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Document 62008CC0073

Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston vom 25. Juni 2009.
Nicolas Bressol u. a. und Céline Chaverot u. a. gegen Gouvernement de la Communauté française.
Ersuchen um Vorabentscheidung: Cour constitutionnelle - Belgien.
Unionsbürgerschaft - Art. 18 und 21 AEUV - Richtlinie 2004/38/EG - Art. 24 Abs. 1 - Aufenthaltsfreiheit - Diskriminierungsverbot - Zugang zum Hochschulunterricht - Studierende aus einem Mitgliedstaat, die sich in einen anderen Mitgliedstaat begeben, um dort eine Ausbildung zu absolvieren - Kontingentierung der Einschreibung von nichtansässigen Studierenden für Studiengänge an Universitäten im Bereich des Gesundheitswesens - Rechtfertigung - Verhältnismäßigkeit - Gefahr für die Qualität des Unterrichts in den medizinischen und paramedizinischen Fächern - Gefahr eines Mangels an Absolventen in den Berufssektoren des Gesundheitswesens.
Rechtssache C-73/08.

Sammlung der Rechtsprechung 2010 I-02735

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2009:396

SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

ELEANOR SHARPSTON

vom 25. Juni 20091(1)

Rechtssache C‑73/08

Nicolas Bressol u. a.

sowie

Céline Chaverot u. a.

gegen

Gouvernement de la Communauté française

(Vorabentscheidungsersuchen des Verfassungsgerichtshofs [Belgien])

„Hochschulunterricht – Öffentliches Gesundheitswesen – Einschreibungskontingent – Wohnsitz- und Aufenthaltserfordernis – Gleichbehandlung – Diskriminierungsverbot – Rechtfertigungsgründe“





1.        Über weite Strecken der europäischen Geschichte haben Studierende immer wieder den Wunsch gehegt, ihre Ausbildung (teilweise) im Ausland zu absolvieren.(2) Mit dem vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen wird – nicht zum ersten Mal – die Frage aufgeworfen, ob der Aufnahmestaat die Zahl der ausländischen Studenten, die Zugang zu seinem Bildungssystem haben, begrenzen darf.

2.        Mit dem vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen des Verfassungsgerichtshofs (Belgien) wird der Gerichtshof um Auslegung der Art. 12 Abs. 1 EG und Art. 18 Abs. 1 EG in Verbindung mit Art. 149 Abs. 1 und 2 zweiter Gedankenstrich EG und Art. 150 Abs. 2 dritter Gedankenstrich EG gebeten.

3.        Das beim nationalen Gericht anhängige Verfahren betrifft eine Klage auf Nichtigerklärung des Dekrets des Parlaments der Französischen Gemeinschaft vom 16. Juni 2006 zur Regelung der Studentenzahl in bestimmten Kursen des ersten Zyklus des Hochschulunterrichts (im Folgenden: Dekret)(3), die von einer Reihe von – in der Mehrzahl französischen – Studierenden und von Angehörigen des Lehr- und Verwaltungspersonals verschiedener Hochschuleinrichtungen der Französischen Gemeinschaft Belgiens (im Folgenden: Französische Gemeinschaft) erhoben wurde.

 Rechtlicher Rahmen

 Völkerrecht

4.        Art. 2 Abs. 2 des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte(4) (im Folgenden: ICESCR) bestimmt:

„Die Vertragsstaaten verpflichten sich, zu gewährleisten, dass die in diesem Pakt verkündeten Rechte ohne Diskriminierung hinsichtlich der … nationalen oder sozialen Herkunft … ausgeübt werden.“

5.        Art. 13 Abs. 2 Buchst. c ICESCR bestimmt:

„Die Vertragsstaaten erkennen an, dass im Hinblick auf die volle Verwirklichung [des Rechts auf Bildung]

c)     der Hochschulunterricht auf jede geeignete Weise, insbesondere durch allmähliche Einführung der Unentgeltlichkeit, jedermann gleichermaßen entsprechend seinen Fähigkeiten zugänglich gemacht werden muss;

…“

 Gemeinschaftsrecht

6.        Art. 2 EG bestimmt:

„Aufgabe der Gemeinschaft ist es, durch die Errichtung eines Gemeinsamen Marktes und einer Wirtschafts- und Währungsunion sowie durch die Durchführung der in den Artikeln 3 und 4 genannten gemeinsamen Politiken und Maßnahmen in der ganzen Gemeinschaft … den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt und die Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten zu fördern.“

7.        Art. 10 EG bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten treffen alle geeigneten Maßnahmen allgemeiner oder besonderer Art zur Erfüllung der Verpflichtungen, die sich aus diesem Vertrag oder aus Handlungen der Organe der Gemeinschaft ergeben. Sie erleichtern dieser die Erfüllung ihrer Aufgabe.

Sie unterlassen alle Maßnahmen, welche die Verwirklichung der Ziele dieses Vertrags gefährden könnten.“

8.        Art. 12 Abs. 1 EG bestimmt:

„Unbeschadet besonderer Bestimmungen dieses Vertrags ist in seinem Anwendungsbereich jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten.“

9.        Art. 18 Abs. 1 EG bestimmt:

„Jeder Unionsbürger hat das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vorbehaltlich der in diesem Vertrag und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen frei zu bewegen und aufzuhalten.“

10.      Art. 149 Abs. 1 und 2 zweiter Gedankenstrich EG bestimmt:

„(1) Die Gemeinschaft trägt zur Entwicklung einer qualitativ hoch stehenden Bildung dadurch bei, dass sie die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten fördert und die Tätigkeit der Mitgliedstaaten unter strikter Beachtung der Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Lehrinhalte und die Gestaltung des Bildungssystems sowie der Vielfalt ihrer Kulturen und Sprachen erforderlichenfalls unterstützt und ergänzt.

(2) Die Tätigkeit der Gemeinschaft hat folgende Ziele:

–        Förderung der Mobilität von Lernenden und Lehrenden, auch durch die Förderung der akademischen Anerkennung der Diplome und Studienzeiten;

…“

11.      Art. 150 Abs. 2 dritter Gedankenstrich EG bestimmt:

„Die Tätigkeit der Gemeinschaft hat folgende Ziele:

–        Erleichterung der Aufnahme einer beruflichen Bildung sowie Förderung der Mobilität der Ausbilder und der in beruflicher Bildung befindlichen Personen, insbesondere der Jugendlichen;

…“

 Nationales Recht

12.      In Art. 1 des Dekrets ist definiert, welche Personen als ansässige Studenten im Sinne des Dekrets gelten(5):

„Unter einem ansässigen Studenten im Sinne dieses Dekrets ist ein Student zu verstehen, der zum Zeitpunkt seiner Einschreibung in einer Hochschuleinrichtung den Beweis erbringt, dass er seinen Hauptwohnort in Belgien hat und folgende Bedingungen erfüllt:

1.      Er ist berechtigt, sich ständig in Belgien aufzuhalten;

2.      er hat seit wenigstens sechs Monaten zum Zeitpunkt seiner Einschreibung in einer Hochschuleinrichtung seinen Hauptwohnort in Belgien und hat dort eine Berufstätigkeit als Lohnempfänger oder Nichtlohnempfänger ausgeübt oder ein durch einen belgischen öffentlichen Dienst gewährtes Ersatzeinkommen erhalten;

3.      er besitzt die Erlaubnis für den Aufenthalt [in Belgien] für unbestimmte Dauer auf der Grundlage der [einschlägigen belgischen Rechtsvorschriften];

4.      er besitzt die Erlaubnis für den Aufenthalt in Belgien durch die Anerkennung als Flüchtling aufgrund [der belgischen Rechtsvorschriften] oder eines entsprechenden Antrags;

5.      er besitzt die Erlaubnis für den Aufenthalt in Belgien mit dem zeitweiligen Schutz im Sinne [der einschlägigen belgischen Rechtsvorschriften];

6.      er hat als Vater, Mutter, gesetzlichen Vormund oder Ehegatten eine Person, die eine der vorstehenden Bedingungen erfüllt;

7.      er hat seinen Hauptwohnort seit mindestens drei Jahren zum Zeitpunkt der Einschreibung in einer Hochschuleinrichtung in Belgien;

8.      er ist Inhaber einer Bescheinigung als Stipendiat, die im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit für das akademische Jahr und für die Studien ausgestellt wurde, für die der Antrag auf Einschreibung eingereicht wird.

Unter ‚Recht auf ständigen Aufenthalt‘ im Sinne von Abs. 1 Nr. 1 ist für die Staatsbürger eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union das Recht zu verstehen, das aufgrund der Art. 16 und 17 der Richtlinie 2004/38/EG[(6)] anerkannt wird[, und] für die Staatsbürger eines Staates, der nicht zur Europäischen Union gehört, … das Recht …, in Belgien niedergelassen zu sein aufgrund [der einschlägigen belgischen Rechtsvorschriften].“

13.      Kapitel II des Dekrets enthält Bestimmungen über den Zugang zu Universitäten. Art. 2 begrenzt die Zahl der Studenten, die sich zum ersten Mal in einer Universität der Französischen Gemeinschaft für einen Studiengang im Sinne von Art. 3 einschreiben, auf die in Art. 4 vorgesehene Weise.

14.      Nach Art. 3 des Dekrets finden die Bestimmungen des Kapitels II Anwendung auf die Studiengänge, die zu den akademischen Graden „Bachelor in Heilgymnastik und Rehabilitation“ und „Bachelor in Veterinärmedizin“ führen.

15.      Art. 4 des Dekrets sieht Folgendes vor:

„Für jede Universitätseinrichtung und jeden Studiengang im Sinne von Art. 3 wird eine Zahl T festgesetzt, die der Gesamtzahl der Studenten entspricht, die sich zum ersten Mal für den betreffenden Studiengang einschreiben und für die Finanzierung berücksichtigt werden, sowie eine Zahl NR, die der Zahl der Studenten entspricht, die sich zum ersten Mal für den betreffenden Studiengang einschreiben und nicht als ansässige Studenten im Sinne von Art. 1 angesehen werden.

Wenn das Verhältnis zwischen der Zahl NR und der Zahl T des vorangegangenen akademischen Jahres einen Prozentsatz P erreicht, verweigern die akademischen Behörden die Einschreibung zusätzlicher Studenten, die nie für den betreffenden Studiengang eingeschrieben waren und nicht als ansässige Studenten im Sinne von Art. 1 angesehen werden.

Der Satz P im vorstehenden Absatz wird auf 30 % festgesetzt. Wenn jedoch für ein akademisches Jahr der Anteil der Studenten, die ihr Studium anderswo fortsetzen als in dem Land, in dem sie ihr Sekundarschuldiplom erlangt haben, mehr als durchschnittlich 10 % in sämtlichen Hochschuleinrichtungen der Europäischen Union beträgt, entspricht der Satz P für das darauf folgende akademische Jahr diesem Prozentsatz, multipliziert mit drei.“

16.      Art. 5 des Dekrets sieht Folgendes vor:

‘[1] … Studenten, die nicht als ansässige Studenten im Sinne von Art. 1 angesehen werden, [müssen] ihren Antrag auf Einschreibung für einen der Studiengänge im Sinne von Art. 3 frühestens am dritten Werktag vor dem 2. September vor dem betreffenden akademischen Jahr stellen. Die Universitäten schreiben … die Studenten … in der Reihenfolge ein, in der sie … vorstellig werden.

[3]   Jeder ab dem 2. September vor dem akademischen Jahr gemäß Abs. 1 gestellte Antrag auf Einschreibung wird in ein Register eingetragen …

[4]   In Abweichung von Abs. 1 wird für die nicht ansässigen Studenten, die spätestens am letzten Werktag vor dem 2. September vor dem akademischen Jahr vorstellig werden, um einen Antrag auf Einschreibung für einen der Studiengänge im Sinne von Art. 3 einzureichen, wenn die Zahl dieser somit vorstellig gewordenen Studenten höher als die in Art. 4 Abs. 2 vorgesehene Zahl NR ist, die Reihenfolge dieser Studenten [zum Zweck der Einschreibung] durch das Los bestimmt …

[5]      Jeder nicht ansässige Student kann vor dem 2. September vor dem akademischen Jahr nur einen einzigen Antrag auf Einschreibung für alle Studiengänge im Sinne der Art. 3 und 7 einreichen. Hat ein Student gegen diese Bestimmung verstoßen, wird er von der Hochschuleinrichtung, in die er in einem der Studiengänge im Sinne der Art. 3 oder 7 aufgenommen worden wäre, ausgeschlossen.

…“

17.      Kapitel III enthält Bestimmungen über die Hochschulen. Die Art. 6 Abs. 1, Art. 8 und 9 (die zu diesem Kapitel gehören) entsprechen den Vorschriften der Art. 2 Abs. 1, Art. 4 und 5.

18.      Nach Art. 7 des Dekrets finden die Bestimmungen des Kapitels III Anwendung auf die Studiengänge, die zu den akademischen Graden „Hebamme-Bachelor“, „Bachelor in Ergotherapie“, „Bachelor in Logopädie“, „Bachelor in Podologie-Podotherapie“, „Bachelor in Heilgymnastik“, „Bachelor in Audiologie“ und „spezialisierte(r) Erzieher(in) in psycho-erzieherischer Begleitung“ führen.

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

19.      Der Vorlageentscheidung zufolge hat der Gesetzgeber der Französischen Gemeinschaft seit einigen Jahren eine erhebliche Zunahme der Anzahl der Studenten festgestellt, die sich erstmals für die fraglichen Studiengänge eingeschrieben haben. Es bestünden Bedenken, dass in Anbetracht der Haushaltsmittel sowie der Personal- und Sachmittel, die den betreffenden Unterrichtsanstalten zur Verfügung stünden, die Qualität des Unterrichts – und aufgrund der Eigenart der fraglichen Studiengänge damit auch die Volksgesundheit – gefährdet seien.

20.      Der Anteil der Studenten, die Inhaber eines in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Sekundarschulabschlusszeugnisses seien, habe im akademischen Jahr 2003/04 in den nicht vom Dekret erfassten Studiengängen unter 10 % gelegen. In den vom Dekret erfassten Hochschulstudiengängen habe der Anteil im akademischen Jahr 2004/05 zwischen 41 % und 75 % geschwankt. Im akademischen Jahr 2005/06 habe er bei den vom Dekret erfassten universitären Studiengängen zwischen 78 % und 86 % betragen.

21.            Die meisten der eingeschriebenen Studenten mit einem außerhalb der Französischen Gemeinschaft Belgiens ausgestellten Sekundarschulabschlusszeugnis besäßen die französische Staatsangehörigkeit. Nach den Ausführungen des vorlegenden Gerichts beruht dies auf mehreren Faktoren.

22.      Erstens sei in Frankreich der Zugang zu Veterinärschulen an das Bestehen einer nationalen Prüfung geknüpft, an der nur Studenten teilnehmen könnten, die nach ihrem Baccalauréat mindestens zwei vorbereitende Studienjahre absolviert hätten. Im Jahr 2004 seien im Anschluss an diese Prüfung 329 Bewerber bei den vier Veterinärschulen zugelassen worden. Diese Zahl sei 2005 auf 221 reduziert, 2006 auf 436 angehoben worden. Im Allgemeinen werde nur ein Fünftel der Prüfungsteilnehmer ausgewählt.

23.      Zweitens habe Frankreich für das Studium der Heilgymnastik ein Einschreibungskontingent festgesetzt.

24.      Deshalb kämen zahlreiche französische Studenten zum Studium in die Französische Gemeinschaft Belgiens. Nach Abschluss des Studiums kehrten sie wieder nach Frankreich zurück, um dort ihren Beruf auszuüben. Fast ein Drittel der diplomierten Tierärzte, die sich jedes Jahr in Frankreich niederließen, besäßen ein von der Französischen Gemeinschaft Belgiens ausgestelltes Diplom. Hierdurch habe sich keine Sättigung dieses Berufsstands in Frankreich ergeben. 2005 hätten in der Französischen Gemeinschaft Belgiens über 800 Studenten ein Diplom auf dem Gebiet der Heilgymnastik erworben.

25.      Angesichts dieser Situation hat das Parlament der Französischen Gemeinschaft am 16. Juni 2006 das Dekret erlassen. Es beschränkt praktisch die Einschreibung von Nichtansässigen. Die „Ansässigen“, die dieser Kontingentierung nicht unterliegen, werden im Dekret durch zwei Bedingungen definiert. Als „ansässig“ gelten im Wesentlichen Personen, die ihren Hauptwohnort in Belgien haben und die außerdem berechtigt sind, sich ständig in Belgien aufzuhalten.

26.      Jede Universität oder Hochschule darf jeweils nur eine begrenzte Zahl von Nichtansässigen zulassen. Diese Zahl ist für das akademische Jahr 2006/07 auf 30 % der Gesamtzahl der erstmals bei ihr für diese Studiengänge eingeschriebenen Studenten festgesetzt. Die nicht ansässigen Bewerber können ihre Einschreibung nur in den drei Werktagen vor dem 2. September beantragen. Übersteigt ihre Zahl das Kontingent, entscheidet zwischen ihnen das Los.

27.      Am 9. August 2006 erhoben Herr Bressol und 43 weitere Personen beim Verfassungsgerichtshof Klage auf Nichtigerklärung des Dekrets. Am 13. Dezember 2006 erhoben auch Frau Chaverot und 18 weitere Personen Klage und beantragten die Nichtigerklärung einiger Artikel des Dekrets. Keiner der Kläger ist „ansässig“ im Sinne des Dekrets. Sie beanstanden die durch das Dekret geschaffene Ungleichbehandlung zwischen Ansässigen und Nichtansässigen im Hinblick auf die Zulassung zu den fraglichen Studiengängen.

