen, dass sie zu allen von der Kommission gegen sie angeführten Beweisen Stellung nehmen können (Urteil des Gerichts vom 8. Juli 2004, JFE Engineering u. a./Kommission, T‑67/00, T‑68/00, T‑71/00 und T‑78/00, Slg. 2004, II‑2501, Rn. 203).

    225. Hinsichtlich der Beweismittel, die zum Nachweis einer Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG herangezogen werden dürfen, gilt im Unionsrecht der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (Urteile des Gerichts vom 8. Juli 2004, Dalmine/Kommission, T‑50/00, Slg. 2004, II‑2395, Rn. 72, und Hitachi u. a./Kommission, oben in Rn. 220 angeführt, Rn. 64).

    226. Was den Beweiswert der verschiedenen Beweisstücke anbelangt, ist das alleinige Kriterium für die Beurteilung der beigebrachten Beweise ihre Glaubhaftigkeit (Urteil Dalmine/Kommission, oben in Rn. 225 angeführt, Rn. 72).

    227. Nach den allgemeinen Beweisgrundsätzen hängt die Glaubhaftigkeit eines Schriftstücks und damit sein Beweiswert von seiner Herkunft, den Umständen seiner Entstehung, seinem Adressaten und seinem Inhalt ab (Urteile des Gerichts vom 15. März 2000, Cimenteries CBR u. a./Kommission, T‑25/95, T‑26/95, T‑30/95 bis T‑32/95, T‑34/95 bis T‑39/95, T‑42/95 bis T‑46/95, T‑48/95, T‑50/95 bis T‑65/95, T‑68/95 bis T‑71/95, T‑87/95, T‑88/95, T‑103/95 und T‑104/95, Slg. 2000, II‑491, Rn. 1053 und 1838, sowie Hitachi u. a./Kommission, oben in Rn. 220 angeführt, Rn. 70).

    228. Stützt sich die Kommission für ihre Feststellung, dass eine Zuwiderhandlung vorlag, ausschließlich auf das Marktverhalten der Unternehmen, müssen diese lediglich das Vorliegen von Umständen nachweisen, die den von der Kommission festgestellten Sachverhalt in einem anderen Licht erscheinen lassen und damit eine andere plausible Erklärung der Tatsachen ermöglichen, aus denen die Kommission auf die Begehung einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln der Union geschlossen hat (vgl. in diesem Sinne Urteil JFE Engineering u. a./Kommission, oben in Rn. 224 angeführt, Rn. 186).

    229. Dagegen haben die betroffenen Unternehmen in den Fällen, in denen sich die Kommission auf Urkundenbeweise stützte, nicht bloß eine plausible Alternative zur Darstellung der Kommission darzutun, sondern müssen außerdem aufzeigen, dass die in der angefochtenen Entscheidung angeführten Beweise für den Nachweis der Zuwiderhandlung nicht genügen (Urteil JFE Engineering u. a./Kommission, oben in Rn. 224 angeführt, Rn. 187). Eine solche Beweisführung verstößt nicht gegen den Grundsatz der Unschuldsvermutung (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 8. Juli 1999, Montecatini/Kommission, C‑235/92 P, Slg. 1999, I‑4539, Rn. 181).

    230. In Anbetracht der Bekanntheit des Verbots wettbewerbswidriger Vereinbarungen kann von der Kommission nicht verlangt werden, dass sie Beweisstücke vorlegt, die eine Kontaktaufnahme zwischen den betreffenden Wirtschaftsteilnehmern explizit bestätigen. Die lückenhaften und vereinzelten Beweiselemente, über die die Kommission gegebenenfalls verfügt, müssen jedenfalls durch Schlussfolgerungen ergänzt werden können, die die Rekonstruktion der relevanten Umstände ermöglichen. Das Vorliegen einer wettbewerbswidrigen Verhaltensweise oder Vereinbarung kann folglich aus einer Reihe von Koinzidenzen und Indizien abgeleitet werden, die bei einer Gesamtbetrachtung mangels einer anderen schlüssigen Erklärung den Beweis für eine Verletzung der Wettbewerbsregeln darstellen können (Urteil des Gerichtshofs vom 7. Januar 2004, Aalborg Portland u. a./Kommission, C‑204/00 P, C‑205/00 P, C‑211/00 P, C‑213/00 P, C‑217/00 P und C‑219/00 P, Slg. 2004, I‑123, Rn. 55 bis 57; vgl. auch Urteil Dresdner Bank u. a./Kommission, oben in Rn. 76 aufgeführt, Rn. 64 und 65 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    231. Bei der Würdigung des Beweiswerts schriftlicher Beweise muss es als sehr bedeutsam angesehen werden, dass ein Schriftstück in unmittelbarem Anschluss an die Ereignisse (Urteile des Gerichts vom 11. März 1999, Ensidesa/Kommission, T‑157/94, Slg. 1999, II‑707, Rn. 312, und vom 16. Dezember 2003, Nederlandse Federatieve Vereniging voor de Groothandel op Elektrotechnisch Gebied und Technische Unie/Kommission, T‑5/00 und T‑6/00, Slg. 2003, II‑5761, Rn. 181) oder von einem unmittelbaren Zeugen dieser Ereignisse erstellt wurde (Urteil JFE Engineering u. a./Kommission, oben in Rn. 224 angeführt, Rn. 207).

    232. Das Fehlen des Datums oder der Unterschrift auf einem Dokument oder der Umstand, dass es schlecht geschrieben ist, nehmen diesem nicht jeden Beweiswert, sofern sein Ursprung, sein wahrscheinliches Datum und sein Inhalt mit hinreichender Sicherheit bestimmt werden können (Urteil des Gerichts vom 13. Dezember 2006, FNCBV u. a./Kommission, T‑217/03 und T‑245/03, Slg. 2006, II‑4987, Rn. 124; vgl. in diesem Sinne auch Urteil des Gerichts vom 10. März 1992, Shell/Kommission, T‑11/89, Slg. 1992, II‑757, Rn. 86).

    233. Aus dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung ergibt sich, dass, selbst wenn sich das Fehlen schriftlicher Nachweise im Rahmen der Gesamtbeurteilung des von der Kommission angeführten Bündels von Indizien als relevant erweisen kann, das betroffene Unternehmen nicht allein seinetwegen die Behauptungen der Kommission durch eine andere Erklärung des Sachverhalts in Frage stellen kann. Dies ist nur dann der Fall, wenn aufgrund der von der Kommission beigebrachten Beweise das Vorliegen der Zuwiderhandlung nicht eindeutig und nur durch Auslegung dieser Beweise nachgewiesen werden kann (Urteil Hitachi u. a./Kommission, oben in Rn. 220 angeführt, Rn. 65; vgl. in diesem Sinne auch Urteil des Gerichts vom 12. September 2007, Coats Holdings und Coats/Kommission, T‑36/05, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Rn. 74).

    234. Zudem verbietet keine Bestimmung und kein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts der Kommission, gegen ein Unternehmen die Erklärungen anderer Unternehmen zu verwenden, denen vorgeworfen wird, sie seien am Kartell beteiligt gewesen. Andernfalls wäre die der Kommission obliegende Beweislast für Verhaltensweisen, die Art. 81 EG zuwiderlaufen, untragbar und mit der ihr anvertrauten Aufgabe, die richtige Anwendung dieser Bestimmung zu überwachen, nicht zu vereinbaren (Urteile JFE Engineering u. a./Kommission, oben in Rn. 224 angeführt, Rn. 192, und Hitachi u. a./Kommission, oben in Rn. 220 angeführt, Rn. 67).

    235. Ein besonders hoher Beweiswert kann Erklärungen beigemessen werden, wenn sie verlässlich sind, im Namen eines Unternehmens abgegeben wurden, von einer Person stammen, die beruflich verpflichtet ist, im Interesse dieses Unternehmens zu handeln, den Interessen des Erklärenden zuwiderlaufen, von einem unmittelbaren Zeugen der Vorgänge stammen, auf die sie sich beziehen, und bedacht sowie nach reiflicher Überlegung schriftlich abgegeben werden (Urteil Hitachi u. a./Kommission, oben in Rn. 220 angeführt, Rn. 71; vgl. in diesem Sinne auch Urteil JFE Engineering u. a./Kommission, oben in Rn. 224 angeführt, Rn. 205 bis 210).

    236. Eine Erklärung, die ein der Beteiligung an einem Kartell beschuldigtes Unternehmen abgibt und deren Richtigkeit von mehreren anderen betroffenen Unternehmen bestritten wird, kann jedoch nicht als hinreichender Beweis für die Begehung einer Zuwiderhandlung durch diese anderen Unternehmen angesehen werden, wenn sie nicht durch andere Beweise untermauert wird, wobei jedoch der erforderliche Grad der Erhärtung aufgrund der Glaubhaftigkeit der fraglichen Erklärungen geringer ist (Urteile JFE Engineering u. a./Kommission, oben in Rn. 224 angeführt, Rn. 219 und 220, und Hitachi u. a./Kommission, oben in Rn. 220 angeführt, Rn. 68).

    237. Auch wenn gegenüber den freiwilligen Angaben der Hauptteilnehmer an einem rechtswidrigen Kartell im Allgemeinen ein gewisses Misstrauen angebracht ist, da die Möglichkeit besteht, dass diese Teilnehmer die Neigung haben, die Bedeutung ihres eigenen Tatbeitrags als so klein wie möglich und den der anderen als so groß wie möglich darzustellen, ändert dies nichts daran, dass ein Antrag auf Anwendung der Kronzeugenregelung von 2002, um einen Erlass oder eine Herabsetzung der Geldbuße zu erreichen, nicht zwangsläufig einen Anreiz schafft, verfälschte Beweise für die Beteiligung der übrigen Kartellmitglieder vorzulegen. Jeder Versuch einer Irreführung der Kommission könnte nämlich die Aufrichtigkeit und Vollständigkeit der Kooperation des Antragstellers in Frage stellen und damit die Möglichkeit gefährden, dass er in den vollen Genuss der Kronzeugenregelung von 2002 gelangt (Urteil Hitachi u. a./Kommission, oben in Rn. 220 angeführt, Rn. 72; vgl. in diesem Sinne auch Urteil Peróxidos Orgánicos/Kommission, oben in Rn. 194 angeführt, Rn. 70).

    238. Insbesondere kann daraus, dass eine Person zugibt, dass sie eine Zuwiderhandlung verwirklichte, und damit Tatsachen einräumt, die über die den fraglichen Unterlagen unmittelbar zu entnehmenden Tatsachen hinausgehen, a priori , sofern keine bestimmten Anhaltspunkte für das Gegenteil bestehen, der Schluss gezogen werden, dass sich der Betreffende dazu entschlossen hat, die Wahrheit zu sagen. Erklärungen, die den Interessen des Erklärenden zuwiderlaufen, sind grundsätzlich als besonders verlässliche Beweise anzusehen (Urteile des Gerichts JFE Engineering u. a./Kommission, oben in Rn. 224 angeführt, Rn. 211 und 212, vom 26. April 2007, Bolloré u. a./Kommission, T‑109/02, T‑118/02, T‑122/02, T‑125/02, T‑126/02, T‑128/02, T‑129/02, T‑132/02 und T‑136/02, Slg. 2007, II‑947, Rn. 166, und vom 8. Juli 2008, Lafarge/Kommission, T‑54/03, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Rn. 59).

    239. Diese Rechtsprechung gilt entsprechend für Art. 53 des EWR-Abkommens.

    Zur angefochtenen Entscheidung und zu den Erklärungen der Kartellbeteiligten

    240. Zunächst ist auf den 111. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung hinzuweisen, der wie folgt lautet:

    „In den meisten technischen Treffen drehten sich die Preisdiskussionen allgemein um Paraffin; … bestimmte Paraffinsorten (wie voll- oder halbraffiniertes Paraffin, Mischungen, Spezialwachse, Paraffin-Hartwachse oder Hydro-Paraffinwachse) wurden nur selten behandelt. Darüber hinaus waren sich sämtliche Unternehmen einig, dass vereinbarte (prozentuale oder konkrete) Preiserhöhungen für sämtliche Paraffinwachs-Sorten gelten sollten.“

    241. Die Erklärung von Shell vom 26. April 2005, auf die sich die Kommission im 111. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung bezieht, legt dar, dass alle Arten von Paraffinwachsen von den auf die Festsetzung der Preise abzielenden Verhaltensweisen betroffen gewesen seien. Shell erklärte nämlich, in den technischen Treffen sei das allgemeine Verständnis der Beteiligten gewesen, dass die Preise sämtlicher Paraffinwachsarten um denselben Betrag oder Prozentsatz erhöht werden sollten.

    242. Außerdem führte Shell auch in ihrer mündlichen Erklärung vom 21. März 2007 aus, dass nur bei seltenen Gelegenheiten die verschiedenen Arten von Paraffinwachsen (z. B. voll- oder halbraffiniertes Paraffin, Paraffin-Hartwachse, Mischungen, Spezialwachse) erwähnt worden seien. Die Beteiligten seien sich einig gewesen, dass die Preise sämtlicher Paraffinwachsarten um denselben Betrag oder Prozentsatz erhöht werden sollten.

    243. Sodann erklärte Total, die Preiserhöhungen hätten hauptsächlich die Paraffine handelsüblicher Qualität betroffen, die insbesondere im Kerzensektor verwendet würden, die einzigen Paraffine, die Sasol und die anderen deutschen Hersteller (DEA und Hansen & Rosenthal) wirklich interessiert hätten. Da die Kerze in Europa einer der Hauptabsatzmärkte von Paraffin sei, ziehe eine Preisschwankung auf diesem Markt eine Schwankung der Preise bei den anderen Anwendungen nach sich.

    244. Sasol bestätigte diese Verhaltensweise auch mit der Erklärung, dass die bei den technischen Treffen getroffenen Vereinbarungen eine gewisse Indizierungswirkung auf andere Produktsegmente gehabt hätten, da die Beteiligten häufig versucht hätten, beschlossene Preiserhöhungen „mit Augenmaß“ in anderen Produktkategorien umzusetzen.

    245. Daher stützen und bestätigen die übereinstimmenden Erklärungen der Kartellbeteiligten den Inhalt des 111. Erwägungsgrundes der angefochtenen Entscheidung.

    Zum behaupteten Fehlen einer Vereinbarung über die Preise der Mikrowachse

    246. Die Klägerinnen bestreiten nicht, dass die Mikrowachse gelegentlich in den technischen Treffen erwähnt wurden. Es ergebe sich jedoch aus den im Verwaltungsverfahren gesammelten Erklärungen der am Kartell beteiligten Unternehmen, dass die vollraffinierten und halbraffinierten Paraffinwachse Kern des „Blauen Salons“ gewesen seien. Außerdem habe es im Zuwiderhandlungszeitraum kein Treffen gegeben, bei dem sich die Beteiligten über die Preise für Mikrowachs abgesprochen oder die Kunden für diese Produkte aufgeteilt hätten. Dieser Punkt werde durch die Erklärungen von Shell bestätigt.

    247. Erstens ist darauf hinzuweisen, dass sich die Erklärung von Shell vom 14. Juni 2006, auf die sich die Klägerinnen beziehen, darauf beschränkt, die Merkmale der Mikrowachse zu beschreiben und nähere Angaben zu den Rohstoffen zu machen, aus denen sie bestehen. Sie betrifft nicht das Fehlen oder Vorliegen von rechtswidrigen Verhaltensweisen in Bezug auf diese Produkte.

    248. Zweitens bestand die den Klägerinnen vorgeworfene Zuwiderhandlung hinsichtlich der Paraffinwachse in Vereinbarungen oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen betreffend Preisfestsetzungen und den Austausch und die Offenlegung von kommerziell empfindlichen Informationen über Paraffinwachse (Hauptteil der Zuwiderhandlung) und in der Aufteilung der Kunden und/oder der Märkte (zweiter Teil der Zuwiderhandlung).

    249. Die Klägerinnen bestreiten nicht, dass der Hauptteil des Kartells komplex ist, d. h. Vereinbarungen über die Preise, aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen und den Austausch empfindlicher Informationen kombiniert.

    250. Gemäß Art. 81 Abs. 1 EG „[sind m]it dem Gemeinsamen Markt … alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, welche den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezwecken oder bewirken[, unvereinbar und verboten] …“.

    251. Eine Vereinbarung im Sinne von Art. 81 Abs. 1 EG liegt schon dann vor, wenn die betreffenden Unternehmen ihren gemeinsamen Willen zum Ausdruck gebracht haben, sich auf dem Markt in einer bestimmten Weise zu verhalten (Urteile des Gerichts vom 17. Dezember 1991, Hercules Chemicals/Kommission, T‑7/89, Slg. 1991, II‑1711, Rn. 256, und HFB u. a./Kommission, oben in Rn. 33 angeführt, Rn. 199). Vom Abschluss einer Vereinbarung im Sinne von Art. 81 Abs. 1 EG kann ausgegangen werden, wenn hinsichtlich der Wettbewerbsbeschränkung als solcher ein übereinstimmender Wille vorliegt, selbst wenn die einzelnen Bestandteile der beabsichtigten Beschränkung noch Gegenstand von Verhandlungen sind (Urteil des Gerichts vom 16. Juni 2011, Heineken Nederland und Heineken/Kommission, T‑240/07, Slg. 2011, II‑3355, Rn. 45; vgl. in diesem Sinne auch Urteil HFB u. a./Kommission, oben in Rn. 33 angeführt, Rn. 151 bis 157 und 206).

    252. Bei der abgestimmten Verhaltensweise handelt es sich um eine Form der Koordinierung zwischen Unternehmen, die zwar noch nicht bis zum Abschluss eines Vertrags im eigentlichen Sinne gediehen ist, jedoch bewusst eine praktische Zusammenarbeit an die Stelle des mit Risiken verbundenen Wettbewerbs treten lässt (Urteile des Gerichtshofs vom 8. Juli 1999, Kommission/Anic Partecipazioni, C‑49/92 P, Slg. 1999, I‑4125, Rn. 115, und Hüls/Kommission, C‑199/92 P, Slg. 1999, I‑4287, Rn. 158).

    253. Art. 81 Abs. 1 EG steht jeder unmittelbaren oder mittelbaren Fühlungnahme zwischen Wirtschaftsteilnehmern entgegen, durch die entweder das Marktverhalten eines tatsächlichen oder potenziellen Wettbewerbers beeinflusst oder ein solcher Wettbewerber über das Marktverhalten, zu dem der betreffende Wirtschaftsteilnehmer selbst entschlossen ist oder das er in Erwägung zieht, ins Bild gesetzt wird, wenn diese Fühlungnahme eine Beschränkung des Wettbewerbs bezweckt oder bewirkt (Urteil Heineken Nederland und Heineken/Kommission, oben in Rn. 251 angeführt, Rn. 47; vgl. in diesem Sinne auch Urteil Kommission/Anic Partecipazioni, oben in Rn. 252 angeführt, Rn. 116 und 117).

    254. Daher war die Kommission, um den Umsatz aus dem Verkauf von Mikrowachsen in den Wert der verkauften Waren der Beteiligten einzubeziehen, nicht gehalten nachzuweisen, dass bei den technischen Treffen Vereinbarungen über ihre Preise getroffen wurden. Daraus folgt, dass das Vorbringen der Klägerinnen zum behaupteten Fehlen von Vereinbarungen über die Festsetzung des Mikrowachspreises und die Aufteilung der Kunden für diese Produkte als ins Leere gehend zurückzuweisen ist.

    Zu den schriftlichen Beweisen betreffend die Mikrowachse

    255. Es sind die schriftlichen Beweise zu den Mikrowachsen zu prüfen, die in der angefochtenen Entscheidung und in den Unterlagen, auf die sich diese Entscheidung bezieht und die den Klägerinnen während des Verwaltungsverfahrens übermittelt wurden, dargestellt wurden.

    256. Erstens wird im Vermerk von MOL betreffend das technische Treffen am 24. Juni 1994 in Budapest (Ungarn), auf das die Kommission in den Fußnoten zum 132. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung Bezug nimmt, unter dem Titel „Repsol“ Folgendes ausgeführt:

    „Verkäufe: 60 000 t [20 000 t Einfuhren]

    Cepsa/Elf 15-2000 t incl. 3 000 t Mikro

    ERT nur Paraffingatsch 15 000 to“

    257. Diese Angaben, die in der angefochtenen Entscheidung nicht wiedergegeben, aber den Klägerinnen im Verwaltungsverfahren übermittelt wurden, zeugen davon, dass die Beteiligten die Tonnagen an Paraffinwachsen, einschließlich Mikrowachsen, die verkauft wurden oder zum Verkauf an die verschiedenen Kunden bestimmt waren, im Hinblick auf die Aufteilung der Märkte und Kunden mitteilten.

    258. Zweitens heißt es im Vermerk von MOL zum technischen Treffen vom 30. und 31. Oktober 1997 in Hamburg, der im 145. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung angeführt ist:

    „Verknappung 50/52 Mikro - > Repsol Mobil Agip

    Mikrowachs – französische Preise eintausendfünfhundert – sechs Erhöhung 10 %“

    259. Drittens heißt es im Vermerk von MOL zu dem Treffen vom 5. und 6. Mai 1998 in Budapest, auf den die Kommission in einer Fußnote zum 147. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung Bezug nimmt:

    „Total – FF 5500 – 6500 Mikro [Viskosität] 14-15 [;] an Cepsa 4900 exw [unleserlich] + 4 % Total/E“

    260. Diese verschiedenen Angaben zeugen, auch unter Berücksichtigung der anderen von der Kommission im 147. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung angeführten Beweise davon, dass die Beteiligten die Tonnagen an Paraffinwachsen, einschließlich Mikrowachsen, die verkauft wurden oder zum Verkauf an die verschiedenen Kunden bestimmt waren, im Hinblick auf die Aufteilung der Märkte und Kunden mitteilten.

    261. Viertens enthält der im 153. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung angeführte Vermerk von MOL zu dem Treffen vom 13. und 14. April 1999 in München (Deutschland) eine Tabelle, in der eine gesamte Spalte die Überschrift „Micro“ trägt. Die Angaben zu den anderen Spalten, die die anderen Paraffinwachsarten nach ihrem Schmelzpunkt unterteilen, lassen keine Zweifel daran, dass es sich um Mikrowachse handelt.

    262. Fünftens enthält ein Informationsvermerk über den „Blauen Salon“ von Sasol zu dem Treffen vom 26. und 27. Juni 2001 in Paris (Frankreich), der im 163. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung angeführt wird, folgende Angaben:

    „im Laufe Juli: bei Spezial-Kunden (= solche, die nicht kaufen, oder deutlich unter Vorjahr/Budge[t] liegen) Preise kündigen zum frühest möglichen Termin, d. h. z. B. 30 Tage. Ziel: Zeichen setzen!

    Ende August[:] alle Preise kündigen per 30/9.01.

    Per 1/10.01 + € 7,-

    Holz/Emulsion + Gummi/Reifen = folgt

    Bei Kundenanfragen nach Preistendenz 2. Halbjahr:

    Tendenz steigend, da alle Budget-Richtzahlen z. B. crude [o]il $ 25,-/Dollar[k]urs DM 2,- deutlich überschritten. Außerdem Mikrowachse + ca 30 % / hochgrädige Parafine extrem knapp + teuer“

    263. Diese Angaben zeigen zum einen, dass die Kartellbeteiligten der Auffassung waren, dass die Preiserhöhungen für sämtliche Paraffinwachsarten miteinander zusammenhingen, und sie zum anderen auch Rechtfertigungen dieser Erhöhungen gegenüber Kunden ausarbeiteten.

    264. Sechstens enthält eine im 174. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung angeführte, bei Total gefundene handschriftliche Notiz zum Treffen vom 11. und 12. Mai 2004 den Hinweis „1‘ July – … + Microwax: 25 - > 50 $/T“. Daher handelt es sich um einen unmittelbaren Anhaltspunkt, der sich auf ein Gespräch oder sogar eine Vereinbarung über die Preise der Mikrowachse bezieht.

    265. Wie oben in Rn. 222 ausgeführt, muss nicht jeder von der Kommission erbrachte Beweis notwendigerweise für jeden Teil der Zuwiderhandlung den Kriterien der Genauigkeit und Übereinstimmung entsprechen. Es genügt, wenn ein von dem Unionsorgan angeführtes Bündel von Indizien im Ganzen betrachtet dem genannten Erfordernis entspricht.

    266. Außerdem kann nach der oben in Rn. 230 angeführten Rechtsprechung von der Kommission nicht verlangt werden, dass sie Beweisstücke vorlegt, die eine Kontaktaufnahme zwischen den betreffenden Wirtschaftsteilnehmern explizit bestätigen. Die lückenhaften und vereinzelten Beweiselemente, über die die Kommission gegebenenfalls verfügt, müssen jedenfalls durch Schlussfolgerungen ergänzt werden können, die die Rekonstruktion der relevanten Umstände ermöglichen.

    267. Überdies wurden die MOL-Vermerke während der Treffen von einem Teilnehmer erstellt, und sie sind strukturiert und ziemlich detailliert. Deshalb ist der Beweiswert dieser Notizen sehr hoch. Was die Protokolle von Sasol über die Treffen „Blauer Salon“ anbelangt, handelt es sich um Dokumente aus dem maßgeblichen Zeitraum, die in tempore non suspecto , d. h. kurz nach dem jeweiligen technischen Treffen erstellt worden sind. Auch wenn die Person, die sie angefertigt hat, an den technischen Treffen nicht teilgenommen hat, hat sie sich auf Informationen gestützt, die sie von einem Teilnehmer erhalten hat. Somit haben diese Protokolle einen hohen Beweiswert.

    268. In Anbetracht der von der Kommission insgesamt zusammengetragenen Beweise ist festzustellen, dass die Preise, die Produktionsmengen und andere geschäftlich sensible Informationen betreffend Mikrowachse sowie die Mengen an Mikrowachsen, die verkauft wurden oder zum Verkauf an Kunden bestimmt waren, bei den technischen Treffen besprochen wurden.

    Zum übrigen Vorbringen der Klägerinnen

    269. Die Klägerinnen sind der Auffassung, dass die Preise für vollraffinierte und halbraffinierte Paraffinwachse (Produkte, die Gegenstand der fraglichen Vereinbarungen gewesen seien) nicht im Sinne von Ziff. 13 der Leitlinien von 2006 „als Referenzpreis für“ Mikrowachse als „Produkte höherer oder geringerer Qualität genommen [wurden]“, so dass ihr Preis nicht durch die Vereinbarungen über die Preise von vollraffinierten und halbraffinierten Paraffinwachsen habe beeinflusst werden können. Mikrowachse würden nämlich (im Gegensatz zu Wachsmischungen oder Spezialwachsen) nicht aus vollraffinierten und halbraffinierten Paraffinwachsen hergestellt. Sie enthielten nicht einmal dieselben Rohstoffe wie die vollraffinierten und halbraffinierten Paraffinwachse. Während Letztere aus Leichtrohöl produziert würden, werde das Mikrowachs aus Basisschmieröl mit hoher Viskosität hergestellt. Das Ausgangsmaterial von Mikrowachsen und die Mikrowachse selbst würden sich deutlich vom Paraffingatsch und den vollraffinierten und halbraffinierten Paraffinwachsen unterscheiden. All dies sei der Kommission auf den Seiten 2 bis 4 des Antrags von Sasol auf Anwendung der Kronzeugenregelung detailliert zur Kenntnis gebracht worden.

    270. Schließlich beziehen sich die Klägerinnen auf die in ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte enthaltene Tabelle. Daraus ergebe sich, dass sich die Preiskurve der halbraffinierten Paraffinwachse und die der vollraffinierten Wachse sehr ähnlich entwickelt hätten, während die Mikrowachspreise „unregelmäßiger“ gewesen seien. Daher hänge der Preis der Mikrowachse nicht vom Markt der vollraffinierten und halbraffinierten Paraffinwachse ab, so dass die Kommission nicht berechtigt gewesen sei, die Mikrowachsverkäufe von Sasol bei der Berechnung des Grundbetrags der Geldbuße zu berücksichtigen.

    271. Zu den unterschiedlichen Merkmalen der Mikrowachse und der anderen Paraffinwachse ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung die etwaige Zugehörigkeit der Erzeugnisse, die Gegenstand des Kartells waren, zu verschiedenen Produktmärkten keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung hat, wenn die Kommission über Sachbeweise verfügt, dass die wettbewerbswidrigen Handlungen unmittelbar oder mittelbar sämtliche von der Entscheidung erfassten Produkte betrafen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 15. Juni 2005, Tokai Carbon u. a./Kommission, T‑71/03, T‑74/03, T‑87/03 und T‑91/03, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, im Folgenden: Urteil Tokai II, Rn. 90).

    272. Angesichts des direkten Beweises für das Stattfinden von Gesprächen über Preise und sensible geschäftliche Daten betreffend Mikrowachse sowie die Aufteilung der Märkte für Mikrowachse (vgl. Rn. 255 ff.), ist davon auszugehen, dass dieses Vorbringen der Klägerinnen den Ansatz der Kommission, der den Umsatz aus dem Verkauf von Mikrowachsen bei der Berechnung des Grundbetrags der Geldbuße berücksichtigt, nicht in Frage stellen kann.

    273. Schließlich machen die Klägerinnen geltend, dass sie Paraffinwachse aus Paraffingatsch erzeugen könnten, aber nicht in der Lage seien, Mikrowachse aus Basisschmierölen mit hoher Viskosität herzustellen. Sasol sei daher selbst Käufer von Mikrowachsen und habe folglich kein Interesse an der Erhöhung ihrer Preise gehabt.

    274. Dem kann nicht gefolgt werden.

    275. Zunächst ergibt sich aus der Akte, dass die künstlich hohen Preise für Paraffingatsch nicht auf Querlieferungen dieses Produkts zwischen Kartellbeteiligten angewandt wurden. Außerdem haben die Klägerinnen auf eine schriftliche Frage des Gerichts genaue Angaben zu den Mengen ihrer Einkäufe und Verkäufe von Mikrowachsen zwischen 2002 und 2005, sowohl in Euro als auch in Tonnen, übermittelt. Daraus geht hervor, dass ihr Wiederverkaufspreis den Preis, zu dem sie die Mikrowachse kauften, durchschnittlich um 63,7 % überstieg. Daher ist vernünftigerweise davon auszugehen, dass die sich aus dem Kartell ergebenden künstlichen Preise, wie im Fall von Paraffingatsch, auch nicht auf die Querlieferungen von Mikrowachsen zwischen Kartellbeteiligten angewandt wurden. Daher konnte Sasol, auch wenn sie selbst keine Mikrowachse erzeugte, uneingeschränkt von den Auswirkungen des Kartells auf die Preise von Mikrowachsen profitieren, da sie sich damit bei den am Kartell beteiligten Herstellern oder bei anderen Quellen zu einem Preis versorgen konnte, der einem Wettbewerbspreis entsprach, und sie zu den sich aus dem Kartell ergebenden künstlich hohen Preisen weiterverkaufen konnte.

    276. Nach alledem ist daher festzustellen, dass die Kommission mit der Einbeziehung der Verkäufe von Mikrowachsen in den Wert der verkauften Waren keinen Fehler begangen hat.

    277. Der zweite Teil des vierten Klagegrundes ist folglich zurückzuweisen.

    Zum dritten Teil: Fehler bei der Berechnung des Grundbetrags der Geldbuße hinsichtlich Paraffingatsch

    278. Die Klägerinnen machen geltend, die Kommission habe in der angefochtenen Entscheidung nur ein einziges technisches Treffen festgestellt, bei dem der Verkauf von Paraffingatsch an Endkunden angesprochen worden sei, und sie habe nicht einmal abschließend festgestellt, dass Sasol an diesem Treffen teilgenommen habe. Daher könne die Schwere der Zuwiderhandlung in Bezug auf das an Endkunden auf dem deutschen Markt verkaufte Paraffingatsch einen Satz von 15 % des Werts der verkauften Waren nicht rechtfertigen. Die Kommission habe außerdem einen Fehler begangen, indem sie davon ausgegangen sei, dass die Zuwiderhandlung sechs Jahre und sechs Monate gedauert habe.

    Zur Beteiligung der Klägerinnen am Paraffingatsch betreffenden Teil der Zuwiderhandlung vom 30. Oktober 1997 bis zum 12. Mai 2004

    279. Die Kommission stellt im 288. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung fest:

    „Sasol und Shell räumen ausdrücklich ein, dass die Paraffingatschpreise insbesondere ab Ende der 1990er Jahre unter den Wettbewerbern besprochen wurden, und haben Einzelheiten zu Kontakten vorgelegt (siehe auch Randnummer [112]) … Auf einem Treffen vom 30. und 31. Oktober 1997 (siehe Randnummer [145]) besprachen mindestens ENI, H & R/Tudapetrol, MOL, Repsol, Sasol, Dea (nach 2002 Shell) und Total Paraffingatsch und vereinbarten eine Preiserhöhung. Shell und Total waren in mindestens einem Treffen (am 8. und 9. März 1999) vertreten, das sich ausdrücklich mit Paraffingatsch beschäftigte (siehe Randnummer [152]). Sasol und ExxonMobil schließen in ihrer Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte eine Anwesenheit in diesem Treffen nicht aus, und ihre Teilnahme ist auch wegen des Verweises auf ‚alle Hersteller‘ in einem handschriftlichen Vermerk zu einer elektronischen Nachricht am darauffolgenden Tag wahrscheinlich. Sasol, Shell und Total waren auch in einem technischen Treffen am 11. und 12. Mai 2004 vertreten (siehe Randnummer [174]), in dem ein Preis für Paraffingatsch vereinbart wurde. Ferner stellt die Kommission fest, dass auch in einigen technischen Treffen … in Anwesenheit von ExxonMobil, Sasol, Shell und Total über Paraffingatsch gesprochen wurde. ExxonMobil räumt ein, zwischen 1993 und 1996 an diesen Gesprächen beteiligt gewesen zu sein … Später hat ExxonMobil eingeräumt, dass Herr [T. H.] als Vertreter von ExxonMobil zwischen 1999 und 2001 an Gesprächen über Paraffingatsch für Spanplattenhersteller im deutschsprachigen Teil Europas teilgenommen habe, … und bestätigt allgemein, dass an Endkunden verkauftes Paraffingatsch als ein Teil der Kartellvereinbarungen besprochen wurde … Außerdem berichtet Total, dass Gespräche über eine Erhöhung der Preise für Paraffingatsch geführt wurden … Shell und ExxonMobil bestätigen ebenfalls, dass außerhalb der technischen Treffen Zusammenkünfte im Zusammenhang mit Paraffingatsch stattgefunden haben … Obwohl ENI, H & R/Tudapetrol, MOL und Repsol ebenfalls in einem der beiden letztgenannten Treffen oder auch in beiden Treffen vertreten waren, stellt die Kommission fest, dass das verfügbare Beweismaterial nicht hinreichend ist, um diese Unternehmen für die Zuwiderhandlung in Verbindung mit Paraffingatsch haftbar zu machen. Außerdem, obwohl einige Unterlagen sich augenscheinlich auf andere Zeiträume und Märkte beziehen, ist die Kommission der Ansicht, dass das verfügbare Beweismaterial nur die Schlussfolgerung zulässt, dass sich die Zuwiderhandlung auf den Verkauf von Paraffingatsch an Endkunden auf dem deutschen Markt in den Jahren 1997 bis 2004 bezog.“

    280. Außerdem stellt die Kommission im 112. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung Folgendes fest:

    „Über Paraffingatsch wurde in einigen technischen Treffen gesprochen [Fußnote: Erwägungsgründe 144, 145, 152, 157, 174 und 175 der angefochtenen Entscheidung] … Zusätzlich wurden Vereinbarungen über Paraffingatschverkäufe an Endkunden auf dem deutschen Markt mindestens einmal außerhalb der technischen Treffen getroffen, als Vertreter von Shell, Sasol, ExxonMobil und Total und möglicherweise von weiteren Unternehmen zu weiteren Gesprächen über Paraffingatsch zusammenkamen, in denen Preise festgesetzt und wirtschaftlich sensible Informationen ausgetauscht wurden … Zum Beispiel ist eine dieser Zusammenkünfte am 8. und 9. März 1999 in Düsseldorf belegt … Der Teilnehmerkreis dieser speziellen Zusammenkünfte, in denen ausdrücklich über Paraffingatsch gesprochen wurde, war größtenteils identisch mit dem der technischen Treffen … (außer Total).“

    281. Die Erwägungsgründe 144, 145, 152, 157, 174 und 175 der angefochtenen Entscheidung betreffen jeweils die Treffen vom 19. und 20. Juni 1997, vom 30. und 31. Oktober 1997, vom 8. und 9. März 1999, vom 3. und 4. Februar 2000, vom 11. und 12. Mai 2004 sowie vom 3. und 4. August 2004.

    282. Die Kommission hat ihre Entscheidung, das Vorliegen wettbewerbswidriger Verhaltensweisen für Paraffingatsch nur hinsichtlich der Verkäufe an Endabnehmer in Deutschland zu bejahen, in der angefochtenen Entscheidung wie folgt begründet:

    „…

    (289) Die Kommission ist außerdem der Ansicht, dass diese Gespräche ausschließlich Paraffingatsch betrafen, das von Unternehmen mit Beziehungen zu Endkunden wie z. B. Spanplattenherstellern und nicht etwa z. B. Erzeugern von Paraffinwachsen verkauft wurde. Die Unternehmenserklärungen unterscheiden meist nicht zwischen verschiedenen Verwendungen des Paraffingatsch; in der in Randnummer (152) genannten E-Mail [betreffend das Treffen in Düsseldorf vom 8. und 9. März 1999] hingegen wird ausschließlich an Spanplattenhersteller verkauftes Paraffingatsch erwähnt. Daher hält die Kommission für zweifelhaft, ob nicht an Endkunden verkauftes Paraffingatsch Gegenstand der Zuwiderhandlung war, und aus diesem Grund beschränkt sich die Kommission in ihren Feststellungen auf an Endkunden verkauftes Paraffingatsch. Diese Erwägungen werden von Shell und ExxonMobil bestätigt …

    (290) Aufgrund des vorliegenden Beweismaterials ist anzunehmen, dass sich die gelegentlichen Gespräche über Paraffingatsch auf den deutschen Markt konzentrierten … ExxonMobil, Sasol, Shell und Total erzielten Umsätze auf dem deutschen Markt, und die Treffen, in denen über Paraffingatsch gesprochen wurde, fanden in Deutschland statt. Die Kommission hält das verfügbare Beweismaterial nicht für hinreichend, um daraus zu schließen, dass die Absprachen in Bezug auf Paraffingatsch auch Paraffingatsch betrafen, das an Endkunden in anderen Ländern verkauft wurde.

    (291) Die Kommission ist der Ansicht, dass die Zuwiderhandlung, soweit sie an Endkunden auf dem deutschen Markt verkauftes Paraffingatsch betrifft, mit dem Treffen am 30. und 31. Oktober 1997 begonnen und mit dem Treffen vom 11. und 12. Mai 2004 geendet hat.

    (292) Die Kommission stellt daher fest, dass die Gespräche über an Endkunden in Deutschland verkauftes Paraffingatsch zu Vereinbarungen und/oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen gemäß Artikel 81 [EG] und Artikel 53 EWR-Abkommen führten. Diese Feststellung beruht auf einander bestätigenden unabhängigen Erklärungen von Shell und Sasol, die wiederum durch Erklärungen von ExxonMobil und Total bestätigt werden … Auch das vorliegende Beweismaterial bestätigt diese Feststellung …“

    283. Was erstens das Treffen vom 30. und 31. Oktober 1997 betrifft, bei dem Sasol anwesend war, stützt sich die Kommission im 145. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung auf einen Vermerk von MOL, der den Hinweis „slack wax: DM 550 - > 600“ enthält. Dieser Vermerk enthält außerdem detaillierte Angaben zu den Erhöhungen der Paraffinwachspreise, da er die vorgesehenen Zahlen und Zeitpunkte der Umsetzung der Preiserhöhungen für die am Kartell beteiligten Hersteller nennt.

    284. Die Kommission schließt daraus, dass, „[d]a die Zeile ‚Preisanhebung im Januar‘ auf die Zukunft verweist, … der Vermerk [bestätigt], dass die anwesenden Unternehmen übereingekommen sind, die Preise zu vereinheitlichen und anzuheben“, und dass „[d]er Vermerk … sich sowohl auf Paraffinwachse als auch auf Paraffingatsch [bezieht]“.

    285. Die Klägerinnen machen geltend, dass sich der Vermerk auf an die Kartellmitglieder für die Herstellung von Paraffinwachsen geliefertes Paraffingatsch beziehe.

    286. Dazu ist darauf hinzuweisen, dass nach den Erklärungen von Kartellbeteiligten d ie Preise für Paraffingatsch, soweit dieses Gegenstand von Querlieferungen zwischen Kartellbeteiligten war, nicht Gegenstand der technischen Treffen waren, sondern in bilateralen Verhandlungen zwischen den Unternehmen bestimmt wurden. Daher ist dieses Vorbringen zurückzuweisen.

    287. Sodann bringen die Klägerinnen vor, MOL habe kein Paraffingatsch an deutsche Kunden geliefert, so dass der Vermerk den Paraffingatsch betreffenden Teil der Zuwiderhandlung nicht betreffe. Außerdem könne aus diesen Angaben nicht geschlossen werden, dass eine Vereinbarung über die Preise getroffen worden sei.

    288. Dieses Vorbringen greift nicht durch, da eine allgemeine Preisfestsetzung für alle Kunden gilt, auch, wie im vorliegenden Fall, für die deutschen Endabnehmer. Außerdem hat die Kommission in den Erwägungsgründen 289 bis 292 der angefochtenen Entscheidung, die oben in Rn. 282 wiedergegeben wurden, erläutert, warum sie den Umfang der wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen betreffend Paraffingatsch auf Verkäufe an deutsche Endabnehmer beschränkt hat. Zu diesen Passagen der angefochtenen Entscheidung haben die Klägerinnen nichts vorgetragen.

    289. Außerdem hat die Kommission den Klägerinnen eine komplexe Zuwiderhandlung zur Last gelegt, die in „Vereinbarungen und/oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen“ bestand, so dass ein Beweis des Abschlusses einer Vereinbarung über einzelne Preise nicht erforderlich ist.

    290. Schließlich machen die Klägerinnen geltend, der Informationsvermerk über das Treffen „Blauer Salon“ nehme hinsichtlich dieses technischen Treffens nicht auf die Gespräche über Paraffingatsch Bezug.

    291. Hierzu genügt der Hinweis, dass nach der oben in Rn. 230 angeführten Rechtsprechung die lückenhaften und vereinzelten Beweiselemente, über die die Kommission gegebenenfalls verfügt, jedenfalls durch Schlussfolgerungen ergänzt werden können müssen, die die Rekonstruktion der relevanten Umstände ermöglichen, und die Würdigung sich auf die Gesamtheit der zugänglichen Beweise erstreckt. Daher kann vernünftigerweise nicht von der Kommission verlangt werden, jede Einzelheit der Zuwiderhandlung anhand mehrerer übereinstimmender schriftlicher Beweise zu belegen.

    292. Nach alledem hat die Kommission zutreffend festgestellt, dass der MOL-Vermerk über dieses technische Treffen insbesondere im Licht der Erklärungen der Beteiligten Teil der Reihe von Beweisen war, die das Bestehen von „Vereinbarungen und/oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen“ betreffend an deutsche Endabnehmer verkauftes Paraffingatsch belegen.

    293. Zweitens stellt die Kommission hinsichtlich des im 152. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung angeführten Treffens vom 8. und 9. März 1999 Folgendes fest:

    „Shell hat eine handschriftliche Notiz vorgelegt, … die Shell zufolge von Herrn [S. R.] zur Vorbereitung dieses Treffens angefertigt wurde … Dies würde die letzte Zeile dieses Vermerks erklären, in der es heißt: ‚8/9.3.99 PM-Spanplatte‘ … Shell erklärt, ‚PM‘ stehe für ‚Paraffinmafia‘; mit diesem Begriff bezeichnete Shell die gewöhnlich an den technischen Treffen beteiligten Unternehmen … Der Vermerk trägt das Datum des Treffens; dies erklärt die Erläuterung von Shell, dass dieser Vermerk zur Vorbereitung des Treffens erstellt wurde und deckt sich mit anderen Beweismitteln. Der Vermerk von Herrn [S. R.] zeigt, dass er davon ausging, dass die verschiedenen Unternehmensvertreter Informationen über die Versorgung einiger Großkunden mit Paraffingatsch austauschen würden. Am Tag nach diesem Treffen schickte Herr [S. R.] eine E-Mail an seinen Vorgesetzten, Herrn [S. T.], in der er erklärte, [einer der Beteiligten] beabsichtige, die Preise für Paraffingatsch in der Spanplattenindustrie zum 1. Juni 1999 um 8 bis 10 % anzuheben … Handschriftlich ist zu dieser E-Mail vermerkt: ‚Alle Hersteller sehen die Notwendigkeit einer Erhöhung [der Preise]‘ … Dies zeigt, dass die am Treffen beteiligten Unternehmensvertreter eine Preiserhöhung für Paraffingatsch zur Verwendung in der Spanplattenindustrie vereinbart haben und dass [einer der Beteiligten] beabsichtigte, die vereinbarte Erhöhung von Juni 1999 an umzusetzen. Der Verweis auf ‚alle Hersteller‘ deutet ebenfalls darauf hin, dass neben Total und Shell auch andere Unternehmen auf dem Treffen zugegen gewesen sein müssen.“

    294. Laut dem 151. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung schließt Sasol seine Anwesenheit bei diesem Treffen nicht aus.

    295. Ebenso leugnet laut dem 152. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung ExxonMobil ihre Teilnahme nicht und räumt ein, dass ihr Vertreter einige multilaterale Gespräche über Gatsch für Spanplattenhersteller im deutschsprachigen Teil Europas insbesondere mit Sasol, Shell/Dea und Total geführt habe, „wahrscheinlich zwischen 1999 und 2001“.

    296. Das Gericht stellt fest, dass die in den Erwägungsgründen 151 und 152 der angefochtenen Entscheidung angeführten Erklärungen von ExxonMobil und Shell sowie der Vermerk von Shell Teil der Reihe von Beweisen sind, aus denen das Gericht schließen kann, dass Sasol im Zeitraum von 1999 bis 2001 zumindest an einem die „Vereinbarungen und/oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen“ über die Festsetzung des Preises von für deutsche Endabnehmer bestimmtes Paraffingatsch abzielenden Treffen teilnahm.

    297. Drittens gelangte die Kommission im 168. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung hinsichtlich des technischen Treffens vom 17. und 18. Dezember 2002, bei dem Sasol anwesend war, bei der Prüfung eines Vermerks von Total zu folgenden Feststellungen:

    „Ferner liegt auch eine datierte Liste mit der Überschrift ‚Europäischer Markt‘ vor, die in dem Treffen verteilt wurde … Das bei Total gefundene Exemplar enthält einige handschriftliche Zusätze, aus denen hervorgeht, dass während des Treffens die Exportzahlen besprochen wurden … Ferner enthält sie folgende handschriftlichen Bemerkungen: ,Petrogal März Wartung. Gatsch unter 500 EUR. MOL Juli 3 Wochen Wartung.‘ … Das zeigt, dass Preise von Paraffingatsch auf der Zusammenkunft behandelt wurden.“

    298. Es ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerinnen zu den fraglichen Passagen der angefochtenen Entscheidung nichts vorbringen.

    299. Somit ist die bei Total gefundene Liste Teil der Reihe von Beweisen, die das Bestehen von „Vereinbarungen und/oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen“ betreffend die Preisfestsetzung von für deutsche Endabnehmer bestimmtes Paraffingatsch belegen.

    300. Viertens weist die Kommission im 174. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung hinsichtlich des Treffens vom 11. und 12. Mai 2004, bei dem Sasol anwesend war, auf eine bei Total gefundene handschriftliche Notiz hin, in der es heißt:

    „- > Sasol 40 €/50 $. - End of July.

    - > We: 38 - 28.

    - > 1‘ July -

    + FRP: 70 - > 6000 €/T

    +Te[a]light: 50 - > 500 €/T

    + Microwax: 25 - > 50 $/T

    - > 40 €/T Slack Wax..

    301. Laut dem 174. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung „[geht] aus dieser letzten Zeile … hervor …, dass eine Preiserhöhung für Paraffingatsch ebenfalls vereinbart wurde“, und „[kann a]us dem Gesamtzusammenhang des Dokuments … geschlossen werden, dass der Pfeil vor dem Preis auf eine vereinbarte Strategie für die Zukunft hindeutet, nämlich eine angepeilte Preiserhöhung“.

    302. Nach Ansicht der Klägerinnen deutet nichts darauf hin, dass diese Passage tatsächlich eine Vereinbarung über Paraffingatschverkäufe an Endkunden in Deutschland betroffen habe. Keines der anderen Unternehmen, die an dem Treffen vom 11. und 12. Mai 2004 teilgenommen hätten, habe den Abschluss einer solchen Vereinbarung erwähnt. Da ExxonMobil, die einer der größten Verkäufer von Paraffingatsch an Endkunden sei, nicht unter den im 174. Erwägungsgrund der Entscheidung aufgeführten vertretenen Unternehmen genannt werde, sei es außerdem sehr unwahrscheinlich, dass die Frage der Paraffingatschverkäufe an Endkunden bei diesem Treffen behandelt worden sei.

    303. Dieses Vorbringen ist aufgrund der bereits oben in den Rn. 289 und 291 dargelegten Erwägungen zurückzuweisen; es ist davon auszugehen, dass der fragliche Vermerk Teil der Reihe von Beweisen ist, die das Bestehen von „Vereinbarungen und/oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen“ betreffend an deutsche Endabnehmer verkauftes Paraffingatsch belegen.

    304. Insgesamt ist festzustellen, dass die Kommission eine Reihe von schriftlichen Beweisen zusammengestellt hat, die das Vorliegen von „Vereinbarungen und/oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen“ betreffend an deutsche Endabnehmer verkauftes Paraffingatsch belegt.

    305. Die Klägerinnen machen jedoch geltend, diese Beweise belegten keine mit Sasol getroffenen Vereinbarungen.

    306. In Bezug auf wettbewerbswidrige Vereinbarungen, die wie im vorliegenden Fall bei Zusammenkünften konkurrierender Unternehmen zustande kommen, hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG vorliegt, wenn diese Zusammenkünfte die Einschränkung, Verhinderung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken und damit der künstlichen Regulierung des Marktes dienen. In einem solchen Fall genügt es zum Nachweis der Teilnahme eines Unternehmens am Kartell, wenn die Kommission dartut, dass das Unternehmen an Treffen teilnahm, bei denen wettbewerbswidrige Vereinbarungen geschlossen wurden. Ist die Teilnahme an solchen Zusammenkünften erwiesen, obliegt es dem fraglichen Unternehmen, Indizien vorzutragen, die zum Beweis seiner fehlenden wettbewerbswidrigen Einstellung bei der Teilnahme an den Zusammenkünften geeignet sind, und nachzuweisen, dass es seine Wettbewerber darauf hingewiesen hat, dass es mit einer anderen Zielsetzung als diese an den Zusammenkünften teilgenommen hat (Urteile des Gerichtshofs Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Rn. 230 angeführt, Rn. 81, und vom 25. Januar 2007, Sumitomo Metal Industries und Nippon Steel/Kommission, C‑403/04 P und C‑405/04 P, Slg. 2007, I‑729, Rn. 47).

    307. Diese Regel beruht auf der Erwägung, dass das Unternehmen, indem es an der fraglichen Sitzung teilnahm, ohne sich offen von deren Inhalt zu distanzieren, den anderen Teilnehmern Anlass zu der Annahme gab, dass es dem Ergebnis der Sitzung zustimme und sich daran halten werde (Urteile Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Rn. 230 angeführt, Rn. 82, und Sumitomo Metal Industries und Nippon Steel/Kommission, oben in Rn. 306 angeführt, Rn. 48).

    308. Daher rechtfertigt die Anwesenheit der Klägerinnen bei den wettbewerbswidrigen Zusammenkünften und ihre fehlende Distanzierung vom rechtswidrigen Inhalt, dass die Kommission ihnen Letzteren zurechnet, ohne dass sie ausdrücklich nachweisen müsste, dass die Klägerinnen bei diesen Zusammenkünften Vereinbarungen getroffen hätten. Deshalb ist das insoweit vorgebrachte Argument der Klägerinnen nicht relevant.

    309. Schließlich machen die Klägerinnen geltend, die technischen Treffen vom 30. und 31. Oktober 1997 sowie vom 11. und 12. Mai 2004 seien in der Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht als „Gatsch-Treffen“ angeführt gewesen.

    310. Dem kann nicht gefolgt werden. Die in der angefochtenen Entscheidung angeführten Beweise für den Paraffingatsch betreffenden Teil der Zuwiderhandlung waren nämlich bereits in der Mitteilung der Beschwerdepunkte enthalten. Außerdem geht aus dieser Mitteilung klar hervor, dass den Klägerinnen der Paraffingatsch betreffende Teil der Zuwiderhandlung vorgeworfen wurde.

    311. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerinnen die Feststellung der Kommission, dass die Verhaltensweisen in Bezug auf Paraffinwachse und die Verhaltensweisen betreffend Paraffingatsch eine einzige einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung darstellten, nicht beanstanden. Folglich sind die Beweise zu den Paraffingatsch betreffenden Verhaltensweisen im Kontext der Reihe von Beweisen zu der einheitlichen Zuwiderhandlung, die die Kommission zusammengestellt hat, zu würdigen. Diese Beweise belegen, dass es fortgesetzte Kontakte zwischen den Unternehmen gab, die an den Verhaltensweisen in Bezug auf Paraffingatsch teilgenommen haben.

    312. Nach alledem ist die Feststellung der angefochtenen Entscheidung zu bestätigen, wonach die Klägerinnen an dem Paraffingatsch betreffenden Teil der komplexen, einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung, wie von dieser Entscheidung erfasst, vom 30. Oktober 1997 bis zum 12. Mai 2004 beteiligt waren.

    313. Daraus ergibt sich, dass die Kommission, als sie bei der Berechnung des Grundbetrags der gegen die Klägerinnen verhängten Geldbuße den aus der Lieferung von Paraffingatsch erzielten Umsatz berücksichtigt und den dem fraglichen Zeitraum entsprechenden Multiplikationsfaktor angewandt hat, keinen Fehler beging.

    Zur Unverhältnismäßigkeit des auf den Umsatz aus den Paraffingatschverkäufen angewandten Koeffizienten von 15 %

    314. Die Klägerinnen werfen der Kommission vor, gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoßen zu haben, soweit sie die Höhe der Geldbuße unter Zugrundelegung eines Satzes von 15 % in Bezug auf die Paraffingatschverkäufe von Sasol an Endkunden in Deutschland berechnet habe.

    315. Nach der Rechtsprechung verlangt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dass die Handlungen der Organe nicht die Grenzen dessen überschreiten, was zur Erreichung der mit der fraglichen Regelung verfolgten legitimen Ziele geeignet und erforderlich ist. Dabei ist, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastende zu wählen; ferner müssen die verursachten Nachteile in angemessenem Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen (Urteile des Gerichtshofs vom 13. November 1990, Fedesa u. a., C‑331/88, Slg. 1990, I‑4023, Rn. 13, und vom 5. Mai 1998, Vereinigtes Königreich/Kommission, C‑180/96, Slg. 1998, I‑2265, Rn. 96; Urteil des Gerichts vom 12. September 2007, Prym und Prym Consumer/Kommission, T‑30/05, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Rn. 223).

