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Document 62007CJ0335
Judgment of the Court (Third Chamber) of 6 October 2009. # Commission of the European Communities v Republic of Finland. # Failure of a Member State to fulfil obligations - Environment -Directive 91/271/EEC - Treatment of urban waste water - Failure to require more stringent treatment of nitrogen in all treatment plants of urban waste water from agglomerations of more than 10 000 population equivalent. # Case C-335/07.
Urteil des Gerichtshofes (Dritte Kammer) vom 6. Oktober 2009.
Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Republik Finnland.
Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Umwelt - Richtlinie 91/271/EWG - Behandlung von kommunalem Abwasser - Keine Anordnung einer weiter gehenden Stickstoffbehandlung in allen kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen von Gemeinden mit mehr als 10 000 Einwohnerwerten.
Rechtssache C-335/07.
Urteil des Gerichtshofes (Dritte Kammer) vom 6. Oktober 2009.
Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Republik Finnland.
Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Umwelt - Richtlinie 91/271/EWG - Behandlung von kommunalem Abwasser - Keine Anordnung einer weiter gehenden Stickstoffbehandlung in allen kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen von Gemeinden mit mehr als 10 000 Einwohnerwerten.
Rechtssache C-335/07.
Sammlung der Rechtsprechung 2009 I-09459
ECLI identifier: ECLI:EU:C:2009:612
Parteien
Entscheidungsgründe
Tenor
In der Rechtssache C‑335/07
betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 226 EG, eingereicht am 16. Juli 2007,
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch I. Koskinen, L. Parpala, M. Patakia und S. Pardo Quintillán als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin,
gegen
Republik Finnland, vertreten durch J. Heliskoski und A. Guimaraes-Purokoski als Bevollmächtigte,
Beklagte,
unterstützt durch
Königreich Schweden, vertreten durch A. Falk als Bevollmächtigte,
Streithelfer,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas sowie der Richter A. Ó Caoimh, J. Klučka, U. Lõhmus und A. Arabadjiev (Berichterstatter),
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 19. Februar 2009,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 26. März 2009
folgendes
Urteil
1. Mit ihrer Klageschrift beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass die Republik Finnland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 5 Abs. 2, 3 und 5 der Richtlinie 91/271/EWG des Rates vom 21. Mai 1991 über die Behandlung von kommunalem Abwasser (ABl. L 135, S. 40) in der durch die Richtlinie 98/15/EG der Kommission vom 27. Februar 1998 (ABl. L 67, S. 29) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 91/271) verstoßen hat, dass sie keine weiter gehende Behandlung aller Abwässer aus Kanalisationen von Gemeinden mit mehr als 10 000 Einwohnerwerten (EW) vorgeschrieben hat.
Rechtlicher Rahmen
Das Übereinkommen über den Schutz der Meeresumwelt des Ostseegebiets
2. Neben einigen Mitgliedstaaten und der Russischen Föderation ist die Europäische Gemeinschaft Vertragspartei des Übereinkommens über den Schutz der Meeresumwelt des Ostseegebiets (Helsinki-Übereinkommen in seiner Fassung von 1992) (ABl. 1994, L 73, S. 20, im Folgenden: Ostseeübereinkommen), das mit Beschluss 94/157/EG des Rates vom 21. Februar 1994 über den Abschluss des Übereinkommens über den Schutz der Meeresumwelt des Ostseegebiets im Namen der Gemeinschaft (Helsinki-Übereinkommen in seiner Fassung von 1992) (ABl. L 73, S. 19) angenommen wurde.
Gemeinschaftsrecht
3. Die Richtlinie 91/271 betrifft ihrem Art. 1 zufolge das Sammeln, Behandeln und Einleiten von kommunalem Abwasser sowie das Behandeln und Einleiten von Abwasser bestimmter Industriebranchen; Ziel dieser Richtlinie ist es, die Umwelt vor den schädlichen Auswirkungen dieses Abwassers zu schützen.
4. Art. 2 dieser Richtlinie bestimmt:
„Im Sinne dieser Richtlinie bedeuten
1. ‚Kommunales Abwasser‘: häusliches Abwasser oder Gemisch aus häuslichem und industriellem Abwasser und/oder Niederschlagswasser.
...
4. ‚Gemeinde‘: Gebiet, in welchem Besiedlung und/oder wirtschaftliche Aktivitäten ausreichend konzentriert sind für eine Sammlung von kommunalem Abwasser und einer Weiterleitung zu einer kommunalen Abwasserbehandlungsanlage oder einer Einleitungsstelle.
5. ‚Kanalisation‘: Leitungssystem, in dem kommunales Abwasser gesammelt und transportiert wird.
6. ‚1 EW (Einwohnerwert)‘: organisch-biologisch abbaubare Belastung mit einem biochemischen Sauerstoffbedarf in 5 Tagen (BSB5) von 60 g Sauerstoff pro Tag.
…
8. ‚Zweitbehandlung‘: Abwasserbehandlung durch eine biologische Stufe mit einem Nachklärbecken oder ein anderes Verfahren, bei dem die Anforderungen nach Anhang I Tabelle 1 eingehalten werden.
9. ‚Geeignete Behandlung‘: Behandlung von kommunalem Abwasser durch ein Verfahren und/oder Entsorgungssystem, welches sicherstellt, dass die aufnehmenden Gewässer den maßgeblichen Qualitätszielen sowie den Bestimmungen dieser und jeder anderen einschlägigen Richtlinie der Gemeinschaft entsprechen.
…
11. ‚Eutrophierung‘: Anreicherung des Wassers mit Nährstoffen, insbesondere mit Stickstoff- und/oder Phosphorverbindungen, die zu einem vermehrten Wachstum von Algen und höheren Formen des pflanzlichen Lebens und damit zu einer unerwünschten Beeinträchtigung des biologischen Gleichgewichts und der Qualität des betroffenen Gewässers führt.
...