28.      Mit Mahnschreiben vom 24. Januar 2007 wies die Kommission Belgien auf ihre Bedenken bezüglich der Vereinbarkeit des Dekrets mit dem Gemeinschaftsrecht hin. Mit seinem Antwortschreiben vom 24. Mai 2007 legte Belgien bestimmte Statistiken und Erläuterungen vor. Da die Kommission davon ausging, dass die Französische Gemeinschaft Belgiens Gefahr laufe, „eine angemessene Versorgung in ihrem territorialen Einflussbereich und die Qualität ihres öffentlichen Gesundheitssystems … nicht … aufrechterhalten“ zu können, beschloss sie am 28. November 2007, das Verfahren auf fünf Jahre auszusetzen, „um den belgischen Behörden die Möglichkeit zu geben, weitere Angaben zur Erhärtung ihrer Argumentation vorzulegen, die von ihnen veranlassten restriktiven Maßnahmen seien notwendig und angemessen“.(7)

29.      Der Verfassungsgerichtshof bezweifelt die Vereinbarkeit der Art. 4 und 8 des Dekrets mit verschiedenen Bestimmungen der Verfassung Belgiens in Verbindung mit den Art. 12 Abs. 1 EG, Art. 18 Abs. 1 EG, Art. 149 Abs. 1 und 2 EG sowie mit Art. 150 Abs. 2 EG. Er hat daher dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.      Sind die Art. 12 Abs. 1 und 18 Abs. 1 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft in Verbindung mit Art. 149 Abs. 1 und 2 zweiter Gedankenstrich sowie mit Art. 150 Abs. 2 dritter Gedankenstrich desselben Vertrags in dem Sinne auszulegen, dass diese Bestimmungen verhindern, dass eine für den Hochschulunterricht zuständige autonome Gemeinschaft eines Mitgliedstaats, die mit einem Ansturm von Studenten eines benachbarten Mitgliedstaats in mehreren, hauptsächlich mit öffentlichen Mitteln finanzierten Ausbildungen medizinischer Art konfrontiert ist, und zwar infolge einer restriktiven Politik dieses benachbarten Mitgliedstaats, Maßnahmen ergreift, wie sie im Dekret der Französischen Gemeinschaft vom 16. Juni 2006 zur Regelung der Studentenzahl in bestimmten Kursen des ersten Zyklus des Hochschulunterrichts festgelegt sind, wenn diese Gemeinschaft triftige Gründe dafür anführt, dass diese Situation die öffentliche Finanzlage übermäßig zu belasten und die Qualität des erteilten Unterrichts zu beeinträchtigen droht?

2.      Macht es für die Beantwortung der in Nr. 1 angeführten Frage einen Unterschied, wenn diese Gemeinschaft beweist, dass diese Situation zur Folge hat, dass zu wenig in dieser Gemeinschaft ansässige Studenten ihr Diplom erhalten, damit auf Dauer ausreichend geschultes medizinisches Personal vorhanden ist, um die Qualität des öffentlichen Gesundheitssystems in dieser Gemeinschaft zu gewährleisten?

3.      Macht es zur Beantwortung der in Nr. 1 angeführten Frage einen Unterschied, wenn diese Gemeinschaft unter Berücksichtigung der Vorschriften des Art. 149 Abs. 1 a. E. des Vertrags und des Art. 13 Abs. 2 Buchst. c des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, der eine Stillhalteverpflichtung enthält, sich für die Aufrechterhaltung eines sehr breiten und demokratischen Zugangs zu einem Hochschulunterricht von guter Qualität für die Bevölkerung dieser Gemeinschaft entscheidet?

30.      Die Kläger des Ausgangsverfahrens, die österreichische und die belgische Regierung sowie die Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht.

31.      In der Sitzung vom 3. März 2009 haben die genannten Verfahrensbeteiligten mündlich verhandelt.

 Vorbemerkung

32.      Nach Art. 149 Abs. 1 EG bleiben die Mitgliedstaaten zwar für „die Lehrinhalte und die Gestaltung des Bildungssystems sowie der Vielfalt ihrer Kulturen und Sprachen“ verantwortlich, jedoch hat der Gerichtshof ausgeführt, dass die Voraussetzungen für den Zugang zur Berufsausbildung in den Anwendungsbereich des EG-Vertrags fallen.(8) Insoweit hat er auf Art. 149 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich EG verwiesen, der ausdrücklich vorsieht, dass die Tätigkeit der Gemeinschaft die Förderung der Mobilität von Lernenden und Lehrenden, auch durch die Förderung der akademischen Anerkennung der Diplome und Studienzeiten, zum Ziel hat, sowie auf Art. 150 Abs. 2 dritter Gedankenstrich EG, der bestimmt, dass die Tätigkeit der Gemeinschaft die Erleichterung der Aufnahme einer beruflichen Bildung sowie die Förderung der Mobilität der Ausbilder und der in beruflicher Bildung befindlichen Personen, insbesondere der Jugendlichen, zum Ziel hat.(9) Darüber hinaus hat der Gerichtshof entschieden, dass sowohl das Hochschul- als auch das Universitätsstudium eine Berufsausbildung darstellen.(10)

33.      Unstreitig legt das Dekret Voraussetzungen für den Zugang zur Hochschul- oder Universitätsausbildung in der Französischen Gemeinschaft Belgiens fest. Es regelt damit ein Sachgebiet, das in den Anwendungsbereich des Vertrags fällt.

34.      Ebenso steht außer Frage, dass das Dekret zwischen Studenten differenziert, da sie je nachdem, ob sie bestimmte Kriterien erfüllen, als ansässig oder nichtansässig eingestuft werden. Ansässige Studenten haben unbeschränkten Zugang zu allen Studiengängen. Für nichtansässige Studenten gilt in bestimmten Studiengängen ein Einschreibungskontingent. Es liegt daher offensichtlich eine unterschiedliche Behandlung der beiden Studentenkategorien vor.

35.      Nach Art. 12 EG ist unbeschadet besonderer Bestimmungen des Vertrags in seinem Anwendungsbereich jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten. Das Dekret ist daher an dieser Vorschrift zu messen.

36.      Mit seinen ersten beiden Fragen ersucht das vorlegende Gericht um Hinweise zur Anwendbarkeit dreier möglicher Rechtfertigungsgründe für eine diskriminierende Behandlung. Die Antwort auf diese Fragen hängt teilweise davon ab, ob es sich um eine unmittelbare oder eine mittelbare Diskriminierung handelt.(11) Zunächst ist daher die Art der beanstandeten diskriminierenden Behandlung zu klären.

 Art der diskriminierenden Behandlung

37.      Das Dekret begrenzt die Zahl der nichtansässigen Studenten, die sich erstmals für bestimmte (in den Art. 3 und 7 genannte) Studiengänge einschreiben können. Um als ansässig zu gelten und dieser Beschränkung zu entgehen, muss ein Student zwei kumulativ geltende Voraussetzungen erfüllen, die in Art. 1 des Dekrets aufgeführt sind: (i) Er muss nachweisen, dass er seinen Hauptwohnort in Belgien hat; (ii) er muss eine der acht in der Vorschrift aufgezählten Bedingungen erfüllen.(12)

38.      Wie sich aus der Vorlageentscheidung ergibt, erfüllen alle Belgier, da sie (aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit) das in Art. 1 Abs. 1 des Dekrets vorgesehene Recht besitzen, „sich ständig in Belgien aufzuhalten“, automatisch die beiden kumulativen Voraussetzungen, um als „ansässig“ zu gelten, sofern sie zum Zeitpunkt ihres Einschreibungsantrags ihren Hauptwohnort in Belgien haben.(13)

39.      Umgekehrt stellt die zweite kumulative Voraussetzung für einen Studienbewerber, der kein belgischer Staatsangehöriger ist, ein reales Hindernis dar. Zur Erfüllung dieser Voraussetzung können Unionsbürger, die nicht die belgische Staatsangehörigkeit besitzen, das Recht, „sich ständig in Belgien aufzuhalten“, nur in den durch die Richtlinie 2004/38/EG gesetzten Grenzen erlangen, d. h. im Wesentlichen, wenn sie sich rechtmäßig fünf Jahre lang ununterbrochen in Belgien aufgehalten haben.(14) Besitzen sie dieses Recht nicht (und vermögen sie auch keine der sieben anderen Bedingungen zu erfüllen), werden sie als nichtansässig eingestuft. Genau dies ist auch der Zweck des Dekrets.

40.      Stellt diese unterschiedliche Behandlung eine unmittelbare oder eine mittelbare Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit dar?

41.      In ihrem Mahnschreiben vom 24. Januar 2007(15) vertritt die Kommission die Auffassung, dass es sich, da belgische Staatsangehörige zur Erfüllung der Voraussetzung in Art. 1 Abs. 1 des Dekrets lediglich den Nachweis für ihren Wohnort zu führen, alle anderen aber eine weitere Bedingung zu erfüllen hätten, um eine unmittelbare Diskriminierung handele. Die Kommission hat diese Argumentation im vorliegenden Verfahren nicht weiter verfolgt, sondern sich (ebenso wie alle anderen Verfahrensbeteiligten) auf die Prüfung der Vorlagefragen unter dem Gesichtspunkt der mittelbaren Diskriminierung beschränkt. Meines Erachtens darf und sollte der Gerichtshof dieser Problematik jedoch nicht aus dem Weg gehen.

42.      Der Klarheit halber werde ich die im Dekret vorgesehenen beiden Voraussetzungen getrennt untersuchen. Zunächst muss ich jedoch darlegen, worin meiner Meinung nach der entscheidende Unterschied zwischen unmittelbarer und mittelbarer Diskriminierung besteht.

 Unterschied zwischen unmittelbarer und mittelbarer Diskriminierung

43.      Überraschenderweise findet sich in der Rechtsprechung des Gerichtshofs keine klare Definition des Begriffs „unmittelbare Diskriminierung“. Was hierunter zu verstehen ist, muss daher aus den Ausführungen des Gerichtshofs zum allgemeinen Gleichheitsgrundsatz und zum Begriff der mittelbaren Diskriminierung geschlossen werden.

44.      Zur Kennzeichnung des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes als allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts verwendet der Gerichtshof die klassische Formulierung, „dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden dürfen, es sei denn, dass eine solche Behandlung objektiv gerechtfertigt ist“(16). Dies scheint für beide Formen der Diskriminierung zu gelten.(17)

45.      Auch die Begriffsbestimmungen für unmittelbare Diskriminierung in der Geschlechterdiskriminierungsrichtlinie(18), der Rassendiskriminierungsrichtlinie(19) und der Gleichbehandlung-Rahmenrichtlinie(20) sind nicht sehr hilfreich. Nach den Definitionen in diesen Richtlinien liegt eine unmittelbare Diskriminierung im Wesentlichen vor, wenn eine Person wegen eines der unzulässigen Gründe in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde.(21) Dem stehen die in den einzelnen Richtlinien jeweils enthaltenen Begriffsbestimmungen für mittelbare Diskriminierung gegenüber. Eine mittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen mit einer Eigenschaft, aufgrund deren keine Unterscheidung getroffen werden darf, gegenüber anderen Personen benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.(22)

46.      Trotzdem ist die Unterscheidung von unmittelbarer und mittelbarer Diskriminierung nicht präzise.

47.      Das Problem besteht meines Erachtens darin, festzustellen, was genau unter einer „dem Anschein nach neutralen Vorschrift“ zu verstehen ist. Diese entscheidende Wendung ist wohl untrennbar mit dem anderweit in der Rechtsprechung des Gerichtshofs auftauchenden Begriff der „verschleierten Diskriminierung“ verbunden.

48.      Der Gerichtshof hat dargelegt, dass „der Grundsatz der Gleichbehandlung, der in dem in Artikel 12 Absatz 1 EG verankerten Verbot jeder Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit eine besondere Ausprägung gefunden hat, nicht nur offensichtliche Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit verbietet, sondern auch alle verschleierten Formen der Diskriminierung, die durch die Anwendung anderer Unterscheidungsmerkmale tatsächlich zu dem gleichen Ergebnis führen“(23). Diese Wendung findet sich häufig in Verbindung mit der Formulierung zur Kennzeichnung möglicher Rechtfertigungsgründe für mittelbare Diskriminierung. So hat der Gerichtshof z. B. für den Bereich der Wanderarbeitnehmer entschieden, dass eine „Vorschrift des nationalen Rechts …, sofern sie nicht objektiv gerechtfertigt ist und in einem angemessenen Verhältnis zum verfolgten Zweck steht, als mittelbar diskriminierend anzusehen [ist], wenn sie sich ihrem Wesen nach eher auf Wanderarbeitnehmer als auf inländische Arbeitnehmer auswirken kann und folglich die Gefahr besteht, dass sie Wanderarbeitnehmer besonders benachteiligt“(24).

49.      Der Gerichtshof betrachtet also offenbar den Unterschied zwischen „offensichtlicher“ und „verschleierter“ Diskriminierung als den Maßstab, anhand dessen sich unmittelbare und mittelbare Diskriminierung voneinander unterscheiden lassen. Noch deutlicher wird dies im zweiten Urteil Defrenne (mit dem die Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Diskriminierung aus Gründen des Geschlechts ihren Anfang nahm), in dem der Gerichtshof von „unmittelbaren, offenen Diskriminierungen“ spricht und diesen „mittelbare, versteckte Diskriminierungen“ gegenüberstellt.(25)

50.      Ich muss gestehen, dass ich die Abgrenzung in dieser Form für unzweckmäßig halte.(26) Ganz offensichtlich ist der Unterschied zwischen offener und versteckter Diskriminierung nicht immer deckungsgleich mit dem Unterschied zwischen unmittelbarer und mittelbarer Diskriminierung.

51.      Ein eindeutiges Beispiel für offene, unmittelbare Diskriminierung ist der Sachverhalt in der Rechtssache Dekker. Frau Dekker war zu verstehen gegeben worden, der Grund, warum sie die Arbeitsstelle, für die sie unbestreitbar die geeignetste Bewerberin war, nicht erhalten habe, sei nicht ihre Schwangerschaft an sich, sondern deren finanzielle Auswirkung für den potenziellen Arbeitgeber gewesen. Dem Gerichtshof wurde die Frage vorgelegt, ob die Weigerung, sie einzustellen, als unmittelbare Diskriminierung aus Gründen des Geschlechts anzusehen sei. Er entschied zu Recht, dass die Antwort davon abhänge, „ob es sich bei dem wesentlichen Grund für die Verweigerung der Einstellung um einen Grund handelt, der unterschiedslos für Arbeitnehmer beiderlei Geschlechts oder aber ausschließlich für eines der beiden Geschlechter gilt“, und kam zu dem Ergebnis, dass „die Verweigerung einer Einstellung wegen Schwangerschaft nur Frauen gegenüber in Betracht kommt und daher eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts darstellt“.(27) Der Gerichtshof hat diesen Ansatz in der Folgezeit in einer Reihe von Entscheidungen bestätigt.(28)

52.      Generalanwalt Jacobs nimmt in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Schnorbus die Unterscheidung zwischen unmittelbarer und mittelbarer Diskriminierung etwas anders – und meines Erachtens klarer – vor: „[Man kann] sagen, dass eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts dann vorliegt, wenn Angehörige eines Geschlechts gegenüber denen des anderen bevorzugt behandelt werden. Die Diskriminierung ist unmittelbar, wenn die Ungleichbehandlung auf ein Kriterium gestützt wird, das entweder ausdrücklich das des Geschlechts ist oder mit einem mit dem Geschlecht untrennbar verbundenen Merkmal notwendig zusammenhängt. Sie ist mittelbar, wenn ein anderes Kriterium angewendet wird, tatsächlich aber ein erheblich höherer Anteil des einen als des anderen Geschlechts davon betroffen ist.“(29)

53.      Diese Kennzeichnung einer unmittelbaren Diskriminierung lässt sich auf alle unmittelbaren Diskriminierungen übertragen, die aus einem unzulässigen Grund erfolgen. Eine Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit ist daher als unmittelbar anzusehen, wenn die Ungleichbehandlung auf ein Kriterium gestützt wird, das entweder ausdrücklich das der Staatsangehörigkeit ist oder mit einem mit der Staatsangehörigkeit untrennbar verbundenen Merkmal notwendig zusammenhängt.

54.      In der Rechtssache Dekker wäre der Gerichtshof zu demselben Ergebnis, nämlich dass es sich um eine unmittelbare Diskriminierung handelt, auch dann gekommen, wenn er von der Betrachtungsweise nach dem „Kriterium des einzigen Unterscheidungsmerkmals“ ausgegangen wäre, wonach der Betreffende, wenn man ein bestimmtes Merkmal (Geschlecht, Rasse, Alter, Staatsangehörigkeit usw.) ausklammert, die günstigere Behandlung erfahren hätte, die der Vergleichsperson zuteil geworden ist.(30) So umformuliert hatte das nationale Gericht die Frage zu entscheiden: „Wenn man die Schwangerschaft von Frau Dekker (ein mit ihrem Geschlecht untrennbar verbundenes Merkmal) ausklammert und wenn alle anderen Voraussetzungen gleich sind, wäre Frau Dekker dann eingestellt worden?“ Ist dies zu bejahen, stellt die Verweigerung der Einstellung eine unmittelbare Diskriminierung aus Gründen des Geschlechts dar.(31)

55.      Aus dieser Überlegung ergibt sich die – entscheidende – Schlussfolgerung, dass es für das Vorliegen einer unmittelbaren Diskriminierung ausreicht, wenn an irgendeinem Punkt der Kausalkette die Benachteiligung des Betroffenen auf einem Merkmal beruht oder durch das Abstellen auf ein Merkmal verursacht wird, das nicht zur Unterscheidung dieser Person von einer anderen herangezogen werden darf. Der Einfachheit halber werde ich diesen Vorgang als „verbotene Klassifizierung“ bezeichnen.

