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Document 62008CJ0350

    Urteil des Gerichtshofes (Erste Kammer) vom 28. Oktober 2010.
    Europäische Kommission gegen Republik Litauen.
    Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Beitrittsakte von 2003 - Verpflichtungen der beitretenden Staaten - Gemeinschaftlicher Besitzstand - Richtlinien 2001/83/EG und 2003/63/EG - Verordnung (EWG) Nr. 2309/93 und Verordnung (EG) Nr. 726/2004 - Humanarzneimittel - Biotechnologisch hergestellte ähnliche biologische Arzneimittel - Nationale Genehmigung für das Inverkehrbringen, die vor dem Beitritt gewährt wurde.
    Rechtssache C-350/08.

    Sammlung der Rechtsprechung 2010 I-10525

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:2010:642

    Rechtssache C‑350/08

    Europäische Kommission

    gegen

    Republik Litauen

    „Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Beitrittsakte von 2003 – Verpflichtungen der beitretenden Staaten – Gemeinschaftlicher Besitzstand – Richtlinien 2001/83/EG und 2003/63/EG – Verordnung (EWG) Nr. 2309/93 und Verordnung (EG) Nr. 726/2004 – Humanarzneimittel – Biotechnologisch hergestellte ähnliche biologische Arzneimittel – Nationale Genehmigung für das Inverkehrbringen, die vor dem Beitritt gewährt wurde“

    Leitsätze des Urteils

    1.        Beitritt neuer Mitgliedstaaten zu den Gemeinschaften – Tschechische Republik – Estland – Zypern – Lettland – Litauen – Ungarn – Malta – Polen – Slowenien – Slowakien – Gemeinschaftsrechtsakte, die nach der Unterzeichnung des Beitrittsvertrags, aber vor dessen Inkrafttreten erlassen wurden

    (Art. 249 EG; Beitrittsakte von 2003, Art. 2 Abs. 2, Art. 10 und Art. 54)

    2.        Rechtsangleichung – Humanarzneimittel – Genehmigung für das Inverkehrbringen – Aufrechterhaltung einer vor dem Beitritt erteilten Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Arzneimittels durch einen Mitgliedstaat nach seinem Beitritt zur Union

    (Verordnung Nr. 726/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 3 Abs. 1; Verordnung Nr. 2309/93 des Rates, Art. 3 Abs. 1; Richtlinie 2001/83 des Europäischen Parlaments und des Rates in der durch die Richtlinie 2003/63 geänderten Fassung, Art. 6 Abs. 1)

    1.        Nach erfolgter Unterzeichnung des Vertrags über den Beitritt der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik zur Europäischen Union und vorbehaltlich der Anwendung der besonderen Verfahren, die dieser Vertrag für die Entscheidung über bestimmte Arten von Übergangsmaßnahmen vorsieht, wie sie beispielsweise durch die Art. 41 oder 42 der Beitrittsakte eingeführt werden, besteht kein grundsätzlicher Einwand dagegen, dass die nach dieser Unterzeichnung und vor dem Inkrafttreten dieses Beitrittsvertrags erlassenen Rechtsakte des abgeleiteten Rechts, die zeitlich begrenzte Ausnahmen zugunsten eines künftigen Mitgliedstaats enthalten, unmittelbar auf der Grundlage der Bestimmungen des EG-Vertrags erlassen werden.

    Folglich sind sich die Organe bei den Rechtsakten, die auf diese Weise in der Zeit zwischen dem Zeitpunkt der Unterzeichnung des Beitrittsvertrags und dem Zeitpunkt, zu dem dieser Beitritt wirksam wird, erlassen werden müssen, des bevorstehenden Beitritts der neuen Mitgliedstaaten bewusst, während diese die Möglichkeit haben, gegebenenfalls ihre Interessen insbesondere im Informations- und Konsultationsverfahren zur Geltung zu bringen. Daher können die künftigen Mitgliedstaaten, sobald sie vom künftigen Erlass neuer Rechtsakte des abgeleiteten Rechts unterrichtet worden sind, im Rahmen des erwähnten Verfahrens wie auch unter Wahrnehmung des Beobachterstatus, über den sie im Rat der Europäischen Union verfügen, und unter Ausnutzung der Möglichkeiten des Dialogs und der Kooperation, die diese besonderen Mechanismen eröffnen, ihr Interesse an den notwendigen vorübergehenden Ausnahmen unter Berücksichtigung beispielsweise dessen geltend machen, dass es ihnen unmöglich wäre, die sofortige Anwendung dieser Rechtsakte im Zeitpunkt des Beitritts zu gewährleisten, oder dass eine solche Anwendung größere Probleme sozioökonomischer Art hervorrufen könnte.

    (vgl. Randnrn. 71-73)

    2.        Ein Mitgliedstaat, der nach dem Zeitpunkt seines Beitritts zur Union die nationale Genehmigung für das Inverkehrbringen eines biotechnologisch hergestellten Arzneimittels, die nicht mit den zu diesem Zeitpunkt auf dem Gebiet der Arzneimittel geltenden Rechtsvorschriften der Union in Einklang stand, aufrecht erhält, verstößt hierdurch gegen seine Verpflichtungen aus Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel in der Fassung der Richtlinie 2003/63, Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2309/93 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Schaffung einer Europäischen Agentur für die Beurteilung von Arzneimitteln und Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 726/2004 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Errichtung einer Europäischen Arzneimittel-Agentur.

    Aus den Art. 2 und 10 der Akte über die Bedingungen des Beitritts der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge ergibt sich, dass diese auf dem Grundsatz der sofortigen vollständigen Anwendung der Vorschriften des Unionsrechts auf die neuen Mitgliedstaaten beruht, wobei Abweichungen nur insoweit zulässig sind, als sie in den Übergangsbestimmungen ausdrücklich vorgesehen sind. Zu diesen Abweichungen ist in Art. 24 in Verbindung mit Anhang IX Kapitel 1 Nr. 2 dieser Beitrittsakte eine Übergangszeit vorgesehen, in der die Genehmigungen für das Inverkehrbringen, die von der Republik Litauen vor ihrem Beitritt zur Union gemäß ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften für Arzneimittel im in der Anlage A enthaltenen Verzeichnis erteilt worden waren, auch über diesen Zeitpunkt hinaus, längstens bis zum 1. Januar 2007, ihre Gültigkeit behielten. Eine für ein nicht in diesem Verzeichnis enthaltenes Arzneimittel erteilte Genehmigung musste folglich ab dem Beitrittszeitpunkt, dem 1. Mai 2004, mit den zu diesem Zeitpunkt geltenden Rechtsvorschriften der Union in Einklang gebracht werden.

    In dieser Hinsicht kann aus dem Umstand, dass Anhang IX Kapitel 1 Nr. 2 der Beitrittsakte von 2003 auf die Richtlinie 2001/83 in ihrer ursprünglichen Fassung Bezug nimmt, nicht geschlossen werden, dass jede mit dieser Fassung in Einklang stehende Genehmigung von den Anforderungen des zum Zeitpunkt des Beitritts geltenden Unionsrechts abweichen durfte, ohne dass das fragliche Arzneimittel in das in Anlage A enthaltene Verzeichnis eingetragen war. Das gilt selbst in einem Fall, in dem diese Anforderungen während des Zeitraums, der zwischen der Unterzeichnung dieser Beitrittsakte und dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens dieses Beitritts liegt, geändert wurden, wie im Fall der durch Richtlinie 2001/83 in der Fassung der Richtlinie 2003/63, die den 31. Oktober 2003 als Ende der den Mitgliedstaaten für ihre Umsetzung gesetzten Frist bestimmt hat.

