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Document 62008CC0508

Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston vom 1. Juli 2010.
Europäische Kommission gegen Republik Malta.
Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Dienstleistungsfreiheit im Seeverkehr - Verordnung (EWG) Nr. 3577/92 - Art. 1 und 4 - Kabotageleistungen in einem Mitgliedstaat - Verpflichtung, Verträge über öffentliche Dienstleistungen auf nicht diskriminierender Grundlage zu schließen - Abschluss eines Exklusivvertrags ohne vorherige Ausschreibung vor dem Beitritt eines Mitgliedstaats zur Union.
Rechtssache C-508/08.

Sammlung der Rechtsprechung 2010 I-10589

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2010:392

SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

ELEANOR SHARPSTON

vom 1. Juli 20101(1)

Rechtssache C‑508/08

Europäische Kommission

gegen

Republik Malta

„Seeverkehr – Freier Dienstleistungsverkehr – Verordnung (EWG) Nr. 3577/92 des Rates – Exklusivvertrag über gemeinwirtschaftliche Dienste zur Erbringung von Kabotageleistungen zwischen Inseln eines Mitgliedstaats – Vor dem Beitritt zur Europäischen Union erfolgte Auftragsvergabe ohne gemeinschaftsweites Ausschreibungsverfahren – Loyalitätspflicht bis zum Inkrafttreten des Beitrittsvertrags“





1.        Die Kommission beantragt die Feststellung, dass die Republik Malta dadurch gegen ihre Verpflichtungen, insbesondere aus den Art. 1 und 4 der Verordnung (EWG) Nr. 3577/92(2) des Rates vom 7. Dezember 1992 zur Anwendung des Grundsatzes des freien Dienstleistungsverkehrs auf den Seeverkehr in den Mitgliedstaaten (Seekabotage), verstoßen habe, dass sie mit der Gozo Channel Company Ltd (GCCL) am 16. April 2004 ohne vorherige Ausschreibung einen Exklusivvertrag über Gemeinwohldienstleistungen geschlossen hat.

2.        Malta beruft sich hauptsächlich darauf, dass die Verordnung zum fraglichen Zeitpunkt noch nicht auf Malta anwendbar gewesen sei. Malta trat der Europäischen Union erst am 1. Mai 2004 bei; der Beitrittsvertrag(3) wurde allerdings schon am 16. April 2003 unterzeichnet.

3.        Auf Hinweis des Gerichtshofs hat die Kommission die Verpflichtung eines Staates betont, die Bestimmungen eines Vertrags bis zu dessen Inkrafttreten nach Treu und Glauben zu beachten und alle Handlungen zu unterlassen, die seinem Sinn und Zweck zuwiderlaufen würden – in den Art. 18 und 26 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge normierte Grundsätze des internationalen Rechts.(4)

 Rechtlicher Rahmen

 Wiener Übereinkommen

4.        Das Wiener Übereinkommen stellt eine weitreichende Konsolidierung des Völkervertragsrechts dar. Es findet nach Art. 1 auf Verträge zwischen Staaten (somit also auch auf den Beitrittsvertrag) und nach Art. 5 auf jeden Vertrag Anwendung, der die Gründungsurkunde einer internationalen Organisation bildet (somit also auch auf verschiedene Verträge der Europäischen Gemeinschaft und der Europäischen Union).(5) Einige seiner Bestimmungen spiegeln Regeln des Völkergewohnheitsrechts wider, die als solche Bestandteil der Gemeinschaftsrechtsordnung sind.(6) Hierunter fallen nach allgemeiner Auffassung insbesondere Art. 18 (der die sogenannte Interimsverpflichtung enthält) und Art. 26 (der den Grundsatz von Treu und Glauben aufstellt).(7) Obwohl diese Bestimmungen als solche für Malta nicht bindend sind(8), können sie doch als Formulierungen derjenigen Regelungen des Völkergewohnheitsrechts herangezogen werden, die Malta als auf sich anwendbar anerkennt.

5.        Art. 18 mit der Überschrift „Verpflichtung, Ziel und Zweck eines Vertrags vor seinem Inkrafttreten nicht zu vereiteln“ bestimmt:

„Ein Staat oder eine internationale Organisation sind verpflichtet, sich aller Handlungen zu enthalten, die Ziel und Zweck eines Vertrags vereiteln würden:

(a)      wenn dieser Staat oder diese Organisation unter Vorbehalt der Ratifikation, des Aktes der förmlichen Bestätigung, der Annahme oder der Genehmigung den Vertrag unterzeichnet oder Urkunden ausgetauscht haben, die einen Vertrag bilden, solange der Staat oder die Organisation ihre Absicht nicht klar zu erkennen gegeben haben, nicht Vertragspartei zu werden, oder

(b)      wenn dieser Staat oder diese Organisation ihre Zustimmung, durch den Vertrag gebunden zu sein, ausgedrückt haben, und zwar bis zum Inkrafttreten des Vertrags und unter der Voraussetzung, dass sich das Inkrafttreten nicht ungebührlich verzögert.“

6.        Art. 26 mit der Überschrift „Pacta sunt servanda“ bestimmt:

„Ist ein Vertrag in Kraft, so bindet er die Vertragsparteien und ist von ihnen nach Treu und Glauben zu erfüllen.“

 EG-Vertrag

7.        Art. 226 EG (jetzt Art. 258 AEUV) bestimmt:

„Hat nach Auffassung der Kommission ein Mitgliedstaat gegen eine Verpflichtung aus diesem Vertrag verstoßen, so gibt sie eine mit Gründen versehene Stellungnahme hierzu ab; sie hat dem Staat zuvor Gelegenheit zur Äußerung zu geben.

Kommt der Staat dieser Stellungnahme innerhalb der von der Kommission gesetzten Frist nicht nach, so kann die Kommission den Gerichtshof [der Europäischen Union] anrufen.“

8.        Art. 249 Abs. 2 EG (jetzt Art. 288 AEUV) bestimmt hierzu:

„Die Verordnung hat allgemeine Geltung. Sie ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.“

9.        Nach Art. 254 Abs. 1 und 2 EG (nach Änderung jetzt Art. 297 AEUV) treten Verordnungen zu dem durch sie festgelegten Zeitpunkt oder andernfalls am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

 Beitrittsvertrag und Akte über den Beitritt

10.      Nach Art. 1 Abs. 1 des Beitrittsvertrags wurden 10 neue Staaten, einschließlich Malta, „Mitglieder der Europäischen Union und Vertragsparteien der die Union begründenden Verträge in ihrer jeweiligen geänderten oder ergänzten Fassung“. Art. 1 Abs. 2 legt fest:

„Die Aufnahmebedingungen und die aufgrund der Aufnahme erforderlichen Anpassungen der die Union begründenden Verträge sind in der diesem Vertrag beigefügten Akte festgelegt.[(9)] Die Bestimmungen der Akte sind Bestandteil dieses Vertrags.“

11.      Nach Art. 2 Abs. 2 trat der Beitrittsvertrag, der am 16. April 2003 in Athen unterzeichnet wurde, am 1. Mai 2004 in Kraft.