    316. Im Rahmen der von der Kommission zur Ahndung von Verstößen gegen die Wettbewerbsregeln eingeleiteten Verfahren bedeutet die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, dass die Geldbußen nicht außer Verhältnis zu den angestrebten Zielen – d. h. zur Beachtung dieser Regeln – stehen dürfen und die einem Unternehmen wegen einer Zuwiderhandlung im Bereich des Wettbewerbs auferlegte Geldbuße so zu bemessen ist, dass sie bei einer Gesamtwürdigung der Zuwiderhandlung unter besonderer Berücksichtigung ihrer Schwere und Dauer in angemessenem Verhältnis zu ihr steht (vgl. in diesem Sinne Urteil Prym und Prym Consumer/Kommission, oben in Rn. 315 angeführt, Rn. 223 und 224 und die dort angeführte Rechtsprechung). Insbesondere bedeutet dies, dass die Kommission die Geldbuße verhältnismäßig nach den Gesichtspunkten festsetzen muss, die sie für die Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung berücksichtigt hat, und dass sie diese Gesichtspunkte dabei schlüssig und objektiv gerechtfertigt bewerten muss (Urteile des Gerichts vom 27. September 2006, Jungbunzlauer/Kommission, T‑43/02, Slg. 2006, II‑3435, Rn. 226 bis 228, und vom 28. April 2010, Amann & Söhne und Cousin Filterie/Kommission, T‑446/05, Slg. 2010, II‑1255, Rn. 171).

    317. Erstens ist darauf hinzuweisen, dass der Paraffingatsch betreffende Teil der Zuwiderhandlung insbesondere aus wettbewerbswidrigen Aktivitäten betreffend Preisfestsetzungen zwischen Konkurrenten bestand und somit zur Kategorie der für den freien Wettbewerb schädlichsten Zuwiderhandlungen gehörte.

    318. Daher ist das Gericht der Ansicht, dass die Anwendung des Koeffizienten von 15 % auf den Umsatz von Paraffingatsch bei der Berechnung der Geldbuße in angemessenem Verhältnis zur Schwere dieses Teils der Zuwiderhandlung steht.

    319. Zweitens hat die Kommission die maßgeblichen Gesichtspunkte schlüssig und objektiv gerechtfertigt berücksichtigt. Der Paraffingatsch betreffende Teil der Zuwiderhandlung fällt nämlich unter Ziff. 23 der Leitlinien von 2006, die die schwerwiegendsten Formen der Zuwiderhandlungen betrifft, für die die Anwendung eines Koeffizienten „am oberen Ende dieser Bandbreite“, d. h. zwischen 15 und 30 % der Umsätze, im Allgemeinen gerechtfertigt ist. Indem die Kommission den Koeffizienten auf 15 % des Umsatzes von Paraffingatsch festlegt hat, hat sie diese Leitlinien in vollem Umfang beachtet, da sie vom niedrigsten Koeffizienten ausgegangen ist, der nach der allgemeinen von den Leitlinien von 2006 geschaffenen Regel auf horizontale Vereinbarungen oder abgestimmte Verhaltensweisen zur Festsetzung der Preise angewandt werden kann.

    320. Drittens vertreten die Klägerinnen dennoch die Auffassung, dieser Koeffizient sei im Hinblick auf die beschränkte Zahl von Treffen und Beteiligten, den geringen Umfang des Paraffingatsch betreffenden Teils der Zuwiderhandlung sowie den verhältnismäßig niedrigen Marktanteil der Beteiligten unverhältnismäßig.

    321. Zur angeblich beschränkten Zahl von Treffen, bei denen über Paraffingatsch gesprochen wurde, ist festzustellen, dass es sich, wie sich aus der Prüfung oben in den Rn. 283 bis 310 ergibt, um weitaus mehr als die zwei Treffen handelt, die von den Klägerinnen eingestanden wurden. Außerdem hat die Kommission die Beteiligung der Klägerinnen an dem Paraffingatsch betreffenden Teil der von der angefochtenen Entscheidung erfassten komplexen, einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung vom 30. Oktober 1997 bis zum 12. Mai 2004 rechtlich hinreichend nachgewiesen (vgl. oben, Rn. 312). Folglich ist das Vorbringen zur begrenzten Zahl der Treffen betreffend Paraffingatsch zurückzuweisen.

    322. Was den geringeren Umfang des Paraffingatsch betreffenden Teils der Zuwiderhandlung angeht,, soweit er nur die Verkäufe an deutsche Endabnehmer und den angeblich geringen Marktanteil von Sasol betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass diese Umstände schon bei der Berechnung des Grundbetrags der Geldbuße berücksichtigt wurden. Es wurde nämlich bei der Berechnung des Umsatzes, auf den sodann der Koeffizient von 15 % wegen der Schwere der Zuwiderhandlung angewandt wurde, nur der Umsatz des Unternehmens Sasol (seinem genauen Marktanteil entsprechend), der aus Verkäufen an die fragliche Kundengruppe (dem geringeren Umfang des Paraffingatsch betreffenden Teils der Zuwiderhandlung entsprechend) erzielt wurde, berücksichtigt.

    323. Somit ist dieses Vorbringen der Klägerinnen zurückzuweisen.

    324. Viertens berufen sich die Klägerinnen darauf, dass sie kein Paraffingatsch hergestellt hätten.

    325. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die künstlich hohen Prei se für Paraffingatsch nicht auf Querlieferungen zwischen Kartellbeteiligten angewandt wurden. Daher konnte Sasol, obwohl sie selbst kein Paraffingatsch herstellte, vom Paraffingatsch betreffenden Teil der Zuwiderhandlung profitieren, da sie sich damit zu einem Wettbewerbspreis versorgen konnte und es zu den sich aus dem Kartell ergebenden künstlich hohen Preisen an deutsche Endabnehmer weiterverkaufen konnte.

    326. Auch dieses Argument ist also zurückzuweisen.

    327. Daher hat die Kommission, indem sie wegen der Schwere des Paraffingatsch betreffenden Teils der Zuwiderhandlung den Satz von 15 % des Umsatzes als Multiplikationsfaktor zugrunde gelegt hat, nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen.

    328. Nach alledem ist die vorliegende Rüge und folglich der dritte Teil des vierten Klagegrundes zurückzuweisen.

    Zum vierten Teil: keine differenzierte Bestimmung des Grundbetrags der Geldbuße nach Maßgabe der verschiedenen Zeiträume der Beteiligung der verschiedenen Gesellschaften am Kartell

    329. Die Klägerinnen bringen vor, nach der Entscheidungspraxis der Kommission habe diese, wenn sie über verschiedene Adressaten für verschiedene Zeiträume der Zuwiderhandlung Geldbußen verhänge, den Grundbetrag der zu verhängenden Geldbuße festzusetzen, indem sie den Teil dieses anhand der Verkäufe berechneten Grundbetrags durch die Zahl der verschiedenen Zeiträume teile.

    330. Im vorliegenden Fall habe die Kommission jedoch gegenüber Sasol Wax wegen der Dauer der Zuwiderhandlung für den gesamten Zeitraum der Zuwiderhandlung einen Koeffizienten von 13 zum einen und für die Zeiträume, in denen sämtliche Klägerinnen als gesamtschuldnerisch haftend angesehen worden seien, einen Koeffizienten von 10 zum anderen angewandt, wobei sie für diese verschiedenen Zeiträume denselben Umsatz berücksichtigt habe.

    331. Die Kommission habe dieses Vorgehen gewählt, ohne zu erklären, warum die richtige Anwendung der Wettbewerbsregeln der Union eine besonders strenge Sanktion gegenüber einer südafrikanischen Unternehmensgruppe für die Zeiträume einer Zuwiderhandlung erfordere, in denen diese Gruppe in Europa überhaupt nicht tätig gewesen sei, im vorliegenden Fall in der Schümann-Phase, oder nur über ein Gemeinschaftsunternehmen tätig gewesen sei, im vorliegenden Fall in der Phase des Gemeinschaftsunternehmens, während die Kommission keinen Grund gesehen habe, gegen Vara, die frühere Muttergesellschaft von HOS, zu einem Drittel des Kapitals Anteilseignerin von Schümann Sasol, eine Sanktion zu verhängen.

    332. Damit habe die Kommission gegen die Grundsätze des Verbots übermäßiger Geldbußen und der individuellen Zumessung der Strafen verstoßen.

    333. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass nach Ziff. 6 der Leitlinien von 2006 die Verbindung des Umsatzes auf den vom Verstoß betroffenen Märkten mit der Dauer eine Formel darstellt, die die wirtschaftliche Bedeutung der Zuwiderhandlung und das jeweilige Gewicht des einzelnen an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmens angemessen wiedergibt. Außerdem verwendet nach Ziff. 13 dieser Leitlinien die Kommission zur Festsetzung des Grundbetrags der Geldbuße den Wert der von dem betreffenden Unternehmen im relevanten räumlichen Markt innerhalb des EWR verkauften Waren oder Dienstleistungen, die mit dem Verstoß in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang stehen.

    334. Nach der Rechtsprechung muss, soweit auf den Umsatz der an ein und derselben Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen abzustellen ist, um das Verhältnis zwischen den festzusetzenden Geldbußen zu bestimmen, der zu berücksichtigende Zeitraum so abgegrenzt werden, dass die ermittelten Umsatzzahlen so weit wie möglich miteinander vergleichbar sind. Folglich kann ein bestimmtes Unternehmen nur dann verlangen, dass die Kommission bei ihm auf einen anderen als den im Allgemeinen herangezogenen Zeitraum abstellt, wenn es nachweist, dass der von ihm im letztgenannten Zeitraum erzielte Umsatz aus für dieses Unternehmen spezifischen Gründen weder für seine wirkliche Größe und seine Wirtschaftskraft noch für das Ausmaß der von ihm begangenen Zuwiderhandlung einen Anhaltspunkt bietet (Urteile des Gerichts vom 14. Mai 1998, Fiskeby Board/Kommission, T‑319/94, Slg. 1998, II‑1331, Rn. 42, und vom 30. September 2009, Akzo Nobel u. a./Kommission, T‑175/05, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Rn. 142).

    335. Im 634. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung erkennt die Kommission an, dass das Jahr 2004 wegen der Erweiterung der Union im Mai ein Ausnahmejahr gewesen sei; sie halte es daher für angemessen, die Umsätze des Jahres 2004 nicht als einzige Grundlage für die Berechnung der Höhe der Geldbuße anzunehmen, sondern sich stattdessen auf die Umsätze der letzten drei Geschäftsjahre, in denen die Einheit an der Zuwiderhandlung beteiligt gewesen sei, zu stützen.

    336. Daher hat die Kommission hinsichtlich des Hauptteils und des zweiten Teils der Zuwiderhandlung betreffend Paraffinwachse den Durchschnitt des Umsatzes von Sasol aus Paraffinwachsen in den Jahren 2002 bis 2004 angenommen. Sie ist so zu einem Umsatz von 167 326 016 Euro gelangt. Zum dritten Teil betreffend Paraffingatsch hat sie den Durchschnitt des Umsatzes von Sasol in den Geschäftsjahren 2001 bis 2003 angenommen. Sie ist somit von einem Betrag von 5 404 922 Euro für das Paraffingatsch ausgegangen.

    337. Erstens ist das Vorbringen der Klägerinnen unter dem Blickwinkel der Situation von Sasol Wax zu prüfen.

    338. Die Klägerinnen machen geltend, der Teil der Geldbuße, für den nur Sasol Wax zur Verantwortung gezogen worden sei, betrage 67,5 Mio. Euro, was ungefähr 22 % ihres Umsatzes im Jahr 2007 entspreche. Eine Geldbuße in dieser Höhe könne die wirtschaftliche Substanz von Sasol Wax vernichten, es sei denn, dass die Sasol-Gruppe die Zahlung der Geldbuße ohne jede Schuld oder Verantwortung hinsichtlich der Schümann-Phase freiwillig übernehme.

    339. Soweit dieses Vorbringen die Begrenzung der Geldbuße betrifft, wird auf die Prüfung des sechsten Klagegrundes verwiesen.

    340. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerinnen zum Nachweis, dass der Umsatz, der als Grundlage für die Berechnung des Grundbetrags der gegen Sasol Wax verhängten Geldbuße diente, die wirtschaftliche Bedeutung der von dieser begangenen Zuwiderhandlung und ihr jeweiliges Gewicht im Kartell im Sinne der Leitlinien von 2006 und der oben in Rn. 334 angeführten Rechtsprechung nicht angemessen wiedergegeben habe, nichts vorbringen.

    341. Die Klägerinnen stellen auch nicht in Abrede, dass Sasol Wax als Rechtsnachfolgerin der früheren Gesellschaften, die unmittelbar am Kartell beteiligt waren, für die Verstöße von HOS und Schümann Sasol verantwortlich ist.

    342. Zudem ergibt sich nach der Rechtsprechung im Rahmen der Bemessung der nach Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 verhängten Geldbußen eine differenzierte Behandlung der betroffenen Unternehmen unmittelbar aus der Ausübung der der Kommission nach dieser Vorschrift zustehenden Befugnisse. Im Rahmen ihres Wertungsspielraums hat die Kommission nämlich die Sanktion entsprechend den für die betroffenen Unternehmen kennzeichnenden Verhaltensweisen und Eigenschaften individuell festzulegen, um in jedem Einzelfall die volle Wirksamkeit der Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft sicherzustellen (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 7. Juni 2007, Britannia Alloys & Chemicals/Kommission, C‑76/06 P, Slg. 2007, I‑4405, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung). Die Klägerinnen berufen sich hingegen auf keine Vorschrift, die die Kommission verpflichtete, den Umsatz innerhalb eines Konzerns individuell zu bestimmen.

    343. Daher ist davon auszugehen, dass die Klägerinnen nicht nachgewiesen haben, dass die Kommission irgendeinen Fehler begangen hat, indem sie den Durchschnitt des Umsatzes des Unternehmens Sasol im Zeitraum von 2002 bis 2004 herangezogen hat, um den Grundbetrag der gegen jede der Gesellschaften des Unternehmens für den gesamten Zeitraum ihrer Beteiligung an den Paraffinwachse betreffenden Teilen der Zuwiderhandlung, d. h. vom 3. September 1992 bis zum 28. April 2005, verhängten Geldbuße zu berechnen.

    344. Aus denselben Gründen haben die Klägerinnen auch nicht nachgewiesen, dass die Kommission irgendeinen Fehler begangen hat, indem sie den Durchschnitt des Umsatzes des Unternehmens Sasol im Zeitraum von 2001 bis 2003 herangezogen hat, um den Grundbetrag der gegen jede der Gesellschaften des Unternehmens für den gesamten Zeitraum ihrer Beteiligung an den Paraffingatsch betreffenden Teilen der Zuwiderhandlung, d. h. vom 30. Oktober 1997 bis zum 12. Mai 2004, verhängten Geldbuße zu berechnen.

    345. Was das Erfordernis betrifft, dass die Sasol-Gruppe die Zahlung des Teils der gegen Sasol Wax verhängten Geldbuße, der über 10 % ihres Umsatzes hinausgehe, wirtschaftlich übernehme, ist das Gericht der Ansicht, dass diese Frage nicht die Berechnung des Grundbetrags der Geldbuße, sondern vielmehr die Prüfung im Rahmen des sechsten Klagegrundes betrifft.

    346. Daher ist das Vorbringen der Klägerinnen, unbeschadet des Ergebnisses der Prüfung des sechsten Klagegrundes, zurückzuweisen.

    347. Zweitens ist darauf hinzuweisen, dass die Zurechnung des Verhaltens von Schümann Sasol an Schümann Sasol International in der Phase des Gemeinschaftsunternehmens aufgrund der von den Klägerinnen nicht widerlegten Vermutung der tatsächlichen Ausübung eines bestimmenden Einflusses der Muttergesellschaft auf das Verhalten ihrer Tochtergesellschaft, deren gesamtes Kapital sie hält, zu bestätigen ist.

    348. Außerdem beanstanden die Klägerinnen nicht, dass die Verantwortlichkeit von Schümann Sasol International aufgrund der Rechtsnachfolge zwischen diesen beiden juristischen Personen Sasol Wax International zugerechnet wurde.

    349. Somit ist davon auszugehen, dass die Klägerinnen nicht nachgewiesen haben, dass die Kommission zu Unrecht denselben Umsatz für Sasol Wax und für ihre einzige Muttergesellschaft, Sasol Wax International, herangezogen hat.

    350. Drittens ist festzustellen, dass dem ersten Klagegrund stattzugeben und die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären ist, soweit mit ihr die Verantwortung für das Verhalten von Schümann Sasol in der Phase des Gemeinschaftsunternehmens Sasol Holding in Germany und Sasol Ltd zugerechnet wird (vgl. oben, Rn. 127). Daher stellt sich die Frage der behaupteten Rechtswidrigkeit aufgrund des bei der Berechnung der Geldbuße, wie sie über Letztere für die Phase des Gemeinschaftsunternehmens verhängt wurde, herangezogenen Umsatzes nicht mehr.

    351. Im Übrigen hinderte hinsichtlich der Sasol-Phase, in der das gesamte Kapital von Sasol Wax mittelbar von Sasol Holding in Germany und Sasol Ltd gehalten wurde, keine Rechtsvorschrift die Kommission daran, denselben Umsatz für die Berechnung der gegen die unmittelbar an der Zuwiderhandlung beteiligte Tochtergesellschaft und ihre Muttergesellschaften verhängten Geldbuße heranzuziehen.

    352. Nach alledem ist das Gericht der Ansicht, dass die Kommission im Zusammenhang mit der Festlegung des Umsatzes nicht gegen die Grundsätze des Verbots übermäßiger Geldbußen und der individuellen Zumessung der Strafen verstoßen hat. Daher ist der vierte Teil des vierten Klagegrundes und damit der vierte Klagegrund insgesamt, unbeschadet der Auswirkungen des Durchgreifens des ersten und des sechsten Klagegrundes, zurückzuweisen.

    5. Zum fünften Klagegrund: fehlerhafte Feststellung der Anführerrolle von Sasol

    353. Die Klägerinnen machen geltend, die Kommission habe einen Rechtsfehler und einen Fehler bei der Würdigung der Beweise begangen, indem sie festgestellt habe, dass der gegen Sasol zu verhängende Teil der Geldbuße betreffend Paraffinwachse um 50 % (d. h. um 210 Mio. Euro) erhöht werden müsse, da Sasol im Bereich Paraffinwachs die Rolle des Kartellanführers gespielt habe.

    Zur angefochtenen Entscheidung

    354. Die Kommission legt ihre Feststellungen zur Anführerrolle von Sasol in den Erwägungsgründen 681 bis 686 der angefochtenen Entscheidung dar:

    „…

    (681) Ziffer 28 der Leitlinien zur Festsetzung von Geldbußen aus dem Jahre 2006 sieht vor: ‚Der Grundbetrag der Geldbuße kann erhöht werden, wenn die Kommission erschwerende Umstände wie beispielsweise die nachstehend aufgeführten feststellt: …Rolle als Anführer oder Anstifter des Verstoßes‘. In der Mitteilung der Beschwerdepunkte hat die Kommission erklärt: ‚Die Kommission berücksichtigt auch die führende Rolle von Sasol, wie sie aus den beschriebenen Tatsachen hervorgeht.‘ In der Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte erklärt Sasol, das Unternehmen habe bei der Zuwiderhandlung keine derartige führende Rolle gespielt. Sasol argumentiert. das Unternehmen habe eine führende Rolle nur im technischen Teil der technischen Treffen übernommen, weil Sasol umfassendere Kenntnisse der Branche besessen habe. Zudem sei Sasol als von den Lieferungen seiner Wettbewerber abhängiges Unternehmen nicht in der Lage gewesen, ein Kartell anzuführen; allerdings räumt Sasol ein, die Preisgespräche initiiert zu haben; selbst wenn HOS – gemessen am Umsatz im Vergleich zu seinen Wettbewerbern eher ein kleinerer Marktteilnehmer – eine führende Rolle gespielt hätte, wäre der Einfluss von HOS im Laufe der Zeit sicher zurückgegangen. Und schließlich argumentiert Sasol, die Mutmaßung der führenden Rolle des eigenen Unternehmens sei nicht durch Beweismittel belegt. Offenbar ist Sasol der Ansicht, dass Total und ExxonMobil in gewissen Zeiträumen und/oder in Bezug auf gewisse Merkmale der Zuwiderhandlung eine führende Rolle gespielt haben.

    (682) Die Argumente von Sasol können nicht angenommen werden. Den in Kapitel 4 erläuterten Beweismitteln sind folgende Informationen zu entnehmen:

    1) Sasol hat fast alle technischen Treffen durch den Versand von Einladungen und unter Empfehlung von Tagesordnungen einberufen und viele Treffen organisiert (durch Reservierung von Hotelzimmern, … Anmietung von Besprechungsräumen und Bestellung von Abendessen);

    2) Sasol hat in den technischen Treffen die Leitung übernommen und die Preisgespräche initiiert und strukturiert; …

    3) Sasol hat die Inhalte der technischen Treffen mindestens zeitweilig in bilateralen Kontakten weiterverfolgt;

    4) Sasol hat mindestens einmal eines der anderen beteiligten Unternehmen vertreten (siehe Randnummer [129]).

    (683) Das Argument, dass Sasol die Treffen nur einberufen und organisiert und nur den technischen Teil der Treffen geleitet hätte. kann nicht anerkannt werden. Es liegen keine Anzeichen dafür vor, dass Sasol die eigene führende Rolle aufgegeben hätte, wenn sich die Gespräche in den technischen Treffen auf wettbewerbswidrige Themen verlagerten, die ein wesentlicher Bestandteil dieser technischen Treffen waren; Sasol selbst räumt ein, dass [sie] die Preisgespräche initiiert habe. … Aus keinem der Vermerke aus dem betreffenden Zeitraum ist zu entnehmen, dass sich die Struktur der beiden Teile der Treffen geändert hätte. Die Kommission ist daher in jedem Fall der Ansicht, dass beide Teile der Treffen eng miteinander in Zusammenhang standen und dass eine eindeutige Unterscheidung zwischen beiden Teilen nicht möglich ist. Schließlich haben auch die übrigen Teilnehmer der technischen Treffen Sasol als Anführer des Kartells gesehen. Dies geht insbesondere aus der E-Mail hervor, mit der der Vertreter von ExxonMobil die Beteiligung von ExxonMobil am Kartell aufkündigen wollte (siehe Randnummer [600]). Es liegen keine Anzeichen dafür vor, dass Sasol jemals versucht hätte, dem Eindruck der anderen Teilnehmer entgegenzutreten, dass Sasol im Kartell die Führung innehatte. Dass Sasol möglicherweise von den Lieferungen der übrigen Unternehmen abhängig war, schließt nicht aus, dass Sasol im Kartell eine führende Rolle spielte. Da Sasol führend auf dem Markt für Paraffinwachse war, ist die Abhängigkeit von den Lieferungen nur ein Aspekt der bestehenden Situation; weitere Aspekte sind, dass Sasol in gewissem Umfang in der Lage war, Einfluss auf den Markt für Paraffinwachse zu nehmen und dass Sasol ein mächtiger Abnehmer war. Gemessen am weltweiten Umsatz waren Sasol und die Rechtsvorgänger von Sasol im Vergleich zu anderen Adressaten dieser Entscheidung vielleicht klein; dabei darf jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass Sasol gemessen am Umsatz der wichtigste Teilnehmer auf dem Markt für Paraffinwachse ist. Die Feststellung einer führenden Rolle setzt auch nicht voraus, dass das betreffende Unternehmen wirtschaftlich unabhängig von seinen Wettbewerbern gewesen wäre oder dass das Unternehmen Druck auf seine Wettbewerber hätte ausüben können. Ebenso wenig verlangt die Rechtsprechung hierzu, dass der Anführer den übrigen Mitgliedern ein Verhalten aufzwingt. … Daher ist die Kommission nicht der Ansicht, dass die Zuschreibung der führenden Rolle durch die von Sasol zitierten Aussagen widerlegt wird.

    (684) Da die führende Rolle von Sasol in Bezug auf Paraffingatsch nicht nachgewiesen werden kann, gelangt die Kommission zu dem Ergebnis, dass der erschwerende Umstand der Übernahme einer führenden Rolle nur in Bezug auf die übrigen von dieser Zuwiderhandlung betroffenen Produkte als gegeben betrachtet werden kann.

    (685) Insoweit Sasol die Ansicht vorträgt, dass andere Unternehmen eine führende Rolle in bestimmten Zeiträumen oder im Zusammenhang mit bestimmten Merkmalen der Zuwiderhandlung gespielt hätten, stellt die Kommission fest, dass diese Darstellungen nicht mit Beweismitteln begründet werden und daher nicht berücksichtigt werden können.

    (686) Aus den genannten Gründen sollte der Grundbetrag der Geldbuße für Sasol um 50 % des aufgrund der Umsätze von Sasol mit voll- und halbraffinierten Paraffinwachsen, Wachsmischungen. Spezialwachsen, Hydrowachs und Hartwachsen ermittelten Anteils am Grundbetrag erhöht werden.“

    Zum von der Rechtsprechung vorgegebenen Rahmen

    355. Nach ständiger Rechtsprechung ist, wenn eine Zuwiderhandlung von mehreren Unternehmen begangen wurde, im Rahmen der Bemessung der Geldbuße ihre jeweilige Rolle bei der Zuwiderhandlung während der Dauer ihrer Beteiligung daran zu ermitteln (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Anic Partecipazioni, oben in Rn. 252 angeführt, Rn. 150). Daraus folgt u. a., dass die von einem oder mehreren Unternehmen gespielte Rolle des „Anführers“ im Rahmen eines Kartells bei der Bemessung der Geldbuße zu berücksichtigen ist, da die Unternehmen, die eine solche Rolle gespielt haben, im Verhältnis zu den anderen Unternehmen eine besondere Verantwortung tragen müssen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 16. November 2000, Finnboard/Kommission, C‑298/98 P, Slg. 2000, I‑10157, Rn. 45).

    356. Im Einklang mit diesen Grundsätzen enthält Ziff. 28 der Leitlinien von 2006 unter der Überschrift „Erschwerende Umstände“ eine nicht abschließende Aufzählung von Umständen, die zu einer Erhöhung des Grundbetrags der Geldbuße führen können; dazu gehört die Rolle als Anführer des Verstoßes (vgl. entsprechend Urteile des Gerichts vom 15. März 2006, BASF/Kommission, T‑15/02, Slg. 2006, II‑497, Rn. 280 bis 282, und vom 27. September 2012, Shell Petroleum u. a./Kommission, T‑343/06, Rn. 197).

    357. Um als Anführer eines Kartells eingestuft werden zu können, muss ein Unternehmen eine wichtige Antriebskraft für das Kartell gewesen sein oder eine besondere, konkrete Verantwortung für dessen Funktionieren getragen haben. Dieser Umstand ist im Rahmen einer Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung des Kontexts des betreffenden Falls zu bewerten. Sei n Vorliegen ist u. a. daraus zu folgern, dass das Unternehmen dem Kartell durch punktuelle Initiativen spontan einen grundlegenden Impuls gegeben hat, oder aus einer Gesamtheit von Indizien zu schließen, die das Bestreben des Unternehmens zeigen, die Stabilität und den Erfolg des Kartells zu sichern (Urteile BASF/Kommission, oben in Rn. 356 angeführt, Rn. 299, 300, 351, 370 bis 375 und 427, sowie Shell Petroleum u. a./Kommission, oben in Rn. 356 angeführt, Rn. 198).

    358. Dieser Fall liegt vor, wenn das Unternehmen an den Treffen des Kartells im Namen eines anderen Unternehmens teilgenommen hat, das dabei nicht anwesend war, und dieses von den Ergebnissen dieser Treffen unterrichtet hat. Das Gleiche gilt, wenn erwiesen ist, dass das betroffene Unternehmen im Rahmen der konkreten Betätigung des Kartells eine zentrale Rolle etwa dadurch spielte, dass es zahlreiche Treffen organisierte, die Informationen innerhalb des Kartells entgegennahm und verteilte und die meisten Vorschläge zur Arbeitsweise des Kartells machte (Urteile BASF/Kommission, oben in Rn. 356 angeführt, Rn. 404, 439 und 461, sowie Shell Petroleum u. a./Kommission, oben in Rn. 356 angeführt, Rn. 199). Bei der Feststellung einer solchen zentralen Rolle sind auch der Vorsitz bei den Treffen sowie das Ergreifen von Initiative mit dem Ziel, das Kartell zu errichten oder einen neuen Teilnehmer zu einem Beitritt zu bewegen, relevant (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 8. September 2010, Deltafina/Kommission, T‑29/05, Slg. 2010, II‑4077, Rn. 333 und 335).

    359. Hingegen ist es nicht zwingend Voraussetzung für die Einstufung eines Unternehmens als Anführer eines Kartells, dass das Unternehmen Druck ausgeübt oder sogar das Verhalten der anderen Kartellmitglieder bestimmt hat. Auch die Marktstellung eines Unternehmens oder seine Ressourcen können keine Indizien für eine Rolle als Anführer des Verstoßes darstellen, auch wenn sie zum Kontext gehören, unter dessen Berücksichtigung solche Indizien zu bewerten sind (Urteile des Gerichts vom 27. September 2012, Koninklijke Wegenbouw Stevin/Kommission, T‑357/06, Rn. 286, und Shell Petroleum u. a./Kommission, oben in Rn. 356 angeführt, Rn. 201; vgl. in diesem Sinne auch Urteil BASF/Kommission, oben in Rn. 356 angeführt, Rn. 299 und 374).

    360. Außerdem muss die Kommission nach der Rechtsprechung in Anbetracht der erheblichen Auswirkungen auf die Höhe der gegen den Anführer des Kartells festzusetzenden Geldbuße in der Mitteilung der Beschwerdepunkte die Elemente anführen, die nach ihrer Ansicht das beschuldigte Unternehmen, das als Anführer angesehen werden könnte, benötigt, um auf einen solchen Beschwerdepunkt erwidern zu können. Da jedoch eine solche Mitteilung eine Vorstufe zum Erlass der endgültigen Entscheidung bleibt und damit nicht den endgültigen Standpunkt der Kommission darstellt, kann nicht verlangt werden, dass diese bereits zu diesem Zeitpunkt eine rechtliche Bewertung der Elemente vornimmt, auf die sie sich in der endgültigen Entscheidung stützen wird, um ein Unternehmen als Anführer des Kartells einzustufen (Urteil des Gerichtshofs vom 9. Juli 2009, Archer Daniels Midland/Kommission, C‑511/06 P, Slg. 2009, I‑5843, Rn. 70 und 71).

    361. Schließlich ist festzustellen, dass die Passagen der Unterlagen und Erklärungen, die von der Kommission gegebenenfalls weder in der angefochtenen Entscheidung noch in der Mitteilung der Beschwerdepunkte ausdrücklich angeführt wurden, vom Gericht im Rahmen der Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung dennoch berücksichtigt werden dürfen, sofern diese Unterlagen und Erklärungen den Klägerinnen nach der Mitteilung der Beschwerdepunkte im Verwaltungsverfahren zugänglich gemacht wurden (Urteil des Gerichtshofs vom 16. November 2000, SCA Holding/Kommission, C‑297/98 P, Slg. 2000, I‑10101, Rn. 55; vgl. in diesem Sinne Urteile BASF/Kommission, oben in Rn. 356 angeführt, Rn. 354, und Shell Petroleum u. a./Kommission, oben in Rn. 356 angeführt, Rn. 176).

    Zur Beachtung der Begründungspflicht hinsichtlich der Feststellung der Anführerrolle von Sasol

    362. Die Klägerinnen sind der Auffassung, die Kommission habe ihre Feststellung, dass Sasol eine Anführerrolle im Kartell gespielt habe, nicht hinreichend begründet.

    363. Nach ständiger Rechtsprechung muss die Begründung einer Einzelfallentscheidung die Überlegungen des Unionsorgans, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und das zuständige Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann. Das Begründungserfordernis ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen. In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich oder rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts den Erfordernissen des Art. 253 EG genügt, nicht nur anhand seines Wortlauts zu beurteilen ist, sondern auch anhand seines Kontexts sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 2. April 1998, Kommission/Sytraval und Brink’s France, C‑367/95 P, Slg. 1998, I‑1719, Rn. 63 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    364. Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die Kommission in den Erwägungsgründen 681 bis 686 der angefochtenen Entscheidung mit hinreichender Genauigkeit die Umstände darlegt, auf die sie sich bei der Einstufung von Sasol als Anführer des die Paraffinwachse betreffenden Teils der Zuwiderhandlung stützt. Die Kommission legt nämlich den insoweit als relevant angesehenen Sachverhalt dar und nennt die Unterlagen zur Stützung dieser Tatsachenfeststellungen.

    365. Daher ist die Rüge einer unzureichenden Begründung als unbegründet zurückzuweisen.

    Zur Würdigung der von der Kommission zur Stützung der Feststellung der Anführerrolle von Sasol zusammengetragenen Gesichtspunkte in der Sache

    366. Zunächst sind die Klägerinnen der Ansicht, die in der angefochtenen Entscheidung zusammengetragenen Gesichtspunkte könnten die Feststellung nicht stützen, wonach Sasol Anführer des Kartells gewesen sei, so dass die Kommission insoweit einen Beurteilungsfehler und einen Rechtsfehler begangen habe.

    367. Erstens sind die im 682. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung angeführten Gesichtspunkte zu prüfen, wonach Sasol fast alle technischen Treffen durch den Versand von Einladungen und unter Empfehlung von Tagesordnungen für diese Treffen einberufen und viele Treffen organisiert habe (durch Reservierung von Hotelzimmern, Anmietung von Besprechungsräumen und Bestellung von Abendessen), und wonach Sasol in diesen Treffen die Leitung übernommen und die Preisgespräche initiiert und strukturiert habe.

    368. Die Klägerinnen bestreiten die oben angeführten Tatsachen nicht.

    369. Sie machen hingegen geltend, dass Sasol nicht die Tagesordnung betreffend die Besprechung des Kartells, sondern nur für den technischen und rechtmäßigen Teil der Treffen festgelegt habe. Außerdem seien Zeitpunkt und Ort der Treffen des „Blauen Salons“ nicht einseitig von Sasol festgelegt, sondern von sämtlichen Beteiligten beschlossen worden.

    370. Überdies habe Sasol in keiner Weise die Preisgespräche der Kartellbeteiligten organisiert oder strukturiert. Nachdem Sasol den technischen Teil des Treffens geleitet habe, habe sie allgemein die Diskussion über die Preise begonnen, die Preisfestsetzung sei aber sodann offen diskutiert und die Entscheidungen hierzu seien von sämtlichen Beteiligten in Form einer offenen „Tischumfrage“ getroffen worden. Nichts deute darauf hin, dass Sasol den geringsten Druck auf einen der anderen Beteiligten ausgeübt habe, um ein bestimmtes Ergebnis der Gespräche zu erlangen.

    371. Nach Ansicht des Gerichts kann das Vorbringen der Klägerinnen die Bedeutung der Tatsache nicht mindern, dass Sasol fast alle technischen Treffen einberufen, die Einladungen an die Beteiligten versandt, Hotelzimmer reserviert, Besprechungsräume angemietet und Abendessen bestellt hat. Dies zeigt, dass in praktischer Hinsicht Sasol Organisator der wettbewerbswidrigen Zusammenkünfte war.

    372. Außerdem hat die Tatsache, dass Sasol die Einladungen versandte, eine besondere, über die praktische Organisation hinausgehende Bedeutung, da, wenn einige Kartellbeteiligte bei einem oder mehreren aufeinanderfolgenden technischen Treffen abwesend waren und daher Ort und Zeitpunkt des nächsten technischen Treffens nicht vor Ort erfahren hatten, sie an den weiteren Treffen auf Einladung von Sasol teilnehmen konnten.

    373. Ebenso deutet die Tatsache, dass Sasol die Tagesordnung zumindest für den technischen und rechtmäßigen Teil der Gespräche festgelegt hat, auf eine gewisse Vorrangstellung unter den Teilnehmern der technischen Treffen hin, die die Autorität von Sasol verstärken konnte, die sie als größter Paraffinwachshersteller im EWR mit einem Marktanteil von 22,4 % im Jahr 2004 bereits hatte.

    374. Überdies ist auch die Tatsache von Bedeutung, dass Sasol im Allgemeinen die Diskussion über die Preise begonnen hat, da es daher im Allgemeinen Sasol war, die die Wendung von den rechtmäßigen technischen Gesprächen zu den wettbewerbswidrigen Gesprächen veranlasste. Selbst wenn es keine Hinweise auf wettbewerbswidrige Gespräche in der von Sasol festgelegten Tagesordnung gibt, was eine natürliche Folge der Heimlichkeit von Kartellen ist, bestimmte daher im Allgemeinen Sasol den Platz, den die wettbewerbswidrigen Gespräche unter den besprochenen Themen einnahm. Darüber hinaus ergibt sich aus der Akte, dass Sasol im Allgemeinen als Erste den Zielpreis der Paraffinwachse oder das Ausmaß der Preiserhöhung sowie den Zeitpunkt des Beginns der Anwendung der neuen Preise gegenüber Kunden ankündigte.

    375. Im Übrigen ist es nach der oben in Rn. 359 angeführten Rechtsprechung nicht zwingend Voraussetzung für die Einstufung eines Unternehmens als Anführer eines Kartells, dass das Unternehmen Druck ausgeübt oder sogar das Verhalten der anderen Kartellmitglieder bestimmt hat. Daher können sich die Klägerinnen nicht mit Erfolg darauf berufen, dass Sasol bei den technischen Treffen keinen Druck auf die übrigen Teilnehmer ausgeübt habe.

    376. Zweitens bestreiten die Klägerinnen nicht, dass Sasol mindestens einmal eines der anderen beteiligten Unternehmen, nämlich Wintershall, vertreten hat. Außerdem informierte Sasol die anderen Kartellbeteiligten, deren Vertreter an einem Treffen nicht hatten teilnehmen können, über dessen Ergebnisse, wie im 103. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung und in Rn. 185 des Anhangs der angefochtenen Entscheidung hinsichtlich MOL, ENI und Repsol belegt wird.

    377. Drittens weist die Kommission im 683. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung auch darauf hin, dass die übrigen Teilnehmer der technischen Treffen Sasol als Anführer des Kartells gesehen hätten. Dies gehe insbesondere aus der E-Mail hervor, mit der der Vertreter von ExxonMobil deren Beteiligung am Kartell aufkündigen wollte.

    378. Nach Auffassung der Klägerinnen untermauern die von der Kommission zusammengetragenen Beweise nicht die Schlussfolgerungen Letzterer, dass die übrigen Teilnehmer Sasol als Anführer des Kartells gesehen hätten. Die E-Mail von ExxonMobil sei nur deswegen an Sasol gerichtet gewesen, weil Letztere die vorhergehende E-Mail mit der Tagesordnung des vorgeschlagenen Treffens versandt habe.

    379. Die E-Mail von ExxonMobil wird im 600. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung geprüft. Die Kommission stellt Folgendes fest:

    „ExxonMobil erklärt, das letzte Treffen, an dem ein Vertreter von ExxonMobil teilgenommen habe, sei das technische Treffen am 27. und 28. Februar 2003 in München gewesen. … Auf die von Herrn [M.] (Sasol) geschickte Einladung zum Treffen am 15. Januar 2004 antwortete Herr [Hu.] (ExxonMobil) unter anderem: ‚The agenda items seems to be of interest to us. However, as we understand this group of competitors meets without the support of an industry trade association [a]nd therefore without a structure und statutes. We feel uncomfortable with this und would like to suggest to bring these meetings under the umbrella of the EWF either as part of the technical committee, or as a separate sub committee. ExxonMobil will not attend this meeting without the support of a statuted industrial trade association.‘ [Die Tagesordnung scheint interessant für uns zu sein. Uns scheint allerdings, dass diese Gruppe von Wettbewerbern ohne die Unterstützung eines Industrieverbands und daher ohne Struktur und Satzung zusammenkommt. Wir würden uns dabei nicht recht wohl fühlen und möchten vorschlagen, diese Treffen unter dem Dach des EWF entweder als Bestandteil des technischen Ausschusses oder als getrennten Unterausschuss durchzuführen. Ohne die Unterstützung eines rechtmäßig konstituierten Industrieverbandes wird ExxonMobil an diesem Treffen nicht teilnehmen.]“

    380. Zum Inhalt dieser E-Mail stellt das Gericht fest, dass der Hinweis auf Treffen einer „Gruppe von Wettbewerbern ohne die Unterstützung eines Industrieverbands“ nahelegt, dass ExxonMobil seine Beteiligung am Kartell aufkündigen wollte, wie die Kommission im Übrigen zutreffend festgestellt hat. Der Gebrauch einer deutlicheren Sprache wäre aufgrund der Heimlichkeit von Kartellen und der sich aus dem ausdrücklichen Hinweis auf wettbewerbswidrige Handlungen in einer E-Mail ergebenden Gefahr einer Geldbuße nicht vernünftig gewesen.

    381. Die Tatsache, dass diese E-Mail nur an Sasol und nicht an alle Beteiligten gerichtet war, deutet ohne vernünftigen Zweifel darauf hin, dass ExxonMobil Sasol als Anführer des Kartells ansah.

    382. Die Erklärungen von Shell und Sasol, auf die sich der 107. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung bezieht, enthalten übereinstimmende Hinweise, soweit die beiden Unternehmen ausführten, dass die Treffen im Allgemeinen vom Vertreter von Sasol organisiert und geleitet worden seien.

    383. Daher ist das Vorbringen der Klägerinnen insoweit zurückzuweisen und die Feststellung der Kommission, dass die übrigen Teilnehmer Sasol als Anführer des Kartells gesehen hätten, zu bestätigen.

    384. Nach alledem ist festzustellen, dass die Kommission eine Reihe von übereinstimmenden Beweisen zusammengetragen hat, die im Hinblick auf den von der Rechtsprechung vorgegebenen Rahmen die Schlussfolgerung rechtfertigt, dass Sasol eine wichtige Antriebskraft für das Kartell war und eine besondere, konkrete Verantwortung für dessen Funktionieren trug, so dass die Kommission zutreffend festgestellt hat, dass Sasol der Anführer der die Paraffinwachse betreffenden Teile des Kartells war.

    385. Das weitere Vorbringen der Klägerinnen kann diese Feststellung nicht in Frage stellen.

    386. Erstens ist den Klägerinnen zufolge der einzige Unterschied zwischen Sasol und den übrigen Teilnehmern die Tatsache, dass Sasol die Treffen organisiert und geleitet habe, dass sie meist die Preisgespräche und die Umsetzung der vereinbarten Preiserhöhungen initiiert habe und dass sie im Allgemeinen die Erste gewesen sei, die die mit sämtlichen Teilnehmern vereinbarten Preise umgesetzt habe.

    387. Zunächst ist festzustellen, dass sich die angefochtene Entscheidung nicht nur auf diese Feststellungen stützt, wie im Übrigen aus obiger Prüfung hervorgeht.

    388. Sodann liegen, wie die Kommission zutreffend bemerkt, zu keinem anderen Unternehmen so viele Umstände vor, die zum Nachweis seiner Anführerrolle beitragen, wie zu Sasol. Es ergibt sich nämlich aus dem Anhang der angefochtenen Entscheidung, dass ausdrückliche Beweise für von den übrigen Teilnehmern organisierte Treffen nur für fünf ‐ im vorliegenden Fall eines von MOL, drei von Total und eines von Shell ‐ von insgesamt 51 Treffen vorliegen, während mit E-Mail übermittelte Einladungen und Tagesordnungen erlauben, Sasol die Initiative für elf Treffen und für deren Organisation zuzurechnen.

    389. Dieses Vorbringen ist somit zurückzuweisen.

    390. Zweitens machen die Klägerinnen geltend, Sasol sei zur Leitung des Kartells nicht in der Lage gewesen, da sie von anderen vertikal integrierten Kartellbeteiligten abhängig gewesen sei, bei denen sie sich mit Paraffingatsch, dem Ausgangsmaterial von Paraffinwachsen, versorgt habe.

    391. Dem kann nicht gefolgt werden. Der Marktanteil von Sasol auf dem Markt für Paraffinwachse im EWR betrug im Jahr 2004 22,4 %, so dass Sasol, wie die Klägerinnen einräumen, der wichtigste Lieferant von Paraffinwachsen und der „Marktführer“ war. Außerdem war Sasol ein bedeutender Abnehmer von Paraffingatsch, nämlich z. B., nach ihren eigenen Ausführungen, der bedeutendste Abnehmer von Paraffingatsch, das von Shell und ExxonMobil hergestellt wurde. Daher hatte Sasol aufgrund seiner Nachfragemacht eine starke Verhandlungsposition gegenüber den Paraffingatschherstellern. Im Übrigen wird die Tatsache, dass Sasol keinerlei Druck hinsichtlich des Preises von Paraffingatsch durch die vertikal integrierten Hersteller unterlag, dadurch hinreichend bewiesen, dass selbst der von ihr an deutsche Endabnehmer getätigte Wiederverkauf von Paraffingatsch eine gewinnbringende Geschäftstätigkeit war. Daraus ergibt sich, dass das wirtschaftliche Gewicht von Sasol unter den Kartellbeteiligten nicht dadurch beeinträchtigt wurde, dass Sasol nicht vertikal integriert war.

    392. Drittens hätte die Kommission nach Auffassung der Klägerinnen nicht davon ausgehen dürfen, dass die wettbewerbswidrigen Vereinbarungen und Verhaltensweisen in Bezug auf Paraffingatsch und Paraffinwachse eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung dargestellt hätten und dass gleichzeitig die Anführerrolle von Sasol betreffend das Paraffingatsch nicht habe festgestellt werden können. Da es nicht möglich sei, ein Kartell nur teilweise anzuführen, habe die Kommission insoweit einen Beurteilungsfehler begangen.

    393. Wie die Kommission zu Recht ausführt, unterliegen die Begriffe „einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung“ und „Anführer der Zuwiderhandlung“ nicht denselben Kriterien. Der Begriff „einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung“ beruht auf dem Gedanken eines einheitlichen wettbewerbswidrigen Ziels, während der Begriff „Anführer der Zuwiderhandlung“ auf der Tatsache beruht, dass ein Unternehmen eine bedeutende Antriebskraft innerhalb des Kartells ist.

    394. Somit verpflichtet keine Rechtsvorschrift die Kommission zum Nachweis, dass sich die Anführerrolle von Sasol auf alle Teile der Zuwiderhandlung erstreckte. Im Gegenteil spiegelt die Tatsache, dass die Kommission die Anführerrolle von Sasol hinsichtlich des Teils betreffend Paraffingatsch trotz der Rolle von Sasol als Organisator der technischen Treffen, bei denen auch das Paraffingatsch besprochen wurde, nicht festgestellt hat, einen fairen Ansatz der Kommission wider.

    395. Nach alledem ist festzustellen, dass die Kommission mehrere übereinstimmende Beweismittel beigebracht hat, die insgesamt den Schluss zulassen, dass Sasol eine wichtige Antriebskraft für das Kartell darstellte.

    396. Daher hat die Kommission weder einen Beurteilungsfehler noch einen Rechtsfehler begangen, als sie auf der Grundlage eines Bündels von schlüssigen und übereinstimmenden Indizien zu dem Schluss gelangt ist, dass die Klägerinnen die Anführerrolle im Kartell im Bereich Paraffinwachs gespielt habe.

    397. Folglich ist die vorliegende Rüge zurückzuweisen.

    Zum angeblich übermäßigen, unverhältnismäßigen und diskriminierenden Charakter der Erhöhung des Grundbetrags der Geldbuße um 50 % aufgrund der Anführerrolle

    398. Die Klägerinnen sind der Auffassung, die Erhöhung des Grundbetrags der Geldbuße um 210 Mio. Euro sei übermäßig und unverhältnismäßig. Folglich beantragen sie, die Erhöhung der Geldbuße um 50 % für nichtig zu erklären oder zumindest die Höhe des Aufschlags erheblich herabzusetzen, so dass er die Schwere der von Sasol begangenen Zuwiderhandlung im Hinblick auf die von den anderen Kartellbeteiligten begangenen Zuwiderhandlungen angemessen und verhältnismäßig widerspiegle.

    399. Erstens habe die Kommission die behauptete Anführerrolle von Sasol ausschließlich aus Umständen geschlossen, die in geringerem Umfang auch die anderen Kartellbeteiligten beträfen, so dass kein qualitativer Unterschied zwischen dem Kartellbeitrag von Sasol und dem der anderen Beteiligten bestehe. Daher habe die Kommission gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen, soweit sie diese Tatsachen nur Sasol und nicht den anderen Kartellbeteiligten zur Last gelegt habe.

    400. Es ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission, wie sich aus der Prüfung oben in den Rn. 367 bis 396 ergibt, nachgewiesen hat, dass sich Sasol angesichts ihrer Rolle als Anführer im Kartell in einer anderen Situation befand als die anderen Beteiligten. Dieser Schluss war auf der Grundlage von quantitativen und qualitativen Elementen möglich, da bestimmte Verhaltensweisen, die auf die Anführerrolle hinweisen, nur Sasol vorgeworfen werden konnten. Die Kommission darf jedenfalls die Grundbeträge der gegen die verschiedenen Beteiligten verhängten Geldbuße differenzieren, indem sie die besondere Intensität der Organisationstätigkeiten eines einzelnen Beteiligten innerhalb des Kartells berücksichtigt.

    401. Somit hat die Kommission in Anbetracht der besonderen Situation von Sasol im Verhältnis zu der der anderen Beteiligten nach der oben in Rn. 181 angeführten Rechtsprechung nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen.

    402. Zweitens tragen die Klägerinnen vor, die von Sasol begangene Zuwiderhandlung sei nicht in einem Maße schwerer als die von den anderen Beteiligten begangene, das eine Erhöhung der Geldbuße um 50 % rechtfertigte. Die Finanzkraft von Sasol sei außerdem deutlich schwächer als die der anderen Kartellmitglieder, so dass sie bereits durch den Grundbetrag der Geldbuße wesentlich schwerer als alle anderen Kartellbeteiligten betroffen sei.

    403. Der dem Grundbetrag der Geldbuße hinzugerechnete Aufschlagssatz von 50 % stelle 125 % des von Sasol Wax im EWR erzielten Jahresumsatzes von Paraffinwachsen dar. Das entspreche auch 75 % des kumulierten Grundbetrags der gegen alle anderen Kartellbeteiligten verhängten Geldbußen, obwohl der Marktanteil von Sasol Wax ungefähr 25 bis 30 % betrage.

    404. Nach der Rechtsprechung muss die Geldbuße angepasst werden, um der gewünschten Auswirkung auf das Unternehmen, gegen das sie verhängt wird, Rechnung zu tragen, damit sie in Einklang mit den Anforderungen, die sich aus der Notwendigkeit, ihre Wirksamkeit zu gewährleisten, und der Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ergeben, insbesondere im Hinblick auf die Finanzkraft des betreffenden Unternehmens weder zu niedrig noch zu hoch ausfällt (Urteile des Gerichts Degussa/Kommission, oben in Rn. 203 angeführt, Rn. 283, und vom 18. Juni 2008, Hoechst/Kommission, T‑410/03, Slg. 2008, II‑881, Rn. 379).

    405. Nach der oben in Rn. 316 angeführten Rechtsprechung bedeutet die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, dass die Geldbußen nicht außer Verhältnis zu den angestrebten Zielen – d. h. zur Beachtung der Wettbewerbsregeln der Union – stehen dürfen und die einem Unternehmen wegen einer Zuwiderhandlung im Bereich des Wettbewerbs auferlegte Geldbuße so zu bemessen ist, dass sie bei einer Gesamtwürdigung der Zuwiderhandlung unter besonderer Berücksichtigung ihrer Schwere und Dauer in angemessenem Verhältnis zu ihr steht. Insbesondere bedeutet dies, dass die Kommission die Geldbuße verhältnismäßig nach den Gesichtspunkten festsetzen muss, die sie für die Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung berücksichtigt hat, und dass sie diese Gesichtspunkte dabei schlüssig und objektiv gerechtfertigt bewerten muss.

    406. Im vorliegenden Fall ist darauf hinzuweisen, dass sich die Tatsache, dass der Grundbetrag der Geldbuße 125 % des von Sasol Wax im EWR erzielten Jahresumsatzes von Paraffinwachsen darstellt, im Wesentlichen aus dem bloßen Umstand ergibt, dass sie 13 Jahre am Kartell beteiligt war und die Dauer der Beteiligung ein auf den Umsatz angewandter Multiplikator ist.

    407. Ebenso erklärt sich die Tatsache, dass die Erhöhung aufgrund der Anführerrolle 75 % des kumulierten Grundbetrags der über alle anderen Kartellmitglieder verhängten Geldbußen entspricht, aus dem Umstand, dass Sasol, Marktführer für Paraffinwachse mit einem Marktanteil von 22,4 %, viel höhere Umsätze erzielte als die anderen Beteiligten.

    408. Keiner der von den Klägerinnen angestellten Vergleiche betrifft daher die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Erhöhung des Grundbetrags um 50 % aufgrund der Rolle als Anführer des Kartells.

    409. Dagegen hat das Gericht in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung unter Umständen, die denen des vorliegenden Falls entsprechen, bereits bestätigt, dass eine Erhöhung des Grundbetrags der Geldbuße um 50 % den zusätzlichen schädlichen Charakter der Zuwiderhandlung aufgrund der Rolle als Anführer des Kartells angemessen widerspiegelte (Urteil Koninklijke Wegenbouw Stevin/Kommission, oben in Rn. 359 angeführt, Rn. 302).

    410. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Erhöhung des Grundbetrags der Geldbuße nicht die Frage der Finanzkraft des für die Zuwiderhandlung zur Verantwortung gezogenen Unternehmens betrifft. Das dazu bei der Berechnung verwendete Element ist die Obergrenze des Gesamtbetrags der Geldbuße von 10 % des Jahresumsatzes des Unternehmens. Die diesbezüglich von den Klägerinnen vorgetragenen Argumente gehen daher ins Leere.

    411. Folglich ist nach den Umständen des vorliegenden Falls und den von der Kommission zusammengetragenen Gesichtspunkten, die die Rolle von Sasol als Anführer des Kartells belegen, festzustellen, dass die Kommission nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen und den Grundbetrag der Geldbuße nicht übermäßig erhöht hat, indem sie eine Erhöhung dieses Grundbetrags um 50 % aufgrund dieser Anführerrolle angewandt hat.

    412. Somit sind die Rügen eines Verstoßes gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit zurückzuweisen.

    413. Nach alledem ist der fünfte Klagegrund in vollem Umfang zurückzuweisen.

    6. Zum siebten Klagegrund: kein vollständiger Erlass bestimmter Teile der Geldbuße gegenüber Sasol

    414. Die Klägerinnen machen geltend, die Kommission habe einen Rechtsfehler begangen und gegen Rn. 23 der Kronzeugenregelung von 2002 verstoßen, indem sie die gegen Sasol zu verhängende Geldbuße auf mehrere Umstände gestützt habe, die Letztere freiwillig geliefert habe, von denen die Kommission vor den Erklärungen von Sasol keine Kenntnis gehabt habe und die wesentliche und unmittelbare Auswirkungen auf die Schwere und die Dauer der Zuwiderhandlung gehabt hätten.

    415. Im 741. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung ist die Kommission zu dem Ergebnis gekommen, dass die von Sasol nach den Nachprüfungen mit zwei im April und im Mai 2005 eingereichten Schreiben und deren Anhängen vorgelegten Beweismittel einen erheblichen Mehrwert gemäß der Kronzeugenregelung von 2002 darstellten, da sie es der Kommission erleichterten, die Sachverhalte im Zusammenhang mit diesem Kartell zu beweisen.

    416. Außerdem stellt die Kommission im 743. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung fest, dass der erste Beleg, der unmittelbare Auswirkungen auf die Bestimmung der Dauer des Kartells gehabt habe, nicht von Sasol vorgelegt, sondern bei den Nachprüfungen gefunden worden sei (nämlich die MOL-Vermerke und die Informationsvermerke über den „Blauen Salon“ von Sasol) bzw. im Kronzeugenantrag von Shell enthalten gewesen seien.

