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Document 62008CJ0206

Urteil des Gerichtshofes (Dritte Kammer) vom 10. September 2009.
Wasser- und Abwasserzweckverband Gotha und Landkreisgemeinden (WAZV Gotha) gegen Eurawasser Aufbereitungs- und Entsorgungsgesellschaft mbH.
Ersuchen um Vorabentscheidung: Thüringer Oberlandesgericht - Deutschland.
Koordinierung der Zuschlagserteilung durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste - Gemeinwirtschaftliche Leistungen der Trinkwasserversorgung und Abwasserbehandlung - Dienstleistungskonzession - Begriff - Übertragung des mit der Nutzung der betreffenden Dienstleistung verbundenen Risikos auf den Auftragnehmer.
Rechtssache C-206/08.

Sammlung der Rechtsprechung 2009 I-08377

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2009:540

Rechtssache C‑206/08

Wasser- und Abwasserzweckverband Gotha und Landkreisgemeinden (WAZV Gotha)

gegen

Eurawasser Aufbereitungs- und Entsorgungsgesellschaft mbH

(Vorabentscheidungsersuchen des Thüringer Oberlandesgerichts)

„Koordinierung der Zuschlagserteilung durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste – Gemeinwirtschaftliche Leistungen der Trinkwasserversorgung und Abwasserbehandlung – Dienstleistungskonzession – Begriff – Übertragung des mit der Nutzung der betreffenden Dienstleistung verbundenen Risikos auf den Auftragnehmer“

Leitsätze des Urteils

1.        Vorabentscheidungsverfahren – Zuständigkeit des Gerichtshofs – Grenzen – Zuständigkeit des nationalen Gerichts – Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts des Rechtsstreits – Erforderlichkeit einer Vorlagefrage und Erheblichkeit der gestellten Fragen – Beurteilung durch das nationale Gericht

(Art. 234 EG)

2.        Vorabentscheidungsverfahren – Zuständigkeit des Gerichtshofs – Grenzen – Offensichtlich unerhebliche Fragen und hypothetische Fragen, die in einem eine zweckdienliche Antwort ausschließenden Zusammenhang gestellt werden – Fragen, die in keinem Zusammenhang mit dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits stehen

(Art. 234 EG)

3.        Rechtsangleichung – Verfahren der Vergabe öffentlicher Aufträge im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste – Richtlinie 2004/17 – Geltungsbereich – Konzession für Gemeinwohldienstleistungen

(Richtlinie 2004/17 des Europäischen Parlaments und des Rates, Art. 1 Abs. 3 Buchst. b)

1.        Im Rahmen der Kooperation nach Art. 234 EG hat nur das nationale Gericht, das mit dem Rechtsstreit befasst ist und in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende Entscheidung fällt, im Hinblick auf die Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung für den Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof vorzulegenden Fragen zu beurteilen. Daher ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, über ihm vorgelegte Fragen zu befinden, wenn diese die Auslegung des Gemeinschaftsrechts betreffen.

(vgl. Randnr. 33)

2.        Ausnahmsweise obliegt es dem Gerichtshof, zur Prüfung seiner eigenen Zuständigkeit die Umstände zu untersuchen, unter denen er vom nationalen Gericht angerufen wird. Die Entscheidung über eine Vorlagefrage eines nationalen Gerichts kann nur dann abgelehnt werden, wenn die erbetene Auslegung des Gemeinschaftsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine sachdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind.

(vgl. Randnr. 34)

3.        Bei einem Vertrag über Dienstleistungen genügt der Umstand, dass eine unmittelbare Entgeltzahlung des öffentlichen Auftraggebers an den Auftragnehmer nicht erfolgt, sondern der Auftragnehmer das Recht erhält, Entgelte von Dritten zu erheben, um den betreffenden Vertrag als „Dienstleistungskonzession“ im Sinne des Art. 1 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie 2004/17 zur Koordinierung der Zuschlagserteilung durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste einzuordnen, wenn das vom öffentlichen Auftraggeber eingegangene Betriebsrisiko aufgrund der öffentlich‑rechtlichen Ausgestaltung der Dienstleistung von vornherein zwar erheblich eingeschränkt ist, der Auftragnehmer aber dieses eingeschränkte Risiko in vollem Umfang oder zumindest zu einem erheblichen Teil übernimmt.

Bei dem Umstand, dass der Dienstleistungserbringer sein Entgelt durch Zahlungen Dritter erhält, handelt es sich um eine der Formen, die das dem Dienstleistungserbringer eingeräumte Recht zur Nutzung der Dienstleistungen annehmen kann. Insoweit spielt es keine Rolle, ob das Entgelt privatrechtlich oder öffentlich‑rechtlich geregelt ist.

Besteht die vereinbarte Vergütung im Recht des Dienstleistungserbringers zur Verwertung seiner eigenen Leistung, so bringt diese Art der Bezahlung es mit sich, dass der Dienstleistungserbringer das Betriebsrisiko der fraglichen Dienstleistungen übernimmt, das Risiko also untrennbar mit der wirtschaftlichen Nutzung der Dienstleistung verbunden ist. Trägt der Auftraggeber weiterhin das volle Risiko und setzt er den Dienstleistungserbringer nicht den Risiken des Marktes aus, verlangt die Vergabe der Nutzung der Dienstleistung die Anwendung der Formvorschriften, die die Richtlinie 2004/17 zum Schutz der Transparenz und des Wettbewerbs vorsieht.