12.      Art. 2 der Akte über den Beitritt bestimmt:

„Ab dem Tag des Beitritts sind die ursprünglichen Verträge und die vor dem Beitritt erlassenen Rechtsakte der Organe und der Europäischen Zentralbank für die neuen Mitgliedstaaten verbindlich und gelten in diesen Staaten nach Maßgabe der genannten Verträge und dieser Akte.“

13.      Vorbehalte hinsichtlich der Anwendung der Verordnung auf Malta wurden nicht festgelegt.

14.      Am 30. Juli 2003 hinterlegte Malta seine Urkunde über die Ratifikation des Beitrittsvertrags bei der italienischen Regierung.

 Verordnung Nr. 3577/92

15.      Die Verordnung wurde am 7. Dezember 1992 vom Rat erlassen und am 12. Dezember 1992 im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht.

16.      Art. 1 Abs. 1 bestimmt:

„Mit Wirkung vom 1. Januar 1993 gilt der Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs im Seeverkehr innerhalb eines Mitgliedstaats (Seekabotage) für Gemeinschaftsreeder, deren Schiffe in einem Mitgliedstaat registriert sind und unter der Flagge eines Mitgliedstaats fahren, sofern diese Schiffe alle Voraussetzungen erfüllen, um zur Kabotage in diesem Mitgliedstaat zugelassen zu werden; hierin eingeschlossen sind die in EUROS registrierten Schiffe, sobald dieses Register vom Rat gebilligt ist.“

17.      „Seeverkehrsdienstleistungen innerhalb eines Mitgliedstaats (Seekabotage)“ im Sinne von Art. 2 Abs. 1 sind „Dienstleistungen, die gewöhnlich gegen Entgelt erbracht werden und insbesondere“ nach Buchst. c, zweiter Gedankenstrich: „Inselkabotage: die Beförderung von Passagieren oder Gütern auf dem Seeweg zwischen … Häfen auf den Inseln innerhalb eines Mitgliedstaats“.

18.      Art. 2 Abs. 4 definiert als „‚Verpflichtungen des öffentlichen Dienstes‘ Verpflichtungen, die der betreffende Gemeinschaftsreeder im eigenen wirtschaftlichen Interesse nicht oder nicht im gleichen Umfang und nicht unter den gleichen Bedingungen übernehmen würde“.

19.      Art. 4 bestimmt:

„(1)      Ein Mitgliedstaat kann mit Schifffahrtsgesellschaften, die sich an Liniendiensten von, zwischen und nach Inseln beteiligen, als Voraussetzung für das Recht zur Erbringung von Kabotageleistungen Verträge über Verkehrsdienste aufgrund von Verpflichtungen des öffentlichen Dienstes schließen oder ihnen entsprechende Verpflichtungen auferlegen.

Beim Abschluss von Verträgen über Verkehrsdienste aufgrund von Verpflichtungen des öffentlichen Dienstes sowie bei der Auferlegung entsprechender Verpflichtungen haben die Mitgliedstaaten darauf zu achten, dass kein Gemeinschaftsreeder diskriminiert wird.

(2)      Bei der Auferlegung von Verpflichtungen des öffentlichen Dienstes beschränken sich die Mitgliedstaaten auf Auflagen hinsichtlich der anzulaufenden Häfen, der Regelmäßigkeit, Beständigkeit und Häufigkeit des Verkehrs, der Dienstleistungskapazität, der zu erhebenden Gebühren sowie der Schiffsbesatzung.

Für die etwaige Gewährung eines Ausgleichs für solche Verpflichtungen kommen stets alle Gemeinschaftsreeder in Betracht.

(3)      Bestehende Verträge über Verkehrsdienste aufgrund von Verpflichtungen des öffentlichen Dienstes können bis zum jeweiligen Ablaufdatum gültig bleiben.“

20.      In Übereinstimmung mit Art. 11 trat die Verordnung am 1. Januar 1993 in Kraft. Ausnahmen von der Anwendung der Verordnung wurden nach Art. 6 für verschiedene Kabotageleistungen – im Mittelmeerraum, entlang der Küste Spaniens, Portugals und Frankreichs und hinsichtlich bestimmter spanischer, portugiesischer und französischer küstennaher Inseln sowie anderer Inseln und Gebiete außerhalb Europas – mit verschiedenen Ablaufdaten zwischen dem 1. Januar 1995 und dem 1. Januar 2004 zugelassen.

 Sachverhalt und Verfahren

21.      Im Verlauf der dem Abschluss des Beitrittsvertrags vorausgehenden Verhandlungen war die schrittweise Übernahme des gemeinschaftsrechtlichen Besitzstands durch Malta u. a. auch im Bereich des Seeverkehrs verschiedentlich Gegenstand der Beratungen.

22.      In diesem Zusammenhang stellte ein Gemeinsamer Standpunkt vom 26. Oktober 2001(10) fest: „… die EU [nimmt] zur Kenntnis, dass Malta beabsichtigt, sowohl mit Sea Malta Co. Ltd als auch mit [GCCL] bis zum 30. Juni 2002 ausdrückliche Verpflichtungsverträge für öffentliche Dienstleistungen mit einer Laufzeit von fünf Jahren abzuschließen, und dass nach Ablauf dieser Verträge entsprechend dem einschlägigen Besitzstand Ausschreibungsverfahren zur Anwendung kommen“. In dem Gemeinsamen Standpunkt merkte die EU weiterhin an, dass „vorerst keine weiteren Verhandlungen über dieses Kapitel erforderlich sind“, wies allerdings darauf hin, dass sie im Rahmen der Kontrolle des Besitzstands „möglicherweise zu gegebener Zeit auf dieses Kapitel zurückkommen“ werde.

23.      Tatsächlich wurde der Vertrag mit GCCL(11) über die Unterhaltung einer regelmäßigen Hochgeschwindigkeits-Fährverbindung zwischen den Inseln Malta und Gozo erst am 16. April 2004 unterzeichnet (also ein Jahr nach Unterzeichnung des Beitrittsvertrags und etwa zwei Wochen vor seinem Inkrafttreten) und sah eine Laufzeit von sechs anstatt fünf Jahren ohne weitere Verlängerungsmöglichkeit vor.

24.      Unstreitig ist, dass bei der Vergabe des Vertrags für andere Gemeinschaftsreeder keine Gelegenheit zur Abgabe eines Angebots bestand.

25.      Nach Abschluss eines Verwaltungsverfahrens nach Art. 226 EG beantragt die Kommission die Feststellung, dass die Republik Malta dadurch gegen ihre Verpflichtungen, insbesondere aus den Art. 1 und 4 der Verordnung, verstoßen habe, dass sie unter dem Datum des 16. April 2004 mit der GCCL ohne vorherige Ausschreibung einen Exklusivvertrag über gemeinwirtschaftliche Dienste geschlossen habe, und beantragt weiter, der Republik Malta die Kosten aufzuerlegen.

26.      Malta beantragt, festzustellen, dass die Verordnung auf den streitigen Vertrag weder anwendbar war noch anwendbar ist, sowie die Klage als unbegründet abzuweisen und der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

 Würdigung

27.      Malta macht in seiner Klagebeantwortung hauptsächlich geltend, dass die Verordnung zum fraglichen Zeitpunkt auf Malta nicht anwendbar gewesen sei. Hilfsweise bringt Malta vor, dass die Vergabe des streitigen Vertrags grundsätzlich in den Beitrittsverhandlungen zugelassen worden sei (auch wenn sich diese aus zu rechtfertigenden Gründen verzögert habe) bzw. jedenfalls durch tatsächliche Erfordernisse gerechtfertigt und zur Erreichung der verfolgten Ziele angemessen gewesen sei.