13. ‚Küstengewässer‘: die Gewässer jenseits der Niedrigwasserlinie bzw. der äußeren Grenze eines Ästuars.“
5. Die allgemeinen Vorschriften, die für Abwasser im Sinne der genannten Richtlinie gelten, finden sich in deren Art. 4, der in Abs. 1 vorsieht:
„Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass in Kanalisationen eingeleitetes kommunales Abwasser vor dem Einleiten in Gewässer … einer Zweitbehandlung oder einer gleichwertigen Behandlung unterzogen wird.“
6. Art. 5 der Richtlinie 91/271 sieht vor:
„(1) Für die Zwecke des Absatzes 2 weisen die Mitgliedstaaten bis zum 31. Dezember 1993 empfindliche Gebiete gemäß den in Anhang II festgelegten Kriterien aus.
(2) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass das in empfindliche Gebiete eingeleitete kommunale Abwasser aus Kanalisationen von Gemeinden mit mehr als 10 000 EW spätestens ab 31. Dezember 1998 vor dem Einleiten in Gewässer einer weiter gehenden als der in Artikel 4 beschriebenen Behandlung unterzogen wird.
(3) Abwasser aus kommunalen Behandlungsanlagen gemäß Absatz 2 muss den einschlägigen Anforderungen von Anhang I Abschnitt B entsprechen. …
(4) Die für einzelne Behandlungsanlagen in den Absätzen 2 und 3 gestellten Anforderungen müssen jedoch nicht in den empfindlichen Gebieten eingehalten werden, für welche nachgewiesen werden kann, dass die Gesamtbelastung aus allen kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen in diesem Gebiet sowohl von Phosphor insgesamt als auch von Stickstoff insgesamt um jeweils mindestens 75 % verringert wird.
(5) Die Absätze 2, 3 und 4 gelten für Abwasser aus kommunalen Behandlungsanlagen in den jeweiligen Wassereinzugsgebieten empfindlicher Gebiete, die zur Verschmutzung dieser Gebiete beitragen.
...
(8) Ein Mitgliedstaat ist von der Verpflichtung, für die Zwecke dieser Richtlinie empfindliche Gebiete auszuweisen, befreit, wenn er die nach den Absätzen 2, 3 und 4 geforderte Behandlung in seinem gesamten Gebiet anwendet.“
7. Anhang I Abschnitt B Nrn. 2 und 3 dieser Richtlinie lautet:
„2. Einleitungen aus kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen, die einer Behandlung nach den Artikeln 4 und 5 der Richtlinie unterliegen, müssen den Anforderungen in Tabelle 1 entsprechen.
3. Einleitungen aus kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen in empfindliche Gebiete, in denen es im Sinne des Anhangs II Abschnitt A Buchstabe a) zur Eutrophierung kommt, müssen zusätzlich den Anforderungen in Tabelle 2 des vorliegenden Anhangs entsprechen.“
8. In Tabelle 2 des genannten Anhangs I heißt es:
„ Tabelle 2 : Anforderungen an Einleitungen aus kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen in empfindlichen Gebieten, in denen es [im Sinne des Anhangs II Abschnitt A Buchst. a)] zur Eutrophierung kommt. Je nach den Gegebenheiten vor Ort können ein oder beide Parameter verwendet werden. Anzuwenden ist der Konzentrationswert oder die prozentuale Verringerung.“
9. Der „Stickstoff insgesamt“ darf nach der zweiten Zeile dieser Tabelle entweder in maximaler Konzentration von 15 mg/l für Gemeinden zwischen 10 000 und 100 000 EW bzw. 10 mg/l für größere Gemeinden vorliegen oder muss Gegenstand einer prozentualen Mindestverringerung um 70 % bis 80 % sein.
10. Anhang II Abschnitt A Buchst. a Abs. 2 der Richtlinie 91/271 sieht vor:
„Bei der Entscheidung, welche Nährstoffe durch eine weitere Behandlung reduziert werden müssen, sollen folgende Faktoren berücksichtigt werden:
i) Seen und Zuflüsse zu Seen/Talsperren/geschlossenen Buchten mit geringem Wasseraustausch, wodurch die Möglichkeit der Anreicherung gegeben ist. In diesen Gebieten sollte auf jeden Fall Phosphor entfernt werden, außer wenn nachgewiesen werden kann, dass das Ausmaß der Eutrophierung dadurch nicht beeinflusst wird. Bei Einleitungen von großen Siedlungsgebieten kann auch die Entfernung von Stickstoff ins Auge gefasst werden;
ii) Ästuare, Buchten und andere Küstengewässer, die nur einen geringen Wasseraustausch haben oder in die große Mengen von Nährstoffen eingeleitet werden. Einleitungen aus kleineren Gemeinden sind in diesen Gewässern normalerweise nicht ausschlaggebend, aber im Falle großer Gemeinden sollten Phosphor und/oder Stickstoff entfernt werden, außer wenn nachgewiesen werden kann, dass das Ausmaß der Eutrophierung dadurch nicht beeinflusst wird[.]“
Nationales Recht
11. Nach Art. 4 der Entscheidung des Ministerrats Nr. 365/1994 vom 19. Mai 1994 über die Behandlung des in die Gewässer eingeleiteten Abwassers aus den allgemeinen Leitungssystemen und bestimmten Industriezweigen sowie über die Behandlung des Industrieabwassers, das in die allgemeinen Leitungssysteme gelangt, gelten sämtliche aquatischen Lebensräume Finnlands als empfindliche Gebiete im Sinne der Richtlinie 91/271.
12. Aus der Darstellung des nationalen Rechts in den Schriftsätzen der Republik Finnland geht hervor, dass für jede finnische Behandlungsanlage, in der kommunale Abwässer aus Gemeinden mit mehr als 100 EW behandelt werden, eine Umwelterlaubnis vorliegen muss, die nach einer fallbezogenen Beurteilung erteilt wird. Im Rahmen dieser Beurteilung werden immer der Zustand der Gewässer und die Auswirkungen der kommunalen Abwässer hierauf berücksichtigt.
