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Document 62008TJ0121
Judgment of the General Court (Second Chamber) of 11 May 2010.#PC-Ware Information Technologies BV v European Commission.#Public supply contracts - Community tendering procedure - Acquisition of software products and licences - Rejection of a tender - Abnormally low tender - Obligation to state reasons.#Case T-121/08.
Urteil des Gerichts (Zweite Kammer) vom 11. Mai 2010.
PC-Ware Information Technologies BV gegen Europäische Kommission.
Öffentliche Lieferaufträge - Gemeinschaftliches Ausschreibungsverfahren - Erwerb von Software-Erzeugnissen und Lizenzen - Ablehnung des Angebots eines Bieters - Ungewöhnlich niedriges Angebot - Begründungspflicht.
Rechtssache T-121/08.
Urteil des Gerichts (Zweite Kammer) vom 11. Mai 2010.
PC-Ware Information Technologies BV gegen Europäische Kommission.
Öffentliche Lieferaufträge - Gemeinschaftliches Ausschreibungsverfahren - Erwerb von Software-Erzeugnissen und Lizenzen - Ablehnung des Angebots eines Bieters - Ungewöhnlich niedriges Angebot - Begründungspflicht.
Rechtssache T-121/08.
Sammlung der Rechtsprechung 2010 II-01541
ECLI identifier: ECLI:EU:T:2010:183
Rechtssache T‑121/08
PC-Ware Information Technologies BV
gegen
Europäische Kommission
„Öffentliche Lieferaufträge – Gemeinschaftliches Ausschreibungsverfahren – Erwerb von Software-Erzeugnissen und Lizenzen – Ablehnung des Angebots eines Bieters – Ungewöhnlich niedriges Angebot – Begründungspflicht“
Leitsätze des Urteils
1. Nichtigkeitsklage – Rechtsschutzinteresse – Klage gegen eine vollzogene Entscheidung
(Art. 230 EG)
2. Öffentliche Aufträge der Europäischen Gemeinschaften – Vergabe eines Auftrags aufgrund einer Ausschreibung – Ermessen der Organe – Gerichtliche Nachprüfung – Grenzen
3. Öffentliche Aufträge der Europäischen Gemeinschaften – Vergabe eines Auftrags aufgrund einer Ausschreibung – Ungewöhnlich niedriges Angebot
(Verordnung Nr. 2342/2002 der Kommission, Art. 139 Abs. 1)
4. Handlungen der Organe – Begründung – Pflicht – Umfang
(Art. 253 EG; Verordnung Nr. 1605/2002 des Rates, Art. 100 Abs. 2; Verordnung Nr. 2342/2002 der Kommission, Art. 149 Abs. 2)
5. Außervertragliche Haftung – Voraussetzungen – Rechtswidrigkeit – Schaden – Kausalzusammenhang – Nichtvorliegen einer der Voraussetzungen
(Art. 288 Abs. 2 EG)
1. Der Kläger behält nur dann während des Verfahrens ein Interesse an der Nichtigerklärung der angefochtenen Handlung, wenn diese Nichtigerklärung selbst geeignet ist, rechtliche Wirkungen zu erzeugen, die insbesondere darin bestehen können, dass etwaige sich aus der Handlung ergebende Schadensfolgen beseitigt werden oder dass verhindert wird, dass sich der behauptete Rechtsverstoß in Zukunft wiederholt.
Bei Vorliegen einer Rahmenvereinbarung, die geeignet ist, als Muster für die künftige Vergabe entsprechender Aufträge zu dienen, ist ein Interesse daran, zu verhindern, dass sich der vom Bieter behauptete Rechtsverstoß in Zukunft wiederholt, auch dann zu bejahen, wenn bereits ein öffentlicher Auftrag ausgeführt worden ist.
(vgl. Randnrn. 39-40)
2. Der Gemeinschaftsrichter ist im Rahmen von Nichtigkeitsklagen für Klagen wegen Unzuständigkeit, Verletzung wesentlicher Formvorschriften, Verletzung der Verträge oder einer bei ihrer Durchführung anzuwendenden Rechtsnorm oder wegen Ermessensmissbrauchs zuständig. Folglich kann er den geltend gemachten Verstoß gegen die nationalen Rechtsvorschriften nicht als eine Rechtsfrage behandeln, die eine uneingeschränkte rechtliche Prüfung voraussetzt. Eine solche Prüfung steht vielmehr nur den nationalen Stellen zu.
Nach den Grundsätzen der ordnungsgemäßen Verwaltung und der loyalen Zusammenarbeit zwischen den Unionsorganen und den Mitgliedstaaten haben die Gemeinschaftsorgane jedoch sicherzustellen, dass die in einer Ausschreibung vorgesehenen Voraussetzungen die potenziellen Bieter nicht dazu veranlassen, gegen die nationalen Rechtsvorschriften zu verstoßen, die möglicherweise auf den betreffenden Vertrag Anwendung fanden, was eine Frage der Tatsachenwürdigung ist.
(vgl. Randnrn. 62-63)
3. Nach Art. 139 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2342/2002 mit Durchführungsbestimmungen zur Haushaltsordnung muss der öffentliche Auftraggeber dann, wenn er ein Angebot für ungewöhnlich niedrig hält, vor dessen Ablehnung dem Bieter erlauben, die Merkmale seines Angebots zu erläutern bzw. zu begründen. Daher ergibt sich die Verpflichtung zur Prüfung der Seriosität eines Angebots aus dem vorherigen Vorliegen von Zweifeln an dessen Verlässlichkeit, wobei außerdem zu berücksichtigen ist, dass dieser Artikel hauptsächlich verhindern soll, dass ein Bieter vom Verfahren ausgeschlossen wird, ohne dass er die Möglichkeit hatte, den Inhalt seines ungewöhnlich niedrig scheinenden Angebots zu begründen.
(vgl. Randnr. 72)
4. Die Begründungspflicht bemisst sich nach der Art des in Rede stehenden Rechtsakts und dem Kontext, in dem er erlassen wurde. Die Begründung muss die Überlegungen des Organs so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass es den Betroffenen möglich ist, Kenntnis von den Gründen für die getroffene Maßnahme zu erlangen, damit sie ihre Rechte verteidigen und prüfen können, ob die Entscheidung in der Sache begründet ist oder nicht, und dass der Richter die ihm obliegende Kontrolle der Rechtmäßigkeit des betreffenden Rechtsakts wahrnehmen kann.
Im öffentlichen Auftragswesen hat der öffentliche Auftraggeber dem Bieter nach Art. 100 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1605/2002 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften und Art. 149 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2342/2002 mit Durchführungsbestimmungen zur Haushaltsordnung die Gründe für die Ablehnung seines Angebots und darüber hinaus – wenn der Bieter ein anforderungsgemäßes Angebot eingereicht hatte – die Merkmale und Vorteile des ausgewählten Angebots sowie die Identität des Zuschlagsempfängers binnen 15 Kalendertagen nach Eingang eines entsprechenden schriftlichen Antrags mitzuteilen. Ein solches im genannten Art. 100 Abs. 2 beschriebenes Vorgehen, das die Überlegungen des Urhebers des Rechtsakts klar und eindeutig zum Ausdruck bringt, entspricht dem Zweck der in Art. 253 EG verankerten Begründungspflicht.
(vgl. Randnrn. 92-94)
5. Die außervertragliche Haftung der Gemeinschaft für ein rechtswidriges Verhalten ihrer Organe im Sinne von Art. 288 Abs. 2 EG wird nur dann ausgelöst, wenn mehrere Voraussetzungen erfüllt sind: Das den Gemeinschaftsorganen zur Last gelegte Verhalten muss rechtswidrig sein, es muss ein Schaden entstanden sein, und zwischen dem behaupteten Verhalten und dem geltend gemachten Schaden muss ein Kausalzusammenhang bestehen. Da diese drei Voraussetzungen für die außervertragliche Haftung der Gemeinschaft kumulativ sind, genügt für die Abweisung einer Schadensersatzklage, dass eine von ihnen nicht vorliegt, ohne dass die anderen Voraussetzungen geprüft zu werden brauchen.