    417. Laut dem 749. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung wandte die Kommission auf dieser Grundlage eine Ermäßigung der gegen Sasol verhängten Geldbuße von 50 % an, d. h. den höchsten Ermäßigungssatz, der nach der Kronzeugenregelung von 2002 einem Unternehmen gewährt werden kann, das nicht als erstes das Bestehen eines Kartells aufdeckt; im vorliegenden Fall sei dies Shell gewesen.

    Zum ersten Teil betreffend die technischen Treffen vor dem Jahr 2000

    418. Die Klägerinnen machen geltend, das am weitesten zurückliegende Treffen, das von Shell in seinem Antrag auf Anwendung der Kronzeugenregelung angeführt sei, sei das, das am 3. und 4. Februar 2000 in Budapest stattgefunden habe. Die Erklärung von Shell habe keinen konkreten Beweis für die Treffen enthalten, die davor stattgefunden hätten. Daher habe sich die Kommission für den Nachweis bestimmter Treffen, insbesondere im Zeitraum von 1995 bis 2000, auf die Erklärungen von Sasol stützen müssen.

    419. Was die bei den Nachprüfungen gefundenen MOL-Vermerke und die Informationsvermerke über den „Blauen Salon“ betreffe, die somit frühere Beweise als die freiwilligen Angaben von Sasol darstellten, sind die Klägerinnen der Ansicht, dass diese Quellen nicht alle in der Entscheidung der Kommission angeführten Treffen umfassten und dass die meisten Angaben in diesen Vermerken nicht deutlich genug gewesen seien, um die Dauer der Zuwiderhandlung zu beweisen. Außerdem beziehen sich die Klägerinnen auf sieben technische Treffen, die zwischen 1996 und 2001 stattgefunden hätten und deren wesentliche Umstände wie Zeitpunkt, Ort, Identität der Teilnehmer und wettbewerbswidrige Inhalte von der Kommission mit der nötigen Gewissheit nur durch die Anträge von Sasol auf Anwendung der Kronzeugenregelung hätten festgestellt werden können.

    420. Daher habe die Kommission das Vorliegen einer Zuwiderhandlung zwischen 1992 und 1999 aufgrund der von Sasol gemachten Angaben rechtlich hinreichend nachweisen können. Folglich beantragen sie, die angefochtene Entscheidung abzuändern und ihnen die Geldbuße für den Teil der Zuwiderhandlung, der sich auf den Zeitraum von 1992 bis 1999 bezieht, zu erlassen.

    421. Es ist festzustellen, dass das Vorbringen der Klägerinnen weder durch den Inhalt der angefochtenen Entscheidung noch durch die darin angeführten Dokumente erhärtet wird.

    422. Erstens hat die Kommission, was den Zeitraum vom ersten Treffen im Jahr 1992 bis zum achten Treffen am 27. Januar 1995 betrifft, über Informationen über das Kartell aus anderen Quellen als den Antrag von Sasol auf Anwendung der Kronzeugenregelung, nämlich aus den bei den Nachprüfungen gefundenen MOL-Vermerken und Informationsvermerken über den „Blauen Salon“ von Sasol, verfügt. Es handelt sich um die technischen Treffen vom 3. und 4. September 1992 (126. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung), vom 26. März 1993 (129. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung), vom 2. Juni 1993 (130. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung), vom 25. Oktober 1993 (131. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung), vom 24. Juni 1994 (132. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung), vom 30. September 1994 (133. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung) und vom 27. Januar 1995 (134. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Durch die MOL-Vermerke zu diesen Treffen und die Informationsvermerke über den „Blauen Salon“, die in der angefochtenen Entscheidung angeführt werden, konnte die Kommission die Identität der Teilnehmer, Zeitpunkt und Ort der Treffen und bei den meisten sogar den Inhalt der Gespräche sowie ihre wettbewerbswidrige Natur feststellen.

    423. Was den Zeitraum vom neunten Treffen am 16. und 17. März 1995 bis zum 22. Treffen am 27. und 28. Oktober 1999 betrifft, konnte die Kommission durch die Erklärungen von Sasol nur von drei Treffen, nämlich dem vom 12. und 13. Januar 1999 (150. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung), dem vom 2. und 3. März 1999 (151. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung) und dem vom 23. und 24. September 1999 (155. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung), Kenntnis erlangen. Dagegen konnte die Kommission vier Treffen, nämlich die vom 22. und 23. Juni 1995 (136. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung), 14. und 15. Mai 1996 (140. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung), 12. und 13. Februar 1998 (146. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung) und 8. und 9. Juli 1999 (154. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung), aufgrund der bei den Nachprüfungen gefundenen MOL-Vermerke feststellen. Außerdem konnte die Kommission auch den Inhalt zweier dieser Treffen aufgrund der bei den Nachprüfungen gesammelten Beweise rekonstruieren.

    424. Daraus folgt, dass die Beweise, die der Kommission vor der Abgabe der Erklärungen von Sasol vorgelegen haben, ihr gestattet haben, das Vorliegen der Zuwiderhandlung für den Zeitraum vor dem 3. Februar 2000 festzustellen. Somit treffen die Behauptungen der Klägerinnen in tatsächlicher Hinsicht nicht zu.

    425. Zweitens können sich die Klägerinnen auch nicht auf den lückenhaften Charakter der Informationen in den MOL-Vermerken und den Informationsvermerken über den „Blauen Salon“ berufen.

    426. Die Vermerke von MOL sind handschriftliche Notizen, die während der Treffen von einem Teilnehmer gemacht wurden, und sie sind strukturiert und ziemlich detailliert. Folglich kommt ihnen ein sehr hoher Beweiswert zu. Was die Protokolle von Sasol über die Treffen „Blauer Salon“ anbelangt, handelt es sich um Dokumente aus dem Zeitraum der Zuwiderhandlung, die in tempore non suspecto , d. h. kurz nach dem jeweiligen technischen Treffen erstellt worden sind. Somit ist ihr Beweiswert hoch.

    427. Außerdem kann nach der oben in Rn. 230 angeführten Rechtsprechung aufgrund der Heimlichkeit von Kartellen von der Kommission nicht verlangt werden, dass sie Beweisstücke vorlegt, die eine Kontaktaufnahme zwischen den betreffenden Wirtschaftsteilnehmern explizit bestätigen. Die lückenhaften und vereinzelten Beweiselemente, über die die Kommission gegebenenfalls verfügt, müssen jedenfalls durch Schlussfolgerungen ergänzt werden können, die die Rekonstruktion der relevanten Umstände ermöglichen. Das Vorliegen einer wettbewerbswidrigen Verhaltensweise oder Vereinbarung kann folglich aus einer Reihe von Koinzidenzen und Indizien abgeleitet werden, die bei einer Gesamtbetrachtung mangels einer anderen schlüssigen Erklärung den Beweis für eine Verletzung der Wettbewerbsregeln darstellen können.

    428. Die oben angeführten Vermerke und Protokolle stellen jedoch eine Reihe von Beweisen dar, auf die die Kommission zu Recht die Feststellung stützen konnte, dass das Kartell schon von 1992 bis 1999 bestand.

    429. Zwar haben die beiden Schreiben von Sasol die Arbeit der Kommission erleichtert, indem sie zusätzliche Beweise und Klarstellungen zur Auslegung der anderen verfügbaren Beweise lieferten. Dieser Beitrag spiegelt sich hingegen in der Sasol wegen ihrer Zusammenarbeit gewährten Herabsetzung der Geldbuße um 50 % angemessen wider.

    430. Daher ist der erste Teil des siebten Klagegrundes zurückzuweisen.

    Zum zweiten Teil: Aufteilung der Märkte und Kunden

    431. Nach dem 653. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung wurde aufgrund der Feststellung, dass sich ExxonMobil, MOL, Repsol, RWE, Sasol, Shell und Total auch an einer Aufteilung von Kunden und/oder Märkten beteiligt hätten, die den zweiten Teil der Zuwiderhandlung dargestellt habe, der Anteil des für diese Unternehmen anzunehmenden Umsatzes auf 18 % statt 17 % festgesetzt, dem Prozentsatz, der auf die Unternehmen angewandt worden sei, die nur am ersten Teil der Zuwiderhandlung beteiligt gewesen seien.

    432. Die Klägerinnen bringen vor, die vor ihren Erklärungen diesbezüglich von Shell übermittelten Informationen seien laut dem 741. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung unvollständig gewesen. Ebenso ergäben sich die detaillierten Beweise über die Aufteilung von Kunden und/oder Märkten aus den Erklärungen von Sasol vom 30. April und 12. Mai 2005.

    433. Hierzu genügt der Hinweis, dass die Umstände, die klar auf eine Aufteilung der Kunden bei den technischen Treffen hindeuten, in den in den Erwägungsgründen 145 und 147 der angefochtenen Entscheidung angeführten MOL-Vermerken, in einem im 168. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung angeführten Informationsvermerk von Sasol und in einem im 170. Erwägungsgrund dieser Entscheidung genannten Vermerk von Total enthalten waren. Diese Beweise waren bei den Nachprüfungen, d. h. vor der Abgabe der Erklärungen von Sasol, erlangt worden.

    434. Somit treffen die Behauptungen der Klägerinnen in tatsächlicher Hinsicht nicht zu.

    435. Zum lückenhaften Charakter der Informationen in diesen Vermerken genügt es, auf die in den Rn. 426 und 427 ausgeführten Erwägungen zu verweisen.

    436. Nach alledem ist der zweite Teil und damit der siebte Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

    Zur Ausübung der Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung und zur Festsetzung des endgültigen Betrags der Geldbuße

    437. Die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der von der Kommission erlassenen Entscheidungen wird durch die Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung ergänzt, die den Unionsgerichten in Art. 31 der Verordnung Nr. 1/2003 gemäß Art. 229 EG und nunmehr gemäß Art. 261 AEUV eingeräumt ist. Diese Befugnis ermächtigt die Gerichte über die reine Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Zwangsmaßnahme hinaus dazu, die Beurteilung der Kommission durch ihre eigene Beurteilung zu ersetzen und demgemäß die verhängte Geldbuße oder das verhängte Zwangsgeld aufzuheben, herabzusetzen oder zu erhöhen. Die in den Verträgen vorgesehene Kontrolle bedeutet somit – im Einklang mit den Anforderungen des Grundsatzes des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes gemäß Art. 47 der Charta der Grundrechte –, dass die Unionsgerichte sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht eine Kontrolle vornehmen und befugt sind, die Beweise zu würdigen, die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären und die Höhe der Geldbußen zu ändern (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 8. Februar 2007, Groupe Danone/Kommission, C‑3/06 P, Slg. 2007, I‑1331, Rn. 60 bis 62, und Urteil des Gerichts vom 21. Oktober 2003, General Motors Nederland und Opel Nederland/Kommission, T‑368/00, Slg. 2003, II‑4491, Rn. 181).

    438. Das Gericht hat daher im Rahmen seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung zu dem Zeitpunkt, zu dem es seine Entscheidung erlässt, zu bewerten, ob gegen die klägerischen Parteien eine Geldbuße verhängt wurde, deren Höhe die Schwere und die Dauer der fraglichen Zuwiderhandlung so zutreffend widerspiegelt, dass diese Geldbuße gemessen an den in Art. 23 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 vorgesehenen Kriterien verhältnismäßig ist (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 11. März 1999, Aristrain/Kommission, T‑156/94, Slg. 1999, II‑645, Rn. 584 bis 586, und vom 9. Juli 2003, Cheil Jedang/Kommission, T‑220/00, Slg. 2003, II‑2473, Rn. 93).

    439. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die Ausübung der Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung nicht einer Prüfung von Amts wegen entspricht und dass das Verfahren vor den Gerichten der Union ein streitiges Verfahren ist (Urteil des Gerichtshofs vom 8. Dezember 2011, Chalkor/Kommission, C‑386/10 P, Slg. 2011, I‑13085, Rn. 64).

    1. Zum ersten Teil des sechsten Klagegrundes: fehlende gesonderte Begrenzung hinsichtlich der Schümann-Phase

    440. Die Klägerinnen machen geltend, Sasol Ltd, Sasol Holding in Germany und Sasol Wax International seien nicht für den die Schümann-Phase betreffenden Teil der Geldbuße (also 67,5 Mio. Euro) zur Verantwortung gezogen worden, der 22 % des Umsatzes von Sasol Wax entspreche, der einzigen Gesellschaft, die für die Zuwiderhandlung in der Schümann-Phase als Rechtsnachfolgerin von HOS verantwortlich sei. Die Kommission habe jedoch zu Unrecht die von Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 vorgesehene Obergrenze von 10 % in Bezug auf die Schümann-Phase nicht festgestellt und angewandt.

    441. Die Sasol Wax für die Schümann-Phase auferlegte Geldbuße sei übermäßig und könne ihre Existenz vernichten, es sei denn, dass Sasol Ltd freiwillig die Zahlung der Geldbuße übernehme, was dazu führen würde, dass diese mittelbar die Verantwortung für die Schümann-Phase trage.

    442. Daher habe die Kommission gegen Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 und den Grundsatz der individuellen Zumessung von Strafen verstoßen. Folglich beantragen die Klägerinnen, die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit sie Sasol Wax eine Geldbuße auferlegt, die die Obergrenze von 10 % des im Jahr 2007 von Herrn Schümann und der Unternehmensgruppe unter seiner Kontrolle erzielten Umsatzes übersteigt. In der mündlichen Verhandlung haben die Klägerinnen alternativ eine Herabsetzung dieses Teils der Geldbuße durch die Begrenzung ihres Betrags auf 10 % des Umsatzes von Sasol Wax beantragt.

    443. Die Kommission ist der Auffassung, dass sie nach der Rechtsprechung bei der Berechnung der von Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 vorgesehenen Obergrenze von 10 % die wirtschaftliche Einheit berücksichtigen müsse, wie sie zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung bestehe. Im Übrigen seien weder Herr Schümann noch Vara Adressaten der angefochtenen Entscheidung, und sie könne schon allein aus diesem Grund die Obergrenze von 10 % auf deren Umsätze nicht anwenden.

    444. Nach der Rechtsprechung gilt die Obergrenze von 10 % des Umsatzes für den Gesamtumsatz des betroffenen Unternehmens, da nur dieser einen Anhaltspunkt für die Größe und den Einfluss des Unternehmens auf den Markt liefert (vgl. Urteil Cimenteries CBR u. a./Kommission, oben in Rn. 227 angeführt, Rn. 5022 und die dort angeführte Rechtsprechung). Außerdem soll diese Obergrenze die Unternehmen u. a. vor einer übermäßigen Geldbuße schützen, die ihre wirtschaftliche Existenz vernichten könnte (Urteile des Gerichts Tokai II, oben in Rn. 271 angeführt, Rn. 389, und vom 13. Juli 2011, Schindler Holding u. a./Kommission, T‑138/07, Slg. 2011, II‑4819, Rn. 193).

    445. Folglich kann das mit der Einführung der Obergrenze von 10 % verfolgte Ziel nur dann erreicht werden, wenn diese Obergrenze zunächst auf jeden einzelnen Adressaten der Bußgeldentscheidung angewandt wird. Erst wenn sich sodann herausstellt, dass mehrere Adressaten das Unternehmen im Sinn der für die geahndete Zuwiderhandlung verantwortlichen wirtschaftlichen Einheit darstellen und dies auch noch zum Zeitpunkt des Erlasses dieser Entscheidung gilt, kann die Obergrenze anhand des Gesamtumsatzes dieses Unternehmens, d. h. aller seiner Bestandteile, berechnet werden. Wurde diese wirtschaftliche Einheit dagegen in der Zwischenzeit aufgelöst, so hat jeder Adressat der Entscheidung Anspruch auf individuelle Anwendung der fraglichen Obergrenze (Urteile des Gerichts Tokai II, oben in Rn. 271 angeführt, Rn. 390, vom 13. September 2010, Trioplast Wittenheim/Kommission, T‑26/06, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Rn. 113, und vom 16. November 2011, Kendrion/Kommission, T‑54/06, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Rn. 92).

    446. Erstens steht im vorliegenden Fall fest, dass in der Schümann-Phase der Zuwiderhandlung HOS, die später zu Sasol Wax wurde, keine wirtschaftliche Einheit mit Sasol Ltd, Sasol Holding in Germany und Sasol Wax International bildete. Dagegen bildete zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung Sasol Wax eine wirtschaftliche Einheit mit den anderen Klägerinnen.

    447. Zweitens betreffen die von der Kommission in ihren Schriftsätzen angeführten Urteile (Urteile des Gerichts HFB u. a./Kommission, oben in Rn. 33 angeführt, Rn. 528, vom 8. Juli 2008, Knauf Gips/Kommission, T‑52/03, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Rn. 353, und Tokai II, oben in Rn. 271 angeführt, Rn. 389) keine Situationen, in denen die unmittelbar verantwortliche Gesellschaft während der Dauer der Zuwiderhandlung noch keine wirtschaftliche Einheit mit den Muttergesellschaften bildete, die ihr Kapital zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung hielten. Daher kann in Bezug auf einen Sachverhalt, der sich in diesem wesentlichen Punkt unterscheidet, den Ergebnissen aus diesen Urteilen nicht wörtlich gefolgt werden.

    448. Drittens ist eine der positiven Folgen der Vorschriften, nach denen die formale Trennung zwischen zwei Gesellschaften außer Acht zu lassen und Geldbußen gegen eine Tochtergesellschaft und ihre Muttergesellschaft, die dasselbe Unternehmen bilden, als Gesamtschuldnerinnen zu verhängen sind (vgl. oben, Rn. 31 und 36) die Beseitigung der Gefahr, dass eine Gesellschaft Geldbußen vermeiden oder minimieren kann, indem sie die rechtswidrigen Aktivitäten in einer Tochtergesellschaft mit sehr geringem Umsatz konzentriert. Die Vorschrift, dass die Obergrenze für die Geldbuße nach Maßgabe des Gesamtumsatzes des Unternehmens festzusetzen ist, kann als Gewähr für dieses Ergebnis angesehen werden. Dieses Ziel wird durch die differenzierte Begrenzung der Geldbuße für einen Zeitraum der Zuwiderhandlung, der der Schaffung einer wirtschaftlichen Einheit zwischen der unmittelbar am Kartell beteiligten Tochtergesellschaft und der sie zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung der Kommission haltenden Muttergesellschaft vorausgegangen ist, nicht beeinträchtigt, wenn die Aktiva der Tochtergesellschaft in Folge ihrer Übernahme und sodann nach der Entdeckung des Kartells nicht an andere Rechtsträger übertragen wurden.

    449. Viertens bestreitet die Kommission nicht das Vorbringen der Klägerinnen, wonach Sasol Ltd als Konzernobergesellschaft einen Teil der Geldbuße anstelle von Sasol Wax zahlen müsste, nämlich den über die Obergrenze von 10 % hinausgehenden Teil, den Sasol Wax nicht tragen könne, da Sasol Wax nicht in der Lage sei, den Teil der Geldbuße für die Schümann-Phase zu zahlen, der 22 % ihres Jahresumsatzes entspreche.

    450. Fünftens konnten Sasol Wax International, Sasol Holding in Germany und Sasol Ltd in der Schümann-Phase nicht von den Zuwiderhandlungen profitieren, da sie noch keine Eigentümer von Sasol Wax waren.

    451. Sechstens ist zu berücksichtigen, dass nach den nationalen Rechtsordnungen im Fall der gesamtschuldnerischen Haftung für die Zahlung der wegen einer Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG verhängten Geldbuße jeder der auf Zahlung in Anspruch genommenen Mitschuldner vom anderen verlangen kann, dass er zur Zahlung des in seinem Namen gezahlten Teils der Geldbuße beiträgt (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 11. April 2013, Mindo/Kommission, C‑652/11 P, Rn. 36 und 37). Im vorliegenden Fall argumentieren die Klägerinnen jedoch genau mit den Schwierigkeiten, eine Rückgriffsklage gegen Vara und Herrn Schümann mangels ihrer Verurteilung durch die Kommission zu erheben, ohne dass diese ihnen insoweit widersprochen hätte.

    452. Daher ist die Ungleichbehandlung durch die Kommission (vgl. oben, Rn. 187 und 197) in Verbindung mit dem Fehlen der gesonderten Begrenzung für den die Schümann-Phase betreffenden Teil der Geldbuße geeignet, die finanzielle Verantwortung von Sasol Wax International, Sasol Holding in Germany und Sasol Ltd für die von HOS begangene Zuwiderhandlung zu verschärfen. Der über 10 % des Umsatzes von Sasol Wax hinausgehende Teil der Geldbuße soll nämlich von ihren Muttergesellschaften getragen werden, während das Fehlen der Verurteilung von Vara und Herrn Schümann als Gesamtschuldner auf die endgültige Aufteilung der Geldbuße vor den nationalen Gerichten Einfluss zulasten der Klägerinnen und insbesondere der drei derzeitigen Muttergesellschaften von Sasol Wax haben kann.

    453. Nach alledem ist das Gericht der Ansicht, dass es unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falls angemessen ist, den gegen Sasol Wax für die in der Schümann-Phase begangene Zuwiderhandlung verhängten Teil der Geldbuße auf 10 % ihres Umsatzes im Jahr 2007 zu begrenzen. Da dieser sich auf 308 600 000 Euro beläuft, wird der gegen Sasol Wax für diesen Zeitraum der Zuwiderhandlung verhängte Teil der Geldbuße auf 30 860 000 Euro festgesetzt.

    454. Der so festgesetzte Teil des Betrags der Geldbuße lässt eine spätere Beurteilung der Kommission, was die Auswirkung des vorliegenden Urteils in dieser Hinsicht angeht, unberührt.

    2. Zum zweiten Teil des sechsten Klagegrundes: fehlende gesonderte Begrenzung für die Phase des Gemeinschaftsunternehmens, geprüft im Hinblick auf das Durchgreifen des ersten Klagegrundes

    455. Die Klägerinnen wiederholen, dass Sasol Holding in Germany und Sasol Ltd für die Phase des Gemeinschaftsunternehmens und die Sasol-Phase nicht haftbar gemacht werden könnten. Folglich hätte der sich auf diese Zeiträume beziehende Teil der Geldbuße auf 10 % des Umsatzes von Sasol Wax oder, sollte das Gericht feststellen, dass Schümann Sasol und Schümann Sasol International sowie Sasol Wax und Sasol Wax International jeweils in diesen Zeiträumen eine wirtschaftliche Einheit gebildet hätten, auf 10 % des im Jahr 2007 von Sasol Wax International erzielten Umsatzes begrenzt werden müssen.

    456. Wie sich aus der Prüfung des zweiten Klagegrundes ergibt, ist die angefochtene Entscheidung insoweit zu bestätigen, als die Kommission das Bestehen einer wirtschaftlichen Einheit zwischen Schümann Sasol und Schümann Sasol International sowie zwischen ihren Rechtsnachfolgerinnen Sasol Wax und Sasol Wax International angenommen hat.

    457. Die angefochtene Entscheidung ist jedoch auf der Grundlage der abschließenden Ergebnisse in Bezug auf den ersten Klagegrund abzuändern, soweit die Kommission Sasol Holding in Germany und Sasol Ltd für die von der aus Schümann Sasol und Schümann Sasol International bestehenden wirtschaftlichen Einheit begangene Zuwiderhandlung haftbar macht.

    458. Erstens übersteigt der gegen Sasol Wax und Sasol Wax International für die Phase des Gemeinschaftsunternehmens verhängte Teil der Geldbuße (179 657 803 Euro) bei Weitem 10 % des Umsatzes von Sasol Wax International (480 800 000 Euro im Jahr 2007).

    459. Zweitens bestreitet die Kommission das Vorbringen der Klägerinnen nicht, wonach, wenn Sasol Wax International nicht in der Lage sei, die gesamte Geldbuße für die Phase des Gemeinschaftsunternehmens zu zahlen, Sasol Ltd als Konzernobergesellschaft einen Teil der Geldbuße an ihrer Stelle zahlen müsste, nämlich den über die Obergrenze von 10 % hinausgehenden Teil, den Sasol Wax International nicht tragen könne.

    460. Drittens stellt der im Rahmen des ersten Klagegrundes festgestellte Beurteilungsfehler den Umfang des Unternehmens in Frage, das die Zuwiderhandlung in der Phase des Gemeinschaftsunternehmens begangen hat. Außerdem hängt die Verurteilung verschiedener Gesellschaften als Gesamtschuldner für die von Schümann Sasol begangene Zuwiderhandlung von der vorherigen Feststellung ab, dass sie zur Zeit der Begehung der Zuwiderhandlung gemeinsam ein einziges Unternehmen im Sinne von Art. 81 EG bildeten. Da die Definition des Unternehmens im vorliegenden Fall mit Fehlern behaftet ist, ist nicht ausgeschlossen, dass die Kommission ohne die fraglichen Beurteilungsfehler die gesamtschuldnerische Haftung von Vara und Herrn Schümann für die unmittelbar von Schümann Sasol begangene Zuwiderhandlung festgestellt hätte.

    461. Viertens stellt das Gericht in Anbetracht der oben in Rn. 451 angeführten Rechtsprechung fest, dass die Beurteilungsfehler in Bezug auf die Definition des Unternehmens, das die Zuwiderhandlung in der Phase des Gemeinschaftsunternehmens begangen hat, in Verbindung mit dem Fehlen einer gesonderten Begrenzung für den Teil der Geldbuße für diese Phase geeignet ist, die finanziellen Folgen der unmittelbar von Schümann Sasol begangenen Zuwiderhandlung für die Klägerinnen zu verschärfen. Der über 10 % des Umsatzes von Sasol Wax International hinausgehende Teil der Geldbuße soll nämlich von ihren Muttergesellschaften getragen werden, während das Fehlen einer Verurteilung von Vara und Herrn Schümann als Gesamtschuldner auf die endgültige Aufteilung der Geldbuße vor den nationalen Gerichten Einfluss zulasten der Klägerinnen und insbesondere zulasten von Sasol Holding in Germany und Sasol Ltd haben kann.

    462. Nach alledem ist das Gericht der Ansicht, dass es unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falls angemessen ist, den gegen Sasol Wax und Schümann Sasol International für die in der Phase des Gemeinschaftsunternehmens begangene Zuwiderhandlung verhängten Teil der Geldbuße auf 10 % des Umsatzes Letzterer im Jahr 2007 zu begrenzen. Da dieser sich auf 480 800 000 Euro beläuft, ist der gegen Sasol Wax und Sasol Wax International verhängte Teil der fraglichen Geldbuße auf 48 080 000 Euro herabzusetzen.

    463. Der so festgesetzte Teil des Betrags der Geldbuße lässt eine spätere Beurteilung der Kommission, was die Auswirkung des vorliegenden Urteils in dieser Hinsicht angeht, unberührt.

    3. Zum die Sasol-Phase betreffenden Teilbetrag der Geldbuße

    464. Was schließlich die Sasol-Phase der Zuwiderhandlung und den diesbezüglichen Teil der Geldbuße betrifft, der sich auf 71 042 197 Euro beläuft, ist das Gericht in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung der Auffassung, dass die Höhe der gegen die Klägerinnen verhängten Geldbuße in Anbetracht der Schwere und der Dauer der begangenen Zuwiderhandlung angemessen ist.

    Kosten

    465. Nach Art. 87 § 3 der Verfahrensordnung kann das Gericht die Kosten teilen oder beschließen, dass jede Partei ihre eigenen Kosten trägt, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt.

    466. Im vorliegenden Fall wurde drei der sieben von den Klägerinnen geltend gemachten Klagegründen stattgegeben und die Höhe der gegen sie jeweils verhängten Geldbuße erheblich herabgesetzt. Es erscheint nach den Umständen des Falls angemessen, dass die Kommission ihre eigenen Kosten und zwei Drittel der Kosten der Klägerinnen trägt und dass diese ein Drittel ihrer Kosten tragen.

    Tenor

    Aus diesen Gründen hat

    DAS GERICHT (Dritte Kammer)

    für Recht erkannt und entschieden:

    1. Art. 1 der Entscheidung K(2008) 5476 endg. der Kommission vom 1. Oktober 2008 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 des EWR-Abkommens (Sache COMP/39.181 – Kerzenwachse) wird für nichtig erklärt, soweit die Europäische Kommission darin festgestellt hat, dass die Sasol Holding in Germany GmbH und Sasol vor dem 1. Juli 2002 an der Zuwiderhandlung mitgewirkt hätten.

    2. Der Betrag der gegen die Sasol Wax GmbH verhängten Geldbuße wird auf 149 982 197 Euro herabgesetzt, für deren Zahlung die Sasol Wax International AG in Höhe von 119 122 197 Euro sowie Sasol und Sasol Holding in Germany in Höhe von 71 042 197 Euro als Gesamtschuldner haften.

    3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

    4. Die Kommission trägt ihre eigenen Kosten und zwei Drittel der Kosten, die Sasol, Sasol Holding in Germany, Sasol Wax International und Sasol Wax entstanden sind.

    5. Sasol, Sasol Holding in Germany, Sasol Wax International und Sasol Wax tragen ein Drittel ihrer eigenen Kosten.

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    URTEIL DES GERICHTS (Dritte Kammer)

    11. Juli 2014 ( *1 )

    „Wettbewerb — Kartelle — Markt für Paraffinwachse — Markt für Paraffingatsch — Entscheidung, mit der eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG festgestellt wird — Abstimmung der Preise und Aufteilung der Märkte — Haftung einer Muttergesellschaft für die von ihren Tochtergesellschaften und von einem Gemeinschaftsunternehmen, an dem sie beteiligt ist, begangenen Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln — Bestimmender Einfluss der Muttergesellschaft — Vermutung im Fall einer 100%igen Beteiligung — Unternehmensnachfolge — Verhältnismäßigkeit — Gleichbehandlung — Leitlinien von 2006 für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen — Erschwerende Umstände — Rolle als Anführer — Obergrenze der Geldbuße — Unbeschränkte Nachprüfung“

    In der Rechtssache T‑541/08

    Sasol mit Sitz in Rosebank (Südafrika),

    Sasol Holding in Germany GmbH mit Sitz in Hamburg (Deutschland),

    Sasol Wax International AG mit Sitz in Hamburg,

    Sasol Wax GmbH mit Sitz in Hamburg,

    Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte W. Bosch, U. Denzel und C. von Köckritz,

    Klägerinnen,

    gegen

    Europäische Kommission, vertreten durch F. Castillo de la Torre und R. Sauer als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt M. Gray,

    Beklagte,

    wegen teilweiser Nichtigerklärung der Entscheidung K(2008) 5476 endg. der Kommission vom 1. Oktober 2008 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 des EWR-Abkommens (Sache COMP/39.181 – Kerzenwachse) sowie, hilfsweise, Nichtigerklärung der gegen die Klägerinnen verhängten Geldbuße oder deren Herabsetzung

    erlässt

    DAS GERICHT (Dritte Kammer)

    unter Mitwirkung des Präsidenten O. Czúcz (Berichterstatter) sowie der Richterin I. Labucka und des Richters D. Gratsias,

    Kanzler: N. Rosner, Verwaltungsrat,

    aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 3. Juli 2013

    folgendes

    Urteil

    Sachverhalt

    1. Verwaltungsverfahren und Erlass der angefochtenen Entscheidung

    1

    Mit der Entscheidung K(2008) 5476 endg. vom 1. Oktober 2008 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 des EWR-Abkommens (Sache COMP/39.181 – Kerzenwachse) (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) stellte die Kommission der Europäischen Gemeinschaften fest, dass die Klägerinnen, Sasol Wax GmbH, Sasol Wax International AG, Sasol Holding in Germany GmbH und Sasol (im Folgenden: Sasol Ltd) (im Folgenden die Klägerinnen zusammen: Sasol), mit anderen Unternehmen gegen Art. 81 Abs. 1 EG und Art. 53 Abs. 1 des EWR-Abkommens verstoßen hätten, indem sie sich an einem Kartell auf dem Markt für Paraffinwachse im EWR und auf dem deutschen Markt für Paraffingatsch beteiligt hätten.

    2

    Außer an Sasol war die angefochtene Entscheidung an folgende Unternehmen gerichtet: die ENI SpA, die Esso Deutschland GmbH, die Esso Société anonyme française, die ExxonMobil Petroleum and Chemical BVBA und die Exxon Mobil Corp. (die vier Letzteren im Folgenden zusammen: ExxonMobil), die H&R ChemPharm GmbH, die H&R Wax Company Vertrieb GmbH und die Hansen & Rosenthal KG (im Folgenden zusammen: H&R), die Tudapetrol Mineralölerzeugnisse Nils Hansen KG, die MOL Nyrt., die Repsol YPF Lubricantes y Especialidades SA, die Repsol Petróleo SA und die Repsol YPF SA (die drei Letzteren im Folgenden zusammen: Repsol), die Shell Deutschland Oil GmbH, die Shell Deutschland Schmierstoff GmbH, die Deutsche Shell GmbH, die Shell International Petroleum Company Ltd, die Shell Petroleum Company Ltd, die Shell Petroleum NV und die Shell Transport and Trading Company Ltd (im Folgenden zusammen: Shell), die RWE Dea AG und die RWE AG (im Folgenden zusammen: RWE) sowie die Total SA und die Total France SA (im Folgenden zusammen: Total) (erster Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

    3

    Paraffinwachse werden in Raffinerien aus Rohöl hergestellt. Sie werden für die Herstellung von Produkten wie Kerzen, Chemikalien, Reifen und Erzeugnissen der Automobilindustrie sowie in der Kautschuk-, Verpackungs-, Klebstoff- und Kaugummiindustrie eingesetzt (vierter Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

    4

    Bei der Herstellung von Paraffinwachsen dient Paraffingatsch als Ausgangsmaterial. Es fällt in Raffinerien als Nebenprodukt bei der Herstellung von Mineralölen aus Rohöl an. Es wird auch an Endabnehmer, z. B. an Hersteller von Spanplatten, verkauft (fünfter Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

    5

    Die Kommission begann ihre Untersuchung, nachdem Shell Deutschland Schmierstoff sie mit Schreiben vom 17. März 2005 über das Bestehen eines Kartells informiert hatte und bei ihr einen Antrag auf Geldbußenerlass gemäß der Mitteilung der Kommission von 2002 über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. 2002, C 45, S. 3) (im Folgenden: Mitteilung über Zusammenarbeit von 2002) gestellt hatte (72. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

    6

    Am 28. und 29. April 2005 führte die Kommission in Anwendung von Art. 20 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 [EG] und 82 [EG] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) Nachprüfungen in den Räumlichkeiten von „H & R/Tudapetrol“, ENI, MOL sowie in denjenigen der Gesellschaften der Gruppen Sasol, ExxonMobil, Repsol und Total durch (75. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

    7

    Zwischen dem 25. und 29. Mai 2007 teilte die Kommission die Mitteilung der Beschwerdepunkte jeder der oben in Rn. 2 genannten Gesellschaften, und somit auch den Klägerinnen, mit (85. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Mit Schreiben vom 13. August 2007 beantworteten Sasol Wax und Sasol Wax International gemeinsam die Mitteilung der Beschwerdepunkte. Mit Schreiben vom selben Tag beantworteten auch Sasol Holding in Germany und Sasol Ltd gemeinsam die Mitteilung der Beschwerdepunkte.

    8

    Am 10. und 11. Dezember 2007 führte die Kommission eine mündliche Anhörung durch, an der die Klägerinnen teilnahmen (91. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

    9

    In der angefochtenen Entscheidung vertritt die Kommission aufgrund der ihr vorliegenden Beweise die Ansicht, dass die Adressaten, die die Mehrheit der Paraffinwachs- und Paraffingatschhersteller im EWR ausmachten, an einer einzigen, komplexen und fortdauernden Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG und Art. 53 EWR-Abkommen teilgenommen hätten, die das Gebiet des EWR betreffe. Diese Zuwiderhandlung habe in Vereinbarungen oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen betreffend Preisfestsetzungen sowie den Austausch und die Offenlegung von kommerziell empfindlichen Informationen über Paraffinwachse bestanden (im Folgenden: Hauptteil der Zuwiderhandlung). In Bezug auf RWE (später Shell), ExxonMobil, MOL, Repsol, Sasol und Total habe die Zuwiderhandlung im Hinblick auf Paraffinwachse auch in der Aufteilung der Kunden und/oder der Märkte bestanden (im Folgenden: zweiter Teil der Zuwiderhandlung). Außerdem habe die von RWE, ExxonMobil, Sasol und Total begangene Zuwiderhandlung auch auf dem deutschen Markt an Endabnehmer verkauftes Paraffingatsch betroffen (im Folgenden: Paraffingatsch betreffender Teil der Zuwiderhandlung) (Erwägungsgründe 2, 95, 328 und Art. 1 der angefochtenen Entscheidung).

    10

    Die rechtswidrigen Verhaltensweisen seien bei wettbewerbswidrigen Zusammenkünften, die von den Teilnehmern als „technische Treffen“ oder manchmal als „Blauer Salon“ bezeichnet worden seien, und bei „Gatsch-Treffen“ besprochen worden, die speziell Fragen zum Paraffingatsch gewidmet gewesen seien.

    11

    Die im vorliegenden Fall verhängten Geldbußen wurden auf der Grundlage der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe a) der Verordnung Nr. 1/2003 (ABl. 2006, C 210, S. 2) (im Folgenden: Leitlinien von 2006) berechnet, die zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der Mitteilung der Beschwerdepunkte an die oben in Rn. 2 genannten Gesellschaften in Kraft waren.

    12

    Die angefochtene Entscheidung enthält u. a. folgende Bestimmungen:

    „Artikel 1

    Die folgenden Unternehmen haben eine Zuwiderhandlung gegen Artikel 81 Absatz 1 [EG] und – seit dem 1. Januar 1994 – gegen Artikel 53 EWR-Abkommen begangen, indem sie sich in den jeweils genannten Zeiträumen an einer fortdauernden Vereinbarung und/oder einer fortdauernden abgestimmten Verhaltensweise im Paraffinwachssektor auf dem Gemeinsamen Markt und, seit 1. Januar 1994, im Europäischen Wirtschaftsraum beteiligten:

    Sasol Wax GmbH: vom 3. September 1992 bis zum 28. April 2005;

    Sasol Wax International AG: vom 1. Mai 1995 bis zum 28. April 2005;

    Sasol Holding in Germany GmbH: vom 1. Mai 1995 bis zum 28. April 2005;

    Sasol [Ltd]: vom 1. Mai 1995 bis zum 28. April 2005;

    Bei den folgenden Unternehmen betrifft die Zuwiderhandlung auch an Endkunden auf dem deutschen Markt verkauftes Paraffingatsch im jeweils angegebenen Zeitraum:

    Sasol Wax GmbH: vom 30. Oktober 1997 bis zum 12. Mai 2004;

    Sasol Wax International AG: vom 30. Oktober 1997 bis zum 12. Mai 2004;

    Sasol Holding in Germany GmbH: vom 30. Oktober 1997 bis zum 12. Mai 2004;

    Sasol [Ltd]: vom 30. Oktober 1997 bis zum 12. Mai 2004;

    Artikel 2

    Für die in Artikel 1 genannte Zuwiderhandlung werden folgende Geldbußen festgesetzt:

    ENI S.p.A: 29120000 EUR

    Esso Société Anonyme Française: 83588400 EUR

    davon gesamtschuldnerisch mit:

    ExxonMobil Petroleum and Chemical BVBA und ExxonMobil Corporation: 34670400 EUR, davon gesamtschuldnerisch mit Esso Deutschland GmbH: 27081600 EUR;

    Tudapetrol Mineralölerzeugnisse Nils Hansen KG: 12000000 EUR

    Hansen & Rosenthal KG gesamtschuldnerisch mit H&R Wax Company Vertrieb GmbH: 24000000 EUR

    davon gesamtschuldnerisch mit:

    H&R ChemPharm GmbH: 22000000 EUR;

    MOL Nyrt.: 23700000 EUR

    Repsol YPF Lubricantes y Especialidades S.A. gesamtschuldnerisch mit Repsol Petróleo S.A. und Repsol YPF S.A.: 19800000 EUR;

    Sasol Wax GmbH: 318200000 EUR

    davon gesamtschuldnerisch mit:

    Sasol Wax International AG, Sasol Holding in Germany GmbH und Sasol [Ltd]: 250700000 EUR;

    Shell Deutschland Oil GmbH, Shell Deutschland Schmierstoff GmbH, Deutsche Shell GmbH, Shell International Petroleum Company Limited, the Shell Petroleum Company Limited, Shell Petroleum N.V. und the Shell Transport and Trading Company Limited: 0 EUR;

    RWE-Dea AG gesamtschuldnerisch mit RWE AG: 37440000 EUR;

    Total France SA gesamtschuldnerisch mit Total SA: 128163000 EUR.“

    2. Zu den Strukturen der Sasol-Gruppe und von Vara sowie zur Zurechnung der Verantwortung an die Muttergesellschaften in der angefochtenen Entscheidung

    13

    Im 449. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung stellt die Kommission zunächst die unmittelbar für die Zuwiderhandlung verantwortliche Gesellschaft der Sasol-Gruppe fest. Sie gelangt zu dem Schluss, dass zu den Personen, die an den technischen Treffen teilgenommen hätten, vom Beginn der Zuwiderhandlung am 3. September 1992 bis zum 30. April 1995 Beschäftigte der Hans-Otto Schümann GmbH & Co. KG (im Folgenden: HOS) gehört hätten. Vom 1. Mai 1995 bis zum 31. Dezember 2002 habe es sich sodann um die Schümann Sasol GmbH & Co. KG gehandelt, die im Jahr 2000 zur Schümann Sasol GmbH (im Folgenden zusammen: Schümann Sasol) geworden sei. Ab dem 1. Januar 2003 sei Sasol Wax der Arbeitgeber der in Rede stehenden Mitarbeiter gewesen.

    14

    Daher wurde im 452. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung Sasol Wax, die Nachfolgerin von HOS und Schümann Sasol, als an der Zuwiderhandlung unmittelbar Beteiligte für den Zeitraum vom 3. September 1992 bis zum 28. April 2005 für die Zuwiderhandlung zur Verantwortung gezogen.

    15

    Die Kommission prüft auch die zeitliche Entwicklung der Kapitalbeteiligung an HOS, Schümann Sasol und Sasol Wax. Sie unterscheidet insoweit drei Phasen (454. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

    16

    Zur ersten Phase vom 3. September 1992 bis zum 30. April 1995 (im Folgenden: Schümann-Phase) stellt die Kommission fest, dass HOS letztlich, über die Vara Holding GmbH & Co. KG (im Folgenden: Vara), dem einzigen Kommanditisten von HOS, unter der Kontrolle von Herrn Schümann persönlich gestanden sei (Erwägungsgründe 450 und 457 der angefochtenen Entscheidung). Das Kapital von Vara sei mehrheitlich von Herrn Schümann gehalten worden, die anderen Anteilseigner seien die Mitglieder seiner Familie gewesen. In der angefochtenen Entscheidung werden weder Vara noch Herr Schümann für die von HOS begangene Zuwiderhandlung zur Verantwortung gezogen.

    17

    Die zweite Phase habe vom 1. Mai 1995 bis zum 30. Juni 2002 gedauert (im Folgenden: Phase des Gemeinschaftsunternehmens). Am 1. Mai 1995 habe Sasol Ltd zwei Drittel von HOS erworben. In Folge einer Umstrukturierung sei HOS zu Schümann Sasol geworden und weiterhin die unmittelbar für die Zuwiderhandlung verantwortliche Gesellschaft gewesen. Schümann Sasol sei eine 99,9%ige Tochtergesellschaft der Schümann Sasol International AG gewesen, an der weiterhin ein Drittel des Kapitals von Vara und letztlich von der Familie Schümann gehalten worden sei. Zwei Drittel des Kapitals von Schümann Sasol International seien von Sasol Holding in Germany, selbst eine 100%ige Tochtergesellschaft von Sasol Ltd, gehalten worden. Für diese Phase stellte die Kommission die gesamtschuldnerische Haftung von Sasol Wax (als Rechtsnachfolgerin von Schümann Sasol), Sasol Wax International (als Rechtsnachfolgerin von Schümann Sasol International, Muttergesellschaft von Schümann Sasol), Sasol Holding in Germany (als zu zwei Dritteln des Kapitals von Schümann Sasol International beteiligter Muttergesellschaft) und Sasol Ltd (als Muttergesellschaft von Sasol Holding in Germany) fest (Erwägungsgründe 451 und 478 der angefochtenen Entscheidung). Die drei Letzteren hätten nämlich bestimmenden Einfluss auf Schümann Sasol ausgeübt (Erwägungsgrund 453 der angefochtenen Entscheidung). Weder Vara, zu einem Drittel am Kapital von Schümann Sasol International beteiligt, noch der Familie Schümann, Eigentümerin von Vara, wurde die Verantwortung für die von Schümann Sasol begangene Zuwiderhandlung zugewiesen, deren Anteile zu diesem Zeitpunkt im Besitz von Schümann Sasol International (im Folgenden: Schümann Sasol International oder Gemeinschaftsunternehmen), der Gesellschaft, die von Vara und der Sasol-Gruppe gemeinsam gehalten wurde, standen.

    18

    Die dritte Phase habe vom 1. Juli 2002 bis zum 28. April 2005, dem Zeitpunkt des Endes der Zuwiderhandlung, gedauert (im Folgenden: Sasol-Phase). Am 30. Juni 2002 habe die Sasol-Gruppe das verbleibende Drittel des Kapitals der Schümann Sasol International erworben, das bis zu diesem Zeitpunkt von Vara gehalten worden sei. Schümann Sasol, in Sasol Wax umbenannt, sei die Tochtergesellschaft von Schümann Sasol International geblieben, die ihrerseits in Sasol Wax International umbenannt worden sei. Das gesamte Kapital von Sasol Wax International sei nunmehr von Sasol Holding in Germany und letztlich von Sasol Ltd gehalten worden. Für diese Phase macht die Kommission die vier Klägerinnen gesamtschuldnerisch für die von Sasol Wax begangene Zuwiderhandlung haftbar, da sie davon ausgeht, dass die ersten drei Klägerinnen bestimmenden Einfluss auf Sasol Wax ausgeübt hätten (Erwägungsgründe 451 und 453 der angefochtenen Entscheidung).

    Verfahren und Anträge der Parteien

    19

    Die Klägerinnen haben mit Klageschrift, die am 15. Dezember 2008 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.

    20

    Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Dritte Kammer) beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen. Im Rahmen prozessleitender Maßnahmen gemäß Art. 64 seiner Verfahrensordnung hat es die Parteien aufgefordert, bestimmte Fragen zu beantworten und bestimmte Schriftstücke vorzulegen. Die Parteien sind dieser Aufforderung fristgerecht nachgekommen.

    21

    In der Sitzung vom 3. Juli 2013 haben die Parteien mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

    22

    In Anbetracht des tatsächlichen Zusammenhangs mit den Rechtssachen T‑540/08, Esso u. a./Kommission, T‑543/08, RWE und RWE Dea/Kommission, T‑544/08, Hansen & Rosenthal und H&R Wax Company Vertrieb/Kommission, T‑548/08, Total/Kommission, T‑550/08, Tudapetrol/Kommission, T‑551/08, H&R ChemPharm/Kommission, T‑558/08, ENI/Kommission, T‑562/08, Repsol Lubricantes y Especialidades u. a./Kommission, und T‑566/08, Total Raffinage Marketing/Kommission, der Sachnähe und der Schwierigkeit der aufgeworfenen Rechtsfragen hat das Gericht beschlossen, die Beratungen zu diesen zusammenhängenden Rechtssachen erst nach der letzten mündlichen Verhandlung zu eröffnen, nämlich der am 3. Juli 2013 in der vorliegenden Rechtssache.

    23

    Die Klägerinnen beantragen in ihrer Klageschrift,

    die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit sie von ihr betroffen sind;

    hilfsweise, die gegen sie in der angefochtenen Entscheidung verhängte Geldbuße für nichtig zu erklären oder deren Betrag angemessen herabzusetzen;

    der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

    24

    Die Kommission beantragt,

    die Klage insgesamt einschließlich der hilfsweise gestellten Anträge abzuweisen;

    den Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen.

    Rechtliche Würdigung

    25

    Die Klägerinnen machen zur Stützung ihrer Klage sieben Klagegründe geltend. Mit dem ersten Klagegrund wird gerügt, dass die Verantwortlichkeit für die von Schümann Sasol in der Phase des Gemeinschaftsunternehmens begangene Zuwiderhandlung zu Unrecht Sasol Ltd, Sasol Holding in Germany und Sasol Wax International zugerechnet worden sei. Mit dem zweiten Klagegrund wird gerügt, dass die Verantwortlichkeit für die von Sasol Wax in der Sasol-Phase begangene Zuwiderhandlung zu Unrecht Sasol Ltd, Sasol Holding in Germany und Sasol Wax International zugerechnet worden sei. Mit dem dritten Klagegrund rügen die Klägerinnen einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, soweit die Kommission Vara nicht gesamtschuldnerisch für die Schümann-Phase und die Phase des Gemeinschaftsunternehmens haftbar gemacht habe. Der vierte Klagegrund betrifft eine unrichtige Festsetzung des Grundbetrags der Geldbuße. Mit dem fünften Klagegrund rügen die Klägerinnen die fehlerhafte Berücksichtigung der Anführerrolle von Sasol. Der sechste Klagegrund betrifft eine Rechtswidrigkeit der undifferenzierten Begrenzung des Geldbußenbetrags für die verschiedenen Phasen der Zuwiderhandlung. Mit dem siebten Klagegrund wird gerügt, dass Sasol rechtswidrig bestimmte Teile der Geldbuße nicht vollständig erlassen worden seien.

    1. Zum ersten Klagegrund: rechtswidrige Zurechnung der Verantwortlichkeit für die Zuwiderhandlung von Schümann Sasol an Sasol Ltd, Sasol Holding in Germany und Sasol Wax International in der Phase des Gemeinschaftsunternehmens

    26

    Die Klägerinnen sind der Auffassung, die Kommission sei zu Unrecht zu dem Schluss gelangt, dass Sasol Ltd über ihre 100%ige Tochtergesellschaft Sasol Holding in Germany allein einen bestimmenden Einfluss auf Schümann Sasol International ausgeübt habe, und habe daher Sasol Ltd, Sasol Holding in Germany und Sasol Wax International zu Unrecht die Verantwortlichkeit für die Phase des Gemeinschaftsunternehmens zugerechnet. Die organisatorischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Verbindungen zwischen Schümann Sasol und diesen Gesellschaften, auf die sich die Kommission in der angefochtenen Entscheidung gestützt habe, ließen einen solchen Schluss nicht zu.

    27

    Die Klägerinnen sind der Ansicht, dass Vara, die andere Muttergesellschaft, in der Phase des Gemeinschaftsunternehmens allein einen bestimmenden Einfluss auf Schümann Sasol International ausgeübt habe. Hilfsweise tragen sie vor, dieser bestimmende Einfluss sei von den beiden Muttergesellschaften gemeinsam ausgeübt worden.

    28

    Die Kommission erwidert, dass gegen Sasol im Hinblick auf deren eigene Verantwortung und im Einklang mit den Leitlinien von 2006 eine Sanktion verhängt worden sei. Nach ständiger Rechtsprechung sei außerdem die Kommission nicht verpflichtet, zu begründen, warum sie gegen Dritte keine Entscheidung erlassen habe, mit der eine Zuwiderhandlung festgestellt werde, und ein Unternehmen könne eine ihm gegenüber verhängte Sanktion nicht aus dem Grund anfechten, dass gegen ein anderes Unternehmen keine Geldbuße verhängt worden sei.

    Vorbemerkungen

    29

    Was die gesamtschuldnerische Haftung einer Muttergesellschaft für das Verhalten ihrer Tochtergesellschaft oder eines Gemeinschaftsunternehmens anbelangt, an dem sie beteiligt ist, so vermag der Umstand, dass eine Tochtergesellschaft oder ein Gemeinschaftsunternehmen eigene Rechtspersönlichkeit besitzt, noch nicht auszuschließen, dass deren Verhalten der Muttergesellschaft zugerechnet werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 14. Juli 1972, Imperial Chemical Industries/Kommission, 48/69, Slg. 1972, 619, Rn. 132).

    30

    Das Wettbewerbsrecht der Union betrifft nämlich die Tätigkeit von Unternehmen, und der Begriff des Unternehmens umfasst jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einrichtung unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung (Urteil des Gerichtshofs vom 10. September 2009, Akzo Nobel u. a./Kommission, C-97/08 P, Slg. 2009, I-8237, Rn. 54, und Urteil des Gerichts vom 13. Juli 2011, General Technic-Otis u. a./Kommission, T-141/07, T-142/07, T-145/07 und T-146/07, Slg. 2011, II-4977, Rn. 53).

    31

    Die Unionsgerichte haben ferner klargestellt, dass in diesem Zusammenhang unter dem Begriff des Unternehmens eine wirtschaftliche Einheit zu verstehen ist, selbst wenn diese wirtschaftliche Einheit rechtlich aus mehreren natürlichen oder juristischen Personen gebildet wird (vgl. Urteile des Gerichtshofs vom 12. Juli 1984, Hydrotherm Gerätebau, 170/83, Slg. 1984, 2999, Rn. 11, und Akzo Nobel u. a./Kommission, oben in Rn. 30 angeführt, Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung; Urteil des Gerichts vom 29. Juni 2000, DSG/Kommission, T-234/95, Slg. 2000, II-2603, Rn. 124). Sie haben betont, dass es bei der Anwendung der Wettbewerbsregeln nicht auf die sich aus der Verschiedenheit der Rechtspersönlichkeit ergebende formale Trennung zwischen zwei Gesellschaften ankommt, sondern vielmehr darauf, ob sich die beiden Gesellschaften auf dem Markt einheitlich verhalten. Es kann also notwendig sein, zu ermitteln, ob zwei oder mehrere Gesellschaften mit je eigener Rechtspersönlichkeit ein und dasselbe Unternehmen oder ein und dieselbe wirtschaftliche Einheit mit einheitlichem Marktverhalten bilden oder hierzu gehören (Urteil Imperial Chemical Industries/Kommission, oben in Rn. 29 angeführt, Rn. 140; Urteile des Gerichts vom 15. September 2005, DaimlerChrysler/Kommission, T-325/01, Slg. 2005, II-3319, Rn. 85, und General Technic-Otis u. a./Kommission, oben in Rn. 30 angeführt, Rn. 54).

    32

    Verstößt eine solche wirtschaftliche Einheit gegen die Wettbewerbsregeln, hat sie nach dem Grundsatz der persönlichen Verantwortlichkeit für diese Zuwiderhandlung einzustehen (Urteil Akzo Nobel u. a./Kommission, oben in Rn. 30 angeführt, Rn. 56, und Urteil General Technic-Otis u. a./Kommission, oben in Rn. 30 angeführt, Rn. 55).

    33

    Einer Muttergesellschaft kann das Verhalten ihrer Tochtergesellschaft aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu demselben Unternehmen zugerechnet werden, wenn die Tochtergesellschaft ihr Marktverhalten nicht unabhängig bestimmt, weil sie insoweit unter dem bestimmenden Einfluss der Muttergesellschaft steht, und zwar vor allem wegen der wirtschaftlichen, organisatorischen und rechtlichen Bindungen zwischen diesen beiden Rechtssubjekten (vgl. in diesem Sinne Urteil Akzo Nobel u. a./Kommission, oben in Rn. 30 angeführt, Rn. 58, und Urteil des Gerichts vom 20. März 2002, HFB u. a./Kommission, T-9/99, Slg. 2002, II-1487, Rn. 527).