13. Bei ihrer Beurteilung verfügt die für die Vergabe der Umwelterlaubnisse zuständige Behörde in Bezug auf die kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen von Gemeinden mit mehr als 4 000 EW über umweltrechtliches und über wissenschaftlich-technisches Fachwissen. Sie muss die Informationen berücksichtigen, die sie im Verlauf des Genehmigungsverfahrens erhält, einschließlich der Stellungnahme des betreffenden Ympäristökeskus (regionales Umweltzentrum).
14. Der Ympäristökeskus hat insbesondere die Aufgabe, in Umweltsachen für das Allgemeininteresse Sorge zu tragen. In der Stellungnahme, die er der für die Vergabe der Umwelterlaubnisse zuständigen Behörde unterbreitet, muss er eine Verringerung der Stickstoffbelastung vorschlagen, wenn dies im Interesse der Umwelt unter Berücksichtigung der Gegebenheiten vor Ort und der neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse erforderlich ist. Grundsätzlich ist die Aufforderung zur Verringerung der Stickstoffbelastung an sämtliche kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen von Gemeinden mit mehr als 10 000 EW zu richten, deren Einleitungen unmittelbar in die südlichen Gebiete des Kvarken (Merenkurkku) gelangen, der an der Grenze zwischen Bottenwiek (Perämeri) und Bottnischer See (Selkämeri) liegt, die zusammen den Bottnischen Meerbusen (Pohjanlahti) bilden. Der Bottnische Meerbusen ist ein Ausläufer der Ostsee.
Vorverfahren
15. Mit Schreiben vom 1. Juli 2002 forderte die Kommission, die die weiter gehende Behandlung im Sinne von Art. 5 Abs. 2, 3 und 5 der Richtlinie 91/271 (im Folgenden: tertiäre Behandlung) sowohl für Stickstoff als auch für Phosphor in allen in den Wassereinzugsgebieten der Ostsee gelegenen finnischen Gemeinden mit mehr als 10 000 EW für erforderlich hält, die Republik Finnland auf, Art. 5 der Richtlinie 91/271 nachzukommen.
16. In ihrer Antwort vom 27. August 2002 legte die Republik Finnland dar, sie komme der Richtlinie 91/271 nach. Denn die Stickstoffbelastung werde, wie die Richtlinie verlange, dann verringert, wenn dies in Anbetracht des jeweiligen Zustands der Einleitungsgewässer für erforderlich gehalten werde.
17. Am 1. April 2004 sandte die Kommission der Republik Finnland eine mit Gründen versehene Stellungnahme gemäß Art. 226 Abs. 1 EG, in der sie zu dem Schluss gelangte, dass die Republik Finnland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 5 Abs. 2, 3 und 5 der Richtlinie 91/271 verstoßen habe, dass sie keine weiter gehende Behandlung der Abwässer aus Kanalisationen aller Gemeinden mit mehr als 10 000 EW vorgeschrieben habe, und diesen Mitgliedstaat dazu aufforderte, die in dieser mit Gründen versehenen Stellungnahme genannten Maßnahmen binnen zwei Monaten ab Erhalt der Stellungnahme zu ergreifen.
18. Da die Kommission die Antwort der finnischen Behörden auf diese mit Gründen versehene Stellungnahme nicht für zufriedenstellend hielt, hat sie die vorliegende Klage erhoben.
19. Mit Beschluss vom 7. August 2008 hat der Präsident des Gerichtshofs das Königreich Schweden als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Republik Finnland zugelassen.
Zur Klage
Vorbringen der Verfahrensbeteiligten
20. Nach Ansicht der Kommission gilt die Verpflichtung, sicherzustellen, dass das gesamte kommunale Abwasser aus Kanalisationen von Gemeinden mit mehr als 10 000 EW vor dem Einleiten in Gewässer einer weiter gehenden als der in Art. 4 der Richtlinie 91/271 beschriebenen Behandlung unterzogen werde, für das ganze finnische Hoheitsgebiet, da alle aquatischen Lebensräume Finnlands als empfindliche Gebiete im Sinne der Richtlinie 91/271 ausgewiesen seien.
21. Unter diesen Umständen ergebe sich aus der Richtlinie 91/271, dass in allen kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen finnischer Gemeinden mit mehr als 10 000 EW, die in Küstengebieten und den Wassereinzugsgebieten der Ostsee lägen, eine tertiäre Behandlung im Hinblick auf Stickstoff erfolgen müsse.
22. Um dem Ziel der Richtlinie 91/271 Rechnung zu tragen, müssten sämtliche Einleitungen aus Gemeinden mit mehr als 10 000 EW in die Ostsee im Hinblick sowohl auf Phosphor als auch auf Stickstoff behandelt werden. Eine derartige Behandlung begrenze die Stickstoffwanderung in Richtung der zentralen Ostsee, des Finnischen Meerbusens (Suomenlahti), Schärenmeer (Saaristomeri) und bestimmter Teile der Bottnischen See und somit die Eutrophierung dieser Gebiete. Die finnischen Behörden hätten nicht dargetan, dass die Entscheidung, eine tertiäre Stickstoffbehandlung nicht in sämtlichen betroffenen Behandlungsanlagen vorzunehmen, ohne Auswirkung auf die Eutrophierung in den genannten Gebieten sei.
23. Die Republik Finnland weist darauf hin, dass die kommunalen Abwässer sämtlicher finnischer Gemeinden in biochemischen Anlagen behandelt würden und dass diesen Behandlungsanlagen eine Umwelterlaubnis erteilt werden müsse. Ein wesentlicher Aspekt des Verfahrens zur Erteilung dieser Erlaubnis sei die Konsultierung der regionalen Umweltzentren, und diesen Zentren obliege es, eine Verringerung der Stickstoffbelastung immer dann zu empfehlen, wenn dies zum Schutz der Umwelt erforderlich erscheine. Außerdem werde bei der regelmäßigen Überprüfung, der jede Umwelterlaubnis unterzogen werde, gemäß den Vorgaben der Richtlinie 91/271 die Notwendigkeit einer Verringerung der Stickstoffbelastung unter Berücksichtigung der Gegebenheiten vor Ort geprüft.