Fehlt es vollkommen an der Übertragung des mit der Erbringung der Dienstleistung verbundenen Risikos auf den Dienstleistungserbringer, handelt es sich bei dem betreffenden Vorgang um einen Dienstleistungsauftrag. In diesem Fall bestünde die Gegenleistung nicht im Recht zur Nutzung der Dienstleistung. Selbst wenn das Risiko des öffentlichen Auftraggebers aufgrund der Anwendung der für den betroffenen Tätigkeitsbereich geltenden Regelungen erheblich eingeschränkt ist, ist es jedenfalls für die Annahme einer Dienstleistungskonzession erforderlich, dass er das volle Betriebsrisiko oder zumindest einen wesentlichen Teil davon auf den Konzessionär überträgt.

Es ist Sache des nationalen Gerichts, zu beurteilen, ob das volle Risiko oder ein wesentlicher Teil des Risikos des öffentlichen Auftraggebers übertragen worden ist. Dabei dürfen die allgemeinen Risiken, die sich aus Änderungen der Rechtslage während der Durchführung des Vertrags ergeben, nicht berücksichtigt werden.

(vgl. Randnrn. 53, 55, 57, 59, 67-69, 77-80 und Tenor)







URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer)

10. September 2009(*)

„Koordinierung der Zuschlagserteilung durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste – Gemeinwirtschaftliche Leistungen der Trinkwasserversorgung und Abwasserbehandlung – Dienstleistungskonzession – Begriff – Übertragung des mit der Nutzung der betreffenden Dienstleistung verbundenen Risikos auf den Auftragnehmer“

In der Rechtssache C‑206/08

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Thüringer Oberlandesgericht (Deutschland) mit Entscheidung vom 8. Mai 2008, beim Gerichtshof eingegangen am 19. Mai 2008, in dem Verfahren

Wasser- und Abwasserzweckverband Gotha und Landkreisgemeinden (WAZV Gotha)

gegen

Eurawasser Aufbereitungs- und Entsorgungsgesellschaft mbH,

Beteiligte:

Stadtwirtschaft Gotha GmbH,

Wasserverband Lausitz Betriebsführungs GmbH (WAL),

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas, der Richter J. N. Cunha Rodrigues (Berichterstatter) und J. Klučka, der Richterin P. Lindh sowie des Richters A. Arabadjiev,

Generalanwalt: D. Ruiz-Jarabo Colomer,

Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 23. April 2009,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        des Wasser- und Abwasserzweckverbands Gotha und Landkreisgemeinden (WAZV Gotha), vertreten durch die Rechtsanwälte S. Wellmann und P. Hermisson,

–        der Eurawasser Aufbereitungs- und Entsorgungsgesellschaft mbH, vertreten durch Rechtsanwalt U.‑D. Pape,

–        der Stadtwirtschaft Gotha GmbH, vertreten durch Rechtsanwältin E. Glahs,

–        der Wasserverband Lausitz Betriebsführungs GmbH (WAL), vertreten durch die Rechtsanwälte S. Gesterkamp und S. Sieme,

–        der deutschen Regierung, vertreten durch M. Lumma und J. Möller als Bevollmächtigte,

–        der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek als Bevollmächtigten,

–        der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch P. Oliver, D. Kukovec und C. Zadra als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt B. Wägenbaur,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung des Begriffs „Dienstleistungskonzession“ im Sinne der Richtlinie 2004/17/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Koordinierung der Zuschlagserteilung durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste (ABl. L 134, S. 1).

2        Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Wasser- und Abwasserzweckverband Gotha und Landkreisgemeinden (im Folgenden: WAZV Gotha) und der Eurawasser Aufbereitungs- und Entsorgungsgesellschaft mbH (im Folgenden: Eurawasser) über die Vergabe von gemeinwirtschaftlichen Leistungen der Trinkwasserversorgung und Abwasserbeseitigung.

 Rechtlicher Rahmen

3        In Art. 1 Abs. 2 Buchst. a und d der Richtlinie 2004/17 heißt es:

„(2)      a)      ‚Liefer-, Bau- und Dienstleistungsaufträge‘ sind zwischen einem oder mehreren der in Artikel 2 Absatz 2 aufgeführten Auftraggeber und einem oder mehreren Unternehmern, Lieferanten oder Dienstleistern geschlossene entgeltliche schriftliche Verträge.

d)      ‚Dienstleistungsaufträge‘ sind Aufträge über die Erbringung von Dienstleistungen im Sinne von Anhang XVII, die keine Bau- oder Lieferaufträge sind.

…“

4        Art. 1 Abs. 3 Buchst. b dieser Richtlinie lautet:

„‚Dienstleistungskonzession‘ ist ein Vertrag, der von einem Diensteistungsauftrag nur insoweit abweicht, als die Gegenleistung für die Erbringung der Dienstleistungen ausschließlich in dem Recht zur Nutzung der Dienstleistung oder in diesem Recht zuzüglich der Zahlung eines Preises besteht.“

5        In Art. 2 der Richtlinie heißt es:

„(1)  Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck:

a)       ‚öffentlicher Auftraggeber‘ den Staat, die Gebietskörperschaften, die Einrichtungen des öffentlichen Rechts und die Verbände, die aus einer oder mehreren dieser Körperschaften oder Einrichtungen des öffentlichen Rechts bestehen.