    34

    Das Marktverhalten der Tochtergesellschaft steht insbesondere dann unter dem bestimmenden Einfluss der Muttergesellschaft, wenn die Tochtergesellschaft im Wesentlichen die Weisungen befolgt, die ihr in dieser Hinsicht von der Muttergesellschaft erteilt werden (Urteil des Gerichtshofs Imperial Chemical Industries/Kommission, oben in Rn. 29 angeführt, Rn. 133, 137 und 138; vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 16. November 2000, Metsä-Serla u. a./Kommission, C-294/98 P, Slg. 2000, I-10065, Rn. 27).

    35

    Das Marktverhalten der Tochtergesellschaft steht grundsätzlich auch dann unter dem bestimmenden Einfluss der Muttergesellschaft, wenn sich diese nur die Befugnis vorbehält, bestimmte strategische Geschäftsentscheidungen vorzugeben oder zu genehmigen, gegebenenfalls durch ihre Vertreter in den Organen der Tochtergesellschaft, während die Befugnis, die Geschäftspolitik der Tochtergesellschaft im engen Sinne festzulegen, deren sie operativ führenden Geschäftsführern übertragen wird, die von der Muttergesellschaft ausgewählt werden und die geschäftlichen Interessen der Muttergesellschaft vertreten und fördern (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 9. September 2011, Alliance One International/Kommission, T-25/06, Slg. 2011, II-5741, Rn. 138 und 139, bestätigt durch Beschluss des Gerichtshofs vom 13. Dezember 2012, Alliance One International/Kommission, C‑593/11 P, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Rn. 30).

    36

    Ist die Einheitlichkeit des Marktverhaltens der Tochtergesellschaft und ihrer Muttergesellschaft gewährleistet, etwa in den oben in den Rn. 34 und 35 beschriebenen Fällen oder durch andere wirtschaftliche, organisatorische und rechtliche Bindungen zwischen den in Rede stehenden Gesellschaften, sind diese Teil ein und derselben wirtschaftlichen Einheit und bilden damit ein Unternehmen im Sinne der oben in Rn. 31 angeführten Rechtsprechung. Weil eine Muttergesellschaft und ihre Tochtergesellschaft ein Unternehmen im Sinne von Art. 81 EG bilden, kann die Kommission demnach eine Entscheidung, mit der Geldbußen verhängt werden, an die Muttergesellschaft richten, ohne dass deren persönliche Beteiligung an der Zuwiderhandlung nachzuweisen wäre (vgl. in diesem Sinne Urteil Akzo Nobel u. a./Kommission, oben in Rn. 30 angeführt, Rn. 59).

    37

    Die Rechtsprechung, auf die oben in den Rn. 29 bis 36 Bezug genommen worden ist, ist auch auf den Fall anwendbar, dass einer oder mehreren Muttergesellschaften die Verantwortung für eine von ihrem Gemeinschaftsunternehmen begangene Zuwiderhandlung zugerechnet wird (Urteil General Technic-Otis u. a./Kommission, oben in Rn. 30 angeführt, Rn. 52 bis 56).

    38

    Anhand dieser Regeln sind die Argumente der Klägerinnen und die Richtigkeit der in der angefochtenen Entscheidung enthaltenen Feststellungen zu der Frage zu prüfen, ob den Klägerinnen die Verantwortung für die in Rede stehende Zuwiderhandlung für das Verhalten von Schümann Sasol und ihrer Muttergesellschaft Schümann Sasol International, die in der Phase des Gemeinschaftsunternehmens zu zwei Drittel von Sasol Holding in Germany und zu einem Drittel von Vara gehalten wurde, zugerechnet werden durfte.

    Angefochtene Entscheidung

    39

    Die Kommission weist in der angefochtenen Entscheidung das Vorbringen der Klägerinnen zum Nachweis, dass Schümann Sasol International in der Phase des Gemeinschaftsunternehmens tatsächlich unter der Kontrolle von Vara gestanden sei, zurück. Sie stützt dieses Ergebnis im Wesentlichen auf folgende Erwägungen:

    „…

    (471)

    Die Kommission ist der Ansicht, dass Sasol über die Sasol Holding in Germany GmbH als ihre 100%ige Tochter einen bestimmenden Einfluss auf die Schümann Sasol International AG ausgeübt hat.

    (472)

    Wie von Sasol erläutert, bestand der für das Tagesgeschäft zuständige Verwaltungsrat aus je einem Vertreter von Sasol und Vara sowie einem Vorsitzenden. Gemäß der Geschäftsordnung des Verwaltungsrats soll dieser in größtmöglichem Umfang Beschlüsse einmütig oder durch einfache Mehrheit fassen. Bei Stimmengleichheit gibt das Votum des Vorsitzenden des [Verwaltungsrats] den Ausschlag. Sasol zufolge war der Vorsitzende während der Dauer des Gemeinschaftsunternehmens meist ein Vertreter von Vara. Nach weiteren Untersuchungen widerspricht die Kommission der Darstellung von Sasol in diesem Punkt. Die betreffende Person hatte das Amt des Vorsitzenden vermutlich eher wegen ihrer Branchenkenntnisse inne, und außerdem war Sasol daran gelegen, dass diese Person Vorsitzender des Gemeinschaftsunternehmens sein würde. Für Sasol als Mehrheitseigner war es wichtig, jemanden im Verwaltungsrat zu haben, der mit dem früheren Geschäft von HOS vertraut war. Die betreffende Person war für den deutschen Rechtsvorgänger der Schümann Sasol International AG tätig und daher mit dem Tagesgeschäft des Unternehmens vertraut, das von Sasol übernommen werden sollte. Als die betreffende Person ihr Amt als Vorsitzender antrat (am 2. Mai 1995), war sie nicht bei Vara beschäftigt. Diese Person nahm erst 1997 ein Beschäftigungsverhältnis bei Vara auf. Die Person war Vorsitzender des Gemeinschaftsunternehmens vom 2. Mai 1995 bis zum 30. Juni 2001, als sie durch Herrn [D. S. R.] von Sasol ersetzt wurde.

    (473)

    Der Aufsichtsrat des Gemeinschaftsunternehmens bestand aus sechs Mitgliedern (vier Vertretern von Sasol und [zwei] Vertreter[n] von Vara). Wie von Sasol erläutert, sah die Aktionärs- und Stimmrechtsvereinbarung vor, dass Sasol und Vara Beschlüsse einmütig fassten, wobei beide Unternehmen jeweils eine Stimme hatten; dadurch wurde die Mehrheit von Sasol im Aufsichtsrat aufgehoben. Wenn keine Einmütigkeit erreicht werden konnte, galt der betreffende Antrag als abgelehnt. Die Aktionärs- und Stimmrechtsvereinbarung sah in Abschnitt 3 (über Beschlüsse des Aufsichtsrats) aber auch vor, dass Abschnitt 1 der Vereinbarung entsprechend gelten solle. In Abschnitt 1.5 ist festgelegt, dass bei fehlender Einmütigkeit in den unter den Buchstaben a – d genannten Fällen der Antrag von Sasol – sofern dieser mehr als 50% des Gesellschaftskapitals hinter sich vereint – angenommen wird und Vara entsprechend dem Antrag von Sasol stimmt. Unter den Buchstaben a – d werden in Abschnitt 1.5 folgende Fälle genannt: Genehmigung der Jahresabschlüsse, Benennung von Prüfern, Benennung von Prüfern zur Durchführung von Sonderprüfungen und die Genehmigung von Kapitalinvestitionen der Gesellschaft sowie verbundener Gesellschaften.

    (474)

    Zudem erklärt Sasol, Vara habe in der Aktionärsversammlung eine Sperrminorität besessen, da dort getroffene Beschlüsse eine Mehrheit von 3/4 aller abgegebenen Stimmen voraussetzten und Vara nur über 1/3 der Stimmen verfügte. Sasol zufolge sah die Aktionärs- und Stimmrechtsvereinbarung zudem vor, dass Sasol und Vara alle Aktionärsbeschlüsse in allen Angelegenheiten gemeinsam und einmütig fassten, wobei jedes Unternehmen jeweils eine Stimme haben sollte; wenn keine Einmütigkeit erreicht würde, sollten weder Sasol noch Vara entscheidungsbefugt sein; somit konnte Vara nicht überstimmt werden. Wie bereits erläutert, werden in der Aktionärs- und Stimmrechtsvereinbarung in Abschnitt 1.5 jedoch gewisse Angelegenheiten genannt, bei denen der Antrag von Sasol Vorrang haben sollte (siehe Randnummer [473]).

    (475)

    In Anbetracht der in [den] Randnummern (472) – (474) beschriebenen Situation sowie insbesondere in Anbetracht der Möglichkeit für Sasol, eigene Vorstellungen in wichtigen strategischen Entscheidungen durchzusetzen, wenn keine Einmütigkeit erreicht werden konnte (z. B. in den in Abschnitt 1.5 der Aktionärs- und Stimmrechtsvereinbarung genannten Fällen wie etwa der Genehmigung von Investitionen), ist festzustellen, dass Sasol die Kontrolle über das Gemeinschaftsunternehmen besaß. Dass wie Sasol argumentiert, Führungskräfte der Schümann Sasol … früher bei HOS angestellt waren, widerspricht diesem Ergebnis nicht, weil in Personalentscheidungen auf der höheren Führungsebene die Genehmigung des Aufsichtsrates vorgeschrieben war (Abschnitt 2 Ziffer 2 Buchstabe c der Geschäftsordnung des Verwaltungs[rats]) und weil Sasol daher die Möglichkeit hatte, gegen diese Entscheidungen ein Veto einzulegen.

    (481)

    Aus den genannten Gründen macht die Kommission nicht nur die Schümann Sasol … als aktive Gesellschaft, sondern auch die Sasol International AG, die Sasol Ltd und die Sasol Holding in Germany GmbH als deren Muttergesellschaften für die Dauer des Gemeinschaftsunternehmen haftbar, da nachgewiesen wurde, dass Sasol das Gemeinschaftsunternehmen kontrolliert hat. … Wie in den Randnummern (329) – (333) erklärt, bilden verschiedene Unternehmen, die derselben Gruppe angehören, eine wirtschaftliche Einheit und damit ein Unternehmen gemäß Artikel 81 [EG], wenn die betreffenden Unternehmen nicht unabhängig über ihr Marktverhalten entscheiden können. Bei einem Gemeinschaftsunternehmen kann festgestellt werden, dass das Gemeinschaftsunternehmen und die Muttergesellschaften gemeinsam eine wirtschaftliche Einheit gemäß Artikel 81 [EG] bilden, wenn das Gemeinschaftsunternehmen nicht unabhängig über sein Verhalten auf dem Markt entschieden hat. Ob das Gemeinschaftsunternehmen als Vollfunktions-Gemeinschaftsunternehmen … zu betrachten ist, ist in diesem Zusammenhang unerheblich, da … Beweise für die Ausübung eines bestimmenden Einflusses vorliegen. Dass die Muttergesellschaften eines Gemeinschaftsunternehmens haftbar gemacht werden können, steht im Einklang mit der diesbezüglichen Rechtspraxis der Kommission und entspricht den allgemeinen Rechtsgrundsätzen (siehe Randnummer [340]) der Gerichte der Gemeinschaft. Dass die Entscheidung in einer anderen Sache nicht an Muttergesellschaften eines Gemeinschaftsunternehmens gerichtet würde, bedeutet unter den Gegebenheiten in dieser Sache nicht, dass die Sasol International AG, die Sasol Ltd und die Sasol Holding in Germany GmbH als Muttergesellschaften der Sasol-Gruppe nicht für das Verhalten ihrer Tochtergesellschaft haftbar gemacht werden könnten; die Kommission verfügt bei ihren Entscheidungen darüber, welche Rechtssubjekte eines Unternehmens sie für eine Zuwiderhandlung haftbar macht, über einen gewissen Ermessensspielraum, und diese Bewertung wird für jeden einzelnen Fall gesondert vorgenommen.“

    Zur Unterscheidung zwischen dem Begriff der Kontrolle und dem der tatsächlichen Ausübung eines bestimmenden Einflusses im Kontext von Art. 81 EG

    40

    Vorab ist festzustellen, dass die Kommission bei der Prüfung der Frage der Zurechenbarkeit der von Schümann Sasol, einer Tochtergesellschaft des Gemeinschaftsunternehmens, begangenen Zuwiderhandlung zwischen den Begriffen „Kontrolle“ und „Kontrollbefugnis“ zum einen und „wirtschaftliche Einheit“ sowie „tatsächliche Ausübung eines bestimmenden Einflusses auf das Geschäftsverhalten“ zum anderen nicht ausdrücklich unterschieden hat.

    41

    Die Klägerinnen machen geltend, dieser Ansatz sei unrichtig, da der Begriff „Kontrolle“ nicht eine tatsächliche Ausübung eines bestimmenden Einflusses bedeute.

    42

    Erstens ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 3 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates vom 20. Januar 2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen („EG-Fusionskontrollverordnung“) (ABl. L 24, S. 1), „[d]ie Kontrolle … durch Rechte, Verträge oder andere Mittel begründet [wird], die einzeln oder zusammen unter Berücksichtigung aller tatsächlichen oder rechtlichen Umstände die Möglichkeit gewähren, einen bestimmenden Einfluss auf die Tätigkeit eines Unternehmens auszuüben“.

    43

    Nach der Rechtsprechung kann sich die Kommission bei der Prüfung der Frage, ob das wettbewerbswidrige Verhalten einer Gesellschaft einer anderen Gesellschaft nach Art. 81 EG zugerechnet werden kann, nicht wie bei der Anwendung der Verordnung Nr. 139/2004 beim Nachweis der Kontrolle ausschließlich auf die Fähigkeit der Letzteren zur Einflussnahme stützen, ohne zu prüfen, ob tatsächlich ein Einfluss ausgeübt wurde (Urteil General Technic-Otis u. a./Kommission, oben in Rn. 30 angeführt, Rn. 69).

    44

    Vielmehr obliegt es ihr grundsätzlich, einen solchen entscheidenden Einfluss anhand einer Reihe tatsächlicher Umstände zu beweisen (vgl. Urteil des Gerichts vom 27. September 2006, Avebe/Kommission, T-314/01, Slg. 2006, II-3085, Rn. 136 und die dort angeführte Rechtsprechung). Zu diesen Umständen gehört, dass dieselben natürlichen Personen gleichzeitig leitende Positionen in der Muttergesellschaft und ihrer Tochtergesellschaft oder ihrem Gemeinschaftsunternehmen innehatten (Urteil des Gerichts vom 12. Juli 2011, Fuji Electric/Kommission, T-132/07, Slg. 2011, II-4091, Rn. 184; vgl. auch in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommission, C-189/02 P, C-202/02 P, C-205/02 P bis C-208/02 P und C-213/02 P, Slg. 2005, I-5425, Rn. 119 und 120) oder dass die genannten Gesellschaften die Weisungen ihrer einheitlichen Leitung zu befolgen hatten und sich auf dem Markt nicht unabhängig verhalten konnten (vgl. in diesem Sinne Urteil HFB u. a./Kommission, oben in Rn. 33 angeführt, Rn. 527).

    45

    Im vorliegenden Fall hat sich die Kommission nicht auf einen solchen direkten Beweis der Ausübung eines bestimmenden Einflusses durch Sasol Ltd und Sasol Holding in Germany auf Schümann Sasol International gestützt.

    46

    Die Kommission hat nämlich im Wesentlichen die Entscheidungsbefugnis geprüft, die Sasol in den Organen des Gemeinschaftsunternehmens durch seine Vertreter ausüben konnte. Die Analyse beruht insoweit im Kern auf einer abstrakten Prüfung der Modalitäten der Entscheidungsfindung innerhalb der Organe, die sich auf die Bestimmungen in der Aktionärs- und Stimmrechtsvereinbarung und der Geschäftsordnung des Verwaltungsrats stützen, die die in der Satzung der gemeinsamen Struktur vorgesehenen Abstimmungsmodalitäten übernahmen. Außerdem stützt die Kommission ihr Ergebnis, Sasol Holding in Germany und Sasol Ltd die Verantwortung für das Verhalten von Schümann Sasol International zuzurechnen, insbesondere auf die Feststellung, es sei „nachgewiesen [worden], dass Sasol das Gemeinschaftsunternehmen kontrolliert hat“ (481. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

    47

    Daraus ergibt sich, dass die Kommission im vorliegenden Fall die Ausübung eines bestimmenden Einflusses durch Sasol Ltd und Sasol Holding in Germany auf das Geschäftsverhalten von Schümann Sasol International wie bei einer nach den Regeln für die Genehmigung von Zusammenschlüssen durchgeführten Prüfung im Wesentlichen auf der Grundlage einer abstrakten Prüfung der vor der Aufnahme der Tätigkeit von Schümann Sasol International unterzeichneten Dokumente festgestellt hat.

    48

    Zweitens hat das Gericht somit zu prüfen, inwieweit eine solche abstrakte und in die Zukunft gerichtete Prüfung, die im Bereich von Unternehmenszusammenschlüssen durchgeführt wird, wo der Erlass der Genehmigungsentscheidung der Aufnahme der Tätigkeit des Gemeinschaftsunternehmens vorausgeht, auch dem Nachweis der tatsächlichen Ausübung eines bestimmenden Einflusses auf das Geschäftsverhalten des Gemeinschaftsunternehmens in einer Entscheidung dienen kann, mit der den Muttergesellschaften die Verantwortung für eine in der Vergangenheit von dem genannten Gemeinschaftsunternehmen begangene Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG zugerechnet wird.

    49

    Hierzu ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass, selbst wenn die Befugnis oder die Möglichkeit, die Geschäftsentscheidungen des Gemeinschaftsunternehmens zu bestimmen, an sich lediglich auf der bloßen Fähigkeit beruht, einen bestimmenden Einfluss auf sein Geschäftsverhalten auszuüben, und damit unter den Begriff „Kontrolle“ im Sinne der Verordnung Nr. 139/2004 fällt, die Kommission und die Unionsgerichte davon ausgehen können, dass die gesetzlichen Vorschriften und die Bestimmungen der Vereinbarungen über den Betrieb dieses Unternehmens, insbesondere die der Vereinbarung zur Gründung des Gemeinschaftsunternehmens und der Stimmrechtsvereinbarung der Anteilseigner, umgesetzt und eingehalten wurden. Insoweit darf die Prüfung der tatsächlichen Ausübung eines bestimmenden Einflusses auf das Geschäftsverhalten des Gemeinschaftsunternehmens, wie bei der Prüfung hinsichtlich der Kontrolle, aus einer abstrakten Prüfung der vor der Aufnahme der Tätigkeit des Gemeinschaftsunternehmens unterzeichneten Dokumente bestehen. Insbesondere wenn diese Vorschriften und Bestimmungen vorsehen, dass für eine Beschlussfassung innerhalb eines Organs des Gemeinschaftsunternehmens die Stimmen jeder Muttergesellschaft erforderlich sind, können die Kommission und die Unionsgerichte in Ermangelung gegenteiliger Beweise zu der Feststellung gelangen, dass diese Beschlüsse von den Muttergesellschaften gemeinsam gefasst wurden (vgl. in diesem Sinne Urteile Avebe/Kommission, oben in Rn. 44 angeführt, Rn. 137 bis 139, Fuji Electric/Kommission, oben in Rn. 44 angeführt, Rn. 186 bis 193, und General Technic-Otis u. a./Kommission, oben in Rn. 30 angeführt, Rn. 112 und 113). Ebenso können die Kommission und die Unionsgerichte, wenn die in Rede stehenden Bestimmungen einer Muttergesellschaft gestatten, die Entscheidungen der Organe des Gemeinschaftsunternehmens allein zu bestimmen, in Ermangelung gegenteiliger Beweise zu der Feststellung gelangen, dass diese Muttergesellschaft einen bestimmenden Einfluss auf diese Entscheidungen ausübte.

    50

    Da jedoch die Prüfung hinsichtlich der tatsächlichen Ausübung eines bestimmenden Einflusses nachträglich erfolgt und daher auf konkreten Umständen beruhen kann, können sowohl die Kommission als auch die betroffenen Parteien den Nachweis erbringen, dass die Geschäftsentscheidungen des Gemeinschaftsunternehmens nach anderen Modalitäten gefasst wurden als denen, die sich aus der bloßen abstrakten Prüfung der Vereinbarung über den Betrieb des Gemeinschaftsunternehmens ergaben (vgl. in diesem Sinne Urteile Fuji Electric/Kommission, oben in Rn. 44 angeführt, Rn. 194 und 195, und General Technic-Otis u. a./Kommission, oben in Rn. 30 angeführt, Rn. 115 bis 117). Insbesondere können die Kommission oder die betroffenen Parteien den Nachweis erbringen, dass ungeachtet der Befugnis einer Muttergesellschaft, die betreffenden Beschlüsse über ihre Vertreter in den Organen des Gemeinschaftsunternehmens allein zu fassen, diese Beschlüsse tatsächlich von mehreren oder von allen Muttergesellschaften einstimmig gefasst wurden.

    Zur Begründetheit der Feststellung der Kommission, dass die von Schümann Sasol International begangene Zuwiderhandlung Sasol Holding in Germany und Sasol Ltd zuzurechnen sei

    51

    Die Klägerinnen widersprechen der Würdigung der Kommission, die von Schümann Sasol International begangene Zuwiderhandlung sei Sasol Holding in Germany und Sasol Ltd zuzurechnen, im Wesentlichen in zweifacher Hinsicht. Zum einen habe die Kommission einen Beurteilungsfehler begangen, indem sie nicht anerkannt habe, dass Herr B. I., Vorsitzender des Verwaltungsrats von Schümann Sasol International, der Vertreter von Vara gewesen sei. Vara habe nämlich durch ihren Vertreter, Herrn B. I., während des größten Teils der Phase des Gemeinschaftsunternehmens die Entscheidungen des Verwaltungsrats allein bestimmen können, da nach der Geschäftsordnung des Verwaltungsrats das Votum des Vorsitzenden bei Stimmengleichheit der Mitglieder in diesem Verwaltungsrat den Ausschlag gegeben habe. Zum anderen habe Vara nach der Satzung des Gemeinschaftsunternehmens und der Aktionärs- und Stimmrechtsvereinbarung die meisten Beschlüsse in der Aktionärsversammlung und im Aufsichtsrat des Gemeinschaftsunternehmens verhindern können, so dass Sasol Holding in Germany diese Entscheidungen nicht allein mit den Stimmen ihrer Vertreter habe fassen können. Auf dieser Grundlage sind die Klägerinnen der Auffassung, dass Sasol Holding in Germany keinen bestimmenden Einfluss auf das Geschäftsverhalten von Schümann Sasol International habe ausüben können.

    52

    Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission hinsichtlich der Zurechnung der Verantwortung für eine von einem Gemeinschaftsunternehmen begangene Zuwiderhandlung an mehrere Muttergesellschaften die tatsächliche Ausübung eines bestimmenden Einflusses nachweisen kann, indem sie eine gemeinsame Leitung des Gemeinschaftsunternehmens durch seine Muttergesellschaften feststellt. Zum Wesen dieser gemeinsamen Leitung hat das Gericht in seinem Urteil Avebe/Kommission (oben in Rn. 44 angeführt, Rn. 136 bis 138) diejenigen Indizien als relevant angesehen, die belegen, dass die von den Muttergesellschaften jeweils ernannten Mitglieder der Organe des Gemeinschaftsunternehmens, die die Geschäftsinteressen der Muttergesellschaften vertreten, bei der Festlegung und Umsetzung der Geschäftspolitik des Gemeinschaftsunternehmens eng zusammenarbeiten sollten und dass die von ihnen getroffenen Entscheidungen zwangsläufig einen übereinstimmenden Willen der von der Kommission zur Verantwortung gezogenen Muttergesellschaften widerspiegelten. Das Gericht hat nicht nur die strategische Entscheidungsfindung im Gemeinschaftsunternehmen geprüft, sondern auch die Führung des Tagesgeschäfts, und hat darauf hingewiesen, dass die beiden von den beiden Muttergesellschaften ernannten Direktoren auch in dieser Hinsicht eng zusammenarbeiten sollten (Urteil Avebe/Kommission, oben in Rn. 44 angeführt, Rn. 136 bis 138).

    53

    Hingegen hat die Kommission im vorliegenden Fall nicht die beiden Muttergesellschaften für die von Schümann Sasol International begangene Zuwiderhandlung verantwortlich gemacht, sondern nur Sasol Holding in Germany und ihre Muttergesellschaft Sasol Ltd.

    54

    Wenn jedoch die Kommission die Verantwortung für die von einem Gemeinschaftsunternehmen begangene Zuwiderhandlung nur einer seiner Muttergesellschaften zurechnet, hat sie den Beweis zu erbringen, dass der bestimmende Einfluss auf das Geschäftsverhalten des Gemeinschaftsunternehmens einseitig von dieser Muttergesellschaft ausgeübt wurde.

    55

    Aus der angefochtenen Entscheidung und den Schriftsätzen der Kommission im Rahmen des Verfahrens vor dem Gericht ergibt sich, dass diese der Auffassung ist, die oben in Rn. 54 beschriebene Bedingung sei im vorliegenden Fall erfüllt gewesen. Sie stellt nämlich im 471. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung fest, dass „Sasol [Ltd] über die Sasol Holding in Germany GmbH als ihre 100%ige Tochter einen bestimmenden Einfluss auf die Schümann Sasol International AG ausgeübt hat“. Außerdem führt die Kommission in Rn. 49 der Klagebeantwortung aus, dass „Sasol [Ltd] (über Sasol Holding) eine alleinige Kontrolle über [Schümann Sasol International] ausgeübt hatte“, und in Rn. 67 der Klagebeantwortung, dass „Vara die Zuwiderhandlung nicht zuzurechnen war, da Sasol die einzige war, die einen bestimmenden Einfluss auf das Gemeinschaftsunternehmen ausübte“.

    56

    Daher ist zu prüfen, ob die Kommission aufgrund der in der angefochtenen Entscheidung zusammengetragenen Gesichtspunkte und trotz des Vorbringens der Klägerinnen im Verwaltungsverfahren zur Bedeutung von Vara für die Leitung des Gemeinschaftsunternehmens den Schluss ziehen durfte, dass Sasol einseitig einen bestimmenden Einfluss auf Schümann Sasol International ausübte.

    Zum Verwaltungsrat der Schümann Sasol International

    57

    Die Klägerinnen bringen vor, dass die Beschlüsse des Verwaltungsrats von Schümann Sasol International mit einfacher Mehrheit erlassen worden seien und bei Stimmengleichheit das Votum des Vorsitzenden des Verwaltungsrats den Ausschlag gegeben habe. Der Vorsitzende des Verwaltungsrats, Herr B. I., habe jedoch die Interessen von Vara vertreten.

    58

    Sie machen im Wesentlichen geltend, der Kommission sei ein Fehler bei der Beurteilung der ihr vorliegenden Beweise unterlaufen, soweit sie zu dem Schluss gelangt sei, dass Herr B. I. nicht Vara vertreten, sondern den Vorsitz des Gemeinschaftsunternehmens auf Ersuchen von Sasol geführt habe. Die Kommission habe ihre Feststellung auf die Erklärung von Vara vom 11. Oktober 2007 gestützt, in der Herr B. I. im Namen von Vara auf die Fragen der Kommission geantwortet und paradoxerweise erklärt habe, Vara in der Phase des Gemeinschaftsunternehmens nicht vertreten zu haben, obwohl er sich als Vertreter von Vara für jede andere Frage bezeichnet habe, die sich die Kommission stellen könnte.

    59

    Außerdem verweisen die Klägerinnen auf ihre Erklärung vom 18. April 2008, laut der Herr B. I. in Wahrheit dauerhaft als rechte Hand von Herrn Schümann gehandelt und Vara im Gemeinschaftsunternehmen mit Sasol vertreten habe. Vor der Phase des Gemeinschaftsunternehmens sei Herr B. I. die natürliche Person gewesen, die eine beherrschende Funktion in HOS ausgeübt habe, die von Vara, deren Generaldirektor er seit 1987 gewesen sei, kontrolliert worden sei, und er habe als Vertrauter von Herrn Schümann gehandelt. Außerdem habe Herr B. I. auch während und nach der Phase des Gemeinschaftsunternehmens Führungsfunktionen in Vara und anderen von Herrn Schümann gehaltenen Gesellschaften ausgeübt. Der enge Bezug zwischen Herrn B. I. und Vara sowie Herrn Schümann ergebe sich auch aus der Ankündigung der Errichtung der gemeinsamen Struktur vom 6. Juni 1995.

    60

    Diese Tatsachen seien der Kommission während des Verwaltungsverfahrens bekannt gewesen, sie habe sie jedoch außer Acht gelassen und ohne Begründung der Erklärung von Vara den Vorzug gegeben, die von Herrn B. I. persönlich gestammt habe, d. h. von einer Person, die als Kommanditist selbst einen Teil des Kapitals von Vara gehalten habe.

    61

    Die Kommission weist zunächst darauf hin, dass der Begriff „bestimmender Einfluss“ nicht die operative Geschäftsführung des Gemeinschaftsunternehmens, sondern die grundlegende Ausrichtung seiner Geschäftspolitik betreffe. Wie sich aus der Satzung von Schümann Sasol International ergebe, sei der Verwaltungsrat unter der Kontrolle des Aufsichtsrats tätig geworden, und die wichtige Aspekte seiner Geschäftspolitik betreffenden Handlungen des Verwaltungsrats hätten der vorherigen Zustimmung des Aufsichtsrats bedurft.

    62

    Sodann trägt die Kommission vor, dass Herr B. I. nicht Vara vertreten, sondern seinen Titel seinen Kenntnissen in dem Bereich verdankt habe, in dem Schümann Sasol tätig gewesen sei, und seine Bestellung dem Willen von Sasol entsprochen habe. Vara habe mit ihrer Erklärung vom 11. Oktober 2007 der Kommission mitgeteilt, dass Herr B. I. als Direktor von Sasol International bestimmt worden sei, da Sasol seine eingehenden Kenntnisse der Tätigkeit von HOS nutzen und ihn daher in den Verwaltungsrat habe bestellen wollen. Diese Auskunft sei glaubwürdig, da Sasol besonderes Interesse daran gehabt habe, dass das Gemeinschaftsunternehmen gut geführt werde, und die Kontinuität seiner Geschäftsführung habe sicherstellen wollen, indem sie seinen täglichen Betrieb einem Verwaltungsratsmitglied anvertraut habe, das den Paraffinwachssektor und insbesondere das ehemalige Geschäft von HOS gekannt habe. Jedenfalls hat die Kommission in Rn. 10 der Gegenerwiderung die Auffassung vertreten, ihre im 472. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung genannten Feststellungen bedeuteten, dass Herr B. I. im Verwaltungsrat von Schümann Sasol International Sasol und nicht Vara vertreten habe.

    63

    Das Gericht hält es für zweckmäßig, zunächst die Rolle von Herrn B. I. im Verwaltungsrat von Schümann Sasol International und sodann die allgemeinere Frage, ob Sasol einseitig die in diesem Verwaltungsrat erlassenen Beschlüsse bestimmen konnte, zu prüfen.

    Zur Rolle von Herrn B. I.

    64

    Es ist darauf hinzuweisen, dass Herr B. I. fast während der gesamten Phase des Gemeinschaftsunternehmens der Vorsitzende des Verwaltungsrats von Schümann Sasol International war.

    65

    Während des Verwaltungsverfahrens legten die Klägerinnen dar, dass Herr B. I. der Vertreter von Vara gewesen sei, während Vara erklärte, seine Bestellung habe dem Willen von Sasol entsprochen. so dass er Vara nicht vertreten habe.

    66

    Zunächst geben die im 472. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung genannten Feststellungen genau den Inhalt einer Erklärung von Vara vom 11. Oktober 2007 wieder. Hingegen wurden der in der Erklärung von Sasol vom 18. April 2008 geäußerte Standpunkt, wonach Herr B. I. Vara vertreten habe, sowie die Unterlagen, auf die er gestützt wurde, von der Kommission zurückgewiesen.

    67

    Zum Inhalt der Feststellungen der Kommission in Bezug auf die Rolle von Herrn B. I. machen die Klägerinnen im Wesentlichen geltend, der Kommission sei ein Beurteilungsfehler unterlaufen, indem sie nicht anerkannt habe, dass er Vara im Verwaltungsrat vertreten habe.

    68

    Erstens ist festzustellen, dass Herr B. I. in den von Herrn Schümann gehaltenen Gesellschaften und in der Vara-Gruppe vor, während und nach der Phase des Gemeinschaftsunternehmens wichtige Positionen bekleidete.

    69

    Herr B. I. wurde am 29. November 1996 Kommanditist von Vara, einer der unmittelbaren Muttergesellschaften von Schümann Sasol International. Diese Eigenschaft bedeutete, dass er einen Teil des Kapitals von Vara hielt, wobei die anderen Eigentümer von Vara die Mitglieder der Familie Schümann waren. Das Gericht ist insoweit der Auffassung, dass die Beteiligung am Gesellschaftskapital einen Umstand darstellt, der belegen kann, dass Herr B. I. sich mit den besonderen Geschäftsinteressen von Vara identifizieren konnte.

    70

    Ebenso war Herr B. I., zumindest während eines Teils der Phase des Gemeinschaftsunternehmens und gleichzeitig mit der Ausübung seiner Funktion als Vorsitzender des Verwaltungsrats von Schümann Sasol International, Generaldirektor von Vara.

    71

    Aus der Rechtsprechung ergibt sich, dass die Kumulierung von Leitungspositionen in einer der Muttergesellschaften und in deren Gemeinschaftsunternehmen einen bedeutenden Anhaltspunkt dafür darstellt, dass diese Muttergesellschaft über die Ausübung der Entscheidungsbefugnis eines solchen Mitglieds der Unternehmensleitung des Gemeinschaftsunternehmens einen Einfluss auf die Geschäftsentscheidungen des Gemeinschaftsunternehmens ausübt (vgl. in diesem Sinne Urteil Fuji Electric/Kommission, oben in Rn. 44 angeführt, Rn. 199).

    72

    Sodann war Herr B. I. ab 15. Juni 1995 Geschäftsführer der Vara Beteiligungsgesellschaft mbH. Nach einem von den Klägerinnen vorgelegten Beweismittel bekleidete er diesen Posten gemeinsam mit Herrn Schümann auch noch im Jahr 2011. Außerdem war er vom 4. April 1989 bis zum Zeitpunkt der Auflösung dieser Gesellschaft am 13. September 1996 Geschäftsführer der Beteiligungsgesellschaft Hans-Otto Schümann mbH. Letztere Gesellschaft ist auch mit Herrn Schümann, dem Gründer und Haupteigentümer von Vara, verbunden.

    73

    Überdies wurde Herr B. I., als ihn Herr D. S. R. am 1. Juli 2001 als Vorsitzenden des Verwaltungsrats von Schümann Sasol International ersetzte, eines der sechs Mitglieder des Aufsichtsrats dieser Gesellschaft. Damit ersetzte Herr B. I. Herrn E. B. R, der laut der Kommission auch der Vertreter von Vara war, wobei die Zusammensetzung des Aufsichtsrats im Übrigen unverändert blieb. Dies weist darauf hin, dass Herr B. I. Vara im Aufsichtsrat vertrat. Dieser Umstand genügt außerdem für sich genommen für die Zurückweisung der Auffassung der Kommission, wonach Herr B. I. Sasol im Verwaltungsrat vertreten habe, da es unvorstellbar ist, dass er in einem solchen Fall unmittelbar nach dem Ende seines Mandats hätte beginnen können, Vara im Aufsichtsrat zu vertreten.

    74

    Schließlich ist festzustellen, dass Herr Schümann und Herr B. I. in dem an sämtliche Mitarbeiter von HOS gerichteten Schreiben vom 2. Februar 1995 diese Mitarbeiter über die Verhandlungen informierten, die sie mit Sasol führten. Darin führen sie aus: „[Wir] werden … nach wie vor unseren Einfluss [auf die neue Leitung des Gemeinschaftsunternehmens] geltend machen können.“

    75

    Auf dieser Grundlage stellt das Gericht fest, dass die Klägerinnen bereits im Verwaltungsverfahren Beweise vorgelegt hatten, die belegen können, dass Herr B. I. enge Bindungen zur Vara-Gruppe und zu Herrn Schümann unterhielt, dass er sich mit den besonderen Geschäftsinteressen von Vara identifizieren konnte, insbesondere aufgrund seiner Eigenschaft als Kommanditist, und dass Vara aufgrund der Kumulierung von Positionen durch Herrn B. I. einen bedeutenden Einfluss auf die Beschlüsse des Verwaltungsrats des Gemeinschaftsunternehmens ausüben konnte, was zur Angleichung der Geschäftspolitik von Schümann Sasol International an die von Vara führen konnte.

    76

    Die Kommission hat daher einen Beurteilungsfehler begangen, als sie bei ihrer Analyse diese Reihe relevanter Beweise außer Acht gelassen und in der angefochtenen Entscheidung lediglich darauf hingewiesen hat, dass die Bestellung von Herrn B. I. den Willen von Sasol widergespiegelt habe. Eine solche Darstellung schafft ein verzerrtes Bild der maßgeblichen Umstände der Rechtssache und entspricht nicht dem Kriterium, nach dem die Verantwortung für eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG anhand aussagekräftiger und übereinstimmender Beweise nachgewiesen werden muss und nach dem die Kommission alle ihr vorgelegten maßgeblichen rechtlichen und tatsächlichen Umstände unparteiisch zu berücksichtigen hat (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 27. September 2006, Dresdner Bank u. a./Kommission, T‑44/02 OP, T‑54/02 OP, T‑56/02 OP, T‑60/02 OP und T‑61/02 OP, Slg. 2006, II‑3567, Rn. 59 bis 63; vgl. entsprechend Urteil des Gerichtshofs vom 17. Mai 2001, IECC/Kommission, C-450/98 P, Slg. 2001, I-3947, Rn. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    77

    Das Vorbringen der Kommission vermag dieses Ergebnis nicht in Frage zu stellen.

    78

    Erstens bezieht sich die Kommission auf die Tatsache, dass Sasol ihre Zustimmung zur Bestellung von Herrn B. I. zum Vorsitzenden des Verwaltungsrats gegeben habe.

    79

    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach der Satzung von Schümann Sasol International sowie der Aktionärs- und Stimmrechtsvereinbarung alle Mitglieder des Verwaltungsrats und dessen Vorsitzender vom Aufsichtsrat einmütig durch die Vertreter von Vara und Sasol bestellt werden mussten. Daher musste zum einen die Zusammensetzung des Verwaltungsrats ein Einvernehmen zwischen den beiden Muttergesellschaften, d. h. den Willen beider, widerspiegeln. Zum anderen musste auch Vara seine Zustimmung zur Bestellung der von Sasol benannten Mitglieder geben, die die Kommission als die Vertreter Letzterer angesehen hat.

    80

    Folglich erlaubt die Tatsache, dass Sasol ihre Zustimmung zur Bestellung von Herrn B. I. zum Vorsitzenden des Verwaltungsrats gegeben hat, weder die Feststellung, dass er über das hinaus, was im Rahmen einer loyalen Geschäftsführung eines von zwei Muttergesellschaften gehaltenen Gemeinschaftsunternehmens erforderlich ist, die Geschäftsinteressen von Sasol vertreten hat, noch die Widerlegung der von den Klägerinnen beigebrachten Beweise zum Nachweis, dass Vara über die Entscheidungsbefugnis von Herrn B. I. einen Einfluss im Verwaltungsrat ausgeübt habe.

    81

    Zweitens ist darauf hinzuweisen, dass der einzige konkrete Beweis, auf den die Kommission ihren Schluss stützt, dass Herr B. I. nicht Vara vertreten habe, sondern seine Bestellung den Willen von Sasol widergespiegelt habe, die oben in Rn. 66 angeführte Erklärung von Vara vom 11. Oktober 2007 ist.

    82

    Nach Auffassung der Kommission ist diese Erklärung besonders zuverlässig, da sie in Beantwortung eines Auskunftsersuchens der Kommission vorgelegt worden sei. Vara habe ein erhebliches Interesse daran gehabt, den Sachverhalt richtig darzustellen, da eine falsche Erklärung mit einer verfahrensrechtlichen Geldbuße, wie in Art. 23 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1/2003 vorgesehen, habe geahndet werden können.

    83

    Insoweit wird auf der ersten Seite der Beantwortung des Auskunftsersuchens vom 11. Oktober 2007, die die in Rede stehende Erklärung enthält, darauf hingewiesen, dass die für die Antworten verantwortliche Person in erster Linie Herr B. I. sei. Ferner steht fest, dass, wie die Klägerinnen vorbringen, Herr B. I. zu diesem Zeitpunkt immer noch Kommanditist von Vara war.

    84

    Außerdem ist festzustellen, dass die Kommission weder in ihrem an Vara gerichteten Auskunftsersuchen noch in der angefochtenen Entscheidung definierte, was sie unter dem Begriff „Vertretung“ verstand. Daher konnte Vara, da Herr B. I. nicht formal zur Vertretung von Vara im Verwaltungsrat des Gemeinschaftsunternehmens beauftragt war, in ihrer Erklärung behaupten, dass keine Vertretung vorliege, ohne eine verfahrensrechtlichen Geldbuße zu riskieren.

    85

    Überdies betrifft die Prüfung der organisatorischen Verbindungen zwischen dem Gemeinschaftsunternehmen und der Muttergesellschaft nicht zwangsläufig die Frage der Vertretung der Muttergesellschaft aufgrund eines formalen Mandats, das Letztere dem Geschäftsführer des Gemeinschaftsunternehmens übertragen hat. Es ist sachdienlicher, die Vertretung der Geschäftsinteressen der Muttergesellschaft im weiteren Sinne (vgl. oben, Rn. 35) und den Einfluss auf die Entscheidungen der Organe des Gemeinschaftsunternehmens, um die Geschäftspolitik dieses Unternehmens an die der Muttergesellschaft anzugleichen, wovon insbesondere die Kumulierung von Leitungspositionen in der Muttergesellschaft und im Gemeinschaftsunternehmen zeugt, sowie die Beteiligung eines Geschäftsführers des Gemeinschaftsunternehmens am Kapital der Muttergesellschaft zu berücksichtigen (vgl. oben, Rn. 44).

    86

    Unter diesem Gesichtspunkt ist hinzuzufügen, dass die Frage der Vertretung der Geschäftsinteressen einer Muttergesellschaft im Verwaltungsrat eines Gemeinschaftsunternehmens keine bloße Tatsache ist, deren Leugnung vorbehaltlich des Falls einer Tatsachenverfälschung angemessenerweise eine verfahrensrechtliche Geldbuße nach sich ziehen könnte. Diese Frage gehört vielmehr zu der Beurteilung, die die Kommission unter unparteiischer Berücksichtigung aller ihr von den Muttergesellschaften, die oft gegenteilige Interessen haben, die sie zur Betonung des einen oder anderen maßgeblichen Umstands veranlassen, vorgelegten maßgeblichen rechtlichen und tatsächlichen Umstände durchzuführen hat. Außerdem ist festzustellen, dass die Kommission im vorliegenden Fall weder gegen Sasol noch gegen Vara eine verfahrensrechtliche Geldbuße verhängt hat, auch wenn sie in diesem Punkt völlig gegensätzliche Erklärungen abgegeben haben.

    87

    Nach alledem ist zu prüfen, ob der Beurteilungsfehler, der der Kommission bei der Prüfung der Rolle von Herrn B. I. unterlaufen ist (vgl. oben, Rn. 76), die Beurteilung des von Sasol auf den Verwaltungsrat von Schümann Sasol International ausgeübten Einflusses beeinträchtigen kann.

    Zur Bestimmung der Entscheidungen des Verwaltungsrats von Schümann Sasol International

    88

    Die Klägerinnen machen geltend, aufgrund der beherrschenden Rolle der Vara vertretenden Verwaltungsratsmitglieder, insbesondere der von Herrn B. I., hätten Sasol Ltd und Sasol Holding in Germany die Entscheidungen dieses Verwaltungsrats nicht bestimmen können.

    89

    Erstens ist festzustellen, dass Herr B. I. in seiner Ankündigung vom 6. Juni 1995 an die Mitarbeiter der Schümann Sasol AG (die später zu Schümann Sasol International wurde) die Rollen des Verwaltungsrats des Gemeinschaftsunternehmens beschrieb. Er führte aus, dass er „neben der Koordinierung der Arbeit des Verwaltungsrats für Marketing, Verkauf und Einkauf und die Kontrolle der Tochtergesellschaften verantwortlich [bleibt]“, während Herr D. S. R. (von Sasol) seinen Dienstposten in Südafrika behalte und sich um die Herstellung und die technischen Aspekte kümmern werde. Herr B. I. wies auch darauf hin, dass ein drittes Mitglied in Hamburg (Deutschland) bestellt werde.

    90

    Es ist festzustellen, dass die Entscheidungsbefugnisse von Herrn B. I. ein Indiz für seine zentrale Rolle im Verwaltungsrat von Schümann Sasol International sind.

    91

    Zweitens haben Herr B. I. und Herr Schümann in dem an sämtliche Mitarbeiter von HOS gerichteten Schreiben vom 2. Februar 1995 darauf hingewiesen, dass sie auf die neue Leitung des Gemeinschaftsunternehmens weiterhin wie in der Vergangenheit, als Vara der einzige Anteilseigner von HOS gewesen war, Einfluss nehmen könnten (vgl. oben, Rn. 74).

    92

    Aus diesem Schreiben geht auch hervor, dass nach den Erwartungen von Herrn B. I. und Herrn Schümann Letzterer und Vara durch Herrn B. I. eine zentrale Rolle in der Leitung von Schümann Sasol International spielen konnten.

    93

    Drittens führt die Kommission in der angefochtenen Entscheidung keinen Umstand an, der belegen könnte, dass trotz der Entscheidungsbefugnisse von Herrn B. I. und seiner aufgrund seines Vorsitzes ausschlaggebenden Stimme bei Stimmengleichheit Sasol einseitig die Beschlüsse des Verwaltungsrats hätte bestimmen können, für den Fall, dass sich ergeben hätte, dass Herr B. I. in Wahrheit Vara und Herrn Schümann im Verwaltungsrat von Schümann Sasol International vertrat.

    94

    Viertens ergibt sich eine solche Möglichkeit von Sasol, die Beschlüsse des Verwaltungsrats entscheidend zu bestimmen, auch nicht aus den die verschiedenen Zusammensetzungen des Verwaltungsrats betreffenden Umständen, die von den Klägerinnen im Verwaltungsverfahren dargelegt wurden.

    95

    Vom 2. Mai bis zum 31. Oktober 1995 setzte sich der Verwaltungsrat von Schümann Sasol International aus Herrn B. I. und Herrn D. S. R., dem Vertreter von Sasol, zusammen. Wie die Klägerinnen zutreffend ausführen, konnte Herr B. I. seine eigenen Entscheidungen im Verwaltungsrat aufgrund seines ausschlaggebenden Stimmrechts durchsetzen.

    96

    In der Zeit vom 1. November 1995 bis zum 30. Juni 2001 setzte sich der Verwaltungsrat von Schümann Sasol International aus seinem Vorsitzenden, Herrn B. I., sowie Herrn D. S. R. und Herrn H. G. B. zusammen. Die Klägerinnen sind der Auffassung, dass Letzterer der Vertreter von Vara gewesen sei, während die Kommission der Meinung ist, er sei der Vertreter von Sasol gewesen.

    97

    Es ist festzustellen, dass die Kommission in der angefochtenen Entscheidung die Frage nicht geprüft hat, ob Herr H. G. B. tatsächlich die Geschäftsinteressen der einen oder der anderen Muttergesellschaft vertrat. Außerdem liegen Hinweise vor, dass Herr H. G. B. die Interessen von Vara vertrat (vgl. oben, Rn. 99). Daher erlaubt diese Zusammensetzung des Verwaltungsrats auch nicht den Schluss, dass Sasol einseitig seine Entscheidungen habe bestimmen können.

    98

    Vom 1. Juli 2001 bis zum 16. Mai 2002 war Herr D. S. R. (von Sasol) Vorsitzender des Verwaltungsrats; das andere Mitglied war Herr H. G. B.

    99

    Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass diese Zusammensetzung des Verwaltungsrats davon zeugt, dass Herr H. G. B. der Vertreter von Vara war. Es kann nämlich vernünftigerweise nicht davon ausgegangen werden, dass Vara als Inhaberin eines Drittels des Kapitals von Schümann Sasol International einem Verwaltungsrat zugestimmt hätte, der sich nur aus Vertretern von Sasol zusammensetzte.

    100

    Die Klägerinnen machen geltend, in diesem Zeitraum seien alle Verwaltungsratsbeschlüsse einmütig gefasst worden.

    101

    Es ist hervorzuheben, dass die angefochtene Entscheidung nicht die geringste Prüfung des fraglichen Zeitraums enthält. Da die gesamte Verantwortung für die vom Gemeinschaftsunternehmen begangene Zuwiderhandlung allein Sasol zugerechnet wurde, hätte die Kommission nachweisen müssen, dass Sasol einseitig einen bestimmenden Einfluss auf die Geschäftspolitik von Schümann Sasol International ausübte (vgl. oben, Rn. 54).

    102

    Es ist jedoch darauf hinzuweisen (vgl. oben, Rn. 52), dass die einmütige Beschlussfassung im Verwaltungsrat von einer engen Zusammenarbeit der Vertreter der Muttergesellschaften und daher von einer gemeinsamen Leitung des Gemeinschaftsunternehmens zeugt, was ein Indiz für die gemeinsame Ausübung eines bestimmenden Einflusses und nicht für die Ausübung eines bestimmenden Einflusses durch eine der Muttergesellschaften allein darstellt (vgl. in diesem Sinne Urteile Avebe/Kommission, oben in Rn. 44 angeführt, Rn. 137 und 138, sowie Fuji Electric/Kommission, oben in Rn. 44 angeführt, Rn. 194).

    103

    Daher kann auch diese Zusammensetzung des Verwaltungsrats den Schluss nicht stützen, dass Sasol einseitig die Entscheidungen von Schümann Sasol International bestimmt habe.

    104

    Vom 17. Mai bis zum 24. September 2002 setzte sich der Verwaltungsrat von Schümann Sasol International schließlich aus Herrn D. S. R., Herrn H. G. B. und Herrn C. D. I. zusammen.

    105

    Die Klägerinnen tragen vor, die letzten beiden oben angeführten Verwaltungsratsmitglieder seien die Vertreter von Vara gewesen, so dass Herr D. S. R. selbst als Vorsitzender durch diese habe überstimmt werden können.

    106

    Es ist festzustellen, dass die angefochtene Entscheidung weder eine Prüfung der Ausübung eines bestimmenden Einflusses der einen oder der anderen Muttergesellschaft durch Herrn H. G. B. und Herrn C. D. I. noch die allgemeine Darstellung dieser Zusammensetzung des Verwaltungsrats enthält. Außerdem liegen Hinweise vor, dass Herr H. G. B. die Interessen von Vara vertrat (vgl. oben, Rn. 99). Daher geht aus der angefochtenen Entscheidung nicht hervor, dass Sasol im fraglichen Zeitraum durch ihre Vertreter im Verwaltungsrat einseitig dessen Beschlüsse habe bestimmen können.

    107

    Nach alledem ist festzustellen, dass die Kommission in der angefochtenen Entscheidung nicht nachgewiesen hat, dass im Hinblick auf die Entscheidungsbefugnis von Herrn B. I. und der anderen Verwaltungsratsmitglieder, die Vara zugeordnet werden konnten, Sasol tatsächlich den Inhalt der Entscheidungen des Verwaltungsrats von Schümann Sasol International durch die Mitglieder, die ihre Geschäftsinteressen vertraten und für die Angleichung des Verhaltens von Schümann Sasol International an ihr eigenes sorgten, einseitig bestimmte. Die angefochtene Entscheidung enthält auch keine unmittelbaren Nachweise (vgl. oben, Rn. 44), die geeignet wären, einen solchen bestimmenden Einfluss durch Sasol zu belegen.

    Zur Relevanz der operativen Geschäftsführung

    108

    Die Kommission macht geltend, der Verwaltungsrat von Schümann Sasol International sei für das Tagesgeschäft dieser Gesellschaft zuständig gewesen. Nach dem Urteil des Gerichts vom 12. Dezember 2007, Akzo Nobel u. a./Kommission (T-112/05, Slg. 2007, II-5049, Rn. 63 bis 65, 82 und 83), sei jedoch die operative Geschäftsführung einer Tochtergesellschaft für die Beurteilung des Vorliegens einer wirtschaftlichen Einheit zwischen einer Tochtergesellschaft und ihrer Muttergesellschaft unerheblich, da die über die Geschäftspolitik im engen Sinne ausgeübte Kontrolle keine erforderliche Voraussetzung für die Feststellung sei, dass eine Muttergesellschaft mit einer Tochtergesellschaft ein Unternehmen bilde. Es genüge vielmehr, dass die Muttergesellschaft eine bedeutende Rolle bei den Fragen spiele, die die Geschäftspolitik der Tochtergesellschaft bestimmten.

    109

    Das Urteil, auf das sich die Kommission bezieht, betrifft allerdings einen Sachverhalt, in dem die Muttergesellschaft 100 % des Kapitals der Tochtergesellschaft hielt.

    110

    Zwar kann die Frage der operativen Geschäftsführung unerheblich sein, wenn es sich um eine zu 100 % von einer einzigen Muttergesellschaft gehaltene Tochtergesellschaft handelt, da der Nachweis der operativen Eigenständigkeit der Tochtergesellschaft für sich genommen nicht die Vermutung der Ausübung eines bestimmenden Einflusses zu widerlegen vermag (vgl. die unten in Rn. 153 angeführte Rechtsprechung).

    111

    Jedoch werden bei einem einzigen Anteilseigner alle Entscheidungen – einschließlich derjenigen, die die operative Geschäftsführung der Tochtergesellschaft betreffen – von Geschäftsführern getroffen, die unmittelbar oder (mittels der Organe, deren Mitglieder von der Muttergesellschaft benannt wurden) mittelbar allein von der Muttergesellschaft nominiert und ernannt werden. Da es keine weiteren Anteilseigner gibt, sind zudem die einzigen Geschäftsinteressen, die in der Tochtergesellschaft bestehen, grundsätzlich die des einzigen Anteilseigners. Daher kann die Kommission die tatsächliche Ausübung eines bestimmenden Einflusses auch dort vermuten, wo die operative Geschäftsführung von Geschäftsführern der Tochtergesellschaft eigenständig wahrgenommen wird.

    112

    Bei Gemeinschaftsunternehmen gibt es dagegen eine Mehrheit von Anteilseignern, und die Entscheidungen seiner Organe werden von Mitgliedern getroffen, die die Geschäftsinteressen der verschiedenen Muttergesellschaften vertreten, die übereinstimmen, aber auch unterschiedlich sein können. Somit bleibt die Frage relevant, ob die Muttergesellschaft, insbesondere durch von ihr bestellte Geschäftsführer und/oder Geschäftsführer, die gleichzeitig Leitungspositionen in der Muttergesellschaft innehaben, einen tatsächlichen Einfluss auf die operative Geschäftsführung des Gemeinschaftsunternehmens ausgeübt hat.

    113

    Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass das Gericht in den Urteilen Fuji Electric/Kommission, oben in Rn. 44 angeführt (Rn. 195), und General Technic-Otis u. a./Kommission, oben in Rn. 30 angeführt (Rn. 112 bis 117), die Modalitäten der zur operativen Geschäftsführung gehörenden Entscheidungsfindung im Einzelnen geprüft hat, um die Ausübung eines bestimmenden Einflusses durch die Klägerinnen in diesen Rechtssachen im Hinblick auf das Marktverhalten ihrer Gemeinschaftsunternehmen zu beurteilen.

    114

    Folglich ist das Vorbringen der Kommission, wonach die Bestimmung der Geschäftspolitik im engen Sinne des Gemeinschaftsunternehmens durch seine Muttergesellschaft bei der Prüfung des Vorliegens einer wirtschaftlichen Einheit zwischen diesen unerheblich sei, zurückzuweisen.