28.      In diesen Schlussanträgen möchte ich mich auf das Hauptvorbringen beschränken, welches nach meiner Auffassung schon eine hinreichende Grundlage dafür bietet, die Klage der Kommission abzuweisen, ohne dass dabei noch auf das weitere Verteidigungsvorbringen Maltas im Einzelnen eingegangen werden müsste.

29.      Die Klage der Kommission scheitert im Wesentlichen an einem einfachen Hindernis. Eine Feststellung der Art, wie sie hier mit der Klage verfolgt wird, kann immer nur bezogen auf das Versäumnis ausgesprochen werden, eine nach den Verträgen bestehende Verpflichtung zu erfüllen, einschließlich der Verpflichtung zur Beachtung von Verordnungen, die kraft der Verträge übernommen worden sind. Eine solche Verpflichtung kann nur bestehen, wenn der betreffende Mitgliedstaat durch die Verträge und damit auch durch die kraft dieser Verträge übernommenen Verordnungen gebunden ist. Die im vorliegenden Fall beantragte Feststellung bezieht sich jedoch auf einen Verstoß gegen die Verordnung durch eine bestimmte Maßnahme zu einem Zeitpunkt, als Malta noch nicht durch den EG-Vertrag gebunden war.

30.      Die Kommission hat dieses Hindernis meines Erachtens nicht ausgeräumt.

31.      Dieser Auffassung können jedoch zwei mögliche Einwendungen entgegengehalten werden, die zu erörtern sind: Kann einerseits der Feststellungsantrag dahin gehend ausgelegt werden, dass er sich nicht auf die eigentliche Vergabe des Vertrags am 16. April 2004, sondern auf dessen Fortbestand nach dem 1. Mai 2004 bezieht? Kann andererseits schon vor dem vorgenannten Datum eine Bindung Maltas an die Bestimmungen der Verordnung angenommen werden?

32.      Vor der Prüfung dieser beiden Fragen soll die Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Vertragsverletzungsverfahren in einigen Punkten noch einmal vergegenwärtigt werden.

 Rechtsprechung zu Vertragsverletzungsverfahren

33.      Erstens hat der Gerichtshof klargestellt, dass der Zweck des Vorverfahrens in Vertragsverletzungsverfahren darin besteht, dem Mitgliedstaat sowohl Gelegenheit zu geben, seinen gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen, als auch, sich gegen die Rügen der Kommission zu verteidigen. Daher wird (a) der Streitgegenstand des Verfahrens durch das Vorverfahren begrenzt und (b) müssen sowohl die mit Gründen versehene Stellungnahme als auch die beim Gerichtshof eingereichte Klageschrift die Rügen der Kommission genau, eindeutig und ausführlich bezeichnen, damit der Mitgliedstaat und der Gerichtshof richtig erfassen können, in welcher Weise der Mitgliedstaat der Rüge zufolge gegen seine Verpflichtungen aus dem Vertrag verstoßen haben soll, und damit der Gerichtshof nicht ultra petita entscheidet oder eine Rüge übergeht.(12)

34.      Zweitens ist das Vorliegen einer Vertragsverletzung anhand der Lage zu beurteilen, in der sich der Mitgliedstaat bei Ablauf der Frist befand, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzt wurde.(13)

35.      Schließlich obliegt es der Kommission, das Vorliegen der behaupteten Vertragsverletzung zu beweisen und dem Gerichtshof die erforderlichen Anhaltspunkte zu liefern, anhand deren dieser prüfen kann, ob diese vorliegt. Die Kommission darf sich in ihrer Klageschrift nicht lediglich auf die Folgerung beschränken, dass ein Mitgliedstaat durch eine bestimmte Handlung gegen Verpflichtungen verstoßen habe, die nach einer Bestimmung einer Verordnung bestehen sollen, und hierdurch aus dieser Bestimmung Rechtsfolgen ableiten, die sich daraus nicht notwendigerweise ergeben. Zum Nachweis der Begründetheit ihrer Klage muss sie belegen, dass die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit dieser Bestimmung im jeweiligen Fall tatsächlich erfüllt sind.(14)

 Vergabe oder Fortbestand des Vertrags?

36.      Die Kommission beantragt unmissverständlich die Feststellung, dass Malta durch den Abschluss eines bestimmten Vertrags unter dem Datum des 16. April 2004 gegen seine Verpflichtungen aus der Verordnung verstoßen hat.

37.      In ihrer mit Gründen versehenen Stellungnahme vom 12. Dezember 2006 bezeichnet die Kommission die behauptete Vertragsverletzung praktisch mit denselben Worten. In dieser Stellungnahme fordert die Kommission Malta jedoch auch auf, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um der mit Gründen versehenen Stellungnahme innerhalb von zwei Monaten nach Zugangsdatum nachzukommen.

38.      Es ist offensichtlich, dass Malta die Zeit nicht zurückdrehen konnte, um den streitigen Vertrag unter dem Datum des 16. April 2004 nicht abzuschließen. Notwendige Maßnahmen, um der mit Gründen versehenen Stellungnahme nachzukommen, konnten daher nur solche sein, die zu einer Beendigung des Vertrags oder zu einer Neuvergabe nach Durchführung eines nichtdiskriminierenden Ausschreibungsverfahrens geführt hätten.

39.      Diese Situation ist in Vertragsverletzungsverfahren, etwa im Bereich der Vergabe von Verträgen für bestimmte Gemeinwohldienstleistungen unter Verstoß gegen vergaberechtliche Vorschriften der Gemeinschaft, nicht ungewöhnlich. Wenn die Kommission der Auffassung ist, dass ein solcher Vertrag rechtswidrig vergeben worden ist, hat sie nach Art. 258 AEUV und der Rechtsprechung des Gerichtshofs, nachdem sie dem Mitgliedstaat Gelegenheit zur Äußerung gegeben hat, diesen zunächst aufzufordern, dem Rechtsverstoß (mit den gegebenenfalls zu diesem Zeitpunkt verfügbaren Mitteln) bis zu einem bestimmten Zeitpunkt abzuhelfen, und kann dann, wenn der Mitgliedstaat dem Verstoß nicht abgeholfen hat, den Gerichtshof anrufen, der dann durch Urteil darüber entscheidet, ob die Rechtswidrigkeit zu dem von der Kommission bestimmten Zeitpunkt noch vorlag.

40.      Dieses Verfahren geht also davon aus, dass der Gerichtshof entweder feststellt, dass der Mitgliedstaat eine Vertragsverletzung begangen hat, wenn der Rechtswidrigkeit nicht bis zu diesem Zeitpunkt abgeholfen wurde, oder aber die Klage der Kommission abweist, wenn der Rechtswidrigkeit abgeholfen wurde.(15) Im ersteren Fall beruht die Feststellung des Gerichtshofs dabei immer noch auf der ursprünglichen Rechtswidrigkeit der Vergabe und nicht darauf, dass dieser nicht abgeholfen wurde.(16)

41.      Auch wenn das vorliegende Vertragsverletzungsverfahren insgesamt darauf abzielt, dass die nach Auffassung der Kommission nach der Verordnung bestehende Rechtswidrigkeit abgestellt oder dass Malta verurteilt wird, weil es dieses Ergebnis nicht innerhalb der dafür gesetzten Frist herbeigeführt hat, hängt der Erfolg des Verfahrens somit notwendigerweise von der Feststellung ab, ob die Vergabe des Vertrags zum Zeitpunkt seines Abschlusses rechtswidrig war oder zumindest später rechtswidrig geworden ist.

