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Document 62008CJ0012

Urteil des Gerichtshofes (Vierte Kammer) vom 16. Juli 2009.
Mono Car Styling SA, in Liquidation gegen Dervis Odemis u. a.
Ersuchen um Vorabentscheidung: Cour du travail de Liège - Belgien.
Vorabentscheidungsersuchen - Richtlinie 98/59/EG - Art. 2 und 6 - Verfahren zur Information und Konsultation der Belegschaft bei Massenentlassungen - Pflichten des Arbeitgebers - Klagerecht der Arbeitnehmer - Gebot gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung.
Rechtssache C-12/08.

Sammlung der Rechtsprechung 2009 I-06653

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2009:466

Parteien
Entscheidungsgründe
Tenor

Parteien

In der Rechtssache C‑12/08

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht von der Cour du travail de Liège (Belgien) mit Entscheidung vom 3. Januar 2008, beim Gerichtshof eingegangen am 11. Januar 2008, in dem Verfahren

Mono Car Styling SA, in Liquidation,

gegen

Dervis Odemis u. a.

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts, des Richters T. von Danwitz, der Richterin R. Silva de Lapuerta (Berichterstatterin) sowie der Richter E. Juhász und J. Malenovský,

Generalanwalt: P. Mengozzi,

Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 6. November 2008,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

– der Mono Car Styling SA, in Liquidation, vertreten durch P. Cavenaile und F. Ligot, avocats,

– von D. Odemis u. a., vertreten durch H. Deckers, avocat,

– der belgischen Regierung, vertreten durch L. Van den Broeck als Bevollmächtigte im Beistand von G. Demez, avocat,

– der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch I. Rao als Bevollmächtigte im Beistand von K. Smith, Barrister,

– der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch M. Van Hoof und J. Enegren als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 21. Januar 2009

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe

1. Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 2 und 6 der Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20. Juli 1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen (ABl. L 225, S. 16).

2. Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Mono Car Styling SA (im Folgenden: Mono Car), in Liquidation, und einigen ihrer ehemaligen Arbeitnehmer wegen deren Massenentlassung.

Rechtlicher Rahmen

Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten

3. Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, unterzeichnet in Rom am 4. November 1950 (im Folgenden: EMRK) sieht unter dem Titel „Recht auf ein faires Verfahren“ vor:

„Jede Person hat ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird …“

Gemeinschaftsrecht

4. Mit der Richtlinie 98/59 wurde die Richtlinie 75/129/EWG des Rates vom 17. Februar 1975 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen (ABl. L 48, S. 29) kodifiziert.

5. Die Erwägungsgründe 2, 6, 10 und 12 der Richtlinie 98/59 lauten:

„(2) Unter Berücksichtigung der Notwendigkeit einer ausgewogenen wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung in der Gemeinschaft ist es wichtig, den Schutz der Arbeitnehmer bei Massenentlassungen zu verstärken.

(6) Die auf der Tagung des Europäischen Rates in Straßburg am 9. Dezember 1989 von den Staats- und Regierungschefs von elf Mitgliedstaaten angenommene Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer sieht unter Nummer 7 Unterabsatz 1 erster Satz und Unterabsatz 2, unter Nummer 17 Unterabsatz 1 und unter Nummer 18 dritter Gedankenstrich folgendes vor:

‚7. Die Verwirklichung des Binnenmarktes muss zu einer Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer in der Europäischen Gemeinschaft führen ...

Diese Verbesserung muss, soweit nötig, dazu führen, dass bestimmte Bereiche des Arbeitsrechts, wie die Verfahren bei Massenentlassungen oder bei Konkursen, ausgestaltet werden.

...

17. Unterrichtung, Anhörung und Mitwirkung der Arbeitnehmer müssen in geeigneter Weise, unter Berücksichtigung der in den verschiedenen Mitgliedstaaten herrschenden Gepflogenheiten, weiterentwickelt werden.

...

18. Unterrichtung, Anhörung und Mitwirkung sind rechtzeitig vor allem in folgenden Fällen vorzusehen:

– ...

– ...

– bei Massenentlassungen;

–...‘

(10) Die Mitgliedstaaten sollten vorsehen können, dass die Arbeitnehmervertreter angesichts der fachlichen Komplexität der Themen, die gegebenenfalls Gegenstand der Information und Konsultation sind, Sachverständige hinzuziehen können.

(12) Die Mitgliedstaaten sollten dafür Sorge tragen, dass den Arbeitnehmervertretern und/oder den Arbeitnehmern administrative und/oder gerichtliche Verfahren zur Durchsetzung der Verpflichtungen gemäß dieser Richtlinie zur Verfügung stehen.“

6. Art. 2 der Richtlinie 98/59 bestimmt:

„(1) Beabsichtigt ein Arbeitgeber, Massenentlassungen vorzunehmen, so hat er die Arbeitnehmervertreter rechtzeitig zu konsultieren, um zu einer Einigung zu gelangen.

(2) Diese Konsultationen erstrecken sich zumindest auf die Möglichkeit, Massenentlassungen zu vermeiden oder zu beschränken, sowie auf die Möglichkeit, ihre Folgen durch soziale Begleitmaßnahmen, die insbesondere Hilfen für eine anderweitige Verwendung oder Umschulung der entlassenen Arbeitnehmer zum Ziel haben, zu mildern.

Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass die Arbeitnehmervertreter gemäß den innerstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Praktiken Sachverständige hinzuziehen können.

(3) Damit die Arbeitnehmervertreter konstruktive Vorschläge unterbreiten können, hat der Arbeitgeber ihnen rechtzeitig im Verlauf der Konsultationen:

a) die zweckdienlichen Auskünfte zu erteilen und

b) in jedem Fall schriftlich Folgendes mitzuteilen:

i) die Gründe der geplanten Entlassung;

ii) die Zahl und die Kategorien der zu entlassenden Arbeitnehmer;

iii) die Zahl und die Kategorien der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer;

iv) den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen;

v) die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer, soweit die innerstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Praktiken dem Arbeitgeber die Zuständigkeit dafür zuerkennen;

vi) die vorgesehene Methode für die Berechnung etwaiger Abfindungen, soweit sie sich nicht aus den innerstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Praktiken ergeben.

Der Arbeitgeber hat der zuständigen Behörde eine Abschrift zumindest der in Unterabsatz 1 Buchstabe b) Ziffern i) bis v) genannten Bestandteile der schriftlichen Mitteilung zu übermitteln.