(vgl. Randnrn. 105-106)
URTEIL DES GERICHTS (Zweite Kammer)
11. Mai 2010(*)
„Öffentliche Lieferaufträge – Gemeinschaftliches Ausschreibungsverfahren – Erwerb von Software-Erzeugnissen und Lizenzen – Ablehnung des Angebots eines Bieters – Ungewöhnlich niedriges Angebot – Begründungspflicht“
In der Rechtssache T‑121/08
PC‑Ware Information Technologies BV mit Sitz in Amsterdam (Niederlande), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte L. Devillé und B. Maerevoet,
Klägerin,
gegen
Europäische Kommission, vertreten durch E. Manhaeve als Bevollmächtigten im Beistand von Rechtsanwalt P. Wytinck,
Beklagte,
betreffend eine Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission vom 11. Januar 2008, das von der Klägerin im Rahmen des Ausschreibungsverfahrens DIGIT/R2/PO/2007/022 abgegebene Angebot abzulehnen, hilfsweise, auf Ersatz des der Klägerin durch das Verhalten der Kommission entstandenen Schadens
erlässt
DAS GERICHT (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung der Präsidentin I. Pelikánová sowie der Richterin K. Jürimäe (Berichterstatterin) und des Richters S. Soldevila Fragoso,
Kanzler: J. Plingers, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 7. Juli 2009
folgendes
Urteil
Rechtlicher Rahmen
A – Gemeinschaftsrecht
1 Die Vergabe von Lieferaufträgen der Europäischen Kommission unterliegt den Bestimmungen des Teils 1 Titel V der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1605/2002 des Rates vom 25. Juni 2002 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 248, S. 1, im Folgenden: Haushaltsordnung) sowie des Ersten Teils Titel V der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2342/2002 der Kommission vom 23. Dezember 2002 mit Durchführungsbestimmungen zur Haushaltsordnung (ABl. L 357, S. 1, im Folgenden: Durchführungsbestimmungen) in ihrer auf den vorliegenden Fall anwendbaren Fassung.
2 Art. 100 der Haushaltsordnung bestimmt:
„(1) Der Anweisungsbefugte benennt den Auftragnehmer unter Beachtung der Auswahl- und Zuschlagskriterien, die in den Ausschreibungsunterlagen und den Vorschriften über die Auftragsvergabe festgelegt sind.
(2) Der öffentliche Auftraggeber unterrichtet alle Bewerber oder Bieter, deren Bewerbung oder Angebot abgelehnt wurde, über die Gründe für die Ablehnung; er teilt die Merkmale und Vorteile seines Angebots sowie den Namen des Auftragnehmers allen Bietern mit, die ein anforderungsgemäßes Angebot eingereicht und schriftlich um diese Mitteilung ersucht haben.
Die Veröffentlichung bestimmter Informationen kann entfallen, wenn sie Gesetzesvollzug behindern, dem öffentlichen Interesse zuwiderlaufen, die legitimen Geschäftsinteressen öffentlicher oder privater Unternehmen beeinträchtigen würde oder dem lauteren Wettbewerb zwischen den Leistungserbringern schaden könnte.“
3 Art. 130 Abs. 1 und 3 der Durchführungsbestimmungen sieht vor:
„(1) Die Ausschreibungsunterlagen umfassen mindestens:
…
b) die Leistungsbeschreibung …;
…
(3) Die Verdingungsunterlagen enthalten mindestens Folgendes:
…
c) die technischen Spezifikationen …;
…“
4 Art. 139 Abs. 1 der Durchführungsbestimmungen schreibt vor:
„Scheinen im Fall eines bestimmten Auftrags Angebote im Verhältnis zur Leistung ungewöhnlich niedrig zu sein, so muss der öffentliche Auftraggeber vor Ablehnung dieser Angebote schriftlich die Aufklärung über die Einzelposten des Angebots verlangen, die er für angezeigt hält; die anschließende kontradiktorische Prüfung dieser Einzelposten erfolgt unter Berücksichtigung der eingegangenen Begründungen. Die entsprechenden Erläuterungen können insbesondere die Einhaltung der Vorschriften über Arbeitsschutz und Arbeitsbedingungen, die am Ort der Leistungserbringung gelten, betreffen.
Der öffentliche Auftraggeber kann insbesondere Begründungen berücksichtigen, die Folgendes betreffen:
a) die Wirtschaftlichkeit des Herstellungsprozesses, der Leistungserbringung oder des Bauverfahrens;
b) die technischen Lösungen oder außergewöhnlich günstige Bedingungen, über die der Bieter bei der Ausführung des Auftrags verfügt;
c) die Originalität des Projekts des Bieters.“
5 Art. 146 Abs. 4 der Durchführungsbestimmungen bestimmt:
„Bei außergewöhnlich niedrigen Angeboten gemäß Artikel 139 bittet der Bewertungsausschuss um nähere Angaben zur Zusammensetzung des Angebots.“
6 Art. 149 der Durchführungsbestimmungen sieht vor:
„(1) Der öffentliche Auftraggeber teilt den Bewerbern und Bietern so schnell wie möglich mit, ob sie den Zuschlag für einen Auftrag oder einen Rahmenvertrag erhalten haben oder zu einem dynamischen Beschaffungssystem zugelassen worden sind. Er nennt gegebenenfalls die Gründe, warum er auf die Vergabe eines ausgeschriebenen Auftrags oder Rahmenvertrags oder die Einrichtung eines geplanten dynamischen Beschaffungssystems verzichtet oder die Einleitung eines neuen Verfahrens beschlossen hat.
(2) Der öffentliche Auftraggeber übersendet binnen 15 Kalendertagen nach Eingang eines entsprechenden schriftlichen Antrags die in Artikel 100 Absatz 2 der Haushaltsordnung genannten Informationen.
(3) Bei Aufträgen, die die Gemeinschaftsorgane für eigene Rechnung vergeben, deren Wert nicht unter den in Artikel 158 festgesetzten Schwellenwerten liegt und die in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2004/18/EG fallen, teilt der öffentliche Auftraggeber allen abgelehnten Bietern oder Bewerbern in einer der folgenden Phasen zeitgleich in einem Schreiben, per Fax oder E-Mail mit, dass ihr Angebot oder ihre Bewerbung nicht ausgewählt worden ist:
a) bei zweistufigen Vergabeverfahren kurz nachdem die Beschlüsse im Zusammenhang mit den Ausschluss- und Auswahlkriterien gefasst wurden und bevor der Beschluss über den Zuschlag ergeht;
b) bei Beschlüssen über die Zuschlagserteilung und die Ablehnung von Angeboten, so rasch wie möglich und spätestens binnen einer Woche nach dem Beschluss über die Zuschlagserteilung.
In der Mitteilung sind die Gründe für die Ablehnung des Angebots bzw. der Bewerbung sowie die Rechtsmittel anzugeben, die eingelegt werden können.
Der öffentliche Auftraggeber unterrichtet zeitgleich mit der Übersendung der vorgenannten Mitteilung an die abgelehnten Bieter oder Bewerber den ausgewählten Auftragnehmer von der Erteilung des Zuschlags und weist ihn darauf hin, dass diese Tatsache allein noch keinerlei Verpflichtung seitens des öffentlichen Auftraggebers begründet.
Den abgelehnten Bewerbern oder Bietern, die schriftlich mit Schreiben, Fax oder E-Mail darum ersuchen, werden ergänzende Auskünfte zu den Gründen für die Ablehnung und im Falle der Einreichung eines anforderungsgemäßen Angebots und vorbehaltlich Artikel 100 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Haushaltsordnung auch Informationen über die Merkmale und Vorteile des ausgewählten Angebots sowie die Identität des Zuschlagsempfängers mitgeteilt. Die Antwort des öffentlichen Auftraggebers erfolgt binnen einer Frist von höchstens 15 Kalendertagen nach Eingang des Ersuchens um ergänzende Auskünfte.“
7 In Nr. 3.3 der technischen Spezifikationen zur Ausschreibung DIGIT/R2/PO/2007/022 „Großhändler für Microsoft-Produkte (LAR 2007)“, die von der Kommission im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union (ABl. 2007, S 183, im Folgenden: Ausschreibung) veröffentlicht wurde, heißt es:
„Abweichend vom Leitfaden ‚Abgabe von Angeboten auf eine von der Generaldirektion Informatik durchgeführte Ausschreibung‘, gilt für den Vertrag, der aufgrund der vorliegenden Ausschreibung geschlossen wird, das Recht der Europäischen Gemeinschaft, das hinsichtlich der Aspekte, in Bezug auf die die betreffende Rechtsfrage vom Gemeinschaftsrecht nicht geregelt wird, durch das belgische Recht ergänzt wird.“
8 Nr. 1.1.1 des Leitfadens „Abgabe von Angeboten auf eine von der Generaldirektion Informatik durchgeführte Ausschreibung“ bestimmt:
„The procurement procedure for the EU institutions, agencies and other bodies, is governed by the following provisions, more particularly:
(1) Part 1, Title [V] of Council Regulation (EC, Euratom) n° 1605/2002 of 25 June 2002 on the Financial Regulation applicable to the general budget of the European Communities, as last amended
(2) Part 1, Title [V] of Commission Regulation (EC, Euratom) n° 2342/2002 of 23 December 2002 laying down detailed rules for the implementation of Council Regulation (EC, Euratom) n° 1605/2002 of 25 June 2002 on the Financial Regulation applicable to the general budget of the European Communities, as last amended
(3) The World Trade Organisation’s Agreement on Government Procurement, which the European Community joined following Council Decision of 16 November 1987 concerning the conclusion of the Protocol amending the GATT Agreement on Government Procurement.“
[Für das Vergabeverfahren der Organe, Institutionen und Agenturen der Europäischen Union gelten die folgenden besonderen Vorschriften:
(1) Teil 1 Titel V der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1605/2002 des Rates vom 25. Juni 2002 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften in der zuletzt geänderten Fassung,
(2) der Erste Teil Titel V der Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2342/2002 der Kommission vom 23. Dezember 2002 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1605/2002 des Rates vom 25. Juni 2002 über die Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften in der zuletzt geänderten Fassung,
(3) das Übereinkommen der Welthandelsorganisation (WTO) über das öffentliche Beschaffungswesen, dem die Europäische Gemeinschaft im Anschluss an den Beschluss des Rates vom 16. November 1987 betreffend den Abschluss des Protokolls zur Änderung des GATT‑Übereinkommens über das öffentliche Beschaffungswesen beigetreten ist.]