    Ergebnis hinsichtlich des Verwaltungsrats von Schümann Sasol International

    115

    Erstens ist der Kommission in der angefochtenen Entscheidung ein Beurteilungsfehler bei der Prüfung der Rolle von Herrn B. I. unterlaufen (vgl. oben, Rn. 76). Es ist nicht auszuschließen, dass sie ohne diesen Fehler zu dem Ergebnis gekommen wäre, dass Vara während eines beachtlichen Teils der Phase des Gemeinschaftsunternehmens einen bestimmenden Einfluss auf die Entscheidungen des Verwaltungsrats von Schümann Sasol International ausübte. Zweitens hat die Kommission jedenfalls nicht nachgewiesen, dass Sasol tatsächlich den Inhalt der Entscheidungen des Verwaltungsrats von Schümann Sasol International einseitig bestimmt hatte (vgl. oben, Rn. 107). Drittens ist der auf die Entscheidungen des Verwaltungsrats des Gemeinschaftsunternehmens ausgeübte Einfluss im Hinblick auf die Zurechenbarkeit der Verantwortung für eine von diesem begangene Zuwiderhandlung an seine Muttergesellschaften in hohem Maße relevant (vgl. oben, Rn. 114).

    Zum Aufsichtsrat und zur Hauptversammlung von Schümann Sasol International

    116

    Die Klägerinnen tragen vor, die Kommission hätte aufgrund der Entscheidungsbefugnisse von Vara nicht feststellen dürfen, dass Sasol die Entscheidungen im Aufsichtsrat und der Hauptversammlung von Schümann Sasol International entscheidend beeinflusst habe.

    117

    Nun zeigen die von der Kommission in den Erwägungsgründen 473 und 474 der angefochtenen Entscheidung zusammengetragenen Gesichtspunkte, dass sowohl Sasol als auch Vara alle Beschlüsse in der Hauptversammlung und dem Aufsichtsrat von Schümann Sasol International, mit Ausnahme der in Abschnitt 1.5 der Aktionärs- und Stimmrechtsvereinbarung genannten, verhindern konnten.

    118

    Von den in Abschnitt 1.5 der Aktionärs- und Stimmrechtsvereinbarung genannten Beschlüssen fällt nur die Genehmigung von Investitionen unter die Kategorie der strategischen Geschäftsentscheidungen, die sich nach der Konsolidierten Mitteilung der Kommission zu Zuständigkeitsfragen gemäß der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 (ABl. 2008, C 95, S. 1) auf das Gemeinschaftsunternehmen auswirken.

    119

    Außerdem betreffen nach Rn. 69 der Konsolidierten Mitteilung der Kommission zu Zuständigkeitsfragen gemäß der Verordnung Nr. 139/2004 die bedeutendsten Vetorechte die Entscheidungen über die Ernennung oder Entlassung von Mitgliedern der Unternehmensleitung und die Genehmigung der Finanzplanung des Gemeinschaftsunternehmens. Dort wird auch ausgeführt, dass das Recht, die Zusammensetzung der Unternehmensleitung (z. B. des Vorstands) mitzubestimmen, normalerweise dessen Inhaber einen bestimmenden Einfluss auf die Geschäftspolitik des Unternehmens sichert. Das gleiche gilt für Entscheidungen über die Finanzplanung, denn die Finanzplanung entscheidet über den Umfang der Tätigkeit des Gemeinschaftsunternehmens und vor allem über die Höhe der Investitionen.

    120

    Nach den gesetzlichen Vorschriften und den Bestimmungen der Vereinbarungen über den Betrieb des Gemeinschaftsunternehmens Schümann Sasol International hatte Sasol Holding in Germany jedoch nur das Recht, die Entscheidungen über die Genehmigung von Investitionen einseitig zu bestimmen, und nicht die bedeutendsten strategischen Geschäftsentscheidungen, nämlich die über die Finanzplanung, die Ernennung oder Entlassung von Geschäftsführern oder den Geschäftsplan.

    121

    Daher hat die Kommission nicht anhand einer auf Rechtsvorschriften und die Bestimmungen der Vereinbarungen über den Betrieb des Gemeinschaftsunternehmens gestützten abstrakten Prüfung (vgl. oben, Rn. 49) nachgewiesen, dass Sasol im Aufsichtsrat und in der Hauptversammlung von Schümann Sasol International sämtliche diese betreffenden strategischen Geschäftsentscheidungen allein bestimmen konnte. Aus der abstrakten Prüfung ergibt sich vielmehr, dass die meisten Entscheidungen gemeinsam von Sasol Holding in Germany und Vara zu erlassen waren.

    122

    Außerdem enthält die angefochtene Entscheidung keinen auf konkreten Umständen beruhenden Nachweis (vgl. oben, Rn. 50), aus dem sich ergäbe, dass Sasol Ltd und Sasol Holding in Germany tatsächlich trotz der Sperrmöglichkeit von Vara die strategischen Geschäftsentscheidungen des Gemeinschaftsunternehmens Schümann Sasol International allein bestimmt hätten.

    123

    Nach alledem kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass die Kommission nicht nachgewiesen hat, dass Sasol einseitig die meisten Entscheidungen des Aufsichtsrats und der Hauptversammlung von Schümann Sasol International und insbesondere die diese betreffenden strategischen Geschäftsentscheidungen über die Finanzplanung, den Geschäftsplan und die Ernennung von Mitgliedern der Unternehmensleitung bestimmt hatte.

    Zur tatsächlichen Ausübung eines bestimmenden Einflusses durch Sasol Holding in Germany auf das Marktverhalten von Schümann Sasol International

    124

    Nach dem 475. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung ist „[i]n Anbetracht der in [den] Randnummern (472) – (474) beschriebenen Situation sowie insbesondere in Anbetracht der Möglichkeit für Sasol, eigene Vorstellungen in wichtigen strategischen Entscheidungen durchzusetzen, wenn keine Einmütigkeit erreicht werden konnte (z. B. in den in Abschnitt 1.5 der Aktionärs- und Stimmrechtsvereinbarung genannten Fällen wie etwa der Genehmigung von Investitionen), … festzustellen, dass Sasol die Kontrolle über das Gemeinschaftsunternehmen besaß“. Im 481. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung führt die Kommission aus, dass „nachgewiesen wurde, dass Sasol das Gemeinschaftsunternehmen kontrolliert hat“ und dass „Beweise für die Ausübung eines bestimmenden Einflusses [von Sasol Holding in Germany auf Schümann Sasol International] vorliegen“.

    125

    Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Kommission in der angefochtenen Entscheidung nicht nachgewiesen hat, dass Sasol einseitig die Verwaltungsratsbeschlüsse von Schümann Sasol International und im Wesentlichen die strategischen Entscheidungen ihrer Hauptversammlung und ihres Aufsichtsrat bestimmte (vgl. oben, Rn. 115 und 123).

    126

    Ebenso hat die Kommission nicht anhand unmittelbarer Beweise die Ausübung eines bestimmenden Einflusses von Sasol Holding in Germany und Sasol Ltd auf das Geschäftsverhalten von Schümann Sasol International nachgewiesen.

    127

    Folglich ist die Würdigung der Kommission, die sie veranlasst hat, die Verantwortung für die von Schümann Sasol, der Tochtergesellschaft von Schümann Sasol International, begangene Zuwiderhandlung Sasol Holding in Germany und Sasol Ltd zuzurechnen, mit Beurteilungsfehlern behaftet. Dem ersten Klagegrund ist somit stattzugeben und die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit sie die Verantwortung für die von Schümann Sasol begangene Zuwiderhandlung Sasol Holding in Germany und Sasol Ltd zurechnet.

    128

    Die angefochtene Entscheidung ist somit für nichtig zu erklären, soweit die Kommission feststellt, dass sich Sasol Holding in Germany und Sasol Ltd an der Zuwiderhandlung vor dem 1. Juli 2002 beteiligt haben.

    Zum Beweisangebot der Klägerinnen

    129

    Die Klägerinnen schlagen vor, Herrn C. D. I. (derzeitiges Vorstandsmitglied von Sasol Wax International) als Zeugen für die Tatsache zu vernehmen, dass in der Phase des Gemeinschaftsunternehmens die grundlegende Ausrichtung der Strategie und der Geschäfte der gemeinsamen Struktur von Vara durch Herrn Schümann und Herrn B. I. festgelegt worden sei.

    130

    In Anbetracht obiger Erwägungen hält das Gericht diese Zeugenaussage nicht für erforderlich, so dass das Beweisangebot zurückgewiesen wird.

    2. Zum zweiten Klagegrund: fehlerhafte Zurechnung der Verantwortlichkeit für die Zuwiderhandlung an Sasol Ltd, Sasol Holding in Germany und Sasol Wax International in der Sasol-Phase

    131

    Die Klägerinnen machen geltend, die Kommission habe die Verantwortung für das Verhalten von Sasol Wax in der Sasol-Phase vom 1. Juli 2002 bis zum 28. April 2005 zu Unrecht ihrer Muttergesellschaft, Sasol Wax International, deren Muttergesellschaft, Sasol Holding in Germany, und der Gesellschaft an der Spitze der Gruppe, Sasol Ltd, zugerechnet.

    Zum ersten Teil: Rechtsfehler hinsichtlich der Möglichkeit der Zurechnung einer von einer Tochtergesellschaft begangenen Zuwiderhandlung an ihre Muttergesellschaft allein auf der Grundlage einer auf die 100%ige Kapitalbeteiligung gestützten Vermutung

    132

    Im 494. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung führt die Kommission Folgendes aus:

    „[D]ie Kommission [kann] gemäß der ständigen Rechtsprechung annehmen, dass Muttergesellschaften einen bestimmenden Einfluss auf ihre 100%igen Tochtergesellschaften ausüben. Wenn diese Vermutung zum Tragen kommt (wie in dieser Sache bei der Sasol Wax International AG, der Sasol Holding in Germany GmbH und der Sasol Ltd), müssen die Muttergesellschaften diese Vermutung durch Beweise dafür, dass ihre Tochter unabhängig über ihr Marktverhalten entschieden hat, widerlegen.“

    133

    Nach Ansicht der Klägerinnen hat die Kommission einen Rechtsfehler begangen, indem sie eine unzutreffende Rechtsnorm angewandt habe. Keine gültige Rechtsgrundlage erlaube es, zu vermuten, dass eine 100%ige Beteiligung für sich allein zum Nachweis ausreiche, dass eine Muttergesellschaft für das Kartell, an dem sich ihre Tochtergesellschaft beteiligt habe, verantwortlich sei. Eine solche Vermutung verstoße gegen den Grundsatz der individuellen rechtlichen Verantwortung und die Unschuldsvermutung.

    134

    In dem besonderen Fall, dass eine Muttergesellschaft 100 % des Kapitals ihrer Tochtergesellschaft hält, die gegen die Wettbewerbsregeln der Union verstoßen hat, kann zum einen diese Muttergesellschaft einen bestimmenden Einfluss auf das Verhalten dieser Tochtergesellschaft ausüben und besteht zum anderen eine widerlegliche Vermutung, dass diese Muttergesellschaft tatsächlich einen bestimmenden Einfluss auf das Verhalten ihrer Tochtergesellschaft ausübt. Unter diesen Umständen genügt es, dass die Kommission nachweist, dass die Muttergesellschaft das gesamte Kapital der Tochtergesellschaft hält, um anzunehmen, dass die Muttergesellschaft einen bestimmenden Einfluss auf die Geschäftspolitik dieses Tochterunternehmens ausübt. Die Kommission kann in der Folge dem Mutterunternehmen als Gesamtschuldner die Haftung für die Zahlung der gegen dessen Tochterunternehmen verhängten Geldbuße zuweisen, sofern die vom Mutterunternehmen, dem es obliegt, diese Vermutung zu widerlegen, vorgelegten Beweise nicht für den Nachweis ausreichen, dass sein Tochterunternehmen auf dem Markt eigenständig auftritt (vgl. Urteil vom 10. September 2009, Akzo Nobel u. a./Kommission, oben in Rn. 30 angeführt, Rn. 60 und 61 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    135

    Darüber hinaus gilt nach der Rechtsprechung die Vermutung der Verantwortlichkeit, die darauf beruht, dass sich eine Gesellschaft im Besitz sämtlicher Kapitalanteile einer anderen Gesellschaft befindet, nicht nur in Fällen einer unmittelbaren Beziehung zwischen der Muttergesellschaft und ihrer Tochtergesellschaft, sondern auch in Fällen wie dem vorliegenden, in denen es sich wegen der Zwischenschaltung einer anderen Gesellschaft um eine mittelbare Beziehung handelt (Urteil des Gerichtshofs vom 20. Januar 2011, General Química u. a./Kommission, C-90/09 P, Slg. 2011, I-1, Rn. 90).

    136

    Somit hat die Kommission keinen Rechtsfehler begangen, indem sie festgestellt hat, dass sie bei einer 100%igen Kapitalbeteiligung der Muttergesellschaft an der Tochtergesellschaft annehmen kann, dass diese Muttergesellschaft sowie die mittelbaren Muttergesellschaften tatsächlich einen bestimmenden Einfluss auf die Geschäftspolitik der Tochtergesellschaft ausgeübt haben.

    137

    Wird die Vermutung der Ausübung eines bestimmenden Einflusses der Muttergesellschaft auf die Tochtergesellschaft nicht widerlegt, kann die Kommission feststellen, dass die Tochtergesellschaft und die unmittelbaren und mittelbaren Muttergesellschaften Teil ein und derselben wirtschaftlichen Einheit sind und damit ein einziges Unternehmen im Sinne der oben in Rn. 31 angeführten Rechtsprechung bilden. Weil eine Muttergesellschaft und ihre Tochtergesellschaft ein einziges Unternehmen im Sinne von Art. 81 EG bilden, kann die Kommission demnach eine Entscheidung, mit der Geldbußen verhängt werden, an die Muttergesellschaft richten, ohne dass deren persönliche Beteiligung an der Zuwiderhandlung nachzuweisen wäre (vgl. die oben in Rn. 36 angeführte Rechtsprechung).

    138

    Ein solches Vorgehen verstößt nicht gegen den Grundsatz der persönlichen Verantwortlichkeit. Gegen Sasol Wax International, Sasol Holding in Germany und Sasol Ltd wurde nämlich selbst eine Sanktion wegen der Zuwiderhandlung verhängt, die ihnen aufgrund ihrer engen wirtschaftlichen und rechtlichen Bindungen zu Sasol Wax, die sich daraus ergaben, dass sie deren gesamtes Kapital hielten, persönlich zur Last gelegt wird (vgl. in diesem Sinne Urteil Metsä-Serla u. a./Kommission, oben in Rn. 34 angeführt, Rn. 34).

    139

    Zur angeblichen Verletzung des Grundsatzes der Unschuldsvermutung ist darauf hinzuweisen, dass nach diesem jede beschuldigte Person bis zum rechtsförmlich erbrachten Beweis ihrer Schuld als unschuldig gilt. Sie verbietet damit jede ausdrückliche Feststellung und selbst jede Anspielung auf die Verantwortlichkeit einer eines bestimmten Verstoßes beschuldigten Person in einer verfahrensbeendenden Entscheidung, wenn diese Person nicht alle im Rahmen eines normalen, mit einer Sachentscheidung abzuschließenden Verfahrensablaufs zur Ausübung der Verteidigungsrechte erforderlichen Garantien in Anspruch nehmen konnte (Urteil des Gerichts vom 12. Oktober 2007, Pergan Hilfsstoffe für industrielle Prozesse/Kommission, T-474/04, Slg. 2007, II-4225, Rn. 76).

    140

    Die Anwendung des Grundsatzes der Unschuldsvermutung im Bereich des Wettbewerbsrechts muss an die Tatsache angepasst werden, dass im Gegensatz zum Strafverfahren, das zwangsläufig eine (natürliche oder juristische) Person betrifft, das Wettbewerbsrecht auf das Unternehmen anzuwenden ist, das eine gegebenenfalls aus mehreren juristischen Personen bestehende wirtschaftliche Einheit bezeichnet. Zudem steht es den Gesellschaften an der Spitze der Unternehmensgruppe offen, ihre internen Strukturen umzugestalten, insbesondere indem sie für bestimmte Tätigkeiten Gesellschaften mit eigener Rechtspersönlichkeit gründen.

    141

    Unter diesen Umständen kann zur Wahrung der praktischen Wirksamkeit des Wettbewerbsrechts der Union die bloße Tatsache, dass eine Muttergesellschaft eine 100%ige oder nahezu 100%ige Tochtergesellschaft hält, die sich an der Zuwiderhandlung unmittelbar beteiligt hat, für die Kommission als Grundlage ihrer Verantwortlichkeit genügen. Sobald dieser Beschwerdepunkt durch die Kommission mitgeteilt wurde, obliegt es der Muttergesellschaft, die Gegenbeweise für die fehlende wirtschaftliche Einheit zwischen ihr und ihrer Tochtergesellschaft beizubringen. Im vorliegenden Fall ist die Kommission diesem Ansatz gefolgt, indem sie die von den Klägerinnen vorgelegten Beweise aufmerksam geprüft und somit den Grundsatz der Unschuldsvermutung beachtet hat.

    142

    Daraus folgt, dass der erste Teil des zweiten Klagegrundes zurückzuweisen ist.

    Zum zweiten Teil: fehlerhafte Feststellung der Nichtwiderlegung der Vermutung

    143

    Die Klägerinnen sind der Ansicht, sie hätten anhand der in ihren Antworten auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte enthaltenen Beweismittel nachgewiesen, dass Sasol Wax International tatsächlich keinen bestimmenden Einfluss auf Sasol Wax ausgeübt habe, da sie sich weder in deren strategische Geschäftsentscheidungen noch in die operative Geschäftsführung eingemischt habe.

    Zur angefochtenen Entscheidung

    144

    Hinsichtlich der von den Klägerinnen im Rahmen ihrer Antworten auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte vorgelegten Beweismittel führt die Kommission in der angefochtenen Entscheidung Folgendes aus:

    „…

    (498)

    Bezüglich der geschäftsführenden Direktoren und der Zusammensetzung und der Rolle des Aufsichts[rats] der Sasol Wax GmbH räumt Sasol ein, dass die Sasol Wax International AG die Befugnis zur Benennung der geschäftsführenden Direktoren und der Mitglieder des Aufsichtsrates der Sasol Wax GmbH hatte. Außerdem wird bestätigt, dass mehrere Mitglieder des Aufsichtsrats der Sasol Wax GmbH im Laufe der Jahre auch dem Verwaltungsrat der Sasol Wax International AG angehört haben bzw. noch immer angehören. Sasol erklärt, dies sei nicht erheblich, da der Aufsichtsrat keine wesentliche Rolle gespielt habe (keine wirksame Kontrolle des Managements und/oder der Strategie der Sasol Wax GmbH), da der Aufsichtsrat von früheren Vara-Mitarbeitern dominiert gewesen sei, und da er keinen Einfluss auf das Geschäftsverhalten der Sasol Wax GmbH genommen habe. Erstens ist hinreichend, dass die Sasol International AG die Befugnis zur Benennung der geschäftsführenden Direktoren und der Mitglieder des Aufsichtsrats hatte; daher ist unerheblich, ob der Aufsichtsrat weiterhin mit so genannten früheren Vara-Leuten besetzt war. Zweitens ist bezüglich der Rolle des Aufsichtsrats festzustellen, dass in der Satzung gewisse Angelegenheiten genannt sind, für die der Aufsichtsrat zuständig ist (z. B. die Benennung, Entlassung und Beaufsichtigung des Managements, die Genehmigung von Jahresabschlüssen und Budgets, die Genehmigung von Investitionen in einer Höhe von über 0,5 Mio. EUR und Änderungen der Unternehmensstruktur). Sasol erklärt zwar, dass keine dieser Befugnisse eine erhebliche Rolle im Hinblick auf das Geschäftsverhalten der Sasol Wax GmbH gespielt habe; es habe keine Fälle gegeben, in denen der Aufsichtsrat Einfluss auf das Management der Sasol Wax GmbH ausgeübt habe, und die Direktoren der Sasol Wax GmbH hätten regelmäßig Maßnahmen getroffen, die entscheidend für das strategische Geschäftsverhalten der Sasol Wax GmbH gewesen seien, ohne zuvor die Genehmigung des Aufsichtsrats einzuholen; die Befugnisse, die dem Aufsichtsrat übertragen wurden, zeigen jedoch, dass der Aufsichtsrat durchaus eine strategische und finanzielle Rolle und Verantwortung übernehmen sollte, die vom üblichen Tagesgeschäft der Gesellschaft zu unterscheiden sind, für das der Verwaltungsrat und die Direktoren der Gesellschaft zuständig waren.

    (499)

    Außerdem argumentiert Sasol, dass die Sasol Wax International AG keinen Einfluss ausgeübt habe, werde auch aus der Tatsache deutlich, dass Vertreter von Sasol in den technischen Treffen weiterhin die früheren Vara-Leute gewesen seien und dass die Führungskräfte des Geschäftsbereichs, auf deren Tätigkeit sich die technischen Treffen ausgewirkt hätten, nicht in Beziehung zur Sasol Ltd gestanden hätten. Bezüglich des Verhaltens der so genannten früheren Vara-Leute ist festzustellen, dass die betreffenden Personen in dem Zeitraum, in dem sie das illegale Verhalten gezeigt haben, Mitarbeiter der Sasol-Gruppe waren; dabei ist unerheblich, ob sie früher bei Vara beschäftigt waren oder dass ihr unmittelbarer Arbeitgeber eine Tochtergesellschaft der Sasol Wax International AG, der Sasol Holding in Germany GmbH oder der Sasol Ltd war, so lange nachgewiesen werden kann, dass die Muttergesellschaften bestimmenden Einfluss auf diese Tochtergesellschaft ausgeübt haben.“

    Allgemeine Bemerkungen

    145

    Nach der Rechtsprechung war es Sache der Klägerinnen, um die oben in Rn. 134 beschriebene Vermutung der Ausübung eines bestimmenden Einflusses der Muttergesellschaft auf das Verhalten ihrer Tochtergesellschaft zu widerlegen, alle Angaben in Bezug auf die organisatorischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Verbindungen zwischen Sasol Wax und Sasol Wax International vorzulegen, die ihrer Ansicht nach dem Nachweis dienen könnten, dass sie keine wirtschaftliche Einheit darstellen. Das Gericht muss bei seiner Würdigung alle ihm vorgelegten Angaben berücksichtigen, wobei deren Charakter und Bedeutung je nach den Merkmalen des jeweiligen Falls variieren können (Urteil des Gerichts vom 12. Dezember 2007, Akzo Nobel u. a./Kommission, oben in Rn. 108 angeführt, Rn. 65, bestätigt durch Urteile des Gerichtshofs vom 10. September 2009, Akzo Nobel u. a./Kommission, oben in Rn. 30 angeführt, und vom 13. Juli 2011, Eni/Kommission, T-39/07, Slg. 2011, II-4457, Rn. 95).

    146

    Diese Vermutung beruht auf der Feststellung, dass zum einen – von wirklich außergewöhnlichen Umständen abgesehen – eine Gesellschaft, die die Gesamtheit des Kapitals einer Tochtergesellschaft hält, allein aufgrund dieser Beteiligung einen bestimmenden Einfluss auf das Verhalten dieser Tochtergesellschaft ausüben kann und dass es zum anderen normalerweise am zweckmäßigsten ist, in der Sphäre der Einheiten, denen gegenüber diese Vermutung eingreift, zu ermitteln, ob diese Befugnis zur Einflussnahme tatsächlich nicht ausgeübt wurde (Urteil des Gerichtshofs vom 29. September 2011, Elf Aquitaine/Kommission, C-521/09 P, Slg. 2011, I-8947, Rn. 60).

    147

    Zudem rechtfertigt sich die Anwendung einer solchen Vermutung dadurch, dass die Muttergesellschaft, wenn sie alleinige Anteilseignerin der Tochtergesellschaft ist, über alle in Betracht kommenden Instrumente verfügt, um das Geschäftsverhalten der Tochtergesellschaft auf ihr eigenes abzustimmen. Insbesondere bestimmt der Alleinaktionär, indem er ihre Satzung beschließt, grundsätzlich den Umfang der Eigenständigkeit der Tochtergesellschaft, er wählt ihre Geschäftsführer aus und trifft oder genehmigt die strategischen Geschäftsentscheidungen der Tochtergesellschaft, gegebenenfalls durch seine Vertreter in deren Organen. Darüber hinaus wird die wirtschaftliche Einheit zwischen der Muttergesellschaft und ihrer Tochtergesellschaft gewöhnlich zusätzlich durch Verpflichtungen gesichert, die sich aus dem Gesellschaftsrecht der Mitgliedstaaten ergeben, etwa zur Erstellung konsolidierter Abschlüsse, durch die Verpflichtung der Tochtergesellschaft, der Muttergesellschaft in regelmäßigen Zeiträumen über ihre Tätigkeit Bericht zu erstatten, sowie durch die Feststellung der Jahresabschlüsse der Tochtergesellschaft durch die allein aus der Muttergesellschaft gebildete Hauptversammlung, was notwendigerweise impliziert, dass die Muttergesellschaft die Geschäftstätigkeiten der Tochtergesellschaft zumindest in ihren Grundzügen verfolgt.

    148

    Sodann ist hervorzuheben, dass bei einer Tochtergesellschaft, die zu 100 % oder nahezu 100 % von einer einzigen Muttergesellschaft gehalten wird, im Grunde ein einziges geschäftliches Interesse besteht und die Mitglieder der Organe der Tochtergesellschaft von dem alleinigen Anteilseigner bestimmt und ernannt werden, der ihnen zumindest informell Weisungen erteilen und Leistungskriterien vorgeben kann. Daher besteht in einem solchen Fall notwendigerweise ein Vertrauensverhältnis zwischen der Geschäftsleitung der Tochtergesellschaft und derjenigen der Muttergesellschaft, und diese Geschäftsleitungen verhalten sich zwangsläufig so, dass sie das einzige bestehende geschäftliche Interesse, nämlich das der Muttergesellschaft, vertreten und fördern (vgl. auch oben, Rn. 35). So ist die Einheitlichkeit des Marktverhaltens der Muttergesellschaft und ihrer Tochtergesellschaft trotz der Eigenständigkeit gewährleistet, über die die Geschäftsleitung der Tochtergesellschaft bei der Führung von deren operativem Geschäft verfügt, welche sich nach der für die Tochtergesellschaft festgelegten Geschäftspolitik im engeren Sinne richtet. Zudem ist es in der Regel der einzige Anteilseigner, der allein und nach seinen eigenen Interessen die Modalitäten der Entscheidungsfindung einer Tochtergesellschaft bestimmt und den Umfang ihrer operativen Eigenständigkeit bestimmt. Dies kann er nach seinem eigenen Willen durch neu festgelegte Regeln für die Betriebsführung der Tochtergesellschaft oder im Rahmen einer Umstrukturierung oder selbst durch die Schaffung informeller Entscheidungsstrukturen ändern.

    149

    Somit erscheint die Anwendung der Vermutung, die Muttergesellschaft habe tatsächlich einen bestimmenden Einfluss auf das Geschäftsverhalten ihrer Tochtergesellschaft ausgeübt, gerechtfertigt, da sie Situationen, die für die Beziehungen zwischen einer Tochtergesellschaft und ihrer einzigen Muttergesellschaft charakteristisch sind, dadurch erfasst, dass ihr zufolge der Umstand, dass das gesamte oder nahezu gesamte Kapital einer Tochtergesellschaft von einer einzigen Muttergesellschaft gehalten wird, grundsätzlich ein einheitliches Verhalten dieser beiden Gesellschaften auf dem Markt impliziert.

    150

    Gleichwohl verfügen die betroffenen Gesellschaften nach der Mitteilung der Beschwerdepunkte uneingeschränkt über die Möglichkeit, den Beweis dafür zu führen, dass die oben in den Rn. 147 und 148 beschriebenen Mechanismen, die gewöhnlich zur Abstimmung des Geschäftsverhaltens der Tochtergesellschaft auf das ihrer Muttergesellschaft führen, nicht normal funktioniert haben, so dass die wirtschaftliche Einheit der Gruppe aufgehoben wurde.

    Zur operativen Geschäftsführung von Sasol Wax

    151

    Die Klägerinnen sind der Auffassung, den Beweis erbracht zu haben, dass die Sasol-Gruppe die Politik verfolgt habe, sich nicht in das eigenständige Verhalten ihrer Tochtergesellschaft Sasol Wax einzumischen. Sie berufen sich insoweit auf eine von der Geschäftsleitung von Sasol Wax International am 9. April 2001 unterzeichnete Mitteilung.

    152

    Laut den Klägerinnen „mussten die Angelegenheiten des operativen Tagesgeschäfts von Sasol Wax als eigenständige Einheit behandelt werden“, während die „Visionen, Aufgaben und Strategien“ von Sasol Wax International zu entwickeln waren. Außerdem seien die Geschäftsführer von Sasol Wax zu keinem Zeitpunkt der Ausübung eines Vetos von Sasol Wax International gegenübergestanden, und die Geschäftsleitung Letzterer in der Sasol-Phase könne sich an keine Weisung an die Geschäftsführer von Sasol Wax erinnern.

    153

    Hierzu hat das Gericht bereits entschieden, dass der Umstand, dass eine Tochtergesellschaft eine eigene örtliche Geschäftsleitung hat und über ihre eigenen Mittel verfügt, für sich genommen nicht beweist, dass sie ihr Marktverhalten gegenüber ihrer Muttergesellschaft eigenständig bestimmt. Die Aufgabenteilung zwischen Tochtergesellschaften und ihren Muttergesellschaften, insbesondere der Umstand, dass die Führung der laufenden Geschäfte der lokalen Geschäftsleitung einer 100%igen Tochtergesellschaft übertragen wird, ist eine gängige Praxis großer Unternehmen, die aus einer Vielzahl von Tochtergesellschaften bestehen, die letztlich von derselben Konzernobergesellschaft gehalten werden. Bei einer 100%igen oder nahezu 100%igen Beteiligung am Kapital der unmittelbar an der Zuwiderhandlung beteiligten Tochtergesellschaft sind die insoweit vorgelegten Beweise nicht geeignet, die Vermutung, dass die Muttergesellschaft und die Konzernobergesellschaft tatsächlich bestimmenden Einfluss auf das Verhalten der Tochtergesellschaft ausgeübt haben, zu widerlegen (vgl. in diesem Sinne Urteil Alliance One International/Kommission, oben in Rn. 35 angeführt, Rn. 130 und 131).

    154

    Diese Lösung ist im Übrigen durch die Erwägungen oben in den Rn. 35, 147 und 148 gerechtfertigt, aus denen sich ergibt, dass die Geschäftsleitung der zu 100 % oder nahezu 100 % von einer einzigen Muttergesellschaft gehaltenen Tochtergesellschaft sich gewöhnlich so verhält, dass sie die einzigen bestehenden geschäftlichen Interessen, nämlich die der einzigen Muttergesellschaft, vertritt und fördert. Somit stellt die Geschäftsleitung der Tochtergesellschaft bei der Ausübung ihrer autonomen Befugnisse grundsätzlich sicher, dass das Geschäftsverhalten der Tochtergesellschaft mit dem des übrigen Konzerns in Einklang steht.

    155

    Daraus folgt, dass das Vorbringen der Klägerinnen zur operativen Eigenständigkeit von Sasol Wax, das eine Aufhebung der aus Sasol Wax und Sasol Wax International bestehenden wirtschaftlichen Einheit nicht zu belegen vermag, zurückzuweisen ist.

    Zu den strategischen Geschäftsentscheidungen

    156

    Erstens bringen die Klägerinnen vor, Sasol Wax International habe keinen Gebrauch von ihrer Befugnis gemacht, die Geschäftsführer von Sasol Wax zu benennen, und habe die ehemalige Leitung von HOS nicht ersetzt. Sasol Wax sei in der Tradition der Familie Schümann als eigenständige wirtschaftliche Einheit von drei von HOS übernommenen Geschäftsführern geleitet worden. Die Kommission habe einen Rechtsfehler begangen, indem sie in der angefochtenen Entscheidung die Relevanz dieses Umstands verneint und angenommen habe, dass es genüge, dass Sasol Wax International die Befugnis gehabt habe, die Geschäftsführer zu benennen.

    157

    Ein solches Vorbringen wurde vom Gericht jedoch bereits in seinem Urteil Alliance One/Kommission, oben in Rn. 35 angeführt (Rn. 137), zurückgewiesen. Angesichts der Befugnis des Alleingesellschafters, im vorliegenden Fall Sasol Wax International, nach dem Erwerb des gesamten Kapitals von Sasol Wax deren Geschäftsführer auszuwählen, kann der Verbleib dieser Geschäftsführer in ihrer Funktion nur einer Entscheidung der einzigen Muttergesellschaft zugeschrieben werden, und er zeigt die Verbindung dieser Geschäftsführer zur Muttergesellschaft. Daher ist dieser Umstand nicht geeignet, die Vermutung, dass die Muttergesellschaft tatsächlich einen bestimmenden Einfluss auf das Verhalten ihrer Tochtergesellschaft ausgeübt hat, zu widerlegen.

    158

    Zweitens weisen die Klägerinnen darauf hin, dass sie die Protokolle aller Sitzungen des Aufsichtsrats von Sasol Wax und Sasol Wax International vorgelegt hätten. Keines dieser Dokumente enthalte einen Hinweis auf einen bedeutenden Einfluss, den die unmittelbaren und mittelbaren Muttergesellschaften von Sasol Wax auf diese ausgeübt hätten. Außerdem hätten die Geschäftsführer von Sasol Wax regelmäßig Initiativen betreffend das strategische Geschäftsverhalten Letzterer ergriffen, ohne die Genehmigung des Aufsichtsrats oder der Gesellschafter einzuholen. Dies sei bei den langfristigen Lieferverträgen mit ExxonMobil und Shell, die allein von den Geschäftsführern von Sasol Wax verhandelt und abgeschlossen worden seien, bei der Zuordnung des Personals der Profit-Center von Sasol Wax sowie bei einem Programm zur Kostenreduzierung und zur Vergabe von Unteraufträgen an Dritte hinsichtlich der Logistikdienstleistungen von Sasol Wax der Fall gewesen.

    159

    Es ist festzustellen, dass die Initiativen der Geschäftsführer von Sasol Wax nicht die unter dem Gesichtspunkt der Beurteilung der Einheitlichkeit des Marktverhaltens der Tochtergesellschaft und ihrer Muttergesellschaft bedeutendsten strategischen Geschäftsentscheidungen betreffen, wie die über die Finanzplanung, den Geschäftsplan, über große Investitionen oder die Ernennung von Mitgliedern der Unternehmensleitung. Die Klägerinnen bestreiten auch nicht, dass der Aufsichtsrat für die Genehmigung der Jahresabschlüsse von Sasol Wax zuständig war.

    160

    Nach alledem ist daher festzustellen, dass das Vorbringen der Klägerinnen nicht belegt, dass die Mechanismen, die gewöhnlich die Einheitlichkeit des Marktverhaltens der Muttergesellschaft und ihrer zu 100 % gehaltenen Tochtergesellschaft sicherstellen und die Grundlage der Vermutung der tatsächlichen Ausübung eines bestimmenden Einflusses bilden, aufgehoben wurden (vgl. oben, Rn. 147 und 148), so dass die Kommission hinreichend nachweisen konnte, dass eine wirtschaftliche Einheit vorlag, die dem Begriff des Unternehmens nach Art. 81 EG entsprach.

    Zur Unwiderleglichkeit der Vermutung

    161

    Nach Ansicht der Klägerinnen wäre für den Fall, dass entgegen dem gesamten Vorbringen der Klägerinnen festgestellt werden sollte, dass dieses nicht ausreicht, um die Vermutung der tatsächlichen Ausübung eines bestimmenden Einflusses der Muttergesellschaft auf das Verhalten ihrer Tochtergesellschaft zu widerlegen, diese Vermutung unter Verstoß gegen Art. 2 der Verordnung Nr. 1/2003, die Begründungspflicht, den Grundsatz der persönlichen Verantwortlichkeit und die Unschuldsvermutung faktisch unwiderleglich.

    162

    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die zur Widerlegung der in Rede stehenden Vermutung zusammengetragenen Argumente der Klägerinnen die übliche Funktionsweise eines großen internationalen Unternehmens beschreiben, dessen örtliche Einheit, Sasol Wax, von Geschäftsführern geleitet wird, die mit Entscheidung von Sasol Wax International, ihrer 100 %igen Muttergesellschaft, auf ihren Positionen bestätigt wurden, wobei diese auch beschlossen hat, diesen Geschäftsführern die Befugnisse zur Festlegung der Geschäftspolitik im engen Sinne zu übertragen, und sich die Befugnis vorbehalten hat, die strategischen Geschäftsentscheidungen im Aufsichtsrat und der Hauptversammlung von Sasol Wax zu treffen.

    163

    Die Widerlegung der Vermutung, dass die Muttergesellschaft tatsächlich einen bestimmenden Einfluss auf das Verhalten ihrer Tochtergesellschaft ausgeübt hat, ist jedoch keine Frage der Menge und der Detailliertheit der Beweise, wenn sich aus diesen ergibt, dass eine für ein großes multinationales Unternehmen normale Organisationssituation vorliegt, in der die Befugnisse der operativen Geschäftsführung an die Geschäftsführer seiner örtlichen Einheiten übertragen sind. Um diese Vermutung zu widerlegen, sind außergewöhnliche Umstände darzulegen, die zeigen, dass die wirtschaftliche Einheit der Gruppe, obwohl das gesamte Kapital der Tochtergesellschaften der Gruppe von ihren Muttergesellschaften gehalten wird, aufgehoben worden ist, da die Mechanismen, die gewöhnlich für die Abstimmung des Geschäftsverhaltens der Tochtergesellschaft auf das ihrer Muttergesellschaft sorgen, nicht normal funktioniert haben.

    164

    Die Klägerinnen haben jedoch im vorliegenden Fall keine solchen Umstände vorgetragen.

    165

    Ferner ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof und das Gericht bereits festgestellt haben, dass die Vermutung, dass die Muttergesellschaft einen bestimmenden Einfluss auf das Verhalten ihrer Tochtergesellschaft ausgeübt hat, nicht unwiderleglich ist. Aus der Rechtsprechung ergibt sich, dass sich eine Vermutung – selbst wenn sie schwer zu widerlegen ist – innerhalb akzeptabler Grenzen hält, wenn sie im Hinblick auf das verfolgte legitime Ziel angemessen ist, die Möglichkeit besteht, den Beweis des Gegenteils zu erbringen, und die Verteidigungsrechte gewahrt sind (Urteil Elf Aquitaine/Kommission, oben in Rn. 146 angeführt, Rn. 62, und Urteil des Gerichts vom 27. September 2012, Shell Petroleum u. a./Kommission, T‑343/06, Rn. 54). Dies ist bei der Vermutung, dass die Tochtergesellschaft und ihre einzige Muttergesellschaft eine wirtschaftliche Einheit gebildet haben, auch im Hinblick auf die Erwägungen oben in den Rn. 147 bis 150, der Fall.

    166

    Daher ist die Rüge der Klägerinnen, mit der eine Unwiderleglichkeit der in Rede stehenden Vermutung beanstandet wird, zurückzuweisen.

    Ergebnis

    167

    Nach alledem ist festzustellen, dass die Kommission zu Recht davon ausgegangen ist, dass Sasol Wax und Sasol Wax International eine wirtschaftliche Einheit im Sinne der oben in Rn. 36 angeführten Rechtsprechung bildeten, so dass die zu dieser Einheit gehörenden Gesellschaften für die in Rede stehende Zuwiderhandlung gesamtschuldnerisch haftbar gemacht werden konnten.

    168

    Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerinnen weder zur Widerlegung der Vermutung der tatsächlichen Ausübung eines bestimmenden Einflusses auf das Geschäftsverhalten von Sasol Wax durch Sasol Holding in Germany noch zur Widerlegung dieser Vermutung in Bezug auf die tatsächliche Ausübung eines solchen Einflusses durch die Sasol Ltd auf Letztere ein spezifisches Argument vorbringen.

    169

    Deshalb ist der zweite Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

    Zum Beweisangebot der Klägerinnen

    170

    Die Klägerinnen schlagen vor, Herrn C. D. I. und Herrn R. G. S., Geschäftsführer von Sasol Wax in der Sasol-Phase, zu der Tatsache als Zeugen zu vernehmen, dass weder Sasol Wax International noch Sasol Ltd ihrer Tochtergesellschaft Weisungen erteilt hätten und Sasol Wax ihr Geschäftsverhalten unabhängig bestimmt habe.

    171

    In Anbetracht obiger Erwägungen ist das Gericht der Ansicht, dass diese Zeugenaussagen keinen Einfluss auf die Frage haben können, ob die von Sasol Wax begangene Zuwiderhandlung Sasol Wax International, Sasol Holding in Germany und Sasol Ltd zuzurechnen ist. Daher ist das Beweisangebot der Klägerinnen zurückzuweisen.

    3. Zum dritten Klagegrund: gesamtschuldnerische Haftung von Vara in der Schümann-Phase und der Phase des Gemeinschaftsunternehmens

    172

    Die Klägerinnen bringen vor, in der Schümann-Phase sei die unmittelbar an der Zuwiderhandlung beteiligte Gesellschaft, HOS, von Vara und letztlich von Herrn Schümann persönlich kontrolliert worden. In der Phase des Gemeinschaftsunternehmens habe Vara auch zumindest eine gemeinsame Kontrolle über die operative Einheit, Schümann Sasol, ausgeübt. Da die Kommission Vara die Verantwortung für das Verhalten von HOS und Schümann Sasol nicht zugerechnet und nur die gesamtschuldnerische Haftung von Sasol für die Phase des Gemeinschaftsunternehmens festgestellt habe, habe sie Sasol gegenüber Vara diskriminiert.

    173

    Die Kommission erkläre in keiner Weise, warum sie Sasol zum einen und Vara/Herrn Schümann zum anderen unterschiedlich behandelt habe. Außerdem weisen die Klägerinnen auf die im Urteil HFB u. a./Kommission, oben in Rn. 33 angeführt (Rn. 105), aufgestellten Grundsätze hin.

    174

    Dieses Vorgehen der Kommission gefährde ernsthaft die Rechtsbehelfe, die Sasol Ltd, Sasol Holding in Germany und Sasol Wax International im Hinblick auf eine Rückgriffsklage gegen Herrn Schümann und/oder Vara zur Verfügung stünden, da Sasol nachweisen müsste, dass Letztere an der Zuwiderhandlung teilgenommen hätten. Ein solcher Beweis sei jedoch besonders schwierig, da die Klägerinnen die Gründe darzulegen hätten, aus denen die Kommission weder die Verantwortlichkeit von Vara noch die von Herrn Schümann festgestellt habe. Außerdem wäre die Feststellung der gesamtschuldnerischen Haftung Letzterer für Sasol umso wichtiger gewesen, als das Kartell u. a. von HOS und Herrn Schümann zu einem Zeitpunkt ins Leben gerufen worden sei, zu dem Sasol im europäischen Paraffinwachssektor keinerlei Tätigkeit ausgeübt habe.

    175

    Schließlich habe die Kommission mangels Feststellung der gesamtschuldnerischen Haftung von Vara die von Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 vorgesehene Obergrenze von 10 % im Verhältnis zum Umsatz von Vara nicht angewandt.

    176

    Die Kommission macht geltend, sie verfüge über ein Ermessen bei der Entscheidung, welche Einheiten eines Unternehmens sie für eine Zuwiderhandlung verantwortlich mache, wobei ihre Bewertung für jeden einzelnen Fall gesondert vorgenommen werde, und sie sei nicht verpflichtet, die Tatsache zu begründen, dass sie gegenüber Dritten keine ähnlichen Entscheidungen erlassen habe wie die, die an die verantwortlich gemachten Einheiten gerichtet seien.

    177

    Jedenfalls könne nach der Rechtsprechung ein Unternehmen, das durch sein Verhalten gegen Art. 81 Abs. 1 EG verstoßen habe, nicht deshalb jeder Sanktion entgehen, weil gegen ein anderes Unternehmen keine Geldbuße verhängt worden sei. Auch wenn die Kommission einen Fehler begangen hätte, indem sie Vara die Zuwiderhandlung nicht zugerechnet habe, müsse der Grundsatz der Gleichbehandlung mit dem Gebot rechtmäßigen Handelns in Einklang gebracht werden, wonach sich niemand zu seinem Vorteil auf eine gegenüber anderen begangene Rechtsverletzung berufen könne.

    178

    Vorweg ist darauf hinzuweisen, dass der Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz für die Phase des Gemeinschaftsunternehmens nicht zu prüfen ist, da dem ersten Klagegrund stattgegeben worden ist und die angefochtene Entscheidung in dieser Hinsicht für nichtig erklärt wird.

    179

    Im Zuge der folgenden Erörterungen wird das Gericht nur die Rüge der Klägerinnen betreffend die Diskriminierung gegenüber Vara und Herrn Schümann in Bezug auf die Schümann-Phase prüfen.

    180

    Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission im 457. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung ausdrücklich einräumt, dass „HOS als unmittelbar an der Zuwiderhandlung beteiligtes Unternehmen letztlich von Herrn … Schümann persönlich kontrolliert wurde und dass die Verantwortung für die in diesem Zeitraum begangenen Zuwiderhandlungen letztlich bei Herrn Schümann liegt“. Die Kommission hat jedoch für die von HOS begangene Zuwiderhandlung weder Vara, deren unmittelbare Muttergesellschaft, noch Herrn Schümann gesamtschuldnerisch haftbar gemacht.

    181

    Nach der Rechtsprechung ist der Grundsatz der Gleichbehandlung, der verlangt, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden dürfen, es sei denn, dass eine solche Behandlung objektiv gerechtfertigt ist, ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts, der in den Art. 20 und 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankert ist (Beschluss des Gerichtshofs vom 15. Juni 2012, Otis Luxembourg u. a./Kommission, C‑494/11 P, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Rn. 53; vgl. in diesem Sinne auch Urteil des Gerichtshofs vom 14. September 2010, Akzo Nobel Chemicals und Akcros Chemicals/Kommission, C-550/07 P, Slg. 2010, I-8301, Rn. 54 und 55).

    182

    Außerdem steht die von der oben in Rn. 36 angeführten Rechtsprechung vorgesehene Möglichkeit, der Muttergesellschaft die Sanktion für das rechtswidrige Verhalten ihrer Tochtergesellschaft aufzuerlegen, der Verhängung einer Sanktion gegen die Tochtergesellschaft selbst nicht entgegen. Ein Unternehmen – d. h. eine aus persönlichen, materiellen und immateriellen Elementen bestehende wirtschaftliche Einheit (Urteil des Gerichtshofs vom 13. Juli 1962, Mannesmann/Hohe Behörde, 19/61, Slg. 1962, 719, 750) – wird nämlich von den nach seiner Rechtsform vorgesehenen Organen geleitet und alle Entscheidungen, mit denen ihm eine Geldbuße auferlegt wird, können an die satzungsgemäße Leitung des Unternehmens (Verwaltungsrat, Vorstand, Präsident, Geschäftsführer usw.) gerichtet werden, auch wenn die finanziellen Auswirkungen letztlich von seinen Eigentümern getragen werden. Gegen diesen Grundsatz würde verstoßen, wenn von der Kommission verlangt würde, bei einem rechtswidrigen Verhalten eines Unternehmens stets zu prüfen, wer der Eigentümer ist, der maßgebenden Einfluss auf das Unternehmen ausübt, und wenn sie nur gegen diesen Eigentümer eine Sanktion verhängen dürfte (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 29. April 2004, Tokai Carbon u. a./Kommission, T-236/01, T-239/01, T-244/01 bis T-246/01, T-251/01 und T-252/01, Slg. 2004, II-1181, Rn. 279 bis 281). Die Befugnis, gegen die Muttergesellschaft eine Sanktion wegen des Verhaltens einer Tochtergesellschaft zu verhängen, wirkt sich daher nicht auf die Rechtmäßigkeit einer allein an die an der Zuwiderhandlung beteiligte Tochtergesellschaft gerichteten Entscheidung aus, weil die Kommission die Wahl hat, die Sanktion entweder der an der Zuwiderhandlung beteiligten Tochtergesellschaft oder der Muttergesellschaft aufzuerlegen, die sie im fraglichen Zeitraum kontrollierte (Urteil des Gerichts vom 14. Dezember 2006, Raiffeisen Zentralbank Österreich u. a./Kommission, T-259/02 bis T-264/02 und T-271/02, Slg. 2006, II-5169, Rn. 331).

    183

    Diese Wahl hat die Kommission auch im Fall einer wirtschaftlichen Nachfolge in der Kontrolle über die Tochtergesellschaft. In diesem Fall kann die Kommission zwar das Verhalten der Tochtergesellschaft für die Zeit vor dem Übergang der alten Muttergesellschaft und für die Zeit danach der neuen Muttergesellschaft zurechnen, doch ist sie dazu nicht verpflichtet und kann sich dafür entscheiden, nur die Tochtergesellschaft wegen ihres eigenen Verhaltens mit einer Sanktion zu belegen (Urteil Raiffeisen Zentralbank Österreich u. a./Kommission, oben in Rn. 182 angeführt, Rn. 332).

    184

    Im vorliegenden Fall rügen die Klägerinnen nicht die Zurechnung der von HOS begangenen Zuwiderhandlung an Sasol Wax aufgrund der Rechtsnachfolge zwischen Gesellschaften. Eine solche Zurechnung ist im Übrigen durch die Rechtsprechung gerechtfertigt, nach der eine rechtliche oder organisatorische Änderung einer Einrichtung, die gegen Wettbewerbsregeln verstoßen hat, nicht zwingend zur Folge hat, dass ein neues, von der Haftung für wettbewerbswidrige Handlungen seines Vorgängers befreites Unternehmen entsteht, sofern die beiden Einrichtungen wirtschaftlich gesehen identisch sind (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 24. September 2009, Erste Group Bank u. a./Kommission, C-125/07 P, C-133/07 P, C-135/07 P und C-137/07 P, Slg. 2009, I-8681, Rn. 79 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    185

    Die Klägerinnen sind dagegen der Auffassung, dass die Kommission, da sie Sasol Wax International, Sasol Holding in Germany und Sasol Ltd für die Sasol-Phase mit Sasol Wax gesamtschuldnerisch haftbar gemacht habe, die Muttergesellschaften von HOS für die Schümann-Phase nicht von der gesamtschuldnerischen Haftung habe befreien können, ohne gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz zu verstoßen.

    186

    Es ist festzustellen, dass sich Sasol Wax International, Sasol Holding in Germany und Sasol Ltd, da sie in der Sasol-Phase die Gesamtheit des Kapitals der unmittelbar an der Zuwiderhandlung beteiligten Gesellschaft hielten, in einer identischen Situation wie Vara und Herr Schümann in der Schümann-Phase befanden.

    187

    Daher hat die Kommission zwei vergleichbare Sachverhalte unterschiedlich behandelt.

    188

    Das weitere Vorbringen der Kommission vermag diese Feststellung nicht in Frage zu stellen.

    189

    Erstens macht die Kommission geltend, die Regeln über die Verjährung nach Art. 25 der Verordnung Nr. 1/2003 hätten sie daran gehindert, die gesamtschuldnerische Haftung von Vara und Herrn Schümann für die von HOS begangene Zuwiderhandlung festzustellen, da diese die Gesamtheit des Kapitals nur bis zum 30. April 1995 gehalten hätten.

    190

    Ohne dass das Gericht im Rahmen des vorliegenden Verfahrens die Verantwortlichkeit von Vara und Herrn Schümann für die von Schümann Sasol begangene Zuwiderhandlung zu bestimmen hat, ist es insoweit möglich, dass die Frage, ob eine solche Verantwortlichkeit besteht, von der Kommission geprüft wurde, ohne die Beurteilungsfehler zu begehen, die bei der Prüfung des ersten Klagegrundes festgestellt wurden. Für den Fall, dass die Kommission jedoch festgestellt hätte, dass die Verantwortlichkeit von Vara und Herrn Schümann die Phase des Gemeinschaftsunternehmens betraf, die im vorliegenden Fall bis zum 30. Juni 2002 dauerte, wäre am 17. März 2005, als die Kommission vom Kartell und der Beteiligung von HOS unterrichtet wurde, keine der Verjährungsfristen nach Art. 25 der Verordnung Nr. 1/2003 verstrichen gewesen.

    191

    Daraus folgt, dass das Vorbringen der Kommission in Bezug auf die Verjährung zurückzuweisen ist, da sie sich zur Begründung einer Ungleichbehandlung nicht mit Erfolg auf einen Unterschied zwischen der Situation von Vara und Herrn Schümann zum einen und der der Klägerinnen zum anderen berufen kann, der ohne von ihr begangene Beurteilungsfehler möglicherweise nicht vorgelegen hätte.

    192

    Zweitens kann die von der Kommission angeführte Rechtsprechung an der oben in Rn. 187 angeführten Ungleichbehandlung nichts ändern. In seinem Urteil Raiffeisen Zentralbank Österreich u. a./Kommission, oben in Rn. 182 angeführt (Rn. 331), hat das Gericht nämlich bestätigt, dass die Kommission die Verantwortung zu Recht „entweder der an der Zuwiderhandlung beteiligten Tochtergesellschaft oder der Muttergesellschaft [auferlegen kann], die sie im fraglichen Zeitraum kontrollierte“, aber es hat nicht festgestellt, dass die Kommission die neue Muttergesellschaft für die Zeit nach dem Übergang der Tochtergesellschaft gesamtschuldnerisch haftbar machen und gleichzeitig die alte Muttergesellschaft von der gesamtschuldnerischen Haftung für die Zeit vor dem Übergang befreien könne. Ebenso lässt die Rechtsprechung die Praxis der Kommission zu, entweder nur die unmittelbar am Kartell beteiligte Gesellschaft oder sowohl die alte als auch die neue Muttergesellschaft gesamtschuldnerisch mit der Tochtergesellschaft zur Verantwortung zu ziehen (Urteile des Gerichts vom 13. September 2010, Trioplast Industrier/Kommission, T-40/06, Slg. 2010, II-4893, Rn. 72, und vom 3. März 2011, Areva u. a./Kommission, T-117/07 und T-121/07, Slg. 2011, II-633, Rn. 137). Dagegen bringt die Kommission keinen Präzedenzfall vor, in dem eine Verantwortlichkeitsverteilung wie die von ihr im vorliegenden Fall festgestellte von der Rechtsprechung bestätigt worden wäre.

    193

    Somit sind die Folgen der oben in Rn. 187 festgestellten Ungleichbehandlung zu prüfen.

    194

    Nach der Rechtsprechung muss die Beachtung des Grundsatzes der Gleichbehandlung mit der Beachtung des Gebots rechtmäßigen Handelns in Einklang gebracht werden, woraus sich ergibt, dass sich niemand darauf berufen kann, das Recht sei zugunsten eines anderen fehlerhaft angewandt worden. Denn ein etwaiges rechtswidriges Handeln zugunsten eines anderen Unternehmens, das am Verfahren vor dem Gericht nicht beteiligt ist, kann nicht dazu führen, dass das Gericht eine Diskriminierung und damit ein rechtswidriges Handeln gegenüber den Klägerinnen feststellt. Eine solche Vorgehensweise liefe darauf hinaus, den Grundsatz der „Gleichbehandlung im Unrecht“ anzuerkennen und die Kommission dazu zu verpflichten, die ihr vorliegenden Beweise für die Verhängung einer Sanktion gegen ein Unternehmen, das eine damit bedrohte Zuwiderhandlung begangen hat, allein deshalb unberücksichtigt zu lassen, weil ein anderes Unternehmen in möglicherweise vergleichbarer Lage rechtswidrig einer solchen Sanktion entgangen ist. Im Übrigen kann ein Unternehmen, das durch sein Verhalten gegen Art. 81 Abs. 1 EG verstoßen hat, nicht deshalb jeder Sanktion entgehen, weil gegen andere Wirtschaftsteilnehmer, mit deren Situation der Unionsrichter – wie im vorliegenden Fall – nicht befasst ist, keine Geldbuße verhängt wurde (Urteil des Gerichtshofs vom 31. März 1993, Ahlström Osakeyhtiö u. a./Kommission, C-89/85, C-104/85, C-114/85, C-116/85, C-117/85 und C-125/85 bis C-129/85, Slg. 1993, I-1307, Rn. 197, sowie Urteil des Gerichts vom 16. November 2006, Peróxidos Orgánicos/Kommission, T-120/04, Slg. 2006, II-4441, Rn. 77).