42.      Die mit dem Feststellungsbegehren geltend gemachte Vertragsverletzung bezieht sich auf Verpflichtungen nur nach der Verordnung und nicht nach anderen Rechtsgrundlagen. Damit hängt der Erfolg der Klage davon ab, ob die Vergabe des Vertrags gegen die Verordnung verstieß – entweder am 16. April 2004, als der Vertrag abgeschlossen wurde (erste Hypothese), oder am 1. Mai 2004, als die Verordnung für Malta nach Art. 2 Abs. 2 des Beitrittsvertrags und Art. 2 der Akte über den Beitritt wirksam wurde (zweite Hypothese).

43.      Die zweite Hypothese ist recht einfach zu verwerfen.

44.      Der streitige Vertrag bestand schon vor dem 1. Mai 2004, und Art. 4 Abs. 3 der Verordnung lässt die Wirksamkeit bestehender Verträge über gemeinwirtschaftliche Dienste bis zu ihrem Ablaufdatum ausdrücklich unberührt.(17)

45.      Ich teile die von der Kommission in der mündlichen Verhandlung vertretene Ansicht nicht, wonach Art. 4 Abs. 3 lediglich solche Verträge betreffe, die am 1. Januar 1993 bestanden hätten, und dass dies auch für Mitgliedstaaten gelte, die der Union erst mehr als ein Jahrzehnt später beigetreten seien. Nach ihrem Wortlaut gilt die Regelung für „bestehende Verträge“ und nicht für „Verträge, die am 1. Januar 1993 bestehen“. Aus Gründen der Rechtssicherheit kann der Begriff „bestehend“ hier nur „bei Inkrafttreten der Verordnung bestehend“ bedeuten.(18) Für diejenigen Staaten, die der Union nach dem 1. Januar 1993 beigetreten sind, ist dieses Datum das Datum ihres Beitritts – dies räumt auch die Kommission selbst ein. Auch mit der Bestätigung durch den Gemeinsamen Standpunkt vom 26. Oktober 2001, dass ein für den Zeitraum von Juni 2002 bis Juni 2007 geschlossener Vertrag mit den künftigen Verpflichtungen Maltas vereinbar sei, ohne dass Vorbehalte für die Anwendbarkeit der Verordnung auf Malta festgelegt werden mussten, erkannten die Verhandlungsführer der EU implizit an, dass Art. 4 Abs. 3 auf einen solchen Vertrag anwendbar sein würde.

46.      Somit kann dem Vorbringen der Kommission in ihrer Erwiderung nicht gefolgt werden, dass Malta ab 1. Mai 2004 gegen Verpflichtungen aus der Verordnung verstoßen habe.

47.      Jedenfalls wäre eine Feststellung dahin gehend, dass Malta seine Verpflichtungen aus der Verordnung ab 1. Mai 2004 verletzt habe, auch nicht von dem von der Kommission selbst gestellten Feststellungsantrag gedeckt – es steht der Kommission auch nicht frei, wie sie in der mündlichen Verhandlung zu versuchen schien, ihren Feststellungsantrag später noch zu ändern oder umzudeuten.

48.      Damit komme ich nun zur ersten Hypothese. Diese setzt eine bestehende Verpflichtung Maltas voraus, den Vertrag während des Beitrittsverfahrens nicht abzuschließen.

 Verpflichtung vor dem Beitritt?

49.      Weder im Beitrittsvertrag noch in der Akte über den Beitritt, die von Malta am 16. April 2003 unterzeichnet wurden und für die die Ratifikationsurkunde am 30. Juli 2003 hinterlegt wurde, findet sich eine explizite Grundlage für eine Bindung Maltas an die Verordnung vor Inkrafttreten dieses Vertrags. Stattdessen folgt aus Art. 2 der Beitrittsakte unausweichlich, dass die Verordnung für Malta erst zu eben diesem Zeitpunkt, nämlich am 1. Mai 2004, wirksam wurde.

50.      Nach Lage der Dinge gab Malta allerdings zunächst während der Verhandlungsphase an, dass es bis zum 30. Juni 2002 den Abschluss eines Fünfjahresvertrags mit der GCCL beabsichtige, wobei ein solcher Vertrag von Seiten der EU als mit dem Beitritt vereinbar akzeptiert wurde; tatsächlich schloss dann allerdings Malta den streitigen Vertrag am 16. April 2004 für einen Zeitraum von sechs Jahren ab; diese Möglichkeit war von den Verhandlungsführern der EU weder akzeptiert noch diesen überhaupt mitgeteilt worden.

51.      Zunächst ist festzuhalten, dass sich die Kommission zur Begründung der Klage in keiner Weise weder in ihrer Klageschrift noch in ihrer Erwiderung auf die Klagebeantwortung, in der wiederum Malta die Frage der Anwendbarkeit der Verordnung auf Malta zum fraglichen Zeitpunkt explizit aufwarf, in irgendeiner Form oder in irgendeinem Teilaspekt auf eine Verpflichtung gestützt hat, die für Malta schon vor Inkrafttreten des Beitrittsvertrags bestanden hätte. Im Gegenteil führt die Kommission in ihrer Replik klar aus, dass „die Republik Malta genau von diesem Zeitpunkt an, nämlich dem Zeitpunkt des Beitritts, gegen ihre Verpflichtungen aus der Verordnung (EWG) Nr. 3577/1992 des Rates verstoßen“ hat.

52.      Unter diesen Umständen könnte die Kommission eindeutig der ihr als Klägerin gegenüber dem Gerichtshof obliegenden Darlegungslast für alle den Klageanspruch tragenden Voraussetzungen nicht mehr gerecht werden, wenn sie sich später noch auf eine früher bestehende Verpflichtung sollte berufen können. Dies wäre auch nach Art. 42 § 2 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs unzulässig, der bestimmt: „Im Übrigen können neue Angriffs- und Verteidigungsmittel im Laufe des Verfahrens nicht mehr vorgebracht werden, es sei denn, dass sie auf rechtliche oder tatsächliche Gründe gestützt werden, die erst während des Verfahrens zutage getreten sind.“(19)

53.      Hier sind die Parteien jedoch vom Gerichtshof selbst aufgefordert worden, vor dem Hintergrund der zeitlichen Geltung der Verordnung unter den gegebenen Umständen des Falles zu der Frage Stellung zu nehmen, welches Gewicht einer Verpflichtung zum Handeln nach Treu und Glauben in der Phase vor Inkrafttreten eines Vertrags zukommt.

54.      Man mag sich fragen, ob eine Entscheidung des Gerichtshofs, dass eine Vertragsverletzung hinsichtlich einer Verpflichtung vorliegt, die die Kommission in ihrer Klageschrift oder in ihrer Erwiderung nicht geltend gemacht hat, nicht als Berücksichtigung eines Klagegrundes von Amts wegen anzusehen wäre.