(2)       Diese Richtlinie gilt für Auftraggeber, die

a)       öffentliche Auftraggeber oder öffentliche Unternehmen sind und eine Tätigkeit im Sinne der Artikel 3 bis 7 ausüben, …

…“

6        Art. 4 der Richtlinie 2004/17 sieht vor:

„(1)  Unter diese Richtlinie fallen folgende Tätigkeiten:

a)       die Bereitstellung und das Betreiben fester Netze zur Versorgung der Allgemeinheit im Zusammenhang mit der Gewinnung, der Fortleitung und der Abgabe von Trinkwasser,

b)       die Einspeisung von Trinkwasser in diese Netze.

(2)       Diese Richtlinie findet auch auf die Vergabe von Aufträgen und die Durchführung von Wettbewerben durch Auftraggeber Anwendung, die eine Tätigkeit im Sinne des Absatzes 1 ausüben, wenn diese Aufträge

b)       mit der Ableitung oder Klärung von Abwässern im Zusammenhang stehen.

…“

7        Art. 18 dieser Richtlinie bestimmt:

„Diese Richtlinie gilt nicht für die Bau- oder Dienstleistungskonzessionen, die von Auftraggebern, die eine oder mehrere Tätigkeiten gemäß den Artikeln 3 bis 7 ausüben, zum Zwecke der Durchführung dieser Tätigkeiten vergeben werden.“

8        Art. 31 der Richtlinie lautet:

„Aufträge über Dienstleistungen gemäß Anhang XVII Teil A werden nach den Artikeln 34 bis 59 vergeben.“

9        Art. 32 der Richtlinie legt fest:

„Aufträge über Dienstleistungen gemäß Anhang XVII Teil B unterliegen nur den Artikeln 34 und 43.“

10      Gemäß Art. 71 der Richtlinie 2004/17 mussten die Mitgliedstaaten die erforderlichen Vorschriften erlassen, um dieser spätestens am 31. Januar 2006 nachzukommen.

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

11      Den Akten ist zu entnehmen, dass es sich beim WAZV Gotha um einen Verband von Gemeinden handelt, dem kraft bestimmter deutscher Rechtsvorschriften die Trinkwasserversorgung und die Abwasserbeseitigung für die Bevölkerung in seinem Verbandsgebiet obliegt.

12      Im Rahmen eines 1994 geschlossenen Geschäftsbesorgungsvertrags hatte der WAZV Gotha der Stadtwirtschaft Gotha GmbH (im Folgenden: SW Gotha) sämtliche technischen, kommerziellen und administrativen Leistungen auf dem Gebiet der Wasserversorgung übertragen. Da dieser Vertrag im Laufe des Jahres 2008 auslief, beabsichtigte der WAZV Gotha, die SW Gotha als Mitglied aufzunehmen, um sie weiterhin mit der Geschäftsbesorgung zu betrauen. Die Aufsichtsbehörden lehnten jedoch unter Berufung auf die Vergabebestimmungen die Aufnahme der SW Gotha in den WAZV Gotha ab.

13      Da der WAZV Gotha die Aufgaben nach wie vor von Dritten wahrnehmen lassen wollte, beschloss er, eine Konzession für die Trinkwasserversorgung und die Abwasserbeseitigung zu vergeben. Hierzu leitete er im September 2007 ein nicht förmliches Vergabeverfahren ein und entschied sich damit gegen ein förmliches Vergabeverfahren im Sinne der §§ 97 ff. des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). Gleichwohl veröffentlichte der WAZV Gotha im Amtsblatt der Europäischen Union vom 19. September 2007 unter der Referenznummer 2007/S 180‑220518 eine Bekanntmachung.

14      In der Bekanntmachung wurden die Vergabe einer Dienstleistungskonzession für die Trinkwasserversorgung und die Abwasserbeseitigung im Verbandsgebiet des WAZV Gotha für die Dauer von 20 Jahren angekündigt und interessierte Unternehmen zur Einreichung von Bewerbungen aufgefordert.

15      Die Vergabebekanntmachung und die zugehörigen Vertragsentwürfe sahen vor, dass der Konzessionär die genannten Leistungen auf der Grundlage privatrechtlicher Verträge in eigenem Namen und auf eigene Rechnung gegenüber den im Verbandsgebiet des WAZV Gotha ansässigen Nutzern erbringt und hierfür von den jeweiligen Nutzern ein entsprechendes Entgelt erhält.

16      Der Konzessionär sollte das Recht haben, die Entgelte für die geleisteten Dienste nach billigem Ermessen selbst zu bestimmen und alleinverantwortlich festzusetzen. Diese Befugnis war jedoch insoweit beschränkt, als bis zum 31. Dezember 2009 die im Zeitpunkt der Veröffentlichung der Vergabebekanntmachung gültigen Entgelte zu erheben waren und danach die Entgelte den Vorgaben des Thüringer Kommunalabgabengesetzes entsprechen mussten.

17      Die Vergabebekanntmachung und die zugehörigen Vertragsentwürfe sahen ferner vor, dass die technischen Anlagen zur Wasserversorgung und zur Abwasserbeseitigung im Eigentum des WAZV Gotha verbleiben und an den Konzessionär verpachtet werden, wobei Letzterer den Pachtzins bei der Berechnung des von den Nutzern erhobenen Entgelts für die Dienstleistungen berücksichtigen darf. Die Instandhaltung der betreffenden Anlagen oblag dem Konzessionär.

18      Der WAZV Gotha verpflichtete sich, im Wege einer Satzung einen Anschluss- und Benutzungszwang an das System der Wasserversorgung und der Abwasserbeseitigung auszusprechen. Der Konzessionär hatte jedoch keinen Anspruch darauf, dass dieser Zwang in jedem Einzelfall auch vollzogen wird.