56.      Auf dieser Grundlage lässt sich eine allgemeine Definition formulieren, die – soweit ich sehe – alle Fälle genau umfasst, die der Gerichtshof als unmittelbare Diskriminierung aus einem der gemeinschaftsrechtlich unzulässigen Gründe anerkannt hat. Nach meinem Verständnis liegt eine unmittelbare Diskriminierung vor, wenn sich die Kategorie derjenigen Personen, die in einer bestimmten Weise bevorzugt werden, und die Kategorie derjenigen Personen, die in entsprechender Weise benachteiligt werden, genau mit der Personenkategorie deckt, die sich von der jeweils anderen Kategorie nur dann unterscheidet, wenn eine verbotene Klassifizierung vorgenommen wird.

57.      Im Fall von Frau Dekker deckt sich die Kategorie derjenigen Personen, die in bestimmter Weise bevorzugt werden (die Personen, die als für eine Beschäftigung geeignet angesehen werden), genau mit der Personenkategorie, die sich von der anderen Kategorie nur bei Vornahme einer verbotenen Klassifizierung (Geschlecht – genauer gesagt, Personen, die unter keinen Umständen schwanger werden können, d. h. Männer) unterscheidet. Die Kategorie derjenigen Personen, die entsprechend benachteiligt werden (diejenigen Personen, die als für eine Beschäftigung ungeeignet angesehen werden), deckt sich genau mit der Personenkategorie, die sich von der anderen Kategorie nur bei Vornahme einer verbotenen Klassifizierung (Geschlecht – in diesem Fall Personen, die schwanger werden können, d. h. Frauen) unterscheidet. Die Benachteiligung (Verweigerung der Einstellung) stellt daher eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund einer verbotenen Klassifizierung (Geschlecht) dar.

58.      Zu welchem Ergebnis gelangt man, wenn man dieses Kriterium zur Feststellung einer unmittelbaren Diskriminierung auf die beiden in Art. 1 des Dekrets vorgesehenen Voraussetzungen anwendet?

 Erste kumulative Voraussetzung in Art. 1 Abs. 1 des Dekrets

59.      Entsprechend der ersten kumulativen Voraussetzung in Art. 1 Abs. 1 des Dekrets müssen Studienbewerber zum Zeitpunkt ihrer Einschreibung in einer Hochschuleinrichtung ihren Hauptwohnort in Belgien haben (im Folgenden: Hauptwohnorterfordernis).

60.      Es liegt auf der Hand, dass eine solche Voraussetzung keine unmittelbare Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit darstellt. Belgier und Nichtbelgier können gleichermaßen ihren Hauptwohnort in Belgien haben. Die Kategorie derjenigen, die die erste in Art. 1 Abs. 1 des Dekrets vorgesehene Voraussetzung erfüllen, deckt sich daher nicht mit der Kategorie belgischer Staatsangehöriger.

61.      Stellt das Hauptwohnorterfordernis eine mittelbare Diskriminierung dar?

62.      Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs gilt das Verbot der Diskriminierung aufgrund von dem Anschein nach neutralen Unterscheidungsmerkmalen, die aber tatsächlich zu einem diskriminierenden Ergebnis führen, insbesondere für eine Maßnahme, die eine Unterscheidung aufgrund des Kriteriums des Wohnsitzes trifft. Denn sie kann sich hauptsächlich zum Nachteil der Angehörigen anderer Mitgliedstaaten auswirken, da die Gebietsfremden meist Ausländer sind.(32)

63.      Es lässt sich nicht ernsthaft bestreiten, dass das Hauptwohnorterfordernis eine mittelbar diskriminierende Maßnahme darstellt.

 Zweite kumulative Voraussetzung in Art. 1 Abs. 1 des Dekrets

64.      Dagegen handelt es sich bei der zweiten kumulativen Voraussetzung in Art. 1 Abs. 1 des Dekrets meines Erachtens um eine unmittelbare Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit.

65.      Alle belgischen Staatsangehörigen haben automatisch das Recht, sich ständig in Belgien aufzuhalten (die erste der acht Möglichkeiten zur Erfüllung der Voraussetzungen der zweiten kumulativen Voraussetzung nach Art. 1 des Dekrets). Keiner anderen Person, die nicht belgischer Staatsangehöriger ist, steht dieses Recht automatisch zu. Um dieses Recht zu erlangen, müssen solche Personen daher entweder bestimmte zusätzliche Kriterien (nämlich die in der Richtlinie 2004/38 genannten) oder eine der anderen in Art. 1 des Dekrets aufgeführten Bedingungen erfüllen.(33)

66.      Die Kategorie derjenigen Personen, die in bestimmter Weise bevorzugt werden (diejenigen Personen, die automatisch ein Recht auf ständigen Aufenthalt in Belgien haben und somit automatisch die zweite kumulative Voraussetzung in Art. 1 Abs. 1 des Dekrets erfüllen), deckt sich daher genau mit der Personenkategorie, die sich von der anderen Kategorie nur aufgrund einer verbotenen Klassifizierung (Staatsangehörigkeit, in diesem Fall Besitz der belgischen Staatsangehörigkeit) unterscheidet. Die Kategorie derjenigen Personen, die entsprechend benachteiligt werden (diejenigen Personen, denen dieses Recht nicht automatisch zusteht), deckt sich genau mit der Personenkategorie, die sich von der anderen nur aufgrund einer verbotenen Klassifizierung unterscheidet (Staatsangehörigkeit, in diesem Fall Besitz einer anderen Staatsangehörigkeit).

67.      Die Ungleichbehandlung stützt sich eindeutig auf ein Kriterium (das Recht, sich ständig in Belgien aufzuhalten), das mit einem mit der Staatsangehörigkeit untrennbar verbundenen Merkmal notwendig zusammenhängt.(34) Bei der in Rede stehenden Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit handelt es sich daher um eine unmittelbare Diskriminierung.

68.      An diesem Ergebnis ändert auch der Umstand nichts, dass Unionsbürger, die keine Belgier sind, das Recht auf ständigen Aufenthalt in Belgien erwerben können, wenn sie die in der Richtlinie 2004/38 genannten Voraussetzungen erfüllen. Die unmittelbare Diskriminierung besteht gerade darin, dass das Recht auf ständigen Aufenthalt bei allen Nichtbelgiern, einschließlich aller anderen Unionsbürger, an die Bedingung geknüpft ist, dass sie entweder eines der anderen im Rahmen der zweiten kumulativen Voraussetzung oder die in der Richtlinie 2004/38 genannten Kriterien erfüllen. Bei Belgiern hängt dieses Recht notwendig und automatisch mit ihrer Eigenschaft als Belgier und damit mit einer verbotenen Klassifizierung, nämlich derjenigen aufgrund der Staatsangehörigkeit, zusammen.

69.      Zu demselben Ergebnis komme ich bei der Betrachtungsweise nach dem „Kriterium des einzigen Unterscheidungsmerkmals“. Angenommen, es gibt zwei Bewerber für den Studiengang in Veterinärmedizin, die beide ihre Sekundarschulausbildung in Luxemburg beenden, wo ihre Eltern leben und berufstätig sind. Beide wollen in Belgien studieren. Student A ist Belgier. Student B ist Bulgare. Beide beziehen zu Beginn des akademischen Jahrs 2008/09 in Erwartung ihrer Einschreibung ein Studentenzimmer im selben Gebäude in Louvain-la-Neuve. Beide können daher den Nachweis erbringen, dass sie das Hauptwohnorterfordernis erfüllen.

70.      Student A erfüllt automatisch die zweite kumulative Voraussetzung in Art. 1 Abs. 1 des Dekrets. Als Belgier ist er berechtigt, sich ständig in Belgien aufzuhalten. Er gilt daher als „ansässiger Student“ und hat damit unbeschränkten Zugang zum Studium der Veterinärmedizin. Student B erfüllt diese Voraussetzung nicht automatisch. Vermutlich wird er auch nicht die Erfordernisse der Richtlinie 2004/38 erfüllen. Falls also Student B nicht zufällig diese oder eine der anderen im Rahmen der zweiten kumulativen Voraussetzung genannten Bedingungen erfüllt (was nach dem Sachverhalt unwahrscheinlich ist), unterliegt er dem Einschreibungskontingent.

71.      Es liegt auf der Hand, dass Student A, wenn man das „einzige Unterscheidungsmerkmal“, nämlich dass er die belgische Staatsangehörigkeit besitzt, ausklammert, die zweite kumulative Voraussetzung nicht automatisch erfüllen würde.(35)

72.      Ich stelle fest, dass offenbar bereits der belgische Staatsrat in seinem Gutachten zu dem Dekretentwurf Zweifel hegte, ob die vorgeschlagene Regelung nicht eine unmittelbare Diskriminierung darstellt – jedenfalls wies er daraufhin, dass nach der nationalen Regelung, um die es in der Rechtssache Kommission/Österreich gegangen sei, österreichische Studenten mit einem ausländischen Sekundarschulabschluss in der gleichen (benachteiligenden) Weise behandelt worden seien wie Studenten aus anderen Mitgliedstaaten.(36)

73.      Schließlich lässt sich – entgegen dem Vorbringen der belgischen Regierung in der mündlichen Verhandlung – das Argument, dass eine Diskriminierung, die sich möglicherweise aufgrund der zweiten kumulativen Voraussetzung in Art. 1 Abs. 1 des Dekrets ergebe, nicht als unmittelbar, sondern als mittelbar zu qualifizieren sei, nicht auf das Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache Bidar stützen. Die Rechtsvorschriften des Vereinigten Königreichs, um die es in jener Rechtssache ging, machten es zur Anspruchsvoraussetzung für ein Studentendarlehen, dass der Betreffende (i) im Sinne des nationalen Rechts im Vereinigten Königreich „auf Dauer ansässig“ ist und (ii) bestimmte Wohnsitzvoraussetzungen erfüllt.(37) Nach dem einschlägigen Zuwanderungsgesetz war eine Person im Vereinigten Königreich auf Dauer ansässig, wenn sie dort ihren gewöhnlichen Wohnsitz hat und keinen Beschränkungen hinsichtlich des Zeitraums unterliegt, für den sie in dessen Hoheitsgebiet bleiben darf.(38) Ein Staatsangehöriger eines anderen Mitgliedstaats konnte als Student nicht den Status einer im Vereinigten Königreich auf Dauer ansässigen Person erlangen, weil er beide Elemente der genannten Voraussetzung nicht erfüllt.

74.      Zwar unterliegt kein Staatsangehöriger des Vereinigten Königreichs Beschränkungen hinsichtlich des Zeitraums, für den er in dessen Hoheitsgebiet bleiben darf (ebenso wenig wie ein belgischer Staatsangehöriger solchen Beschränkungen in Belgien unterliegt). Aus der Antwort des Vereinigten Königreichs auf eine vom Gerichtshof in der Rechtssache Bidar gestellte Frage ging jedoch hervor, dass auch Staatsangehörige des Vereinigten Königreichs das in der Voraussetzung genannte Element des „gewöhnlichen Wohnsitzes“ unter Umständen nicht erfüllen und daher nicht den Status einer im Vereinigten Königreich „auf Dauer ansässigen“ Person besitzen.(39) Die Kategorie derjenigen Personen, die in bestimmter Weise bevorzugt werden (Personen mit dem Status einer im Vereinigten Königreich auf Dauer ansässigen Person), deckte sich daher nicht genau mit der Personenkategorie, die sich von der anderen Kategorie nur aufgrund einer verbotenen Klassifizierung (nach der Staatsangehörigkeit, in diesem Fall der Staatsangehörigkeit des Vereinigten Königreichs) unterschied.

75.      Der Gerichtshof entschied daher zu Recht, dass es sich in der Rechtssache Bidar nicht um eine unmittelbare, sondern um eine mittelbare Diskriminierung handelte. Da jedoch die Regelung des Vereinigten Königreichs für einen Angehörigen eines anderen Mitgliedstaats jede Möglichkeit ausschloss, als Student den Status einer auf Dauer ansässigen Person zu erlangen, und ihm daher, welches auch immer der Grad seiner tatsächlichen Integration in die Gesellschaft des Aufnahmemitgliedstaats sein mochte, unmöglich machte, die Anspruchsvoraussetzungen für ein Darlehen zu erfüllen, verwarf der Gerichtshof kurzerhand die „Voraussetzung des auf Dauer Ansässigseins“.(40)

76.      Selbstverständlich ist es Sache des nationalen Gerichts, die Lage nach belgischem Recht zu beurteilen. Sollte es jedoch zu dem Ergebnis gelangen, dass alle belgischen Staatsangehörigen automatisch und ausnahmslos berechtigt sind, sich ständig in Belgien aufzuhalten, und damit automatisch die zweite kumulative Voraussetzung erfüllen, während alle anderen Personen, einschließlich aller anderen Unionsbürger, nicht automatisch hierzu berechtigt sind, diskriminiert Art. 1 Abs. 1 des Dekrets unmittelbar aus Gründen der Staatsangehörigkeit und verstößt damit gegen Art. 12 EG.

 Zur ersten und zur zweiten Frage

77.      Mit der ersten und der zweiten Frage wird im Wesentlichen um Aufschluss darüber gebeten, ob das Dekret aufgrund dreier möglicher Gründe gerechtfertigt sein kann: (i) weil der Ansturm ausländischer Studenten zu einer übermäßigen Belastung der öffentlichen Finanzen führt; (ii) weil eine Beeinträchtigung der Qualität des Unterrichts droht; (iii) weil infolge eines Mangels an geschultem medizinischen Personal eine Beeinträchtigung der Qualität des öffentlichen Gesundheitssystems der Französischen Gemeinschaft droht.

78.      Die Antwort hängt teilweise davon ab, ob die Behandlung unmittelbar oder mittelbar diskriminiert.(41) Es ist anerkannt, dass eine mittelbare Diskriminierung grundsätzlich gerechtfertigt sein kann.(42) Bei unmittelbaren Diskriminierungen gilt eine restriktivere Regelung.(43) Da ich die erste kumulative Voraussetzung für mittelbar diskriminierend und die zweite für unmittelbar diskriminierend halte, werde ich die beiden Voraussetzungen nacheinander prüfen.

 Kann die erste kumulative Voraussetzung in Art. 1 Abs. 1 des Dekrets gerechtfertigt werden?

79.      Die belgische Regierung stützt sich vor allem auf das Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache Bidar, in dem ihrer Meinung nach die Legitimität des Wohnsitzerfordernisses für den Zugang zur Bildung festgestellt worden ist, da die Entscheidung dem Aufnahmemitgliedstaat erlaube, im Wege des Wohnsitzerfordernisses von den Studienbewerbern den Nachweis zu verlangen, dass sie sich bis zu einem gewissen Grad in die Gesellschaft dieses Staats integriert hätten.(44)

80.      Es besteht jedoch ein grundlegender Unterschied zwischen dem Zugang zu Beihilfen zu den Ausbildungskosten in einem anderen Mitgliedstaat, um den es in der Rechtssache Bidar ging, und dem Zugang zur Ausbildung selbst in anderen Mitgliedstaaten, um den es im vorliegenden Fall geht.

81.      Im Urteil Bidar hat der Gerichtshof zu Recht die legitimen Interessen der Mitgliedstaaten berücksichtigt, die mit von Studenten aus anderen Mitgliedstaaten gestellten Anträgen auf finanzielle Unterstützung konfrontiert sind. Er hat entschieden, dass die Mitgliedstaaten aufgerufen seien, bei der Organisation und Anwendung ihres Sozialhilfesystems eine gewisse finanzielle Solidarität mit den Angehörigen anderer Mitgliedstaaten zu zeigen.(45) Es stehe ihnen jedoch frei, „darauf zu achten, dass die Gewährung von Beihilfen zur Deckung des Unterhalts von Studenten aus anderen Mitgliedstaaten nicht zu einer übermäßigen Belastung wird, die Auswirkungen auf das gesamte Niveau der Beihilfe haben könnte, die dieser Staat gewähren kann“(46).