B – Nationales Recht
9 Art. 40 der Loi, du 14 juillet 1991, sur les pratiques du commerce et sur l’information et la protection du consommateur (Gesetz vom 14. Juli 1991 über die Handelspraktiken und den Verbraucherschutz, Moniteur belge vom 29. August 1991, S. 18712, im Folgenden: belgisches Gesetz über die Handelspraktiken) bestimmt:
„Kaufleuten ist es untersagt, Waren mit Verlust zum Kauf anzubieten oder zu verkaufen.
Als Verlustverkauf gilt jeder Verkauf zu einem Preis, der nicht mindestens genauso hoch ist wie der Preis, zu dem die Ware bei der Beschaffung in Rechnung gestellt wurde, oder zu dem sie im Fall einer Neubeschaffung in Rechnung gestellt werden würde.
…“
Dem Rechtsstreit zugrunde liegender Sachverhalt
10 Die Kommission veröffentlichte am 30. März 2007 im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union (ABl. S 63) eine Vorinformation über die Vergabe des Auftrags Nr. DIGIT/R2/PO/2007/022 mit der Bezeichnung „Large Account Reseller [Großhändler] für Microsoft-Produkte (LAR 2007)“ im Hinblick auf den Abschluss eines Rahmenvertrags für die Schaffung einer einheitlichen Einkaufsstelle für den Erwerb von Software-Produkten und Lizenzen des Lieferers Microsoft (im Folgenden: Lieferer) durch die Kommission und die anderen europäischen Einrichtungen.
11 Mit Schreiben vom 21. September 2007 erhielt die Klägerin, die PC‑Ware Information Technologies BV, eine Abschrift der technischen Spezifikationen für diesen Auftrag.
12 Am 22. September 2007 veröffentlichte die Kommission die Bekanntmachung der Ausschreibung.
13 Mit Schreiben vom 2. November 2007 übersandte die Klägerin der Kommission ihr Angebot. In diesem Angebot heißt es, dass der von der Klägerin auf den Preis für die Erzeugnisse und Lizenzen des Lieferers gewährte Preisnachlass im Rahmen des fraglichen Auftrags insbesondere aufgrund des Art. 40 des belgischen Gesetzes über die Handelspraktiken, der Verlustverkäufe untersage, 17,70 % betrage.
14 Mit Schreiben vom 3. Dezember 2007 bat die Kommission den Auftragnehmer um Bestätigung, dass sein Angebot die anwendbaren Rechtsvorschriften einhalte und, insbesondere, dass er nicht mit Verlust verkaufe. Der Auftragnehmer bestätigte dies mit Schreiben vom 4. Dezember 2007.
15 Am 10. Januar 2008 entschied die Kommission, dem Auftragnehmer den Zuschlag für den fraglichen Auftrag zu erteilen.
16 Mit Schreiben vom 11. Januar 2008 teilte die Kommission der Klägerin mit, dass sie entschieden habe, deren Angebot abzulehnen, weil es nach Maßgabe der Zuschlagsformel nicht das beste Preis-Leistungs-Verhältnis aufweise. In diesem Schreiben wurde weiter darauf hingewiesen, dass die Klägerin zusätzliche Informationen anfordern könne.
17 Mit E-Mail vom 16. Januar 2008 und Erinnerungs-E-Mail vom 18. Januar 2008 ersuchte die Klägerin die Kommission um eine Nachbesprechung, wobei sie besonders darauf hinwies, dass sie mit dieser Zusammenkunft eine Übersicht über die Stärken und Schwächen ihres Angebots im Vergleich zum erfolgreichen Angebot erhalten wolle, um das Ergebnis der Bewertung nachvollziehen zu können.
18 Auf dieses Ersuchen hin veranstaltete die Kommission eine Nachbesprechung mit den Vertretern der Klägerin, die am 28. Januar 2008 stattfand.
19 Mit Schreiben vom 29. Januar 2008 teilte die Kommission der Klägerin den Namen des Auftragnehmers für den fraglichen Auftrag mit und übersandte ihr ein Protokoll der Nachbesprechung, dem u. a. zu entnehmen ist, dass das Preisangebot des Auftragnehmers 81,75 % des Preises für die vom fraglichen Auftrag betroffenen Erzeugnisse und damit einem Preisnachlass von 18,25 % entspreche. Außerdem heißt es in diesem Schreiben, dass der Auftrag deshalb an den Auftragnehmer vergeben worden sei, weil sein Angebot das beste Preis-Leistungs-Verhältnis aufgewiesen habe.
20 Am 21. Februar 2008 schloss die Kommission mit dem Auftragnehmer einen Vertrag mit der Nr. DI 06270 00.
21 Am 15. März 2008 veröffentlichte die Kommission eine Bekanntmachung über die Vergabe dieses Auftrags im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union (ABl. S 53).
Verfahren und Anträge der Parteien
22 Mit Klageschrift, die am 10. März 2008 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.
23 Die Parteien haben in der Sitzung vom 7. Juli 2009 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.
24 Die Klägerin beantragt,
– die Klage für zulässig zu erklären;
– die ihr mit Schreiben vom 11. Januar 2008 mitgeteilte Entscheidung der Kommission, ihr auf die Ausschreibung DIGIT/R2/PO/2007/022-LAR 2007 hin abgegebenes Angebot abzulehnen und den Zuschlag dem Auftragnehmer zu erteilen, für nichtig zu erklären;
– festzustellen, dass das rechtswidrige Verhalten der Kommission einen Rechtsverstoß darstellt, der deren Haftung auslöst;
– hilfsweise für den Fall, dass der Auftrag bereits ausgeführt worden ist, wenn das Gericht sein Urteil erlässt, oder die Entscheidung nicht mehr für nichtig erklärt werden kann, die Kommission zur Zahlung von 654 962,38 Euro als Ersatz des ihr in Bezug auf dieses Verfahren entstandenen Schadens zu zahlen;
– der Kommission die Kosten aufzuerlegen.
25 Die Kommission beantragt,
– den Antrag auf Nichtigerklärung für insgesamt unzulässig, zumindest aber für unbegründet zu erklären;
– den Schadensersatzantrag für unzulässig, zumindest aber für unbegründet zu erklären;
– der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.
Rechtliche Würdigung
A – Zum Antrag auf Nichtigerklärung
26 Die Klägerin begehrt mit ihrem vorstehend in Randnr. 24 wiedergegebenen zweiten Klageantrag, die ihr mit Schreiben vom 11. Januar 2008 mitgeteilte Entscheidung der Kommission, ihr Angebot abzulehnen und den Zuschlag dem Auftragnehmer zu erteilen, für nichtig zu erklären.
27 Wie jedoch aus der vorstehenden Randnr. 16 hervorgeht, hat die Kommission der Klägerin im Schreiben vom 11. Januar 2008 lediglich mitgeteilt, dass sie entschieden habe, deren Angebot abzulehnen, weil es nach Maßgabe der Zuschlagsformel nicht das beste Preis-Leistungs-Verhältnis aufweise. Daher kann dieses Schreiben nicht dahin ausgelegt werden, dass es als solches eine Entscheidung enthält, dem Auftragnehmer den Zuschlag zu erteilen. Im vorliegenden Fall ist die Entscheidung über die Zuschlagserteilung, wie vorstehend in Randnr. 15 ausgeführt worden ist, am 10. Januar 2008 ergangen.
28 Nach der Rechtsprechung stehen jedoch ein Antrag auf Nichtigerklärung einer Entscheidung, einen Auftrag an einen Bieter zu vergeben, und die Entscheidung, das Angebot eines anderen Bieters, das denselben Auftrag betrifft, abzulehnen, in engem Zusammenhang (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 18. April 2007, Deloitte Business Advisory/Kommission, T‑195/05, Slg. 2007, II‑871, Randnr. 113).
29 Es ist daher davon auszugehen, dass mit der im Rahmen der vorliegenden Klage angefochtenen Entscheidung sowohl die Ablehnungsentscheidung als auch die Entscheidung über die Zuschlagserteilung gemeint ist.