(4) Die Verpflichtungen gemäß den Absätzen 1, 2 und 3 gelten unabhängig davon, ob die Entscheidung über die Massenentlassungen von dem Arbeitgeber oder von einem den Arbeitgeber beherrschenden Unternehmen getroffen wurde.

Hinsichtlich angeblicher Verstöße gegen die in dieser Richtlinie enthaltenen Informations-, Konsultations- und Meldepflichten findet der Einwand des Arbeitgebers, das für die Massenentlassungen verantwortliche Unternehmen habe ihm die notwendigen Informationen nicht übermittelt, keine Berücksichtigung.“

7. Art. 3 der Richtlinie 98/59 sieht vor:

„(1) Der Arbeitgeber hat der zuständigen Behörde alle beabsichtigten Massenentlassungen schriftlich anzuzeigen.

Die Anzeige muss alle zweckdienlichen Angaben über die beabsichtigte Massenentlassung und die Konsultationen der Arbeitnehmervertreter gemäß Artikel 2 enthalten, insbesondere die Gründe der Entlassung, die Zahl der zu entlassenden Arbeitnehmer, die Zahl der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer und den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen.

(2) Der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmervertretern eine Abschrift der in Absatz 1 genannten Anzeige zu übermitteln.

Die Arbeitnehmervertreter können etwaige Bemerkungen an die zuständige Behörde richten.“

8. Art. 5 der Richtlinie 98/59 lautet:

„Diese Richtlinie lässt die Möglichkeit der Mitgliedstaaten unberührt, für die Arbeitnehmer günstigere Rechts- oder Verwaltungsvorschriften anzuwenden oder zu erlassen oder für die Arbeitnehmer günstigere tarifvertragliche Vereinbarungen zuzulassen oder zu fördern.“

9. Art. 6 der Richtlinie 98/59 bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass den Arbeitnehmervertretern und/oder den Arbeitnehmern administrative und/oder gerichtliche Verfahren zur Durchsetzung der Verpflichtungen gemäß dieser Richtlinie zur Verfügung stehen.“

Nationales Recht

10. Die Richtlinie 75/129 wurde durch das kollektive Arbeitsabkommen Nr. 24 vom 2. Oktober 1975 über das Verfahren zur Information und Konsultation der Arbeitnehmervertreter bei Massenentlassungen, das durch die Königliche Verordnung vom 21. Januar 1976 ( Moniteur belge vom 17. Februar 1976, S. 1716) für verbindlich erklärt wurde, in der durch das kollektive Arbeitsabkommen Nr. 24d vom 21. Dezember 1993 (für verbindlich erklärt durch die Königliche Verordnung vom 28. Februar 1994, Moniteur belge vom 15. März 1994, S. 6345) geänderten Fassung (im Folgenden: kollektives Arbeitsabkommen Nr. 24) in das belgische Recht umgesetzt.

11. In Art. 6 des kollektiven Arbeitsabkommens Nr. 24 heißt es:

„Beabsichtigt ein Arbeitgeber, Massenentlassungen vorzunehmen, so hat er die Arbeitnehmervertreter vorher zu informieren und diese zu konsultieren; diese Information erfolgt innerhalb des Betriebsrats oder, falls ein solcher nicht besteht, gegenüber der Gewerkschaftsvertretung …

Sie hat gegenüber der Belegschaft oder deren Vertretern zu erfolgen, falls weder ein Betriebsrat noch eine Gewerkschaftsvertretung bestehen.

Die Konsultationen erstrecken sich auf die Möglichkeit, die Massenentlassung zu vermeiden oder zu beschränken sowie ihre Folgen durch soziale Begleitmaßnahmen, die insbesondere Hilfen für eine anderweitige Verwendung oder Umschulung der entlassenen Arbeitnehmer zum Ziel haben, zu mildern.

Zu diesem Zweck hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmervertretern die zweckdienlichen Auskünfte zu erteilen und in jedem Fall eine schriftliche Mitteilung zu machen über die Gründe der geplanten Entlassung, die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer, die Zahl und die Kategorien der zu entlassenden Arbeitnehmer, die Zahl und die Kategorien der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer sowie die vorgesehene Methode für die Berechnung etwaiger Abfindungen, die sich nicht aus dem Gesetz oder einem kollektiven Arbeitsabkommen ergibt, und den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden müssen, um den Arbeitnehmervertretern zu ermöglichen, ihre Bemerkungen und Vorschläge so zu unterbreiten, dass sie berücksichtigt werden können.“

12. Das belgische Gesetz vom 13. Februar 1998 zur Festlegung beschäftigungsfördernder Bestimmungen ( Moniteur belge vom 19. Februar 1998, S. 4643, im Folgenden: Gesetz von 1998) enthält ein Kapitel VII („Massenentlassungen“). Art. 66 dieses Gesetzes lautet:

„§ 1 Der Arbeitgeber, der eine Massenentlassung vornehmen möchte, hat das bei Massenentlassungen vorgesehene Verfahren zur Information und Konsultation einzuhalten, so wie es ein im Nationalen Arbeitsrat geschlossenes kollektives Arbeitsabkommen vorschreibt.

Zu diesem Zweck muss der Arbeitgeber folgende Bedingungen erfüllen:

1. Er muss dem Betriebsrat oder, falls ein solcher nicht besteht, der Gewerkschaftsvertretung oder, falls eine solche nicht besteht, den Arbeitnehmern einen schriftlichen Bericht vorlegen, in dem er seine Absicht mitteilt, eine Massenentlassung vorzunehmen;

2. er muss den Beweis erbringen, dass er wegen der Absicht, eine Massenentlassung vorzunehmen, den Betriebsrat einberufen hat oder sich, falls ein solcher nicht besteht, mit der Gewerkschaftsvertretung oder, falls eine solche nicht besteht, mit den Arbeitnehmern getroffen hat;

3. er muss es den Belegschaftsvertretern im Betriebsrat oder, falls ein solcher nicht besteht, den Mitgliedern der Gewerkschaftsvertretung oder, falls eine solche nicht besteht, den Arbeitnehmern ermöglichen, hinsichtlich der beabsichtigten Massenentlassung Fragen zu stellen und hierzu Argumente oder Gegenvorschläge vorzubringen;

4. er muss die in Nr. 3 genannten Fragen, Argumente und Gegenvorschläge geprüft und beantwortet haben.