55.      Nach ständiger Rechtsprechung können Gesichtspunkte, die zwingendes Recht betreffen, vom Gerichtshof von Amts wegen berücksichtigt werden und müssen dies sogar, wenn sie von den Parteien nicht geltend gemacht worden sind. Es ist jedoch zum einen nicht ersichtlich, dass der Gerichtshof von dieser Kompetenz jemals Gebrauch gemacht hätte, um das Klagevorbringen der Kommission in einem Vertragsverletzungsverfahren gegen einen Mitgliedstaat zu erweitern, und zum anderen sind insoweit in der EU-Rechtsprechung als „zwingendes Recht“ auch nur wesentliche Verfahrensvoraussetzungen angesehen worden, nicht aber materiellrechtliches Klagevorbringen.(20) Von dieser bisherigen Praxis würde der Gerichtshof jedenfalls, soweit erkennbar, erstmals abweichen, wenn er in einem Vertragsverletzungsverfahren eine Ergänzung des Klagevorbringens der Kommission gegen einen Mitgliedstaat vornähme. Meiner Ansicht nach wäre eine solche Vorgehensweise mit dem akkusatorischen, quasi-pönalen Charakter dieses Verfahrens nicht vereinbar.

56.      Unabhängig davon hat die Kommission jedenfalls auf den Hinweis des Gerichtshofs hin ihre Auffassung dargelegt, (a) dass Malta als künftiger Mitgliedstaat ab dem Datum des Gemeinsamen Standpunkts vom 26. Oktober 2001 zum Handeln nach Treu und Glauben verpflichtet gewesen sei und (b) dass es unzweifelhaft ab dem Datum der Unterzeichnung des Beitrittsvertrags am 16. April 2003 verpflichtet gewesen sei jedes Handeln unter Verstoß gegen EU-Recht zu unterlassen. Gleichwohl habe Malta, so fährt die Kommission fort, den streitigen Vertrag abgeschlossen, wobei den Umständen dieser Unterzeichnung ein Verstoß gegen Treu und Glauben zu entnehmen sei. In dieser Hinsicht misst die Kommission dem Erfordernis von Treu und Glauben und seinem Ausdruck in den Art. 18 und 26 des Wiener Übereinkommens überragendes Gewicht zu.

57.      Voraussetzung für den Ausspruch der beantragten Feststellung wäre meiner Ansicht nach jedoch nicht nur, dass der Gerichtshof zu dem Schluss käme, dass Malta aufgrund seines Status als künftiger Mitgliedstaat, der den Beitrittsvertrag unterzeichnet und ratifiziert hatte, den streitigen Vertrag am 16. April 2004 nicht hätte abschließen dürfen, sondern auch – und als vorrangige Voraussetzung –, dass die Verordnung noch vor ihrem Inkrafttreten überhaupt Verpflichtungen für die Mitgliedstaaten begründen konnte.

58.      Die Phase vor Inkrafttreten einer Verordnung, die Bestandteil des gemeinschaftsrechtlichen Besitzstands ist, in einem im Beitrittsverfahren befindlichen Mitgliedstaat ist vergleichbar mit der Phase zwischen ihrem Erlass und ihrem Inkrafttreten in bestehenden Mitgliedstaaten. Welche Verpflichtungen einen künftigen Mitgliedstaat während der Phase vor dem Beitritt auch treffen mögen, sie können jedenfalls nicht weiter gehend sein als jene, die einen bestehenden Mitgliedstaat während der vergleichbaren Phase vor dem regulären Inkrafttreten treffen. Daraus folgt, dass Malta nur dann der Vorwurf einer Vertragsverletzung während der Phase unmittelbar vor seiner Aufnahme als Mitgliedstaat gemacht werden kann, wenn einer der zwölf damaligen Mitgliedstaaten durch Abschluss eines vergleichbaren Vertrags zwischen Erlass und Veröffentlichung der Verordnung am 7. bzw. 12. Dezember 1992 und ihrem Inkrafttreten am 1. Januar 1993 seine Verpflichtungen nach der Verordnung ebenso verletzt hätte.

59.      In dieser Hinsicht ist klar, dass eine Verordnung in ihrer Gesamtheit (allgemein, also gleich ob für Mitgliedstaaten, Organe oder Einzelpersonen) erst vom Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an wirksam wird und nicht vorher – es sei denn, dass ihre Bestimmungen ausnahmsweise ausdrücklich Rückwirkung entfalten.(21) Die Regelung in Art. 254 Abs. 1 und 2 EG (Art. 297 AEUV), die sicherstellt, dass für jede Verordnung das Datum ihres Inkrafttretens klar bestimmbar ist, ist im Wesentlichen Ausdruck des Prinzips der Rechtssicherheit. Entfalteten Verordnungen schon vor ihrem Inkrafttreten Rechtswirkung, wäre dieses Datum bedeutungslos.

60.      Im vorliegenden Fall enthält die Verordnung keine ausdrücklich rückwirkenden Bestimmungen. Im Gegenteil, nicht nur legt Art. 11 das Datum des Inkrafttretens auf den 1. Januar 1993 fest, sondern Art. 1 Abs. 1 bestimmt ausdrücklich, dass der Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs im Seeverkehr mit Wirkung vom 1. Januar 1993 gilt, und Art. 4 Abs. 3 bestimmt ausdrücklich, dass bestehende Verträge über Verkehrsdienste aufgrund von Gemeinwohldienstleistungen bis zum jeweiligen Ablaufdatum gültig bleiben. In diesem Zusammenhang (für die zwölf damaligen Mitgliedstaaten(22)) können bestehende Verträge nur solche Verträge sein, die entweder am 1. Januar 1993 bestanden (oder möglicherweise im Fall von befristet von der Umsetzung der Verordnung ausgenommenen Verkehrsdiensten nach Art. 6 zum Zeitpunkt des Auslaufens der jeweiligen befristeten Ausnahme bestanden(23)).

61.      Ich bin daher der Ansicht, dass ein Mitgliedstaat, der Ende Dezember 1992 einen Vertrag über Verkehrsdienste aufgrund von Verpflichtungen des öffentlichen Dienstes ohne ordnungsgemäßes gemeinschaftsweites Ausschreibungsverfahren geschlossen hätte, nicht gegen seine Verpflichtungen nach Art. 1 und 4 der Verordnung verstoßen hätte.

62.      Richtig ist, dass die Mitgliedstaaten auch eine allgemeinere Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit trifft, die nunmehr in Art. 4 Abs. 3 EUV zum Ausdruck kommt (früher Art. 10 EG und davor Art. 5 EG-Vertrag), wonach sie alle geeigneten Maßnahmen zur Erfüllung der Verpflichtungen zu treffen haben, die sich aus den Verträgen oder aus den Handlungen der Organe der Gemeinschaft ergeben, sowie die Erfüllung der Aufgaben der Gemeinschaft (bzw. der Union) zu erleichtern und alle Maßnahmen zu unterlassen haben, die die Verwirklichung der Ziele der Verträge gefährden könnten.

63.      Aufgrund der letztgenannten Verpflichtung erging die Entscheidung des Gerichtshofs in der Rechtssache Inter-Environnement Wallonie(24), wonach die Mitgliedstaaten, an die eine Richtlinie gerichtet ist, während der in dieser festgesetzten Umsetzungsfrist keine Vorschriften erlassen dürfen, die geeignet sind, das in dieser Richtlinie vorgeschriebene Ziel ernstlich in Frage zu stellen.