24. Die Republik Finnland behauptet, dass im größten Teil ihrer Binnengewässer, die aus Seen und Flüssen bestünden, Stickstoff keine Auswirkung auf die Eutrophierung habe, da Phosphor der die Eutrophierung regulierende Nährstoff sei. Stickstoff sei auch nicht der Nährstoff, der die Eutrophierung in allen finnischen Meeresgebieten reguliere.
25. Unter diesen Umständen stellt die Republik Finnland in Abrede, dass die Richtlinie 91/271 für alle Abwässer aus Gemeinden mit mehr als 10 000 EW die Verringerung der Stickstoffbelastung verlange. Denn nach den Anforderungen der Tabelle 2 im Anhang I dieser Richtlinie beurteile sich die Notwendigkeit, eine Verringerung der Stickstoffbelastung vorzunehmen, „[j]e nach den Gegebenheiten vor Ort“. Die Kommission sei den Nachweis schuldig geblieben, dass die finnischen Behörden dort, wo die Richtlinie 91/271 die Verringerung der Stickstoffbelastung verlange, diese nicht auch vorgeschrieben hätten, und zwar im Rahmen der für jede Behandlungsanlage, in der kommunale Abwässer aus Gemeinden mit mehr als 100 EW behandelt würden, durchgeführten Beurteilung zur Erteilung oder Erneuerung der nach den nationalen Rechtsvorschriften erforderlichen Umwelterlaubnis.
26. Ferner macht die Republik Finnland geltend, dass die in Tabelle 2 im Anhang I der Richtlinie 91/271 genannten „Gegebenheiten vor Ort“ sich auf die Wassergebiete beschränkten, in denen die Emissionen der Behandlungsanlagen den in dieser Richtlinie angesprochenen Schaden verursachen könnten. Außerdem widerspreche die Forderung, dass die Stickstoffbelastung in jedem Fall, unabhängig von ihrer Auswirkung auf die aquatischen Lebensräume, gemäß den in dieser Tabelle angegebenen Werten verringert werden müsse, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
27. Die Republik Finnland führt darüber hinaus drei Hauptgründe an, um ihre Praxis zu rechtfertigen, die darin bestehe, die Notwendigkeit der Verringerung der Stickstoffbelastung fallbezogen für jede Behandlungsanlage zu beurteilen, die zur Erlangung einer Umwelterlaubnis nach den nationalen Rechtsvorschriften verpflichtet sei. Erstens habe in manchen Fällen aufgrund der Zurückhaltung von Stickstoff durch Seen und Flüsse die Verringerung der Stickstoffbelastung in den kommunalen Abwässern keine Auswirkung auf die Eutrophierung der Ostsee. Zweitens sei nicht ausgeschlossen, dass sich die Verringerung der Stickstoffbelastung unter bestimmten Umständen schädlich auf den Zustand der Gewässer auswirke, insbesondere indem dadurch das Wachstum bestimmter schädlicher Algen gefördert werde. Drittens könne das schwache Niveau der Stickstoffwanderung aus der Bottenwiek, die keine Anzeichen der Eutrophierung zeige und in der Stickstoff nicht der begrenzende Nährstoff sei, in andere Meeresgebiete nicht als Auslöser für eine Beeinträchtigung im Sinne der Richtlinie 91/271 in diesen Gebieten betrachtet werden.
Würdigung durch den Gerichtshof
28. Aus Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 91/271 geht hervor, dass das gesamte kommunale Abwasser aus Kanalisationen von Gemeinden mit mehr als 10 000 EW, das in ein empfindliches Gebiet eingeleitet wird, spätestens ab 31. Dezember 1998 einer weiter gehenden als der in Art. 4 dieser Richtlinie beschriebenen Behandlung unterzogen werden musste.
29. Der Gerichtshof hat insoweit bereits entschieden, dass eine Einleitung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 91/271 unabhängig davon vorliegt, ob die Abwässer unmittelbar oder mittelbar in ein empfindliches Gebiet fließen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. April 2002, Kommission/Italien, C-396/00, Slg. 2002, I-3949, Randnrn. 29 bis 32). Wie die Generalanwältin in Nr. 72 ihrer Schlussanträge festgestellt hat, entspricht dies dem hohen Schutzniveau der Umweltpolitik der Gemeinschaft nach Art. 174 Abs. 2 EG.
30. Die Einstufung von Gebieten als empfindliche Gebiete kann nach Anhang II Abschnitt A der Richtlinie 91/271 auf Eutrophierung, Trinkwassergewinnung oder die Anforderungen anderer Richtlinien gestützt werden.
31. Im vorliegenden Fall steht fest, dass die Republik Finnland 1994 alle ihre Gewässer als eutrophierungsempfindliche Gebiete ausgewiesen hat und dass alle ihre Behandlungsanlagen unmittelbar oder mittelbar in diese Gebiete einleiten.
32. Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 91/271 bestimmt außerdem, welchen Regeln die tertiäre Behandlung in derartigen empfindlichen Gebieten unterliegt. Aus dieser Vorschrift in Verbindung mit den Vorschriften, auf die sie verweist, ergibt sich, dass Einleitungen aus kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen in empfindliche Gebiete, in denen es zur Eutrophierung kommt, den Anforderungen in Tabelle 2 des Anhangs I dieser Richtlinie entsprechen müssen.
33. Der Gerichtshof hat bereits festgestellt, dass diese Anforderungen vorbehaltlich des Anhangs II Abschnitt A Buchst. a Abs. 2 der Richtlinie 91/271 gelten (Urteil vom 23. September 2004, Kommission/Frankreich, C-280/02, Slg. 2004, I-8573, Randnrn. 104 f.). Ziff. ii dieser Bestimmung sieht somit vor, dass für Küstengewässer, die nur einen geringen Wasseraustausch haben oder in die große Mengen von Nährstoffen eingeleitet werden, im Fall großer Gemeinden Phosphor und/oder Stickstoff entfernt werden sollte, außer wenn nachgewiesen werden kann, dass das Ausmaß der Eutrophierung dadurch nicht beeinflusst wird.