Der Arbeitgeber muss den Beweis erbringen, dass er die im vorstehenden Absatz genannten Bedingungen erfüllt hat.

§ 2 Der Arbeitgeber hat dem vom König benannten Beamten die beabsichtigte Massenentlassung anzuzeigen. Die Anzeige muss die Bestätigung enthalten, dass die in § 1 Abs. 2 genannten Bedingungen erfüllt sind.

Eine Abschrift der Anzeige wird am Tag ihrer Absendung an den in Abs. 1 genannten Beamten dem Betriebsrat oder, falls ein solcher nicht besteht, der Gewerkschaftsvertretung übermittelt und im Unternehmen ausgehängt. Außerdem wird eine Abschrift am Tag des Aushangs den Arbeitne hmern, die von der Massenentlassung betroffen sind und deren Arbeitsvertrag am Tag des Aushangs bereits beendet ist, per Post mit Einschreibebrief zugesandt.“

13. Art. 67 des Gesetzes von 1998 bestimmt:

„Ein entlassener Arbeitnehmer kann die Nichteinhaltung des Verfahrens zur Information und Konsultation nur mit der Begründung geltend machen, dass der Arbeitgeber die in Art. 66 § 1 Abs. 2 genannten Bedingungen nicht beachtet hat.

Ein entlassener Arbeitnehmer kann die Nichteinhaltung des Verfahrens zur Information und Konsultation nicht mehr geltend machen, wenn die Arbeitnehmervertreter im Betriebsrat oder, falls ein solcher nicht besteht, die Mitglieder der Gewerkschaftsvertretung oder, falls eine solche nicht besteht, die Arbeitnehmer, die informiert und konsultiert werden mussten, innerhalb einer Frist von dreißig Tagen, gerechnet ab dem Tag des Aushangs im Sinne von Art. 66 § 2 Abs. 2, gegenüber dem Arbeitgeber keinen Einspruch hinsichtlich der Einhaltung einer oder mehrerer der in Art. 66 § 1 Abs. 2 festgelegten Bedingungen erhoben haben.

Ein entlassener Arbeitnehmer muss dem Arbeitgeber innerhalb einer Frist von 30 Tagen, gerechnet ab dem Tag seiner Entlassung oder dem Tag, an dem die Entlassungen den Charakter einer Massenentlassung erhalten haben, mit Einschreibebrief mitteilen, dass er die Nichteinhaltung des Verfahrens zur Information und Konsultation geltend macht.“

14. Für den Fall, dass die Nichteinhaltung des Verfahrens zur Information und Konsultation durch individuell vorgehende entlassene Arbeitnehmer geltend gemacht wird, sehen die Art. 68 und 69 des Gesetzes von 1998 bei Begründetheit der Anfechtung entweder die Aussetzung der Kündigungsfrist oder die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers vor.

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

15. Mono Car legte beim vorlegenden Gericht ein Rechtsmittel gegen das Urteil des Tribunal du travail de Liège ein, das am 3. Februar 2006 zwischen den Parteien des Ausgangsverfahrens ergangen war. Herr Odemis u. a. legten ein Anschlussrechtsmittel ein.

16. Mono Car, ein Tochterunternehmen der Gruppe Mono International, stellte für verschiedene Autohersteller Teile und Zubehör für die Dekoration und Innenausstattung her. Nach erheblichen Verlusten beschloss der Verwaltungsrat von Mono Car 2004 die Möglichkeit zu prüfen, entweder das Unternehmen freiwillig zu liquidieren oder den Personalbestand wesentlich zu reduzieren.

17. Mono Car unterrichtete den Betriebsrat über ihre finanzielle Lage und über die Möglichkeit von Massenentlassungen. Anschließend unterzeichnete sie mit allen Gewerkschaftsvertretern den Entwurf einer Vereinbarung über einen Sozialplan, der später durch ein kollektives Arbeitsabkommen bestätigt wurde und die Modalitäten für die Restrukturierung des Unternehmens und die Voraussetzungen für die Massenentlassung vorsah, darunter die Aussetzung der Kündigungsfristen, die Kriterien für die Berechnung der Abfindungen und die Höhe der Entschädigung für immaterielle Schäden. In diesem kollektiven Arbeitsabkommen ist festgehalten, dass Mono Car das Verfahren zur Information und Konsultation über die Massenentlassung eingehalten habe.

18. Die Generalversammlung der Belegschaft von Mono Car nahm den Sozialplan an. Der Betriebsrat bestätigte dieses Votum.

19. Am 14. Juni 2004 übermittelte Mono Car der zuständigen Behörde die Liste mit den 30 von der Massenentlassung betroffenen Arbeitnehmern sowie die Kriterien, nach denen diese ausgewählt worden waren, und entließ sie mit Wirkung zum 21. Juni 2004. Die Arbeitnehmervertreter im Betriebsrat erhoben keinen Einspruch hinsichtlich der Einhaltung einer oder mehrerer der in Art. 66 des Gesetzes von 1998 festgelegten Bedingungen.

20. Am 15. Juni 2004 verkürzte die zuständige Behörde die Wartefrist für die Entlassung auf einen Tag und stellte fest, dass das Verfahren zur Information und Konsultation eingehalten worden sei.

21. Nach einem Treffen zwischen Mono Car und den entlassenen Arbeitnehmern fochten dennoch 21 von ihnen dieses Verfahren auf der Grundlage von Art. 67 § 3 des Gesetzes von 1998 vor dem Tribunal du travail de Liège an und verlangten zum einen ihre Weiterbeschäftigung im Unternehmen sowie die Nachzahlung des entgangenen Gehalts ab dem Tag der Beendigung des Vertrags und zum anderen Schadensersatz wegen der erlittenen materiellen und immateriellen Schäden.

22. Mit Urteil vom 3. Februar 2006 erklärte das Tribunal du travail de Liège die erhobene Klage für zulässig und gab den Anträgen teilweise statt, indem es Mono Car zum Ersatz des materiellen Schadens verurteilte, der durch die Nichteinhaltung des Verfahrens zur Information und Konsultation entstanden sei. Weitere Verstöße seien das Fehlen eines schriftlichen Berichts und einer Diskussion im Betriebsrat, die Nichteinhaltung der Wartefrist für die Entlassung und die Durchführung der sozialen Konzertation außerhalb des Betriebsrats.