82.      Dagegen gehört die Möglichkeit für einen Studenten der Europäischen Union, in einem anderen Mitgliedstaat unter den gleichen Voraussetzungen wie Angehörige jenes Staats dort Zugang zum Hochschul- oder Universitätsstudium zu erhalten, zum Kernbereich des vom EG-Vertrag garantierten Grundsatzes der Freizügigkeit der Studenten.(47) Die Ausführungen des Gerichtshofs im Urteil Bidar zum Wohnsitz als Anspruchsvoraussetzung für finanzielle Unterstützung sind daher auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar.(48)

83.      Nach ständiger Rechtsprechung ist eine mittelbar diskriminierende Behandlung aus Gründen der Staatsangehörigkeit allenfalls dann gerechtfertigt, wenn sie auf objektiven, von der Staatsangehörigkeit der Betroffenen unabhängigen Erwägungen beruht und in einem angemessenen Verhältnis zu einem legitimerweise verfolgten Zweck steht.(49)

84.      Dem Gerichtshof zufolge ist es überdies Sache der nationalen Behörden, die sich auf eine Ausnahme vom fundamentalen Grundsatz der Freizügigkeit berufen, in jedem Einzelfall nachzuweisen, dass ihre Regelungen im Hinblick auf das verfolgte Ziel notwendig und verhältnismäßig sind. Neben den Rechtfertigungsgründen, die ein Mitgliedstaat geltend machen kann, „muss dieser eine Untersuchung zur Geeignetheit und Verhältnismäßigkeit der von ihm erlassenen beschränkenden Maßnahme vorlegen sowie genaue Angaben zur Stützung seines Vorbringens machen“.(50)

85.      In der Vorlageentscheidung sind die Materialien(51) zum Dekret angeführt, in denen es heißt, dass die angefochtenen Bestimmungen „hauptsächlich [bezwecken], einen breiten und demokratischen Zugang zu einem Hochschulunterricht von guter Qualität für die Bevölkerung der Französischen Gemeinschaft zu gewährleisten“. Die angefochtenen Bestimmungen beruhten außerdem auf Erwägungen der Volksgesundheit. Erstens könne eine Verringerung der Unterrichtsqualität längerfristig die Qualität der Pflegeleistungen beeinträchtigen. Zweitens bestehe wegen des Umstands, dass die überwiegende Mehrheit der nicht ansässigen Studenten nicht in Belgien zu praktizieren gedächte, die Gefahr des Mangels an Berufskräften. Der Mangel sei „sicher“, wenn eine Eingangsauswahl organisiert würde.

86.      Gemäß der Aufgabentrennung zwischen dem Gerichtshof und dem vorlegenden Gericht ist es Sache des Gerichtshofs zu entscheiden, ob einer der angeführten Umstände – wenn sein Vorliegen festgestellt wird – einen objektiven Rechtfertigungsgrund für eine mittelbare Diskriminierung darstellen würde. Bejahendenfalls ist es dann Sache des nationalen Gerichts, zu entscheiden, ob nach der Beweislage der Umstand tatsächlich vorliegt.

 Übermäßige Belastung der öffentlichen Finanzen

87.      In den Materialien zum Dekret finden sich folgende Ausführungen zu dem Argument der übermäßigen Belastung der öffentlichen Finanzen als Rechtfertigungsgrund(52):

„Die Zahl derjenigen, die ein Diplom im Hochschulwesen der Französischen Gemeinschaft in den [betreffenden Kursen] erwerben, übersteigt eindeutig den Bedarf der betreffenden Sektoren im französischsprachigen Teil Belgiens. Die Französische Gemeinschaft vermag die übermäßige Belastung nicht zu tragen, die durch nicht in Belgien ansässige Studenten entsteht, die allein deshalb zum Studium in die Französische Gemeinschaft kommen, weil sie in ihrem Herkunftsland keinen Zugang zu diesem Studium haben, und die keinerlei Absicht haben, ihren Beruf in der Französischen Gemeinschaft auszuüben.“

88.      Der erste Satz, in dem behauptet wird, dass die Zahl der Studenten, die ein Diplom erwerben, den Bedarf der Französischen Gemeinschaft „eindeutig übersteigt“, lässt sich nicht ohne Weiteres mit dem alternativ angeführten Rechtfertigungsgrund in Einklang bringen, dass eine Beeinträchtigung des öffentlichen Gesundheitssystems aufgrund eines möglichen zukünftigen Mangels an geschultem medizinischen Personal drohe.(53)

89.      Das im zweiten Satz vorgebrachte Argument beruht im Wesentlichen auf rein wirtschaftlichen Erwägungen. Es ist aus folgenden Gründen problematisch.

90.      Erstens ist daran zu erinnern, dass nach ständiger Rechtsprechung rein wirtschaftliche Motive in der Regel keine zwingenden Gründe des Allgemeininteresses darstellen können, die eine Beschränkung einer vom Vertrag garantierten Grundfreiheit rechtfertigen könnten.(54)

91.      Der Gerichtshof hat zwar festgestellt, dass eine erhebliche Gefährdung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses darstellen könne, der eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs rechtfertigen könne.(55) Somit besteht unter Umständen die Möglichkeit, wirtschaftliche und finanzielle Gründe als Rechtfertigung anzuführen. Dies mag teilweise Folge der unausweichlichen Tatsache sein, dass jede öffentliche Leistung unserer Wohlfahrtsstaaten zur Voraussetzung hat, dass genügend Haushaltsmittel zu ihrer Finanzierung zur Verfügung stehen.

92.      Ich schließe mich jedoch den Vorbehalten von Generalanwalt Jacobs gegen eine Übertragung der Feststellungen des Gerichtshofs über die Belastung der nationalen Systeme der sozialen Sicherheit auf den Bereich der Hochschulbildung an. Diese Feststellungen beinhalten nämlich eine zweifache Ausnahme: Sie bilden eine Ausnahme sowohl von den fundamentalen Grundsätzen der Freizügigkeit als auch von den anerkannten Gründen, aus denen diese Ausnahmen gerechtfertigt sein können (d. h. – in der Formulierung des Vertrags – ausschließlich nichtwirtschaftliche Gründe). Jede Rechtfertigung, die sich auf wirtschaftliche Erwägungen stützt, ist daher mit besonderem Bedacht vorzunehmen.(56)

93.      Des Weiteren hat Generalanwalt Jacobs die Auffassung vertreten, dass – sollte der Gerichtshof den gegenwärtigen Umfang der Ansprüche von Studenten auf Studienbeihilfen über die Unterrichts- und Immatrikulierungsgebühren hinaus ausweiten – der Umfang der den Mitgliedstaaten zur Verfügung stehenden möglichen Rechtfertigungsgründe ebenso ausgeweitet werden müsste, und zwar in Einklang mit der Rechtsprechung über Empfänger von Leistungen des öffentlichen Gesundheitsdienstes.(57) Im Urteil Bidar hat der Gerichtshof den Umfang der Ansprüche von Studenten auf Studienbeihilfen in der Tat dahin ausgeweitet, dass sie sich auch auf Darlehen zur Bestreitung des Unterhalts erstrecken, und (parallel hierzu) für zulässig erklärt, dass ein Student als Voraussetzung für einen Anspruch auf ein solches Darlehen nachweisen muss, dass er sich bis zu einem gewissen Grad in die Gesellschaft des Aufnahmemitgliedstaats integriert hat. Finanzielle Gründe können daher – in gewissen Grenzen – eine Beschränkung des Zugangs zu Beihilfen zur Ausbildung rechtfertigen.

94.      Wie ich jedoch bereits hervorgehoben habe, geht es hier nicht um den Zugang zu Beihilfen zur Ausbildung, sondern um den Zugang zur Ausbildung selbst, so dass die Entscheidung des Gerichtshofs in der Rechtssache Bidar nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar ist. Ich bin nicht der Meinung, dass eine für nichtansässige Studenten geltende Beschränkung des Zugangs zur Ausbildung mit finanziellen Gründen gerechtfertigt werden kann. Vielmehr gilt meines Erachtens die mit Blick auf Ausbildungsbeihilfen getroffene Feststellung des Gerichtshofs im Urteil Grzelczyk, dass die Richtlinie 93/96(58) „eine bestimmte finanzielle Solidarität der Angehörigen [des Aufnahmemitgliedstaats] mit denen der anderen Mitgliedstaaten an[erkennt]“(59), erst recht für den Zugang zur Ausbildung.

95.      Zweitens scheint sich der Dekretgeber der Französischen Gemeinschaft auf das bekannte „Trittbrettfahrer“-Argument zu berufen: Danach ernten Studenten, die zum Studium ins Ausland ziehen, die Vorteile des im Aufnahmemitgliedstaat gebotenen, mit öffentlichen Mitteln finanzierten Bildungswesens, ohne durch nationale Steuern (ihrer Eltern) zu dessen Finanzierung beizutragen, und sie zahlen auch nicht unbedingt dadurch etwas zurück, dass sie zur Ausübung ihres Berufs im Aufnahmemitgliedstaat bleiben und dort steuerpflichtig werden.(60) Damit wird Studenten, die nicht die belgische Staatsangehörigkeit besitzen, eine Art missbräuchliches Verhalten unterstellt. Davon ist selbstverständlich nicht auszugehen. Studenten, die in einen anderen Mitgliedstaat ziehen, um dort ihre Ausbildung zu absolvieren, nehmen ihr Recht auf Freizügigkeit wahr, das sie als Unionsbürger ohne Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit ausüben dürfen.(61) Ihre angeblichen Absichten, auf die der Dekretgeber der Französischen Gemeinschaft abstellt, sind vollkommen irrelevant.(62)

96.      Ich schließe mich auch der Ansicht von Generalanwalt Jacobs (in der Rechtssache Kommission/Österreich) und von Generalanwalt Geelhoed (in der Rechtssache Bidar) an, dass, auch wenn Studenten zum Steuersystem des Staates, in dem sie studieren, nicht direkt beitragen mögen, sie doch für die örtliche Wirtschaft am Ort der Hochschule oder Universität und in begrenztem Maße durch die indirekten Steuern auch für den nationalen Fiskus eine Einnahmequelle sind.(63) Das Argument, dass nur denjenigen, die durch die Zahlung von Steuern einen Beitrag geleistet haben, die Inanspruchnahme staatlich finanzierter Leistungen erlaubt werden sollte, würde logisch durchdacht bedeuten, dass die eigenen Staatsangehörigen des Mitgliedstaats, die keinen solchen Beitrag oder nur einen bescheidenen Beitrag geleistet haben, keinen Anspruch auf diese Leistungen haben könnten.(64)

97.      Drittens geht aus der Erklärung der Französischen Gemeinschaft, wie sie in der Vorlageentscheidung und den Ausführungen Belgiens vor dem Gerichtshof wiedergegeben ist, nicht hervor, inwiefern die finanzielle Belastung, die der Französischen Gemeinschaft durch diese Kategorie von Studenten entsteht, „übermäßig“ sein oder auf welche Weise das vermeintliche Problem durch das Dekret gelöst werden soll.(65) Vielmehr hat es den Anschein, dass die Hochschulbildung nach dem Prinzip des „verschlossenen Umschlags“ finanziert wird. Wenn ich richtig verstanden habe, folgt daraus, dass ein Rückgang der Studentenzahl (gleich welcher Staatsangehörigkeit) keine entsprechende Mittelersparnis auf Seiten der Französischen Gemeinschaft nach sich zieht. Eine Erhöhung oder eine Reduzierung der Studentenzahlen ist haushaltsneutral.

98.      Schließlich stelle ich fest, dass die Kläger in dem beim Verfassungsgerichtshof anhängigen Verfahren die Auffassung vertreten, dass allen nichtansässigen Studenten Zugang zum Studium ihrer Wahl, nicht aber unbedingt auch zu finanzieller Unterstützung gewährt werden sollte. In ihren beim Gerichtshof eingereichten schriftlichen Erklärungen hat die belgische Regierung entgegnet, dass ein solcher Vorschlag „nicht zur Erreichung der Ziele [des Dekrets] führen würde, die ja schließlich nicht finanzieller Natur sind“.

99.      Zusammenfassend lässt sich zu dem von der belgischen Regierung angeführten ersten Rechtfertigungsgrund sagen: Ich bin nicht der Meinung, dass die Gefahr einer übermäßigen Belastung der öffentlichen Finanzlage grundsätzlich als Rechtfertigungsgrund für unmittelbare Diskriminierung beim Zugang zur Bildung zur Verfügung stehen sollte. Im Übrigen wurde (sollte entgegen meiner Auffassung dieser Rechtfertigungsgrund theoretisch doch allen Mitgliedstaaten zur Verfügung stehen) meines Erachtens das Vorliegen dieses Rechtfertigungsgrunds im vorliegenden Fall auch nicht dargetan.

 Beeinträchtigung der Qualität des Unterrichts

100. In den Materialien zum Dekret ist noch ein weiterer Rechtfertigungsgrund angeführt(66):

„Neben der finanziellen Belastung … ergibt sich auch das Problem der Qualität des Unterrichts. Gibt es zu viele Studenten, können ihnen keine quantitativ und qualitativ angemessenen Unterrichtsbedingungen garantiert werden. Es bestehen auch keine unbegrenzten Möglichkeiten für Praktika in einem beruflichen Umfeld.“

101. In dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahren hat die Französische Gemeinschaft geltend gemacht, das Dekret richte sich gegen die „absurden Folgen absoluter Mobilität“: dass nämlich eine ständig steigende Zahl nichtansässiger Studenten die Qualität des Unterrichts zulasten aller Studenten gefährde. Die Bildungseinrichtungen hätten nur beschränkte Kapazitäten zur Aufnahme von Studenten. Lehrkräfte, Haushaltsmittel und Möglichkeiten für eine praktische Ausbildung stünden nur begrenzt zur Verfügung.

102. Studierende und Dozenten kennen das Problem überfüllter Hörsäle. Es handelt sich um ein legitimes Bedenken. Der Gerichtshof hat festgestellt, dass „die Erhaltung und Verbesserung des Bildungssystems“(67) und „das Ziel, einen hohen Standard der Hochschulausbildung sicherzustellen“(68) legitime Ziele im Sinne des Vertrags sind. Für hierauf gestützte Beschränkungen gilt aber der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz: Sie müssen geeignet sein, das mit ihnen verfolgte Ziel zu verwirklichen, und dürfen nicht über das hinausgehen, was zu dessen Erreichung erforderlich ist.(69)

103. Aus den dem Gerichtshof vorliegenden Unterlagen geht hervor, dass dem Dekret in erster Linie Statistiken zugrunde liegen, die einen Anstieg der Zahl eingeschriebener Studenten ausweisen, die ihren Sekundarschulabschluss nicht in Belgien erworben haben. Dabei gibt es in den einzelnen vom Dekret erfassten Studiengängen erhebliche Unterschiede.(70) Daten über die Zahl nichtansässiger Studenten, die für die fraglichen Studiengänge eingeschrieben waren, standen vor Erlass des Dekrets nicht zur Verfügung. Insgesamt gewinnt man den deutlichen Eindruck, dass die Rechtsvorschriften, mit denen ein Einschreibungskontingent für nichtbelgische Studenten in einer Reihe recht unterschiedlich gearteter Studiengänge eingeführt wird, auf eher lückenhaften Angaben über einige Bereiche der Einschreibung von Studenten für diese Studiengänge beruhen. Das ist unzulässig. Um Missverständnissen vorzubeugen: Ich will damit nicht sagen, dass die Französische Gemeinschaft untätig hätte warten müssen, bis bestimmte Sektoren ihres Hochschulbildungssystems erheblich Schaden genommen haben, ehe sie Maßnahmen ergreifen durfte. Mein Argument lautet vielmehr, dass die konkreten Anhaltspunkte, die einen klugen Gesetzgeber legitimerweise zu dem Schluss gelangen lassen, dass ein sich entwickelndes konkretes Problem im Keim erstickt werden muss (und dass dementsprechend konkret ausgerichtete Maßnahmen notwendig und verhältnismäßig sind), bei Erlass des Dekrets – soweit ich aus den dem Gerichtshof vorliegenden Informationen ersehen kann – schlichtweg nicht vorlagen und/oder nicht geprüft wurden.

104. Außerdem scheinen mir Studentenzahlen, so sie denn ein Problem darstellen, nicht problematischer oder unproblematischer je nachdem zu sein, woher die zusätzlichen Studenten kommen. Das Problem besteht in der zu hohen Zahl der Studenten an sich, nicht in der zu hohen Zahl nichtansässiger Studenten. Mit dem Dekret wurde wohl eher die Absicht verfolgt, Belgiern den unbeschränkten Zugang zur Hochschulbildung zu erhalten, während er ausländischen Studenten (in erster Linie Studenten aus Frankreich), für die das System in der Französischen Gemeinschaft eine natürliche Alternative darstellt, erschwert wird. Ein solches, im Wesentlichen diskriminierendes Ziel ist mit den Zielen des Vertrags nicht vereinbar.(71)

105. Nach der bereits vorliegenden Rechtsprechung des Gerichtshofs kann einer überhöhten Nachfrage nach bestimmten Ausbildungsfächern mit dem Erlass spezifischer, nicht diskriminierender Maßnahmen, wie einer Aufnahmeprüfung oder dem Erfordernis einer Mindestnote, begegnet werden. Damit wird den Anforderungen von Art. 12 EG genügt.(72)

106. Einzelne Mitgliedstaaten mögen den unbegrenzten und freien Zugang zur Hochschulbildung erhalten wollen. Selbstverständlich ist ihnen das vollkommen freigestellt. Allerdings müssen sie dann auch bereit sein, diesen unbegrenzten und freien Zugang allen EU-Studenten ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit zu gewähren. Art. 12 EG verpflichtet jeden Mitgliedstaat dazu, eine vollständige Gleichbehandlung zwischen seinen Staatsangehörigen und den Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten, die sich in einer gemeinschaftsrechtlich geregelten Situation befinden, sicherzustellen.(73) Der Unionsbürgerstatus ist nämlich dazu bestimmt, der grundlegende Status der Angehörigen der Mitgliedstaaten zu sein, der es denjenigen unter ihnen, die sich in der gleichen Situation befinden, erlaubt, unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit die gleiche rechtliche Behandlung zu genießen.(74) Freier Zugang zur Bildung darf nicht bedeuten: „Freier Zugang – aber nur für unsere eigenen Staatsangehörigen“.