19      Schließlich verpflichtete sich der WAZV Gotha, von ihm empfangene öffentliche Zuwendungen im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten an den Konzessionär weiterzuleiten.

20      In der Vergabebekanntmachung war als Schlusstermin für den Eingang von Teilnahmeanträgen der 8. Oktober 2007 angegeben. Mit Schreiben vom 4. Oktober 2007 rügte Eurawasser die Absicht des WAZV Gotha, die betreffenden Dienstleistungen nicht im Rahmen einer förmlichen Ausschreibung eines Dienstleistungsauftrags, sondern im Wege einer Dienstleistungskonzession zu vergeben.

21      Die Eurawasser reichte ihren Teilnahmeantrag am 8. Oktober 2007 ein. SW Gotha und die Wasserverband Lausitz Betriebsführungs GmbH (im Folgenden: WAL) nahmen ebenfalls an dem Wettbewerb teil und wurden vom WAZV Gotha zur Abgabe eines Angebots aufgefordert. Insgesamt lagen bei Ablauf der in der Vergabebekanntmachung festgelegten Frist acht Teilnahmeanträge vor.

22      Der WAZV Gotha wies die Rüge von Eurawasser mit Schreiben vom 9. Oktober 2007 zurück. Nachdem weitere Eingaben vom 19. Oktober und 23. November 2007 erfolglos geblieben waren, leitete Eurawasser bei der zuständigen Vergabekammer ein Nachprüfungsverfahren ein und trug vor, dass der WAZV Gotha ein unzutreffendes Vergabeverfahren gewählt habe.

23      Mit Beschluss vom 24. Januar 2008 entschied die Vergabekammer, dass es sich hier tatsächlich um einen Dienstleistungsauftrag handle und der WAZV Gotha ein förmliches Vergabeverfahren hätte durchführen müssen, weshalb das Verfahren in den Stand vor Vergabebekanntmachung zurückzuversetzen sei.

24      Gegen diesen Beschluss erhob der WAZV Gotha Beschwerde vor dem zuständigen Thüringer Oberlandesgericht.

25      SW Gotha und der WAL wurden als Streithelfer zu diesem Verfahren zugelassen.

26      Unter diesen Umständen hat das Thüringer Oberlandesgericht beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Ist ein Vertrag über Dienstleistungen (hier über Leistungen der Wasserversorgung und Abwasserbehandlung), nach dessen Inhalt eine unmittelbare Entgeltzahlung des öffentlichen Auftraggebers an den Auftragnehmer nicht erfolgt, sondern der Auftragnehmer das Recht erhält, privatrechtliche Entgelte von Dritten zu erheben, allein aus diesem Grund als Dienstleistungskonzession im Sinne des Art. 1 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie 2004/17 – in Abgrenzung zum entgeltlichen Dienstleistungsvertrag im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Buchst. a und d der Richtlinie – einzuordnen?

2.      Falls die erste Vorlagefrage mit nein zu beantworten ist, liegt bei Verträgen der in der ersten Vorlagefrage beschriebenen Art eine Dienstleistungskonzession vor, wenn das mit der fraglichen Dienstleistung auf Grund ihrer öffentlich‑rechtlichen Ausgestaltung (Anschluss- und Benutzungszwang; Preiskalkulation nach dem Kostendeckungsprinzip) verbundene Betriebsrisiko von vornherein, also auch dann, wenn der öffentliche Auftraggeber die Leistung selbst erbringen würde, zwar erheblich eingeschränkt ist, der Auftragnehmer aber dieses eingeschränkte Risiko in vollem Umfang oder zumindest ganz überwiegend übernimmt?

3.      Falls auch die zweite Vorlagefrage verneint wird, ist Art. 1 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie dahin auszulegen, dass das mit der Erbringung der Leistung verbundene Betriebsrisiko, insbesondere das Absatzrisiko, qualitativ demjenigen nahe kommen muss, das üblicherweise unter den Bedingungen eines freien Marktes mit mehreren konkurrierenden Anbietern besteht?

 Zur Zulässigkeit

27      Der WAZV Gotha macht geltend, dass das Vorabentscheidungsersuchen unzulässig sei, da die Antwort auf die erste Frage aus der Definition der Dienstleistungskonzession in Art. 1 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie 2004/17 und der Rechtsprechung des Gerichtshofs eindeutig hervorgehe. Ein Auslegungsbedürfnis bestehe daher nicht. Der WAL trägt im Kern das Gleiche vor.

28      SW Gotha führt aus, dass die Vorlagefragen für die Entscheidung des vorlegenden Gerichts nicht erheblich seien, da der Ausgangsrechtsstreit ohne Antwort auf diese Fragen entschieden werden könne. Der WAZV Gotha habe nämlich ein Vergabeverfahren durchgeführt, das selbst dann ordnungsgemäß sei, wenn die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Verträge als Dienstleistungsaufträge, die der Richtlinie 2004/17 unterfielen, einzustufen seien.

29      Demgegenüber hält die Kommission der Europäischen Gemeinschaften das Vorabentscheidungsersuchen für zulässig. Wie sich aus dem Vorlagebeschluss ergebe, erachte das nationale Gericht die auf die Abgrenzung zwischen den Begriffen des Dienstleistungsauftrags und der Dienstleistungskonzession abzielenden Vorlagefragen für unerlässlich, um über die Zulässigkeit der vor ihm anhängigen Beschwerde zu entscheiden.