    (vgl. Randnrn. 55, 57, 59-60, 63, 65, 76, 90 und Tenor)







    URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)

    28. Oktober 2010(*)

    „Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Beitrittsakte von 2003 – Verpflichtungen der beitretenden Staaten – Gemeinschaftlicher Besitzstand – Richtlinien 2001/83/EG und 2003/63/EG – Verordnung (EWG) Nr. 2309/93 und Verordnung (EG) Nr. 726/2004 – Humanarzneimittel – Biotechnologisch hergestellte ähnliche biologische Arzneimittel – Nationale Genehmigung für das Inverkehrbringen, die vor dem Beitritt gewährt wurde“

    In der Rechtssache C‑350/08

    betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 226 EG, eingereicht am 29. Juli 2008,

    Europäische Kommission, vertreten durch A. Steiblytė und M. Šimerdová als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

    Klägerin,

    gegen

    Republik Litauen, vertreten durch D. Kriaučiūnas und R. Mackevičienė als Bevollmächtigte,

    Beklagte,

    erlässt

    DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

    unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano (Berichterstatter), der Richter J.‑J. Kasel, A. Borg Barthet und M. Ilešič sowie der Richterin M. Berger,

    Generalanwältin: E. Sharpston,

    Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,

    aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 3. Dezember 2009,

    nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 22. April 2010

    folgendes

    Urteil

    1        Mit ihrer Klage beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass die Republik Litauen dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. L 311, S. 67) in der Fassung der Richtlinie 2003/63/EG der Kommission vom 25. Juni 2003 (ABl. L 159, S. 46), Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2309/93 des Rates vom 22. Juli 1993 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Schaffung einer Europäischen Agentur für die Beurteilung von Arzneimitteln (ABl. L 214, S. 1) und Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Errichtung einer Europäischen Arzneimittel-Agentur (ABl. L 136, S. 1) verstoßen hat, dass sie die nationale Genehmigung für das Inverkehrbringen des Arzneimittels „Grasalva“ aufrechterhalten hat.

     Rechtlicher Rahmen

     Unionsrecht

     Der Beitrittsvertrag von 2003 und die Beitrittsakte von 2003

    2        Der Vertrag über den Beitritt der zehn neuen Mitgliedstaaten, u. a. der Republik Litauen, zur Europäischen Union wurde am 16. April 2003 in Athen unterzeichnet (ABl. L 236, S. 17, im Folgenden: Beitrittsvertrag von 2003) und trat gemäß seinem Art. 2 Abs. 2 am 1. Mai 2004 in Kraft. Nach Art. 1 Abs. 2 dieses Vertrags sind die Aufnahmebedingungen in der Akte über die Bedingungen des Beitritts der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge (ABl. 2003, L 236, S. 33, im Folgenden: Beitrittsakte von 2003) festgelegt.

    3        Art. 2 der Beitrittsakte von 2003 bestimmt:

    „Ab dem Tag des Beitritts sind die ursprünglichen Verträge und die vor dem Beitritt erlassenen Rechtsakte der Organe und der Europäischen Zentralbank für die neuen Mitgliedstaaten verbindlich und gelten in diesen Staaten nach Maßgabe der genannten Verträge und dieser Akte.“

    4        Art. 10 der Beitrittsakte sieht vor:

    „Für die Anwendung der ursprünglichen Verträge und der Rechtsakte der Organe gelten vorübergehend die in dieser Akte vorgesehenen abweichenden Bestimmungen.“

    5        Der in Teil 4 Titel I („Übergangsmaßnahmen“) der Beitrittsakte von 2003 enthaltene Art. 24 sieht vor:

    „Die in den Anhängen V, VI, VII, VIII, IX, X, XI, XII, XIII und XIV zu dieser Akte aufgeführten Maßnahmen finden auf die neuen Mitgliedstaaten unter den in diesen Anhängen festgelegten Bedingungen Anwendung.“

    6        Art. 54 der Beitrittsakte von 2003 lautet:

    „Sofern in den in Artikel 24 genannten Anhängen oder in anderen Bestimmungen dieser Akte oder ihren Anhängen nicht eine andere Frist vorgesehen ist, setzen die neuen Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen in Kraft, um den Richtlinien und Entscheidungen im Sinne des Artikels 249 des EG-Vertrags und des Artikels 161 des Euratom-Vertrags vom Tag des Beitritts an nachzukommen.“

    7        Für die Republik Litauen bestimmt Anhang IX Kapitel 1 Nr. 2 der Beitrittsakte von 2003 in Bezug auf die Richtlinie 2001/83:

    „Abweichend von den Qualitäts-, Sicherheits- und Wirksamkeitsanforderungen gemäß der Richtlinie [2001/83 in ihrer ursprünglichen Fassung] behalten die Marktzulassungen für Arzneimittel in dem (von Litauen in der Anlage A zu diesem Anhang in einer Sprache übermittelten) Verzeichnis, die vor dem Beitritt nach litauischem Recht erteilt wurden, ihre Gültigkeit, bis sie entsprechend dem Besitzstand und dem in dem genannten Verzeichnis festgelegten Zeitplan erneuert werden bzw. bis zum 1. Januar 2007, wenn dies der frühere Zeitpunkt ist. …“

    8        In der in Kapitel 1 des Anhangs IX erwähnten Anlage A (ABl. 2003, C 227 E, S. 115, im Folgenden: Anlage A) heißt es:

    „Von Litauen in einer Sprache vorgelegtes Verzeichnis von Arzneimitteln, deren vor dem Tag des Beitritts nach litauischem Recht erteilte Marktzulassung ihre Gültigkeit behält, bis sie entsprechend dem Besitzstand erneuert wird bzw. bis zum 31. Dezember 2006, wenn dies der frühere Zeitpunkt ist.

    Wenn ein Arzneimittel in diesem Verzeichnis erscheint, so sagt dies nichts darüber aus, ob die Marktzulassung des betreffenden Arzneimittels dem Besitzstand entspricht.“

    Die Regelung der Union zu Arzneimitteln

    9        Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 in ihrer ursprünglichen Fassung bestimmte:

    „Ein Arzneimittel darf in einem Mitgliedstaat erst dann in den Verkehr gebracht werden, wenn von der zuständigen Behörde dieses Mitgliedstaats nach dieser Richtlinie eine Genehmigung für das Inverkehrbringen erteilt wurde oder wenn eine Genehmigung für das Inverkehrbringen nach der Verordnung … Nr. 2309/93 erteilt wurde.“

    10      Art. 8 dieser Richtlinie sah vor:

    „(1)      Für die Erteilung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen, die nicht auf einem Verfahren basiert, welches durch die Verordnung … Nr. 2309/93 eingesetzt wurde, ist ein Antrag bei der zuständigen betroffenen Behörde des Mitgliedstaats zu stellen.