107. Eine restriktive Politik bezüglich des Zugangs zu bestimmten Studienfächern (wie sie von Frankreich praktiziert wird) ist grundsätzlich ebenso zulässig. Diese Gestaltungsmöglichkeit steht einem Mitgliedstaat ebenso offen wie die Gestaltungsmöglichkeit des unbegrenzten Zugangs. Belgien behauptet auch keineswegs, dass Frankreich mit seinem Verhalten gegen den EG-Vertrag verstoße. Ohnehin legitimiert nach ständiger Rechtsprechung eine mögliche Missachtung des Gemeinschaftsrechts durch einen Mitgliedstaat keine Ausgleichs- oder Abwehrmaßnahmen eines anderen Mitgliedstaats, die andernfalls rechtswidrig wären.(75) Dies gilt erst recht, wenn ein Mitgliedstaat diskriminierende Maßnahmen als Reaktion auf die Nebenfolgen einer legitimen politischen Entscheidung eines anderen Mitgliedstaats erlässt.

108. Es mag durchaus sein, dass weniger diskriminierende Maßnahmen das Ende der derzeitigen Regelung des unbeschränkten öffentlichen Zugangs zur Hochschulbildung für alle Belgier bedeuten. Ich sehe ein, dass dies als unerwünscht angesehen wird und dass es möglicherweise zweckmäßiger wäre, grenzüberschreitende Studentenströme (soweit entsprechender Handlungsbedarf besteht) auf Gemeinschaftsebene zu regeln.(76) Mangels einer solchen Regelung bringt jedoch die Tatsache, dass solche Änderungen erforderlich werden, die Notwendigkeit der Erfüllung der Verpflichtungen zum Ausdruck, die sich aus dem im Vertrag festgelegten Grundsatz der Gleichbehandlung ergeben.(77)

109. Belgien und bestimmte andere Mitgliedstaaten in ähnlicher Lage machen geltend, dass sie in besonderem Maß schutzlos seien.(78)

110. Die Probleme, mit denen die Französische Gemeinschaft in Belgien und die österreichische Regierung aufgrund des Zustroms ausländischer Studenten konfrontiert sind, die in der Lage oder bereit sind, ihr Studium auf Französisch bzw. auf Deutsch zu betreiben, sind jedoch keineswegs auf diese beiden Länder beschränkt. Auch andere Mitgliedstaaten mögen einen Zustrom von Studenten aus anderen Mitgliedstaaten zu bewältigen haben, der durch eine gemeinsame Sprache oder bestimmte andere Gegebenheiten bedingt ist.(79)

111. Nach den Materialien zum Dekret(80) würde eine Aufnahmeprüfung (die offensichtliche neutrale Lösung bei einer angenommenen Gefahr für die Qualität des Unterrichts aufgrund zu hoher Studentenzahlen)(81) diejenigen Studenten begünstigen, die aufgrund ihrer privilegierten sozialen Herkunft oder aus anderen Gründen die besten Voraussetzungen für das von ihnen in Aussicht genommene Studium mitbringen. Für diese Behauptung sind dem Gerichtshof keine empirischen Beweise vorgelegt worden. Sollte sie tatsächlich zutreffen, muss meines Erachtens auf andere Weise Abhilfe geschaffen werden. Das Problem als solches kann nicht den Rückgriff auf diskriminierende Maßnahmen rechtfertigen, die gegen das Gemeinschaftsrecht verstoßen.

112. Es ist durchaus vorstellbar, dass in bestimmten Situationen das Bestehen einer realen, schwerwiegenden und unmittelbaren Gefahr für die Qualität des Hochschulunterrichts in einem bestimmten Bereich nachweisbar ist. In einem solchen Fall mag der Gerichtshof erneut der Frage nachgehen wollen, ob mittelbar diskriminierende Maßnahmen zur Abwehr dieser Gefahr grundsätzlich objektiv gerechtfertigt sein können. Selbst wenn im vorliegenden Verfahren eine solche Rechtfertigung theoretisch möglich sein sollte (eine Frage, die ich ausdrücklich offen lasse), genügt das Vorbringen vor dem Gerichtshof nicht im Entferntesten, um eine diskriminierende Behandlung zu rechtfertigen.

113. Ich komme daher zu dem Ergebnis, dass die in dem fraglichen Dekret vorgesehenen Maßnahmen nicht mit der vermeintlichen Beeinträchtigung der Qualität des Hochschulunterrichts in der Französischen Gemeinschaft gerechtfertigt werden können.

 Qualität des öffentlichen Gesundheitssystems

114. Als letzter Rechtfertigungsgrund wird vorgetragen, dass zu wenige in der Französischen Gemeinschaft ansässige (im Gegensatz zu nicht dort ansässigen) Studenten ein Diplom in bestimmten Fachgebieten erhielten. Auf Dauer sei daher nicht genügend medizinisches Fachpersonal vorhanden, um die Qualität des öffentlichen Gesundheitssystems in dieser Gemeinschaft zu gewährleisten.

115. Die Materialien zum Dekret konzentrieren sich insoweit auf das Fach Veterinärmedizin, für das die Französische Gemeinschaft in den Jahren 2003, 2004 und 2005 offenbar eine Aufnahmeprüfung organisiert hat. Bei der Prüfung 2005 hatten nur 192 der insgesamt 795 Studienbewerber ihren Sekundarschulabschluss in der Französischen Gemeinschaft erworben. Unter den 250 erfolgreichen Bewerbern (diese Zahl war vom Gesetzgeber festgelegt) waren 216 Inhaber eines ausländischen Sekundarschulabschlusses. Daraus ergibt sich, dass lediglich 34 in der Französischen Gemeinschaft ausgebildete Kandidaten das Studium der Veterinärmedizin aufnehmen konnten.(82) Der Dekretgeber zieht daraus folgenden Schluss(83):

„Diese Zahl reicht eindeutig nicht aus. Wenn keine Maßnahmen getroffen werden, läuft die Französische Gemeinschaft Gefahr, dass ein Mangel an Veterinärmedizinern entsteht. Es besteht die signifikante Wahrscheinlichkeit, dass die unzureichende Zahl von Veterinärmedizinern nicht durch Veterinärmediziner aus anderen Staaten ausgeglichen wird, und zwar wegen der dort bestehenden Beschränkungen. Es liegt auf der Hand, dass ein solcher Mangel an Veterinärmedizinern eine sehr schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Gesundheit bedeuten kann.“

116. In Vertragsverletzungsverfahren verlangt der Gerichtshof eine eingehende Prüfung des Risikos, das der Mitgliedstaat geltend macht, der sich auf eine Ausnahme aus Gründen der öffentlichen Gesundheit nach Art. 30 EG beruft.(84) Ein ähnlicher Prüfungsstandard gilt im Vorabentscheidungsverfahren(85), wenngleich die abschließende Feststellung des Sachverhalts selbstverständlich Sache des nationalen Gerichts ist.

117. Meines Erachtens zeigen die von Belgien zur Verfügung gestellten Angaben in den Gerichtsakten, dass die Risikoprüfung, auf die sich die mit dem Schutz der öffentlichen Gesundheit begründete Rechtfertigung stützt, diesen Anforderungen bei Weitem nicht genügt.

118. Erstens ist – wie sich aus den schriftlichen Erklärungen der belgischen Regierung ergibt – der potenzielle Mangel an Veterinärmedizinern durch die von der Französischen Gemeinschaft selbst geschaffene Regelung bedingt, nämlich durch die Reduzierung der Zahl der Studenten der Veterinärwissenschaften zur Gewährleistung der Qualität des Unterrichts. Es ist (gelinde ausgedrückt) logisch kurios, wenn Maßnahmen zur Wahrung der Unterrichtsqualität (ein für die erlassenen diskriminierenden Maßnahmen nachdrücklich angeführter Rechtfertigungsgrund) die belgische Regierung gleichzeitig dazu veranlassen können sollen, sich auf den potenziellen Mangel an ausreichend qualifiziertem Personal im Gesundheitswesen zu berufen.

119. Zweitens lässt sich den dem Gerichtshof vorliegenden Unterlagen entnehmen, dass das vermeintliche möglicherweise zukünftig auftretende Problem auf eine Kombination (zumindest) der nachstehenden Faktoren zurückzuführen ist: (i) Mangel an Bewerbern, die ihren Sekundarschulabschluss in der Französischen Gemeinschaft erworben haben, die Veterinärmedizin studieren wollen und die gut genug sind, um sich gegen die Konkurrenz der anderen Bewerber aus der EU durchzusetzen und einen der 250 Studienplätze im Fach Veterinärwissenschaften zu erhalten; (ii) Vermutung, dass die zum Studium der Veterinärwissenschaften zugelassenen Studenten, die ihren Sekundarschulabschluss nicht in der Französischen Gemeinschaft erworben haben, nach Abschluss des Studiums in der Mehrzahl automatisch wieder in ihren jeweiligen Herkunftsmitgliedstaat zurückkehren werden. Unter diesen beiden Faktoren findet (i) offenbar eine gewisse Grundlage in der Statistik(86); bei (ii) handelt es sich jedoch um eine reine Vermutung. Dabei wird insbesondere davon ausgegangen, dass nichtbelgische Veterinärmediziner nach Erwerb des Hochschulabschlusses ungeachtet der örtlichen Beschäftigungsmöglichkeiten generell wieder in ihren eigenen Mitgliedstaat zurückkehren. Man sollte eigentlich (ganz im Gegenteil) annehmen, dass im Fall eines Mangels an qualifizierten Veterinärmedizinern im französischsprachigen Teil Belgiens dieser Mangel eine Reaktion (seitens des Marktes oder seitens der öffentlichen Stellen) auslösen würde, die die örtlichen Beschäftigungsmöglichkeiten attraktiver macht und einige der neu qualifizierten nichtbelgischen Veterinärmediziner zum Eintritt in ihren Beruf in dem Mitgliedstaat veranlasst, in dem sie ihre Ausbildung absolviert haben.

120. Drittens steht entweder der Französischen Gemeinschaft oder der Föderalregierung (oder beiden im Zusammenwirken)(87) das benötigte gesetzgeberische Instrumentarium zur Verfügung, um das potenzielle Problem in Angriff nehmen zu können. Zu den Lösungsmöglichkeiten, die in den dem Gerichtshof vorliegenden Unterlagen erwähnt sind, gehören eine Änderung der Zahl der Veterinärmediziner, die jährlich zum Erwerb des Hochschulabschlusses oder zum zweiten (klinischen) Teil des Studiums der Veterinärmedizin zugelassen werden(88), Zusammenarbeit zwischen den Sekundarschulen und den Fakultäten zur Anhebung des Niveaus der voruniversitären Ausbildung, um sicherzustellen, dass genügend Belgier den auf einen geeigneten Standard festgesetzten Prüfungsanforderungen genügen, sowie Einführung eines vorbereitenden Studienjahrs, das die angehenden Veterinärmediziner besser für das eigentliche Universitätsstudium rüstet.(89)

121. Mir ist klar, dass die Durchführung derartiger Maßnahmen auf praktische Schwierigkeiten stoßen mag. Nach ständiger Rechtsprechung können jedoch praktische Schwierigkeiten allein keine Verletzung einer durch den Vertrag garantierten Freiheit rechtfertigen.(90)

122. Im Übrigen hat die Gesetzgebungsabteilung des belgischen Staatsrats festgestellt, dass die Verhältnisse im Fach Veterinärmedizin nicht unbedingt auch in anderen Studiengängen anzutreffen seien. So entspricht trotz der föderal festgelegten Quote für das Studium der Heilgymnastik die Zahl derjenigen, die einen Abschluss erwerben und ihren Beruf in Belgien ausüben wollen, offenbar annähernd dem von der Föderalregierung geschätzten Bedarf in diesem Fach.(91)

123. Viertens ist „ein Student … aufgrund der im Rahmen seines Studiums erlangten Kenntnisse im Allgemeinen nicht für einen gegebenen räumlichen Arbeitsmarkt bestimmt“(92). Nichtansässige, die ein Diplom in der Französischen Gemeinschaft erwerben, könnten daher durch geeignete Anreize dazu veranlasst werden, dort in das Berufsleben einzutreten, wo sie studiert haben.

124. Diese Feststellungen gelten entsprechend auch für die anderen vom Dekret erfassten Studiengänge.

125. Was eine etwaige Rechtfertigung aus Gründen der öffentlichen Gesundheit betrifft, scheint das Dekret im Wesentlichen einen präventiven Zweck zu verfolgen. Sofern dem nationalen Gericht nicht wesentlich stichhaltigere Angaben gemacht werden, als sie dem Gerichtshof vorliegen, halte ich das Erfordernis der Verhältnismäßigkeit unter diesen Umständen für nicht erfüllt.(93) Wenn es um eine diskriminierende Behandlung als Vorbeugungsmaßnahme gegen ein vermeintliches zukünftiges Problem geht, muss das Erfordernis der Verhältnismäßigkeit besonders sorgfältig beachtet werden.

126. Ausgehend von den dem Gerichtshof vorliegenden Unterlagen komme ich zu dem Ergebnis, dass das angefochtene Dekret nicht damit gerechtfertigt werden kann, dass zu wenig in der Französischen Gemeinschaft ansässige Studenten ihr Diplom erhalten, damit auf Dauer ausreichend geschultes medizinisches Personal vorhanden ist, um die Qualität des öffentlichen Gesundheitssystems in dieser Gemeinschaft zu gewährleisten.

 Ergebnis bezüglich der ersten kumulativen Voraussetzung in Art. 1 Abs. 1 des Dekrets

127. Demzufolge kann das (mittelbar diskriminierende) Wohnorterfordernis in Art. 1 Abs. 1 des Dekrets aus keinem der von Belgien angeführten Gründe gerechtfertigt werden.

 Zur zweiten kumulativen Voraussetzung in Art. 1 Abs. 1 des Dekrets

128. Soweit ich sehe, hat der Gerichtshof noch nie entschieden, dass die Rechtfertigung einer Maßnahme möglich ist, die unter Verstoß gegen Art. 12 EG aus Gründen der Staatsangehörigkeit unmittelbar diskriminiert.(94) Ich habe bereits oben dargelegt, warum ich die zweite kumulative Voraussetzung im angefochtenen Dekret für eine unmittelbare Diskriminierung halte.(95)

129. Der bisherige Standpunkt des Gerichtshofs erscheint logisch. Eine unmittelbare Diskriminierung aus nach dem Vertrag unzulässigen Gründen läuft der Grundidee einer Europäischen Union dermaßen zuwider, dass sie nur aus triftigem Grund toleriert werden kann. Nach ständiger Rechtsprechung kann eine solche Diskriminierung nur aufgrund ausdrücklicher Ausnahmebestimmungen des Vertrags gerechtfertigt werden.(96) Der Vertrag enthält keine solche Ausnahmebestimmung für das in Art. 12 EG verankerte generelle Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit.(97)

130. Das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit hat eine enorme symbolische Bedeutung. Wie Generalanwalt Jacobs so treffend ausgeführt hat, zeigt es, dass die Gemeinschaft „nicht nur eine wirtschaftliche Vereinbarung zwischen den Regierungen der Mitgliedstaaten ist, sondern ein gemeinsames Unternehmen, an dem alle Bürger Europas als Einzelne teilhaben können … Kein anderer Aspekt des Gemeinschaftsrechts berührt den Einzelnen unmittelbarer oder trägt mehr dazu bei, das Gefühl einer gemeinsamen Identität und eines gemeinsamen Schicksals zu fördern, ohne das der in der Präambel des Vertrages proklamierte ‚immer engere Zusammenschluss der europäischen Völker‘ eine leere Phrase wäre.“(98)

131. Sollte der Gerichtshof dennoch dem Gedanken nähertreten wollen, dass die Rechtfertigung einer von Art. 12 EG erfassten unmittelbaren Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit grundsätzlich möglich ist, verweise ich auf die (vorstehend dargelegten) Gründe, aus denen ich der Meinung bin, dass die im angefochtenen Dekret vorgesehene mittelbar diskriminierende erste kumulative Voraussetzung nicht gerechtfertigt werden kann. Diese Überlegungen müssen erst recht für die im Dekret vorgesehene zweite kumulative Voraussetzung gelten.

 Ergebnis bezüglich der zweiten kumulativen Voraussetzung in Art. 1 Abs. 1 des Dekrets

132. Demzufolge kann die Bestimmung in Art. 1 Abs. 1 des Dekrets (der zufolge belgische Staatsangehörige automatisch die zweite kumulative Voraussetzung erfüllen, weil sie das untrennbar mit ihrer Staatsangehörigkeit verbundene Recht besitzen, sich ständig in Belgien aufzuhalten, während alle Ausländer – einschließlich aller anderen Unionsbürger – entweder eine der in der genannten Bestimmung aufgeführten anderen sieben Bedingungen oder die Erfordernisse der Richtlinie 2004/38/EG erfüllen müssen) nicht gerechtfertigt werden.