64.      Ich bin jedoch der Ansicht, dass diese nun gefestigte Rechtsprechung nicht ohne Weiteres von Richtlinien auf Verordnungen übertragen werden kann. Eine Richtlinie sieht üblicherweise ein bestimmtes Datum ihres Inkrafttretens sowie ein bestimmtes Datum vor, bis zu dem die Mitgliedstaaten die Richtlinie umzusetzen haben. Während der Phase zwischen diesen beiden Zeitpunkten sind die Mitgliedstaaten nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs verpflichtet, keine Vorschriften zu erlassen, die geeignet sind, das in dieser Richtlinie vorgeschriebene Ziel ernstlich in Frage zu stellen. Der Gerichtshof hat eine solche Verpflichtung dagegen nicht für die vorangehende Phase zwischen dem Erlass und/oder der Veröffentlichung einer Richtlinie und dem Datum ihres Inkrafttretens angenommen. Eine solche Annahme liefe meiner Ansicht nach auch wieder darauf hinaus, dass das Datum des Inkrafttretens bedeutungslos würde.

65.      Bei Verordnungen gibt es eine Übergangsphase für die Umsetzung nicht, sondern nur eine Phase zwischen Erlass und/oder Veröffentlichung und Inkrafttreten, nach deren Ablauf die Verordnung in ihrer Gesamtheit wirksam wird. Die Phase, für die das Urteil Inter-Environnement Wallonie gilt, gibt es somit im Fall von Verordnungen nicht.(25)

66.      Ich würde nicht so weit gehen, unter allen Umständen auszuschließen, dass ein Mitgliedstaat seine Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit durch Handlungen verletzen kann, die er zu einem Zeitpunkt ergreift, zu dem eine Richtlinie oder Verordnung schon vorliegt, aber noch nicht in Kraft getreten ist. Meines Erachtens müsste in einem solchen Fall jedoch das Kriterium besonders eng ausgelegt werden, wonach ein solches Handeln „geeignet“ sein muss, die beabsichtigte Wirkung der fraglichen Maßnahme „ernstlich in Frage zu stellen“. Möglicherweise könnten unter solchen Umständen nur solche Handlungen einen Verstoß gegen die Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit begründen, die vor Ablauf der Umsetzungsfrist für eine Richtlinie nicht revidierbar sind oder die der Anwendung einer Verordnung in einer Weise entgegenstehen, die die Erreichung ihres Zwecks gefährdet.(26)

67.      Auch wenn es für Vertragsverletzungsverfahren keine De-minimis-Regel gibt(27) – der Gerichtshof stellt Vertragsverletzungen ohne Rücksicht darauf fest, wie geringfügig oder vereinzelt der Verstoß auch sein mag –, wäre meines Erachtens doch ein anderer Maßstab an die Vertragsverletzung anzulegen, wenn diese durch eine Handlung vor Inkrafttreten der fraglichen Vorschrift begangen worden sein soll.

68.      Mit Blick auf die im vorliegenden Fall streitige Verordnung hätte die Kommission möglicherweise nachweisen müssen, dass z. B. die fragliche Handlung die Einhaltung der Bestimmungen der Verordnung für einen nicht unerheblichen Zeitraum nach ihrem Inkrafttreten von vornherein unmöglich gemacht hätte oder dass sie eine Reihe von Faktoren umfasste, die kumulativ und systematisch die Anwendung der Verordnung unterminierten, oder dass die Handlung in der bewussten und/oder offenen Absicht erfolgt sei, die Bestimmungen der Verordnung zu umgehen.

69.      Demgegenüber wäre der Abschluss eines einzigen Vertrags, unabhängig davon, wie klar dieser gegen die Verordnung nach deren Inkrafttreten verstieße, meines Erachtens – für sich allein und ohne weitere erschwerende Umstände – nicht als ausreichend anzusehen, um die Feststellung zu rechtfertigen, dass ein Mitgliedstaat gegen seine Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit verstoßen hätte, wenn der Vertrag vor Inkrafttreten der Verordnung abgeschlossen worden wäre. Hier eine andere Ansicht zu vertreten, würde nicht nur die Bedeutung des Datums des Inkrafttretens übergehen, sondern auch die ausdrückliche Regelung in Art. 4 Abs. 3.

70.      Darüber hinaus hätte die Kommission in einem solchen Fall meines Erachtens zunächst und vorrangig ihren Feststellungsantrag auf einen Verstoß gegen die Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit beziehen müssen und nicht auf einen Verstoß gegen die Art. 1 und 4 der Verordnung, die zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch nicht in Kraft getreten waren. Zwar hat der Gerichtshof gelegentlich auch ohne einen entsprechenden Antrag einen Verstoß gegen diese allgemeine Verpflichtung bejaht(28), dies aber nach meiner Kenntnis nicht als Alternative für den Fall, dass er einen geltend gemachten Verstoß gegen eine speziellere Bestimmung abgelehnt hätte, und auch nicht für den Fall, dass eine solche Bestimmung zum Zeitpunkt der die Vertragsverletzung begründenden Handlung noch gar nicht in Kraft war.

71.      Wenn das vorstehende Ergebnis meiner Prüfung des hypothetischen Falls eines Mitgliedstaats zutreffend ist, der einen vergleichbaren Vertrag Ende Dezember 1992 geschlossen hätte, was folgt daraus für den Fall eines Mitgliedstaats, der, wie Malta, den streitigen Vertrag abschloss, nicht nur bevor die Verordnung auf seinem Gebiet anwendbar wurde, sondern auch bevor die Verträge in Kraft traten und er Mitgliedstaat der Union wurde?

72.      Zumindest kann jedenfalls keine weiter gehende Verpflichtung für Malta im April 2004 bestanden haben als für den hypothetischen Mitgliedstaat im Dezember 1992. Allenfalls könnte diese Verpflichtung geringer sein. Auch wenn es zu ihrer genauen Bedeutung keine völlig einheitliche Auffassung gibt, kann auch die Interimsverpflichtung nach Völkervertragsrecht nicht eine Verpflichtung zur Einhaltung eines Vertrags vor dessen Inkrafttreten zu genau den gleichen Bedingungen begründen wie nach seinem Inkrafttreten – andernfalls wäre, wie schon mehrfach dargelegt, das Datum des Inkrafttretens bedeutungslos.

73.      Auch wenn, wie ausgeführt, die Bestimmungen des Wiener Übereinkommens als solche für Malta nicht bindend sind und der Inhalt dieser Regel über die Jahre im Fluss war und je nach Quelle unterschiedlich interpretiert wurde(29), ist doch eindeutig anzunehmen, dass die Interimsverpflichtung nicht schlechthin allen Handlungen eines Unterzeichnerstaats entgegensteht, die mit dem Vertrag unvereinbar wären, wenn der Vertrag schon in Kraft getreten wäre, sondern nur solchen Handlungen, die in irgendeiner Form den Kernbereich des Vertrags berühren.

74.      Ich würde in diesem Zusammenhang nicht die Ansicht vertreten, dass die Interimsverpflichtung einen Staat, der einen Vertrag über den Beitritt zur Europäischen Union unterzeichnet und ratifiziert hat, lediglich dazu verpflichtet, solche Handlungen zu unterlassen, die den Sinn und Zweck der EU-Verträge insgesamt oder des Beitrittsvertrags vereiteln würden – eine Handlung, die dies zur Folge hätte, müsste sicherlich sehr weitreichender Natur sein –, ich bin aber der Auffassung, dass ein auf ein einzelnes Ereignis beschränktes Verhalten, das nicht voll mit einer bevorstehenden, mit der Mitgliedschaft in der Union verbundenen Verpflichtung vereinbar ist, normalerweise nicht schon die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen den Staat nach sich ziehen muss.