34. Die Tabelle 2 in Anhang I dieser Richtlinie betrifft die Verringerung von Phosphor und Stickstoff in kommunalem Abwasser. Wie aus ihrer Überschrift hervorgeht, können je nach den Gegebenheiten vor Ort einer oder beide Parameter verwendet werden. Es hängt nämlich von den Gegebenheiten vor Ort ab, ob Stickstoff oder Phosphor oder beide Stoffe verringert werden müssen. Der Mitgliedstaat hat sodann die Wahl, ob er über den Konzentrationswert oder die prozentuale Verringerung vorgeht.
35. Die Kommission und die Republik Finnland sind sich darin einig, dass die Eutrophierung der Ostsee ein größeres Umweltproblem darstellt und dass dieses Phänomen durch eine Zunahme der Stickstoff- und Phosphorkonzentration hervorgerufen wird; beide Stoffe sind allerdings für das Leben im Meer unentbehrlich.
36. Wie die Kommission selbst vorgetragen hat, variiert der Mechanismus zur Begrenzung der Eutrophierung durch Stickstoff und/oder Phosphor beträchtlich von einem Meeresgebiet der Ostsee zum anderen, ja sogar innerhalb ein und desselben Gebiets. Es gibt daher für das Problem der Eutrophierung keine einheitliche Lösung für die gesamte Ostsee.
37. Aus den Erklärungen der Verfahrensbeteiligten geht hervor, dass im Allgemeinen einer der Nährstoffe, sei es Phosphor oder Stickstoff, im Vergleich zum anderen in geringerer Menge vorhanden ist und dass dieser geringere Gehalt das Algenwachstum begrenzt. Dieser Stoff wird daher als „begrenzender Faktor“ bezeichnet. Die Gewässer eines Gebiets können für den einen oder den anderen dieser Stoffe oder auch für beide empfindlich sein. Werden Phosphor und/oder Stickstoff je nach der Empfindlichkeit der genannten Gewässer reduziert, ermöglicht dies also die Begrenzung des Algenwachstums.
38. Unter diesen Umständen sind für die Verringerung der Eutrophierung in den verschiedenen Teilen der Ostsee nicht die gleichen Maßnahmen zu ergreifen. Die Richtlinie 91/271 sieht insoweit vor, dass die Mitgliedstaaten auf der Grundlage der Gegebenheiten vor Ort die Stoffe – Phosphor und/oder Stickstoff – bewerten, die zur Eutrophierung beitragen, und anhand dieser Beurteilung die geeigneten Behandlungsmaßnahmen ergreifen.
39. Die Richtlinie 91/271 verlangt somit, wie die Republik Finnland geltend gemacht hat, nicht automatisch eine Verringerung der Stickstoffbelastung, selbst wenn die Einleitungen aus kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen in Einleitungsgewässer eines empfindlichen Gebiets fließen. Der Grund für die Empfindlichkeit dieser Einleitungsgewässer bestimmt zusammen mit einer Prüfung der Gegebenheiten vor Ort, ob Stickstoff und/oder Phosphor verringert werden müssen.
40. Daher ist der von der Kommission vertretenen Auslegung nicht zu folgen, wonach der Umstand allein, dass die Einleitungen aus kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen letztlich in ein empfindliches Gebiet gelangen, die Annahme erlaube, dass die Richtlinie 91/271 dann eine tertiäre Stickstoffbehandlung erfordere. Nach Art. 5 Abs. 5 dieser Richtlinie hängt die Verpflichtung zur Verringerung der Stickstoffbelastung davon ab, inwieweit das Abwasser aus kommunalen Behandlungsanlagen in den Wassereinzugsgebieten der empfindlichen Gebiete zur Verschmutzung dieser Gebiete beiträgt.
41. Da die Bestimmung des begrenzenden Faktors nicht ausschließlich mit der Empfindlichkeit der Einleitungsgewässer zusammenhängt, sondern auch damit, dass die Einleitungen einen Verschmutzungseffekt auf diese Gewässer haben, lässt sich nicht, wie dies die Kommission im Kern tut, behaupten, sowohl die Seen als auch die Flüsse und die Küstengewässer Finnlands müssten als für diese beiden Stoffe empfindlich angesehen werden, weil die Ostsee im eigentlichen Sinn sowohl wegen Stickstoffs als auch wegen Phosphor einer starken Eutrophierung unterliegt und der Großteil der finnischen Binnengewässer in dieses Meer entwässert.
42. Daraus ergibt sich, dass entgegen dem Vorbringen der Kommission die Richtlinie 91/271 keine allgemeine Verpflichtung vorsieht, eine tertiäre Stickstoffbehandlung der Einleitungen aller kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen von Gemeinden mit mehr als 10 000 EW vorzuschreiben.
43. Da die Richtlinie 91/271 eine Verringerung von Phosphor und/oder Stickstoff je nach den Gegebenheiten vor Ort, d. h. der Empfindlichkeit der Einleitungsgewässer für den einen oder den anderen Nährstoff und dem Vorliegen eines Verschmutzungseffekts der Einleitungen auf diese Gewässer, verlangt, können die fraglichen Behandlungsanlagen, die in dasselbe Wassereinzugsgebiet einleiten, zusammen geprüft werden.
44. Ferner unterliegen die – unmittelbaren oder mittelbaren – Einleitungen aus kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen, die in demselben Wassereinzugsgebiet eines empfindlichen Gebiets gelegen sind, nach Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie 91/271 den für empfindliche Gebiete geltenden Anforderungen nur insoweit, wie diese Einleitungen zur Verschmutzung dieses Gebiets beitragen. Daher muss ein Kausalzusammenhang zwischen den genannten Einleitungen und der Verschmutzung der empfindlichen Gebiete bestehen.