 Antwort auf die erste und zweite Frage

133. Wollte man die von der Französischen Gemeinschaft eingeführten Beschränkungen anerkennen, hieße das, den Mitgliedstaaten zu gestatten, ihre Systeme der Hochschulbildung aufzusplittern.(99) Der Gerichtshof sollte daher nur mit größter Zurückhaltung anerkennen, dass der Zugang zur Hochschulbildung beschränkt werden darf, selbst wenn dies durch mittelbar diskriminierende Maßnahmen erfolgt, die dem Erfordernis der Verhältnismäßigkeit genügen (was – soweit aus den dem Gerichtshof vorliegenden Unterlagen ersichtlich – bei den belgischen Maßnahmen nicht der Fall ist). Der Gerichtshof sollte nicht zur Duldung von Maßnahmen bereit sein, die auf dieser Grundlage zu diesem Zweck unmittelbar diskriminieren.

134. Ich komme daher zu dem Ergebnis, dass Art. 12 Abs. 1 EG und Art. 18 Abs. 1 EG in Verbindung mit Art. 149 Abs. 1 und 2 zweiter Gedankenstrich EG sowie mit Art. 150 Abs. 2 dritter Gedankenstrich EG in dem Sinne auszulegen sind, dass diese Bestimmungen Maßnahmen entgegenstehen, wie sie in dem von der Französischen Gemeinschaft Belgiens erlassenen Dekret zur Regelung der Studentenzahl in bestimmten Kursen des ersten Zyklus des Hochschulunterrichts enthalten sind.

 Zur dritten Frage

135. Die dritte Frage des vorlegenden Gerichts lautet, ob es für die Beantwortung der ersten Frage einen Unterschied macht, wenn die Französische Gemeinschaft sich unter Berücksichtigung der Vorschriften von Art. 149 Abs. 1 a. E. EG und Art. 13 Abs. 2 Buchst. c ICESCR(100), der eine Stillhalteverpflichtung enthalte, für die Aufrechterhaltung eines sehr breiten und demokratischen Zugangs zu einem Hochschulunterricht von guter Qualität für die Bevölkerung dieser Gemeinschaft entscheidet.

136. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs gehört der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR)(101) zu den völkerrechtlichen Instrumenten zum Schutz der Menschenrechte, denen er bei der Anwendung der allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts Rechnung trägt.(102) Meines Erachtens sollte das Gleiche auch für den ICESCR gelten, der ebenso wie der ICCPR jeden der Mitgliedstaaten bindet.(103)

137. Das vorlegende Gericht weist zu Recht darauf hin, dass Art. 13 Abs. 2 Buchst. c ICESCR eine Stillhalteverpflichtung enthält, soweit darin die „allmähliche Einführung der Unentgeltlichkeit [des Hochschulunterrichts]“ vorgeschrieben ist.

138. Gemäß der Allgemeinen Bemerkung zu dieser Vorschrift ist das in Art. 2 Abs. 2 ICESCR verankerte Diskriminierungsverbot „weder allmählich zu verwirklichen noch von der Verfügbarkeit von Ressourcen abhängig. Es findet in vollem Umfang und umgehend auf alle Aspekte der Bildung Anwendung und umfasst alle völkerrechtlich unzulässigen Gründe der Diskriminierung.“(104) Zur Veranschaulichung heißt es in der Allgemeinen Bemerkung weiter: „Verstöße gegen Artikel 13 umfassen beispielsweise den Erlass von Rechtsvorschriften, die Einzelpersonen oder Gruppen im Bildungsbereich aus einem der unzulässigen Gründe diskriminieren, oder das Versäumnis, derartige Rechtsvorschriften aufzuheben.“(105) In Art. 2 Abs. 2 ICESCR ist unter den unzulässigen Gründen die „nationale oder soziale Herkunft“ aufgeführt.

139. Art. 13 ICESCR ist im Wesentlichen eine Vorschrift, die aus unzulässigen Gründen erfolgende Diskriminierungen beim Zugang zur Bildung untersagt. Der Versuch, sich zur Rechtfertigung einer Maßnahme, die offenkundig aus einem der sowohl nach Art. 12 EG als auch nach Art. 2 Abs. 2 ICESCR ausdrücklich unzulässigen Gründe diskriminiert, auf Art. 13 Abs. 2 Buchst. c ICESCR zu berufen, ist daher unverständlich.(106) (Tatsächlich waren es die Kläger des Ausgangsverfahrens, die sich zur Anfechtung des Dekrets zum Teil auf Art. 13 ICESCR berufen haben.)

140. Der Vollständigkeit halber sei noch angemerkt, dass es in der Allgemeinen Erklärung zu Art. 13 Abs. 2 Buchst. c ICESCR außerdem heißt: „Während die Sekundarschulbildung ‚allgemein verfügbar und jedermann zugänglich gemacht werden [muss]‘, muss die Hochschulbildung ‚jedermann gleichermaßen entsprechend seinen Fähigkeiten zugänglich gemacht werden‘. Gemäß Artikel 13 (2) (c) muss die Hochschulbildung nicht ‚allgemein verfügbar‘, sondern lediglich ‚entsprechend [den] Fähigkeiten‘ verfügbar sein. Die ‚Fähigkeiten‘ des Einzelnen sollen anhand seiner gesamten einschlägigen Fachkenntnisse und Erfahrungen bewertet werden.“(107)

141. Zu Art. 149 Abs. 1 EG wiederhole ich, dass nach dieser Vorschrift die Mitgliedstaaten zwar für „die Lehrinhalte und die Gestaltung des Bildungssystems sowie der Vielfalt ihrer Kulturen und Sprachen“ verantwortlich bleiben, dass der Gerichtshof jedoch ausgeführt hat, dass die Voraussetzungen für den Zugang zur Berufsausbildung in den Anwendungsbereich des EG-Vertrags fallen.(108) Überdies müssen nach ständiger Rechtsprechung selbst in Angelegenheiten, die nicht in den Geltungsbereich des Vertrags fallen (was auf bestimmte Aspekte der Bildungspolitik zutrifft), die bei den Mitgliedstaaten verbliebenen Zuständigkeiten unter Beachtung des Gemeinschaftsrechts ausgeübt werden, und zwar insbesondere unter Beachtung der Bestimmungen des EG-Vertrags über das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, wie es durch Art. 18 Abs. 1 EG verliehen wird.(109)

142. Das Diskriminierungsverbot ist in der Tat als Grundstein des Vertrags anzusehen, eben weil es die Regelungsautonomie der Mitgliedstaaten unangetastet lässt – vorausgesetzt, ihre Rechtsvorschriften finden gleichermaßen auf ihre eigenen Staatsangehörigen und auf Ausländer Anwendung. Der entscheidende Grundgedanke ist, dass alle Unionsbürger ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit als Einzelne behandelt werden müssen.(110) „Freier und gleicher Zugang zur Bildung für alle“ bedeutet daher genau das, was der Wortlaut besagt. Er darf nicht bedeuten „freier und gleicher Zugang zur Bildung für alle meine Staatsangehörigen“.

143. Ich räume ein, dass die Probleme, mit denen die Französische Gemeinschaft konfrontiert ist, nicht unbedeutend sind. Sie müssen jedoch in einer Art und Weise bewältigt werden, die nicht einer „Gleichbehandlung derjenigen, die sich im magischen Kreis befinden“(111) (hier belgischer Staatsangehöriger) gleichkommt, sondern die den „grundlegenden Status“ der Unionsbürgerschaft achtet, indem gleicher Zugang zur Bildung für alle Unionsbürger ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit gewährleistet wird.

144. Die Antwort auf die erste und die zweite Frage verliert daher durch Art. 149 Abs. 1 a. E. EG keineswegs ihre Gültigkeit. Sie wird vielmehr durch eine richtige Auslegung von Art. 13 Abs. 2 Buchst. c ICESCR bekräftigt.

 Zum Antrag auf zeitliche Beschränkung der Wirkungen des Urteils

145. Die belgische Regierung hat den Gerichtshof ersucht, die Wirkungen seines Urteils zeitlich zu beschränken, sofern er Art. 12 EG so auslegen sollte, dass er nationalen Rechtsvorschriften wie dem streitigen Dekret entgegensteht.

146. Für ihr Ersuchen führt die belgische Regierung folgende Gründe an: die Auswirkungen auf die öffentliche Finanzlage der Französischen Gemeinschaft, die Tatsache, dass das Dekret eigens dazu bestimmt war, eine mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs und mit dem Gemeinschaftsrecht konforme Regelung zu schaffen, die Tatsache, dass die Kommission angedeutet habe, dass die Regelung möglicherweise gerechtfertigt sei, und das Fehlen einschlägiger Rechtsprechung.

147. Nach seiner ständigen Rechtsprechung kann der Gerichtshof die für die Betroffenen bestehende Möglichkeit, sich auf die Auslegung, die er einer Bestimmung gegeben hat, zu berufen, nur ganz ausnahmsweise beschränken. Beschränkt der Gerichtshof die Wirkungen eines Urteils in dieser Weise, geschieht dies aufgrund des allgemeinen gemeinschaftsrechtlichen Grundsatzes der Rechtssicherheit. Eine solche Beschränkung ist nur dann zulässig, wenn zwei grundlegende Kriterien erfüllt sind, nämlich guter Glaube derjenigen, zu deren Gunsten die zeitliche Beschränkung beantragt wird, und die Gefahr schwerwiegender Störungen.(112)

148. Der Gerichtshof hat eine zeitliche Beschränkung nur unter ganz bestimmten Umständen angeordnet, wenn die Gefahr schwerwiegender wirtschaftlicher Auswirkungen bestand, die insbesondere mit der großen Zahl von Rechtsverhältnissen zusammenhingen, die gutgläubig auf der Grundlage der als gültig betrachteten Regelung eingegangen worden waren, und wenn sich herausstellte, dass die Einzelnen und die nationalen Behörden zu einem mit der Gemeinschaftsregelung unvereinbaren Verhalten veranlasst worden waren, weil eine objektive, bedeutende Unsicherheit hinsichtlich der Tragweite der Gemeinschaftsbestimmungen bestand, zu der eventuell auch das Verhalten anderer Mitgliedstaaten oder der Kommission der Europäischen Gemeinschaften beigetragen hatte. Die finanziellen Konsequenzen, die sich aus einem im Vorabentscheidungsverfahren ergangenen Urteil für einen Mitgliedstaat ergeben können, können für sich allein nicht die zeitliche Begrenzung der Wirkungen dieses Urteils rechtfertigen.(113)

149. In der vorliegenden Rechtssache kann dahingestellt bleiben, inwieweit das sonstige Vorbringen Belgiens durchgreift; jedenfalls hat es dem Gerichtshof nichts vorgetragen, um nachzuweisen, dass eine solche Gefahr schwerwiegender wirtschaftlicher Auswirkungen bestehe.

150. Folglich ist es nicht angebracht, dass der Gerichtshof, wenn er feststellen sollte, dass Art. 12 EG nationalen Rechtsvorschriften wie dem angefochtenen Dekret entgegensteht, die Wirkungen dieser Entscheidung zeitlich begrenzt.

 Schlussbemerkung

151. Ich habe auf die Bedeutung einer auf Gleichbehandlung beruhenden Freizügigkeit der Studenten für die Entwicklung der Union hingewiesen. Andererseits darf die EU aber auch nicht die sehr realen Probleme ignorieren, die in denjenigen Mitgliedstaaten entstehen können, die viele Studenten aus anderen Mitgliedstaaten aufnehmen.(114)

152. Gemäß dem Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit(115) sind Maßnahmen der Gemeinschaft nur gerechtfertigt, wenn „[d]ie Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen … nicht ausreichend durch Maßnahmen der Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer Verfassungsordnung erreicht werden [können] und … daher besser durch Maßnahmen der Gemeinschaft erreicht werden [können]“. Das Protokoll sieht außerdem vor, dass folgende Leitlinien bei der Prüfung der Frage, ob die genannte Voraussetzung erfüllt ist, befolgt werden: (i) Der betreffende Bereich weist transnationale Aspekte auf, die durch Maßnahmen der Mitgliedstaaten nicht ausreichend geregelt werden können, (ii) alleinige Maßnahmen der Mitgliedstaaten oder das Fehlen von Gemeinschaftsmaßnahmen würden gegen die Anforderungen des Vertrags verstoßen oder auf sonstige Weise die Interessen der Mitgliedstaaten erheblich beeinträchtigen, (iii) Maßnahmen auf Gemeinschaftsebene würden wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen im Vergleich zu Maßnahmen auf der Ebene der Mitgliedstaaten deutliche Vorteile mit sich bringen.

153. Meines Erachtens sollten der Gemeinschaftsgesetzgeber und die Mitgliedstaaten über die Anwendung dieser Kriterien auf den Bereich der Freizügigkeit der Studenten zwischen den Mitgliedstaaten nachdenken.(116)

154. Zum Abschluss sei daran erinnert, dass zu den in Art. 2 EG aufgeführten Zielen auch die Förderung der Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten gehört und dass den Mitgliedstaaten nach Art. 10 EG eine gegenseitige Pflicht zu vertrauensvoller Zusammenarbeit obliegt.(117) Diese Bestimmungen scheinen mir hier äußerst passend zu sein. Wenn die sprachlichen Gegebenheiten und die voneinander abweichenden nationalen Politiken im Bereich des Zugangs zur Hochschulbildung zu einem besonders hohen Zulauf von Studenten führen, der reale Probleme im Aufnahmemitgliedstaat verursacht, sind doch sicherlich beide – Aufnahmemitgliedstaat und Herkunftsmitgliedstaat – gehalten, sich aktiv um eine vertragskonforme Verhandlungslösung zu bemühen.

 Ergebnis

155. Demnach bin ich der Ansicht, dass die vom Verfassungsgerichtshof (Belgien) vorgelegten Fragen wie folgt beantwortet werden sollten:

Fragen 1 und 2

Art. 12 Abs. 1 EG und Art. 18 Abs. 1 EG in Verbindung mit Art. 149 Abs. 1 und 2 zweiter Gedankenstrich EG sowie mit Art. 150 Abs. 2 dritter Gedankenstrich EG sind in dem Sinne auszulegen, dass diese Bestimmungen Maßnahmen entgegenstehen, wie sie in dem von der Französischen Gemeinschaft Belgiens erlassenen Dekret zur Regelung der Studentenzahl in bestimmten Kursen des ersten Zyklus des Hochschulunterrichts enthalten sind.

Frage 3

Die Berücksichtigung von Art. 149 Abs. 1 a. E. EG und Art. 13 Abs. 2 Buchst. c des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte lässt die Antwort auf die ersten beiden Fragen unberührt.


1 – Originalsprache: Englisch.


2 – Vgl. den historischen Überblick in den Schlussanträgen von Generalanwalt Ruiz-Jarabo Colomer in der Rechtssache Morgan und Bucher (C‑11/06 und C‑12/06, Urteil vom 23. Oktober 2007, Slg. 2007, I‑9161, Nrn. 37 bis 47). Vor Kurzem haben die Hochschulministerinnen und -minister der 46 am Bologna-Prozess beteiligten Länder Mobilität als „Schlüsselelement des Europäischen Hochschulraums“ bezeichnet und „jedes Land zur Verstärkung der Mobilität“ aufgefordert: Kommuniqué der Konferenz der europäischen Hochschulministerinnen und ‑minister am 28. und 29. April 2009, Nr. 18 (im Internet abrufbar unter http://europa.eu/rapid/pressReleasesAction.do?reference=IP/09/675&format=HTML&aged=0&language=EN&guiLanguage=en).


3 – Belgisches Staatsblatt vom 6. Juli 2006, S. 34 055. Das Dekret wurde zuletzt geändert durch das Dekret vom 18. Juli 2008 zur Festlegung der Voraussetzungen für die Erlangung der akademischen Grade Hebamme-Bachelor und Krankenpflege-Bachelor, zur Verstärkung der Mobilität der Studierenden und mit verschiedenen den Hochschulunterricht betreffenden Maßnahmen, Belgisches Staatsblatt vom 10. September 2008, S. 47 115. In den vorliegenden Schlussanträgen beziehe ich mich auf die ursprüngliche Fassung des Dekrets, die in der Vorlageentscheidung angeführt ist. Dekrete sind Rechtsakte, mit denen die drei Gemeinschaften Belgiens sowie die Flämische Region und die Wallonische Region ihre Gesetzgebungsbefugnisse ausüben. Dekrete haben Gesetzeskraft. Vgl. Art. 127 § 2, 128 § 2, 129 § 2, 130 § 2 und 134 Abs. 2 der Verfassung Belgiens, Art. 19 Abs. 2 des Sondergesetzes zur Reform der Institutionen vom 8. August 1980, Belgisches Staatsblatt vom 15. August 1980, sowie meine Schlussanträge in der Rechtssache Gouvernement de la Communauté française und Gouvernement wallon (C‑212/06, Urteil vom 1. April 2008, Slg. 2008, I‑1683, Nrn. 4 bis 7).


4 – Von der Generalversammlung der Vereinten Nationen angenommen und mit Resolution 2200A (XXI) vom 16. Dezember 1966 zur Unterzeichnung, zur Ratifikation und zum Beitritt aufgelegt. Der Pakt ist gemäß seinem Art. 27 am 3. Januar 1976 in Kraft getreten.


5 – Die in den vorliegenden Schlussanträgen herangezogenen belgischen Rechtsvorschriften und Materialien zu diesen Vorschriften sind frei übersetzt.


6 – Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG (berichtigte Fassung in ABl. L 229, S. 35).


7 – Am selben Tag richtete die Kommission ein Mahnschreiben an Österreich wegen Nichtbefolgung des Urteils des Gerichtshofs vom 7. Juli 2005, Kommission/Österreich (C‑147/04, Slg. 2005, I‑5969). Auch dieses Verfahren hat die Kommission ausgesetzt.