1. Zur Zulässigkeit des Antrags auf Nichtigerklärung
30 Ohne ausdrücklich eine Einrede der Unzulässigkeit zu erheben, macht die Kommission geltend, dass der Antrag auf Nichtigerklärung zum einen wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses der Klägerin und zum anderen wegen Gegenstandslosigkeit unzulässig sei.
a) Zum fehlenden Rechtsschutzinteresse der Klägerin
Vorbringen der Parteien
31 Nach Ansicht der Kommission ist der Antrag auf Nichtigerklärung wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses zurückzuweisen. Wenn dem zur Stützung der Klage vorgetragenen Argument der Klägerin, dass das Angebot des Zuschlagsempfängers für den fraglichen Auftrag gegen den Verlustverkäufe verbietenden Art. 40 des belgischen Gesetzes über die Handelspraktiken verstoße, zu folgen wäre, müsste dementsprechend auch das Angebot der Klägerin gegen Art. 40 des belgischen Gesetzes über die Handelspraktiken verstoßen. Denn die Klägerin räume selbst ein, dass sie die Erzeugnisse ohne Gewinnspanne verkauft habe, was nach Art. 40 des belgischen Gesetzes über die Handelspraktiken ebenfalls einem Verlustverkauf gleichzusetzen sei. Daraus folge, dass nicht nur das Angebot der Klägerin keine Aussicht auf Erfolg habe, sondern dass die Klägerin zudem auch keinen Schadensersatz verlangen könne, da ihr durch das angeblich rechtswidrige Handeln der Kommission kein Schaden entstehe.
32 Die Klägerin macht geltend, die Erwägungen der Kommission zur Unzulässigkeit wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses beträfen die Begründetheit der Rechtssache, so dass sie mit der Frage der Zulässigkeit der Klage nichts zu tun hätten.
Würdigung durch das Gericht
33 Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Nichtigkeitsklage einer natürlichen oder juristischen Person nur zulässig, wenn diese ein Interesse an der Nichtigerklärung der angefochtenen Handlung hat. Ein solches Interesse setzt voraus, dass die Nichtigerklärung der angefochtenen Handlung als solche Rechtswirkungen haben kann und dass der Rechtsbehelf damit der Partei, die ihn eingelegt hat, im Ergebnis einen Vorteil verschaffen kann (vgl. Beschluss des Gerichts vom 30. April 2007, EnBW Energie Baden-Württemberg/Kommission, T‑387/04, Slg. 2007, II‑1195, Randnr. 96 und die dort angeführte Rechtsprechung).
34 Das Vorbringen der Kommission zum fehlenden Rechtsschutzinteresse der Klägerin beruht auf der Prämisse, dass auf den vorliegenden Fall Art. 40 des belgischen Gesetzes über die Handelspraktiken anwendbar sei. Aus den Schriftsätzen der Kommission geht nämlich ausdrücklich hervor, dass dieses Rechtsschutzinteresse der Klägerin nur fehlen würde, wenn das Gericht einen Verstoß des Angebots des Auftragnehmers gegen Art. 40 des belgischen Gesetzes über die Handelspraktiken annehmen sollte.
35 Es ist jedoch festzustellen, dass die Kommission ihren schriftsätzlichen Äußerungen zum zweiten Nichtigkeitsgrund zufolge die Anwendbarkeit dieser Bestimmung auf den vorliegenden Fall verneint. Daher ist mit der Klägerin davon auszugehen, dass diese Frage der Anwendung von Art. 40 des belgischen Gesetzes über die Handelspraktiken zur Begründetheitsprüfung des Antrags auf Nichtigerklärung gehört.
36 In Ermangelung eines schlüssigen Vorbringens der Kommission zur Stützung ihrer Behauptung eines fehlenden Klageinteresses ist somit diese Einrede der Unzulässigkeit zurückzuweisen.
b) Zur Gegenstandslosigkeit des Antrags auf Nichtigerklärung
Vorbringen der Parteien
37 Die Kommission vertritt die Ansicht, die Klägerin verlange nur noch Schadensersatz und ihr Hauptantrag auf Nichtigerklärung sei gegenstandslos geworden. Der Auftrag sei nämlich zum Teil schon ausgeführt worden, was nach den Anträgen der Klägerin impliziere, dass diese im Rahmen der vorliegenden Klage auf ihren Antrag auf Nichtigerklärung verzichtet und diesen durch einen Schadensersatzantrag ersetzt habe.
38 Die Klägerin weist das Vorbringen der Kommission zurück und gelangt zu dem Ergebnis, dass sie ein Interesse an der Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung behalte.
Würdigung durch das Gericht
39 Nach der Rechtsprechung behält der Kläger nur dann während des Verfahrens ein Interesse an der Nichtigerklärung der angefochtenen Handlung, wenn diese Nichtigerklärung selbst geeignet ist, rechtliche Wirkungen zu erzeugen, die insbesondere darin bestehen können, dass etwaige sich aus der Handlung ergebende Schadensfolgen beseitigt werden oder dass verhindert wird, dass sich der behauptete Rechtsverstoß in Zukunft wiederholt (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 26. April 1988, Apesco/Kommission, 207/86, Slg. 1988, 2151, Randnr. 16; Urteil des Gerichts vom 25. März 1999, Gencor/Kommission, T‑102/96, Slg. 1999, II‑753, Randnr. 41, und Beschluss des Gerichts vom 5. Dezember 2007, Schering-Plough/Kommission und EMEA, T‑133/03, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 31).
40 In einer Rahmenvereinbarung wie der hier fraglichen, die geeignet ist, als Muster für die künftige Vergabe entsprechender Aufträge zu dienen, ist ein Interesse daran, zu verhindern, dass sich der von der Klägerin behauptete Rechtsverstoß in Zukunft wiederholt, zu bejahen.
41 Angesichts der oben in den Randnrn. 36 und 40 gezogenen Schlussfolgerungen ist der vorliegende Antrag auf Nichtigerklärung zulässig.
2. Zur Begründetheit
42 Die Klägerin stützt ihren Antrag auf Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung auf zwei Gründe, mit denen sie erstens eine Verletzung der Begründungspflicht und zweitens einen Verstoß gegen Art. 55 der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (ABl. L 134, S. 114) sowie die Art. 139 Abs. 1 und 146 Abs. 4 der Durchführungsbestimmungen in Verbindung mit dem Verlustverkäufe verbietenden Art. 40 des belgischen Gesetzes über die Handelspraktiken geltend macht.
43 Zunächst ist die Begründetheit des zweiten Nichtigkeitsgrundes zu prüfen, um den Gegenstand der vorliegenden Klage einzugrenzen.
a) Zum zweiten Nichtigkeitsgrund: Verstoß gegen Art. 55 der Richtlinie 2004/18 sowie die Art. 139 Abs. 1 und 146 Abs. 4 der Durchführungsbestimmungen in Verbindung mit Art. 40 des belgischen Gesetzes über die Handelspraktiken
Vorbringen der Parteien
44 Die Klägerin macht erstens geltend, sie habe die Kommission bei der Einreichung ihres Angebots ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, dass sie im Rahmen des fraglichen Vergabeverfahrens den höchstmöglichen Prozentsatz für einen Preisnachlass, nämlich 17,70 %, anbiete. Dieser Preisnachlasshöchstsatz habe für alle mit der Vergabe des fraglichen Auftrags in Zusammenhang stehenden Angebote einschließlich desjenigen des Auftragnehmers gegolten. Diese Behauptung stützt die Klägerin auf ein Schreiben des Lieferers vom 29. Oktober 2007 an sie, das sie ihrem Angebot vom 2. November 2007 beigefügt habe (im Folgenden: Schreiben des Lieferers). Sie werde auch dadurch bestätigt, dass drei weitere Bieter ein Angebot mit einem Preisnachlass von 17,70 % eingereicht hätten, was der Kommission bekannt gewesen sei.
45 Den Akten sei jedoch zu entnehmen, dass das Angebot des Auftragnehmers einen Preisnachlass von 18,25 % enthalten habe, der über den vom Lieferer allen Wiederverkäufern gewährten Nachlass hinausgegangen sei. Ein solcher Preisnachlass verstoße daher gegen Art. 40 des belgischen Gesetzes über die Handelspraktiken, der Verlustverkäufe untersage und nach Nr. 3.3 der technischen Spezifikationen auf den vorliegenden Fall anwendbar sei. Damit stelle das Angebot des Auftragnehmers wegen der Höhe des von diesem angebotenen Preisnachlasses ein ungewöhnlich niedriges Angebot im Sinne der Art. 139 Abs. 1 und 146 Abs. 4 der Durchführungsbestimmungen dar.
46 Die Klägerin schließt daraus, dass die Kommission, indem sie sich für das Angebot des Auftragnehmers entschieden habe, obwohl dieses ein ungewöhnlich niedriges Angebot dargestellt habe, gegen Art. 55 der Richtlinie 2004/18 sowie die Art. 139 Abs. 1 und 146 Abs. 4 der Durchführungsbestimmungen verstoßen habe. Ihrer Ansicht nach hätte ein solches Angebot von der Kommission sofort abgelehnt werden müssen.