    195

    Die Kommission hat jedoch zu Recht festgestellt, dass Sasol Wax für die von HOS begangene Zuwiderhandlung, deren Nachfolgerin sie als unmittelbar am Kartell beteiligte Gesellschaft wurde, verantwortlich war (vgl. oben, Rn. 184), so dass diese für den Zeitraum vom 3. September 1992 bis zum 28. April 2005 rechtmäßig verurteilt werden konnte.

    196

    Wie sich aus der Prüfung des zweiten Klagegrundes ergibt, beging die Kommission auch keinen Fehler, als sie die Verantwortlichkeit für die unmittelbar von Sasol Wax in der Sasol-Phase begangene Zuwiderhandlung Sasol Wax International, Sasol Holding in Germany und Sasol Ltd zugerechnet hat. Folglich machte die Kommission sie für den Zeitraum vom 1. Juli 2002 bis zum 28. April 2005 zu Recht gesamtschuldnerisch haftbar, so dass der vorliegende Klagegrund insoweit zurückzuweisen ist.

    197

    Die oben in Rn. 187 festgestellte Ungleichbehandlung rechtfertigt dagegen die Abänderung der angefochtenen Entscheidung, soweit sie die Erhöhung der Verantwortlichkeit von Sasol Wax International, Sasol Holding in Germany und Sasol Ltd hinsichtlich des für die Schümann-Phase verhängten Teils der Geldbuße (vgl. unten, Rn. 452) zur Folge hat.

    198

    Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass die Tatsache, dass die angefochtene Entscheidung nicht in Bezug auf die fehlende Verurteilung von Vara und Herrn Schümann für das Verhalten von HOS für nichtig erklärt wird, keine Auswirkung auf das etwaige Recht der Klägerinnen hat, eine Rückgriffsklage vor dem nationalen Gericht zu erheben.

    4. Zum vierten Klagegrund: unrichtige Festsetzung des Grundbetrags der Geldbuße

    Zum ersten Teil: keine wirksame Rechtsgrundlage der angefochtenen Entscheidung

    199

    Als Erstes machen die Klägerinnen geltend, Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 stelle keine wirksame Rechtsgrundlage für den Erlass der angefochtenen Entscheidung dar.

    200

    Diese Bestimmung entspreche nämlich nicht dem Erfordernis einer „klaren und unzweideutigen Rechtsgrundlage“, die für Entscheidungen der Kommission mit repressivem Charakter erforderlich sei, insbesondere im Hinblick auf Art. 6 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK) und die Charta der Grundrechte, da sie der Kommission völlige Freiheit bei der Verhängung von Geldbußen innerhalb der Obergrenze von 10 % des Umsatzes des betreffenden Unternehmen lasse.

    201

    Es ist darauf hinzuweisen, dass das Gericht ein solches Vorbringen bereits geprüft und zurückgewiesen hat.

    202

    Zunächst ist das Vorbringen der Klägerinnen zum Fehlen einer „klaren und unzweideutigen Rechtsgrundlage“ dahin zu verstehen, dass diese sich auf den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit im Zusammenhang mit Delikten und Sanktionen (nullum crimen, nulla poena sine lege), wie er in Art. 49 Abs. 1 der Charta der Grundrechte verankert ist, berufen. Dieser Grundsatz verlangt, dass eine unionsrechtliche Regelung klar die Zuwiderhandlungen und die Sanktionen definiert (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 29. März 2011, ThyssenKrupp Nirosta/Kommission, C-352/09 P, Slg. 2011, I-2359, Rn. 80).

    203

    Außerdem verfügt die Kommission nach der Rechtsprechung beim Erlass von Entscheidungen, mit denen Geldbußen wegen der Teilnahme an rechtswidrigen Kartellen verhängt werden, für die Festsetzung der Höhe einer solchen Geldbuße nicht über ein unbegrenztes Ermessen, da die anwendbaren Bestimmungen eine Obergrenze der Geldbußen anhand des Umsatzes der betreffenden Unternehmen, d. h. anhand eines objektiven Kriteriums, vorsehen. Auch wenn es somit keine für alle Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln geltende absolute Obergrenze gibt, besteht für die mögliche Geldbuße doch eine bezifferbare und absolute Obergrenze, die bei jedem Unternehmen für jeden Fall der Zuwiderhandlung in einer Weise berechnet wird, bei der der Höchstbetrag der möglichen Geldbuße im Voraus bestimmbar ist (Urteile des Gerichts vom 5. April 2006, Degussa/Kommission, T-279/02, Slg. 2006, II-897, Rn. 74 bis 76, vom 8. Oktober 2008, Schunk und Schunk Kohlenstoff-Technik/Kommission, T-69/04, Slg. 2008, II-2567, Rn. 35 und 36, und vom 12. Dezember 2012, Ecka Granulate und non ferrum Metallpulver/Kommission, T‑400/09, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Rn. 28).

    204

    Außerdem trifft es zwar zu, dass die in Art. 23 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 genannten Kriterien der Schwere und der Dauer der Zuwiderhandlung der Kommission ein weites Ermessen belassen, doch handelt es sich um Kriterien, die von anderen Gesetzgebern bei vergleichbaren Bestimmungen herangezogen wurden und die es der Kommission erlauben, Sanktionen unter Berücksichtigung des Grades der Rechtswidrigkeit des fraglichen Verhaltens zu verhängen (Urteile Degussa/Kommission, oben in Rn. 203 angeführt, Rn. 76, Schunk und Schunk Kohlenstoff-Technik/Kommission, oben in Rn. 203 angeführt, Rn. 37, sowie Ecka Granulate und non ferrum Metallpulver/Kommission, oben in Rn. 203 angeführt, Rn. 29).

    205

    Darüber hinaus hatte die Kommission bei der Festsetzung von Geldbußen wie der im vorliegenden Fall in Rede stehenden die allgemeinen Rechtsgrundsätze und insbesondere die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit in ihrer Auslegung durch die Rechtsprechung des Gerichts und die des Gerichtshofs zu beachten. Zudem unterliegt die Verwaltungspraxis der Kommission der unbeschränkten Nachprüfung durch den Unionsrichter. Gerade diese Nachprüfung hat es ermöglicht, durch eine ständige und veröffentlichte Rechtsprechung etwaige unbestimmte Begriffe in Art. 23 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 1/2003 zu präzisieren (Urteile Degussa/Kommission, oben in Rn. 203 angeführt, Rn. 77 und 79, Schunk und Schunk Kohlenstoff-Technik/Kommission, oben in Rn. 203 angeführt, Rn. 41, sowie Ecka Granulate und non ferrum Metallpulver/Kommission, oben in Rn. 203 angeführt, Rn. 30).

    206

    Ferner gehört das Wettbewerbsrecht, auch wenn es zwar strafrechtsähnlichen Charakter hat, doch nicht zum Kernbereich des Strafrechts. Außerhalb des „harten Kerns“ des Strafrechts müssen die in Art. 6 EMRK niedergelegten strafrechtlichen Garantien nicht notwendigerweise in ihrer vollen Strenge zur Anwendung kommen (vgl. EGMR, Urteil Jussila/Finnland vom 23. November 2006, Recueil des arrêts et des décisions, 2006-XIV, § 43).

    207

    In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass bei den rechtswidrigen Handlungen im Wettbewerbsrecht anders als im Strafrecht sowohl die Gewinne als auch die Sanktionen rein finanzieller Natur sind – ebenso wie im Übrigen die Beweggründe der Zuwiderhandelnden, die sich bei ihrem Vorgehen von wirtschaftlichen Erwägungen leiten lassen. Die mehr oder weniger genaue Vorhersehbarkeit der Höhe der wegen der Beteiligung an einem rechtswidrigen Kartell zu verhängenden Geldbuße hätte daher überaus schädliche Auswirkungen auf die Wirksamkeit der Wettbewerbspolitik der Union, da die Unternehmen, die die Zuwiderhandlungen begehen, unmittelbar die Kosten und den Gewinn ihrer rechtswidrigen Aktivitäten vergleichen, die Wahrscheinlichkeit der Aufdeckung berücksichtigen und so versuchen könnten, die Profitabilität solcher Aktivitäten zu gewährleisten (vgl. in diesem Sinne Urteile Degussa/Kommission, oben in Rn. 203 angeführt, Rn. 83, Schunk und Schunk Kohlenstoff-Technik/Kommission, oben in Rn. 203 angeführt, Rn. 45, sowie Ecka Granulate und non ferrum Metallpulver/Kommission, oben in Rn. 203 angeführt, Rn. 32).

    208

    Nach alledem ist davon auszugehen, dass Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 gleichzeitig ein Mittel darstellt, das der Kommission erlaubt, die Wettbewerbspolitik der Union mit der erforderlichen Wirksamkeit umzusetzen, und eine hinreichend klare und deutliche Rechtsgrundlage für den Erlass der Entscheidungen, mit denen Geldbußen gegen die an Kartellen beteiligten Unternehmen verhängt werden. Deshalb ist die insoweit vorgebrachte Rüge der Klägerinnen zurückzuweisen.

    209

    Als Zweites sind die Klägerinnen der Auffassung, die Kommission habe gegen das Rückwirkungsverbot verstoßen, indem sie in der angefochtenen Entscheidung die Leitlinien von 2006 angewandt habe, obwohl die in Rede stehende Zuwiderhandlung im April 2005 geendet habe.

    210

    Hierzu hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass die Kommission dadurch, dass sie in der Vergangenheit für bestimmte Arten von Zuwiderhandlungen Geldbußen in bestimmter Höhe verhängt hat, nicht daran gehindert ist, dieses Niveau innerhalb der in der Verordnung Nr. 1/2003 gezogenen Grenzen anzuheben, wenn dies erforderlich ist, um die Durchführung der Wettbewerbspolitik der Union sicherzustellen. Die wirksame Anwendung der Wettbewerbsregeln der Union verlangt nämlich, dass die Kommission das Niveau der Geldbußen jederzeit den Erfordernissen dieser Politik anpassen kann (Urteile des Gerichtshofs vom 7. Juni 1983, Musique Diffusion française u. a./Kommission, 100/80 bis 103/80, Slg. 1983, 1825, Rn. 109, vom 2. Oktober 2003, Aristrain/Kommission, C-196/99 P, Slg. 2003, I-11005, Rn. 81, und Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Rn. 44 angeführt, Rn. 169).

    211

    Die der Kommission durch die Art. 81 EG und 82 EG übertragene Überwachungsaufgabe umfasst nämlich nicht nur die Pflicht, einzelne Zuwiderhandlungen zu ermitteln und zu ahnden, sondern auch den Auftrag, eine allgemeine Politik mit dem Ziel zu verfolgen, die im Vertrag niedergelegten Grundsätze auf das Wettbewerbsrecht anzuwenden und das Verhalten der Unternehmen in diesem Sinne zu lenken (Urteile Musique Diffusion française u. a./Kommission, oben in Rn. 210 angeführt, Rn. 105, und Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Rn. 44 angeführt, Rn. 170).

    212

    Die betreffenden Unternehmen müssen sich folglich dessen bewusst sein, dass die Kommission jederzeit beschließen kann, das Niveau der Geldbußen gegenüber dem in der Vergangenheit praktizierten Niveau anzuheben. Das gilt nicht nur dann, wenn die Kommission das Niveau der Geldbußen durch die Verhängung von Geldbußen in Einzelentscheidungen anhebt, sondern auch dann, wenn diese Anhebung dadurch erfolgt, dass Verhaltensnormen mit allgemeiner Geltung wie die Leitlinien auf konkrete Fälle angewandt werden (Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Rn. 44 angeführt, Rn. 229 und 230).

    213

    Somit war die Ersetzung der Leitlinien von 1998 durch eine neue Methode der Berechnung der Geldbußen, wie sie in den Leitlinien von 2006 vorgesehen ist, falls sie sich verschärfend auf die Höhe der Geldbußen ausgewirkt haben sollte, für die Teilnehmer des Kartells zum Zeitpunkt von dessen Durchführung hinreichend vorhersehbar. Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass nach der oben in Rn. 206 angeführten Rechtsprechung die in Art. 6 EMRK niedergelegten strafrechtlichen Garantien im Bereich des Wettbewerbsrechts nicht notwendigerweise in ihrer vollen Strenge zur Anwendung kommen müssen. Die Tragweite dieser Rechtsprechung ist entsprechend auf Art. 7 der EMRK zu erweitern. Jedenfalls hat die Einführung neuer Leitlinien den Höchstbetrag der Geldbuße nach Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003, der den einzigen anwendbaren rechtlichen Rahmen darstellt, nicht geändert. Die Kommission hat daher, indem sie in der angefochtenen Entscheidung die Leitlinien von 2006 auf vor deren Erlass begangene Zuwiderhandlungen angewandt hat, nicht gegen das Rückwirkungsverbot verstoßen (vgl. in diesem Sinne Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Rn. 44 angeführt, Rn. 231 und 232).

    214

    Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass, wäre die Kommission zur Anwendung der Leitlinien verpflichtet, die im Zeitraum der Begehung der Zuwiderhandlung gegolten haben, der sich im vorliegenden Fall über 13 Jahre erstreckte, ihre in der oben in Rn. 210 angeführten Rechtsprechung anerkannte Befugnis, die Methoden der Berechnung der Geldbuße zur Erfüllung ihrer Verpflichtung zur wirksamen Anwendung der Wettbewerbsregeln der Union anzupassen, vereitelt würde.

    215

    Daraus folgt, dass die zweite Rüge der Klägerinnen ebenfalls zurückzuweisen ist und folglich der erste Teil des vierten Klagegrundes insgesamt zurückzuweisen ist.

    Zum zweiten Teil: fehlerhafte Einbeziehung des Verkaufs von Mikrowachsen in den Wert der verkauften Waren von Sasol

    216

    Nach Ziff. 13 der Leitlinien von 2006 verwendet die Kommission zur Festsetzung des Grundbetrags der Geldbuße den Wert der von dem betreffenden Unternehmen im relevanten räumlichen Markt innerhalb des EWR verkauften Waren oder Dienstleistungen, die mit dem Verstoß in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang stehen. Nach der zu dieser Ziffer gehörigen Fußnote werden die mittelbaren Verkäufe beispielsweise bei horizontalen Preisabsprachen, bei denen der Preis des Produkts als Referenzpreis für Produkte höherer oder geringerer Qualität genommen wird, berücksichtigt.

    217

    Die Klägerinnen sind der Auffassung, die Mikrowachse seien vom Kartell nicht betroffen gewesen, so dass die Kommission den Umsatz aus diesen Produkten zu Unrecht in den für die Berechnung der Geldbuße berücksichtigten Wert der verkauften Waren einbezogen habe.

    Zu den Grundsätzen der Beweiswürdigung

    218

    Nach der Rechtsprechung hat die Kommission die von ihr festgestellten Zuwiderhandlungen zu beweisen und die Beweismittel beizubringen, die das Vorliegen der eine Zuwiderhandlung darstellenden Tatsachen rechtlich hinreichend beweisen (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 17. Dezember 1998, Baustahlgewebe/Kommission, C-185/95 P, Slg. 1998, I-8417, Rn. 58, und Urteil Dresdner Bank u. a./Kommission, oben in Rn. 76 angeführt, Rn. 59 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    219

    Was den Umfang der gerichtlichen Kontrolle anbelangt, hat nach ständiger Rechtsprechung das Gericht bei einer Nichtigkeitsklage gegen eine Entscheidung nach Art. 81 Abs. 1 EG generell eine umfassende Prüfung der Frage vorzunehmen, ob die Tatbestandsmerkmale von Art. 81 Abs. 1 EG erfüllt sind (vgl. Urteil des Gerichts vom 26. Oktober 2000, Bayer/Kommission, T-41/96, Slg. 2000, II-3383, Rn. 62 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    220

    Ein hierauf bezogener etwaiger Zweifel des Gerichts muss dem Unternehmen zugutekommen, an das die Entscheidung gerichtet ist, mit der eine Zuwiderhandlung festgestellt wird. Das Gericht kann daher nicht davon ausgehen, dass die Kommission das Vorliegen der betreffenden Zuwiderhandlung rechtlich hinreichend nachgewiesen hat, wenn bei ihm noch Zweifel in dieser Hinsicht bestehen; dies gilt insbesondere dann, wenn es sich um eine Klage auf Nichtigerklärung einer Entscheidung zur Verhängung einer Geldbuße handelt (Urteile des Gerichts Dresdner Bank u. a./Kommission, oben in Rn. 76 angeführt, Rn. 60, und vom 12. Juli 2011, Hitachi u. a./Kommission, T-112/07, Slg. 2011, II-3871, Rn. 58).

    221

    Unter den genannten Umständen ist nämlich die Unschuldsvermutung insbesondere nach Art. 6 Abs. 2 der EMRK zu beachten, die zu den Grundrechten gehört, die allgemeine Grundsätze des Unionsrechts darstellen. Angesichts der Art der betreffenden Zuwiderhandlungen sowie der Art und der Schwere der ihretwegen verhängten Sanktionen gilt die Unschuldsvermutung insbesondere in Verfahren wegen Verletzung der für Unternehmen geltenden Wettbewerbsregeln, die zur Verhängung von Geldbußen oder Zwangsgeldern führen können (Urteil Hitachi u. a./Kommission, oben in Rn. 220 angeführt, Rn. 59; vgl. in diesem Sinne Urteil Dresdner Bank u. a./Kommission, oben in Rn. 76 angeführt, Rn. 61 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    222

    Somit ist es erforderlich, dass die Kommission aussagekräftige und übereinstimmende Beweise beibringt, um das Vorliegen der Zuwiderhandlung nachzuweisen. Jedoch muss nicht jeder von der Kommission erbrachte Beweis notwendigerweise für jeden Teil der Zuwiderhandlung diesen Kriterien entsprechen. Es genügt, wenn ein von der Kommission angeführtes Bündel von Indizien im Ganzen betrachtet dem genannten Erfordernis entspricht (vgl. Urteil Dresdner Bank u. a./Kommission, oben in Rn. 76 angeführt, Rn. 62 und 63 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    223

    Die Indizien, die die Kommission in der angefochtenen Entscheidung anführt, um einen Verstoß gegen Art. 81 Abs. 1 EG zu beweisen, sind nicht einzeln, sondern in ihrer Gesamtheit zu würdigen (vgl. Urteil des Gerichts vom 8. Juli 2008, BPB/Kommission, T-53/03, Slg. 2008, II-1333, Rn. 185 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    224

    Es ist auch darauf hinzuweisen, dass die Kommission das Bestehen einer Zuwiderhandlung oft unter dafür ungünstigen Voraussetzungen nachweisen muss, da seit den Vorgängen, die die Zuwiderhandlung bilden, mehrere Jahre vergangen sein können und mehrere von der Untersuchung betroffene Unternehmen nicht aktiv mit der Kommission zusammengearbeitet haben. Wenn die Kommission somit auch notwendig nachweisen muss, dass eine rechtswidrige Vereinbarung über die Aufteilung von Märkten geschlossen wurde, wäre es überzogen, außerdem noch zu verlangen, dass sie den spezifischen Mechanismus nachweist, mit dem dieses Ziel erreicht werden sollte. Es wäre nämlich für ein Unternehmen, das sich einer Zuwiderhandlung schuldig gemacht hat, zu einfach, sich jeder Sanktion zu entziehen, könnte es sich in einer Situation, in der das Bestehen einer rechtswidrigen Vereinbarung und ihr wettbewerbswidriger Zweck hinreichend bewiesen sind, darauf berufen, dass die über die Funktionsweise der Vereinbarung vorgelegten Informationen zu unbestimmt seien. Die Unternehmen können sich in einer solchen Situation sachgerecht dadurch verteidigen, dass sie zu allen von der Kommission gegen sie angeführten Beweisen Stellung nehmen können (Urteil des Gerichts vom 8. Juli 2004, JFE Engineering u. a./Kommission, T-67/00, T-68/00, T-71/00 und T-78/00, Slg. 2004, II-2501, Rn. 203).

    225

    Hinsichtlich der Beweismittel, die zum Nachweis einer Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG herangezogen werden dürfen, gilt im Unionsrecht der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (Urteile des Gerichts vom 8. Juli 2004, Dalmine/Kommission, T-50/00, Slg. 2004, II-2395, Rn. 72, und Hitachi u. a./Kommission, oben in Rn. 220 angeführt, Rn. 64).

    226

    Was den Beweiswert der verschiedenen Beweisstücke anbelangt, ist das alleinige Kriterium für die Beurteilung der beigebrachten Beweise ihre Glaubhaftigkeit (Urteil Dalmine/Kommission, oben in Rn. 225 angeführt, Rn. 72).

    227

    Nach den allgemeinen Beweisgrundsätzen hängt die Glaubhaftigkeit eines Schriftstücks und damit sein Beweiswert von seiner Herkunft, den Umständen seiner Entstehung, seinem Adressaten und seinem Inhalt ab (Urteile des Gerichts vom 15. März 2000, Cimenteries CBR u. a./Kommission, T-25/95, T-26/95, T-30/95 bis T-32/95, T-34/95 bis T-39/95, T-42/95 bis T-46/95, T-48/95, T-50/95 bis T-65/95, T-68/95 bis T-71/95, T-87/95, T-88/95, T-103/95 und T-104/95, Slg. 2000, II-491, Rn. 1053 und 1838, sowie Hitachi u. a./Kommission, oben in Rn. 220 angeführt, Rn. 70).

    228

    Stützt sich die Kommission für ihre Feststellung, dass eine Zuwiderhandlung vorlag, ausschließlich auf das Marktverhalten der Unternehmen, müssen diese lediglich das Vorliegen von Umständen nachweisen, die den von der Kommission festgestellten Sachverhalt in einem anderen Licht erscheinen lassen und damit eine andere plausible Erklärung der Tatsachen ermöglichen, aus denen die Kommission auf die Begehung einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln der Union geschlossen hat (vgl. in diesem Sinne Urteil JFE Engineering u. a./Kommission, oben in Rn. 224 angeführt, Rn. 186).

    229

    Dagegen haben die betroffenen Unternehmen in den Fällen, in denen sich die Kommission auf Urkundenbeweise stützte, nicht bloß eine plausible Alternative zur Darstellung der Kommission darzutun, sondern müssen außerdem aufzeigen, dass die in der angefochtenen Entscheidung angeführten Beweise für den Nachweis der Zuwiderhandlung nicht genügen (Urteil JFE Engineering u. a./Kommission, oben in Rn. 224 angeführt, Rn. 187). Eine solche Beweisführung verstößt nicht gegen den Grundsatz der Unschuldsvermutung (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 8. Juli 1999, Montecatini/Kommission, C-235/92 P, Slg. 1999, I-4539, Rn. 181).

    230

    In Anbetracht der Bekanntheit des Verbots wettbewerbswidriger Vereinbarungen kann von der Kommission nicht verlangt werden, dass sie Beweisstücke vorlegt, die eine Kontaktaufnahme zwischen den betreffenden Wirtschaftsteilnehmern explizit bestätigen. Die lückenhaften und vereinzelten Beweiselemente, über die die Kommission gegebenenfalls verfügt, müssen jedenfalls durch Schlussfolgerungen ergänzt werden können, die die Rekonstruktion der relevanten Umstände ermöglichen. Das Vorliegen einer wettbewerbswidrigen Verhaltensweise oder Vereinbarung kann folglich aus einer Reihe von Koinzidenzen und Indizien abgeleitet werden, die bei einer Gesamtbetrachtung mangels einer anderen schlüssigen Erklärung den Beweis für eine Verletzung der Wettbewerbsregeln darstellen können (Urteil des Gerichtshofs vom 7. Januar 2004, Aalborg Portland u. a./Kommission, C-204/00 P, C-205/00 P, C-211/00 P, C-213/00 P, C-217/00 P und C-219/00 P, Slg. 2004, I-123, Rn. 55 bis 57; vgl. auch Urteil Dresdner Bank u. a./Kommission, oben in Rn. 76 aufgeführt, Rn. 64 und 65 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    231

    Bei der Würdigung des Beweiswerts schriftlicher Beweise muss es als sehr bedeutsam angesehen werden, dass ein Schriftstück in unmittelbarem Anschluss an die Ereignisse (Urteile des Gerichts vom 11. März 1999, Ensidesa/Kommission, T-157/94, Slg. 1999, II-707, Rn. 312, und vom 16. Dezember 2003, Nederlandse Federatieve Vereniging voor de Groothandel op Elektrotechnisch Gebied und Technische Unie/Kommission, T-5/00 und T-6/00, Slg. 2003, II-5761, Rn. 181) oder von einem unmittelbaren Zeugen dieser Ereignisse erstellt wurde (Urteil JFE Engineering u. a./Kommission, oben in Rn. 224 angeführt, Rn. 207).

    232

    Das Fehlen des Datums oder der Unterschrift auf einem Dokument oder der Umstand, dass es schlecht geschrieben ist, nehmen diesem nicht jeden Beweiswert, sofern sein Ursprung, sein wahrscheinliches Datum und sein Inhalt mit hinreichender Sicherheit bestimmt werden können (Urteil des Gerichts vom 13. Dezember 2006, FNCBV u. a./Kommission, T-217/03 und T-245/03, Slg. 2006, II-4987, Rn. 124; vgl. in diesem Sinne auch Urteil des Gerichts vom 10. März 1992, Shell/Kommission, T-11/89, Slg. 1992, II-757, Rn. 86).

    233

    Aus dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung ergibt sich, dass, selbst wenn sich das Fehlen schriftlicher Nachweise im Rahmen der Gesamtbeurteilung des von der Kommission angeführten Bündels von Indizien als relevant erweisen kann, das betroffene Unternehmen nicht allein seinetwegen die Behauptungen der Kommission durch eine andere Erklärung des Sachverhalts in Frage stellen kann. Dies ist nur dann der Fall, wenn aufgrund der von der Kommission beigebrachten Beweise das Vorliegen der Zuwiderhandlung nicht eindeutig und nur durch Auslegung dieser Beweise nachgewiesen werden kann (Urteil Hitachi u. a./Kommission, oben in Rn. 220 angeführt, Rn. 65; vgl. in diesem Sinne auch Urteil des Gerichts vom 12. September 2007, Coats Holdings und Coats/Kommission, T‑36/05, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Rn. 74).

    234

    Zudem verbietet keine Bestimmung und kein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts der Kommission, gegen ein Unternehmen die Erklärungen anderer Unternehmen zu verwenden, denen vorgeworfen wird, sie seien am Kartell beteiligt gewesen. Andernfalls wäre die der Kommission obliegende Beweislast für Verhaltensweisen, die Art. 81 EG zuwiderlaufen, untragbar und mit der ihr anvertrauten Aufgabe, die richtige Anwendung dieser Bestimmung zu überwachen, nicht zu vereinbaren (Urteile JFE Engineering u. a./Kommission, oben in Rn. 224 angeführt, Rn. 192, und Hitachi u. a./Kommission, oben in Rn. 220 angeführt, Rn. 67).

    235

    Ein besonders hoher Beweiswert kann Erklärungen beigemessen werden, wenn sie verlässlich sind, im Namen eines Unternehmens abgegeben wurden, von einer Person stammen, die beruflich verpflichtet ist, im Interesse dieses Unternehmens zu handeln, den Interessen des Erklärenden zuwiderlaufen, von einem unmittelbaren Zeugen der Vorgänge stammen, auf die sie sich beziehen, und bedacht sowie nach reiflicher Überlegung schriftlich abgegeben werden (Urteil Hitachi u. a./Kommission, oben in Rn. 220 angeführt, Rn. 71; vgl. in diesem Sinne auch Urteil JFE Engineering u. a./Kommission, oben in Rn. 224 angeführt, Rn. 205 bis 210).

    236

    Eine Erklärung, die ein der Beteiligung an einem Kartell beschuldigtes Unternehmen abgibt und deren Richtigkeit von mehreren anderen betroffenen Unternehmen bestritten wird, kann jedoch nicht als hinreichender Beweis für die Begehung einer Zuwiderhandlung durch diese anderen Unternehmen angesehen werden, wenn sie nicht durch andere Beweise untermauert wird, wobei jedoch der erforderliche Grad der Erhärtung aufgrund der Glaubhaftigkeit der fraglichen Erklärungen geringer ist (Urteile JFE Engineering u. a./Kommission, oben in Rn. 224 angeführt, Rn. 219 und 220, und Hitachi u. a./Kommission, oben in Rn. 220 angeführt, Rn. 68).

    237

    Auch wenn gegenüber den freiwilligen Angaben der Hauptteilnehmer an einem rechtswidrigen Kartell im Allgemeinen ein gewisses Misstrauen angebracht ist, da die Möglichkeit besteht, dass diese Teilnehmer die Neigung haben, die Bedeutung ihres eigenen Tatbeitrags als so klein wie möglich und den der anderen als so groß wie möglich darzustellen, ändert dies nichts daran, dass ein Antrag auf Anwendung der Kronzeugenregelung von 2002, um einen Erlass oder eine Herabsetzung der Geldbuße zu erreichen, nicht zwangsläufig einen Anreiz schafft, verfälschte Beweise für die Beteiligung der übrigen Kartellmitglieder vorzulegen. Jeder Versuch einer Irreführung der Kommission könnte nämlich die Aufrichtigkeit und Vollständigkeit der Kooperation des Antragstellers in Frage stellen und damit die Möglichkeit gefährden, dass er in den vollen Genuss der Kronzeugenregelung von 2002 gelangt (Urteil Hitachi u. a./Kommission, oben in Rn. 220 angeführt, Rn. 72; vgl. in diesem Sinne auch Urteil Peróxidos Orgánicos/Kommission, oben in Rn. 194 angeführt, Rn. 70).

    238

    Insbesondere kann daraus, dass eine Person zugibt, dass sie eine Zuwiderhandlung verwirklichte, und damit Tatsachen einräumt, die über die den fraglichen Unterlagen unmittelbar zu entnehmenden Tatsachen hinausgehen, a priori, sofern keine bestimmten Anhaltspunkte für das Gegenteil bestehen, der Schluss gezogen werden, dass sich der Betreffende dazu entschlossen hat, die Wahrheit zu sagen. Erklärungen, die den Interessen des Erklärenden zuwiderlaufen, sind grundsätzlich als besonders verlässliche Beweise anzusehen (Urteile des Gerichts JFE Engineering u. a./Kommission, oben in Rn. 224 angeführt, Rn. 211 und 212, vom 26. April 2007, Bolloré u. a./Kommission, T-109/02, T-118/02, T-122/02, T-125/02, T-126/02, T-128/02, T-129/02, T-132/02 und T-136/02, Slg. 2007, II-947, Rn. 166, und vom 8. Juli 2008, Lafarge/Kommission, T‑54/03, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Rn. 59).

    239

    Diese Rechtsprechung gilt entsprechend für Art. 53 des EWR-Abkommens.

    Zur angefochtenen Entscheidung und zu den Erklärungen der Kartellbeteiligten

    240

    Zunächst ist auf den 111. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung hinzuweisen, der wie folgt lautet:

    „In den meisten technischen Treffen drehten sich die Preisdiskussionen allgemein um Paraffin; … bestimmte Paraffinsorten (wie voll- oder halbraffiniertes Paraffin, Mischungen, Spezialwachse, Paraffin-Hartwachse oder Hydro-Paraffinwachse) wurden nur selten behandelt. Darüber hinaus waren sich sämtliche Unternehmen einig, dass vereinbarte (prozentuale oder konkrete) Preiserhöhungen für sämtliche Paraffinwachs-Sorten gelten sollten.“

    241

    Die Erklärung von Shell vom 26. April 2005, auf die sich die Kommission im 111. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung bezieht, legt dar, dass alle Arten von Paraffinwachsen von den auf die Festsetzung der Preise abzielenden Verhaltensweisen betroffen gewesen seien. Shell erklärte nämlich, in den technischen Treffen sei das allgemeine Verständnis der Beteiligten gewesen, dass die Preise sämtlicher Paraffinwachsarten um denselben Betrag oder Prozentsatz erhöht werden sollten.

    242

    Außerdem führte Shell auch in ihrer mündlichen Erklärung vom 21. März 2007 aus, dass nur bei seltenen Gelegenheiten die verschiedenen Arten von Paraffinwachsen (z. B. voll- oder halbraffiniertes Paraffin, Paraffin-Hartwachse, Mischungen, Spezialwachse) erwähnt worden seien. Die Beteiligten seien sich einig gewesen, dass die Preise sämtlicher Paraffinwachsarten um denselben Betrag oder Prozentsatz erhöht werden sollten.

    243

    Sodann erklärte Total, die Preiserhöhungen hätten hauptsächlich die Paraffine handelsüblicher Qualität betroffen, die insbesondere im Kerzensektor verwendet würden, die einzigen Paraffine, die Sasol und die anderen deutschen Hersteller (DEA und Hansen & Rosenthal) wirklich interessiert hätten. Da die Kerze in Europa einer der Hauptabsatzmärkte von Paraffin sei, ziehe eine Preisschwankung auf diesem Markt eine Schwankung der Preise bei den anderen Anwendungen nach sich.

    244

    Sasol bestätigte diese Verhaltensweise auch mit der Erklärung, dass die bei den technischen Treffen getroffenen Vereinbarungen eine gewisse Indizierungswirkung auf andere Produktsegmente gehabt hätten, da die Beteiligten häufig versucht hätten, beschlossene Preiserhöhungen „mit Augenmaß“ in anderen Produktkategorien umzusetzen.

    245

    Daher stützen und bestätigen die übereinstimmenden Erklärungen der Kartellbeteiligten den Inhalt des 111. Erwägungsgrundes der angefochtenen Entscheidung.

    Zum behaupteten Fehlen einer Vereinbarung über die Preise der Mikrowachse

    246

    Die Klägerinnen bestreiten nicht, dass die Mikrowachse gelegentlich in den technischen Treffen erwähnt wurden. Es ergebe sich jedoch aus den im Verwaltungsverfahren gesammelten Erklärungen der am Kartell beteiligten Unternehmen, dass die vollraffinierten und halbraffinierten Paraffinwachse Kern des „Blauen Salons“ gewesen seien. Außerdem habe es im Zuwiderhandlungszeitraum kein Treffen gegeben, bei dem sich die Beteiligten über die Preise für Mikrowachs abgesprochen oder die Kunden für diese Produkte aufgeteilt hätten. Dieser Punkt werde durch die Erklärungen von Shell bestätigt.

    247

    Erstens ist darauf hinzuweisen, dass sich die Erklärung von Shell vom 14. Juni 2006, auf die sich die Klägerinnen beziehen, darauf beschränkt, die Merkmale der Mikrowachse zu beschreiben und nähere Angaben zu den Rohstoffen zu machen, aus denen sie bestehen. Sie betrifft nicht das Fehlen oder Vorliegen von rechtswidrigen Verhaltensweisen in Bezug auf diese Produkte.

    248

    Zweitens bestand die den Klägerinnen vorgeworfene Zuwiderhandlung hinsichtlich der Paraffinwachse in Vereinbarungen oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen betreffend Preisfestsetzungen und den Austausch und die Offenlegung von kommerziell empfindlichen Informationen über Paraffinwachse (Hauptteil der Zuwiderhandlung) und in der Aufteilung der Kunden und/oder der Märkte (zweiter Teil der Zuwiderhandlung).

    249

    Die Klägerinnen bestreiten nicht, dass der Hauptteil des Kartells komplex ist, d. h. Vereinbarungen über die Preise, aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen und den Austausch empfindlicher Informationen kombiniert.

    250

    Gemäß Art. 81 Abs. 1 EG „[sind m]it dem Gemeinsamen Markt … alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, welche den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezwecken oder bewirken[, unvereinbar und verboten] …“.

    251

    Eine Vereinbarung im Sinne von Art. 81 Abs. 1 EG liegt schon dann vor, wenn die betreffenden Unternehmen ihren gemeinsamen Willen zum Ausdruck gebracht haben, sich auf dem Markt in einer bestimmten Weise zu verhalten (Urteile des Gerichts vom 17. Dezember 1991, Hercules Chemicals/Kommission, T-7/89, Slg. 1991, II-1711, Rn. 256, und HFB u. a./Kommission, oben in Rn. 33 angeführt, Rn. 199). Vom Abschluss einer Vereinbarung im Sinne von Art. 81 Abs. 1 EG kann ausgegangen werden, wenn hinsichtlich der Wettbewerbsbeschränkung als solcher ein übereinstimmender Wille vorliegt, selbst wenn die einzelnen Bestandteile der beabsichtigten Beschränkung noch Gegenstand von Verhandlungen sind (Urteil des Gerichts vom 16. Juni 2011, Heineken Nederland und Heineken/Kommission, T-240/07, Slg. 2011, II-3355, Rn. 45; vgl. in diesem Sinne auch Urteil HFB u. a./Kommission, oben in Rn. 33 angeführt, Rn. 151 bis 157 und 206).

    252

    Bei der abgestimmten Verhaltensweise handelt es sich um eine Form der Koordinierung zwischen Unternehmen, die zwar noch nicht bis zum Abschluss eines Vertrags im eigentlichen Sinne gediehen ist, jedoch bewusst eine praktische Zusammenarbeit an die Stelle des mit Risiken verbundenen Wettbewerbs treten lässt (Urteile des Gerichtshofs vom 8. Juli 1999, Kommission/Anic Partecipazioni, C-49/92 P, Slg. 1999, I-4125, Rn. 115, und Hüls/Kommission, C-199/92 P, Slg. 1999, I-4287, Rn. 158).

    253

    Art. 81 Abs. 1 EG steht jeder unmittelbaren oder mittelbaren Fühlungnahme zwischen Wirtschaftsteilnehmern entgegen, durch die entweder das Marktverhalten eines tatsächlichen oder potenziellen Wettbewerbers beeinflusst oder ein solcher Wettbewerber über das Marktverhalten, zu dem der betreffende Wirtschaftsteilnehmer selbst entschlossen ist oder das er in Erwägung zieht, ins Bild gesetzt wird, wenn diese Fühlungnahme eine Beschränkung des Wettbewerbs bezweckt oder bewirkt (Urteil Heineken Nederland und Heineken/Kommission, oben in Rn. 251 angeführt, Rn. 47; vgl. in diesem Sinne auch Urteil Kommission/Anic Partecipazioni, oben in Rn. 252 angeführt, Rn. 116 und 117).

    254

    Daher war die Kommission, um den Umsatz aus dem Verkauf von Mikrowachsen in den Wert der verkauften Waren der Beteiligten einzubeziehen, nicht gehalten nachzuweisen, dass bei den technischen Treffen Vereinbarungen über ihre Preise getroffen wurden. Daraus folgt, dass das Vorbringen der Klägerinnen zum behaupteten Fehlen von Vereinbarungen über die Festsetzung des Mikrowachspreises und die Aufteilung der Kunden für diese Produkte als ins Leere gehend zurückzuweisen ist.

    Zu den schriftlichen Beweisen betreffend die Mikrowachse

    255

    Es sind die schriftlichen Beweise zu den Mikrowachsen zu prüfen, die in der angefochtenen Entscheidung und in den Unterlagen, auf die sich diese Entscheidung bezieht und die den Klägerinnen während des Verwaltungsverfahrens übermittelt wurden, dargestellt wurden.

    256

    Erstens wird im Vermerk von MOL betreffend das technische Treffen am 24. Juni 1994 in Budapest (Ungarn), auf das die Kommission in den Fußnoten zum 132. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung Bezug nimmt, unter dem Titel „Repsol“ Folgendes ausgeführt:

    „Verkäufe: 60000 t [20000 t Einfuhren]

    Cepsa/Elf 15-2000 t incl. 3000 t Mikro

    ERT nur Paraffingatsch 15000 to“

    257

    Diese Angaben, die in der angefochtenen Entscheidung nicht wiedergegeben, aber den Klägerinnen im Verwaltungsverfahren übermittelt wurden, zeugen davon, dass die Beteiligten die Tonnagen an Paraffinwachsen, einschließlich Mikrowachsen, die verkauft wurden oder zum Verkauf an die verschiedenen Kunden bestimmt waren, im Hinblick auf die Aufteilung der Märkte und Kunden mitteilten.

    258

    Zweitens heißt es im Vermerk von MOL zum technischen Treffen vom 30. und 31. Oktober 1997 in Hamburg, der im 145. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung angeführt ist:

    „Verknappung 50/52 Mikro -> Repsol Mobil Agip

    Mikrowachs – französische Preise eintausendfünfhundert – sechs Erhöhung 10 %“

    259

    Drittens heißt es im Vermerk von MOL zu dem Treffen vom 5. und 6. Mai 1998 in Budapest, auf den die Kommission in einer Fußnote zum 147. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung Bezug nimmt:

    „Total – FF 5500 – 6500 Mikro [Viskosität] 14-15 [;] an Cepsa 4900 exw [unleserlich] + 4 % Total/E“

    260

    Diese verschiedenen Angaben zeugen, auch unter Berücksichtigung der anderen von der Kommission im 147. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung angeführten Beweise davon, dass die Beteiligten die Tonnagen an Paraffinwachsen, einschließlich Mikrowachsen, die verkauft wurden oder zum Verkauf an die verschiedenen Kunden bestimmt waren, im Hinblick auf die Aufteilung der Märkte und Kunden mitteilten.

    261

    Viertens enthält der im 153. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung angeführte Vermerk von MOL zu dem Treffen vom 13. und 14. April 1999 in München (Deutschland) eine Tabelle, in der eine gesamte Spalte die Überschrift „Micro“ trägt. Die Angaben zu den anderen Spalten, die die anderen Paraffinwachsarten nach ihrem Schmelzpunkt unterteilen, lassen keine Zweifel daran, dass es sich um Mikrowachse handelt.

    262

    Fünftens enthält ein Informationsvermerk über den „Blauen Salon“ von Sasol zu dem Treffen vom 26. und 27. Juni 2001 in Paris (Frankreich), der im 163. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung angeführt wird, folgende Angaben:

    „im Laufe Juli: bei Spezial-Kunden (= solche, die nicht kaufen, oder deutlich unter Vorjahr/Budge[t] liegen) Preise kündigen zum frühest möglichen Termin, d. h. z. B. 30 Tage. Ziel: Zeichen setzen!

    Ende August[:] alle Preise kündigen per 30/9.01.

    Per 1/10.01 + € 7,-

    Holz/Emulsion + Gummi/Reifen = folgt

    Bei Kundenanfragen nach Preistendenz 2. Halbjahr:

    Tendenz steigend, da alle Budget-Richtzahlen z. B. crude [o]il $ 25,-/Dollar[k]urs DM 2,- deutlich überschritten. Außerdem Mikrowachse + ca 30 % / hochgrädige Parafine extrem knapp + teuer“

    263

    Diese Angaben zeigen zum einen, dass die Kartellbeteiligten der Auffassung waren, dass die Preiserhöhungen für sämtliche Paraffinwachsarten miteinander zusammenhingen, und sie zum anderen auch Rechtfertigungen dieser Erhöhungen gegenüber Kunden ausarbeiteten.

    264

    Sechstens enthält eine im 174. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung angeführte, bei Total gefundene handschriftliche Notiz zum Treffen vom 11. und 12. Mai 2004 den Hinweis „1‘ July – … + Microwax: 25 -> 50 $/T“. Daher handelt es sich um einen unmittelbaren Anhaltspunkt, der sich auf ein Gespräch oder sogar eine Vereinbarung über die Preise der Mikrowachse bezieht.

    265

    Wie oben in Rn. 222 ausgeführt, muss nicht jeder von der Kommission erbrachte Beweis notwendigerweise für jeden Teil der Zuwiderhandlung den Kriterien der Genauigkeit und Übereinstimmung entsprechen. Es genügt, wenn ein von dem Unionsorgan angeführtes Bündel von Indizien im Ganzen betrachtet dem genannten Erfordernis entspricht.

    266

    Außerdem kann nach der oben in Rn. 230 angeführten Rechtsprechung von der Kommission nicht verlangt werden, dass sie Beweisstücke vorlegt, die eine Kontaktaufnahme zwischen den betreffenden Wirtschaftsteilnehmern explizit bestätigen. Die lückenhaften und vereinzelten Beweiselemente, über die die Kommission gegebenenfalls verfügt, müssen jedenfalls durch Schlussfolgerungen ergänzt werden können, die die Rekonstruktion der relevanten Umstände ermöglichen.

    267

    Überdies wurden die MOL-Vermerke während der Treffen von einem Teilnehmer erstellt, und sie sind strukturiert und ziemlich detailliert. Deshalb ist der Beweiswert dieser Notizen sehr hoch. Was die Protokolle von Sasol über die Treffen „Blauer Salon“ anbelangt, handelt es sich um Dokumente aus dem maßgeblichen Zeitraum, die in tempore non suspecto, d. h. kurz nach dem jeweiligen technischen Treffen erstellt worden sind. Auch wenn die Person, die sie angefertigt hat, an den technischen Treffen nicht teilgenommen hat, hat sie sich auf Informationen gestützt, die sie von einem Teilnehmer erhalten hat. Somit haben diese Protokolle einen hohen Beweiswert.

    268

    In Anbetracht der von der Kommission insgesamt zusammengetragenen Beweise ist festzustellen, dass die Preise, die Produktionsmengen und andere geschäftlich sensible Informationen betreffend Mikrowachse sowie die Mengen an Mikrowachsen, die verkauft wurden oder zum Verkauf an Kunden bestimmt waren, bei den technischen Treffen besprochen wurden.

    Zum übrigen Vorbringen der Klägerinnen

    269

    Die Klägerinnen sind der Auffassung, dass die Preise für vollraffinierte und halbraffinierte Paraffinwachse (Produkte, die Gegenstand der fraglichen Vereinbarungen gewesen seien) nicht im Sinne von Ziff. 13 der Leitlinien von 2006 „als Referenzpreis für“ Mikrowachse als „Produkte höherer oder geringerer Qualität genommen [wurden]“, so dass ihr Preis nicht durch die Vereinbarungen über die Preise von vollraffinierten und halbraffinierten Paraffinwachsen habe beeinflusst werden können. Mikrowachse würden nämlich (im Gegensatz zu Wachsmischungen oder Spezialwachsen) nicht aus vollraffinierten und halbraffinierten Paraffinwachsen hergestellt. Sie enthielten nicht einmal dieselben Rohstoffe wie die vollraffinierten und halbraffinierten Paraffinwachse. Während Letztere aus Leichtrohöl produziert würden, werde das Mikrowachs aus Basisschmieröl mit hoher Viskosität hergestellt. Das Ausgangsmaterial von Mikrowachsen und die Mikrowachse selbst würden sich deutlich vom Paraffingatsch und den vollraffinierten und halbraffinierten Paraffinwachsen unterscheiden. All dies sei der Kommission auf den Seiten 2 bis 4 des Antrags von Sasol auf Anwendung der Kronzeugenregelung detailliert zur Kenntnis gebracht worden.

    270

    Schließlich beziehen sich die Klägerinnen auf die in ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte enthaltene Tabelle. Daraus ergebe sich, dass sich die Preiskurve der halbraffinierten Paraffinwachse und die der vollraffinierten Wachse sehr ähnlich entwickelt hätten, während die Mikrowachspreise „unregelmäßiger“ gewesen seien. Daher hänge der Preis der Mikrowachse nicht vom Markt der vollraffinierten und halbraffinierten Paraffinwachse ab, so dass die Kommission nicht berechtigt gewesen sei, die Mikrowachsverkäufe von Sasol bei der Berechnung des Grundbetrags der Geldbuße zu berücksichtigen.

    271

    Zu den unterschiedlichen Merkmalen der Mikrowachse und der anderen Paraffinwachse ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung die etwaige Zugehörigkeit der Erzeugnisse, die Gegenstand des Kartells waren, zu verschiedenen Produktmärkten keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung hat, wenn die Kommission über Sachbeweise verfügt, dass die wettbewerbswidrigen Handlungen unmittelbar oder mittelbar sämtliche von der Entscheidung erfassten Produkte betrafen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 15. Juni 2005, Tokai Carbon u. a./Kommission, T‑71/03, T‑74/03, T‑87/03 und T‑91/03, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, im Folgenden: Urteil Tokai II, Rn. 90).

    272

    Angesichts des direkten Beweises für das Stattfinden von Gesprächen über Preise und sensible geschäftliche Daten betreffend Mikrowachse sowie die Aufteilung der Märkte für Mikrowachse (vgl. Rn. 255 ff.), ist davon auszugehen, dass dieses Vorbringen der Klägerinnen den Ansatz der Kommission, der den Umsatz aus dem Verkauf von Mikrowachsen bei der Berechnung des Grundbetrags der Geldbuße berücksichtigt, nicht in Frage stellen kann.

    273

    Schließlich machen die Klägerinnen geltend, dass sie Paraffinwachse aus Paraffingatsch erzeugen könnten, aber nicht in der Lage seien, Mikrowachse aus Basisschmierölen mit hoher Viskosität herzustellen. Sasol sei daher selbst Käufer von Mikrowachsen und habe folglich kein Interesse an der Erhöhung ihrer Preise gehabt.

    274

    Dem kann nicht gefolgt werden.

    275

    Zunächst ergibt sich aus der Akte, dass die künstlich hohen Preise für Paraffingatsch nicht auf Querlieferungen dieses Produkts zwischen Kartellbeteiligten angewandt wurden. Außerdem haben die Klägerinnen auf eine schriftliche Frage des Gerichts genaue Angaben zu den Mengen ihrer Einkäufe und Verkäufe von Mikrowachsen zwischen 2002 und 2005, sowohl in Euro als auch in Tonnen, übermittelt. Daraus geht hervor, dass ihr Wiederverkaufspreis den Preis, zu dem sie die Mikrowachse kauften, durchschnittlich um 63,7 % überstieg. Daher ist vernünftigerweise davon auszugehen, dass die sich aus dem Kartell ergebenden künstlichen Preise, wie im Fall von Paraffingatsch, auch nicht auf die Querlieferungen von Mikrowachsen zwischen Kartellbeteiligten angewandt wurden. Daher konnte Sasol, auch wenn sie selbst keine Mikrowachse erzeugte, uneingeschränkt von den Auswirkungen des Kartells auf die Preise von Mikrowachsen profitieren, da sie sich damit bei den am Kartell beteiligten Herstellern oder bei anderen Quellen zu einem Preis versorgen konnte, der einem Wettbewerbspreis entsprach, und sie zu den sich aus dem Kartell ergebenden künstlich hohen Preisen weiterverkaufen konnte.

    276

    Nach alledem ist daher festzustellen, dass die Kommission mit der Einbeziehung der Verkäufe von Mikrowachsen in den Wert der verkauften Waren keinen Fehler begangen hat.

    277

    Der zweite Teil des vierten Klagegrundes ist folglich zurückzuweisen.

    Zum dritten Teil: Fehler bei der Berechnung des Grundbetrags der Geldbuße hinsichtlich Paraffingatsch

    278

    Die Klägerinnen machen geltend, die Kommission habe in der angefochtenen Entscheidung nur ein einziges technisches Treffen festgestellt, bei dem der Verkauf von Paraffingatsch an Endkunden angesprochen worden sei, und sie habe nicht einmal abschließend festgestellt, dass Sasol an diesem Treffen teilgenommen habe. Daher könne die Schwere der Zuwiderhandlung in Bezug auf das an Endkunden auf dem deutschen Markt verkaufte Paraffingatsch einen Satz von 15 % des Werts der verkauften Waren nicht rechtfertigen. Die Kommission habe außerdem einen Fehler begangen, indem sie davon ausgegangen sei, dass die Zuwiderhandlung sechs Jahre und sechs Monate gedauert habe.

    Zur Beteiligung der Klägerinnen am Paraffingatsch betreffenden Teil der Zuwiderhandlung vom 30. Oktober 1997 bis zum 12. Mai 2004

    279

    Die Kommission stellt im 288. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung fest:

    „Sasol und Shell räumen ausdrücklich ein, dass die Paraffingatschpreise insbesondere ab Ende der 1990er Jahre unter den Wettbewerbern besprochen wurden, und haben Einzelheiten zu Kontakten vorgelegt (siehe auch Randnummer [112]) … Auf einem Treffen vom 30. und 31. Oktober 1997 (siehe Randnummer [145]) besprachen mindestens ENI, H&R/Tudapetrol, MOL, Repsol, Sasol, Dea (nach 2002 Shell) und Total Paraffingatsch und vereinbarten eine Preiserhöhung. Shell und Total waren in mindestens einem Treffen (am 8. und 9. März 1999) vertreten, das sich ausdrücklich mit Paraffingatsch beschäftigte (siehe Randnummer [152]). Sasol und ExxonMobil schließen in ihrer Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte eine Anwesenheit in diesem Treffen nicht aus, und ihre Teilnahme ist auch wegen des Verweises auf ‚alle Hersteller‘ in einem handschriftlichen Vermerk zu einer elektronischen Nachricht am darauffolgenden Tag wahrscheinlich. Sasol, Shell und Total waren auch in einem technischen Treffen am 11. und 12. Mai 2004 vertreten (siehe Randnummer [174]), in dem ein Preis für Paraffingatsch vereinbart wurde. Ferner stellt die Kommission fest, dass auch in einigen technischen Treffen … in Anwesenheit von ExxonMobil, Sasol, Shell und Total über Paraffingatsch gesprochen wurde. ExxonMobil räumt ein, zwischen 1993 und 1996 an diesen Gesprächen beteiligt gewesen zu sein … Später hat ExxonMobil eingeräumt, dass Herr [T. H.] als Vertreter von ExxonMobil zwischen 1999 und 2001 an Gesprächen über Paraffingatsch für Spanplattenhersteller im deutschsprachigen Teil Europas teilgenommen habe, … und bestätigt allgemein, dass an Endkunden verkauftes Paraffingatsch als ein Teil der Kartellvereinbarungen besprochen wurde … Außerdem berichtet Total, dass Gespräche über eine Erhöhung der Preise für Paraffingatsch geführt wurden … Shell und ExxonMobil bestätigen ebenfalls, dass außerhalb der technischen Treffen Zusammenkünfte im Zusammenhang mit Paraffingatsch stattgefunden haben … Obwohl ENI, H&R/Tudapetrol, MOL und Repsol ebenfalls in einem der beiden letztgenannten Treffen oder auch in beiden Treffen vertreten waren, stellt die Kommission fest, dass das verfügbare Beweismaterial nicht hinreichend ist, um diese Unternehmen für die Zuwiderhandlung in Verbindung mit Paraffingatsch haftbar zu machen. Außerdem, obwohl einige Unterlagen sich augenscheinlich auf andere Zeiträume und Märkte beziehen, ist die Kommission der Ansicht, dass das verfügbare Beweismaterial nur die Schlussfolgerung zulässt, dass sich die Zuwiderhandlung auf den Verkauf von Paraffingatsch an Endkunden auf dem deutschen Markt in den Jahren 1997 bis 2004 bezog.“

    280

    Außerdem stellt die Kommission im 112. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung Folgendes fest:

    „Über Paraffingatsch wurde in einigen technischen Treffen gesprochen [Fußnote: Erwägungsgründe 144, 145, 152, 157, 174 und 175 der angefochtenen Entscheidung] … Zusätzlich wurden Vereinbarungen über Paraffingatschverkäufe an Endkunden auf dem deutschen Markt mindestens einmal außerhalb der technischen Treffen getroffen, als Vertreter von Shell, Sasol, ExxonMobil und Total und möglicherweise von weiteren Unternehmen zu weiteren Gesprächen über Paraffingatsch zusammenkamen, in denen Preise festgesetzt und wirtschaftlich sensible Informationen ausgetauscht wurden … Zum Beispiel ist eine dieser Zusammenkünfte am 8. und 9. März 1999 in Düsseldorf belegt … Der Teilnehmerkreis dieser speziellen Zusammenkünfte, in denen ausdrücklich über Paraffingatsch gesprochen wurde, war größtenteils identisch mit dem der technischen Treffen … (außer Total).“

    281

    Die Erwägungsgründe 144, 145, 152, 157, 174 und 175 der angefochtenen Entscheidung betreffen jeweils die Treffen vom 19. und 20. Juni 1997, vom 30. und 31. Oktober 1997, vom 8. und 9. März 1999, vom 3. und 4. Februar 2000, vom 11. und 12. Mai 2004 sowie vom 3. und 4. August 2004.