30      Nach Einreichung des Vorabentscheidungsersuchens hat der WAZV Gotha am 4. September 2008 beschlossen, das Vergabeverfahren, das den Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits bildet, aufzuheben.

31      Im Anschluss an diese Aufhebung hat die Eurawasser ihren Nachprüfungsantrag geändert, aber nicht zurückgenommen. Eurawasser beantragt nunmehr, festzustellen, dass sie durch das aufgehobene Verfahren in ihren Rechten auf Einhaltung der Vorschriften über die Vergabe von Aufträgen aus den §§ 97 ff. GWB verletzt ist.

32      Mit Schreiben vom 24. Dezember 2008 hat das vorlegende Gericht dem Gerichtshof mitgeteilt, dass es sein Vorabentscheidungsersuchen aufrechterhalte. Für seine Entscheidung über den geänderten Nachprüfungsantrag benötige es nämlich schon deswegen weiterhin eine Antwort auf die Vorlagefragen, weil Dienstleistungskonzessionen nicht in den Anwendungsbereich der §§ 97 ff. GWB fielen und die Änderung des Nachprüfungsantrags folglich keine Auswirkung darauf habe, dass die Befassung der Stellen, die für die Nachprüfung der Einhaltung der für öffentliche Aufträge geltenden Verfahren zuständig seien, d. h. der Vergabekammer und des Vergabesenats, unzulässig sei, wenn der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Vertrag als Dienstleistungskonzession eingestuft werden sollte.

33      Hierzu hat der Gerichtshof entschieden, dass im Rahmen seiner Kooperation mit den nationalen Gerichten nach Art. 234 EG nur das nationale Gericht, das mit dem Rechtsstreit befasst ist und in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende Entscheidung fällt, im Hinblick auf die Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung für den Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof vorzulegenden Fragen zu beurteilen hat. Daher ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, über ihm vorgelegte Fragen zu befinden, wenn diese die Auslegung des Gemeinschaftsrechts betreffen (vgl. u. a. Urteil vom 23. April 2009, Rüffler, C‑544/07, Slg. 2009, I‑0000, Randnr. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).

34      Der Gerichtshof hat auch entschieden, dass es ihm ausnahmsweise obliegt, zur Prüfung seiner eigenen Zuständigkeit die Umstände zu untersuchen, unter denen er vom nationalen Gericht angerufen wird. Die Entscheidung über eine Vorlagefrage eines nationalen Gerichts kann nur dann abgelehnt werden, wenn die erbetene Auslegung des Gemeinschaftsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine sachdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (vgl. u. a. Urteil Rüffler, Randnrn. 37 und 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).

35      In seiner Vorlageentscheidung wie auch in seinem Schreiben vom 24. Dezember 2008 hat das vorlegende Gericht klar zum Ausdruck gebracht, warum es die von ihm gestellten Fragen für erheblich hält und die Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits seiner Auffassung nach von der Antwort auf diese Fragen abhängt. Angesichts dieser Erläuterungen erscheinen die Vorlagefragen weder hypothetisch noch losgelöst vom Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits.

36      Somit sind die Vorlagefragen zulässig.

 Zu den Vorlagefragen

 Vorbemerkungen

37      Vorab ist klarzustellen, dass der WAZV Gotha nach Aktenlage unter die Definition des öffentlichen Auftraggebers in Art. 2 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2004/17 fällt und es sich bei besagtem öffentlichen Auftraggeber um eine der Kategorien von Auftraggebern handelt, für die diese Richtlinie nach ihrem Art. 2 Abs. 2 Buchst. a gilt.

38      Das Ausgangsverfahren fällt ferner nach ihrem Art. 4 unter die Richtlinie 2004/17, da der betroffene öffentliche Auftraggeber, nämlich der WAZV Gotha, eine Tätigkeit im Bereich der Trinkwasserversorgung und der Ableitung von Abwässern ausübt.

39      Die Richtlinie 2004/17 ist in zeitlicher Hinsicht auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbar, da die in ihrem Art. 71 festgesetzte Frist für ihre Umsetzung am 31. Januar 2006 abgelaufen war und das Vergabeverfahren, um das es im Ausgangsrechtsstreit geht, im September 2007 eingeleitet wurde.

40      Es ist darauf hinzuweisen, dass eine Definition der Dienstleistungskonzession in Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2004/17 in das Gemeinschaftsrecht aufgenommen wurde. Sie fehlte in den früheren einschlägigen Richtlinien, insbesondere der Richtlinie 93/38/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 zur Koordinierung der Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor (ABl. L 199, S. 84).

41      In Art. 18 der Richtlinie 2004/17 hat der Gemeinschaftsgesetzgeber klargestellt, dass diese Richtlinie nicht für Dienstleistungskonzessionen gilt, die von Auftraggebern vergeben werden, die u. a. Tätigkeiten im Wassersektor ausüben.

42      Außerdem ist daran zu erinnern, dass die Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (ABl. L 134, S. 114) für ihren eigenen Anwendungsbereich in ihrem Art. 1 Abs. 2 Buchst. a und 4 Definitionen des „öffentlichen Auftrags“ und der „Dienstleistungskonzession“ enthält, die im Wesentlichen mit den entsprechenden Definitionen in Art. 1 Abs. 2 Buchst. a und 3 Buchst. b der Richtlinie 2004/17 übereinstimmen.