45. In Anbetracht dieser Erwägungen ist zu prüfen, ob die Kommission einen derartigen Zusammenhang dargetan hat.
46. Nach ständiger Rechtsprechung obliegt es nämlich im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens nach Art. 226 EG der Kommission, das Vorliegen der behaupteten Vertragsverletzung nachzuweisen. Sie muss dem Gerichtshof die erforderlichen Anhaltspunkte liefern, anhand deren er das Vorliegen der Vertragsverletzung prüfen kann, und kann sich dabei nicht auf irgendeine Vermutung stützen (vgl. u. a. Urteile vom 25. Mai 1982, Kommission/Niederlande, 96/81, Slg. 1982, 1791, Randnr. 6, und vom 26. April 2007, Kommission/Italien, C-135/05, Slg. 2007, I-3475, Randnr. 26).
47. Ist der Vortrag der Kommission hinreichend, um den Sachverhalt zu belegen, der sich im Hoheitsgebiet des beklagten Mitgliedstaats zugetragen hat, so obliegt es diesem Mitgliedstaat, substantiiert und detailliert diesen Vortrag und die daraus sich ergebenden Folgen zu bestreiten (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 22. September 1988, Kommission/Griechenland, 272/86, Slg. 1988, 4875, Randnr. 21, und vom 9. November 1999, Kommission/Italien, C-365/97, Slg. 1999, I‑7773, Randnrn. 84 und 86).
48. Aus den Akten ergibt sich, dass die finnischen Behandlungsanlagen über Wassereinzugsgebiete verteilt sind, deren Einleitungsgewässer erstens der Bottnische Meerbusen – der selbst aus zwei Meeresgebieten besteht, der Bottenwiek zum einen und der Bottnischen See zum anderen –, zweitens die Ostsee im eigentlichen Sinn und drittens der Finnische Meerbusen sind.
49. Unter diesen Umständen ist zu prüfen, ob die Kommission nachgewiesen hat, dass die Stickstoffeinleitungen aus kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen von Gemeinden mit mehr als 10 000 EW in den jeweiligen Wassereinzugsgebieten der oben genannten Meeresgebiete zur Eutrophierung dieser Meeresgebiete beitragen.
Zu den in den Bottnischen Meerbusen einleitenden Behandlungsanlagen
50. Einige der in den Bottnischen Meerbusen einleitenden kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen leiten unmittelbar oder mittelbar in die Bottenwiek, andere unmittelbar oder mittelbar in die Bottnische See ein. Die fraglichen Behandlungsanlagen, die in dasselbe Wassereinzugsgebiet einleiten, können somit zusammen geprüft werden.
– Zu den unmittelbar in die Bottenwiek oder deren Wassereinzugsgebiet einleitenden Behandlungsanlagen
51. Die Verfahrensbeteiligten sind sich darüber einig, dass die Bottenwiek der einzige bedeutende Bereich der Ostsee ist, der im Allgemeinen nicht von der Eutrophierung betroffen ist. Die Kommission erkennt außerdem an, dass Phosphor der begrenzende Faktor in der Bottenwiek ist. Darüber hinaus macht die Republik Finnland geltend, dass eine Zurückhaltung von Stickstoff, wenn die für die Vergabe der Umwelterlaubnisse zuständige Behörde der Ansicht sei, dass die Gegebenheiten vor Ort dies erforderten, auch für die kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen im Gebiet am Rande der Bottenwiek vorgeschrieben werde.
52. Unter diesen Umständen hat die Kommission nicht dargetan, dass die Republik Finnland in Anbetracht der in der Bottenwiek herrschenden Bedingungen für alle kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen von Gemeinden mit mehr als 10 000 EW, die in die Bottenwiek einleiten, eine tertiäre Stickstoffbehandlung vorschreiben musste.
– Zu den unmittelbar in die Bottnische See oder deren Wassereinzugsgebiet einleitenden Behandlungsanlagen
53. Die Verfahrensbeteiligten streiten zum einen über das Vorliegen von Eutrophierung und über die Bestimmung des begrenzenden Faktors in der Bottnischen See und zum anderen darüber, ob ein Stickstofftransfer aus dem Bottnischen Meerbusen in die Ostsee im eigentlichen Sinn existiert und welche Auswirkungen er gegebenenfalls hat.
Zum Vorliegen von Eutrophierung und zur Bestimmung des begrenzenden Faktors in der Bottnischen See
54. Den Ergebnissen der von der Republik Finnland zu den Akten gereichten Studien zufolge ist der Bottnische Meerbusen einschließlich der Bottnischen See der einzige Teil der Ostsee, der keine offenkundigen Anzeichen von Eutrophierung zeigt.
55. Die Kommission gründet ihre Behauptung, dass Stickstoff ein signifikanter begrenzender Faktor der Eutrophierung in der Bottnischen See sei, auf einen Bericht, den das Water Research Center in ihrem Auftrag 2004 über die Umsetzung der Richtlinie 91/271 in Finnland erstellt hat (im Folgenden: Bericht von 2004).
56. Aus diesem Bericht ergibt sich jedoch, dass in der Bottnischen See und, genauer gesagt, in den offenen Meeresbereichen des Bottnischen Meerbusens die Eutrophierung allgemein nicht als ein Problem angesehen wird. Der genannte Bericht bekräftigt außerdem, dass das Schärenmeer, was die Eutrophierung angehe, ein Übergangsbereich zwischen Finnischem und Bottnischem Meerbusen sei. Die Wasserqualität sei dort weit überwiegend als zufriedenstellend beschrieben worden.
57. Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Kommission nicht dargetan hat, dass Stickstoff ein signifikanter begrenzender Faktor der Eutrophierung in den offenen Meeresbereichen der Bottnischen See ist.
58. In Bezug auf die Küstengewässer bestätigt der Bericht von 2004, dass diese aufgrund geringen Wasseraustauschs und hohen Nährstoffgehalts einer Eutrophierung unterliegen. Außerdem sei Stickstoff in den finnischen Küstengewässern tendenziell ein begrenzender Faktor.