    (3)      Dem Antrag sind folgende Angaben und Unterlagen nach Maßgabe von Anhang I beizufügen:

    i)      Ergebnisse von Versuchen:

    –        physikalisch-chemischer, biologischer oder mikrobiologischer Art,

    –        toxikologischer und pharmakologischer Art,

    –        klinischer Art;

    …“

    11      Art. 10 dieser Richtlinie sah vor:

    „(1)      Abweichend von Artikel 8 Absatz 3 Buchstabe i) und unbeschadet des Rechtsschutzes des gewerblichen und kommerziellen Eigentums gilt jedoch Folgendes:

    a)      Der Antragsteller ist nicht verpflichtet, die Ergebnisse der toxikologischen und pharmakologischen Versuche oder die Ergebnisse der klinischen Versuche vorzulegen, wenn er nachweisen kann:

    iii)      dass das Arzneimittel im Wesentlichen einem Arzneimittel gleicht, das seit mindestens sechs Jahren in der Gemeinschaft nach den Gemeinschaftsvorschriften zugelassen und in dem Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wird, in Verkehr gebracht ist; …

    …“

    12      Art. 126 der Richtlinie 2001/83 in ihrer ursprünglichen Fassung bestimmte:

    „Die Genehmigung für das Inverkehrbringen darf nur aus den in dieser Richtlinie aufgeführten Gründen versagt, ausgesetzt oder widerrufen werden.

    Die Entscheidungen über die Unterbrechung der Herstellung und die Aussetzung der Einfuhr von Arzneimitteln mit Herkunft aus Drittländern, über das Verbot der Abgabe von Arzneimitteln und deren Zurückziehung aus dem Verkehr dürfen nur aus in den Artikel 117 und 118 aufgeführten Gründen getroffen werden.“

    13      Gemäß Art. 2 Abs. 1 der am 25. Juni 2003 erlassenen und am 1. Juli 2003 in Kraft getretenen Richtlinie 2003/63 mussten die Mitgliedstaaten die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft setzen, um dieser Richtlinie bis spätestens 31. Oktober 2003 nachzukommen.

    14      Anhang I Teil II Nr. 4 der Richtlinie 2001/83 in der Fassung der Richtlinie 2003/63 sieht vor:

    „Die Bestimmungen von Artikel 10 Absatz 1 Buchstabe a Ziffer iii reichen gegebenenfalls für biologische Arzneimittel nicht aus. Gestatten die Angaben, die für sich im Wesentlichen gleiche Arzneimittel (Generika) erforderlich sind, einen solchen Nachweis jedoch nicht für zwei biologische Arzneimittel, sind zusätzliche Angaben, insbesondere das toxikologische und klinische Profil, vorzulegen.

    Stellt ein unabhängiger Antragsteller einen Zulassungsantrag für ein biologisches Arzneimittel …, so gilt Folgendes:

    –        Die bereitzustellenden Angaben dürfen sich nicht auf die Module 1, 2 und 3 (pharmazeutische, chemische und biologische Daten) beschränken, sondern müssen durch Daten zur Bioäquivalenz und Bioverfügbarkeit ergänzt werden. Die Art und Menge der zusätzlichen Daten (d. h. toxikologische und weitere präklinische und sachdienliche klinische Daten) sind je nach Einzelfall entsprechend den einschlägigen wissenschaftlichen Leitlinien festzulegen.

    –        Wegen der Verschiedenartigkeit der biologischen Arzneimittel ist von der zuständigen Behörde unter Berücksichtigung der spezifischen Merkmale jedes einzelnen Arzneimittels festzulegen, welche der in Modul 4 und 5 vorgesehenen Studien erforderlich sind.

    …“

    15      Art. 2 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2309/93 sah vor:

    „Die für das Inverkehrbringen der dieser Verordnung unterliegenden Arzneimittel verantwortliche Person muss in der Gemeinschaft niedergelassen sein.“

    16      Art. 3 Abs. 1 dieser Verordnung bestimmte:

    „Ein unter Teil A des Anhangs fallendes Arzneimittel darf innerhalb der Gemeinschaft nur in Verkehr gebracht werden, wenn von der Gemeinschaft gemäß dieser Verordnung eine Genehmigung für das Inverkehrbringen erteilt worden ist.“

    17      Die Verordnung Nr. 2309/93 wurde durch die Verordnung Nr. 726/2004 aufgehoben und ersetzt, deren ab dem 20. November 2005 anzuwendende Art. 2 Abs. 2 und 3 Abs. 1 im Wesentlichen den gleichen Wortlaut haben wie die Art. 2 Abs. 2 und 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2309/93.

    18      Auch die Anhänge dieser beiden Verordnungen führen u. a. mit Hilfe eines biotechnologischen Verfahrens wie beispielsweise der Technologie der rekombinierten DNS hergestellte Arzneimittel an.

     Nationales Recht

    19      Das Dekret Nr. 669 des Gesundheitsministers vom 22. Dezember 2001 über die allgemeinen Regeln zur Registrierung von Arzneizubereitungen (im Folgenden: Dekret Nr. 669) setzte im Hinblick auf den Beitritt der Republik Litauen zur Europäischen Union die Bestimmungen der Richtlinie 2001/83 in ihrer ursprünglichen Fassung in das innerstaatliche litauische Recht um.

    20      Art. 18 Abs. 3 des Dekrets Nr. 669 sieht vor, dass derjenige, der eine Genehmigung für das Inverkehrbringen eines Arzneimittels in Litauen beantragt, von der Verpflichtung zur Vorlage der Ergebnisse der vorklinischen Versuche und klinischen Prüfungen befreit werden kann, wenn

    „die Arzneizubereitung sich weder durch ihre medizinischen Wirkstoffe qualitativ oder quantitativ noch ihrer Form nach von einer Arzneizubereitung unterscheidet, die die folgenden beiden Voraussetzungen erfüllt:

    –        Registrierung in mindestens einem Mitgliedstaat der Europäischen Union gemäß den Anforderungen der Europäischen Gemeinschaft seit mindestens sechs Jahren und im Fall von technologisch hochwertigen Arzneizubereitungen seit mindestens zehn Jahren,

    –        Registrierung in der Republik Litauen.

    …“

     Vorgeschichte des Rechtsstreits und Vorverfahren

    21      In dem am 8. Mai 2003 bei den zuständigen litauischen Behörden gestellten Antrag auf die Genehmigung für das Inverkehrbringen für Grasalva hieß es, dass es sich hierbei um ein biologisches Arzneimittel handele, das einem anderen Arzneimittel, Neupogen, für das bereits eine Genehmigung in der Gemeinschaft erteilt worden sei, entspreche.

    22      Auf der Basis dieses Antrags erteilten die Behörden gemäß Art. 18 Abs. 3 des Dekrets Nr. 669 am 2. Juli 2003 für Grasalva eine Genehmigung für das Inverkehrbringen in Litauen, ohne vom Antragsteller die Ergebnisse der vorklinischen Versuche und klinischen Prüfungen zu verlangen. Diese Genehmigung wurde für die Dauer von fünf Jahren gewährt und lief damit am 2. Juli 2008 ab.

    23      Grasalva erscheint nicht in dem in der Anlage A enthaltenen Verzeichnis.

    24      Am Ende eines am 14. April 2005 begonnenen Schriftwechsels teilte die Kommission der Republik Litauen mit Schreiben vom 15. Februar 2006 mit, dass die Genehmigung für das Inverkehrbringen für Grasalva nicht als unionsrechtskonform angesehen werden könne. Der Antrag habe nämlich, da er nicht die Ergebnisse der vorklinischen Versuche und klinischen Prüfungen enthalten habe, nicht den in Anhang I Teil II Nr. 4 der Richtlinie 2001/83 in der Fassung der Richtlinie 2003/63 für biologische Arzneimittel vorgesehenen Anforderungen entsprochen. Die litauischen Behörden wurden daher aufgefordert, die Genehmigung zu widerrufen.