23. Gegen dieses Urteil legte Mono Car bei der Cour du travail de Liège ein Rechtsmittel ein und beantragte die vollständige Abänderung des Urteils. Die Arbeitnehmer legten als Rechtsmittelgegner ein Anschlussrechtsmittel ein und beantragten eine Erhöhung der für den materiellen Schaden gewährten Entschädigung und die Anerkennung eines immateriellen Schadens.

24. Vor diesem Hintergrund hat die Cour du travail de Liège, nachdem sie sowohl das Hauptrechtsmittel als auch das Anschlussrechtsmittel für zulässig erklärt hatte, das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist Art. 6 der Richtlinie 98/59/EG dahin auszulegen, dass er einer nationalen Bestimmung wie Art. 67 des Gesetzes von 1998 entgegensteht, wonach ein entlassener Arbeitnehmer die Nichteinhaltung des Verfahrens zur Information und Konsultation nur mit der Begründung geltend machen kann, dass der Arbeitgeber die in Art. 66 § 1 Abs. 2 dieses Gesetzes genannten Bedingungen nicht beachtet hat, und sofern die Arbeitnehmervertreter im Betriebsrat oder, falls ein solcher nicht besteht, die Mitglieder der Gewerkschaftsvertretung oder, falls eine solche nicht besteht, die Arbeitnehmer, die informiert und konsultiert werden mussten, innerhalb einer Frist von dreißig Tagen, gerechnet ab dem Tag des Aushangs im Sinne von Art. 66 § 2 Abs. 2, gegenüber dem Arbeitgeber Einspruch hinsichtlich der Einhaltung einer oder mehrerer der in Art. 66 § 1 Abs. 2 festgelegten Bedingungen erhoben haben und sofern der entlassene Arbeitnehmer dem Arbeitgeber innerhalb einer Frist von 30 Tagen, gerechnet ab dem Tag seiner Entlassung oder dem Tag, an dem die Entlassungen den Charakter einer Massenentlassung erhalten haben, mit Einschreibebrief mitgeteilt hat, dass er die Nichteinhaltung des Verfahrens zur Information und Konsultation geltend macht und verlangt, weiterbeschäftigt zu werden?

2. Für den Fall, dass Art. 6 der Richtlinie 98/59 dahin auszulegen ist, dass er einem Mitgliedstaat erlaubt, eine Bestimmung wie Art. 67 des Gesetzes von 1998 zu erlassen: Ist ein solches System mit den Grundrechten der Einzelnen, die fester Bestandteil der allgemeinen Rechtsgrundsätze sind, deren Einhaltung die Gemeinschaftsgerichte gewährleisten, und insbesondere mit Art. 6 EMRK vereinbar?

3. Darf ein nationales Gericht, bei dem ein Rechtsstreit zwischen zwei Privatrechtssubjekten – im vorliegenden Fall einem Arbeitnehmer und seinem ehemaligen Arbeitgeber – anhängig ist, eine innerstaatliche Rechtsvorschrift, die gegen eine Gemeinschaftsrichtlinie verstößt, wie Art. 67 des Gesetzes von 1998, unangewendet lassen, um andere innerstaatliche Rechtsvorschriften anzuwenden, von denen angenommen wird, dass sie eine Richtlinie ordnungsgemäß umsetzen, wie das kollektive Arbeitsabkommen Nr. 24, deren tatsächliche Anwendung aber durch die gegen eine Gemeinschaftsrichtlinie verstoßende innerstaatliche Rechtsvorschrift, im vorliegenden Fall durch Art. 67 des Gesetzes von 1998, ausgeschlossen wird?

4. a) Ist Art. 2 der Richtlinie 98/59, insbesondere dessen Abs. 1, 2 und 3, dahin auszulegen, dass er einer nationalen Bestimmung wie Art. 66 § 1 des Gesetzes von 1998 entgegensteht, wonach ein Arbeitgeber, um die ihn bei einer Massenentlassung treffenden Verpflichtungen zu erfüllen, lediglich den Beweis erbringen muss, dass er folgende Bedingungen erfüllt hat:

1. Er muss dem Betriebsrat oder, falls ein solcher nicht besteht, der Gewerkschaftsvertretung oder, falls eine solche nicht besteht, den Arbeitnehmern einen schriftlichen Bericht vorgelegt haben, in dem er seine Absicht mitteilt, eine Massenentlassung vorzunehmen;

2. er muss wegen der Absicht, eine Massenentlassung vorzunehmen, den Betriebsrat einberufen haben oder sich, falls ein solcher nicht besteht, mit der Gewerkschaftsvertretung oder, falls eine solche nicht besteht, mit den Arbeitnehmern getroffen haben;

3. er muss den Arbeitnehmervertretern im Betriebsrat oder, falls ein solcher nicht besteht, den Mitgliedern der Gewerkschaftsvertretung oder, falls eine solche nicht besteht, den Arbeitnehmern ermöglicht haben, hinsichtlich der beabsichtigten Massenentlassung Fragen zu stellen und hierzu Argumente oder Gegenvorschläge vorzubringen;

4. er muss die in Nr. 3 genannten Fragen, Argumente und Gegenvorschläge geprüft und beantwortet haben?

b) Ist Art. 2 der Richtlinie 98/59 so zu verstehen, dass er einer nationalen Bestimmung wie Art. 67 § 2 des Gesetzes von 1998 entgegensteht, wonach ein entlassener Arbeitnehmer die Nichteinhaltung des Verfahrens zur Information und Konsultation nur mit der Begründung geltend machen kann, dass der Arbeitgeber die in Art. 66 § 1 Abs. 2 genannten Bedingungen, von denen im vorstehenden Buchst. a die Rede ist, nicht beachtet hat?

Zu den Vorlagefragen

Zur Zulässigkeit

25. Die belgische Regierung macht geltend, die Fragen des vorlegenden Gerichts seien unzulässig. Sie trägt zum einen vor, dass die Bestimmungen des Gesetzes von 1998 im Ausgangsverfahren nicht anwendbar seien, da dieses Gesetz nur Anträge auf Weiterbeschäftigung oder auf Aussetzung der Kündigungsfrist von Arbeitnehmern nach den Art. 68 und 69 dieses Gesetzes erfasse; dahin gehende Anträge seien aber im Rahmen des Rechtsmittelverfahrens nicht gestellt worden. Zum anderen harmonisiere die Richtlinie 98/59 nicht die Rechtsbehelfe bei Massenentlassungen.