59. In dieser Hinsicht ist Anhang II Abschnitt A Buchst. a Abs. 2 Ziff. ii der Richtlinie 91/271 zu berücksichtigen, wonach in Küstengewässern die Einleitungen aus kleineren Gemeinden normalerweise nicht ausschlaggebend sind, aber im Fall großer Gemeinden Phosphor und/oder Stickstoff entfernt werden sollte, außer wenn nachgewiesen werden kann, dass das Ausmaß der Eutrophierung dadurch nicht beeinflusst wird.
60. Die Republik Finnland hat geltend gemacht, dass der in den kommunalen Abwässern enthaltene Stickstoff, was die kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen im Randgebiet des Bottnischen Meerbusens angehe, insbesondere wegen des Phänomens der Zurückhaltung von Stickstoff allgemein nicht als Auslöser einer Beeinträchtigung im Sinne der genannten Richtlinie angesehen werden könne.
61. Die Republik Finnland hat ferner, ohne dass die Kommission Gegenbeweise beigebracht hätte, geltend gemacht, dass lediglich 0,3 % der jährlich in die Bottnische See fließenden Gesamtstickstoffmenge aus dem kommunalen Abwasser stamme, das aus der Bottenwiek einfließe. Außerdem sei die Wirkung der Stickstoffentfernung im Bottnischen Meerbusen auf das Ausmaß der Eutrophierung der Ostsee im eigentlichen Sinn so unbedeutend, dass sie sich statistisch nicht erfassen lasse.
62. Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass die Kommission nicht dargetan hat, dass die Republik Finnland in Anbetracht der in der Bottnischen See herrschenden Bedingungen eine tertiäre Behandlung für den Stickstoff vorschreiben musste, der in den in die Bottnische See fließenden Einleitungen aller kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen von Gemeinden mit mehr als 10 000 EW enthalten ist.
Zum Vorliegen eines Stickstofftransfers aus dem Bottnischen Meerbusen in die Ostsee im eigentlichen Sinn und seinen etwaigen Auswirkungen
63. Die Kommission trägt vor, dass jedenfalls eine beträchtliche Menge von Nährstoffen zwischen den verschiedenen Meeresbecken transportiert werde. So flössen 62 % der gesamten Stickstoffmenge, die unmittelbar oder mittelbar in die Bottenwiek eingeleitet werde, sodann in Richtung Bottnische See ab, die ein Meeresbereich sei, in dem Stickstoff einen bedeutenden begrenzenden Faktor darstelle.
64. Zum einen trifft es zu, wie die Kommission und die Republik Finnland geltend machen, dass die Pflicht zur Stickstoffbehandlung in einer umfassenden Sicht zu beurteilen ist, wobei gleichzeitig die Empfindlichkeiten der Binnengewässer und die der Küstengewässer, in die die Einleitungen erfolgen, in Betracht zu ziehen sind. Allerdings hat der Begriff des Wassereinzugsgebiets Grenzen. Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, dass sie im Gegensatz zu dem, was aus ihrer Erwiderung hervorgeht, nicht behaupte, dass die Bottenwiek und die Bottnische See als Wassereinzugsgebiete der Ostsee im eigentlichen Sinn angesehen werden könnten.
65. Zum anderen ist darauf hinzuweisen, dass die Republik Finnland nicht bestreitet, dass Stickstoff zwischen verschiedenen Meeresgebieten zirkuliert, aber geltend macht, daraus lasse sich nicht herleiten, dass die Gegebenheiten vor Ort eine Stickstoffreduzierung in sämtlichen kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen von Gemeinden mit mehr als 10 000 EW im Randbereich dieser Meeresgebiete verlangten.
66. Wie aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten hervorgeht, ist die Ostsee ein Meer von geringer Tiefe, was den Wasseraustausch nicht begünstigt. Außerdem wird, wie in Randnr. 77 des am selben Tag wie das vorliegende Urteil verkündeten Urteils vom 6. Oktober 2009, Kommission/Schweden (C‑438/07, Slg. 2009, I‑0000), festgestellt, zwischen Bottenwiek und Bottnischer See der Wasseraustausch durch natürliche Hindernisse begrenzt, die nördlich der Inselgruppe des Kvar ken liegen. Denn Bottenwiek und Bottnische See sind durch Untiefen mit einer maximalen Tiefe von 25 Metern verbunden.
67. Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass die Kommission nicht dargetan hat, dass es keine physikalische Sperre gibt, die den Stickstofftransfer zwischen den fraglichen Meeresbecken begrenzt.
68. Außerdem ist die Bottnische See, wie die Generalanwältin in Nr. 93 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, eine effektive Stickstoffsenke.
69. Daher hat die Kommission, auch wenn es durchaus einen Stickstofftransfer zwischen dem Bottnischen Meerbusen und der Ostsee im eigentlichen Sinn gibt, nicht dargetan, dass der Abfluss von Wasser aus der Bottenwiek und der Bottnischen See in die Ostsee im eigentlichen Sinn den Transport einer signifikanten Stickstoffverschmutzung aus den nördlichen Regionen Finnlands nach sich zöge.
70. Hierbei ist festzustellen, dass sich die Verfahrensbeteiligten über den Umstand einig sind, dass etwa 11 % des gesamten in der Bottnischen See vorhandenen Stickstoffs in die Ostsee im eigentlichen Sinn abfließen.
71. Jedoch kommt es, wie aus den Akten und den Äußerungen der Republik Finnland in der mündlichen Verhandlung hervorgeht, maßgebend auf den Prozentsatz an, der der Stickstoffmenge entspricht, die von den kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen von Gemeinden mit mehr als 10 000 EW, die in den Bottnischen Meerbusen einleiten, eingeleitet und in die Ostsee weitergeleitet wird. Der Gesamtstickstofffluss kann im vorliegenden Fall nicht maßgebend dafür sein, ob Stickstoff aus den genannten Anlagen einer tertiären Behandlung unterzogen werden muss.