47 Zweitens habe die Kommission, da sie trotz der von der Klägerin erteilten Informationen nicht kontrolliert habe, ob das Angebot des Auftragnehmers dem Verbot von Verlustverkäufen zuwiderlaufe, den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung verletzt, denn sie habe nicht alle maßgeblichen Umstände sorgfältig und unparteiisch geprüft.
48 Drittens könne die Rechtmäßigkeit des von der Kommission mit dem Auftragnehmer geschlossenen Vertrags nach den Art. 95 und 98 des belgischen Gesetzes über die Handelspraktiken oder den Art. 6 und 1133 des belgischen Code civil (Zivilgesetzbuch) von allen Beteiligten vor den belgischen Gerichten in Frage gestellt werden.
49 Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen und gelangt zu dem Schluss, dass der zweite Nichtigkeitsgrund als unbegründet zurückzuweisen sei.
Würdigung durch das Gericht
– Zu den Teilen des zweiten Nichtigkeitsgrundes, die den Verstoß gegen eine Richtlinie und das belgische Recht betreffen
50 Als Erstes ist vorab darauf hinzuweisen, dass der zweite Nichtigkeitsgrund insbesondere auf einen Verstoß gegen Art. 55 der Richtlinie 2004/18 gestützt wird. Die Richtlinie 2004/18 ist jedoch an die in ihr bezeichneten Mitgliedstaaten gerichtet und gilt damit nicht für öffentliche Aufträge, die, wie im vorliegenden Fall, von einem Gemeinschaftsorgan vergeben werden. Daher ist dieser Teil des zweiten Nichtigkeitsgrundes als ins Leere gehend zurückzuweisen.
51 Als Zweites ist festzustellen, dass die Klägerin nach ihren Schriftsätzen den zweiten Nichtigkeitsgrund im Wesentlichen auf einen Verstoß gegen die auf ungewöhnlich niedrige Angebote anwendbaren Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts, nämlich Art. 139 Abs. 1 und Art. 146 Abs. 4 der Durchführungsbestimmungen, stützt und sich zudem in Verbindung mit diesen Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts auf Art. 40 des belgischen Gesetzes über die Handelspraktiken bezieht.
52 Zum einen wirft die Klägerin nämlich der Kommission ausdrücklich vor, gegen diese Artikel der Durchführungsbestimmungen verstoßen zu haben.
53 Zum anderen ist festzustellen, dass die Klägerin einen Verlustverkauf im Sinne von Art. 40 des belgischen Gesetzes über die Handelspraktiken aus zwei Gründen ungewöhnlich niedrigen Angeboten gleichstellt. Sie sieht erstens das Angebot des Auftragnehmers deshalb sowohl als einen Verlustverkauf als auch ein ungewöhnlich niedriges Angebot an, weil es einen höheren Preisnachlass enthalte, als der Lieferer angeboten habe. Zweitens meint sie, das Angebot des Auftragnehmers hätte, weil es dabei sowohl um ein ungewöhnlich niedriges Angebot als auch um einen Verlustverkauf gehe, nach Art. 139 Abs. 1 der Durchführungsbestimmungen sofort vom fraglichen Vergabeverfahren ausgeschlossen werden müssen.
54 Als Drittes ist daran zu erinnern, dass, wie sich aus Art. 100 Abs. 1 der Haushaltsordnung ergibt, der Auftragnehmer unter Beachtung zum einen der Auswahl- und Zuschlagskriterien und zum anderen der Vorschriften über die Auftragsvergabe zu benennen ist. Diesem Artikel ist überdies zu entnehmen, dass die Auswahl- und Zuschlagskriterien in den Ausschreibungsunterlagen festgelegt sind.
55 Wie jedoch vorstehend in Randnr. 1 dargelegt worden ist, unterliegt die Vergabe von Lieferaufträgen der Kommission allein den Bestimmungen des Teils 1 Titel V der Haushaltsordnung und des Ersten Teils Titel V der Durchführungsbestimmungen.
56 Außerdem ist festzustellen, dass die Art. 139 Abs. 1 und 146 Abs. 4 der Durchführungsbestimmungen, deren Verletzung die Klägerin im Rahmen des zweiten Nichtigkeitsgrundes rügt, zu Kapitel 1 Abschnitt 3 („Vergabeverfahren“) des Ersten Teils Titel V der Durchführungsbestimmungen gehören.
57 Erstens stellen daher die Art. 139 Abs. 1 und 146 Abs. 4 der Durchführungsbestimmungen Vorschriften über die Auftragsvergabe im Sinne von Art. 100 Abs. 1 der Haushaltsordnung dar. Damit ist davon auszugehen, dass der zweite Nichtigkeitsgrund im Wesentlichen auf eine Verletzung der Vorschriften über die Auftragsvergabe gestützt wird.
58 Zweitens ist festzustellen, dass sich die Klägerin, wie sich aus der vorstehenden Randnr. 45 ergibt, für ihren Vortrag, dass Art. 40 des belgischen Gesetzes über die Handelspraktiken auf den vorliegenden Fall anwendbar sei, auf die Bestimmungen der Nr. 3.3 der technischen Spezifikationen beruft.
59 Nach Art. 130 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 3 Buchst. c der Durchführungsbestimmungen sind die technischen Spezifikationen aber Bestandteil der Verdingungsunterlagen, die ihrerseits zu den Ausschreibungsunterlagen gehören.
60 Angesichts der in der vorstehenden Randnr. 57 gezogenen Schlussfolgerung, dass der zweite zur Stützung des Antrags auf Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung geltend gemachte Klagegrund im Wesentlichen auf die Verletzung einer Vorschrift über die Auftragsvergabe im Sinne von Art. 100 Abs. 1 der Haushaltsordnung abstellt, beruft sich daher die Klägerin, um die Anwendbarkeit von Art. 40 des belgischen Gesetzes über die Handelspraktiken auf den vorliegenden Fall darzutun, zu Unrecht auf eine Bestimmung der technischen Spezifikationen der fraglichen Ausschreibung, die keine Vorschrift über die Auftragsvergabe darstellt.
61 Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass, selbst wenn die Klägerin einen eigenständigen Verstoß gegen Art. 40 des belgischen Gesetzes über die Handelspraktiken geltend machen sollte, einer solchen Rüge doch nicht stattzugeben wäre.
62 Das Gericht ist nämlich im Rahmen einer Nichtigkeitsklage für die Entscheidung über Klagen wegen Unzuständigkeit, Verletzung wesentlicher Formvorschriften, Verletzung der Verträge oder einer bei ihrer Durchführung anzuwendenden Rechtsnorm oder wegen Ermessensmissbrauchs zuständig. Folglich kann es den geltend gemachten Verstoß gegen die belgischen Rechtsvorschriften nicht als eine Rechtsfrage behandeln, die eine uneingeschränkte rechtliche Prüfung voraussetzt. Eine solche Prüfung steht vielmehr nur den belgischen Stellen zu (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 6. Juli 2000, AICS/Parlament, T‑139/99, Slg. 2000, II‑2849, Randnr. 40).
63 Nach den Grundsätzen der ordnungsgemäßen Verwaltung und der loyalen Zusammenarbeit zwischen den Unionsorganen und den Mitgliedstaaten hatte die Kommission jedoch sicherzustellen, dass die in der vorliegenden Ausschreibung vorgesehenen Voraussetzungen die potenziellen Bieter nicht dazu veranlassten, gegen die belgischen Rechtsvorschriften zu verstoßen, die möglicherweise auf den im vorliegenden Fall fraglichen Vertrag Anwendung fanden (vgl. entsprechend Urteile des Gerichts AICS/Parlament, oben in Randnr. 62 angeführt, Randnr. 41, und vom 11. Juni 2002, AICS/Parlament, T‑365/00, Slg. 2002, II‑2719, Randnr. 63), was eine Frage der Tatsachenwürdigung ist (Urteil des Gerichts vom 11. Juni 2002, AICS/Parlament, Randnr. 63).
64 Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die Kommission im Anschluss an das Schreiben der Klägerin vom 2. November 2007, in dem diese sie darauf aufmerksam gemacht hatte, dass ihr Angebot Art. 40 des belgischen Gesetzes über die Handelspraktiken genüge, den Auftragnehmer mit Schreiben vom 3. Dezember 2007 bat, zu bestätigen, dass sein Angebot das anwendbare Recht einhalte und er insbesondere nicht mit Verlust verkaufe, was der Auftragnehmer mit Schreiben vom 4. Dezember 2007 bestätigt hat. Damit hat die Kommission dafür Sorge getragen, dass sie den Auftragnehmer nicht zu einem Verstoß gegen das belgische Recht veranlasste, das möglicherweise auf den im vorliegenden Fall fraglichen Vertrag anwendbar war.