8 – Vgl. Urteile vom 13. Februar 1985, Gravier (293/83, Slg. 1985, 593, Randnr. 25), vom 27. September 1988, Kommission/Belgien (42/87, Slg. 1988, 5445, Randnrn. 7 f.), vom 1. Juli 2004, Kommission/Belgien (C‑65/03, Slg. 2004, I‑6427, Randnr. 25), Kommission/Österreich, in Fn. 7 angeführt, Randnr. 32, und vom 11. Januar 2007, Lyyski (C‑40/05, Slg. 2007, I‑99, Randnr. 28).


9 – Urteil Kommission/Belgien (C‑65/03), in Fn. 8 angeführt, Randnr. 25.


10 – Urteile Kommission/Österreich, in Fn. 7 angeführt, Randnr. 33, und Lyyski, in Fn. 8 angeführt, Randnr. 29. Im Urteil vom 2. Februar 1988, Blaizot (24/86, Slg. 1988, 379, Randnrn. 15 bis 20), scheint der Gerichtshof eine restriktivere Linie verfolgt zu haben. In jenem Urteil hat er festgestellt, dass ein Universitätsstudium unter den Begriff der „Berufsausbildung“ falle, soweit es auf eine Qualifikation für einen bestimmten Beruf oder eine bestimmte Beschäftigung vorbereite oder die besondere Befähigung zur Ausübung eines solchen Berufs oder einer solchen Beschäftigung verleihe. Dies sei „nicht nur dann der Fall …, wenn der Studienabschluss die unmittelbare Qualifikation zur Ausübung eines bestimmten Berufs oder einer bestimmten Beschäftigung, die eine solche Qualifikation voraussetzen, verleiht, sondern auch insoweit, als dieses Studium besondere Fähigkeiten vermittelt, d. h., wenn der Student für die Ausübung eines Berufs oder einer Beschäftigung der erworbenen Kenntnisse bedarf, selbst wenn dieser Erwerb für die Berufsausübung nicht in Rechts- oder Verwaltungsvorschriften vorgeschrieben ist“. Der Gerichtshof kam zu dem Ergebnis, dass Hochschulstudiengänge diese Voraussetzungen im Allgemeinen erfüllten. „Etwas anderes gilt nur für bestimmte besondere Studiengänge, die sich aufgrund ihrer Eigenart an Personen richten, die eher ihre Allgemeinkenntnisse vertiefen wollen als dass sie einen Zugang zum Berufsleben anstrebten.“ Die im vorliegenden Fall in Rede stehenden Studiengänge gehören jedenfalls eindeutig zur Berufsausbildung.


11 – Vgl. die näheren Ausführungen unten, Nr. 78.


12 – Vgl. oben, Nr. 12.


13 – Vgl. auch die Materialien zum Dekret: Parl. Dok., Parlament der Französischen Gemeinschaft, 2005-2006, Nr. 263/1, S. 16 f.; ebd., Nr. 263/3, S. 18; Gutachten der Gesetzgebungsabteilung des belgischen Staatsrats, Parl. Dok., Parlament der Französischen Gemeinschaft, 2005-2006, Nr. 263/1, S. 50.


14 – Art. 16 der Richtlinie 2004/38/EG.


15 – Vgl. oben, Nr. 28.


16 – Vgl. Urteil vom 16. Dezember 2008, Arcelor Atlantique et Lorraine u. a. (C‑127/07, Slg. 2008, I‑0000, Randnr. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung). Im Urteil vom 23. April 2009, Rüffler (C‑544/07, Slg. 2009, I‑0000, Randnr. 59), wird die klassische Definition speziell im Hinblick auf das in Art. 12 EG verankerte Diskriminierungsverbot bekräftigt.


17 – Vgl. in ähnlichem Sinne die Schlussanträge von Generalanwalt Van Gerven in der Rechtssache Roberts (C‑132/92, Urteil vom 9. November 1993, Slg. 1993, I‑5579, Nrn. 12 bis 14).


18 – Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen (Neufassung) (ABl. L 204, S. 23).


19 – Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft (ABl. L 180, S. 22).


20 – Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. L 303, S. 16).


21 – Vgl. Art. 2 Abs. 1 Buchst. a der Geschlechterdiskriminierungsrichtlinie, Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Rassendiskriminierungsrichtlinie und Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Gleichbehandlung-Rahmenrichtlinie.


22 – Vgl. Art. 2 Abs. 1 Buchst. b der Geschlechterdiskriminierungsrichtlinie, Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Rassendiskriminierungsrichtlinie und Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Gleichbehandlung-Rahmenrichtlinie.


23 – Vgl. Urteile Kommission/Belgien (C‑65/03), in Fn. 8 angeführt, Randnr. 28 (Hervorhebung nur hier) und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie – bezüglich Art. 39 Abs. 2 EG – vom 11. September 2008, Petersen (C‑228/07, Slg. 2008, I‑0000, Randnr. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung).


24 – Urteil Petersen, in Fn. 23 angeführt, Randnr. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung.


25 – Urteil vom 8. April 1976, Defrenne (43/75, Slg. 1976, 455, Randnr. 16/20). Zu dieser Unterscheidung, mit der nach der anscheinend vom Gerichtshof vertretenen Auffassung der Unterschied zwischen unmittelbarer Geltung und dem Fehlen einer solchen Geltung einhergeht, vgl. auch die Bemerkungen von Generalanwalt Warner in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Worringham und Humphreys/Lloyds Bank (69/80, Urteil vom 11. März 1981, Slg. 1981, 767, S. 802 f.).


26 – Vgl. in ähnlichem Sinne Ellis, E., EU Anti-Discrimination Law (2005), S. 89 f. Vgl. auch Generalanwalt VerLoren van Themaat, der in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Burton/British Railways Board (19/81, Urteil vom 16. Februar 1982, Slg. 1982, 554, Nr. 2.6) ausführt, der Gerichtshof habe mit seinem Urteil vom 31. März 1981, Jenkins/Kingsgate (96/80, Slg. 1981, 911), klargestellt, dass „der für die unmittelbare Anwendbarkeit von Artikel 119 bedeutsame Unterschied zwischen unmittelbaren und mittelbaren Diskriminierungen aus [dem] zweiten Urteil Defrenne nicht mit einem inhaltlichen Unterschied [zwischen] direkten und formalen Diskriminierungen einerseits und indirekten oder materiellen Diskriminierungen andererseits zusammenfällt“.


27 – Urteil vom 8. November 1990, Dekker (C‑177/88, Slg. 1990, I‑3941, Randnrn. 11 f.).


28 – Vgl. Urteile vom 8. November 1990, Handels- og Kontorfunktionærernes Forbund (C‑179/88, Slg. 1990, I‑3979, Randnr. 13), vom 5. Mai 1994, Habermann-Beltermann (C‑421/92, Slg. 1994, I‑1657, Randnr. 15), vom 14. Juli 1994, Webb (C‑32/93, Slg. 1994, I‑3567, Randnr. 19), und vom 3. Dezember 2000, Mahlburg (C‑207/98, Slg. 2000, I‑549, Randnr. 20).


29 – Rechtssache Schnorbus (C‑79/99, Urteil vom 7. Dezember 2000, Slg. 2000, I‑10997, Nr. 33) (Hervorhebung nur hier).


30 – Vgl. auch Barnard, C., EC Employment Law (3. Aufl., 2006), S. 321, mit Verweis auf die Entscheidung des House of Lords in der Rechtssache James/Eastleigh Borough Council (1990) 3 WLR 55, in der das House of Lords die Betrachtungsweise nach dem Kriterium des einzigen Unterscheidungsmerkmals übernommen hat.


31 – Urteil Dekker, in Fn. 27 angeführt, Randnrn. 10, 12 und 14.


32 – Vgl. die Urteile vom 16. Januar 2003, Kommission/Italien (C‑388/01, Slg. 2003, I‑721, Randnr. 14 und die dort angeführte Rechtsprechung), und vom 15. März 2005, Bidar (C‑209/03, Slg. 2005, I‑2119, Randnr. 53). Vgl. in diesem Sinne z. B. auch die Urteile vom 18. Juli 2007, Hartmann (C‑212/05, Slg. 2007, I‑6303, Randnrn. 30 f.), und Petersen, in Fn. 23 angeführt, Randnrn. 54 f.


33 – Vgl. oben, Nrn. 38 f.


34 – Vgl. die Schlussanträge von Generalanwalt Jacobs in der Rechtssache Schnorbus, in Fn. 29 angeführt, Nr. 33. In jenem Fall konnte, wenn die Zahl der für einen Einstellungstermin fristgerecht eingegangenen Gesuche um Aufnahme in den Vorbereitungsdienst in Deutschland die Zahl der vorhandenen Ausbildungsplätze übersteigt, die Einstellung um bis zu 12 Monate hinausgeschoben werden; dies galt jedoch nicht, wenn die Zurückstellung eine besondere Härte bedeuten würde, wobei als besonderer Härtefall insbesondere die Ableistung einer nationalen Dienstpflicht in Betracht kam. Der Generalanwalt kam zu Recht zu dem Ergebnis, dass diese Regelung zu einer unmittelbaren Diskriminierung aufgrund des Geschlechts führt. Nach dem damals geltenden deutschen Recht konnte Frauen kein Vorrang nach der in Frage stehenden Regelung eingeräumt werden, wohl aber einer überwältigenden Mehrheit der Männer. Dies ergab sich als direkte Folge der Tatsache, dass sich das verwendete Kriterium – Erfüllung einer nationalen Dienstpflicht – auf eine kraft Gesetzes allen Männern und ausschließlich ihnen obliegende Verpflichtung bezog. Da einige Männer die nationale Dienstpflicht nicht ableisteten und ihnen daher (wie alle Frauen) kein Vorrang bei der Einstellung eingeräumt wurde, deckte sich die Kategorie der Personen, die in bestimmter Weise bevorzugt wurden (diejenigen Personen, denen aufgrund der Ableistung der nationalen Dienstpflicht Vorrang eingeräumt wurde), nicht genau mit der Personenkategorie, die sich von der anderen Kategorie nur aufgrund einer verbotenen Klassifizierung (Geschlecht, in diesem Fall Männer) unterschied.


35 – Die Betrachtungsweise nach dem „Kriterium des einzigen Unterscheidungsmerkmals“ stellt in der Regel auf denjenigen ab, der diskriminiert wird, und nicht denjenigen, der bevorzugt wird; sie gilt hier entsprechend aber auch umgekehrt, bedarf dann allerdings einer etwas umständlicheren Darstellung: Student B hätte, wenn man das einzige Unterscheidungsmerkmal, nämlich dass er kein belgischer Staatsangehöriger ist, ausklammert, ebenfalls ein aus seiner Staatsangehörigkeit hergeleitetes Recht auf ständigen Aufenthalt in Belgien und würde ebenfalls automatisch die zweite kumulative Voraussetzung erfüllen.


36 – Gutachten der Gesetzgebungsabteilung des belgischen Staatsrats, Parl. Dok., Parlament der Französischen Gemeinschaft, 2005-2006, Nr. 263/1, S. 50. Der Staatsrat machte auch auf die Art. 3 Abs. 2 und Art. 7 Abs. 2 des Dekretentwurfs aufmerksam, in denen eine Aufhebung der betreffenden Beschränkungen vorgesehen war, falls und sobald Frankreich seine Beschränkungen in den entsprechenden Studiengängen aufhebe. Der Staatsrat merkte hierzu an: „Auch hiermit wurde wieder eine Voraussetzung formuliert, die dem Staatsangehörigkeitskriterium sehr nahe kommt, da sie unmittelbar auf Studenten französischer Staatsangehörigkeit abzielt“ (Hervorhebung nur hier). Die genannten Vorschriften wurden nicht in die endgültig verabschiedete Fassung aufgenommen.


37 – Nämlich dass der Betreffende am ersten Tag des ersten Studienjahres seinen Wohnsitz in England oder Wales hat und dass er seinen Wohnsitz in den drei Jahren vor diesem Tag im Vereinigten Königreich oder auf den Inseln hatte, wobei Zeiten außer Betracht bleiben, die der Betreffende als Student im Vereinigten Königreich verbracht hat.


38 – Urteil Bidar, in Fn. 32 angeführt, Randnrn. 14 bis 18.


39 – So hätte z. B. ein britisches Kind, dessen britische Eltern in den vorausgegangenen zehn Jahren in Österreich berufstätig waren und das seine Sekundarschulausbildung in Österreich abgeschlossen hat, keinen Anspruch auf ein Studentendarlehen als Unterhaltsbeihilfe bei der Aufnahme eines Studiums in Cambridge gehabt.


40 – Urteil Bidar, in Fn. 32 angeführt, Randnrn. 61 f.


41 – Siehe oben, Nr. 36.


42 – Siehe oben, Nrn. 45 bis 48.


43 – Siehe unten, Nrn. 128 und 131.


44 – Urteil Bidar, in Fn. 32 angeführt, Randnrn. 57 bis 59. Vgl. allgemein zur These des Wohnsitzes als möglicherweise zu rechtfertigende Alternative zur Staatsangehörigkeit Davies, G., „‚Any Place I Hang My Hat?‘ or: Residence is the New Nationality“, European Law Journal 2005, S. 43 bis 56.


45 – Urteil Bidar, in Fn. 32 angeführt, Randnr. 56, mit Verweis auf das Urteil vom 20. September 2001, Grzelczyk (C‑184/99, Slg. 2001, I‑6193, Randnr. 44).


46 – Urteil Bidar, in Fn. 32 angeführt, Randnrn. 56 f.


47 – Vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Österreich, in Fn. 7 angeführt, Randnr. 70.


48 – Vgl. Parl. Dok., Parlament der Französischen Gemeinschaft, 2005-2006, Nr. 263/1, S. 54, in dem die Gesetzgebungsabteilung des belgischen Staatsrats die Regierung der Französischen Gemeinschaft auf genau diese Problematik hinweist.


49 – Vgl. Urteil vom 16. Dezember 2008, Huber (C‑524/06, Slg. 2008, I‑0000, Randnr. 75 und die dort angeführte Rechtsprechung).


50 – Urteil Kommission/Österreich, in Fn. 7 angeführt, Randnr. 63 und die dort angeführte Rechtsprechung.


51 – Parl. Dok., Parlament der Französischen Gemeinschaft, 2005-2006, Nr. 263/1, S. 12 f.


52 – Parl. Dok., Parlament der Französischen Gemeinschaft, 2005-2006, Nr. 263/1, S. 9.


53 – Vgl. die weiteren Ausführungen unten, Nrn. 114 bis 126.


54 – Urteil vom 17. März 2005, Kranemann (C‑109/04, Slg. 2005, I‑2421, Randnr. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung). Die vom Gerichtshof im Französischen durchgehend verwendete Formulierung „raisons impérieuses d’intérêt général“ ist im Englischen auf unterschiedliche Weise übersetzt worden. Meines Erachtens kommt der Sinn am besten in der Übersetzung „overriding reasons in the public interest“ zum Ausdruck. Diese Wendung wurde vor Kurzem z. B. im Urteil vom 26. März 2009, Kommission/Italien (C‑326/07, Slg. 2009, I‑0000, Randnr. 41), benutzt.


55 – Vgl. Urteile vom 28. April 1998, Kohll (C‑158/96, Slg. 1998, I‑1931, Randnr. 41), und vom 12. Juli 2001, Vanbraekel (C‑368/98, Slg. 2001, I‑5363, Randnr. 47).


56 – Schlussanträge von Generalanwalt Jacobs in der Rechtssache Kommission/Österreich (Urteil in Fn. 7 angeführt, Nr. 31); vgl. auch Nrn. 33 bis 35 zur Darlegung, inwieweit sich die Hochschul- und Universitätsausbildung erheblich von nationalen Systemen der sozialen Sicherheit unterscheidet (der offensichtlichste Unterschied besteht darin, dass die Hochschul- und Universitätsausbildung keine Dienstleistung im Sinne von Art. 49 EG ist: vgl. hierzu Urteile vom 27. September 1988, Humbel, 263/86, Slg. 1988, 5365, Randnrn. 17 bis 19, und vom 7. Dezember 1993, Wirth, C‑109/92, Slg. 1993, I‑6447, Randnrn. 15 bis 19).


57 – Schlussanträge von Generalanwalt Jacobs in der Rechtssache Kommission/Österreich (Urteil in Fn. 7 angeführt, Nr. 46).


58 – Richtlinie 93/96/EWG des Rates vom 29. Oktober 1993 über das Aufenthaltsrecht der Studenten (ABl. L 317, S. 59).


59 – In Fn. 45 angeführt, Randnr. 44.


60 – Vgl. Schlussanträge von Generalanwalt Jacobs in der Rechtssache Kommission/Österreich (Urteil in Fn. 7 angeführt, Nr. 36).


61 – Urteil Kommission/Österreich, in Fn. 7 angeführt, Randnr. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung.


62 – Vgl. Urteil Kommission/Österreich, in Fn. 7 angeführt, Randnr. 70, und (im gleichen Sinne) Schlussanträge von Generalanwalt Jacobs in jener Rechtssache, Nr. 41. Der Gerichtshof hat unmissverständlich statuiert, dass es für das Recht eines Arbeitnehmers aus einem Mitgliedstaat, in das Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats einzureisen und sich dort aufzuhalten, ohne Belang ist, welche Absichten ihn dazu veranlasst haben, im letztgenannten Mitgliedstaat Arbeit zu suchen, sofern er dort tatsächlich eine echte Tätigkeit ausübt oder ausüben will: vgl. Urteile vom 23. März 1982, Levin (53/81, Slg. 1982, 1035, Randnr. 23), und vom 23. September 2003, Akrich (C‑109/01, Slg. 2003, I‑9607, Randnr. 55).