75.      Im vorliegenden Fall komme ich, auch ohne eine Prüfung der von Malta vorgebrachten Entlastungsmomente zur Erklärung der Diskrepanz zwischen den in dem Gemeinsamen Standpunkt von 2001 erwähnten Daten und denjenigen des Beginns und Ablaufs des schließlich geschlossenen Vertrags(30) für notwendig zu halten, zu der Ansicht, dass dem Feststellungsantrag der Kommission nicht zu entsprechen ist.

76.      Gegenstand dieses Verfahrens ist ein einzelner Vertrag. In den Beitrittsverhandlungen war die Absicht Maltas deutlich gemacht worden, diesen Vertrag für einen Zeitraum von etwa drei Jahren oder mehr über den Zeitpunkt seines Beitritts zur Union hinaus abzuschließen. Die Kommission erhob zu diesem Zeitpunkt keine Einwendungen gegen diese Absicht, so dass – nachdem die Kommission weder die Aufnahme eines Vorbehalts hinsichtlich der Anwendung der Verordnung auf Malta in die Akte über den Beitritt veranlasste, noch das Kapitel während der Verhandlungen wieder aufnahm – vermutet werden kann, dass die Kommission anerkannte, dass ein solcher Vertrag mit der Verordnung vereinbar war. Wogegen sich die Kommission nun wendet, ist, dass die Laufzeit des tatsächlich abgeschlossenen Vertrags (um weniger als drei Jahre) über das hinausgeht, was in dem Gemeinsamen Standpunkt vom 26. Oktober 2001 vorgesehen war. Gegenstand dieses Verfahrens ist somit nicht eine Maßnahme, die langfristig geeignet ist, die Anwendung der Verordnung auf Malta insgesamt ernstlich in Frage zu stellen, sondern eine Maßnahme, die eine bestimmte Inselkabotage für einen begrenzten Zeitraum vom Anwendungsbereich der Verordnung ausnimmt (wenn auch für einen längeren Zeitraum als ursprünglich angekündigt und zugelassen).

77.      Dies ist meines Erachtens nicht als ein Verhalten anzusehen, das angesichts der Tatsache, dass weder die Verordnung noch die Verträge zum fraglichen Zeitpunkt für Malta in Kraft getreten waren, die Feststellung rechtfertigt, dass Malta gegen seine Verpflichtungen aus der Verordnung aufgrund einer Pflicht verstoßen habe, die es als künftiger Mitgliedstaat gehabt haben könnte, dem Sinn und Zweck der Verträge oder der künftigen Anwendung der Verordnung nicht zuwiderzuhandeln.

 Ergebnis

78.      Aus den vorstehend ausgeführten Gründen bin ich der Auffassung, dass die Klage abzuweisen ist und die Kosten dem Antrag Maltas entsprechend gemäß Art. 69 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs der Kommission aufzuerlegen sind.


1 – Originalsprache: Englisch.


2 – Verordnung (EWG) Nr. 3577/92 des Rates vom 7. Dezember 1992 zur Anwendung des Grundsatzes des freien Dienstleistungsverkehrs auf den Seeverkehr in den Mitgliedstaaten (Seekabotage) (ABl. 1992, L 364, S. 7, im Folgenden: Verordnung).


3 – Vertrag zwischen dem Königreich Belgien, dem Königreich Dänemark, der Bundesrepublik Deutschland, der Hellenischen Republik, dem Königreich Spanien, der Französischen Republik, Irland, der Italienischen Republik, dem Großherzogtum Luxemburg, dem Königreich der Niederlande, der Republik Österreich, der Portugiesischen Republik, der Republik Finnland, dem Königreich Schweden, dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland (Mitgliedstaaten der Europäischen Union) und der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien, der Slowakischen Republik über den Beitritt der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik zur Europäischen Union (ABl. 2003, L 236, S. 17, im Folgenden: Beitrittsvertrag).


4 – Unterzeichnet in Wien am 23. Mai 1969, in Kraft getreten am 27. Januar 1980 (United Nations Treaty Series, Bd. 1155, S. 331, im Folgenden: Wiener Übereinkommen).


5 – Unter den derzeitigen Mitgliedstaaten gehören jedoch Frankreich, Malta und Rumänien nicht zu den Unterzeichnerstaaten des Wiener Übereinkommens; ferner haben alle übrigen Mitgliedstaaten das Übereinkommen zwar mittlerweile ratifiziert, sind ihm beigetreten oder im Wege der Rechtsnachfolge zu Vertragsstaaten geworden, aber im Fall von Luxemburg und Portugal erfolgte dies erst in der Zeit zwischen Unterzeichnung und Inkrafttreten des Beitrittsvertrags und im Fall von Irland sogar erst nach dem letztgenannten Zeitpunkt (vgl. Website der United Nations Treaty Collection unter http://treaties.un.org).


6 – Vgl. zuletzt Urteil des Gerichtshofs vom 25. Februar 2010, Brita (C‑386/08, Slg. 2010, I‑0000, Randnrn. 40 bis 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).


7 – Allerdings besteht keine Einhelligkeit in der Frage, inwieweit Art. 18 lediglich eine Kodifizierung oder auch eine Weiterentwicklung des Völkergewohnheitsrechts darstellt: vgl. etwa Sinclair, I., The Vienna Convention on the Law of Treaties, Manchester University Press, 1973, S. 22, mit einer Darstellung einiger Formulierungen des gewohnheitsrechtlichen Grundsatzes, die von derjenigen des Wiener Übereinkommens abweichen; vgl. auch Klabbers, J., How to defeat a treaty’s object and purpose pending entry into force: toward manifest intent, 34 Vanderbilt Journal of Transnational Law, S. 283, März 2001.


8 – Siehe oben, Fn. 5.


9 –      Akte über die Bedingungen des Beitritts der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge (ABl. 2003, L 236, S. 33, im Folgenden: Beitrittsakte).


10 – Konferenz über den Beitritt zur Europäischen Union – Malta – Dok. 20766/01 CONF-M 80/01.


11 – Den Schriftsätzen zufolge wurde ein Vertrag auch mit der Sea Malta Co. Ltd geschlossen, die jedoch später liquidiert wurde.


12 – Vgl. neben vielen anderen Beispielen: Urteile vom 14. Oktober 2004, Kommission/Frankreich (C‑340/02, Slg. 2004, I‑9845, Randnrn. 25 bis 27), vom 28. Juni 2007, Kommission/Spanien (C‑235/04, Slg. 2007, I‑5415, Randnr. 48), und vom 10. September 2009, Kommission/Portugal (C‑457/07, Slg. 2010, I‑0000, Randnrn. 67 und 68), sowie die in diesen Urteilen angeführte Rechtsprechung.


13 – Vgl. z. B. Urteil vom 28. Juni 2007, Kommission/Spanien (C‑235/04, Slg. 2007, I‑5415, Randnr. 52).


14 – Vgl. Urteil vom 3. Mai 2001, Kommission/Belgien (C‑347/98, Slg. 2001, I‑3327, Randnrn. 38 und 39).