43      Aufgrund dieser Übereinstimmung müssen bei der Auslegung der Begriffe des Dienstleistungsauftrags und der Dienstleistungskonzession in den jeweiligen Anwendungsbereichen der oben genannten Richtlinie die gleichen Erwägungen zugrunde gelegt werden.

44      Wird der Vorgang, um den es im Ausgangsverfahren geht, als „Dienstleistungsauftrag“ im Sinne der Richtlinie 2004/17 eingestuft, muss der betreffende Auftrag folglich grundsätzlich nach den Verfahren vergeben werden, die in den Art. 31 und 32 dieser Richtlinie vorgesehen sind. Wird der Vorgang dagegen als Dienstleistungskonzession angesehen, gilt die Richtlinie 2004/17 nach ihrem Art. 18 nicht für ihn. In diesem Fall unterläge die Vergabe der Konzession gleichwohl den Grundregeln des EG‑Vertrags im Allgemeinen sowie dem Gleichbehandlungsgrundsatz, dem Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit und der daraus folgenden Transparenzpflicht im Besonderen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 7. Dezember 2000, Telaustria und Telefonadress, C‑324/98, Slg. 2000, I‑10745, Randnrn. 60 bis 62, vom 21. Juli 2005, Coname, C‑231/03, Slg. 2005, I‑7287, Randnrn. 16 bis 19, vom 13. Oktober 2005, Parking Brixen, C‑458/03, Slg. 2005, I‑8585, Randnrn. 46 bis 49, und vom 13. November 2008, Coditel Brabant, C‑324/07, Slg. 2008, I‑0000, Randnr. 25).

45      Dies ist der Hintergrund, vor dem das vorlegende Gericht um Klarstellung der Kriterien ersucht, anhand deren zwischen einem Dienstleistungsauftrag und einer Dienstleistungskonzession unterschieden werden kann.

 Zu der ersten und der zweiten Frage

46      Mit seinen ersten beiden Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob bei einem Vertrag über Dienstleistungen der Umstand, dass eine unmittelbare Entgeltzahlung des öffentlichen Auftraggebers an den Auftragnehmer nicht erfolgt, sondern der Auftragnehmer das Recht erhält, privatrechtliche Entgelte von Dritten zu erheben, für sich allein genügt, um den betreffenden Vertrag als Dienstleistungskonzession im Sinne des Art. 1 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie 2004/17 einzuordnen. Für den Fall, dass diese Frage zu verneinen ist, fragt das nationale Gericht, ob ein derartiger Vertrag als Dienstleistungskonzession anzusehen ist, wenn das vom öffentlichen Auftraggeber eingegangene Betriebsrisiko aufgrund der öffentlich‑rechtlichen Ausgestaltung der Dienstleistung von vornherein zwar erheblich eingeschränkt ist, der Auftragnehmer aber dieses eingeschränkte Risiko in vollem Umfang oder zumindest ganz überwiegend übernimmt.

47      Der WAZV Gotha, SW Gotha und der WAL bejahen wie die deutsche und die tschechische Regierung die erste Frage und führen aus, der Umstand, dass der Auftragnehmer sein Entgelt erhalte, indem er es von Nutzern der Dienstleistung erhebe, genüge für die Annahme einer Dienstleistungskonzession.

48      Eurawasser und die Kommission sind dagegen der Auffassung, dass der Auftragnehmer außerdem das mit der fraglichen Dienstleistung verbundene Betriebsrisiko übernehmen müsse.

49      Insoweit ist festzustellen, dass nach Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2004/17 „Liefer-, Bau- und Dienstleistungsaufträge“ zwischen einem oder mehreren der in Art. 2 Abs. 2 dieser Richtlinie aufgeführten Auftraggeber und einem oder mehreren Unternehmern, Lieferanten oder Dienstleistern geschlossene entgeltliche schriftliche Verträge sind.

50      Gemäß Art. 1 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie 2004/17 ist eine „Dienstleistungskonzession“ ein Vertrag, der von einem Diensteistungsauftrag nur insoweit abweicht, als die Gegenleistung für die Erbringung der Dienstleistungen ausschließlich in dem Recht zur Nutzung der Dienstleistung oder in diesem Recht zuzüglich der Zahlung eines Preises besteht.

51      Aus dem Vergleich dieser beiden Definitionen geht hervor, dass der Unterschied zwischen einem Dienstleistungsauftrag und einer Dienstleistungskonzession in der Gegenleistung für die Erbringung der Dienstleistungen liegt. Der Dienstleistungsauftrag umfasst eine Gegenleistung, die vom öffentlichen Auftraggeber unmittelbar an den Dienstleistungserbringer gezahlt wird (vgl. in diesem Sinne Urteil Parking Brixen, Randnr. 39), während im Fall einer Dienstleistungskonzession die Gegenleistung für die Erbringung der Dienstleistungen in dem Recht zur Nutzung der Dienstleistung besteht, sei es ohne oder zuzüglich der Zahlung eines Preises.

52      Die Vorlagefragen gehen ausdrücklich davon aus, dass nach dem in Rede stehenden Vertrag eine unmittelbare Entgeltzahlung des öffentlichen Auftraggebers an den Auftragnehmer nicht erfolgt, sondern der Auftragnehmer vom Auftraggeber das Recht erhält, privatrechtliche Entgelte von Dritten zu erheben.

53      Im Licht des in Randnr. 51 des vorliegenden Urteils genannten Kriteriums handelt es sich bei dem Umstand, dass der Dienstleistungserbringer sein Entgelt durch Zahlungen Dritter, hier der Nutzer der betreffenden Dienstleistung, erhält, um eine der Formen, die das dem Dienstleistungserbringer eingeräumte Recht zur Nutzung der Dienstleistungen annehmen kann.

