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Document 62008CN0053
Case C-53/08: Action brought on 12 February 2008 — Commission of the European Communities v Republic of Austria
Rechtssache C-53/08: Klage, eingereicht am 12. Februar 2008 — Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Republik Österreich
Rechtssache C-53/08: Klage, eingereicht am 12. Februar 2008 — Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Republik Österreich
ABl. C 107 vom 26.4.2008, p. 15–16
(BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)
26.4.2008 |
DE |
Amtsblatt der Europäischen Union |
C 107/15 |
Klage, eingereicht am 12. Februar 2008 — Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Republik Österreich
(Rechtssache C-53/08)
(2008/C 107/23)
Verfahrenssprache: Deutsch
Parteien
Klägerin: Kommission der Europäischen Gemeinschaften (Prozessbevollmächtigte: G. Braun und H. Støvlbæk, Bevollmächtigte)
Beklagte: Republik Österreich
Anträge der Klägerin
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festzustellen, dass die Republik Österreich, indem sie in § 6 (1) Notariatsordnung die österreichische Staatsbürgerschaft zur Voraussetzung für den Zugang zum Beruf des Notars macht, gegen Artikel 43 und 45 EG verstoβen hat; |
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festzustellen, dass die Republik Österreich, indem sie die Richtlinie 89/48/EG (bzw. die Richtlinie 2005/36/EG) für den Notarberuf nicht umgesetzt hat, gegen diese Richtlinie und Artikel 43 und 45 verstoβen hat; |
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der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen. |
Klagegründe und wesentliche Argumente
Artikel 43 EG untersage jegliche Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit, die sich aus Rechtsvorschriften als Beschränkung der Niederlassungsfreiheit ergibt. Gemäß Artikel 45 Absatz 1 EG finde das Kapitel über das Niederlassungsrecht keine Anwendung auf Tätigkeiten, die in einem Mitgliedstaat dauernd oder zeitweise mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden sind.
Gemäß der Notariatsordnung dürfen in Österreich nur österreichische Staatsangehörige zum Notar bestellt werden. Die in Frage stehende Bestimmung diskriminiere somit nach der Staatsangehörigkeit und verletze die Niederlassungsfreiheit Staatsangehöriger anderer Mitgliedstaaten, indem sie diese an der Ausübung des Berufs des Notars hindere.
Nach Ansicht der Kommission unterliegen die Tätigkeiten der Notare nicht der Ausnahme des Artikels 45 EG, die Niederlassungsfreiheit sei somit auf den Beruf des Notars anwendbar.
Zur Beantwortung der Frage, was „öffentliche Gewalt“ im Sinne des Artikels 45 EG bedeute, sei einerseits am nationalstaatlichen Verständnis anzuknüpfen. Tätigkeiten, die in einem Mitgliedstaat nicht zur öffentlichen Gewalt zählen, könnten nicht für Zwecke der Ausnahme herangezogen werden, selbst wenn die gleichen Tätigkeiten in anderen Mitgliedstaaten zur öffentlichen Gewalt gezählt würden. Andererseits seien für die Auslegung im Sinne des Artikels 45 EG Begriff und Umfang der öffentlichen Gewalt gemeinschaftsrechtlich zu bestimmen, seine Bedeutung sei vom Gerichtshof autonom und einheitlich auszulegen. Dass der österreichische Gesetzgeber und österreichische Gerichte die Notarstätigkeiten grundsätzlich als Teilnahme an der nationalen öffentlichen Gewalt betrachteten, bedeute nicht, dass diese Tätigkeiten deswegen schon nach der strengeren gemeinschaftsrechtlichen Beurteilung von der Niederlassungsfreiheit ausgenommen werden dürften. Als Ausnahme von einer Grundfreiheit sei Artikel 45 EG Absatz 1 nämlich restriktiv auszulegen.
Beim derzeitigen Stand der Integration sei es mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden, eine inhaltliche Rechtfertigung für die Voraussetzung der Staatsangehörigkeit im Zusammenhang mit den Tätigkeiten der Notare zu finden. Keine dieser Tätigkeiten, selbst wenn sie hoheitlich sein sollte, setzte das Verhältnis besonderer Verbundenheit mit dem Staat voraus, wie es der Staatsangehörigkeit eigen sei. Ebenso wenig seien diese Tätigkeiten mit dem Risiko verbunden, durch eine Ausübung von Hoheitsbefugnissen und dem Einsatz staatlicher Machtmittel Konflikte mit Inländern zu schaffen.
Die von der Republik Österreich zur Rechtfertigung des Erfordernisses der Staatsangehörigkeit angeführten Tätigkeiten — Beurkundung von Rechtsvorgängen und Vereinbarungen, das Anbringen einer Vollstreckbarkeitsklausel, die Rechtsberatung sowie die Tätigkeit als Gerichtskommissar — reichten nicht zur Rechtfertigung der Anwendung des Artikels 45 EG. Sofern sie überhaupt an der Ausübung öffentlichen Gewalt partizipierten, geschehe dies nur in indirekter Weise. Die Ausübung öffentlicher Gewalt sei ferner nicht mit Tätigkeiten im öffentlichen Interesse zu verwechseln. Gemeinnützigkeit gehöre nicht zwingend zur öffentlichen Gewalt; Aktivitäten, die das Gemeinwohl im Auge haben und nicht das Interesse Einzelner würden nicht unbedingt durch Übertragung öffentlicher Gewalt gesetzt. Während somit die tatsächliche Ausübung öffentlicher Gewalt den eigenen Staatsangehörigen vorbehalten bleiben könne, könne die Ausübung einer bestimmten Tätigkeit im allgemeinen Interesse, wie dies zum Beispiel in der vorsorgenden Rechtspflege der Fall sei, auch dadurch gewährleistet werden, dass der Zugang zum Beruf sowie die Berufspflichten besonderen Regelungen und einer besonderen Kontrolle unterworfen würden.
Die Kommission ist also der Auffassung, dass keine der Tätigkeiten, getrennt betrachtet oder alle zusammen, mit denen die Notare in Österreich befasst sind, eine direkte und spezifische Teilnahme an der Ausübung öffentlicher Gewalt im Sinne der Rechtsprechung darstellen.