65 Überdies hat die Klägerin nicht dargetan, dass das Angebot des Auftragnehmers offensichtlich oder notwendig einen Verstoß gegen Art. 40 des belgischen Gesetzes über die Handelspraktiken bewirkte. Sie nimmt nämlich lediglich an, dass der Auftragnehmer den gleichen Preisnachlass wie sie in Anspruch genommen habe, und stützt ihre Behauptung, dass sein Angebot einen Verlustverkauf im Sinne von Art. 40 des belgischen Gesetzes über die Handelspraktiken darstelle, allein auf das Schreiben des Lieferers. Aus diesem Schreiben soll ihrer Ansicht nach hervorgehen, dass der vom Lieferer im Rahmen des fraglichen Ausschreibungsverfahrens allen Wiederverkäufern einschließlich des Auftragnehmers gewährte Preisnachlasshöchstsatz 17,70 % betragen habe.
66 Dem Schreiben des Lieferers lässt sich jedoch nicht entnehmen, dass dieser von der Klägerin in ihrem Angebot offerierte Preisnachlass für alle Wiederverkäufer des Lieferers galt.
67 Die beiden einzigen Absätze dieses Schreibens lauten nämlich wie folgt:
„We hereby confirm that with regards to the in the subject mentioned Call for Tenders, your LAR discount for the Custom Enterprise Agreement Subscription is 17.700 %.
The LAR discount you receive for the Select Agreement is mentioned in the Microsoft Select pricelist.“
[Wir bestätigen hiermit, dass im Rahmen der im Betreff genannten Ausschreibung Ihr Großhändler-Preisnachlass bei Abschluss eines Custom-Enterprise-Vertrags 17,70 % beträgt.
Der Großhändler-Nachlass, der Ihnen für den Select-Vertrag gewährt wird, ist in der Select-Preisliste von Microsoft genannt.]
68 Dem Wortlaut des – nur an die Klägerin gerichteten – Schreibens des Lieferers ist zu entnehmen, dass sein Verfasser eindeutig die Höhe des Preisnachlasses angegeben hat, den allein die Klägerin in Anspruch nehmen können sollte. Diese Darstellung lässt mangels weiterer Angaben nicht die Annahme zu, dass der angegebene Preisnachlass, wie die Klägerin meint, für alle Wiederverkäufer galt.
69 Auch der Vortrag der Klägerin, dass andere Wiederverkäufer bei der Kommission Angebote eingereicht hätten, in denen ein Nachlassbetrag von 17,70 % angegeben gewesen sei, stellt eine bloße Behauptung dar, die durch keine Beweismittel gestützt wird.
70 Unter diesen Umständen hat die Klägerin, unterstellt, Art. 40 des belgischen Gesetzes über die Handelspraktiken sei auf den vorliegenden Fall anwendbar, nicht dargetan, dass die Kommission einen offensichtlichen Fehler bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Angebots des Auftragnehmers nach den Bestimmungen des genannten Artikels begangen hat.
– Zu dem auf die Verletzung der Durchführungsbestimmungen gestützten Teil des zweiten Nichtigkeitsgrundes
71 Zu prüfen ist, ob, wie die Klägerin vorträgt, die Kommission angesichts der ihr vorliegenden Informationen darüber, dass das Angebot des Auftragnehmers ungewöhnlich niedrig sei, dessen Angebot zu Unrecht nicht sofort nach den Art. 139 Abs. 1 und 146 Abs. 4 der Durchführungsbestimmungen abgelehnt hat.
72 Dazu ergibt sich aus Art. 139 Abs. 1 der Durchführungsbestimmungen, dass der öffentliche Auftraggeber dann, wenn er ein Angebot für ungewöhnlich niedrig hält, vor dessen Ablehnung dem Bieter erlauben muss, die Merkmale seines Angebots zu erläutern bzw. zu begründen. Daher ergibt sich die Verpflichtung zur Prüfung der Seriosität eines Angebots aus dem vorherigen Vorliegen von Zweifeln an dessen Verlässlichkeit, wobei außerdem zu berücksichtigen ist, dass dieser Artikel hauptsächlich verhindern soll, dass ein Bieter vom Verfahren ausgeschlossen wird, ohne dass er die Möglichkeit hatte, den Inhalt seines ungewöhnlich niedrig scheinenden Angebots zu begründen (Urteil des Gerichts vom 6. Juli 2005, TQ3 Travel Solutions Belgium/Kommission, T‑148/04, Slg. 2005, II‑2627, Randnr. 49).
73 Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission bei der Beurteilung der Gesichtspunkte, die bei einer Entscheidung über die Vergabe eines ausgeschriebenen Auftrags zu berücksichtigen sind, über ein weites Ermessen verfügt und dass sich die Kontrolle durch das Gericht auf die Prüfung beschränken muss, ob die Verfahrensvorschriften und die Begründungspflicht beachtet worden sind, der Sachverhalt richtig ermittelt wurde und kein offensichtlicher Beurteilungsfehler oder Ermessensmissbrauch vorliegt (vgl. Urteil TQ3 Travel Solutions Belgium/Kommission, oben in Randnr. 72 angeführt, Randnr. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung).
74 Im vorliegenden Fall ist die einzige Informationsquelle, auf die die Klägerin ihre Behauptung, dass das Angebot des Auftragnehmers ungewöhnlich niedrig gewesen sei, gründet, wiederum das Schreiben des Lieferers. Insoweit macht sie geltend, der höchstmögliche Prozentsatz für diesen Preisnachlass habe für alle mit der Vergabe des fraglichen Auftrags zusammenhängenden Angebote einschließlich desjenigen des Auftragnehmers gegolten.
75 Angesichts der Ausführungen des Gerichts in den vorstehenden Randnrn. 65 bis 68 ist jedoch festzustellen, dass diese Behauptung durch den Inhalt des Schreibens des Lieferers nicht gestützt wird.
76 Daher hat die Klägerin angesichts des weiten Ermessens, über das die Kommission bei der Beurteilung der Gesichtspunkte im Rahmen des Verfahrens zur Vergabe eines ausgeschriebenen Auftrags verfügt hat, der Kommission zu Unrecht vorgeworfen, zum einen nicht berücksichtigt zu haben, dass das Angebot des Auftragnehmers ungewöhnlich niedrig sei, und zum anderen demgemäß dieses Angebot als solches nicht nach Art. 139 Abs. 1 der Durchführungsbestimmungen abgelehnt zu haben.
77 Die beiden nachstehenden Argumente, die von der Klägerin weiter zur Stützung des zweiten Nichtigkeitsgrundes geltend gemacht werden, lassen diese Schlussfolgerung unberührt.
78 Was erstens das Vorbringen der Klägerin zur Verletzung des Grundsatzes der ordnungsgemäßen Verwaltung angeht, die sich daraus ergeben soll, dass die Kommission gegen ihre Verpflichtung zur sorgfältigen und unparteiischen Prüfung aller maßgeblichen Umstände des vorliegenden Falles verstoßen habe, und insbesondere daraus, dass sie das Angebot des Auftragnehmers nicht als ungewöhnlich niedrig abgelehnt habe, so genügt die Feststellung, dass die Kommission, auch wenn sie dieses Angebot nicht als ungewöhnlich niedrig qualifiziert hat, gleichwohl bei dessen Prüfung mit Sorgfalt vorgegangen ist. Wie nämlich oben in Randnr. 64 ausgeführt worden ist, hat sie den Auftragnehmer in ihrem Schreiben vom 3. Dezember 2007 gebeten, zu bestätigen, dass sein Angebot das anwendbare Recht einhalte und insbesondere keinen Verlustverkauf enthalte. Damit ist das Vorbringen der Klägerin, bei der Prüfung des Angebots des Auftragnehmers sei der Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung verletzt worden, in Ermangelung weiterer Umstände als unbegründet zurückzuweisen.
79 Was zweitens das Vorbringen der Klägerin zur Möglichkeit angeht, die Gültigkeit des zwischen der Kommission und dem Auftragnehmer geschlossenen Vertrags vor den belgischen Gerichten anzufechten, ist festzustellen, dass es sich nicht auf die Rechtmäßigkeit der im Rahmen des Verfahrens zur Vergabe des fraglichen Auftrags ergangenen angefochtenen Entscheidung bezieht, sondern auf die Rechtmäßigkeit des aus dieser Vergabe resultierenden Vertrags. Dieses Vorbringen ist folglich zurückzuweisen.