26. Das Vorabentscheidungsersuchen sei auch deshalb unzulässig, weil es in ihm um die Auslegung des nationalen Rechts gehe und das vorlegende Gericht die Bedeutung des anwendbaren belgischen Rechts nicht richtig dargestellt habe.

27. Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass in einem Verfahren nach Art. 234 EG nur das nationale Gericht, das mit dem Rechtsstreit befasst ist und in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende Entscheidung fällt, im Hinblick auf die Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung für den Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof vorzulegenden Fragen zu beurteilen hat. Daher ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, über ihm vorgelegte Fragen zu befinden, wenn diese die Auslegung des Gemeinschaftsrechts betreffen (vgl. u. a. Urteile vom 18. Juli 2007, Lucchini, C‑119/05, Slg. 2007, I‑6199, Randnr. 43, und vom 22. Dezember 2008, Magoora, C‑414/07, Slg. 2008, Randnr. 22).

28. Damit kann der Gerichtshof ein Vorabentscheidungsersuchen eines nationalen Gerichts nur dann zurückweisen, wenn die erbetene Auslegung des Gemeinschaftsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (vgl. u. a. Urteile vom 13. März 2001, PreussenElektra, C‑379/98, Slg. 2001, I‑2099, Randnr. 39, vom 5. Dezember 2006, Cipolla u. a., C‑94/04 und C‑202/04, Slg. 2006, I‑11421, Randnr. 25, und Magoora, Randnr. 23).

29. Für das vorliegende Vorabentscheidungsverfahren ist erstens festzustellen, dass der tatsächliche und rechtliche Rahmen des Ausgangsrechtsstreits und die Gründe, aus denen das vorlegende Gericht eine Antwort auf die Vorlagefragen für seine Entscheidung für erforderlich hält, in der Vorlageentscheidung ausführlich dargestellt sind.

30. Zweitens wird zwar in der Vorlageentscheidung festgestellt, dass in der nationalen Rechtsprechung hinsichtlich der Bedeutung des anwendbaren nationalen Rechts unterschiedliche Auffassungen bestehen, doch betreffen die Vorlagefragen die Auslegung des Gemeinschaftsrechts, und diese Auslegung erweist sich als erforderlich für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits.

31. Das Vorabentscheidungsersuchen ist daher zulässig.

Zur ersten Frage und zum zweiten Teil der vierten Frage

32. Mit diesen Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 6 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 bis 3 der Richtlinie 98/59 einer nationalen Bestimmung wie Art. 67 des Gesetzes von 1998 entgegensteht, die für den Fall, dass Arbeitnehmer die Nichteinhaltung des von dieser Richtlinie vorgesehenen Verfahrens der Information und Konsultation durch den Arbeitgeber individuell geltend machen, zum einen die möglichen Rügen auf Verletzungen von Verpflichtungen beschränkt, die von einer Bestimmung wie Art. 66 § 1 Abs. 2 dieses Gesetzes aufgestellt werden, und zum anderen die Zulässigkeit einer solchen Anfechtung davon abhängig macht, dass die Arbeitnehmervertreter im Betriebsrat zuvor beim Arbeitgeber Einspruch hinsichtlich der Einhaltung dieser Verpflichtungen erhoben haben und dass der betreffende Arbeitnehmer dem Arbeitgeber zuvor mitgeteilt hat, dass er die Nichteinhaltung des Verfahrens zur Information und Konsultation geltend mache.

33. Nach Art. 6 der Richtlinie 98/59 sorgen die Mitgliedstaaten dafür, dass den Arbeitnehmervertretern und/oder den Arbeitnehmern administrative und/oder gerichtliche Verfahren zur Durchsetzung der Verpflichtungen gemäß dieser Richtlinie zur Verfügung stehen.

34. Aus dem Wortlaut dieser Bestimmung ergibt sich folglich, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, Verfahren einzurichten, mit denen die Einhaltung der von der Richtlinie 98/59 vorgesehenen Verpflichtungen gewährleistet werden kann. Da die Richtlinie diese Verpflichtung aber nicht weiter ausformt, ist die Ausgestaltung dieser Verfahren Sache der Mitgliedstaaten.

35. Gleichwohl ist daran zu erinnern, dass die Richtlinie 98/59 zwar nur eine teilweise Harmonisierung der Vorschriften über den Schutz der Arbeitnehmer bei Massenentlassungen vornimmt, die Begrenztheit dieser Harmonisierung den Bestimmungen der Richtlinie jedoch nicht ihre praktische Wirksamkeit nehmen kann (vgl. in diesem Sinne zur Richtlinie 75/129, Urteil vom 8. Juni 1994, Kommission/Vereinigtes Königreich, C‑383/92, Slg. 1994, I‑2479, Randnr. 25).

36. Daher ist es zwar Sache der Mitgliedstaaten, die Verfahren auszugestalten, mit denen die Einhaltung der in der Richtlinie 98/59 vorgesehenen Verpflichtungen gewährleistet werden kann, doch darf diese Ausgestaltung den Bestimmungen der Richtlinie nicht ihre praktische Wirksamkeit nehmen.

37. Im vorliegenden Fall steht fest, dass die belgischen Rechtsvorschriften für die Arbeitnehmervertreter ein Anfechtungsrecht vorsehen, das hinsichtlich der möglichen Rügen nicht beschränkt ist und über die allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Zulässigkeit einer Klage nach innerstaatlichem Recht hinaus nicht von besonderen Voraussetzungen abhängig gemacht wird. Es steht ebenfalls fest, dass Art. 67 des Gesetzes von 1998 Arbeitnehmern ein individuelles Anfechtungsrecht verleiht, wenn auch hinsichtlich der möglichen Rügen beschränkt und dadurch bedingt, dass zuvor die Arbeitnehmervertreter Einspruch erhoben haben und der betreffende Arbeitnehmer dem Arbeitgeber mitgeteilt hat, dass er die Nichteinhaltung des Verfahrens der Information und Konsultation geltend mache. Damit stellt sich die Frage, ob eine solche Beschränkung des individuellen Anfechtungsrechts der Arbeitnehmer oder die Abhängigkeit der Ausübung dieses Rechts von solchen Bedingungen den Bestimmungen der Richtlinie 98/59 die praktische Wirksamkeit nehmen oder, wie Herr Odemis u. a. vortragen, den von der Richtlinie vorgesehenen Schutz der Arbeitnehmer einschränken können.