    282

    Die Kommission hat ihre Entscheidung, das Vorliegen wettbewerbswidriger Verhaltensweisen für Paraffingatsch nur hinsichtlich der Verkäufe an Endabnehmer in Deutschland zu bejahen, in der angefochtenen Entscheidung wie folgt begründet:

    „…

    (289)

    Die Kommission ist außerdem der Ansicht, dass diese Gespräche ausschließlich Paraffingatsch betrafen, das von Unternehmen mit Beziehungen zu Endkunden wie z. B. Spanplattenherstellern und nicht etwa z. B. Erzeugern von Paraffinwachsen verkauft wurde. Die Unternehmenserklärungen unterscheiden meist nicht zwischen verschiedenen Verwendungen des Paraffingatsch; in der in Randnummer (152) genannten E-Mail [betreffend das Treffen in Düsseldorf vom 8. und 9. März 1999] hingegen wird ausschließlich an Spanplattenhersteller verkauftes Paraffingatsch erwähnt. Daher hält die Kommission für zweifelhaft, ob nicht an Endkunden verkauftes Paraffingatsch Gegenstand der Zuwiderhandlung war, und aus diesem Grund beschränkt sich die Kommission in ihren Feststellungen auf an Endkunden verkauftes Paraffingatsch. Diese Erwägungen werden von Shell und ExxonMobil bestätigt …

    (290)

    Aufgrund des vorliegenden Beweismaterials ist anzunehmen, dass sich die gelegentlichen Gespräche über Paraffingatsch auf den deutschen Markt konzentrierten … ExxonMobil, Sasol, Shell und Total erzielten Umsätze auf dem deutschen Markt, und die Treffen, in denen über Paraffingatsch gesprochen wurde, fanden in Deutschland statt. Die Kommission hält das verfügbare Beweismaterial nicht für hinreichend, um daraus zu schließen, dass die Absprachen in Bezug auf Paraffingatsch auch Paraffingatsch betrafen, das an Endkunden in anderen Ländern verkauft wurde.

    (291)

    Die Kommission ist der Ansicht, dass die Zuwiderhandlung, soweit sie an Endkunden auf dem deutschen Markt verkauftes Paraffingatsch betrifft, mit dem Treffen am 30. und 31. Oktober 1997 begonnen und mit dem Treffen vom 11. und 12. Mai 2004 geendet hat.

    (292)

    Die Kommission stellt daher fest, dass die Gespräche über an Endkunden in Deutschland verkauftes Paraffingatsch zu Vereinbarungen und/oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen gemäß Artikel 81 [EG] und Artikel 53 EWR-Abkommen führten. Diese Feststellung beruht auf einander bestätigenden unabhängigen Erklärungen von Shell und Sasol, die wiederum durch Erklärungen von ExxonMobil und Total bestätigt werden … Auch das vorliegende Beweismaterial bestätigt diese Feststellung …“

    283

    Was erstens das Treffen vom 30. und 31. Oktober 1997 betrifft, bei dem Sasol anwesend war, stützt sich die Kommission im 145. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung auf einen Vermerk von MOL, der den Hinweis „slack wax: DM 550 -> 600“ enthält. Dieser Vermerk enthält außerdem detaillierte Angaben zu den Erhöhungen der Paraffinwachspreise, da er die vorgesehenen Zahlen und Zeitpunkte der Umsetzung der Preiserhöhungen für die am Kartell beteiligten Hersteller nennt.

    284

    Die Kommission schließt daraus, dass, „[d]a die Zeile ‚Preisanhebung im Januar‘ auf die Zukunft verweist, … der Vermerk [bestätigt], dass die anwesenden Unternehmen übereingekommen sind, die Preise zu vereinheitlichen und anzuheben“, und dass „[d]er Vermerk … sich sowohl auf Paraffinwachse als auch auf Paraffingatsch [bezieht]“.

    285

    Die Klägerinnen machen geltend, dass sich der Vermerk auf an die Kartellmitglieder für die Herstellung von Paraffinwachsen geliefertes Paraffingatsch beziehe.

    286

    Dazu ist darauf hinzuweisen, dass nach den Erklärungen von Kartellbeteiligten die Preise für Paraffingatsch, soweit dieses Gegenstand von Querlieferungen zwischen Kartellbeteiligten war, nicht Gegenstand der technischen Treffen waren, sondern in bilateralen Verhandlungen zwischen den Unternehmen bestimmt wurden. Daher ist dieses Vorbringen zurückzuweisen.

    287

    Sodann bringen die Klägerinnen vor, MOL habe kein Paraffingatsch an deutsche Kunden geliefert, so dass der Vermerk den Paraffingatsch betreffenden Teil der Zuwiderhandlung nicht betreffe. Außerdem könne aus diesen Angaben nicht geschlossen werden, dass eine Vereinbarung über die Preise getroffen worden sei.

    288

    Dieses Vorbringen greift nicht durch, da eine allgemeine Preisfestsetzung für alle Kunden gilt, auch, wie im vorliegenden Fall, für die deutschen Endabnehmer. Außerdem hat die Kommission in den Erwägungsgründen 289 bis 292 der angefochtenen Entscheidung, die oben in Rn. 282 wiedergegeben wurden, erläutert, warum sie den Umfang der wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen betreffend Paraffingatsch auf Verkäufe an deutsche Endabnehmer beschränkt hat. Zu diesen Passagen der angefochtenen Entscheidung haben die Klägerinnen nichts vorgetragen.

    289

    Außerdem hat die Kommission den Klägerinnen eine komplexe Zuwiderhandlung zur Last gelegt, die in „Vereinbarungen und/oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen“ bestand, so dass ein Beweis des Abschlusses einer Vereinbarung über einzelne Preise nicht erforderlich ist.

    290

    Schließlich machen die Klägerinnen geltend, der Informationsvermerk über das Treffen „Blauer Salon“ nehme hinsichtlich dieses technischen Treffens nicht auf die Gespräche über Paraffingatsch Bezug.

    291

    Hierzu genügt der Hinweis, dass nach der oben in Rn. 230 angeführten Rechtsprechung die lückenhaften und vereinzelten Beweiselemente, über die die Kommission gegebenenfalls verfügt, jedenfalls durch Schlussfolgerungen ergänzt werden können müssen, die die Rekonstruktion der relevanten Umstände ermöglichen, und die Würdigung sich auf die Gesamtheit der zugänglichen Beweise erstreckt. Daher kann vernünftigerweise nicht von der Kommission verlangt werden, jede Einzelheit der Zuwiderhandlung anhand mehrerer übereinstimmender schriftlicher Beweise zu belegen.

    292

    Nach alledem hat die Kommission zutreffend festgestellt, dass der MOL-Vermerk über dieses technische Treffen insbesondere im Licht der Erklärungen der Beteiligten Teil der Reihe von Beweisen war, die das Bestehen von „Vereinbarungen und/oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen“ betreffend an deutsche Endabnehmer verkauftes Paraffingatsch belegen.

    293

    Zweitens stellt die Kommission hinsichtlich des im 152. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung angeführten Treffens vom 8. und 9. März 1999 Folgendes fest:

    „Shell hat eine handschriftliche Notiz vorgelegt, … die Shell zufolge von Herrn [S. R.] zur Vorbereitung dieses Treffens angefertigt wurde … Dies würde die letzte Zeile dieses Vermerks erklären, in der es heißt: ‚8/9.3.99 PM-Spanplatte‘ … Shell erklärt, ‚PM‘ stehe für ‚Paraffinmafia‘; mit diesem Begriff bezeichnete Shell die gewöhnlich an den technischen Treffen beteiligten Unternehmen … Der Vermerk trägt das Datum des Treffens; dies erklärt die Erläuterung von Shell, dass dieser Vermerk zur Vorbereitung des Treffens erstellt wurde und deckt sich mit anderen Beweismitteln. Der Vermerk von Herrn [S. R.] zeigt, dass er davon ausging, dass die verschiedenen Unternehmensvertreter Informationen über die Versorgung einiger Großkunden mit Paraffingatsch austauschen würden. Am Tag nach diesem Treffen schickte Herr [S. R.] eine E-Mail an seinen Vorgesetzten, Herrn [S. T.], in der er erklärte, [einer der Beteiligten] beabsichtige, die Preise für Paraffingatsch in der Spanplattenindustrie zum 1. Juni 1999 um 8 bis 10 % anzuheben … Handschriftlich ist zu dieser E-Mail vermerkt: ‚Alle Hersteller sehen die Notwendigkeit einer Erhöhung [der Preise]‘ … Dies zeigt, dass die am Treffen beteiligten Unternehmensvertreter eine Preiserhöhung für Paraffingatsch zur Verwendung in der Spanplattenindustrie vereinbart haben und dass [einer der Beteiligten] beabsichtigte, die vereinbarte Erhöhung von Juni 1999 an umzusetzen. Der Verweis auf ‚alle Hersteller‘ deutet ebenfalls darauf hin, dass neben Total und Shell auch andere Unternehmen auf dem Treffen zugegen gewesen sein müssen.“

    294

    Laut dem 151. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung schließt Sasol seine Anwesenheit bei diesem Treffen nicht aus.

    295

    Ebenso leugnet laut dem 152. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung ExxonMobil ihre Teilnahme nicht und räumt ein, dass ihr Vertreter einige multilaterale Gespräche über Gatsch für Spanplattenhersteller im deutschsprachigen Teil Europas insbesondere mit Sasol, Shell/Dea und Total geführt habe, „wahrscheinlich zwischen 1999 und 2001“.

    296

    Das Gericht stellt fest, dass die in den Erwägungsgründen 151 und 152 der angefochtenen Entscheidung angeführten Erklärungen von ExxonMobil und Shell sowie der Vermerk von Shell Teil der Reihe von Beweisen sind, aus denen das Gericht schließen kann, dass Sasol im Zeitraum von 1999 bis 2001 zumindest an einem die „Vereinbarungen und/oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen“ über die Festsetzung des Preises von für deutsche Endabnehmer bestimmtes Paraffingatsch abzielenden Treffen teilnahm.

    297

    Drittens gelangte die Kommission im 168. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung hinsichtlich des technischen Treffens vom 17. und 18. Dezember 2002, bei dem Sasol anwesend war, bei der Prüfung eines Vermerks von Total zu folgenden Feststellungen:

    „Ferner liegt auch eine datierte Liste mit der Überschrift ‚Europäischer Markt‘ vor, die in dem Treffen verteilt wurde … Das bei Total gefundene Exemplar enthält einige handschriftliche Zusätze, aus denen hervorgeht, dass während des Treffens die Exportzahlen besprochen wurden … Ferner enthält sie folgende handschriftlichen Bemerkungen: ‚Petrogal März Wartung. Gatsch unter 500 EUR. MOL Juli 3 Wochen Wartung.‘ … Das zeigt, dass Preise von Paraffingatsch auf der Zusammenkunft behandelt wurden.“

    298

    Es ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerinnen zu den fraglichen Passagen der angefochtenen Entscheidung nichts vorbringen.

    299

    Somit ist die bei Total gefundene Liste Teil der Reihe von Beweisen, die das Bestehen von „Vereinbarungen und/oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen“ betreffend die Preisfestsetzung von für deutsche Endabnehmer bestimmtes Paraffingatsch belegen.

    300

    Viertens weist die Kommission im 174. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung hinsichtlich des Treffens vom 11. und 12. Mai 2004, bei dem Sasol anwesend war, auf eine bei Total gefundene handschriftliche Notiz hin, in der es heißt:

    „-> Sasol 40 €/50 $. - End of July.

    -> We: 38 - 28.

    -> 1‘ July -

    + FRP: 70 -> 6000 €/T

    +Te[a]light: 50 -> 500 €/T

    + Microwax: 25 -> 50 $/T

    -> 40 €/T Slack Wax..

    301

    Laut dem 174. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung „[geht] aus dieser letzten Zeile … hervor …, dass eine Preiserhöhung für Paraffingatsch ebenfalls vereinbart wurde“, und „[kann a]us dem Gesamtzusammenhang des Dokuments … geschlossen werden, dass der Pfeil vor dem Preis auf eine vereinbarte Strategie für die Zukunft hindeutet, nämlich eine angepeilte Preiserhöhung“.

    302

    Nach Ansicht der Klägerinnen deutet nichts darauf hin, dass diese Passage tatsächlich eine Vereinbarung über Paraffingatschverkäufe an Endkunden in Deutschland betroffen habe. Keines der anderen Unternehmen, die an dem Treffen vom 11. und 12. Mai 2004 teilgenommen hätten, habe den Abschluss einer solchen Vereinbarung erwähnt. Da ExxonMobil, die einer der größten Verkäufer von Paraffingatsch an Endkunden sei, nicht unter den im 174. Erwägungsgrund der Entscheidung aufgeführten vertretenen Unternehmen genannt werde, sei es außerdem sehr unwahrscheinlich, dass die Frage der Paraffingatschverkäufe an Endkunden bei diesem Treffen behandelt worden sei.

    303

    Dieses Vorbringen ist aufgrund der bereits oben in den Rn. 289 und 291 dargelegten Erwägungen zurückzuweisen; es ist davon auszugehen, dass der fragliche Vermerk Teil der Reihe von Beweisen ist, die das Bestehen von „Vereinbarungen und/oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen“ betreffend an deutsche Endabnehmer verkauftes Paraffingatsch belegen.

    304

    Insgesamt ist festzustellen, dass die Kommission eine Reihe von schriftlichen Beweisen zusammengestellt hat, die das Vorliegen von „Vereinbarungen und/oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen“ betreffend an deutsche Endabnehmer verkauftes Paraffingatsch belegt.

    305

    Die Klägerinnen machen jedoch geltend, diese Beweise belegten keine mit Sasol getroffenen Vereinbarungen.

    306

    In Bezug auf wettbewerbswidrige Vereinbarungen, die wie im vorliegenden Fall bei Zusammenkünften konkurrierender Unternehmen zustande kommen, hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG vorliegt, wenn diese Zusammenkünfte die Einschränkung, Verhinderung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken und damit der künstlichen Regulierung des Marktes dienen. In einem solchen Fall genügt es zum Nachweis der Teilnahme eines Unternehmens am Kartell, wenn die Kommission dartut, dass das Unternehmen an Treffen teilnahm, bei denen wettbewerbswidrige Vereinbarungen geschlossen wurden. Ist die Teilnahme an solchen Zusammenkünften erwiesen, obliegt es dem fraglichen Unternehmen, Indizien vorzutragen, die zum Beweis seiner fehlenden wettbewerbswidrigen Einstellung bei der Teilnahme an den Zusammenkünften geeignet sind, und nachzuweisen, dass es seine Wettbewerber darauf hingewiesen hat, dass es mit einer anderen Zielsetzung als diese an den Zusammenkünften teilgenommen hat (Urteile des Gerichtshofs Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Rn. 230 angeführt, Rn. 81, und vom 25. Januar 2007, Sumitomo Metal Industries und Nippon Steel/Kommission, C-403/04 P und C-405/04 P, Slg. 2007, I-729, Rn. 47).

    307

    Diese Regel beruht auf der Erwägung, dass das Unternehmen, indem es an der fraglichen Sitzung teilnahm, ohne sich offen von deren Inhalt zu distanzieren, den anderen Teilnehmern Anlass zu der Annahme gab, dass es dem Ergebnis der Sitzung zustimme und sich daran halten werde (Urteile Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Rn. 230 angeführt, Rn. 82, und Sumitomo Metal Industries und Nippon Steel/Kommission, oben in Rn. 306 angeführt, Rn. 48).

    308

    Daher rechtfertigt die Anwesenheit der Klägerinnen bei den wettbewerbswidrigen Zusammenkünften und ihre fehlende Distanzierung vom rechtswidrigen Inhalt, dass die Kommission ihnen Letzteren zurechnet, ohne dass sie ausdrücklich nachweisen müsste, dass die Klägerinnen bei diesen Zusammenkünften Vereinbarungen getroffen hätten. Deshalb ist das insoweit vorgebrachte Argument der Klägerinnen nicht relevant.

    309

    Schließlich machen die Klägerinnen geltend, die technischen Treffen vom 30. und 31. Oktober 1997 sowie vom 11. und 12. Mai 2004 seien in der Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht als „Gatsch-Treffen“ angeführt gewesen.

    310

    Dem kann nicht gefolgt werden. Die in der angefochtenen Entscheidung angeführten Beweise für den Paraffingatsch betreffenden Teil der Zuwiderhandlung waren nämlich bereits in der Mitteilung der Beschwerdepunkte enthalten. Außerdem geht aus dieser Mitteilung klar hervor, dass den Klägerinnen der Paraffingatsch betreffende Teil der Zuwiderhandlung vorgeworfen wurde.

    311

    Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerinnen die Feststellung der Kommission, dass die Verhaltensweisen in Bezug auf Paraffinwachse und die Verhaltensweisen betreffend Paraffingatsch eine einzige einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung darstellten, nicht beanstanden. Folglich sind die Beweise zu den Paraffingatsch betreffenden Verhaltensweisen im Kontext der Reihe von Beweisen zu der einheitlichen Zuwiderhandlung, die die Kommission zusammengestellt hat, zu würdigen. Diese Beweise belegen, dass es fortgesetzte Kontakte zwischen den Unternehmen gab, die an den Verhaltensweisen in Bezug auf Paraffingatsch teilgenommen haben.

    312

    Nach alledem ist die Feststellung der angefochtenen Entscheidung zu bestätigen, wonach die Klägerinnen an dem Paraffingatsch betreffenden Teil der komplexen, einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung, wie von dieser Entscheidung erfasst, vom 30. Oktober 1997 bis zum 12. Mai 2004 beteiligt waren.

    313

    Daraus ergibt sich, dass die Kommission, als sie bei der Berechnung des Grundbetrags der gegen die Klägerinnen verhängten Geldbuße den aus der Lieferung von Paraffingatsch erzielten Umsatz berücksichtigt und den dem fraglichen Zeitraum entsprechenden Multiplikationsfaktor angewandt hat, keinen Fehler beging.

    Zur Unverhältnismäßigkeit des auf den Umsatz aus den Paraffingatschverkäufen angewandten Koeffizienten von 15 %

    314

    Die Klägerinnen werfen der Kommission vor, gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoßen zu haben, soweit sie die Höhe der Geldbuße unter Zugrundelegung eines Satzes von 15 % in Bezug auf die Paraffingatschverkäufe von Sasol an Endkunden in Deutschland berechnet habe.

    315

    Nach der Rechtsprechung verlangt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dass die Handlungen der Organe nicht die Grenzen dessen überschreiten, was zur Erreichung der mit der fraglichen Regelung verfolgten legitimen Ziele geeignet und erforderlich ist. Dabei ist, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastende zu wählen; ferner müssen die verursachten Nachteile in angemessenem Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen (Urteile des Gerichtshofs vom 13. November 1990, Fedesa u. a., C-331/88, Slg. 1990, I-4023, Rn. 13, und vom 5. Mai 1998, Vereinigtes Königreich/Kommission, C-180/96, Slg. 1998, I-2265, Rn. 96; Urteil des Gerichts vom 12. September 2007, Prym und Prym Consumer/Kommission, T‑30/05, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Rn. 223).

    316

    Im Rahmen der von der Kommission zur Ahndung von Verstößen gegen die Wettbewerbsregeln eingeleiteten Verfahren bedeutet die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, dass die Geldbußen nicht außer Verhältnis zu den angestrebten Zielen – d. h. zur Beachtung dieser Regeln – stehen dürfen und die einem Unternehmen wegen einer Zuwiderhandlung im Bereich des Wettbewerbs auferlegte Geldbuße so zu bemessen ist, dass sie bei einer Gesamtwürdigung der Zuwiderhandlung unter besonderer Berücksichtigung ihrer Schwere und Dauer in angemessenem Verhältnis zu ihr steht (vgl. in diesem Sinne Urteil Prym und Prym Consumer/Kommission, oben in Rn. 315 angeführt, Rn. 223 und 224 und die dort angeführte Rechtsprechung). Insbesondere bedeutet dies, dass die Kommission die Geldbuße verhältnismäßig nach den Gesichtspunkten festsetzen muss, die sie für die Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung berücksichtigt hat, und dass sie diese Gesichtspunkte dabei schlüssig und objektiv gerechtfertigt bewerten muss (Urteile des Gerichts vom 27. September 2006, Jungbunzlauer/Kommission, T-43/02, Slg. 2006, II-3435, Rn. 226 bis 228, und vom 28. April 2010, Amann & Söhne und Cousin Filterie/Kommission, T-446/05, Slg. 2010, II-1255, Rn. 171).

    317

    Erstens ist darauf hinzuweisen, dass der Paraffingatsch betreffende Teil der Zuwiderhandlung insbesondere aus wettbewerbswidrigen Aktivitäten betreffend Preisfestsetzungen zwischen Konkurrenten bestand und somit zur Kategorie der für den freien Wettbewerb schädlichsten Zuwiderhandlungen gehörte.

    318

    Daher ist das Gericht der Ansicht, dass die Anwendung des Koeffizienten von 15 % auf den Umsatz von Paraffingatsch bei der Berechnung der Geldbuße in angemessenem Verhältnis zur Schwere dieses Teils der Zuwiderhandlung steht.

    319

    Zweitens hat die Kommission die maßgeblichen Gesichtspunkte schlüssig und objektiv gerechtfertigt berücksichtigt. Der Paraffingatsch betreffende Teil der Zuwiderhandlung fällt nämlich unter Ziff. 23 der Leitlinien von 2006, die die schwerwiegendsten Formen der Zuwiderhandlungen betrifft, für die die Anwendung eines Koeffizienten „am oberen Ende dieser Bandbreite“, d. h. zwischen 15 und 30 % der Umsätze, im Allgemeinen gerechtfertigt ist. Indem die Kommission den Koeffizienten auf 15 % des Umsatzes von Paraffingatsch festlegt hat, hat sie diese Leitlinien in vollem Umfang beachtet, da sie vom niedrigsten Koeffizienten ausgegangen ist, der nach der allgemeinen von den Leitlinien von 2006 geschaffenen Regel auf horizontale Vereinbarungen oder abgestimmte Verhaltensweisen zur Festsetzung der Preise angewandt werden kann.

    320

    Drittens vertreten die Klägerinnen dennoch die Auffassung, dieser Koeffizient sei im Hinblick auf die beschränkte Zahl von Treffen und Beteiligten, den geringen Umfang des Paraffingatsch betreffenden Teils der Zuwiderhandlung sowie den verhältnismäßig niedrigen Marktanteil der Beteiligten unverhältnismäßig.

    321

    Zur angeblich beschränkten Zahl von Treffen, bei denen über Paraffingatsch gesprochen wurde, ist festzustellen, dass es sich, wie sich aus der Prüfung oben in den Rn. 283 bis 310 ergibt, um weitaus mehr als die zwei Treffen handelt, die von den Klägerinnen eingestanden wurden. Außerdem hat die Kommission die Beteiligung der Klägerinnen an dem Paraffingatsch betreffenden Teil der von der angefochtenen Entscheidung erfassten komplexen, einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung vom 30. Oktober 1997 bis zum 12. Mai 2004 rechtlich hinreichend nachgewiesen (vgl. oben, Rn. 312). Folglich ist das Vorbringen zur begrenzten Zahl der Treffen betreffend Paraffingatsch zurückzuweisen.

    322

    Was den geringeren Umfang des Paraffingatsch betreffenden Teils der Zuwiderhandlung angeht,, soweit er nur die Verkäufe an deutsche Endabnehmer und den angeblich geringen Marktanteil von Sasol betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass diese Umstände schon bei der Berechnung des Grundbetrags der Geldbuße berücksichtigt wurden. Es wurde nämlich bei der Berechnung des Umsatzes, auf den sodann der Koeffizient von 15 % wegen der Schwere der Zuwiderhandlung angewandt wurde, nur der Umsatz des Unternehmens Sasol (seinem genauen Marktanteil entsprechend), der aus Verkäufen an die fragliche Kundengruppe (dem geringeren Umfang des Paraffingatsch betreffenden Teils der Zuwiderhandlung entsprechend) erzielt wurde, berücksichtigt.

    323

    Somit ist dieses Vorbringen der Klägerinnen zurückzuweisen.

    324

    Viertens berufen sich die Klägerinnen darauf, dass sie kein Paraffingatsch hergestellt hätten.

    325

    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die künstlich hohen Preise für Paraffingatsch nicht auf Querlieferungen zwischen Kartellbeteiligten angewandt wurden. Daher konnte Sasol, obwohl sie selbst kein Paraffingatsch herstellte, vom Paraffingatsch betreffenden Teil der Zuwiderhandlung profitieren, da sie sich damit zu einem Wettbewerbspreis versorgen konnte und es zu den sich aus dem Kartell ergebenden künstlich hohen Preisen an deutsche Endabnehmer weiterverkaufen konnte.

    326

    Auch dieses Argument ist also zurückzuweisen.

    327

    Daher hat die Kommission, indem sie wegen der Schwere des Paraffingatsch betreffenden Teils der Zuwiderhandlung den Satz von 15 % des Umsatzes als Multiplikationsfaktor zugrunde gelegt hat, nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen.

    328

    Nach alledem ist die vorliegende Rüge und folglich der dritte Teil des vierten Klagegrundes zurückzuweisen.

    Zum vierten Teil: keine differenzierte Bestimmung des Grundbetrags der Geldbuße nach Maßgabe der verschiedenen Zeiträume der Beteiligung der verschiedenen Gesellschaften am Kartell

    329

    Die Klägerinnen bringen vor, nach der Entscheidungspraxis der Kommission habe diese, wenn sie über verschiedene Adressaten für verschiedene Zeiträume der Zuwiderhandlung Geldbußen verhänge, den Grundbetrag der zu verhängenden Geldbuße festzusetzen, indem sie den Teil dieses anhand der Verkäufe berechneten Grundbetrags durch die Zahl der verschiedenen Zeiträume teile.

    330

    Im vorliegenden Fall habe die Kommission jedoch gegenüber Sasol Wax wegen der Dauer der Zuwiderhandlung für den gesamten Zeitraum der Zuwiderhandlung einen Koeffizienten von 13 zum einen und für die Zeiträume, in denen sämtliche Klägerinnen als gesamtschuldnerisch haftend angesehen worden seien, einen Koeffizienten von 10 zum anderen angewandt, wobei sie für diese verschiedenen Zeiträume denselben Umsatz berücksichtigt habe.

    331

    Die Kommission habe dieses Vorgehen gewählt, ohne zu erklären, warum die richtige Anwendung der Wettbewerbsregeln der Union eine besonders strenge Sanktion gegenüber einer südafrikanischen Unternehmensgruppe für die Zeiträume einer Zuwiderhandlung erfordere, in denen diese Gruppe in Europa überhaupt nicht tätig gewesen sei, im vorliegenden Fall in der Schümann-Phase, oder nur über ein Gemeinschaftsunternehmen tätig gewesen sei, im vorliegenden Fall in der Phase des Gemeinschaftsunternehmens, während die Kommission keinen Grund gesehen habe, gegen Vara, die frühere Muttergesellschaft von HOS, zu einem Drittel des Kapitals Anteilseignerin von Schümann Sasol, eine Sanktion zu verhängen.

    332

    Damit habe die Kommission gegen die Grundsätze des Verbots übermäßiger Geldbußen und der individuellen Zumessung der Strafen verstoßen.

    333

    Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass nach Ziff. 6 der Leitlinien von 2006 die Verbindung des Umsatzes auf den vom Verstoß betroffenen Märkten mit der Dauer eine Formel darstellt, die die wirtschaftliche Bedeutung der Zuwiderhandlung und das jeweilige Gewicht des einzelnen an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmens angemessen wiedergibt. Außerdem verwendet nach Ziff. 13 dieser Leitlinien die Kommission zur Festsetzung des Grundbetrags der Geldbuße den Wert der von dem betreffenden Unternehmen im relevanten räumlichen Markt innerhalb des EWR verkauften Waren oder Dienstleistungen, die mit dem Verstoß in einem unmittelbaren oder mittelbaren Zusammenhang stehen.

    334

    Nach der Rechtsprechung muss, soweit auf den Umsatz der an ein und derselben Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen abzustellen ist, um das Verhältnis zwischen den festzusetzenden Geldbußen zu bestimmen, der zu berücksichtigende Zeitraum so abgegrenzt werden, dass die ermittelten Umsatzzahlen so weit wie möglich miteinander vergleichbar sind. Folglich kann ein bestimmtes Unternehmen nur dann verlangen, dass die Kommission bei ihm auf einen anderen als den im Allgemeinen herangezogenen Zeitraum abstellt, wenn es nachweist, dass der von ihm im letztgenannten Zeitraum erzielte Umsatz aus für dieses Unternehmen spezifischen Gründen weder für seine wirkliche Größe und seine Wirtschaftskraft noch für das Ausmaß der von ihm begangenen Zuwiderhandlung einen Anhaltspunkt bietet (Urteile des Gerichts vom 14. Mai 1998, Fiskeby Board/Kommission, T-319/94, Slg. 1998, II-1331, Rn. 42, und vom 30. September 2009, Akzo Nobel u. a./Kommission, T‑175/05, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Rn. 142).

    335

    Im 634. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung erkennt die Kommission an, dass das Jahr 2004 wegen der Erweiterung der Union im Mai ein Ausnahmejahr gewesen sei; sie halte es daher für angemessen, die Umsätze des Jahres 2004 nicht als einzige Grundlage für die Berechnung der Höhe der Geldbuße anzunehmen, sondern sich stattdessen auf die Umsätze der letzten drei Geschäftsjahre, in denen die Einheit an der Zuwiderhandlung beteiligt gewesen sei, zu stützen.

    336

    Daher hat die Kommission hinsichtlich des Hauptteils und des zweiten Teils der Zuwiderhandlung betreffend Paraffinwachse den Durchschnitt des Umsatzes von Sasol aus Paraffinwachsen in den Jahren 2002 bis 2004 angenommen. Sie ist so zu einem Umsatz von 167326016 Euro gelangt. Zum dritten Teil betreffend Paraffingatsch hat sie den Durchschnitt des Umsatzes von Sasol in den Geschäftsjahren 2001 bis 2003 angenommen. Sie ist somit von einem Betrag von 5404922 Euro für das Paraffingatsch ausgegangen.

    337

    Erstens ist das Vorbringen der Klägerinnen unter dem Blickwinkel der Situation von Sasol Wax zu prüfen.

    338

    Die Klägerinnen machen geltend, der Teil der Geldbuße, für den nur Sasol Wax zur Verantwortung gezogen worden sei, betrage 67,5 Mio. Euro, was ungefähr 22 % ihres Umsatzes im Jahr 2007 entspreche. Eine Geldbuße in dieser Höhe könne die wirtschaftliche Substanz von Sasol Wax vernichten, es sei denn, dass die Sasol-Gruppe die Zahlung der Geldbuße ohne jede Schuld oder Verantwortung hinsichtlich der Schümann-Phase freiwillig übernehme.

    339

    Soweit dieses Vorbringen die Begrenzung der Geldbuße betrifft, wird auf die Prüfung des sechsten Klagegrundes verwiesen.

    340

    Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerinnen zum Nachweis, dass der Umsatz, der als Grundlage für die Berechnung des Grundbetrags der gegen Sasol Wax verhängten Geldbuße diente, die wirtschaftliche Bedeutung der von dieser begangenen Zuwiderhandlung und ihr jeweiliges Gewicht im Kartell im Sinne der Leitlinien von 2006 und der oben in Rn. 334 angeführten Rechtsprechung nicht angemessen wiedergegeben habe, nichts vorbringen.

    341

    Die Klägerinnen stellen auch nicht in Abrede, dass Sasol Wax als Rechtsnachfolgerin der früheren Gesellschaften, die unmittelbar am Kartell beteiligt waren, für die Verstöße von HOS und Schümann Sasol verantwortlich ist.

    342

    Zudem ergibt sich nach der Rechtsprechung im Rahmen der Bemessung der nach Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 verhängten Geldbußen eine differenzierte Behandlung der betroffenen Unternehmen unmittelbar aus der Ausübung der der Kommission nach dieser Vorschrift zustehenden Befugnisse. Im Rahmen ihres Wertungsspielraums hat die Kommission nämlich die Sanktion entsprechend den für die betroffenen Unternehmen kennzeichnenden Verhaltensweisen und Eigenschaften individuell festzulegen, um in jedem Einzelfall die volle Wirksamkeit der Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft sicherzustellen (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 7. Juni 2007, Britannia Alloys & Chemicals/Kommission, C-76/06 P, Slg. 2007, I-4405, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung). Die Klägerinnen berufen sich hingegen auf keine Vorschrift, die die Kommission verpflichtete, den Umsatz innerhalb eines Konzerns individuell zu bestimmen.

    343

    Daher ist davon auszugehen, dass die Klägerinnen nicht nachgewiesen haben, dass die Kommission irgendeinen Fehler begangen hat, indem sie den Durchschnitt des Umsatzes des Unternehmens Sasol im Zeitraum von 2002 bis 2004 herangezogen hat, um den Grundbetrag der gegen jede der Gesellschaften des Unternehmens für den gesamten Zeitraum ihrer Beteiligung an den Paraffinwachse betreffenden Teilen der Zuwiderhandlung, d. h. vom 3. September 1992 bis zum 28. April 2005, verhängten Geldbuße zu berechnen.

    344

    Aus denselben Gründen haben die Klägerinnen auch nicht nachgewiesen, dass die Kommission irgendeinen Fehler begangen hat, indem sie den Durchschnitt des Umsatzes des Unternehmens Sasol im Zeitraum von 2001 bis 2003 herangezogen hat, um den Grundbetrag der gegen jede der Gesellschaften des Unternehmens für den gesamten Zeitraum ihrer Beteiligung an den Paraffingatsch betreffenden Teilen der Zuwiderhandlung, d. h. vom 30. Oktober 1997 bis zum 12. Mai 2004, verhängten Geldbuße zu berechnen.

    345

    Was das Erfordernis betrifft, dass die Sasol-Gruppe die Zahlung des Teils der gegen Sasol Wax verhängten Geldbuße, der über 10 % ihres Umsatzes hinausgehe, wirtschaftlich übernehme, ist das Gericht der Ansicht, dass diese Frage nicht die Berechnung des Grundbetrags der Geldbuße, sondern vielmehr die Prüfung im Rahmen des sechsten Klagegrundes betrifft.

    346

    Daher ist das Vorbringen der Klägerinnen, unbeschadet des Ergebnisses der Prüfung des sechsten Klagegrundes, zurückzuweisen.

    347

    Zweitens ist darauf hinzuweisen, dass die Zurechnung des Verhaltens von Schümann Sasol an Schümann Sasol International in der Phase des Gemeinschaftsunternehmens aufgrund der von den Klägerinnen nicht widerlegten Vermutung der tatsächlichen Ausübung eines bestimmenden Einflusses der Muttergesellschaft auf das Verhalten ihrer Tochtergesellschaft, deren gesamtes Kapital sie hält, zu bestätigen ist.

    348

    Außerdem beanstanden die Klägerinnen nicht, dass die Verantwortlichkeit von Schümann Sasol International aufgrund der Rechtsnachfolge zwischen diesen beiden juristischen Personen Sasol Wax International zugerechnet wurde.

    349

    Somit ist davon auszugehen, dass die Klägerinnen nicht nachgewiesen haben, dass die Kommission zu Unrecht denselben Umsatz für Sasol Wax und für ihre einzige Muttergesellschaft, Sasol Wax International, herangezogen hat.

    350

    Drittens ist festzustellen, dass dem ersten Klagegrund stattzugeben und die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären ist, soweit mit ihr die Verantwortung für das Verhalten von Schümann Sasol in der Phase des Gemeinschaftsunternehmens Sasol Holding in Germany und Sasol Ltd zugerechnet wird (vgl. oben, Rn. 127). Daher stellt sich die Frage der behaupteten Rechtswidrigkeit aufgrund des bei der Berechnung der Geldbuße, wie sie über Letztere für die Phase des Gemeinschaftsunternehmens verhängt wurde, herangezogenen Umsatzes nicht mehr.

    351

    Im Übrigen hinderte hinsichtlich der Sasol-Phase, in der das gesamte Kapital von Sasol Wax mittelbar von Sasol Holding in Germany und Sasol Ltd gehalten wurde, keine Rechtsvorschrift die Kommission daran, denselben Umsatz für die Berechnung der gegen die unmittelbar an der Zuwiderhandlung beteiligte Tochtergesellschaft und ihre Muttergesellschaften verhängten Geldbuße heranzuziehen.

    352

    Nach alledem ist das Gericht der Ansicht, dass die Kommission im Zusammenhang mit der Festlegung des Umsatzes nicht gegen die Grundsätze des Verbots übermäßiger Geldbußen und der individuellen Zumessung der Strafen verstoßen hat. Daher ist der vierte Teil des vierten Klagegrundes und damit der vierte Klagegrund insgesamt, unbeschadet der Auswirkungen des Durchgreifens des ersten und des sechsten Klagegrundes, zurückzuweisen.

    5. Zum fünften Klagegrund: fehlerhafte Feststellung der Anführerrolle von Sasol

    353

    Die Klägerinnen machen geltend, die Kommission habe einen Rechtsfehler und einen Fehler bei der Würdigung der Beweise begangen, indem sie festgestellt habe, dass der gegen Sasol zu verhängende Teil der Geldbuße betreffend Paraffinwachse um 50 % (d. h. um 210 Mio. Euro) erhöht werden müsse, da Sasol im Bereich Paraffinwachs die Rolle des Kartellanführers gespielt habe.

    Zur angefochtenen Entscheidung

    354

    Die Kommission legt ihre Feststellungen zur Anführerrolle von Sasol in den Erwägungsgründen 681 bis 686 der angefochtenen Entscheidung dar:

    „…

    (681)

    Ziffer 28 der Leitlinien zur Festsetzung von Geldbußen aus dem Jahre 2006 sieht vor: ‚Der Grundbetrag der Geldbuße kann erhöht werden, wenn die Kommission erschwerende Umstände wie beispielsweise die nachstehend aufgeführten feststellt: …Rolle als Anführer oder Anstifter des Verstoßes‘. In der Mitteilung der Beschwerdepunkte hat die Kommission erklärt: ‚Die Kommission berücksichtigt auch die führende Rolle von Sasol, wie sie aus den beschriebenen Tatsachen hervorgeht.‘ In der Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte erklärt Sasol, das Unternehmen habe bei der Zuwiderhandlung keine derartige führende Rolle gespielt. Sasol argumentiert. das Unternehmen habe eine führende Rolle nur im technischen Teil der technischen Treffen übernommen, weil Sasol umfassendere Kenntnisse der Branche besessen habe. Zudem sei Sasol als von den Lieferungen seiner Wettbewerber abhängiges Unternehmen nicht in der Lage gewesen, ein Kartell anzuführen; allerdings räumt Sasol ein, die Preisgespräche initiiert zu haben; selbst wenn HOS – gemessen am Umsatz im Vergleich zu seinen Wettbewerbern eher ein kleinerer Marktteilnehmer – eine führende Rolle gespielt hätte, wäre der Einfluss von HOS im Laufe der Zeit sicher zurückgegangen. Und schließlich argumentiert Sasol, die Mutmaßung der führenden Rolle des eigenen Unternehmens sei nicht durch Beweismittel belegt. Offenbar ist Sasol der Ansicht, dass Total und ExxonMobil in gewissen Zeiträumen und/oder in Bezug auf gewisse Merkmale der Zuwiderhandlung eine führende Rolle gespielt haben.

    (682)

    Die Argumente von Sasol können nicht angenommen werden. Den in Kapitel 4 erläuterten Beweismitteln sind folgende Informationen zu entnehmen:

    1)

    Sasol hat fast alle technischen Treffen durch den Versand von Einladungen und unter Empfehlung von Tagesordnungen einberufen und viele Treffen organisiert (durch Reservierung von Hotelzimmern, … Anmietung von Besprechungsräumen und Bestellung von Abendessen);

    2)

    Sasol hat in den technischen Treffen die Leitung übernommen und die Preisgespräche initiiert und strukturiert; …

    3)

    Sasol hat die Inhalte der technischen Treffen mindestens zeitweilig in bilateralen Kontakten weiterverfolgt;

    4)

    Sasol hat mindestens einmal eines der anderen beteiligten Unternehmen vertreten (siehe Randnummer [129]).

    (683)

    Das Argument, dass Sasol die Treffen nur einberufen und organisiert und nur den technischen Teil der Treffen geleitet hätte. kann nicht anerkannt werden. Es liegen keine Anzeichen dafür vor, dass Sasol die eigene führende Rolle aufgegeben hätte, wenn sich die Gespräche in den technischen Treffen auf wettbewerbswidrige Themen verlagerten, die ein wesentlicher Bestandteil dieser technischen Treffen waren; Sasol selbst räumt ein, dass [sie] die Preisgespräche initiiert habe. … Aus keinem der Vermerke aus dem betreffenden Zeitraum ist zu entnehmen, dass sich die Struktur der beiden Teile der Treffen geändert hätte. Die Kommission ist daher in jedem Fall der Ansicht, dass beide Teile der Treffen eng miteinander in Zusammenhang standen und dass eine eindeutige Unterscheidung zwischen beiden Teilen nicht möglich ist. Schließlich haben auch die übrigen Teilnehmer der technischen Treffen Sasol als Anführer des Kartells gesehen. Dies geht insbesondere aus der E-Mail hervor, mit der der Vertreter von ExxonMobil die Beteiligung von ExxonMobil am Kartell aufkündigen wollte (siehe Randnummer [600]). Es liegen keine Anzeichen dafür vor, dass Sasol jemals versucht hätte, dem Eindruck der anderen Teilnehmer entgegenzutreten, dass Sasol im Kartell die Führung innehatte. Dass Sasol möglicherweise von den Lieferungen der übrigen Unternehmen abhängig war, schließt nicht aus, dass Sasol im Kartell eine führende Rolle spielte. Da Sasol führend auf dem Markt für Paraffinwachse war, ist die Abhängigkeit von den Lieferungen nur ein Aspekt der bestehenden Situation; weitere Aspekte sind, dass Sasol in gewissem Umfang in der Lage war, Einfluss auf den Markt für Paraffinwachse zu nehmen und dass Sasol ein mächtiger Abnehmer war. Gemessen am weltweiten Umsatz waren Sasol und die Rechtsvorgänger von Sasol im Vergleich zu anderen Adressaten dieser Entscheidung vielleicht klein; dabei darf jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass Sasol gemessen am Umsatz der wichtigste Teilnehmer auf dem Markt für Paraffinwachse ist. Die Feststellung einer führenden Rolle setzt auch nicht voraus, dass das betreffende Unternehmen wirtschaftlich unabhängig von seinen Wettbewerbern gewesen wäre oder dass das Unternehmen Druck auf seine Wettbewerber hätte ausüben können. Ebenso wenig verlangt die Rechtsprechung hierzu, dass der Anführer den übrigen Mitgliedern ein Verhalten aufzwingt. … Daher ist die Kommission nicht der Ansicht, dass die Zuschreibung der führenden Rolle durch die von Sasol zitierten Aussagen widerlegt wird.

    (684)

    Da die führende Rolle von Sasol in Bezug auf Paraffingatsch nicht nachgewiesen werden kann, gelangt die Kommission zu dem Ergebnis, dass der erschwerende Umstand der Übernahme einer führenden Rolle nur in Bezug auf die übrigen von dieser Zuwiderhandlung betroffenen Produkte als gegeben betrachtet werden kann.

    (685)

    Insoweit Sasol die Ansicht vorträgt, dass andere Unternehmen eine führende Rolle in bestimmten Zeiträumen oder im Zusammenhang mit bestimmten Merkmalen der Zuwiderhandlung gespielt hätten, stellt die Kommission fest, dass diese Darstellungen nicht mit Beweismitteln begründet werden und daher nicht berücksichtigt werden können.

    (686)

    Aus den genannten Gründen sollte der Grundbetrag der Geldbuße für Sasol um 50 % des aufgrund der Umsätze von Sasol mit voll- und halbraffinierten Paraffinwachsen, Wachsmischungen. Spezialwachsen, Hydrowachs und Hartwachsen ermittelten Anteils am Grundbetrag erhöht werden.“

    Zum von der Rechtsprechung vorgegebenen Rahmen

    355

    Nach ständiger Rechtsprechung ist, wenn eine Zuwiderhandlung von mehreren Unternehmen begangen wurde, im Rahmen der Bemessung der Geldbuße ihre jeweilige Rolle bei der Zuwiderhandlung während der Dauer ihrer Beteiligung daran zu ermitteln (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Anic Partecipazioni, oben in Rn. 252 angeführt, Rn. 150). Daraus folgt u. a., dass die von einem oder mehreren Unternehmen gespielte Rolle des „Anführers“ im Rahmen eines Kartells bei der Bemessung der Geldbuße zu berücksichtigen ist, da die Unternehmen, die eine solche Rolle gespielt haben, im Verhältnis zu den anderen Unternehmen eine besondere Verantwortung tragen müssen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 16. November 2000, Finnboard/Kommission, C-298/98 P, Slg. 2000, I-10157, Rn. 45).

    356

    Im Einklang mit diesen Grundsätzen enthält Ziff. 28 der Leitlinien von 2006 unter der Überschrift „Erschwerende Umstände“ eine nicht abschließende Aufzählung von Umständen, die zu einer Erhöhung des Grundbetrags der Geldbuße führen können; dazu gehört die Rolle als Anführer des Verstoßes (vgl. entsprechend Urteile des Gerichts vom 15. März 2006, BASF/Kommission, T-15/02, Slg. 2006, II-497, Rn. 280 bis 282, und vom 27. September 2012, Shell Petroleum u. a./Kommission, T‑343/06, Rn. 197).

    357

    Um als Anführer eines Kartells eingestuft werden zu können, muss ein Unternehmen eine wichtige Antriebskraft für das Kartell gewesen sein oder eine besondere, konkrete Verantwortung für dessen Funktionieren getragen haben. Dieser Umstand ist im Rahmen einer Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung des Kontexts des betreffenden Falls zu bewerten. Sein Vorliegen ist u. a. daraus zu folgern, dass das Unternehmen dem Kartell durch punktuelle Initiativen spontan einen grundlegenden Impuls gegeben hat, oder aus einer Gesamtheit von Indizien zu schließen, die das Bestreben des Unternehmens zeigen, die Stabilität und den Erfolg des Kartells zu sichern (Urteile BASF/Kommission, oben in Rn. 356 angeführt, Rn. 299, 300, 351, 370 bis 375 und 427, sowie Shell Petroleum u. a./Kommission, oben in Rn. 356 angeführt, Rn. 198).

    358

    Dieser Fall liegt vor, wenn das Unternehmen an den Treffen des Kartells im Namen eines anderen Unternehmens teilgenommen hat, das dabei nicht anwesend war, und dieses von den Ergebnissen dieser Treffen unterrichtet hat. Das Gleiche gilt, wenn erwiesen ist, dass das betroffene Unternehmen im Rahmen der konkreten Betätigung des Kartells eine zentrale Rolle etwa dadurch spielte, dass es zahlreiche Treffen organisierte, die Informationen innerhalb des Kartells entgegennahm und verteilte und die meisten Vorschläge zur Arbeitsweise des Kartells machte (Urteile BASF/Kommission, oben in Rn. 356 angeführt, Rn. 404, 439 und 461, sowie Shell Petroleum u. a./Kommission, oben in Rn. 356 angeführt, Rn. 199). Bei der Feststellung einer solchen zentralen Rolle sind auch der Vorsitz bei den Treffen sowie das Ergreifen von Initiative mit dem Ziel, das Kartell zu errichten oder einen neuen Teilnehmer zu einem Beitritt zu bewegen, relevant (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 8. September 2010, Deltafina/Kommission, T-29/05, Slg. 2010, II-4077, Rn. 333 und 335).

    359

    Hingegen ist es nicht zwingend Voraussetzung für die Einstufung eines Unternehmens als Anführer eines Kartells, dass das Unternehmen Druck ausgeübt oder sogar das Verhalten der anderen Kartellmitglieder bestimmt hat. Auch die Marktstellung eines Unternehmens oder seine Ressourcen können keine Indizien für eine Rolle als Anführer des Verstoßes darstellen, auch wenn sie zum Kontext gehören, unter dessen Berücksichtigung solche Indizien zu bewerten sind (Urteile des Gerichts vom 27. September 2012, Koninklijke Wegenbouw Stevin/Kommission, T‑357/06, Rn. 286, und Shell Petroleum u. a./Kommission, oben in Rn. 356 angeführt, Rn. 201; vgl. in diesem Sinne auch Urteil BASF/Kommission, oben in Rn. 356 angeführt, Rn. 299 und 374).

    360

    Außerdem muss die Kommission nach der Rechtsprechung in Anbetracht der erheblichen Auswirkungen auf die Höhe der gegen den Anführer des Kartells festzusetzenden Geldbuße in der Mitteilung der Beschwerdepunkte die Elemente anführen, die nach ihrer Ansicht das beschuldigte Unternehmen, das als Anführer angesehen werden könnte, benötigt, um auf einen solchen Beschwerdepunkt erwidern zu können. Da jedoch eine solche Mitteilung eine Vorstufe zum Erlass der endgültigen Entscheidung bleibt und damit nicht den endgültigen Standpunkt der Kommission darstellt, kann nicht verlangt werden, dass diese bereits zu diesem Zeitpunkt eine rechtliche Bewertung der Elemente vornimmt, auf die sie sich in der endgültigen Entscheidung stützen wird, um ein Unternehmen als Anführer des Kartells einzustufen (Urteil des Gerichtshofs vom 9. Juli 2009, Archer Daniels Midland/Kommission, C-511/06 P, Slg. 2009, I-5843, Rn. 70 und 71).

    361

    Schließlich ist festzustellen, dass die Passagen der Unterlagen und Erklärungen, die von der Kommission gegebenenfalls weder in der angefochtenen Entscheidung noch in der Mitteilung der Beschwerdepunkte ausdrücklich angeführt wurden, vom Gericht im Rahmen der Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung dennoch berücksichtigt werden dürfen, sofern diese Unterlagen und Erklärungen den Klägerinnen nach der Mitteilung der Beschwerdepunkte im Verwaltungsverfahren zugänglich gemacht wurden (Urteil des Gerichtshofs vom 16. November 2000, SCA Holding/Kommission, C-297/98 P, Slg. 2000, I-10101, Rn. 55; vgl. in diesem Sinne Urteile BASF/Kommission, oben in Rn. 356 angeführt, Rn. 354, und Shell Petroleum u. a./Kommission, oben in Rn. 356 angeführt, Rn. 176).

    Zur Beachtung der Begründungspflicht hinsichtlich der Feststellung der Anführerrolle von Sasol

    362

    Die Klägerinnen sind der Auffassung, die Kommission habe ihre Feststellung, dass Sasol eine Anführerrolle im Kartell gespielt habe, nicht hinreichend begründet.

    363

    Nach ständiger Rechtsprechung muss die Begründung einer Einzelfallentscheidung die Überlegungen des Unionsorgans, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und das zuständige Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann. Das Begründungserfordernis ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen. In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich oder rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts den Erfordernissen des Art. 253 EG genügt, nicht nur anhand seines Wortlauts zu beurteilen ist, sondern auch anhand seines Kontexts sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 2. April 1998, Kommission/Sytraval und Brink’s France, C-367/95 P, Slg. 1998, I-1719, Rn. 63 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    364

    Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die Kommission in den Erwägungsgründen 681 bis 686 der angefochtenen Entscheidung mit hinreichender Genauigkeit die Umstände darlegt, auf die sie sich bei der Einstufung von Sasol als Anführer des die Paraffinwachse betreffenden Teils der Zuwiderhandlung stützt. Die Kommission legt nämlich den insoweit als relevant angesehenen Sachverhalt dar und nennt die Unterlagen zur Stützung dieser Tatsachenfeststellungen.

    365

    Daher ist die Rüge einer unzureichenden Begründung als unbegründet zurückzuweisen.

    Zur Würdigung der von der Kommission zur Stützung der Feststellung der Anführerrolle von Sasol zusammengetragenen Gesichtspunkte in der Sache

    366

    Zunächst sind die Klägerinnen der Ansicht, die in der angefochtenen Entscheidung zusammengetragenen Gesichtspunkte könnten die Feststellung nicht stützen, wonach Sasol Anführer des Kartells gewesen sei, so dass die Kommission insoweit einen Beurteilungsfehler und einen Rechtsfehler begangen habe.

    367

    Erstens sind die im 682. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung angeführten Gesichtspunkte zu prüfen, wonach Sasol fast alle technischen Treffen durch den Versand von Einladungen und unter Empfehlung von Tagesordnungen für diese Treffen einberufen und viele Treffen organisiert habe (durch Reservierung von Hotelzimmern, Anmietung von Besprechungsräumen und Bestellung von Abendessen), und wonach Sasol in diesen Treffen die Leitung übernommen und die Preisgespräche initiiert und strukturiert habe.

    368

    Die Klägerinnen bestreiten die oben angeführten Tatsachen nicht.

    369

    Sie machen hingegen geltend, dass Sasol nicht die Tagesordnung betreffend die Besprechung des Kartells, sondern nur für den technischen und rechtmäßigen Teil der Treffen festgelegt habe. Außerdem seien Zeitpunkt und Ort der Treffen des „Blauen Salons“ nicht einseitig von Sasol festgelegt, sondern von sämtlichen Beteiligten beschlossen worden.

    370

    Überdies habe Sasol in keiner Weise die Preisgespräche der Kartellbeteiligten organisiert oder strukturiert. Nachdem Sasol den technischen Teil des Treffens geleitet habe, habe sie allgemein die Diskussion über die Preise begonnen, die Preisfestsetzung sei aber sodann offen diskutiert und die Entscheidungen hierzu seien von sämtlichen Beteiligten in Form einer offenen „Tischumfrage“ getroffen worden. Nichts deute darauf hin, dass Sasol den geringsten Druck auf einen der anderen Beteiligten ausgeübt habe, um ein bestimmtes Ergebnis der Gespräche zu erlangen.

    371

    Nach Ansicht des Gerichts kann das Vorbringen der Klägerinnen die Bedeutung der Tatsache nicht mindern, dass Sasol fast alle technischen Treffen einberufen, die Einladungen an die Beteiligten versandt, Hotelzimmer reserviert, Besprechungsräume angemietet und Abendessen bestellt hat. Dies zeigt, dass in praktischer Hinsicht Sasol Organisator der wettbewerbswidrigen Zusammenkünfte war.

    372

    Außerdem hat die Tatsache, dass Sasol die Einladungen versandte, eine besondere, über die praktische Organisation hinausgehende Bedeutung, da, wenn einige Kartellbeteiligte bei einem oder mehreren aufeinanderfolgenden technischen Treffen abwesend waren und daher Ort und Zeitpunkt des nächsten technischen Treffens nicht vor Ort erfahren hatten, sie an den weiteren Treffen auf Einladung von Sasol teilnehmen konnten.