54      Dieses Kriterium ergab sich schon aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs vor dem Inkrafttreten der Richtlinie 2004/17. Nach dieser Rechtsprechung lag eine Dienstleistungskonzession dann vor, wenn die vereinbarte Vergütung im Recht des Dienstleistungserbringers zur Verwertung seiner eigenen Leistung bestand (vgl. in diesem Sinne Urteil Telaustria und Telefonadress, Randnr. 58, Beschluss vom 30. Mai 2002, Buchhändler-Vereinigung, C‑358/00, Slg. 2002, I‑4685, Randnrn. 27 und 28, sowie Urteile vom 18. Juli 2007, Kommission/Italien, C‑382/05, Slg. 2007, I‑6657, Randnr. 34, und vom 13. November 2008, Kommission/Italien, C‑437/07, Randnr. 29).

55      Insoweit spielt es keine Rolle, ob das Entgelt privatrechtlich oder öffentlich‑rechtlich geregelt ist.

56      Der Gerichtshof hat eine Dienstleistungskonzession u. a. in Fällen anerkannt, in denen das Entgelt des Dienstleistungserbringers aus Zahlungen der Nutzer eines öffentlichen Parkplatzes, eines öffentlichen Verkehrsdienstes und eines Kabelfernsehnetzes stammte (vgl. Urteile Parking Brixen, Randnr. 40, vom 6. April 2006, ANAV, C‑410/04, Slg. 2006, I‑3303, Randnr. 16, und Coditel Brabant, Randnr. 24).

57      Demnach genügt im Fall eines Vertrags über Dienstleistungen der Umstand, dass eine unmittelbare Entgeltzahlung des öffentlichen Auftraggebers an den Auftragnehmer nicht erfolgt, sondern der Auftragnehmer das Recht erhält, Entgelte von Dritten zu erheben, dem in Art. 1 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie 2004/17 vorgesehenen Erfordernis einer Gegenleistung.

58      Diese Feststellung verlangt jedoch eine Präzisierung des Begriffs „Recht zur Nutzung“ als „Gegenleistung für die Erbringung der Dienstleistungen“ in der betreffenden Vorschrift.

59      Besteht die vereinbarte Vergütung im Recht des Dienstleistungserbringers zur Verwertung seiner eigenen Leistung, so bringt diese Art der Bezahlung es nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs mit sich, dass der Dienstleistungserbringer das Betriebsrisiko der fraglichen Dienstleistungen übernimmt (vgl. in diesem Sinne Urteile Parking Brixen, Randnr. 40, vom 18. Juli 2007, Kommission/Italien, C‑382/05, Slg. 2007, I‑6657, Randnr. 34, und vom 13. November 2008, Kommission/Italien, C-437/07, Randnr. 29).

60      Hierzu haben die Beteiligten, die Erklärungen abgegeben haben, in ihrem Haupt‑ oder Hilfsvorbringen gegensätzliche Standpunkte eingenommen.

61      Nach Ansicht des WAZV Gotha genügt der Umstand, dass der Auftragnehmer das Betriebsrisiko unter den im Ausgangsverfahren geltenden Umständen übernimmt, um eine Dienstleistungskonzession zu bejahen.

62      Nach Auffassung von SW Gotha, des WAL und der tschechischen Regierung braucht der Auftragnehmer das Betriebsrisiko nicht in vollem Umfang zu übernehmen. Es reiche aus, wenn er den überwiegenden Teil dieses Risiko trage.

63      Die deutsche Regierung vertritt die Ansicht, dass eine Dienstleistungskonzession vorliege, sobald der Auftragnehmer ein Betriebsrisiko übernehme, das nicht völlig unwesentlich sei.

64      Nach Meinung von Eurawasser besteht bei dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Projekt kein relevantes Risiko, das der öffentliche Auftraggeber auf den Arbeitnehmer übertragen könnte. Daher sei es als Auftrag und nicht als Konzession einzustufen.

65      Die Kommission bemerkt, dass ein erhebliches Betriebsrisiko vorliegen müsse, das jedoch nicht notwendigerweise dem wirtschaftlichen Risiko entsprechen müsse, das auf einem freiem Markt üblicherweise eingegangen werde. Ein Dienstleistungsvertrag, bei dem das wirtschaftliche Risiko durch die öffentliche Gewalt auf ein Minimum reduziert sei, könne nicht als Dienstleistungskonzession angesehen werden.

66      Hierzu ist festzustellen, das das Risiko untrennbar mit der wirtschaftlichen Nutzung der Dienstleistung verbunden ist.

67      Trägt der Auftraggeber weiterhin das volle Risiko und setzt er den Dienstleistungserbringer nicht den Risiken des Marktes aus, verlangt die Vergabe der Nutzung der Dienstleistung die Anwendung der Formvorschriften, die die Richtlinie 2004/17 zum Schutz der Transparenz und des Wettbewerbs vorsieht.

68      Fehlt es vollkommen an der Übertragung des mit der Erbringung der Dienstleistung verbundenen Risikos auf den Dienstleistungserbringer, handelt es sich bei dem betreffenden Vorgang um einen Dienstleistungsauftrag (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 27. Oktober 2005, Contse u. a., C‑234/03, Slg. 2005, I‑9315, Randnr. 22, und vom 18. Juli 2007, Kommission/Italien, Randnrn. 35 bis 37, sowie entsprechend in Bezug auf eine Baukonzession Urteil vom 13. November 2008, Kommission/Italien, Randnrn. 30 und 32 bis 35). Wie in Randnr. 51 des vorliegenden Urteils ausgeführt, bestünde in diesem Fall die Gegenleistung nicht im Recht zur Nutzung der Dienstleistung.