38. Hierzu ergibt sich erstens aus dem Wortlaut und der Systematik der Richtlinie 98/59, dass das in ihr vorgesehene Recht auf Information und Konsultation den Arbeitnehmervertretern zukommt und nicht dem einzelnen Arbeitnehmer.

39. So ist im zehnten Erwägungsgrund und in Art. 2 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 98/59 von Sachverständigen die Rede, die die Arbeitnehmervertreter angesichts der fachlichen Komplexität der Themen, die gegebenenfalls Gegenstand der Information und Konsultation sind, hinzuziehen können. Zudem definiert Art. 1 Abs. 1 dieser Richtlinie, der die Begriffsbestimmungen für die Richtlinie enthält, den Begriff der Arbeitnehmervertreter, nicht aber den der Arbeitnehmer. Auch Art. 2 der Richtlinie beschreibt die Verpflichtungen des Arbeitgebers und das Recht auf Information und Konsultation nur im Hinblick auf die Arbeitnehmervertreter. Gleichermaßen sieht Art. 3 der Richtlinie die Pflicht vor, der zuständigen Behörde alle beabsichtigten Massenentlassungen anzuzeigen und alle zweckdienlichen Angaben hierüber und über die Konsultationen der Arbeitnehmervertreter zu machen, denen der Arbeitgeber eine Abschrift dieser Anzeige übermitteln muss und die ihre etwaigen Bemerkungen an die zuständige Behörde richten können, während Arbeitnehmern solche Möglichkeiten nicht eröffnet sind.

40. Zweitens ergibt sich die kollektive Natur des Rechts auf Information und Konsultation auch aus einer teleologischen Auslegung der Richtlinie 98/59. Da die in dieser Richtlinie vorgesehene Information und Konsultation u. a. ermöglichen soll, konstruktive Vorschläge zumindest zu den Möglichkeiten zu unterbreiten, Massenentlassungen zu vermeiden oder zu beschränken und deren Folgen zu mildern, sowie außerdem etwaige Bemerkungen an die zuständige Behörde zu richten, sind die Arbeitnehmervertreter am besten in der Lage, den mit der Richtlinie verfolgten Zweck zu erreichen.

41. Schließlich hat der Gerichtshof bereits festgestellt, dass das Recht auf Information und Konsultation, das vorher in gleicher Weise in der Richtlinie 75/129 vorgesehen war, über die Arbeitnehmervertreter ausgeübt wird (vgl. in diesem Sinne Urteile Kommission/Vereinigtes Königreich, Randnrn. 17 und 23, und vom 18. Januar 2007, Confédération générale du travail u. a., C‑385/05, Slg. 2007, I‑611, Randnr. 48).

42. Somit ist festzustellen, dass das in der Richtlinie 98/59 vor allem in Art. 2 vorgesehene Recht auf Information und Konsultation zugunsten der Arbeitnehmer als Gemeinschaft ausgestaltet und daher kollektiver Natur ist.

43. Das in Art. 6 der Richtlinie geforderte Schutzniveau dieses Kollektivrechts ist in einem Kontext wie dem des Ausgangsverfahrens eingehalten, da die anwendbare nationale Regelung den Arbeitnehmervertretern ein Klagerecht einräumt, das, wie in Randnr. 37 des vorliegenden Urteils ausgeführt, keinen Beschränkungen oder besonderen Voraussetzungen unterliegt.

44. Unbeschadet der Rechtsbehelfe des innerstaatlichen Rechts, die den Schutz der individuellen Rechte der Arbeitnehmer bei einer rechtswidrigen Kündigung gewährleisten sollen, kann folglich nicht mit Erfolg geltend gemacht werden, der Schutz der Arbeitnehmer sei eingeschränkt oder die praktische Wirksamkeit der Richtlinie 98/59 sie beeinträchtigt, weil im Rahmen der Verfahren, die individuell vorgehenden Arbeitnehmern ermöglichen, die Einhaltung der in der Richtlinie vorgesehenen Verpflichtungen zur Information und Konsultation überprüfen zu lassen, die möglichen Rügen begrenzt sind oder weil ihr Klagerecht davon abhängt, dass zuvor die Arbeitnehmervertreter Einspruch erhoben haben und der betreffende Arbeitnehmer dem Arbeitgeber mitgeteilt hat, dass er die Nichteinhaltung des Verfahrens der Information und Konsultation geltend mache.

45. Daher ist auf die erste Frage und den zweiten Teil der vierten Frage zu antworten, dass Art. 6 in Verbindung mit Art. 2 der Richtlinie 98/59 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, die Verfahren vorsieht, die sowohl den Arbeitnehmervertretern als auch dem einzelnen Arbeitnehmer ermöglichen sollen, die Einhaltung der in dieser Richtlinie vorgesehenen Verpflichtungen überprüfen zu lassen, aber das individuelle Klagerecht der Arbeitnehmer hinsichtlich der möglichen Rügen beschränkt und davon abhängig macht, dass zuvor die Arbeitnehmervertreter Einspruch beim Arbeitgeber erhoben haben und der betreffende Arbeitnehmer dem Arbeitgeber mitgeteilt hat, dass er die Nichteinhaltung des Verfahrens der Information und Konsultation geltend mache.

Zur zweiten Frage

46. Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob in Anbetracht der Antwort auf die erste Frage und den zweiten Teil der vierten Frage ein System wie das im Rahmen der Prüfung dieser Fragen untersuchte, in dem das individuelle Recht der Arbeitnehmer, die Einhaltung der in der Richtlinie 98/59 vorgesehenen Verpflichtungen zur Information und Konsultation überprüfen zu lassen, in Bezug auf die möglichen Rügen beschränkt ist und davon abhängt, dass zuvor die Arbeitnehmervertreter Einspruch beim Arbeitgeber erhoben haben und der betreffende Arbeitnehmer dem Arbeitgeber mitgeteilt hat, dass er die Nichteinhaltung des Verfahrens der Information und Konsultation geltend mache, mit den Grundrechten, insbesondere mit dem in Art. 6 EMRK verankerten Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz, vereinbar ist.