    25      Am 15. Dezember 2006 sandte die Kommission der Republik Litauen ein Mahnschreiben, in dem sie ausführte, dass die litauischen Behörden ab dem Zeitpunkt des Beitritts der Republik Litauen zur Union für die Genehmigung für das Inverkehrbringen für biotechnologisch hergestellte Arzneimittel, wie Grasalva, nicht mehr zuständig gewesen seien. Gemäß der Verordnung Nr. 2309/93 und, nach dem 20. November 2005, der Verordnung Nr. 726/2004, sei nämlich seitdem die Kommission zuständig.

    26      Am 5. März 2007 antwortete die Republik Litauen auf dieses Mahnschreiben und führte erstens aus, dass bei der Registrierung von Grasalva alle von Art. 10 Abs. 1 Buchst. a Ziff. iii der Richtlinie 2001/83 in ihrer ursprünglichen Fassung verlangten, insbesondere die die Qualität, die Sicherheit und die Wirksamkeit dieses Arzneimittels betreffenden Informationen vorgelegt worden seien. Sodann machte sie geltend, dass die zuständigen litauischen Behörden nicht an die Richtlinie 2003/63 gebunden gewesen seien. Diese sei nämlich erst am 25. Juni 2003, d. h. nach der Unterzeichnung des Beitrittsvertrags von 2003 durch die Republik Litauen am 16. April 2003, erlassen worden. Ferner sei die Frist für die Umsetzung dieser Richtlinie in das innerstaatliche Recht, die auf den 31. Oktober 2003 festgesetzt gewesen sei, noch nicht abgelaufen gewesen, als Grasalva seine Genehmigung für das Inverkehrbringen erhalten habe. Schließlich führte die Republik Litauen noch an, dass die Verordnung Nr. 2309/93 in den neuen Mitgliedstaaten erst ab dem 1. Mai 2004 für alle neu registrierten Arzneimittel anwendbar gewesen sei und dass sie für vor diesem Zeitpunkt registrierte Arzneimittel nicht anwendbar gewesen sei.

    27      In ihrer mit Gründen versehenen Stellungnahme vom 29. Juni 2007 wies die Kommission darauf hin, dass alle Bestimmungen der Richtlinie 2001/83 in der Fassung der Richtlinie 2003/63 von der Republik Litauen ab dem 1. Mai 2004 angewandt werden müssten und dass folglich die Genehmigung für das Inverkehrbringen für Grasalva von diesem Zeitpunkt an den in Anhang I Teil II Nr. 4 dieser Richtlinie genannten Anforderungen hätte entsprechen müssen. Durch die Aufrechterhaltung einer diesen Anforderungen nicht entsprechenden Genehmigung sei dieser Mitgliedstaat den sich aus dem Unionsrecht ergebenden Verpflichtungen nicht nachgekommen. Die Kommission forderte den Mitgliedstaat daher auf, diesen Verpflichtungen binnen zwei Monaten ab Zugang der mit Gründen versehenen Stellungnahme nachzukommen.

    28      Am 5. September 2007 antwortete die Republik Litauen auf die mit Gründen versehene Stellungnahme. Da die Kommission diese Antwort für unzureichend hielt, hat sie die vorliegende Klage erhoben.

     Zur Klage

     Zur Zulässigkeit

    29      Die Republik Litauen macht im Wesentlichen geltend, die Kommission habe mehrere Verstöße gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung begangen, die in ihrer Gesamtheit die Unzulässigkeit der Klage nach sich zögen. Insbesondere sei sie gegenstandslos, weil die für Grasalva erteilte Genehmigung für das Inverkehrbringen am 2. Juli 2008 abgelaufen sei, also fast einen Monat, bevor die Kommission am 29. Juli 2008 die vorliegende Klage erhoben habe. Zudem habe die Kommission das in Art. 226 EG vorgesehene Verwaltungsverfahren zu spät eingeleitet. Zum einen habe sie ihr nämlich das Mahnschreiben erst am 15. Dezember 2006 gesandt, obwohl die behauptete Vertragsverletzung laut Kommission seit dem 1. Mai 2004 bestanden habe. Zum anderen sei die Klage erst elf Monate nach Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist erhoben worden.

    30      Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung der Gegenstand einer Vertragsverletzungsklage durch die mit Gründen versehene Stellungnahme der Kommission festgelegt wird (Urteile vom 7. Februar 1973, Kommission/Italien, 39/72, Slg. 1973, 101, Randnr. 9, und vom 9. November 2006, Kommission/Vereinigtes Königreich, C‑236/05, Slg. 2006, I‑10819, Randnr. 10 und die dort angeführte Rechtsprechung). Folglich ist eine Vertragsverletzung anhand der Lage zu beurteilen, in der sich der Mitgliedstaat bei Ablauf der Frist befand, die ihm in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzt wurde; später eingetretene Änderungen können vom Gerichtshof nicht berücksichtigt werden (Urteile vom 19. Juni 2003, Kommission/Frankreich, C‑161/02, Slg. 2003, I‑6567, Randnr. 6, und vom 20. Mai 2010, Kommission/Spanien, C‑158/09, Randnr. 7).

    31      Aus der Akte geht jedoch eindeutig hervor, dass, wie die Generalanwältin in Nr. 74 ihrer Schlussanträge festgestellt hat, Grasalva bis zum Ablauf der für dieses Arzneimittel erteilten Genehmigung für das Inverkehrbringen am 2. Juli 2008, d. h. bis zu einem Zeitpunkt lange nach dem 29. August 2007, dem in der mit Gründen versehenen Stellungnahme festgesetzten Zeitpunkt, weiterhin in Litauen vertrieben wurde.

    32      Da der Zeitpunkt der Klageerhebung durch die Kommission insoweit unerheblich ist, ist festzustellen, dass die vorliegende Klage nicht als gegenstandslos angesehen werden kann.

    33      Was sodann das angeblich verspätete Einleiten des Verfahrens nach Art. 258 AEUV betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass die Bestimmungen dieser Vorschrift anzuwenden sind, ohne dass die Kommission eine bestimmte Frist einhalten muss (Urteile vom 10. April 1984, Kommission/Belgien, 324/82, Slg. 1984, 1861, Randnr. 12, und vom 1. Februar 2001, Kommission/Frankreich, C‑333/99, Slg. 2001, I‑1025, Randnr. 25), und dass es ihre Sache ist, den Zeitpunkt für die Erhebung der Vertragsverletzungsklage beim Gerichtshof zu wählen, wobei die Erwägungen, die für diese Wahl bestimmend sind, die Zulässigkeit der Klage nicht beeinflussen können (Urteile vom 1. Juni 1994, Kommission/Deutschland, C‑317/92, Slg. 1994, I‑2039, Randnr. 4, und vom 14. Juni 2001, Kommission/Frankreich, C‑40/00, Slg. 2001, I‑4539, Randnr. 23).

    34      Zwar könnte in bestimmten Konstellationen eine zu lange Dauer des Vorverfahrens es dem betroffenen Staat erschweren, die Argumente der Kommission zu widerlegen, und damit seine Verteidigungsrechte verletzen. Dass dies der Fall ist, muss dieser Staat allerdings geltend machen und nachweisen (Urteile vom 16. Mai 1991, Kommission/Niederlande, C‑96/89, Slg. 1991, I‑2461, Randnr. 16, und vom 21. Januar 2010, Kommission/Deutschland, C‑546/07, Slg. 2010, I‑0000, Randnr. 22).