80 Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass der zweite Nichtigkeitsgrund zurückzuweisen ist.
b) Zum ersten Nichtigkeitsgrund: Verletzung der Begründungspflicht
Vorbringen der Parteien
81 Die Klägerin macht geltend, die angefochtene Entscheidung sei weder förmlich noch sachlich ordnungsgemäß begründet.
82 Sie trägt erstens vor, sie habe die Kommission ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, dass Art. 40 des belgischen Gesetzes über die Handelspraktiken auf das fragliche Auswahlverfahren anwendbar sei und dass sie angesichts des in diesem Artikel aufgestellten Verbots von Verlustverkäufen den höchstmöglichen Preisnachlass in ihr Angebot aufgenommen habe. Trotz der Verpflichtung der Kommission, alle maßgeblichen Umstände des vorliegenden Falls sorgfältig und unparteiisch zu prüfen, enthalte aber weder die angefochtene Entscheidung noch das Protokoll der Nachbesprechung eine Begründung zu diesem maßgeblichen Umstand, noch gehe aus ihnen hervor, dass die Kommission diesem Umstand Rechnung getragen hätte. Die angefochtene Entscheidung sei daher zu knapp, zu ungenau oder nicht klar genug begründet. Die Kommission habe deshalb gegen die allgemeine Begründungspflicht und Art. 18 des durch die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 6. September 2001 (ABl. 2002, C 72E, S. 331) genehmigten Europäischen Kodex für gute Verwaltungspraxis (im Folgenden: Kodex für gute Verwaltungspraxis) verstoßen.
83 Zweitens habe die Kommission darüber hinaus gegen ihre Verpflichtung aus Art. 18 Abs. 2 des Kodex für gute Verwaltungspraxis verstoßen, die angefochtene Entscheidung in Bezug auf die Anwendung von Art. 40 des belgischen Gesetzes über die Handelspraktiken individuell zu begründen.
84 Drittens sei der Begründung der angefochtenen Entscheidung nicht zu entnehmen, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung im Sinne von Art. 5 des Kodex für gute Verwaltungspraxis bei der Anwendung von Art. 40 des belgischen Gesetzes über die Handelspraktiken von der Kommission tatsächlich beachtet worden sei. Diese Begründung sei daher von Grund auf unzureichend.
85 Viertens ermögliche es die Begründung der angefochtenen Entscheidung nicht, gemäß Art. 4 des Kodex für gute Verwaltungspraxis zu prüfen und zu kontrollieren, ob das im vorliegenden Fall anwendbare Recht, nämlich das durch Art. 40 des belgischen Gesetzes über die Handelspraktiken ergänzte Gemeinschaftsrecht, tatsächlich angewandt und gewahrt worden sei.
86 Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen und gelangt zu dem Schluss, dass dieser Nichtigkeitsgrund als nicht stichhaltig zurückzuweisen sei.
Würdigung durch das Gericht
87 Als Erstes ist zu bemerken, dass die Klägerin zur Stützung des ersten Nichtigkeitsgrundes, mit dem sie eine Verletzung der Begründungspflicht geltend macht, im Wesentlichen vier Argumente vorträgt: Die angefochtene Entscheidung enthalte erstens keine Begründung hinsichtlich des Verbots von Verlustverkäufen nach Art. 40 des belgischen Gesetzes über die Handelspraktiken, zweitens keine individuelle Begründung hinsichtlich der Bestimmungen dieses Artikels, drittens keinen Gesichtspunkt, der die Feststellung ermögliche, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung in Bezug auf die Anwendung dieses Artikels tatsächlich beachtet worden sei, und viertens keinen Gesichtspunkt, der es ermögliche, zu prüfen und zu kontrollieren, ob das durch diesen Artikel ergänzte Gemeinschaftsrecht tatsächlich angewandt und gewahrt worden sei.
88 In Anbetracht der vorstehend in Randnr. 60 gezogenen Schlussfolgerung, dass Art. 40 des belgischen Gesetzes über die Handelspraktiken nicht auf das fragliche Ausschreibungsverfahren anwendbar ist, sind die vier von der Klägerin geltend gemachten Argumente von vornherein zurückzuweisen, da mit ihnen dargetan werden soll, dass die angefochtene Entscheidung die Begründungspflicht im Hinblick auf diesen Artikel verletze.
89 Als Zweites ist festzustellen, dass die Klägerin auf einen Verstoß gegen Art. 18 des Kodex für gute Verwaltungspraxis sowie auf eine Verletzung der allgemeinen Begründungspflicht abhebt.
90 Wie aus der Rechtsprechung hervorgeht, handelt es sich beim Kodex für gute Verwaltungspraxis nicht um eine Rechtsvorschrift, sondern um eine Entschließung des Parlaments, mit der Änderungen an einem ihm vom Europäischen Bürgerbeauftragten vorgelegten Vorschlag vorgenommen wurden und die Kommission aufgefordert wurde, einen entsprechenden Gesetzesvorschlag vorzulegen (Beschluss des Gerichts vom 24. April 2007, Gorostiaga Atxalandabaso/Parlament, T‑132/06, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 73). Dieser Kodex stellt daher keine für die Kommission verbindliche Vorschrift dar, und die Klägerin kann aus ihm kein Recht ableiten.
91 Jedoch ist, auch wenn sich die Klägerin nicht ausdrücklich auf Art. 253 EG beruft, der Klageschrift zu entnehmen, dass sie sich im Wesentlichen auf die allgemeine Begründungspflicht, wie sie in dieser Vorschrift vorgesehen ist, berufen wollte.
92 Was in erster Linie die Frage angeht, ob die angefochtene Entscheidung der allgemeinen Begründungspflicht genügt, wie sie sich aus Art. 253 EG ergibt, ist zunächst auf die ständige Rechtsprechung zu verweisen, wonach sich die Begründungspflicht nach der Art des in Rede stehenden Rechtsakts und dem Kontext, in dem er erlassen wurde, bemisst. Die Begründung muss die Überlegungen des Organs so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass es den Betroffenen möglich ist, Kenntnis von den Gründen für die getroffene Maßnahme zu erlangen, damit sie ihre Rechte verteidigen und prüfen können, ob die Entscheidung in der Sache begründet ist oder nicht, und dass der Richter die ihm obliegende Kontrolle der Rechtmäßigkeit des betreffenden Rechtsakts wahrnehmen kann (Urteil des Gerichtshofs vom 14. Februar 1990, Delacre u. a./Kommission, C‑350/88, Slg. 1990, I‑395, Randnrn. 15 und 16; Urteile des Gerichts vom 9. April 2003, Forum des migrants/Kommission, T‑217/01, Slg. 2003, II‑1563, Randnr. 68, und Deloitte Business Advisory/Kommission, oben in Randnr. 28 angeführt, Randnr. 45).
93 Sodann ist festzustellen, dass die Kommission im vorliegenden Fall der Klägerin nach Art. 100 Abs. 2 der Haushaltsordnung und Art. 149 Abs. 2 der Durchführungsbestimmungen die Gründe für die Ablehnung ihres Angebots und darüber hinaus – da die Klägerin ein anforderungsgemäßes Angebot eingereicht hatte – die Merkmale und Vorteile des ausgewählten Angebots sowie die Identität des Zuschlagsempfängers binnen 15 Kalendertagen nach Eingang eines entsprechenden schriftlichen Antrags mitzuteilen hatte.
94 Nach ständiger Rechtsprechung entspricht ein solches in Art. 100 Abs. 2 der Haushaltsordnung beschriebenes Vorgehen, das die Überlegungen des Urhebers des Rechtsakts klar und eindeutig zum Ausdruck bringt, dem Zweck der in Art. 253 EG verankerten Begründungspflicht, wie er vorstehend in Randnr. 92 in Erinnerung gerufen worden ist (Urteil des Gerichts vom 12. Juli 2007, Evropaïki Dynamiki/Kommission, T‑250/05, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 69; vgl. in diesem Sinne auch Urteil des Gerichts vom 1. Juli 2008, AWWW/FEACVT, T‑211/07, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).
95 Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die Kommission der Klägerin in ihrem Schreiben vom 11. Januar 2008 mitgeteilt hat, dass deren Angebot nicht berücksichtigt worden sei, weil es nach Maßgabe der Zuschlagsformel in den Verdingungsunterlagen nicht das beste Preis-Leistungs-Verhältnis aufweise. Es ist daher davon auszugehen, dass die Klägerin gemäß Art. 100 der Haushaltsordnung und Art. 149 der Durchführungsbestimmungen über die genauen Gründe für die Ablehnung ihres Angebots unterrichtet wurde.
96 Zur Verpflichtung der Kommission, der Klägerin die Merkmale und Vorteile des ausgewählten Angebots sowie die Identität des Zuschlagsempfängers mitzuteilen, ist festzustellen, dass die Kommission aufgrund eines mit E-Mail vom 16. Januar 2008 gestellten Antrags der Klägerin nach Art. 149 Abs. 3 Unterabs. 3 der Durchführungsbestimmungen eine Nachbesprechung veranstaltet hat, um der Klägerin eine Übersicht über die Stärken und Schwächen ihres Angebots im Vergleich zu dem des Auftragnehmers zu geben.