15 – Ein Beispiel für den letzteren Fall (wenngleich zum Erlass und Fortbestand eines Beschlusses mit weiterem Anwendungsbereich und nicht zur Vergabe bestimmter Aufträge) findet sich im Urteil vom 27. Oktober 2005, Kommission/Italien (C‑525/03, Slg. 2005, I‑9405, Randnr. 16).


16 – Ein Beispiel findet sich im Urteil vom 5. Oktober 2000, Kommission/Frankreich (C‑16/98, Slg. 2000, I‑8315, Randnrn. 1, 12 bis 22 und 113). Hierzu im Gegensatz steht die Situation in Verfahren über staatliche Beihilfen nach Art. 88 Abs. 2 EG (jetzt Art. 108 Abs. 2 AEUV, davor Art. 93 Abs. 2 EG-Vertrag), deren Gegenstand lediglich die durch die Entscheidung der Kommission auferlegte Verpflichtung zur Beseitigung der Rechtswidrigkeit ist; vgl. z. B. Urteil vom 2. Februar 1988, Kommission/Niederlande (213/85, Slg. 1988, 281, Randnrn. 7 und 8).


17 – Hinzuweisen ist auch darauf, dass der Vertrag für Verträge mit natürlichen oder juristischen Personen keine Vorschrift enthält, die der Wirkung des Art. 307 EG (jetzt Art. 351 AEUV) für internationale Verträge entspräche. Danach sind neue Mitgliedstaaten verpflichtet, mögliche Widersprüche zwischen vor dem Beitritt geschlossenen internationalen Verträgen und den Verträgen auszuräumen.


18 – Siehe ferner unten, Nrn. 58 ff.


19 – Vgl. Urteil vom 17. November 1992, Kommission/Vereinigtes Königreich (C‑279/89, Slg. 1992, I‑5785, Randnrn. 14 bis 17).


20 – So kann der Gerichtshof z. B. das Fehlen eines ordnungsgemäßen Vorverfahrens (das nach dem Vertrag als „wesentliche Garantie“ erforderlich ist – vgl. Urteil vom 10. April 2008, Kommission/Italien [C‑442/06, Slg. 2008, I‑2413, Randnr. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung]) von Amts wegen berücksichtigen, auch wenn der Mitgliedstaat dies selbst nicht explizit geltend gemacht hat. Zu der im Zusammenhang mit einem Rechtsmittel vorgenommenen Differenzierung vgl. Urteil vom 2. April 1998, Kommission/Sytraval und Brink’s France SARL (C‑367/95 P, Slg. 1998, I‑1719, Randnr. 67).


21 – Vgl. als Beispiel für eine solche Ausnahme Urteil vom 9. Januar 1990, SAFA (C‑337/88, Slg. 1990, I‑1).


22 – Siehe auch oben, Nr. 45.


23 – Siehe oben, Nr. 20. Die Frage ist vom Gerichtshof noch nicht entschieden worden, doch enthalten das kürzlich ergangene Urteil vom 22. April 2010, Enosi Efopliston Aktoploïas u. a. (C‑122/09, Slg. 2010, I‑0000, Randnrn. 15 und 17), und der Beschluss vom 28. September 2006, Enosi Efopliston Aktoploïas u. a. (C‑285/05, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 19, angeführt in Randnr. 10 des Urteils vom 22. April 2010, C‑122/09), Hinweise darauf, dass eine Verpflichtung eines Mitgliedstaats dahin gehend anzunehmen sein könnte, keine Maßnahmen zu ergreifen, von denen zu erwarten ist, dass sie die Anwendbarkeit der Verordnung nach dem Ablauf der befristeten Ausnahmeregelung ernsthaft erschweren. Siehe ferner die nachstehenden Nrn. 63 ff., insbesondere Nr. 65 und Fn. 25.


24 – Urteil des Gerichtshofs vom 18. Dezember 1997, Inter-Environnement Wallonie (C‑129/96, Slg. 1997, I‑7411, Randnr. 45 der Entscheidungsgründe und Nr. 2 des Tenors). Vgl. auch die Schlussanträge von Generalanwalt Jacobs, insbesondere Nrn. 33 und 39 ff.


25 – Ich stimme der – allerdings noch unbestätigten – Möglichkeit zu, dass eine vorübergehende Abweichung oder Ausnahmeregelung von der Anwendbarkeit einer Verordnung (und insbesondere der vorliegenden Verordnung) eine Verpflichtung begründen könnte, die derjenigen gleichkäme, die im Urteil Inter-Environnement Wallonie angenommen worden ist (siehe oben, Nr. 60 und Fn. 23); im vorliegenden Fall bestanden jedoch bei Inkrafttreten der Verordnung im fraglichen Mitgliedstaat keinerlei Abweichungen oder Ausnahmeregelungen in diesem Sinne.


26 – Vgl. auch Schlussanträge von Generalanwalt Jacobs vom 24. April 1997 in der Rechtssache Inter-Environnement Wallonie (C‑129/96, Slg. 1997, I‑7411, Nrn. 42 ff.); Urteil oben in Fn. 24 angeführt.


27 – Vgl. z. B. Urteile vom 7. Februar 1984, Kommission/Italien (166/82, Slg. 1984, 459, Randnr. 24), vom 15. Juni 2000, Kommission/Deutschland (C‑348/97, Slg. 2000, I‑4429, Randnr. 62), und vom 14. April 2005, Kommission/Spanien (C‑157/03, Slg. 2005, I‑2911, Randnr. 44).


28 – Vgl. z. B. Urteil vom 12. Juli 2007, Kommission/Österreich (C‑507/04, Slg. 2007, I‑5939).


29 – Klabbers, J., a. a. O. (Fn. 7), zitiert aus verschiedenen Quellen, die die Verpflichtung umschreiben mit „Handlungen zu unterlassen, die die Erfüllung der vertraglich vereinbarten Verpflichtungen durch eine der Parteien unmöglich machen oder erschweren würden“, „zwischen Unterzeichnung und Ratifizierung nichts zu tun, was dem Zweck des Vertrags zuwiderläuft“, nichts zu „tun, was Handlungen erschweren könnte, die von der anderen Partei vorgenommen werden könnten, wenn und sobald der Vertrag in Kraft tritt“, „vor der Ratifizierung alle Handlungen zu unterlassen, mit denen eine wesentliche Beeinträchtigung des Werts der Übereinkunft in der unterzeichneten Form beabsichtigt ist“, oder keine „Handlungen entgegen Treu und Glauben vorzunehmen, die bewusst darauf ausgerichtet sind, die andere Partei um die Vorteile zu bringen, die sie berechtigterweise aus dem Vertrag zu erhalten hofft und für die sie eine angemessene Gegenleistung erbracht hat“.


30 – Malta trägt im Wesentlichen vor, (i) es habe den Abschluss einer Restrukturierung der GCCL und die Lieferung von drei neuen Schiffen abwarten müssen, bevor es den Umfang der für die Verbindung erforderlichen Beihilfen habe richtig evaluieren können, und (ii) es habe bei der Festlegung der Vertragslaufzeit die Richtlinien der Kommission (KOM[2003] 595 endg.) befolgt, wonach eine Vertragslaufzeit nur dann als unverhältnismäßig anzusehen sei, wenn sie mehr als sechs Jahre betrage. Hierzu möchte ich nur insoweit Stellung nehmen, als diese Begründung im Fall einer entsprechenden Prüfung meines Erachtens nicht ohne Weiteres zu entkräften wäre.

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