    35      Jedoch ist festzustellen, dass, wie die Kommission bemerkt, die Republik Litauen im vorliegenden Fall in dieser Hinsicht keine Beweise vorgelegt hat, so dass die vorliegende Vertragsverletzungsklage nicht als verspätet angesehen werden kann.

    36      Soweit schließlich die Republik Litauen geltend macht, dass die vorliegende Klage unzulässig sei, weil die Kommission gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung verstoßen habe, ist festzustellen, dass der Mitgliedstaat dieses Vorbringen nur auf die Gesichtspunkte der Gegenstandslosigkeit der Klage und auf die verspätete Einleitung des Verfahrens nach Art. 258 AEUV stützt.

    37      Aus den Randnrn. 32 und 35 des vorliegenden Urteils ergibt sich aber, dass die Klage der Kommission weder gegenstandslos noch verspätet ist.

    38      Unter diesen Umständen kann nicht festgestellt werden, dass die Kommission einen Verstoß gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung begangen hat, der die Zulässigkeit der Klage in Frage stellen könnte.

    39      Nach alledem ist die Klage zulässig.

     Zur Begründetheit

     Zur ersten Rüge

    –       Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

    40      Für ihre mit ihrer ersten Rüge erhobene Behauptung, die Republik Litauen habe gegen die Richtlinie 2001/83 in der Fassung der Richtlinie 2003/63 verstoßen, macht die Kommission geltend, dass dieser Mitgliedstaat gemäß Art. 6 dieser Richtlinie in Verbindung mit Art. 2 der Beitrittsakte von 2003 ab dem Tag seines Beitritts habe sicherstellen müssen, dass nur solche Arzneimittel in den Verkehr gebracht würden, die eine gemäß den Anforderungen des zum Zeitpunkt dieses Beitritts geltenden Unionsrechts erteilte Genehmigung für das Inverkehrbringen erhalten hätten.

    41      Eine Ausnahme von dieser Verpflichtung sei allein in Anhang IX Kapitel 1 Nr. 2 der Beitrittsakte von 2003 vorgesehen, wonach die Marktzulassungen für in deren Anlage A erscheinende Arzneimittel, „die vor dem Beitritt nach litauischem Recht erteilt wurden, ihre Gültigkeit [behalten], bis sie entsprechend dem Besitzstand … erneuert werden bzw. bis zum 1. Januar 2007, wenn dies der frühere Zeitpunkt ist“.

    42      Die Republik Litauen habe es jedoch zugelassen, dass das biologische Arzneimittel Grasalva nach ihrem Beitritt zur Union weiter vertrieben worden sei, obwohl die Genehmigung für das Inverkehrbringen für dieses Arzneimittel nicht gemäß dem zum Zeitpunkt dieses Beitritts geltenden Unionsrecht erteilt worden sei.

    43      Diese Genehmigung habe nämlich zum einen gegen Anhang I Teil II Nr. 4 der Richtlinie 2001/83 in der Fassung der Richtlinie 2003/63 verstoßen, da sie auf der Grundlage eines abgekürzten Antrags erteilt worden sei, der nicht die Ergebnisse der vorklinischen Versuche und klinischen Prüfungen enthalten habe. Zum anderen sei, da Grasalva nicht in dem in Anlage A enthaltenen Verzeichnis erschienen sei, diese Genehmigung nicht durch die Ausnahmebestimmungen gemäß Anhang IX der Beitrittsakte von 2003 gedeckt gewesen.

    44      Die Kommission fügt in dieser Hinsicht hinzu, dass die Aufrechterhaltung der Genehmigung für das Inverkehrbringen für Grasalva nach dem Beitritt der Republik Litauen zur Union entgegen dem Grundsatz der strengen Auslegung von Ausnahmevorschriften darauf hinauslaufe, die Tragweite der in diesem Anhang vorgesehenen Ausnahme auszudehnen.

    45      Die Republik Litauen ist dagegen der Auffassung, dass Grasalva auch nach dem Beitritt und bis zum Ablauf der Genehmigung für das Inverkehrbringen für dieses Arzneimittel, d. h. bis zum 2. Juli 2008, in Litauen habe vermarktet werden dürfen.

    46      Erstens seien nämlich die litauischen Rechtsvorschriften, nach denen diese Genehmigung am 2. Juli 2003 erteilt worden sei, bereits im Hinblick auf den Beitritt geändert worden, um mit den Anforderungen der Richtlinie 2001/83 in ihrer ursprünglichen Fassung in Einklang gebracht zu werden. Zum Zeitpunkt der Erteilung dieser Genehmigung sei aber die auf den 31. Oktober 2003 festgesetzte Frist für die Umsetzung der Richtlinie 2003/63 noch nicht abgelaufen gewesen. Da Grasalva sämtliche Qualitäts-, Sicherheits- und Wirksamkeitsanforderungen gemäß der Richtlinie 2001/83 in ihrer zum Zeitpunkt der Erteilung der Genehmigung für das Inverkehrbringen für dieses Arzneimittel geltenden Fassung erfüllt habe, habe diese folglich auch über den Beitrittszeitpunkt hinaus ihre Gültigkeit behalten, ohne dass es erforderlich gewesen wäre, sie zu erneuern, um sie mit dem Besitzstand in Einklang zu bringen.

    47      Ferner seien die litauischen Behörden zu der Annahme berechtigt gewesen, dass Grasalva auch nicht in dem in der Anlage A enthaltenen Verzeichnis erscheinen müsse, um nach dem Beitritt in den Verkehr gebracht werden zu können, da in diesem Verzeichnis nur die Arzneimittel enthalten seien, die nicht die von der Richtlinie 2001/83 vorgesehenen Anforderungen erfüllten. Außerdem sei zu dem Zeitpunkt der Erstellung dieses Verzeichnisses die Richtlinie 2003/63 noch nicht erlassen gewesen, so dass die litauischen Behörden nicht hätten wissen können, dass die für dieses Arzneimittel erteilte Genehmigung für das Inverkehrbringen mit dem Unionsrecht, wie es sich aus einer zukünftigen Änderung der geltenden Rechtsvorschriften ergeben könnte, nicht in Einklang gestanden habe. Im Übrigen seien die neuen Mitgliedstaaten zur Erteilung der Genehmigungen für das Inverkehrbringen gemäß den Anforderungen der Richtlinie 2003/63 nur für die Arzneimittel verpflichtet, für die ein Zulassungsantrag nach ihrem Beitritt zur Union gestellt worden sei.

    48      Darüber hinaus hätte, da die Genehmigung für das Inverkehrbringen für Grasalva gemäß dem zum Zeitpunkt dieser Genehmigung geltenden Unionsrecht erteilt worden sei, der Widerruf dieser Genehmigung gegen den Grundsatz der Rechtmäßigkeit verstoßen, zumal keine Informationen vorgelegt worden seien, die belegt hätten, dass die Bilanz von Risiko und Nutzen dieses Arzneimittels nicht positiv gewesen sei.