47. Hierzu ist zunächst daran zu erinnern, dass der Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes ein allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrechts ist, der sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten ergibt, in den Art. 6 und 13 EMRK verankert ist und im Übrigen von Art. 47 der am 7. Dezember 2000 in Nizza proklamierten Charta der Grundrechte der Europäischen Union (ABl. C 364, S. 1) bekräftigt worden ist (vgl. u. a. Urteile vom 13. März 2007, Unibet, C‑432/05, Slg. 2007, I‑2271, Randnr. 37, und vom 3. September 2008, Kadi und Al Barakaat International Foundation/Rat und Kommission, C‑402/05 P und C‑415/05 P, Slg. 2008, I‑0000, Randnr. 335).

48. Ferner ist es mangels einer einschlägigen Gemeinschaftsregelung nach ständiger Rechtsprechung Sache des innerstaatlichen Rechts der einzelnen Mitgliedstaaten, die zuständigen Gerichte zu bestimmen und die Verfahrensmodalitäten für Klagen zu regeln, die den Schutz der dem Einzelnen aus dem Gemeinschaftsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, wobei die Mitgliedstaaten allerdings für den wirksamen Schutz dieser Rechte in jedem Einzelfall verantwortlich sind (vgl. Urteil vom 15. April 2008, Impact, C‑268/06, Slg. 2008, I‑2483, Randnrn. 44 und 45 sowie die angeführte Rechtsprechung).

49. So ist es zwar grundsätzlich Sache des nationalen Rechts, die Klagebefugnis und das Rechtsschutzinteresse des Einzelnen zu bestimmen, doch verlangt das Gemeinschaftsrecht über die Einhaltung der Grundsätze der Äquivalenz und Effektivität hinaus, dass die nationalen Rechtsvorschriften das Recht auf einen effektiven gerichtlichen Rechtsschutz nicht beeinträchtigen (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile vom 11. Juli 1991, Verholen u. a., C‑87/90 bis C‑89/90, Slg. 1991, I‑3757, Randnr. 24, vom 11. September 2003, Safalero, C‑13/01, Slg. 2003, I‑8679, Randnr. 50, und Unibet, Randnr. 42).

50. Das in der Richtlinie 98/59 vorgesehene Recht auf Information und Konsultation ist, wie sich aus den Randnrn. 38 bis 42 des vorliegenden Urteils ergibt, für die Arbeitnehmer als Gemeinschaft konzipiert und daher kollektiver Natur. Dass Art. 6 der Richtlinie 98/59 den Mitgliedstaaten erlaubt, Verfahren für einzelne Arbeitnehmer einzurichten, kann die kollektive Natur dieses Rechts nicht ändern.

51. Unter diesen Umständen ist ein nationales System wie das im Ausgangsverfahren fragliche, das für Arbeitnehmervertreter ein Verfahren vorsieht, mit dem sie überprüfen lassen können, ob der Arbeitgeber alle in der Richtlinie 98/59 erwähnten Informations- und Konsultationspflichten erfüllt hat, und das dem Arbeitnehmer zudem ein beschränktes und von besonderen Voraussetzungen abhängig gemachtes individuelles Klagerecht einräumt, geeignet, einen effektiven gerichtlichen Schutz der in dieser Richtlinie verankerten kollektiven Informations- und Konsultationsrechte zu gewährleisten.

52. Daher ist auf die zweite Frage zu antworten, dass der Umstand, dass eine nationale Regelung, die Verfahren vorsieht, mit denen Arbeitnehmervertreter überprüfen lassen können, ob der Arbeitgeber alle in der Richtlinie 98/59 erwähnten Informations- und Konsultationspflichten erfüllt hat, das individuelle Klagerecht, das sie darüber hinaus jedem von einer Massenentlassung betroffenen Arbeitnehmer einräumt, beschränkt und von Voraussetzungen abhängig macht, nicht gegen den Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes verstößt.

Zur dritten Frage

53. In Anbetracht der Antworten auf die erste und die zweite Frage ist die dritte Frage nicht zu beantworten, da sie vom vorlegenden Gericht für den Fall gestellt worden ist, dass die Richtlinie 98/59 einer nationalen Bestimmung wie Art. 67 des Gesetzes von 1998 entgegensteht.

Zum ersten Teil der vierten Frage

54. Mit dieser Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 2 der Richtlinie 98/59 einer Bestimmung wie Art. 66 § 1 Abs. 2 des Gesetzes von 1998 entgegensteht, weil diese die Verpflichtungen des Arbeitgebers, der eine Massenentlassung vornehmen möchte, verringert.

55. Wie der Generalanwalt in Nr. 73 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, besteht kein Zweifel, dass die dem Arbeitgeber, der eine Massenentlassung vornehmen möchte, durch Art. 66 § 1 Abs. 2 des Gesetzes von 1998 auferlegten Verpflichtungen nicht vollständig mit den in Art. 2 der Richtlinie 98/59 vorgesehenen Verpflichtungen übereinstimmen.

56. Daher ist Art. 2 der Richtlinie 98/59 dahin auszulegen, dass er einer nationalen Bestimmung entgegensteht, die wie Art. 66 § 1 Abs. 2 des Gesetzes von 1998 für sich betrachtet die Informations- und Konsultationspflichten des Arbeitgebers, der Massenentlassungen vornehmen möchte, gegenüber den in Art. 2 der Richtlinie vorgesehenen Verpflichtungen verringert.

57. Jedoch ergibt sich aus Art. 66 § 1 Abs. 1 des Gesetzes von 1998, dass der Arbeitgeber, der eine Massenentlassung vornehmen möchte, das bei Massenentlassungen vorgesehene Verfahren zur Information und Konsultation gemäß den anwendbaren kollektiven Arbeitsabkommen einzuhalten hat. Nach den Angaben des vorlegenden Gerichts gibt das Arbeitsabkommen Nr. 24 die einem solchen Arbeitgeber nach Art. 2 der Richtlinie 98/59 aufzuerlegenden Verpflichtungen vollständig wieder.

58. Unter diesen Umständen ist es Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob Art. 66 § 1 Abs. 2 des Gesetzes von 1998 unter Berücksichtigung von Art. 66 § 1 Abs. 1 dieses Gesetzes dahin ausgelegt werden kann, dass er wegen des Verweises auf das kollektive Arbeitsabkommen Nr. 24 einen solchen Arbeitgeber nicht von der Erfüllung aller in Art. 2 der Richtlinie 98/59 genannten Verpflichtungen entbindet.