    373

    Ebenso deutet die Tatsache, dass Sasol die Tagesordnung zumindest für den technischen und rechtmäßigen Teil der Gespräche festgelegt hat, auf eine gewisse Vorrangstellung unter den Teilnehmern der technischen Treffen hin, die die Autorität von Sasol verstärken konnte, die sie als größter Paraffinwachshersteller im EWR mit einem Marktanteil von 22,4 % im Jahr 2004 bereits hatte.

    374

    Überdies ist auch die Tatsache von Bedeutung, dass Sasol im Allgemeinen die Diskussion über die Preise begonnen hat, da es daher im Allgemeinen Sasol war, die die Wendung von den rechtmäßigen technischen Gesprächen zu den wettbewerbswidrigen Gesprächen veranlasste. Selbst wenn es keine Hinweise auf wettbewerbswidrige Gespräche in der von Sasol festgelegten Tagesordnung gibt, was eine natürliche Folge der Heimlichkeit von Kartellen ist, bestimmte daher im Allgemeinen Sasol den Platz, den die wettbewerbswidrigen Gespräche unter den besprochenen Themen einnahm. Darüber hinaus ergibt sich aus der Akte, dass Sasol im Allgemeinen als Erste den Zielpreis der Paraffinwachse oder das Ausmaß der Preiserhöhung sowie den Zeitpunkt des Beginns der Anwendung der neuen Preise gegenüber Kunden ankündigte.

    375

    Im Übrigen ist es nach der oben in Rn. 359 angeführten Rechtsprechung nicht zwingend Voraussetzung für die Einstufung eines Unternehmens als Anführer eines Kartells, dass das Unternehmen Druck ausgeübt oder sogar das Verhalten der anderen Kartellmitglieder bestimmt hat. Daher können sich die Klägerinnen nicht mit Erfolg darauf berufen, dass Sasol bei den technischen Treffen keinen Druck auf die übrigen Teilnehmer ausgeübt habe.

    376

    Zweitens bestreiten die Klägerinnen nicht, dass Sasol mindestens einmal eines der anderen beteiligten Unternehmen, nämlich Wintershall, vertreten hat. Außerdem informierte Sasol die anderen Kartellbeteiligten, deren Vertreter an einem Treffen nicht hatten teilnehmen können, über dessen Ergebnisse, wie im 103. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung und in Rn. 185 des Anhangs der angefochtenen Entscheidung hinsichtlich MOL, ENI und Repsol belegt wird.

    377

    Drittens weist die Kommission im 683. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung auch darauf hin, dass die übrigen Teilnehmer der technischen Treffen Sasol als Anführer des Kartells gesehen hätten. Dies gehe insbesondere aus der E-Mail hervor, mit der der Vertreter von ExxonMobil deren Beteiligung am Kartell aufkündigen wollte.

    378

    Nach Auffassung der Klägerinnen untermauern die von der Kommission zusammengetragenen Beweise nicht die Schlussfolgerungen Letzterer, dass die übrigen Teilnehmer Sasol als Anführer des Kartells gesehen hätten. Die E-Mail von ExxonMobil sei nur deswegen an Sasol gerichtet gewesen, weil Letztere die vorhergehende E-Mail mit der Tagesordnung des vorgeschlagenen Treffens versandt habe.

    379

    Die E-Mail von ExxonMobil wird im 600. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung geprüft. Die Kommission stellt Folgendes fest:

    „ExxonMobil erklärt, das letzte Treffen, an dem ein Vertreter von ExxonMobil teilgenommen habe, sei das technische Treffen am 27. und 28. Februar 2003 in München gewesen. … Auf die von Herrn [M.] (Sasol) geschickte Einladung zum Treffen am 15. Januar 2004 antwortete Herr [Hu.] (ExxonMobil) unter anderem: ‚The agenda items seems to be of interest to us. However, as we understand this group of competitors meets without the support of an industry trade association [a]nd therefore without a structure und statutes. We feel uncomfortable with this und would like to suggest to bring these meetings under the umbrella of the EWF either as part of the technical committee, or as a separate sub committee. ExxonMobil will not attend this meeting without the support of a statuted industrial trade association.‘ [Die Tagesordnung scheint interessant für uns zu sein. Uns scheint allerdings, dass diese Gruppe von Wettbewerbern ohne die Unterstützung eines Industrieverbands und daher ohne Struktur und Satzung zusammenkommt. Wir würden uns dabei nicht recht wohl fühlen und möchten vorschlagen, diese Treffen unter dem Dach des EWF entweder als Bestandteil des technischen Ausschusses oder als getrennten Unterausschuss durchzuführen. Ohne die Unterstützung eines rechtmäßig konstituierten Industrieverbandes wird ExxonMobil an diesem Treffen nicht teilnehmen.]“

    380

    Zum Inhalt dieser E-Mail stellt das Gericht fest, dass der Hinweis auf Treffen einer „Gruppe von Wettbewerbern ohne die Unterstützung eines Industrieverbands“ nahelegt, dass ExxonMobil seine Beteiligung am Kartell aufkündigen wollte, wie die Kommission im Übrigen zutreffend festgestellt hat. Der Gebrauch einer deutlicheren Sprache wäre aufgrund der Heimlichkeit von Kartellen und der sich aus dem ausdrücklichen Hinweis auf wettbewerbswidrige Handlungen in einer E-Mail ergebenden Gefahr einer Geldbuße nicht vernünftig gewesen.

    381

    Die Tatsache, dass diese E-Mail nur an Sasol und nicht an alle Beteiligten gerichtet war, deutet ohne vernünftigen Zweifel darauf hin, dass ExxonMobil Sasol als Anführer des Kartells ansah.

    382

    Die Erklärungen von Shell und Sasol, auf die sich der 107. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung bezieht, enthalten übereinstimmende Hinweise, soweit die beiden Unternehmen ausführten, dass die Treffen im Allgemeinen vom Vertreter von Sasol organisiert und geleitet worden seien.

    383

    Daher ist das Vorbringen der Klägerinnen insoweit zurückzuweisen und die Feststellung der Kommission, dass die übrigen Teilnehmer Sasol als Anführer des Kartells gesehen hätten, zu bestätigen.

    384

    Nach alledem ist festzustellen, dass die Kommission eine Reihe von übereinstimmenden Beweisen zusammengetragen hat, die im Hinblick auf den von der Rechtsprechung vorgegebenen Rahmen die Schlussfolgerung rechtfertigt, dass Sasol eine wichtige Antriebskraft für das Kartell war und eine besondere, konkrete Verantwortung für dessen Funktionieren trug, so dass die Kommission zutreffend festgestellt hat, dass Sasol der Anführer der die Paraffinwachse betreffenden Teile des Kartells war.

    385

    Das weitere Vorbringen der Klägerinnen kann diese Feststellung nicht in Frage stellen.

    386

    Erstens ist den Klägerinnen zufolge der einzige Unterschied zwischen Sasol und den übrigen Teilnehmern die Tatsache, dass Sasol die Treffen organisiert und geleitet habe, dass sie meist die Preisgespräche und die Umsetzung der vereinbarten Preiserhöhungen initiiert habe und dass sie im Allgemeinen die Erste gewesen sei, die die mit sämtlichen Teilnehmern vereinbarten Preise umgesetzt habe.

    387

    Zunächst ist festzustellen, dass sich die angefochtene Entscheidung nicht nur auf diese Feststellungen stützt, wie im Übrigen aus obiger Prüfung hervorgeht.

    388

    Sodann liegen, wie die Kommission zutreffend bemerkt, zu keinem anderen Unternehmen so viele Umstände vor, die zum Nachweis seiner Anführerrolle beitragen, wie zu Sasol. Es ergibt sich nämlich aus dem Anhang der angefochtenen Entscheidung, dass ausdrückliche Beweise für von den übrigen Teilnehmern organisierte Treffen nur für fünf ‐ im vorliegenden Fall eines von MOL, drei von Total und eines von Shell ‐ von insgesamt 51 Treffen vorliegen, während mit E-Mail übermittelte Einladungen und Tagesordnungen erlauben, Sasol die Initiative für elf Treffen und für deren Organisation zuzurechnen.

    389

    Dieses Vorbringen ist somit zurückzuweisen.

    390

    Zweitens machen die Klägerinnen geltend, Sasol sei zur Leitung des Kartells nicht in der Lage gewesen, da sie von anderen vertikal integrierten Kartellbeteiligten abhängig gewesen sei, bei denen sie sich mit Paraffingatsch, dem Ausgangsmaterial von Paraffinwachsen, versorgt habe.

    391

    Dem kann nicht gefolgt werden. Der Marktanteil von Sasol auf dem Markt für Paraffinwachse im EWR betrug im Jahr 2004 22,4 %, so dass Sasol, wie die Klägerinnen einräumen, der wichtigste Lieferant von Paraffinwachsen und der „Marktführer“ war. Außerdem war Sasol ein bedeutender Abnehmer von Paraffingatsch, nämlich z. B., nach ihren eigenen Ausführungen, der bedeutendste Abnehmer von Paraffingatsch, das von Shell und ExxonMobil hergestellt wurde. Daher hatte Sasol aufgrund seiner Nachfragemacht eine starke Verhandlungsposition gegenüber den Paraffingatschherstellern. Im Übrigen wird die Tatsache, dass Sasol keinerlei Druck hinsichtlich des Preises von Paraffingatsch durch die vertikal integrierten Hersteller unterlag, dadurch hinreichend bewiesen, dass selbst der von ihr an deutsche Endabnehmer getätigte Wiederverkauf von Paraffingatsch eine gewinnbringende Geschäftstätigkeit war. Daraus ergibt sich, dass das wirtschaftliche Gewicht von Sasol unter den Kartellbeteiligten nicht dadurch beeinträchtigt wurde, dass Sasol nicht vertikal integriert war.

    392

    Drittens hätte die Kommission nach Auffassung der Klägerinnen nicht davon ausgehen dürfen, dass die wettbewerbswidrigen Vereinbarungen und Verhaltensweisen in Bezug auf Paraffingatsch und Paraffinwachse eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung dargestellt hätten und dass gleichzeitig die Anführerrolle von Sasol betreffend das Paraffingatsch nicht habe festgestellt werden können. Da es nicht möglich sei, ein Kartell nur teilweise anzuführen, habe die Kommission insoweit einen Beurteilungsfehler begangen.

    393

    Wie die Kommission zu Recht ausführt, unterliegen die Begriffe „einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung“ und „Anführer der Zuwiderhandlung“ nicht denselben Kriterien. Der Begriff „einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung“ beruht auf dem Gedanken eines einheitlichen wettbewerbswidrigen Ziels, während der Begriff „Anführer der Zuwiderhandlung“ auf der Tatsache beruht, dass ein Unternehmen eine bedeutende Antriebskraft innerhalb des Kartells ist.

    394

    Somit verpflichtet keine Rechtsvorschrift die Kommission zum Nachweis, dass sich die Anführerrolle von Sasol auf alle Teile der Zuwiderhandlung erstreckte. Im Gegenteil spiegelt die Tatsache, dass die Kommission die Anführerrolle von Sasol hinsichtlich des Teils betreffend Paraffingatsch trotz der Rolle von Sasol als Organisator der technischen Treffen, bei denen auch das Paraffingatsch besprochen wurde, nicht festgestellt hat, einen fairen Ansatz der Kommission wider.

    395

    Nach alledem ist festzustellen, dass die Kommission mehrere übereinstimmende Beweismittel beigebracht hat, die insgesamt den Schluss zulassen, dass Sasol eine wichtige Antriebskraft für das Kartell darstellte.

    396

    Daher hat die Kommission weder einen Beurteilungsfehler noch einen Rechtsfehler begangen, als sie auf der Grundlage eines Bündels von schlüssigen und übereinstimmenden Indizien zu dem Schluss gelangt ist, dass die Klägerinnen die Anführerrolle im Kartell im Bereich Paraffinwachs gespielt habe.

    397

    Folglich ist die vorliegende Rüge zurückzuweisen.

    Zum angeblich übermäßigen, unverhältnismäßigen und diskriminierenden Charakter der Erhöhung des Grundbetrags der Geldbuße um 50 % aufgrund der Anführerrolle

    398

    Die Klägerinnen sind der Auffassung, die Erhöhung des Grundbetrags der Geldbuße um 210 Mio. Euro sei übermäßig und unverhältnismäßig. Folglich beantragen sie, die Erhöhung der Geldbuße um 50 % für nichtig zu erklären oder zumindest die Höhe des Aufschlags erheblich herabzusetzen, so dass er die Schwere der von Sasol begangenen Zuwiderhandlung im Hinblick auf die von den anderen Kartellbeteiligten begangenen Zuwiderhandlungen angemessen und verhältnismäßig widerspiegle.

    399

    Erstens habe die Kommission die behauptete Anführerrolle von Sasol ausschließlich aus Umständen geschlossen, die in geringerem Umfang auch die anderen Kartellbeteiligten beträfen, so dass kein qualitativer Unterschied zwischen dem Kartellbeitrag von Sasol und dem der anderen Beteiligten bestehe. Daher habe die Kommission gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen, soweit sie diese Tatsachen nur Sasol und nicht den anderen Kartellbeteiligten zur Last gelegt habe.

    400

    Es ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission, wie sich aus der Prüfung oben in den Rn. 367 bis 396 ergibt, nachgewiesen hat, dass sich Sasol angesichts ihrer Rolle als Anführer im Kartell in einer anderen Situation befand als die anderen Beteiligten. Dieser Schluss war auf der Grundlage von quantitativen und qualitativen Elementen möglich, da bestimmte Verhaltensweisen, die auf die Anführerrolle hinweisen, nur Sasol vorgeworfen werden konnten. Die Kommission darf jedenfalls die Grundbeträge der gegen die verschiedenen Beteiligten verhängten Geldbuße differenzieren, indem sie die besondere Intensität der Organisationstätigkeiten eines einzelnen Beteiligten innerhalb des Kartells berücksichtigt.

    401

    Somit hat die Kommission in Anbetracht der besonderen Situation von Sasol im Verhältnis zu der der anderen Beteiligten nach der oben in Rn. 181 angeführten Rechtsprechung nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen.

    402

    Zweitens tragen die Klägerinnen vor, die von Sasol begangene Zuwiderhandlung sei nicht in einem Maße schwerer als die von den anderen Beteiligten begangene, das eine Erhöhung der Geldbuße um 50 % rechtfertigte. Die Finanzkraft von Sasol sei außerdem deutlich schwächer als die der anderen Kartellmitglieder, so dass sie bereits durch den Grundbetrag der Geldbuße wesentlich schwerer als alle anderen Kartellbeteiligten betroffen sei.

    403

    Der dem Grundbetrag der Geldbuße hinzugerechnete Aufschlagssatz von 50 % stelle 125 % des von Sasol Wax im EWR erzielten Jahresumsatzes von Paraffinwachsen dar. Das entspreche auch 75 % des kumulierten Grundbetrags der gegen alle anderen Kartellbeteiligten verhängten Geldbußen, obwohl der Marktanteil von Sasol Wax ungefähr 25 bis 30 % betrage.

    404

    Nach der Rechtsprechung muss die Geldbuße angepasst werden, um der gewünschten Auswirkung auf das Unternehmen, gegen das sie verhängt wird, Rechnung zu tragen, damit sie in Einklang mit den Anforderungen, die sich aus der Notwendigkeit, ihre Wirksamkeit zu gewährleisten, und der Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ergeben, insbesondere im Hinblick auf die Finanzkraft des betreffenden Unternehmens weder zu niedrig noch zu hoch ausfällt (Urteile des Gerichts Degussa/Kommission, oben in Rn. 203 angeführt, Rn. 283, und vom 18. Juni 2008, Hoechst/Kommission, T-410/03, Slg. 2008, II-881, Rn. 379).

    405

    Nach der oben in Rn. 316 angeführten Rechtsprechung bedeutet die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, dass die Geldbußen nicht außer Verhältnis zu den angestrebten Zielen – d. h. zur Beachtung der Wettbewerbsregeln der Union – stehen dürfen und die einem Unternehmen wegen einer Zuwiderhandlung im Bereich des Wettbewerbs auferlegte Geldbuße so zu bemessen ist, dass sie bei einer Gesamtwürdigung der Zuwiderhandlung unter besonderer Berücksichtigung ihrer Schwere und Dauer in angemessenem Verhältnis zu ihr steht. Insbesondere bedeutet dies, dass die Kommission die Geldbuße verhältnismäßig nach den Gesichtspunkten festsetzen muss, die sie für die Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung berücksichtigt hat, und dass sie diese Gesichtspunkte dabei schlüssig und objektiv gerechtfertigt bewerten muss.

    406

    Im vorliegenden Fall ist darauf hinzuweisen, dass sich die Tatsache, dass der Grundbetrag der Geldbuße 125 % des von Sasol Wax im EWR erzielten Jahresumsatzes von Paraffinwachsen darstellt, im Wesentlichen aus dem bloßen Umstand ergibt, dass sie 13 Jahre am Kartell beteiligt war und die Dauer der Beteiligung ein auf den Umsatz angewandter Multiplikator ist.

    407

    Ebenso erklärt sich die Tatsache, dass die Erhöhung aufgrund der Anführerrolle 75 % des kumulierten Grundbetrags der über alle anderen Kartellmitglieder verhängten Geldbußen entspricht, aus dem Umstand, dass Sasol, Marktführer für Paraffinwachse mit einem Marktanteil von 22,4 %, viel höhere Umsätze erzielte als die anderen Beteiligten.

    408

    Keiner der von den Klägerinnen angestellten Vergleiche betrifft daher die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Erhöhung des Grundbetrags um 50 % aufgrund der Rolle als Anführer des Kartells.

    409

    Dagegen hat das Gericht in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung unter Umständen, die denen des vorliegenden Falls entsprechen, bereits bestätigt, dass eine Erhöhung des Grundbetrags der Geldbuße um 50 % den zusätzlichen schädlichen Charakter der Zuwiderhandlung aufgrund der Rolle als Anführer des Kartells angemessen widerspiegelte (Urteil Koninklijke Wegenbouw Stevin/Kommission, oben in Rn. 359 angeführt, Rn. 302).

    410

    Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Erhöhung des Grundbetrags der Geldbuße nicht die Frage der Finanzkraft des für die Zuwiderhandlung zur Verantwortung gezogenen Unternehmens betrifft. Das dazu bei der Berechnung verwendete Element ist die Obergrenze des Gesamtbetrags der Geldbuße von 10 % des Jahresumsatzes des Unternehmens. Die diesbezüglich von den Klägerinnen vorgetragenen Argumente gehen daher ins Leere.

    411

    Folglich ist nach den Umständen des vorliegenden Falls und den von der Kommission zusammengetragenen Gesichtspunkten, die die Rolle von Sasol als Anführer des Kartells belegen, festzustellen, dass die Kommission nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen und den Grundbetrag der Geldbuße nicht übermäßig erhöht hat, indem sie eine Erhöhung dieses Grundbetrags um 50 % aufgrund dieser Anführerrolle angewandt hat.

    412

    Somit sind die Rügen eines Verstoßes gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit zurückzuweisen.

    413

    Nach alledem ist der fünfte Klagegrund in vollem Umfang zurückzuweisen.

    6. Zum siebten Klagegrund: kein vollständiger Erlass bestimmter Teile der Geldbuße gegenüber Sasol

    414

    Die Klägerinnen machen geltend, die Kommission habe einen Rechtsfehler begangen und gegen Rn. 23 der Kronzeugenregelung von 2002 verstoßen, indem sie die gegen Sasol zu verhängende Geldbuße auf mehrere Umstände gestützt habe, die Letztere freiwillig geliefert habe, von denen die Kommission vor den Erklärungen von Sasol keine Kenntnis gehabt habe und die wesentliche und unmittelbare Auswirkungen auf die Schwere und die Dauer der Zuwiderhandlung gehabt hätten.

    415

    Im 741. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung ist die Kommission zu dem Ergebnis gekommen, dass die von Sasol nach den Nachprüfungen mit zwei im April und im Mai 2005 eingereichten Schreiben und deren Anhängen vorgelegten Beweismittel einen erheblichen Mehrwert gemäß der Kronzeugenregelung von 2002 darstellten, da sie es der Kommission erleichterten, die Sachverhalte im Zusammenhang mit diesem Kartell zu beweisen.

    416

    Außerdem stellt die Kommission im 743. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung fest, dass der erste Beleg, der unmittelbare Auswirkungen auf die Bestimmung der Dauer des Kartells gehabt habe, nicht von Sasol vorgelegt, sondern bei den Nachprüfungen gefunden worden sei (nämlich die MOL-Vermerke und die Informationsvermerke über den „Blauen Salon“ von Sasol) bzw. im Kronzeugenantrag von Shell enthalten gewesen seien.

    417

    Laut dem 749. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung wandte die Kommission auf dieser Grundlage eine Ermäßigung der gegen Sasol verhängten Geldbuße von 50 % an, d. h. den höchsten Ermäßigungssatz, der nach der Kronzeugenregelung von 2002 einem Unternehmen gewährt werden kann, das nicht als erstes das Bestehen eines Kartells aufdeckt; im vorliegenden Fall sei dies Shell gewesen.

    Zum ersten Teil betreffend die technischen Treffen vor dem Jahr 2000

    418

    Die Klägerinnen machen geltend, das am weitesten zurückliegende Treffen, das von Shell in seinem Antrag auf Anwendung der Kronzeugenregelung angeführt sei, sei das, das am 3. und 4. Februar 2000 in Budapest stattgefunden habe. Die Erklärung von Shell habe keinen konkreten Beweis für die Treffen enthalten, die davor stattgefunden hätten. Daher habe sich die Kommission für den Nachweis bestimmter Treffen, insbesondere im Zeitraum von 1995 bis 2000, auf die Erklärungen von Sasol stützen müssen.

    419

    Was die bei den Nachprüfungen gefundenen MOL-Vermerke und die Informationsvermerke über den „Blauen Salon“ betreffe, die somit frühere Beweise als die freiwilligen Angaben von Sasol darstellten, sind die Klägerinnen der Ansicht, dass diese Quellen nicht alle in der Entscheidung der Kommission angeführten Treffen umfassten und dass die meisten Angaben in diesen Vermerken nicht deutlich genug gewesen seien, um die Dauer der Zuwiderhandlung zu beweisen. Außerdem beziehen sich die Klägerinnen auf sieben technische Treffen, die zwischen 1996 und 2001 stattgefunden hätten und deren wesentliche Umstände wie Zeitpunkt, Ort, Identität der Teilnehmer und wettbewerbswidrige Inhalte von der Kommission mit der nötigen Gewissheit nur durch die Anträge von Sasol auf Anwendung der Kronzeugenregelung hätten festgestellt werden können.

    420

    Daher habe die Kommission das Vorliegen einer Zuwiderhandlung zwischen 1992 und 1999 aufgrund der von Sasol gemachten Angaben rechtlich hinreichend nachweisen können. Folglich beantragen sie, die angefochtene Entscheidung abzuändern und ihnen die Geldbuße für den Teil der Zuwiderhandlung, der sich auf den Zeitraum von 1992 bis 1999 bezieht, zu erlassen.

    421

    Es ist festzustellen, dass das Vorbringen der Klägerinnen weder durch den Inhalt der angefochtenen Entscheidung noch durch die darin angeführten Dokumente erhärtet wird.

    422

    Erstens hat die Kommission, was den Zeitraum vom ersten Treffen im Jahr 1992 bis zum achten Treffen am 27. Januar 1995 betrifft, über Informationen über das Kartell aus anderen Quellen als den Antrag von Sasol auf Anwendung der Kronzeugenregelung, nämlich aus den bei den Nachprüfungen gefundenen MOL-Vermerken und Informationsvermerken über den „Blauen Salon“ von Sasol, verfügt. Es handelt sich um die technischen Treffen vom 3. und 4. September 1992 (126. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung), vom 26. März 1993 (129. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung), vom 2. Juni 1993 (130. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung), vom 25. Oktober 1993 (131. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung), vom 24. Juni 1994 (132. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung), vom 30. September 1994 (133. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung) und vom 27. Januar 1995 (134. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Durch die MOL-Vermerke zu diesen Treffen und die Informationsvermerke über den „Blauen Salon“, die in der angefochtenen Entscheidung angeführt werden, konnte die Kommission die Identität der Teilnehmer, Zeitpunkt und Ort der Treffen und bei den meisten sogar den Inhalt der Gespräche sowie ihre wettbewerbswidrige Natur feststellen.

    423

    Was den Zeitraum vom neunten Treffen am 16. und 17. März 1995 bis zum 22. Treffen am 27. und 28. Oktober 1999 betrifft, konnte die Kommission durch die Erklärungen von Sasol nur von drei Treffen, nämlich dem vom 12. und 13. Januar 1999 (150. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung), dem vom 2. und 3. März 1999 (151. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung) und dem vom 23. und 24. September 1999 (155. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung), Kenntnis erlangen. Dagegen konnte die Kommission vier Treffen, nämlich die vom 22. und 23. Juni 1995 (136. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung), 14. und 15. Mai 1996 (140. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung), 12. und 13. Februar 1998 (146. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung) und 8. und 9. Juli 1999 (154. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung), aufgrund der bei den Nachprüfungen gefundenen MOL-Vermerke feststellen. Außerdem konnte die Kommission auch den Inhalt zweier dieser Treffen aufgrund der bei den Nachprüfungen gesammelten Beweise rekonstruieren.

    424

    Daraus folgt, dass die Beweise, die der Kommission vor der Abgabe der Erklärungen von Sasol vorgelegen haben, ihr gestattet haben, das Vorliegen der Zuwiderhandlung für den Zeitraum vor dem 3. Februar 2000 festzustellen. Somit treffen die Behauptungen der Klägerinnen in tatsächlicher Hinsicht nicht zu.

    425

    Zweitens können sich die Klägerinnen auch nicht auf den lückenhaften Charakter der Informationen in den MOL-Vermerken und den Informationsvermerken über den „Blauen Salon“ berufen.

    426

    Die Vermerke von MOL sind handschriftliche Notizen, die während der Treffen von einem Teilnehmer gemacht wurden, und sie sind strukturiert und ziemlich detailliert. Folglich kommt ihnen ein sehr hoher Beweiswert zu. Was die Protokolle von Sasol über die Treffen „Blauer Salon“ anbelangt, handelt es sich um Dokumente aus dem Zeitraum der Zuwiderhandlung, die in tempore non suspecto, d. h. kurz nach dem jeweiligen technischen Treffen erstellt worden sind. Somit ist ihr Beweiswert hoch.

    427

    Außerdem kann nach der oben in Rn. 230 angeführten Rechtsprechung aufgrund der Heimlichkeit von Kartellen von der Kommission nicht verlangt werden, dass sie Beweisstücke vorlegt, die eine Kontaktaufnahme zwischen den betreffenden Wirtschaftsteilnehmern explizit bestätigen. Die lückenhaften und vereinzelten Beweiselemente, über die die Kommission gegebenenfalls verfügt, müssen jedenfalls durch Schlussfolgerungen ergänzt werden können, die die Rekonstruktion der relevanten Umstände ermöglichen. Das Vorliegen einer wettbewerbswidrigen Verhaltensweise oder Vereinbarung kann folglich aus einer Reihe von Koinzidenzen und Indizien abgeleitet werden, die bei einer Gesamtbetrachtung mangels einer anderen schlüssigen Erklärung den Beweis für eine Verletzung der Wettbewerbsregeln darstellen können.

    428

    Die oben angeführten Vermerke und Protokolle stellen jedoch eine Reihe von Beweisen dar, auf die die Kommission zu Recht die Feststellung stützen konnte, dass das Kartell schon von 1992 bis 1999 bestand.

    429

    Zwar haben die beiden Schreiben von Sasol die Arbeit der Kommission erleichtert, indem sie zusätzliche Beweise und Klarstellungen zur Auslegung der anderen verfügbaren Beweise lieferten. Dieser Beitrag spiegelt sich hingegen in der Sasol wegen ihrer Zusammenarbeit gewährten Herabsetzung der Geldbuße um 50 % angemessen wider.

    430

    Daher ist der erste Teil des siebten Klagegrundes zurückzuweisen.

    Zum zweiten Teil: Aufteilung der Märkte und Kunden

    431

    Nach dem 653. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung wurde aufgrund der Feststellung, dass sich ExxonMobil, MOL, Repsol, RWE, Sasol, Shell und Total auch an einer Aufteilung von Kunden und/oder Märkten beteiligt hätten, die den zweiten Teil der Zuwiderhandlung dargestellt habe, der Anteil des für diese Unternehmen anzunehmenden Umsatzes auf 18 % statt 17 % festgesetzt, dem Prozentsatz, der auf die Unternehmen angewandt worden sei, die nur am ersten Teil der Zuwiderhandlung beteiligt gewesen seien.

    432

    Die Klägerinnen bringen vor, die vor ihren Erklärungen diesbezüglich von Shell übermittelten Informationen seien laut dem 741. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung unvollständig gewesen. Ebenso ergäben sich die detaillierten Beweise über die Aufteilung von Kunden und/oder Märkten aus den Erklärungen von Sasol vom 30. April und 12. Mai 2005.

    433

    Hierzu genügt der Hinweis, dass die Umstände, die klar auf eine Aufteilung der Kunden bei den technischen Treffen hindeuten, in den in den Erwägungsgründen 145 und 147 der angefochtenen Entscheidung angeführten MOL-Vermerken, in einem im 168. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung angeführten Informationsvermerk von Sasol und in einem im 170. Erwägungsgrund dieser Entscheidung genannten Vermerk von Total enthalten waren. Diese Beweise waren bei den Nachprüfungen, d. h. vor der Abgabe der Erklärungen von Sasol, erlangt worden.

    434

    Somit treffen die Behauptungen der Klägerinnen in tatsächlicher Hinsicht nicht zu.

    435

    Zum lückenhaften Charakter der Informationen in diesen Vermerken genügt es, auf die in den Rn. 426 und 427 ausgeführten Erwägungen zu verweisen.

    436

    Nach alledem ist der zweite Teil und damit der siebte Klagegrund insgesamt zurückzuweisen.

    Zur Ausübung der Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung und zur Festsetzung des endgültigen Betrags der Geldbuße

    437

    Die Kontrolle der Rechtmäßigkeit der von der Kommission erlassenen Entscheidungen wird durch die Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung ergänzt, die den Unionsgerichten in Art. 31 der Verordnung Nr. 1/2003 gemäß Art. 229 EG und nunmehr gemäß Art. 261 AEUV eingeräumt ist. Diese Befugnis ermächtigt die Gerichte über die reine Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Zwangsmaßnahme hinaus dazu, die Beurteilung der Kommission durch ihre eigene Beurteilung zu ersetzen und demgemäß die verhängte Geldbuße oder das verhängte Zwangsgeld aufzuheben, herabzusetzen oder zu erhöhen. Die in den Verträgen vorgesehene Kontrolle bedeutet somit – im Einklang mit den Anforderungen des Grundsatzes des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes gemäß Art. 47 der Charta der Grundrechte –, dass die Unionsgerichte sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht eine Kontrolle vornehmen und befugt sind, die Beweise zu würdigen, die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären und die Höhe der Geldbußen zu ändern (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom8. Februar 2007, Groupe Danone/Kommission, C-3/06 P, Slg. 2007, I-1331, Rn. 60 bis 62, und Urteil des Gerichts vom 21. Oktober 2003, General Motors Nederland und Opel Nederland/Kommission, T-368/00, Slg. 2003, II-4491, Rn. 181).

    438

    Das Gericht hat daher im Rahmen seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung zu dem Zeitpunkt, zu dem es seine Entscheidung erlässt, zu bewerten, ob gegen die klägerischen Parteien eine Geldbuße verhängt wurde, deren Höhe die Schwere und die Dauer der fraglichen Zuwiderhandlung so zutreffend widerspiegelt, dass diese Geldbuße gemessen an den in Art. 23 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 vorgesehenen Kriterien verhältnismäßig ist (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 11. März 1999, Aristrain/Kommission, T-156/94, Slg. 1999, II-645, Rn. 584 bis 586, und vom 9. Juli 2003, Cheil Jedang/Kommission, T-220/00, Slg. 2003, II-2473, Rn. 93).

    439

    Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die Ausübung der Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung nicht einer Prüfung von Amts wegen entspricht und dass das Verfahren vor den Gerichten der Union ein streitiges Verfahren ist (Urteil des Gerichtshofs vom 8. Dezember 2011, Chalkor/Kommission, C-386/10 P, Slg. 2011, I-13085, Rn. 64).

    1. Zum ersten Teil des sechsten Klagegrundes: fehlende gesonderte Begrenzung hinsichtlich der Schümann-Phase

    440

    Die Klägerinnen machen geltend, Sasol Ltd, Sasol Holding in Germany und Sasol Wax International seien nicht für den die Schümann-Phase betreffenden Teil der Geldbuße (also 67,5 Mio. Euro) zur Verantwortung gezogen worden, der 22 % des Umsatzes von Sasol Wax entspreche, der einzigen Gesellschaft, die für die Zuwiderhandlung in der Schümann-Phase als Rechtsnachfolgerin von HOS verantwortlich sei. Die Kommission habe jedoch zu Unrecht die von Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 vorgesehene Obergrenze von 10 % in Bezug auf die Schümann-Phase nicht festgestellt und angewandt.

    441

    Die Sasol Wax für die Schümann-Phase auferlegte Geldbuße sei übermäßig und könne ihre Existenz vernichten, es sei denn, dass Sasol Ltd freiwillig die Zahlung der Geldbuße übernehme, was dazu führen würde, dass diese mittelbar die Verantwortung für die Schümann-Phase trage.

    442

    Daher habe die Kommission gegen Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 und den Grundsatz der individuellen Zumessung von Strafen verstoßen. Folglich beantragen die Klägerinnen, die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit sie Sasol Wax eine Geldbuße auferlegt, die die Obergrenze von 10 % des im Jahr 2007 von Herrn Schümann und der Unternehmensgruppe unter seiner Kontrolle erzielten Umsatzes übersteigt. In der mündlichen Verhandlung haben die Klägerinnen alternativ eine Herabsetzung dieses Teils der Geldbuße durch die Begrenzung ihres Betrags auf 10 % des Umsatzes von Sasol Wax beantragt.

    443

    Die Kommission ist der Auffassung, dass sie nach der Rechtsprechung bei der Berechnung der von Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 vorgesehenen Obergrenze von 10 % die wirtschaftliche Einheit berücksichtigen müsse, wie sie zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung bestehe. Im Übrigen seien weder Herr Schümann noch Vara Adressaten der angefochtenen Entscheidung, und sie könne schon allein aus diesem Grund die Obergrenze von 10 % auf deren Umsätze nicht anwenden.

    444

    Nach der Rechtsprechung gilt die Obergrenze von 10 % des Umsatzes für den Gesamtumsatz des betroffenen Unternehmens, da nur dieser einen Anhaltspunkt für die Größe und den Einfluss des Unternehmens auf den Markt liefert (vgl. Urteil Cimenteries CBR u. a./Kommission, oben in Rn. 227 angeführt, Rn. 5022 und die dort angeführte Rechtsprechung). Außerdem soll diese Obergrenze die Unternehmen u. a. vor einer übermäßigen Geldbuße schützen, die ihre wirtschaftliche Existenz vernichten könnte (Urteile des Gerichts Tokai II, oben in Rn. 271 angeführt, Rn. 389, und vom 13. Juli 2011, Schindler Holding u. a./Kommission, T-138/07, Slg. 2011, II-4819, Rn. 193).

    445

    Folglich kann das mit der Einführung der Obergrenze von 10 % verfolgte Ziel nur dann erreicht werden, wenn diese Obergrenze zunächst auf jeden einzelnen Adressaten der Bußgeldentscheidung angewandt wird. Erst wenn sich sodann herausstellt, dass mehrere Adressaten das Unternehmen im Sinn der für die geahndete Zuwiderhandlung verantwortlichen wirtschaftlichen Einheit darstellen und dies auch noch zum Zeitpunkt des Erlasses dieser Entscheidung gilt, kann die Obergrenze anhand des Gesamtumsatzes dieses Unternehmens, d. h. aller seiner Bestandteile, berechnet werden. Wurde diese wirtschaftliche Einheit dagegen in der Zwischenzeit aufgelöst, so hat jeder Adressat der Entscheidung Anspruch auf individuelle Anwendung der fraglichen Obergrenze (Urteile des Gerichts Tokai II, oben in Rn. 271 angeführt, Rn. 390, vom 13. September 2010, Trioplast Wittenheim/Kommission, T‑26/06, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Rn. 113, und vom 16. November 2011, Kendrion/Kommission, T‑54/06, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Rn. 92).

    446

    Erstens steht im vorliegenden Fall fest, dass in der Schümann-Phase der Zuwiderhandlung HOS, die später zu Sasol Wax wurde, keine wirtschaftliche Einheit mit Sasol Ltd, Sasol Holding in Germany und Sasol Wax International bildete. Dagegen bildete zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung Sasol Wax eine wirtschaftliche Einheit mit den anderen Klägerinnen.

    447

    Zweitens betreffen die von der Kommission in ihren Schriftsätzen angeführten Urteile (Urteile des Gerichts HFB u. a./Kommission, oben in Rn. 33 angeführt, Rn. 528, vom 8. Juli 2008, Knauf Gips/Kommission, T‑52/03, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Rn. 353, und Tokai II, oben in Rn. 271 angeführt, Rn. 389) keine Situationen, in denen die unmittelbar verantwortliche Gesellschaft während der Dauer der Zuwiderhandlung noch keine wirtschaftliche Einheit mit den Muttergesellschaften bildete, die ihr Kapital zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung hielten. Daher kann in Bezug auf einen Sachverhalt, der sich in diesem wesentlichen Punkt unterscheidet, den Ergebnissen aus diesen Urteilen nicht wörtlich gefolgt werden.

    448

    Drittens ist eine der positiven Folgen der Vorschriften, nach denen die formale Trennung zwischen zwei Gesellschaften außer Acht zu lassen und Geldbußen gegen eine Tochtergesellschaft und ihre Muttergesellschaft, die dasselbe Unternehmen bilden, als Gesamtschuldnerinnen zu verhängen sind (vgl. oben, Rn. 31 und 36) die Beseitigung der Gefahr, dass eine Gesellschaft Geldbußen vermeiden oder minimieren kann, indem sie die rechtswidrigen Aktivitäten in einer Tochtergesellschaft mit sehr geringem Umsatz konzentriert. Die Vorschrift, dass die Obergrenze für die Geldbuße nach Maßgabe des Gesamtumsatzes des Unternehmens festzusetzen ist, kann als Gewähr für dieses Ergebnis angesehen werden. Dieses Ziel wird durch die differenzierte Begrenzung der Geldbuße für einen Zeitraum der Zuwiderhandlung, der der Schaffung einer wirtschaftlichen Einheit zwischen der unmittelbar am Kartell beteiligten Tochtergesellschaft und der sie zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung der Kommission haltenden Muttergesellschaft vorausgegangen ist, nicht beeinträchtigt, wenn die Aktiva der Tochtergesellschaft in Folge ihrer Übernahme und sodann nach der Entdeckung des Kartells nicht an andere Rechtsträger übertragen wurden.

    449

    Viertens bestreitet die Kommission nicht das Vorbringen der Klägerinnen, wonach Sasol Ltd als Konzernobergesellschaft einen Teil der Geldbuße anstelle von Sasol Wax zahlen müsste, nämlich den über die Obergrenze von 10 % hinausgehenden Teil, den Sasol Wax nicht tragen könne, da Sasol Wax nicht in der Lage sei, den Teil der Geldbuße für die Schümann-Phase zu zahlen, der 22 % ihres Jahresumsatzes entspreche.

    450

    Fünftens konnten Sasol Wax International, Sasol Holding in Germany und Sasol Ltd in der Schümann-Phase nicht von den Zuwiderhandlungen profitieren, da sie noch keine Eigentümer von Sasol Wax waren.

    451

    Sechstens ist zu berücksichtigen, dass nach den nationalen Rechtsordnungen im Fall der gesamtschuldnerischen Haftung für die Zahlung der wegen einer Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG verhängten Geldbuße jeder der auf Zahlung in Anspruch genommenen Mitschuldner vom anderen verlangen kann, dass er zur Zahlung des in seinem Namen gezahlten Teils der Geldbuße beiträgt (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 11. April 2013, Mindo/Kommission, C‑652/11 P, Rn. 36 und 37). Im vorliegenden Fall argumentieren die Klägerinnen jedoch genau mit den Schwierigkeiten, eine Rückgriffsklage gegen Vara und Herrn Schümann mangels ihrer Verurteilung durch die Kommission zu erheben, ohne dass diese ihnen insoweit widersprochen hätte.

    452

    Daher ist die Ungleichbehandlung durch die Kommission (vgl. oben, Rn. 187 und 197) in Verbindung mit dem Fehlen der gesonderten Begrenzung für den die Schümann-Phase betreffenden Teil der Geldbuße geeignet, die finanzielle Verantwortung von Sasol Wax International, Sasol Holding in Germany und Sasol Ltd für die von HOS begangene Zuwiderhandlung zu verschärfen. Der über 10 % des Umsatzes von Sasol Wax hinausgehende Teil der Geldbuße soll nämlich von ihren Muttergesellschaften getragen werden, während das Fehlen der Verurteilung von Vara und Herrn Schümann als Gesamtschuldner auf die endgültige Aufteilung der Geldbuße vor den nationalen Gerichten Einfluss zulasten der Klägerinnen und insbesondere der drei derzeitigen Muttergesellschaften von Sasol Wax haben kann.

    453

    Nach alledem ist das Gericht der Ansicht, dass es unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falls angemessen ist, den gegen Sasol Wax für die in der Schümann-Phase begangene Zuwiderhandlung verhängten Teil der Geldbuße auf 10 % ihres Umsatzes im Jahr 2007 zu begrenzen. Da dieser sich auf 308600000 Euro beläuft, wird der gegen Sasol Wax für diesen Zeitraum der Zuwiderhandlung verhängte Teil der Geldbuße auf 30860000 Euro festgesetzt.

    454

    Der so festgesetzte Teil des Betrags der Geldbuße lässt eine spätere Beurteilung der Kommission, was die Auswirkung des vorliegenden Urteils in dieser Hinsicht angeht, unberührt.

    2. Zum zweiten Teil des sechsten Klagegrundes: fehlende gesonderte Begrenzung für die Phase des Gemeinschaftsunternehmens, geprüft im Hinblick auf das Durchgreifen des ersten Klagegrundes

    455

    Die Klägerinnen wiederholen, dass Sasol Holding in Germany und Sasol Ltd für die Phase des Gemeinschaftsunternehmens und die Sasol-Phase nicht haftbar gemacht werden könnten. Folglich hätte der sich auf diese Zeiträume beziehende Teil der Geldbuße auf 10 % des Umsatzes von Sasol Wax oder, sollte das Gericht feststellen, dass Schümann Sasol und Schümann Sasol International sowie Sasol Wax und Sasol Wax International jeweils in diesen Zeiträumen eine wirtschaftliche Einheit gebildet hätten, auf 10 % des im Jahr 2007 von Sasol Wax International erzielten Umsatzes begrenzt werden müssen.

    456

    Wie sich aus der Prüfung des zweiten Klagegrundes ergibt, ist die angefochtene Entscheidung insoweit zu bestätigen, als die Kommission das Bestehen einer wirtschaftlichen Einheit zwischen Schümann Sasol und Schümann Sasol International sowie zwischen ihren Rechtsnachfolgerinnen Sasol Wax und Sasol Wax International angenommen hat.

    457

    Die angefochtene Entscheidung ist jedoch auf der Grundlage der abschließenden Ergebnisse in Bezug auf den ersten Klagegrund abzuändern, soweit die Kommission Sasol Holding in Germany und Sasol Ltd für die von der aus Schümann Sasol und Schümann Sasol International bestehenden wirtschaftlichen Einheit begangene Zuwiderhandlung haftbar macht.

    458

    Erstens übersteigt der gegen Sasol Wax und Sasol Wax International für die Phase des Gemeinschaftsunternehmens verhängte Teil der Geldbuße (179657803 Euro) bei Weitem 10 % des Umsatzes von Sasol Wax International (480800000 Euro im Jahr 2007).

    459

    Zweitens bestreitet die Kommission das Vorbringen der Klägerinnen nicht, wonach, wenn Sasol Wax International nicht in der Lage sei, die gesamte Geldbuße für die Phase des Gemeinschaftsunternehmens zu zahlen, Sasol Ltd als Konzernobergesellschaft einen Teil der Geldbuße an ihrer Stelle zahlen müsste, nämlich den über die Obergrenze von 10 % hinausgehenden Teil, den Sasol Wax International nicht tragen könne.

    460

    Drittens stellt der im Rahmen des ersten Klagegrundes festgestellte Beurteilungsfehler den Umfang des Unternehmens in Frage, das die Zuwiderhandlung in der Phase des Gemeinschaftsunternehmens begangen hat. Außerdem hängt die Verurteilung verschiedener Gesellschaften als Gesamtschuldner für die von Schümann Sasol begangene Zuwiderhandlung von der vorherigen Feststellung ab, dass sie zur Zeit der Begehung der Zuwiderhandlung gemeinsam ein einziges Unternehmen im Sinne von Art. 81 EG bildeten. Da die Definition des Unternehmens im vorliegenden Fall mit Fehlern behaftet ist, ist nicht ausgeschlossen, dass die Kommission ohne die fraglichen Beurteilungsfehler die gesamtschuldnerische Haftung von Vara und Herrn Schümann für die unmittelbar von Schümann Sasol begangene Zuwiderhandlung festgestellt hätte.

    461

    Viertens stellt das Gericht in Anbetracht der oben in Rn. 451 angeführten Rechtsprechung fest, dass die Beurteilungsfehler in Bezug auf die Definition des Unternehmens, das die Zuwiderhandlung in der Phase des Gemeinschaftsunternehmens begangen hat, in Verbindung mit dem Fehlen einer gesonderten Begrenzung für den Teil der Geldbuße für diese Phase geeignet ist, die finanziellen Folgen der unmittelbar von Schümann Sasol begangenen Zuwiderhandlung für die Klägerinnen zu verschärfen. Der über 10 % des Umsatzes von Sasol Wax International hinausgehende Teil der Geldbuße soll nämlich von ihren Muttergesellschaften getragen werden, während das Fehlen einer Verurteilung von Vara und Herrn Schümann als Gesamtschuldner auf die endgültige Aufteilung der Geldbuße vor den nationalen Gerichten Einfluss zulasten der Klägerinnen und insbesondere zulasten von Sasol Holding in Germany und Sasol Ltd haben kann.

    462

    Nach alledem ist das Gericht der Ansicht, dass es unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falls angemessen ist, den gegen Sasol Wax und Schümann Sasol International für die in der Phase des Gemeinschaftsunternehmens begangene Zuwiderhandlung verhängten Teil der Geldbuße auf 10 % des Umsatzes Letzterer im Jahr 2007 zu begrenzen. Da dieser sich auf 480800000 Euro beläuft, ist der gegen Sasol Wax und Sasol Wax International verhängte Teil der fraglichen Geldbuße auf 48080000 Euro herabzusetzen.

    463

    Der so festgesetzte Teil des Betrags der Geldbuße lässt eine spätere Beurteilung der Kommission, was die Auswirkung des vorliegenden Urteils in dieser Hinsicht angeht, unberührt.

    3. Zum die Sasol-Phase betreffenden Teilbetrag der Geldbuße

    464

    Was schließlich die Sasol-Phase der Zuwiderhandlung und den diesbezüglichen Teil der Geldbuße betrifft, der sich auf 71042197 Euro beläuft, ist das Gericht in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung der Auffassung, dass die Höhe der gegen die Klägerinnen verhängten Geldbuße in Anbetracht der Schwere und der Dauer der begangenen Zuwiderhandlung angemessen ist.

    Kosten

    465

    Nach Art. 87 § 3 der Verfahrensordnung kann das Gericht die Kosten teilen oder beschließen, dass jede Partei ihre eigenen Kosten trägt, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt.

    466

    Im vorliegenden Fall wurde drei der sieben von den Klägerinnen geltend gemachten Klagegründen stattgegeben und die Höhe der gegen sie jeweils verhängten Geldbuße erheblich herabgesetzt. Es erscheint nach den Umständen des Falls angemessen, dass die Kommission ihre eigenen Kosten und zwei Drittel der Kosten der Klägerinnen trägt und dass diese ein Drittel ihrer Kosten tragen.

     

    Aus diesen Gründen hat

    DAS GERICHT (Dritte Kammer)

    für Recht erkannt und entschieden:

     

    1.

    Art. 1 der Entscheidung K(2008) 5476 endg. der Kommission vom 1. Oktober 2008 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 des EWR-Abkommens (Sache COMP/39.181 – Kerzenwachse) wird für nichtig erklärt, soweit die Europäische Kommission darin festgestellt hat, dass die Sasol Holding in Germany GmbH und Sasol vor dem 1. Juli 2002 an der Zuwiderhandlung mitgewirkt hätten.

     

    2.

    Der Betrag der gegen die Sasol Wax GmbH verhängten Geldbuße wird auf 149982197 Euro herabgesetzt, für deren Zahlung die Sasol Wax International AG in Höhe von 119122197 Euro sowie Sasol und Sasol Holding in Germany in Höhe von 71042197 Euro als Gesamtschuldner haften.

     

    3.

    Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

     

    4.

    Die Kommission trägt ihre eigenen Kosten und zwei Drittel der Kosten, die Sasol, Sasol Holding in Germany, Sasol Wax International und Sasol Wax entstanden sind.

     

    5.

    Sasol, Sasol Holding in Germany, Sasol Wax International und Sasol Wax tragen ein Drittel ihrer eigenen Kosten.

     

    Czúcz

    Labucka

    Gratsias

    Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 11. Juli 2014.

    Unterschriften

    Inhaltsverzeichnis

     

    Sachverhalt

     

    1. Verwaltungsverfahren und Erlass der angefochtenen Entscheidung

     

    2. Zu den Strukturen der Sasol-Gruppe und von Vara sowie zur Zurechnung der Verantwortung an die Muttergesellschaften in der angefochtenen Entscheidung

     

    Verfahren und Anträge der Parteien

     

    Rechtliche Würdigung

     

    1. Zum ersten Klagegrund: rechtswidrige Zurechnung der Verantwortlichkeit für die Zuwiderhandlung von Schümann Sasol an Sasol Ltd, Sasol Holding in Germany und Sasol Wax International in der Phase des Gemeinschaftsunternehmens

     

    Vorbemerkungen

     

    Angefochtene Entscheidung

     

    Zur Unterscheidung zwischen dem Begriff der Kontrolle und dem der tatsächlichen Ausübung eines bestimmenden Einflusses im Kontext von Art. 81 EG

     

    Zur Begründetheit der Feststellung der Kommission, dass die von Schümann Sasol International begangene Zuwiderhandlung Sasol Holding in Germany und Sasol Ltd zuzurechnen sei

     

    Zum Verwaltungsrat der Schümann Sasol International

     

    Zur Rolle von Herrn B. I.

     

    Zur Bestimmung der Entscheidungen des Verwaltungsrats von Schümann Sasol International

     

    Zur Relevanz der operativen Geschäftsführung

     

    Ergebnis hinsichtlich des Verwaltungsrats von Schümann Sasol International

     

    Zum Aufsichtsrat und zur Hauptversammlung von Schümann Sasol International

     

    Zur tatsächlichen Ausübung eines bestimmenden Einflusses durch Sasol Holding in Germany auf das Marktverhalten von Schümann Sasol International

     

    Zum Beweisangebot der Klägerinnen

     

    2. Zum zweiten Klagegrund: fehlerhafte Zurechnung der Verantwortlichkeit für die Zuwiderhandlung an Sasol Ltd, Sasol Holding in Germany und Sasol Wax International in der Sasol-Phase

     

    Zum ersten Teil: Rechtsfehler hinsichtlich der Möglichkeit der Zurechnung einer von einer Tochtergesellschaft begangenen Zuwiderhandlung an ihre Muttergesellschaft allein auf der Grundlage einer auf die 100%ige Kapitalbeteiligung gestützten Vermutung

     

    Zum zweiten Teil: fehlerhafte Feststellung der Nichtwiderlegung der Vermutung

     

    Zur angefochtenen Entscheidung

     

    Allgemeine Bemerkungen

     

    Zur operativen Geschäftsführung von Sasol Wax

     

    Zu den strategischen Geschäftsentscheidungen

     

    Zur Unwiderleglichkeit der Vermutung

     

    Ergebnis

     

    Zum Beweisangebot der Klägerinnen

     

    3. Zum dritten Klagegrund: gesamtschuldnerische Haftung von Vara in der Schümann-Phase und der Phase des Gemeinschaftsunternehmens

     

    4. Zum vierten Klagegrund: unrichtige Festsetzung des Grundbetrags der Geldbuße

     

    Zum ersten Teil: keine wirksame Rechtsgrundlage der angefochtenen Entscheidung

     

    Zum zweiten Teil: fehlerhafte Einbeziehung des Verkaufs von Mikrowachsen in den Wert der verkauften Waren von Sasol

     

    Zu den Grundsätzen der Beweiswürdigung

     

    Zur angefochtenen Entscheidung und zu den Erklärungen der Kartellbeteiligten

     

    Zum behaupteten Fehlen einer Vereinbarung über die Preise der Mikrowachse

     

    Zu den schriftlichen Beweisen betreffend die Mikrowachse

     

    Zum übrigen Vorbringen der Klägerinnen

     

    Zum dritten Teil: Fehler bei der Berechnung des Grundbetrags der Geldbuße hinsichtlich Paraffingatsch

     

    Zur Beteiligung der Klägerinnen am Paraffingatsch betreffenden Teil der Zuwiderhandlung vom 30. Oktober 1997 bis zum 12. Mai 2004

     

    Zur Unverhältnismäßigkeit des auf den Umsatz aus den Paraffingatschverkäufen angewandten Koeffizienten von 15 %

     

    Zum vierten Teil: keine differenzierte Bestimmung des Grundbetrags der Geldbuße nach Maßgabe der verschiedenen Zeiträume der Beteiligung der verschiedenen Gesellschaften am Kartell

     

    5. Zum fünften Klagegrund: fehlerhafte Feststellung der Anführerrolle von Sasol

     

    Zur angefochtenen Entscheidung

     

    Zum von der Rechtsprechung vorgegebenen Rahmen

     

    Zur Beachtung der Begründungspflicht hinsichtlich der Feststellung der Anführerrolle von Sasol

     

    Zur Würdigung der von der Kommission zur Stützung der Feststellung der Anführerrolle von Sasol zusammengetragenen Gesichtspunkte in der Sache

     

    Zum angeblich übermäßigen, unverhältnismäßigen und diskriminierenden Charakter der Erhöhung des Grundbetrags der Geldbuße um 50 % aufgrund der Anführerrolle

     

    6. Zum siebten Klagegrund: kein vollständiger Erlass bestimmter Teile der Geldbuße gegenüber Sasol

     

    Zum ersten Teil betreffend die technischen Treffen vor dem Jahr 2000

     

    Zum zweiten Teil: Aufteilung der Märkte und Kunden

     

    Zur Ausübung der Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung und zur Festsetzung des endgültigen Betrags der Geldbuße

     

    1. Zum ersten Teil des sechsten Klagegrundes: fehlende gesonderte Begrenzung hinsichtlich der Schümann-Phase

     

    2. Zum zweiten Teil des sechsten Klagegrundes: fehlende gesonderte Begrenzung für die Phase des Gemeinschaftsunternehmens, geprüft im Hinblick auf das Durchgreifen des ersten Klagegrundes

     

    3. Zum die Sasol-Phase betreffenden Teilbetrag der Geldbuße

     

    Kosten


    ( *1 ) Verfahrenssprache: Englisch.

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