    49      Die litauische Regierung stützt sich zudem auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs im Bereich des Umweltschutzes, insbesondere auf das Urteil vom 23. März 2006, Kommission/Österreich (C‑209/04, Slg. 2006, I‑2755, Randnrn. 53 bis 63), wonach die Verpflichtung eines der Union beigetretenen Mitgliedstaats zur Anwendung des gesamten Besitzstands, selbst wenn sie die Änderung der älteren Rechtsvorschriften impliziere, auf deren Grundlage dieser Mitgliedstaat eine verwaltungsrechtliche Genehmigung erteilt habe, nicht die Aufhebung dieser Genehmigung beinhalte.

    50      Schließlich führe die Auslegung der Kommission zu einer Diskriminierung der Mitgliedstaaten, die der Union am 1. Mai 2004 beigetreten seien, gegenüber den anderen 15 Mitgliedstaaten. Diese hätten die neuen Anforderungen der Richtlinie 2003/63 nur auf Arzneimittel anwenden müssen, für die der Antrag auf die Genehmigung für das Inverkehrbringen nach dem Ablauf der für die Umsetzung dieser Richtlinie festgesetzten Frist, d. h. nach dem 31. Oktober 2003, gestellt worden sei. Dagegen seien die neuen Mitgliedstaaten verpflichtet gewesen, sich zu vergewissern, dass ab dem 1. Mai 2004 alle Arzneimittel, deren Genehmigung für das Inverkehrbringen nicht mit der Richtlinie 2001/83 in der Fassung der Richtlinie 2003/63 in Einklang gestanden habe, vom Markt genommen würden.

    –       Würdigung durch den Gerichtshof

    51      Mit ihrer ersten Rüge wirft die Kommission der Republik Litauen im Wesentlichen vor, die Genehmigung für das Inverkehrbringen für Grasalva nach ihrem Beitritt zur Union aufrechterhalten zu haben, obwohl diese Genehmigung zu diesem Zeitpunkt nicht den von der Richtlinie 2001/83 in der Fassung der Richtlinie 2003/63 aufgestellten Voraussetzungen genügt habe.

    52      Vorab ist festzustellen, dass zwischen den Parteien unstreitig ist, dass die Genehmigung für das Inverkehrbringen, die für dieses Arzneimittel erteilt worden war, zum Zeitpunkt des Beitritts der Republik Litauen zur Union nicht den Anforderungen der Richtlinie 2001/83 in der Fassung der Richtlinie 2003/63 entsprach. Diese Genehmigung wurde nämlich von den litauischen Behörden vor diesem Beitritt auf der Grundlage eines abgekürzten Antrags erteilt, der nicht die Ergebnisse der vorklinischen Versuche und klinischen Prüfungen enthielt, obwohl ab dem 1. Mai 2004, dem Beitrittstag, die Genehmigung für das Inverkehrbringen eines biotechnologisch hergestellten Arzneimittels wie Grasalva aufgrund der durch die Richtlinie 2003/63 in Anhang I Teil II Nr. 4 der Richtlinie 2001/83 vorgenommenen Änderungen nicht mehr auf der Grundlage eines solchen abgekürzten Antrags erteilt werden durfte.

    53      Allerdings macht die Republik Litauen geltend, dass diese Genehmigung, da sie mit der Richtlinie 2001/83 in deren am 2. Juli 2003, dem Tag der Genehmigungserteilung, geltenden Fassung in Einklang gestanden habe, ihre Gültigkeit auch nach dem Beitrittszeitpunkt behalte.

    54      Demnach ist festzustellen, ob die Republik Litauen ab dem Zeitpunkt ihres Beitritts zur Union verpflichtet war, die Richtlinie 2001/83 nicht in ihrer ursprünglichen, sondern in der durch die Richtlinie 2003/63 geänderten Fassung zu beachten.

    55      Aus den Art. 2 und 10 der Beitrittsakte ergibt sich, dass diese auf dem Grundsatz der sofortigen vollständigen Anwendung der Vorschriften des Unionsrechts auf die neuen Mitgliedstaaten beruht, wobei Abweichungen nur insoweit zulässig sind, als sie in den Übergangsbestimmungen ausdrücklich vorgesehen sind (vgl. entsprechend Urteile vom 9. Dezember 1982, Metallurgiki Halyps/Kommission, 258/81, Slg. 1982, 4261, Randnr. 8, vom 3. Dezember 1998, KappAhl, C‑233/97, Slg. 1998, I‑8069, Randnr. 15, und vom 28. April 2009, Apostolides, C‑420/07, Slg. 2009, I‑3571, Randnr. 33).

    56      Hieraus folgt, dass für die Republik Litauen ab dem 1. Mai 2004, dem Tag des Beitritts dieses Mitgliedstaats zur Union, die Vorschriften des Primärrechts und die vor dem Beitritt insbesondere von den Organen erlassenen Rechtsakte verbindlich waren, so dass sie gemäß Art. 54 der Beitrittsakte von 2003 verpflichtet war, die Maßnahmen zu treffen, die erforderlich waren, um insbesondere den Bestimmungen im Sinne von Art. 249 Abs. 3 EG nachzukommen.

    57      Zu den von der Beitrittsakte zugelassenen Abweichungen ist festzustellen, dass deren Art. 24 in Verbindung mit Anhang IX Kapitel 1 Nr. 2 eine Übergangszeit vorsieht, in der die Genehmigungen für das Inverkehrbringen, die von der Republik Litauen vor ihrem Beitritt zur Union gemäß ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften für Arzneimittel im in der Anlage A enthaltenen Verzeichnis erteilt worden waren, auch über diesen Zeitpunkt hinaus, längstens bis zum 1. Januar 2007, ihre Gültigkeit behielten.

    58      Mit anderen Worten war die Republik Litauen als Ausnahme von den Verpflichtungen nach Art. 2 der Beitrittsakte von 2003 und nur für die in diesem Verzeichnis eingetragenen Arzneimittel nicht verpflichtet, ab dem Beitritt die Richtlinie 2001/83 in der Fassung der Richtlinie 2003/63 zu beachten.

    59      Es ist jedoch unstreitig, dass Grasalva in dem in Anlage A enthaltenen Verzeichnis nicht erscheint.

    60      Da die für dieses Arzneimittel erteilte Genehmigung für das Inverkehrbringen nicht von der in Anhang IX Kapitel 1 Nr. 2 der Beitrittsakte von 2003 enthaltenen Ausnahmevorschrift gedeckt war, musste sie folglich ab dem 1. Mai 2004 mit den zu diesem Zeitpunkt geltenden Rechtsvorschriften der Union in Einklang gebracht werden.

    61      Die von der Republik Litauen für ihre gegensätzliche Auslegung angeführten Argumente sind nicht geeignet, diese Schlussfolgerung in Frage zu stellen.

    62      Insbesondere kann es, erstens, nicht auf den Umstand ankommen, dass diese Genehmigung mit dem zum Zeitpunkt ihrer Erteilung geltenden Unionsrecht, d. h. der Richtlinie 2001/83 in ihrer ursprünglichen Fassung, in Einklang stand.

    63      Zum einen sieht nämlich Art. 54 der Beitrittsakte von 2003 vor, dass die Mitgliedstaaten erst vom Tag ihres Beitritts zur Union an verpflichtet sind, dem Unionsrecht nachzukommen. Zum anderen setzte die Richtlinie 2003/63 das Ende der den Mitgliedstaaten für die Umsetzung der Richtlinie gesetzten Frist auf den 31. Oktober 2003 fest und war somit Bestandteil des Besitzstands, den die Republik Litauen gemäß Art. 2 der Beitrittsakte ab dem 1. Mai 2004 zu beachten hatte.