59. Hierzu ergibt sich zwar aus einer ständigen Rechtsprechung, dass eine Richtlinie nicht selbst Verpflichtungen für einen Einzelnen begründen kann, so dass ihm gegenüber eine Berufung auf die Richtlinie als solche nicht möglich ist und sogar eine klare, genaue und unbedingte Richtlinienbestimmung, mit der dem Einzelnen Rechte gewährt oder Verpflichtungen auferlegt werden sollen, im Rahmen eines Rechtsstreits, in dem sich ausschließlich Private gegenüberstehen, nicht als solche Anwendung finden kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. Oktober 2004, Pfeiffer u. a., C‑397/01 bis C‑403/01, Slg. 2004, I‑8835, Randnrn. 108 und 109).

60. Jedoch muss das nationale Gericht bei der Anwendung des nationalen Rechts dieses so weit wie möglich anhand des Wortlauts und des Zweckes der betreffenden Richtlinie auslegen, um das in der Richtlinie festgelegte Ergebnis zu erreichen und so Art. 249 Abs. 3 EG nachzukommen (vgl. in diesem Sinne Urteil Pfeiffer u. a., Randnr. 113).

61. Diese Pflicht zur gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung gilt für alle Vorschriften des nationalen Rechts und findet in den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, insbesondere im Grundsatz der Rechtssicherheit, ihre Schranken, und zwar in dem Sinne, dass sie nicht als Grundlage für eine Auslegung contra legem des nationalen Rechts dienen darf (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 8. Oktober 1987, Kolpinghuis Nijmegen, 80/86, Slg. 1987, 3969, Randnr. 13, vom 4. Juli 2006, Adeneler u. a., C‑212/04, Slg. 2006, I‑6057, Randnr. 110, vom 15. April 2008, Impact, Randnr. 100, und vom 23. April 2009, Angelidaki u. a., C‑378/07, Slg. 2009, I‑0000, Randnr. 199).

62. Der vom Gemeinschaftsrecht aufgestellte Grundsatz der gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts verlangt, dass das nationale Gericht das gesamte nationale Recht berücksichtigt, um zu beurteilen, inwieweit es so angewendet werden kann, dass es nicht zu einem der fraglichen Richtlinie zuwiderlaufenden Ergebnis führt (vgl. in diesem Sinne Urteil Pfeiffer u. a., Randnr. 115).

63. Ermöglicht es das nationale Recht durch die Anwendung seiner Auslegungsmethoden, eine innerstaatliche Bestimmung unter bestimmten Umständen so auszulegen, dass eine Kollision mit einer anderen Norm innerstaatlichen Rechts vermieden wird, oder die Reichweite dieser Bestimmung zu diesem Zweck einzuschränken und sie nur insoweit anzuwenden, als sie mit dieser Norm vereinbar ist, so ist das nationale Gericht verpflichtet, die gleichen Methoden anzuwenden, um das in der fraglichen Richtlinie festgelegte Ergebnis zu erreichen (vgl. Urteil Pfeiffer u. a., Randnr. 116).

64. Im vorliegenden Fall verlangt dieser Grundsatz deshalb, dass das vorlegende Gericht im Rahmen seiner Zuständigkeit unter Berücksichtigung aller Regelungen des nationalen Rechts die praktische Wirksamkeit der Richtlinie 98/59 gewährleistet, um zu verhindern, dass die Verpflichtungen des Arbeitgebers, der Massenentlassungen vornehmen möchte, gegenüber den Verpflichtungen nach Art. 2 dieser Richtlinie verringert werden.

65. Daher ist auf den ersten Teil der vierten Frage zu antworten, dass Art. 2 der Richtlinie 98/59 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die die Verpflichtungen des Arbeitgebers, der Massenentlassungen vornehmen möchte, gegenüber den in Art. 2 der Richtlinie vorgesehenen Verpflichtungen verringert. Bei der Anwendung des innerstaatlichen Rechts hat das nationale Gericht in Anwendung des Grundsatzes der gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts dieses Recht in seiner Gesamtheit zu berücksichtigen und es so weit wie möglich anhand des Wortlauts und des Zweckes der Richtlinie 98/59 auszulegen, um das in dieser festgelegte Ergebnis zu erreichen. Folglich ist es Sache des nationalen Gerichts, im Rahmen seiner Zuständigkeit zu gewährleisten, dass die Verpflichtungen eines solchen Arbeitgebers gegenüber den Verpflichtungen nach Art. 2 der Richtlinie nicht verringert werden.

Kosten

66. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Tenor

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:

1. Art. 6 in Verbindung mit Art. 2 der Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20. Juli 1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, die Verfahren vorsieht, die sowohl den Arbeitnehmervertretern als auch dem einzelnen Arbeitnehmer ermöglichen sollen, die Einhaltung der in dieser Richtlinie vorgesehenen Verpflichtungen überprüfen zu lassen, aber das individuelle Klagerecht der Arbeitnehmer hinsichtlich der möglichen Rügen beschränkt und davon abhängig macht, dass zuvor die Arbeitnehmervertreter Einspruch beim Arbeitgeber erhoben haben und der betreffende Arbeitnehmer dem Arbeitgeber mitgeteilt hat, dass er die Nichteinhaltung des Verfahrens der Information und Konsultation geltend mache.

2. Der Umstand, dass eine nationale Regelung, die Verfahren vorsieht, mit denen Arbeitnehmervertreter überprüfen lassen können, ob der Arbeitgeber alle in der Richtlinie 98/59 erwähnten Informations- und Konsultationspflichten erfüllt hat, das individuelle Klagerecht, das sie darüber hinaus jedem von einer Massenentlassung betroffenen Arbeitnehmer einräumt, beschränkt und von Voraussetzungen abhängig macht, verstößt nicht gegen den Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes.

3. Art. 2 der Richtlinie 98/59 ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die die Verpflichtungen des Arbeitgebers, der Massenentlassungen vornehmen möchte, gegenüber den in Art. 2 der Richtlinie vorgesehenen Verpflichtungen verringert. Bei der Anwendung des innerstaatlichen Rechts hat das nationale Gericht in Anwendung des Grundsatzes der gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts dieses Recht in seiner Gesamtheit zu berücksichtigen und es so weit wie möglich am Wortlaut und Zweck der Richtlinie 98/59 auszulegen, um das in dieser festgelegte Ergebnis zu erreichen. Folglich ist es Sache des nationalen Gerichts, im Rahmen seiner Zuständigkeit zu gewährleisten, dass die Verpflichtungen eines solchen Arbeitgebers gegenüber den Verpflichtungen nach Art. 2 der Richtlinie nicht verringert werden.

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