97 Außerdem ist festzustellen, dass die Kommission mit Schreiben vom 29. Januar 2008 der Klägerin zum einen den Namen des fraglichen Auftragnehmers mitgeteilt und zum anderen als Anlage zu diesem Schreiben ein Protokoll der Nachbesprechung übersandt hat. Dieses Protokoll hat die Form von im Telegrammstil gehaltenen Bemerkungen, in denen die für die technische Bewertung des Angebots maßgeblichen Kriterien sowie die vom Angebot der Klägerin für jedes dieser Kriterien erzielten Noten und die daraus resultierende Gesamtnote aufgeführt werden. Nach dem Protokoll wurde das Angebot der Klägerin am Ende der technischen Bewertung auf den ersten Rang eingestuft. Zur finanziellen Bewertung weist das Protokoll darauf hin, dass Grundlage für diese Bewertung der von den Bietern gewährte Preisnachlass für die Erzeugnisse des Lieferers gewesen sei. Insoweit sei das Angebot der Klägerin auf den zweiten Rang eingestuft worden bei einer Differenz von 0,55 % zu dem vom Auftragnehmer in dessen Angebot offerierten Preis. Weiter geht aus dem Protokoll der Nachbesprechung hervor, dass das Angebot des Auftragnehmers nach Anwendung der entsprechenden Formel das beste Preis-Leistungs-Verhältnis im Vergleich zum Angebot der Klägerin aufgewiesen habe, was es gerechtfertigt habe, sein Angebot auszuwählen.
98 Da die Pflicht zur Begründung eines Rechtsakts, wie bereits vorstehend in Randnr. 92 ausgeführt worden ist, vom Kontext abhängt, in dem er erlassen wurde, ist festzustellen, dass im vorliegenden Fall die Angaben, die der Klägerin auf deren E-Mail vom 16. Januar 2008 hin von der Kommission mitgeteilt wurden, deren Begründung hinreichend klar und eindeutig zum Ausdruck bringen. Diese Angaben ermöglichten somit zum einen der Klägerin, Kenntnis von den Gründen für die getroffene Maßnahme zu erhalten, um ihre Rechte verteidigen und prüfen zu können, ob die angefochtene Entscheidung in der Sache begründet ist oder nicht, und zum anderen dem Gemeinschaftsrichter, die ihm obliegende Kontrolle der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung wahrzunehmen.
99 Mithin hat die Kommission im vorliegenden Fall der allgemeinen Begründungspflicht, wie sie sich aus Art. 253 EG ergibt, genügt.
100 Aus den vorstehenden Ausführungen folgt insgesamt, dass der erste Nichtigkeitsgrund zurückzuweisen ist.
101 In Anbetracht der vorstehend in den Randnrn. 80 und 100 gezogenen Schlussfolgerungen ist der Antrag auf Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung insgesamt zurückzuweisen.
B – Zum Schadensersatzantrag
1. Vorbringen der Parteien
102 Die Klägerin beantragt hilfsweise für den Fall, dass der Auftrag bereits ausgeführt ist oder die Entscheidung nicht mehr für nichtig erklärt werden kann, ihr Schadensersatz nach den Art. 235 EG und 288 EG zuzuerkennen. Die Kommission habe nämlich mit ihrem rechtswidrigen Verhalten einen Rechtsverstoß begangen, der ihre Haftung auslöse. Die Klägerin hält einen Schadensersatzbetrag von 654 962,38 Euro für angemessen, der dem Bruttogewinn entspreche, den sie erzielt hätte, wenn sie den Zuschlag für den Auftrag erhalten hätte. Alle Argumente, Rügen und Gründe, die sie zur Begründung des zweiten Nichtigkeitsgrundes geltend gemacht habe, stützten den Schadensersatzantrag, so dass dieser hinreichend untermauert sei.
103 Nach Ansicht der Kommission ist der Schadensersatzantrag jedenfalls für unbegründet zu erklären.
2. Würdigung durch das Gericht
104 Zunächst ist festzustellen, dass der dritte in der Klageschrift aufgeführte Klageantrag, festzustellen, dass das rechtswidrige Verhalten der Kommission einen Rechtsverstoß darstellt, der ihre Haftung auslöst, in Verbindung mit dem vierten Klageantrag auszulegen ist, die Kommission zur Zahlung von Schadensersatz zu verurteilen. Wie sich nämlich ausdrücklich aus den von der Klägerin in der Klageschrift hilfsweise angeführten Gründen ergibt, soll ihr Schadensersatzantrag nach Art. 235 EG und 288 EG deshalb begründet sein, weil die Kommission mit ihrem rechtswidrigen Verhalten einen ihre Haftung auslösenden Rechtsverstoß begangen habe.
105 Als Erstes ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung die außervertragliche Haftung der Gemeinschaft für ein rechtswidriges Verhalten ihrer Organe im Sinne von Art. 288 Abs. 2 EG nur dann ausgelöst wird, wenn mehrere Voraussetzungen erfüllt sind: Das den Gemeinschaftsorganen zur Last gelegte Verhalten muss rechtswidrig sein, es muss ein Schaden entstanden sein, und zwischen dem behaupteten Verhalten und dem geltend gemachten Schaden muss ein Kausalzusammenhang bestehen (vgl. Urteil des Gerichts vom 14. Dezember 2005, FIAMM und FIAMM Technologies/Rat und Kommission, T‑69/00, Slg. 2005, II‑5393, Randnr. 85 und die dort angeführte Rechtsprechung).
106 Da diese drei Voraussetzungen für die außervertragliche Haftung der Gemeinschaft kumulativ sind, genügt für die Abweisung einer Schadensersatzklage, dass eine von ihnen nicht vorliegt, ohne dass die anderen Voraussetzungen geprüft zu werden brauchen (vgl. Urteil des Gerichts vom 13. September 2006, CAS Succhi di Frutta/Kommission, T‑226/01, Slg. 2006, II‑2763, Randnr. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).
107 Im vorliegenden Fall sind, wie sich aus den vorstehend in den Randnrn. 71 bis 80 dargelegten Gründen ergibt, alle Argumente, Rügen und Gründe, die die Klägerin zur Stützung des zweiten Nichtigkeitsgrundes anführt, auf den sie sich zur Untermauerung ihres Schadensersatzanspruchs beruft, geprüft und zurückgewiesen worden. Entsprechend ist, wie aus den vorstehend in den Randnrn. 87 bis 100 dargelegten Gründen hervorgeht, das gesamte von der Klägerin zur Stützung des ersten Nichtigkeitsgrundes geltend gemachte Vorbringen geprüft und zurückgewiesen worden. Schließlich ist festzustellen, dass die Klägerin keine weitere Form der Rechtswidrigkeit anführt, die im Rahmen der Prüfung ihres Schadensersatzanspruchs berücksichtigt werden könnte. Unter diesen Umständen kann daher die Haftung der Gemeinschaft aufgrund einer angeblichen Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung nicht ausgelöst sein.
108 Da somit die erste der drei Voraussetzungen für eine Haftung der Gemeinschaft nicht erfüllt ist, ist der Schadensersatzantrag als unbegründet zurückzuweisen.
109 Die vorstehend in den Randnrn. 101 und 108 gezogenen Schlussfolgerungen ergeben, dass die Klage insgesamt abzuweisen ist.
Kosten
110 Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.
111 Da hier die Klägerin unterlegen ist, sind ihr entsprechend dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen hat
DAS GERICHT (Zweite Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die PC‑Ware Information Technologies BV trägt die Kosten.
Pelikánová |
Jürimäe |
Soldevila Fragoso |
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 11. Mai 2010.
Unterschriften
Inhaltsverzeichnis
Rechtlicher Rahmen
A – Gemeinschaftsrecht
B – Nationales Recht
Dem Rechtsstreit zugrunde liegender Sachverhalt
Verfahren und Anträge der Parteien
Rechtliche Würdigung
A – Zum Antrag auf Nichtigerklärung
1. Zur Zulässigkeit des Antrags auf Nichtigerklärung
a) Zum fehlenden Rechtsschutzinteresse der Klägerin
Vorbringen der Parteien
Würdigung durch das Gericht
b) Zur Gegenstandslosigkeit des Antrags auf Nichtigerklärung
Vorbringen der Parteien
Würdigung durch das Gericht
2. Zur Begründetheit
a) Zum zweiten Nichtigkeitsgrund: Verstoß gegen Art. 55 der Richtlinie 2004/18 sowie die Art. 139 Abs. 1 und 146 Abs. 4 der Durchführungsbestimmungen in Verbindung mit Art. 40 des belgischen Gesetzes über die Handelspraktiken
Vorbringen der Parteien
Würdigung durch das Gericht
– Zu den Teilen des zweiten Nichtigkeitsgrundes, die den Verstoß gegen eine Richtlinie und das belgische Recht betreffen
– Zu dem auf die Verletzung der Durchführungsbestimmungen gestützten Teil des zweiten Nichtigkeitsgrundes
b) Zum ersten Nichtigkeitsgrund: Verletzung der Begründungspflicht
Vorbringen der Parteien
Würdigung durch das Gericht
B – Zum Schadensersatzantrag
1. Vorbringen der Parteien
2. Würdigung durch das Gericht
Kosten
** Verfahrenssprache: Niederländisch.