    64      Zweitens macht der Mitgliedstaat zu Unrecht geltend, seine zuständigen Behörden seien zu der Annahme berechtigt gewesen, dass die Eintragung von Grasalva in das in der Anlage A enthaltene Verzeichnis nicht notwendig gewesen sei, um sicherzustellen, dass die dieses Arzneimittel betreffende Genehmigung für das Inverkehrbringen nach dem Beitritt ihre Gültigkeit behalte.

    65      Im Gegenteil kann aus dem Umstand, dass Anhang IX Kapitel 1 Nr. 2 der Beitrittsakte von 2003 auf die Richtlinie 2001/83 in ihrer ursprünglichen Fassung Bezug nimmt, nicht geschlossen werden, dass jede mit dieser Fassung in Einklang stehende Genehmigung von den Anforderungen des zum Zeitpunkt des Beitritts geltenden Unionsrechts abweichen durfte, ohne dass das fragliche Arzneimittel in das in Anlage A enthaltene Verzeichnis eingetragen war. Das gilt selbst im vorliegenden Fall, in dem diese Anforderungen während des Zeitraums, der zwischen der Unterzeichnung dieser Beitrittsakte und dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens dieses Beitritts liegt, geändert wurden.

    66      Zum einen konnte dieser Anhang nämlich nicht auf die Richtlinie 2003/63 Bezug nehmen, da diese erst am 25. Juni 2003, also nach Unterzeichnung der Beitrittsakte von 2003, erlassen wurde. Zum anderen sind die Bestimmungen dieses Anhangs im Hinblick auf die der Akte auszulegen, deren Bestandteil dieser Anhang ist, und insbesondere auf deren Art. 2, nach dessen Wortlaut für die neuen Mitgliedstaaten alle vor ihrem Beitritt erlassenen Richtlinien der Organe verbindlich sind.

    67      Die Aufnahme eines Arzneimittels in das in der Anlage A enthaltene Verzeichnis sollte es daher erlauben, nicht nur die Arzneimittel auf dem Markt zu belassen, deren Genehmigungen zum Zeitpunkt der Erstellung dieser Anlage nicht unionsrechtskonform waren, sondern auch die, deren Genehmigungen aufgrund nachfolgender Änderungen der Rechtsvorschriften der Union hinfällig zu werden drohten.

    68      Unter diesen Umständen hätte die Republik Litauen zum Zeitpunkt der Erstellung der Anlage A Grasalva vorsorglich in das von ihr vorgelegte Verzeichnis aufnehmen können, damit es in dieser Anlage erscheint, da die litauischen Behörden die Änderungen der Richtlinie 2001/83 durch die Richtlinie 2003/63 hätten kennen können.

    69      Insoweit ergibt sich aus den Akten, die dem Gerichtshof vorgelegt worden sind, dass die Republik Litauen, wenn auch nur in ihrer Rolle als Beobachter entsprechend ihrem Status als Beitrittsstaat, an den ab 2002 begonnenen Verhandlungen über den Erlass der Richtlinie 2003/63 teilgenommen hat und dass die litauischen Behörden folglich in der Lage waren, das Risiko zu beurteilen, das die Nichtaufnahme eines biotechnologisch hergestellten Arzneimittels in das für die Anlage A bestimmte Verzeichnis für die Gültigkeit der dieses Arzneimittel betreffenden Genehmigung für das Inverkehrbringen nach sich ziehen konnte.

    70      Selbst wenn man, wie der beklagte Mitgliedstaat, davon ausgeht, dass die litauischen Behörden erst ab dem Moment Kenntnis von der Existenz von Grasalva gehabt hätten, als der Antrag auf Erteilung der Genehmigung für das Inverkehrbringen gestellt wurde, also am 8. Mai 2003, und es ihnen daher unmöglich gewesen wäre, eine Änderung der Anlage A – die der am 16. April 2003 unterzeichneten Beitrittsakte von 2003 beigefügt war – zu verlangen, hatte die Republik Litauen also nicht nur die Möglichkeit, eine Änderung der Richtlinie 2003/63 zu verlangen, die erst am 25. Juni 2003 erlassen wurde, sondern konnte eine solche Änderung auch noch nach deren endgültigem Erlass beantragen.

    71      Nach erfolgter Unterzeichnung des Beitrittsvertrags von 2003 und vorbehaltlich der Anwendung der besonderen Verfahren, die dieser Vertrag für die Entscheidung über bestimmte Arten von Übergangsmaßnahmen vorsieht, wie sie beispielsweise durch die Art. 41 oder 42 der Beitrittsakte von 2003 eingeführt werden, besteht nämlich kein grundsätzlicher Einwand dagegen, dass die nach dieser Unterzeichnung und vor dem Inkrafttreten dieses Beitrittsvertrags erlassenen Rechtsakte des abgeleiteten Rechts, die zeitlich begrenzte Ausnahmen zugunsten eines künftigen Mitgliedstaats enthalten, unmittelbar auf der Grundlage der Bestimmungen des EG‑Vertrags erlassen werden (Urteil vom 28. November 2006, Parlament/Rat, C‑413/04, Slg. 2006, I‑11221, Randnr. 62).

    72      Folglich sind sich die Organe bei den Rechtsakten, die auf diese Weise in der Zeit zwischen dem Zeitpunkt der Unterzeichnung des Beitrittsvertrags und dem Zeitpunkt, zu dem dieser Beitritt wirksam wird, erlassen werden müssen, des bevorstehenden Beitritts der neuen Mitgliedstaaten bewusst, während diese die Möglichkeit haben, gegebenenfalls ihre Interessen insbesondere im Informations‑ und Konsultationsverfahren zur Geltung zu bringen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 16. Februar 1982, Halyvourgiki und Helleniki Halyvourgia/Kommission, 39/81, 43/81, 85/81 und 88/81, Slg. 1982, 593, Randnr. 10, sowie Parlament/Rat, Randnr. 66).

    73      Daher können die künftigen Mitgliedstaaten, sobald sie vom künftigen Erlass neuer Rechtsakte des abgeleiteten Rechts unterrichtet worden sind, im Rahmen des erwähnten Verfahrens wie auch unter Wahrnehmung des Beobachterstatus, über den sie im Rat der Europäischen Union verfügen, und unter Ausnutzung der Möglichkeiten des Dialogs und der Kooperation, die diese besonderen Mechanismen eröffnen, ihr Interesse an den notwendigen vorübergehenden Ausnahmen unter Berücksichtigung beispielsweise dessen geltend machen, dass es ihnen unmöglich wäre, die sofortige Anwendung dieser Rechtsakte im Zeitpunkt des Beitritts zu gewährleisten, oder dass eine solche Anwendung größere Probleme sozioökonomischer Art hervorrufen könnte (Urteil Parlament/Rat, Randnr. 67).

    74      Im vorliegenden Fall hat die Republik Litauen aber nur geltend gemacht, dass es ihr praktisch unmöglich gewesen sei, Übergangszeiträume auszuhandeln, ohne jedoch einen Nachweis dafür vorzulegen, dass sie die Rechte, die ihr diese Verfahren einräumten, tatsächlich geltend gemacht hat und dass diese erfolglos geblieben sind.