63 – Schlussanträge von Generalanwalt Jacobs in der Rechtssache Kommission/Österreich, in Fn. 7 angeführt, Fn. 29. Vgl. hierzu die Ausführungen von Herrn Rémy, Direktor für paramedizinische und pädagogische Studien an der Haute École provinciale du Hainaut occidental, der auf die positiven Folgen der Anwesenheit ausländischer Studenten verweist: „Die massive Präsenz französischer Studierender hat uns eine Erweiterung unserer Perspektiven ermöglicht. Ganze Serien neuer Projekte wurden dank des Erfolgs unserer Kurse in den Fächern Physiotherapie und Verhaltenstherapie entwickelt, die uns ein gutes Finanzierungsniveau sichern, etwa für die Forschung oder Fortbildung. Leider wird dies alles verschwinden.“ („C’est une vraie catastrophe pour notre école“, La Libre vom 3. Februar 2006).


64 – Schlussanträge von Generalanwalt Geelhoed in der Rechtssache Bidar (Urteil in Fn. 32 angeführt, Nr. 65). Vgl. in diesem Sinne bereits Schlussanträge von Generalanwalt Slynn in der Rechtssache Gravier (Urteil in Fn. 8 angeführt, S. 604).


65 – Worauf auch im Avis du Corps interfédéral de l’inspection des finances vom 31. Januar 2006, Gerichtsakte, S. 5, hingewiesen wird.


66 – Parl. Dok., Parlament der Französischen Gemeinschaft, 2005-2006, Nr. 263/1, S. 9. Siehe oben, Nr. 87.


67 – Urteil Lyyski, in Fn. 8 angeführt, Randnr. 39.


68 – Urteil vom 13. November 2003, Neri (C‑153/02, Slg. 2003, I‑13555, Randnr. 46).


69 – Urteil Neri, in Fn. 68 angeführt, Randnr. 46.


70 – In den Anmerkungen zu den statistischen Daten in den dem Gerichtshof vorliegenden Dokumenten wird ausdrücklich festgestellt, dass der Anstieg der Zahl der Studenten mit einem ausländischen Sekundarschulabschluss ausschließlich zwei Studiengängen zuzuordnen sei: „Heilgymnastik und Rehabilitation“ sowie „Veterinärmedizin“.


71 – Vgl. entsprechend Schlussanträge von Generalanwalt Jacobs in der Rechtssache Kommission/Österreich (Urteil in Fn. 7 angeführt, Nr. 30).


72 – Urteil Kommission/Österreich, in Fn. 7 angeführt, Randnr. 61. Vgl. auch Schlussanträge von Generalanwalt Jacobs in jener Rechtssache, Nr. 52.


73 – Urteil vom 6. Juni 2002, Ricordi (C‑360/00, Slg. 2002, I‑5089, Randnr. 31).


74 – Urteile Grzelczyk, in Fn. 45 angeführt, Randnr. 31, und Kommission/Österreich, in Fn. 7 angeführt, Randnr. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung.


75 – Urteil vom 20. Oktober 2005, Kommission/Schweden (C‑111/03, Slg. 2005, I‑8789, Randnr. 66 und die dort angeführte Rechtsprechung).


76 – Siehe unten, Nrn. 151 bis 153.


77 – Vgl. in diesem Sinne Schlussanträge von Generalanwalt Jacobs in der Rechtssache Kommission/Österreich, in Fn. 7 angeführt, Nr. 53.


78 – Namentlich Österreich in der Rechtssache Kommission/Österreich (Urteil in Fn. 7 angeführt).


79 – Nach den statistischen Angaben der OECD für das Jahr 2006 (im Internet abrufbar unter www.oecd.org) gab es in Belgien 40 607 ausländische Studenten bei einer Gesamtbevölkerung von 10 511 382 (ein Verhältnis von 1 : 258,8). Demgegenüber waren es in Dänemark 19 123 ausländische Studenten bei einer Gesamtbevölkerung von 5 427 459 (ein Verhältnis von 1 : 283,8), in Schweden 41 410 ausländische Studenten bei einer Gesamtbevölkerung von 9 047 752 (ein Verhältnis von 1 : 218,4) und im Vereinigten Königreich 418 353 ausländische Studenten bei einer Gesamtbevölkerung von 60 412 870 (ein Verhältnis von 1 : 144,4). Angesichts der Dominanz von Studiengängen in englischer Sprache kann die letztgenannte Zahl kaum überraschen. Allerdings lässt sich nicht angeben, wie hoch der Anteil ausländischer Studenten ist, die keine Unionsbürger sind und deren Zugang zum Hochschulstudium zulässigerweise beschränkt werden darf.


80 – Parl. Dok., Parlament der Französischen Gemeinschaft, 2005-2006, Nr. 263/1, S. 9.


81 – Vgl. oben, Nr. 105, und Urteil Kommission/Österreich, in Fn. 7 angeführt, Randnr. 61.


82 – Ich stelle fest, dass selbst dann, wenn alle 192 Bewerber mit einem in der Französischen Gemeinschaft erworbenen Sekundarschulabschluss die Aufnahmeprüfung bestanden hätten, dies immer noch nicht gereicht hätte, um die 250 verfügbaren Plätze zu füllen.


83 – Parl. Dok., Parlament der Französischen Gemeinschaft, 2005-2006, Nr. 263/1, S. 5.


84 – Vgl. z. B. Urteile vom 12. März 1987, Kommission/Deutschland (178/84, Slg. 1987, 1227), vom 5. Februar 2004, Kommission/Frankreich (C‑24/00, Slg. 2004, I‑1277, Randnr. 54), und vom 23. September 2003, Kommission/Dänemark (C‑192/01, Slg. 2003, I‑9693, Randnr. 47).


85 – Vgl. z. B. Urteil vom 11. Dezember 2003, Deutscher Apothekerverband (C‑322/01, Slg. 2003, I‑14887, Randnrn. 112 bis 124).


86 – Vgl. die oben in Nr. 115 und Fn. 82 wiedergegebenen Zahlen.


87 – In der mündlichen Verhandlung haben die Kläger geltend gemacht, dass der Bereich der öffentlichen Gesundheit gar nicht in den Zuständigkeitsbereich der Französischen Gemeinschaft, sondern in den der Föderalregierung falle und dass im vorliegenden Fall das nach belgischem Verfassungsrecht vorgeschriebene Verfahren zum Erlass einer Maßnahme, die den Schutz der öffentlichen Gesundheit bezwecke, nicht eingehalten worden sei. Diese Frage hat das vorlegende Gericht zu entscheiden.


88 – Offenbar wurde das problematische Wettbewerbsverfahren für Veterinärmediziner im Wesentlichen wegen der zu hohen Zahl der Studenten im zweiten Studienabschnitt eingeführt: Parl. Dok., Parlament der Französischen Gemeinschaft, 2005-2006, Nr. 263/1, S. 5 f.


89 – Wie dies Herr Claude Ancion, Mitglied des Parlaments der Französischen Gemeinschaft, in einer Anfrage an den Minister für Hochschulbildung, wissenschaftliche Forschung und internationale Beziehungen vorgeschlagen hat: Compte rendu intégral, Parlament der Französischen Gemeinschaft, 2004-2005, 13. Oktober 2005, S. 53 (auf diese Anfrage und die Antwort des Ministers wird in den Materialien zum Dekret Bezug genommen: Parl. Dok., Parlament der Französischen Gemeinschaft, 2005-2006, Nr. 263/1, S. 9, Fn. 8).


90 – Urteil vom 27. November 2008, Papillon (C‑418/07, Slg. 2008, I‑0000, Randnr. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung). Das Gleiche gilt für finanzielle Schwierigkeiten, die die Mitgliedstaaten mit geeigneten Maßnahmen zu überwinden haben: vgl. Urteil vom 5. Juli 1990, Kommission/Belgien (C‑42/89, Slg. 1990, I‑2821, Randnr. 24).


91 – Parl. Dok., Parlament der Französischen Gemeinschaft, 2005-2006, Nr. 263/1, S. 53 und 56. Die neuesten EUROSTAT‑Daten (2007) zeigen für Belgien einen nationalen Durchschnitt von 242,7 Physiotherapeuten pro 100 000 Einwohner. In der Wallonischen Region gibt es 268 pro 100 000 Einwohner (und in der Provinz Wallonisch-Brabant sogar 416,9 pro 100 000 Einwohner). In der Brüsseler Region gibt es 218,1 pro 100 000 Einwohner. Im Vergleich dazu kommen im nationalen Durchschnitt in Frankreich 104 Physiotherapeuten auf 100 000 Einwohner und in Deutschland 103 Physiotherapeuten auf 100 000 Einwohner (EUROSTAT‑Daten 2006). Nach Angaben des Gesundheitsministers wird die Prüfung am Ende des Heilgymnastikstudiums (nach deren Bestehen der Physiotherapeut eine Nummer des Belgischen Nationalen Instituts für Gesundheit und der Invaliditätsversicherung beantragen kann, so dass die Patienten die Behandlungskosten von ihrer Krankenversicherung ersetzt verlangen können) abgeschafft werden müssen – an ihre Stelle tritt vielleicht eine Prüfung zu Beginn des Studiums: Note de Politique Générale de la Vice-première Ministre et Ministre des Affaires sociales et de la Santé publique, Parl. Dok., Kammer, 2008-2009, Nr. 1529/5, S. 16.


92 – Urteil Bidar, in Fn. 32 angeführt, Randnr. 58.


93 – Vgl. entsprechend Schlussanträge von Generalanwalt Jacobs in der Rechtssache Kommission/Österreich (Urteil in Fn. 7 angeführt, Nr. 51).


94 – Als Beispiele für Entscheidungen, in denen der Gerichtshof nach Bejahung des Vorliegens einer unmittelbaren Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit mögliche Rechtfertigungsgründe nicht weiter geprüft hat, vgl. Urteile Gravier, in Fn. 8 angeführt, Randnrn. 15, 25 und 26, vom 2. Februar 1989, Cowan (186/87, Slg. 1989, 195, Randnr. 10), und vom 20. Oktober 1993, Phil Collins u. a. (C‑92/92 und C‑326/92, Slg. 1993, I‑5145, Randnrn. 32 f.). Generalanwältin Kokott bemerkt in ihren Schlussanträgen in der Rechtssache Wood (C‑164/07, Urteil vom 5. Juni 2008, Slg. 2008, I‑4143, Nr. 42 und Fn. 11) zu Recht, dass es zwar fraglich sei, ob eine nationale Regelung, die unmittelbar aufgrund der Staatsangehörigkeit diskriminiere, überhaupt gerechtfertigt sein könne, dass aber einige Urteile auf die theoretische Möglichkeit einer Rechtfertigung auch bei unmittelbaren Diskriminierungen hindeuteten (z. B. die Urteile Ricordi, in Fn. 73 angeführt, Randnr. 33, vom 2. Oktober 1997, Saldanha und MTS [C‑122/96, Slg. 1997, I‑5325, Randnrn. 26 ff.], und vom 20. März 1997, Hayes [C‑323/95, Slg. 1997, I‑1711, Randnr. 24]).


95 – Siehe oben, Nrn. 64 bis 76.


96 – Vgl. z. B. die Ausnahme von der Freizügigkeit der Arbeitnehmer in Art. 39 Abs. 4 EG (Beschäftigung in der öffentlichen Verwaltung) und die Ausnahme von der Niederlassungsfreiheit in Art. 45 EG (Ausübung der öffentlichen Gewalt) – Ausnahmen, die bekanntlich sehr strikt ausgelegt werden. Vgl. außerdem Urteil vom 18. Juli 2007, Kommission/Deutschland (C‑490/04, Slg. 2007, I‑6095, Randnr. 86 und die dort angeführte Rechtsprechung).


97 – Vgl. Urteil vom 12. Mai 1998, Martínez Sala (C‑85/96, Slg. 1998, I‑2691, Randnr. 64), in dem der Gerichtshof entschieden hat: „Die fragliche Ungleichbehandlung fällt somit in den Anwendungsbereich des Vertrages und kann nicht als gerechtfertigt angesehen werden. Es handelt sich nämlich um eine Diskriminierung der Klägerin unmittelbar aus Gründen der Staatsangehörigkeit.“ Zwar hat er dann noch hinzugefügt: „Dem Gerichtshof ist nichts vorgetragen worden, was eine solche Ungleichbehandlung rechtfertigen würde.“ Ich verstehe dies aber als Nachtrag, der die sich aus der ersten Aussage ergebenden unabweisbaren Konsequenzen nicht abschwächt.


98 – Schlussanträge in der Rechtssache Phil Collins u. a., Urteil in Fn. 94 angeführt, Nr. 11.


99 – Vgl. entsprechend Schlussanträge von Generalanwalt Jacobs in der Rechtssache Kommission/Österreich (Urteil in Fn. 7 angeführt, Nr. 53).


100 – Siehe Fn. 4.


101 – Von der Generalversammlung der Vereinten Nationen angenommen und mit Resolution 2200A (XXI) vom 16. Dezember 1966 zur Unterzeichnung, zur Ratifikation und zum Beitritt aufgelegt. Der Pakt ist gemäß seinem Art. 49 am 23. März 1976 in Kraft getreten.


102 – Vgl. Urteile vom 14. Februar 2008, Dynamic Medien (C‑244/06, Slg. 2008, I‑505, Randnr. 39), und vom 27. Juni 2006, Parlament/Rat (C‑540/03, Slg. 2006, I‑5769, Randnr. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).


103 – Vgl. entsprechend Urteil Parlament/Rat, in Fn. 102 angeführt, Randnr. 37.


104 – Allgemeine Bemerkung zum Recht auf Bildung (Art. 13), E/C.12/1999/10 (im Folgenden: E/C.12/1999/10), Nr. 31 (vgl. auch Nr. 43).


105 – E/C.12/1999/10, Nr. 59.


106 – Die belgische Regierung hat folgende Auslegungserklärung zum ICESCR abgegeben: „Bezüglich Art. 2 Abs. 2 legt die belgische Regierung das Diskriminierungsverbot hinsichtlich der nationalen Herkunft dahin aus, dass damit nicht zwangsläufig eine Verpflichtung der Staaten verbunden ist, Ausländern automatisch dieselben Rechte zu garantieren wie ihren eigenen Staatsangehörigen. Der Begriff ist dahin zu verstehen, dass damit die Abschaffung jedes willkürlichen Verhaltens, nicht jedoch die Abschaffung von Ungleichbehandlungen gemeint ist, die auf objektiven und vernünftigen Erwägungen im Einklang mit den in demokratischen Gesellschaften geltenden Grundsätzen beruhen.“ Unabhängig von der Frage, ob diese Erklärung nicht als verschleierter Vorbehalt zum ICESCR anzusehen ist, kann sie die Auslegung des im EG-Vertrag verankerten Diskriminierungsverbots nicht beeinflussen. Zu verschleierten Vorbehalten vgl. weiterführend Aust, A., Modern Treaty Law and Practice (2007), S. 129 f.


107 – E/C.12/1999/10, Nr. 19.


108 – Vgl. oben, Nr. 32, sowie die in Fn. 8 angeführte Rechtsprechung.


109 – Vgl. Urteil Morgan und Bucher, in Fn. 2 angeführt, Randnr. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung.


110 – Vgl. auch die Schlussanträge von Generalanwalt Jacobs in der Rechtssache Phil Collins u. a. (Urteil in Fn. 94 angeführt, Nr. 11): „Sie dürfen nicht einfach als Fremde toleriert, sondern müssen von den Behörden des Gaststaats als Gemeinschaftsangehörige aufgenommen werden, die ‚im Anwendungsbereich des Vertrages‘ Anspruch auf alle Privilegien und Vorteile haben, die für die Angehörigen des Gaststaats bestehen.“


111 – Vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache Bartsch (C‑427/06, Urteil vom 23. September 2008, Slg. 2008, I‑0000, Nr. 45).


112 – Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Februar 2009, Cobelfret (C‑138/07, Slg. 2009, I‑0000, Randnr. 68 und die dort angeführte Rechtsprechung).


113 – Vgl. Urteil vom 18. Januar 2007, Brzeziński (C‑313/05, Slg. 2007, I‑513, Randnrn. 57 f. und die dort angeführte Rechtsprechung).


114 – Vgl. in diesem Sinne Dougan, M., „Fees, Grants, Loans and Dole Cheques: Who Covers the Costs of Migrant Education Within the EU?“, Common Market Law Review 2005, S. 955 f.


115 – Protokoll Nr. 30 zum EG-Vertrag.


116 – Zum Thema Subsidiarität vgl. auch meine Schlussanträge in der Rechtssache Gouvernement de la Communauté française und Gouvernement wallon, in Fn. 3 angeführt, Nr. 118, Fn. 68, mit Verweis auf MacCormick, N., Questioning Sovereignty (1999), S. 135.


117 – Im Bereich der Bildung vgl. z. B. Urteil vom 27. September 1988, Matteucci/Communauté française de Belgique (235/87, Slg. 1988, 5589, Randnr. 19).

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