69      Die Vorlagefragen beruhen auf der Prämisse, dass die Erbringung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Dienstleistung auch dann mit erheblich eingeschränkten wirtschaftlichen Risiken verbunden wäre, wenn die betreffende Dienstleistung vom öffentlichen Auftraggeber erbracht würde, und zwar aufgrund der Anwendung der für den betroffenen Tätigkeitsbereich geltenden Regelungen.

70      Zum Teil ist vorgetragen worden, damit der fragliche Vorgang unter diesen Umständen eine Konzession darstellen könne, müsse es sich bei dem Risiko, das vom Konzessionsgeber auf den Konzessionär übertragen werde, um ein erhebliches Risiko handeln.

71      Dem kann in dieser Allgemeinheit nicht gefolgt werden.

72      Es ist üblich, dass für bestimmte Tätigkeitsbereiche, insbesondere Bereiche, die die öffentliche Daseinsvorsorge betreffen, wie z. B. die Wasserversorgung und die Abwasserbeseitigung, Regelungen gelten, die eine Begrenzung der wirtschaftlichen Risiken bewirken können.

73      Zum einen erleichtert die öffentlich‑rechtliche Ausgestaltung, der die Nutzung der Dienstleistung in wirtschaftlicher und finanzieller Hinsicht unterworfen ist, die Kontrolle ihrer Nutzung und vermindert die Faktoren, die die Transparenz beeinträchtigen und den Wettbewerb verfälschen können.

74      Zum anderen muss es den redlich handelnden öffentlichen Auftraggebern weiterhin freistehen, Dienstleistungen mittels einer Konzession erbringen zu lassen, wenn sie der Auffassung sind, dass die Erbringung der betreffenden gemeinwirtschaftlichen Leistung so am besten sicherzustellen ist, und zwar selbst dann, wenn das mit der Nutzung verbundene Risiko erheblich eingeschänkt ist.

75      Es wäre außerdem nicht sachgerecht, von einer Behörde, die eine Konzession vergibt, zu verlangen, dass sie für einen schärferen Wettbewerb und ein höheres wirtschaftliches Risiko sorgt, als sie in dem betreffenden Sektor aufgrund der für ihn geltenden Regelungen existieren.

76      Da der öffentliche Auftraggeber keinen Einfluss auf die öffentlich‑rechtliche Ausgestaltung der Dienstleistung hat, kann er in solchen Fällen keine Risikofaktoren einführen und daher auch nicht übertragen, die durch diese Ausgestaltung ausgeschlossen sind.

77      Selbst wenn das Risiko des öffentlichen Auftraggebers erheblich eingeschränkt ist, ist es jedenfalls für die Annahme einer Dienstleistungskonzession erforderlich, dass er das volle Betriebsrisiko oder zumindest einen wesentlichen Teil davon auf den Konzessionär überträgt.

78      Es ist Sache des nationalen Gerichts, zu beurteilen, ob das volle Risiko oder ein wesentlicher Teil des Risikos des öffentlichen Auftraggebers übertragen worden ist.

79      Dabei dürfen die allgemeinen Risiken, die sich aus Änderungen der Rechtslage während der Durchführung des Vertrags ergeben, nicht berücksichtigt werden.

80      Folglich ist auf die erste und die zweite Frage zu antworten, dass bei einem Vertrag über Dienstleistungen der Umstand, dass eine unmittelbare Entgeltzahlung des öffentlichen Auftraggebers an den Auftragnehmer nicht erfolgt, sondern der Auftragnehmer das Recht erhält, Entgelte von Dritten zu erheben, genügt, um den betreffenden Vertrag als „Dienstleistungskonzession“ im Sinne des Art. 1 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie 2004/17 einzuordnen, wenn das vom öffentlichen Auftraggeber eingegangene Betriebsrisiko aufgrund der öffentlich‑rechtlichen Ausgestaltung der Dienstleistung von vornherein zwar erheblich eingeschränkt ist, der Auftragnehmer aber dieses eingeschränkte Risiko in vollem Umfang oder zumindest zu einem erheblichen Teil übernimmt.

 Zur dritten Frage

81      In Anbetracht der Antwort auf die erste und die zweite Frage ist die dritte Frage nicht zu beantworten.

 Kosten

82      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:

Bei einem Vertrag über Dienstleistungen genügt der Umstand, dass eine unmittelbare Entgeltzahlung des öffentlichen Auftraggebers an den Auftragnehmer nicht erfolgt, sondern der Auftragnehmer das Recht erhält, Entgelte von Dritten zu erheben, um den betreffenden Vertrag als „Dienstleistungskonzession“ im Sinne des Art. 1 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie 2004/17/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Koordinierung der Zuschlagserteilung durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste einzuordnen, wenn das vom öffentlichen Auftraggeber eingegangene Betriebsrisiko aufgrund der öffentlich‑rechtlichen Ausgestaltung der Dienstleistung von vornherein zwar erheblich eingeschränkt ist, der Auftragnehmer aber dieses eingeschränkte Risiko in vollem Umfang oder zumindest zu einem erheblichen Teil übernimmt.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Deutsch.

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