    75      Was ferner den behaupteten Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtmäßigkeit und gegen Art. 126 der Richtlinie 2001/83 angeht, genügt der Hinweis darauf, dass, wie die Generalanwältin in Nr. 138 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, dieses Vorbringen auf der Prämisse beruht, dass die Genehmigung für das Inverkehrbringen in Bezug auf Grasalva rechtsgültig und in Übereinstimmung mit dem Unionsrecht erteilt worden ist.

    76      Dies ist jedoch hier nicht der Fall, da die Genehmigung zum Zeitpunkt des Beitritts der Republik Litauen zur Union den Anforderungen des zu diesem Zeitpunkt geltenden Unionsrechts nicht genügte.

    77      Entgegen dem Vorbringen dieses Mitgliedstaats kann auch die Feststellung in Randnr. 63 des vorliegenden Urteils nicht gegen das Diskriminierungsverbot verstoßen, da, wie die Generalanwältin in Nr. 123 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, die Situation eines künftigen Mitgliedstaats hinsichtlich der sich aus dem Beitrittsvertrag ergebenden Verpflichtungen nicht mit der der Mitgliedstaaten in Bezug auf die Umsetzung einer Richtlinie innerhalb der hierfür festgesetzten Frist vergleichbar ist.

    78      Was schließlich die vom Gerichtshof im Urteil Kommission/Österreich gewählte Lösung betrifft, genügt der Hinweis, dass diese Lösung insbesondere durch den in Randnr. 60 dieses Urteils dargestellten Umstand gerechtfertigt war, dass die Beitrittsakte in Bezug auf die in dieser Rechtssache in Rede stehenden Richtlinien weder eine Ausnahme noch eine Übergangszeit zugunsten der Republik Österreich vorsah.

    79      Dies ist jedoch bei der Richtlinie 2001/83 nicht der Fall, da die Beitrittsakte von 2003 in ihrem Anhang IX ausdrücklich eine Ausnahme von der Geltung dieser Richtlinie in Litauen vorsieht.

    80      Aufgrund dieser Erwägungen ist festzustellen, dass die erste von der Kommission zur Stützung ihrer Klage vorgebrachte Rüge begründet ist.

     Zur zweiten Rüge

    –       Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

    81      Mit ihrer zweiten Rüge macht die Kommission geltend, dass, da die Genehmigung für das Inverkehrbringen für Grasalva ab dem 1. Mai 2004 nicht mehr gültig gewesen sei, weil sie der Richtlinie 2001/83 in der Fassung der Richtlinie 2003/63 zuwidergelaufen sei, dieses Arzneimittel von diesem Zeitpunkt an nur noch auf der Grundlage einer von diesem Organ gemäß dem von der Verordnung Nr. 2309/93 vorgesehenen zentralisierten Genehmigungsverfahren erteilten Genehmigung in den Verkehr gebracht werden dürfe. Diese in der Republik Litauen seit ihrem Beitritt zur Union geltende Verordnung unterwerfe nämlich die mit Hilfe der Technologie der rekombinierten DNS gewonnenen biologischen Arzneimittel wie Grasalva diesem Verfahren.

    82      Die litauischen Behörden stellen fest, dass diese zweite Rüge mit der ersten in engem Zusammenhang stehe, und weisen darauf hin, dass die Genehmigung für das Inverkehrbringen für Grasalva am 2. Juli 2003 erteilt worden sei, als die Republik Litauen noch kein Mitglied der Union gewesen sei. Gemäß dem Wortlaut von Art. 2 Abs. 2 der Verordnung Nr. 2309/93 müsse aber „die für das Inverkehrbringen der dieser Verordnung unterliegenden Arzneimittel verantwortliche Person … in der Gemeinschaft niedergelassen sein“.

    83      Folglich habe derjenige, der den Antrag auf die Genehmigung für das Inverkehrbringen für Grasalva gestellt habe, am 2. Juli 2003 nicht die Möglichkeit gehabt, das von der Verordnung Nr. 2309/93 vorgesehene zentralisierte Genehmigungsverfahren in Anspruch zu nehmen, da er in Litauen, also außerhalb der Gemeinschaft, niedergelassen gewesen sei. Darüber hinaus sei es angesichts der langen Dauer der fraglichen Verfahren nicht sachgerecht, wie die Kommission zu verlangen, die nationale Genehmigung für das Inverkehrbringen am 1. Mai 2004 zu widerrufen, obwohl es vor diesem Zeitpunkt für einen in Litauen niedergelassenen Wirtschaftsteilnehmer nicht möglich gewesen sei, einen Antrag auf die Genehmigung gemäß dem von dieser Verordnung vorgesehenen Verfahren zu stellen.

    –       Würdigung durch den Gerichtshof

    84      Für die Beantwortung dieser zweiten Rüge ist vorab festzustellen, dass, wie sich aus der Prüfung der ersten Rüge ergibt, die nationale Genehmigung für das Inverkehrbringen in Bezug auf Grasalva nicht in Übereinstimmung mit dem im Arzneimittelbereich geltenden Unionsrecht erteilt worden ist.

    85      Folglich war gemäß Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 diese Genehmigung für das Inverkehrbringen vom Beitritt der Republik Litauen zur Union an für die Erlaubnis des Inverkehrbringens von Grasalva in Litauen nicht ausreichend.

    86      Aus Art. 6 Abs. 1 sowie aus Art. 3 Abs. 1 und dem Anhang der Verordnung Nr. 2309/93 ergibt sich ebenfalls, genau wie aus Art. 3 Abs. 1 und dem Anhang der Verordnung Nr. 726/2004, dass Grasalva als biotechnologisch hergestelltes Arzneimittel mangels Aufnahme in das in der Anlage A enthaltene Verzeichnis vom Tag dieses Beitritts an nur auf der Grundlage einer von der Kommission gemäß dem in der Verordnung Nr. 2309/93 und, ab 20. November 2005, der Verordnung Nr. 726/2004 vorgesehenen zentralisierten Verfahren erteilten Genehmigung in der Gemeinschaft in den Verkehr gebracht werden durfte.

    87      Hierzu genügt die Feststellung, dass, wie die Republik Litauen selbst einräumt, Grasalva nach dem Beitritt dieses Mitgliedstaats zur Union und bis zum 2. Juli 2008 in Litauen in den Verkehr gebracht wurde.

    88      Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass dieser Mitgliedstaat gegen Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2309/93 und Art. 3 Abs. 1 der Verordnung 726/2004 verstoßen hat.

    89      Die zweite von der Kommission zur Begründung ihrer Klage erhobene Rüge ist daher ebenfalls begründet.

    90      Somit ist festzustellen, dass die Republik Litauen dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83 in der Fassung der Richtlinie 2003/63, Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2309/93 und Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 726/2004 verstoßen hat, dass sie die nationale Genehmigung für das Inverkehrbringen des Arzneimittels Grasalva aufrechterhalten hat.

     Kosten

    91      Nach Art. 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Republik Litauen mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

    Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:

    1.      Die Republik Litauen hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel in der Fassung der Richtlinie 2003/63/EG der Kommission vom 25. Juni 2003, Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2309/93 des Rates vom 22. Juli 1993 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Schaffung einer Europäischen Agentur für die Beurteilung von Arzneimitteln und Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Errichtung einer Europäischen Arzneimittel-Agentur verstoßen, dass sie die nationale Genehmigung für das Inverkehrbringen des Arzneimittels Grasalva aufrechterhalten hat.

    2.      Die Republik Litauen trägt die Kosten.

    Unterschriften


    * Verfahrenssprache: Litauisch.

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