72. Die Akten erlauben nämlich die Feststellung, dass die Nährstoffe, darunter Stickstoff, ihren Ursprung in einer Vielzahl menschlicher Tätigkeiten haben und erstens über atmosphärische Emissionen und die daraus resultierenden Ablagerungen, zweitens über Einleitungen aus einzelnen Quellen entlang der Küste oder aus den Wassereinzugsgebieten, die über die Flüsse weitergeleitet werden, und drittens über Einleitungen aus unterschiedlichen Quellen schließlich in das Meer gelangen.
73. Insoweit erlauben die Akten die Feststellung, dass zum einen ein großer Teil der Stickstoffmenge im Bottnischen Meerbusen aus Einleitungen aus unterschiedlichen Quellen stammt. Zum anderen ist innerhalb dieser Kategorie die Landwirtschaft diejenige menschliche Tätigkeit, die für den größten Teil der Stickstoffeinleitungen verantwortlich ist.
74. Daraus folgt, dass die Stickstoffmenge, die von den kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen von Gemeinden mit mehr als 10 000 EW eingeleitet wird, der von der Kommission angegebenen Stickstoffquote nicht entspricht.
75. Unter diesen Umständen ist schwer zu erkennen, welchen Einleitungen die von der Kommission vorgetragene Transferquote von 62 % entspricht. Eine derartige Quote kann jedenfalls nicht der Stickstoffmenge aus den Einleitungen der kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen von Gemeinden mit mehr als 10 000 EW entsprechen.
76. Nach der Stellungnahme der Republik Finnland in der mündlichen Verhandlung beträgt der Prozentsatz des Stickstofftransfers ausschließlich aus den Einleitungen dieses Nährstoffs aus den fraglichen Behandlungsanlagen etwa 1,2 %.
77. Unter diesen Umständen hat die Kommission nicht dargetan, dass der Stickstofftransfer aus den finnischen Behandlungsanlagen, in denen die kommunalen Abwässer der Gemeinden mit mehr als 10 000 EW behandelt werden, deren Einleitungen in den Bottnischen Meerbusen in Richtung Ostsee im eigentlichen Sinn fließen, als signifikant im Sinne der Rechtsprechung eingestuft werden kann, der zufolge der Stickstofffluss, der durch kommunale Abwässer ausgelöst wird, die in eutrophierte Gewässer abfließen, als signifikant erachtet werden kann, wenn er 10 % oder mehr des gesamten Stickstoffflusses ausmacht (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Frankreich, Randnr. 77).
78. Außerdem hat die im Rahmen des Ostseeübereinkommens bestehende Helcom‑Kommission anlässlich des Ministergipfels von Krakau vom 15. November 2007 einen Aktionsplan für die Ostsee (Helcom Baltic Sea Action Plan) verabschiedet. Dieser Plan, der in der mündlichen Verhandlung erörtert worden ist, sieht eine Obergrenze für Stickstoff- und Phosphoreinleitungen sowie eine notwendige Verringerung des Stickstoff- und Phosphorgehalts in bestimmten Teilen der Ostsee vor. Aus ihm geht hervor, dass für die Bottenwiek und die Bottnische See eine Verringerung der Stickstoffquote nicht erforderlich ist.
79. Zwar befürwortet der genannte Aktionsplan in der Ostsee im eigentlichen Sinn eine Stickstoffverringerung in einer Größenordnung von jährlich 94 000 Tonnen, doch ist festzustellen, dass diese Bestimmung, wie die Republik Finnland in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat, nicht auf diesen Mitgliedstaat abzielt. Angesprochen sind demgegenüber diejenigen Staaten, die sich im Bereich des Wassereinzugsgebiets der Ostsee im eigentlichen Sinn befinden.
80. Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass die Kommission zum einen nicht den Nachweis erbracht hat, dass die Stickstoffeinleitungen der Binnengewässer und der Küstengewässer der Bottenwiek zur Eutrophierung der Bottnischen See beitragen, und zum anderen nicht bewiesen hat, dass Stickstoff der hauptsächliche begrenzende Faktor für die Eutrophierung in der Bottnischen See ist.
81. Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Kommission nicht dargetan hat, dass die Stickstoffmenge aus den kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen von Gemeinden mit mehr als 10 000 EW, die in den Bottnischen Meerbusen einleiten, zur Eutrophierung der Ostsee im eigentlichen Sinn beiträgt. Daher hat die Kommission nicht bewiesen, dass die Republik Finnland für alle kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen von Gemeinden mit mehr als 10 000 EW, die in den Bottnischen Meerbusen einleiten, eine tertiäre Stickstoffbehandlung vorschreiben musste.
82. Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass die Kommission nicht den Nachweis erbracht hat, dass die Republik Finnland gegen ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie 91/271 in Bezug auf jede kommunale Abwasserbehandlungsanlage von Gemeinden mit mehr als 10 000 EW, die in den Bottnischen Meerbusen einleiten, verstoßen hat.
Zu den unmittelbar in die Ostsee im eigentlichen Sinn oder deren Wassereinzugsgebiet einleitenden Behandlungsanlagen
83. In Bezug auf die Einleitungen der in Südfinnland gelegenen Behandlungsanlagen, die kommunale Abwässer von Gemeinden mit mehr als 10 000 EW in dem Wassereinzugsgebiet behandeln, dessen Wasser in die stickstoffempfindlichen Küstengewässer der Ostsee im eigentlichen Sinn abfließt, macht die Republik Finnland geltend, dass eine tertiäre Behandlung von Stickstoff nicht erforderlich sei, da das Phänomen der natürlichen Zurückhaltung eine hinreichende Entfernung dieses Nährstoffs ermögliche.
84. Insoweit ergibt sich aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten, dass die Zurückhaltung ein natürlicher Vorgang in den Seen und Wasserläufen ist, die den größten Teil des eingeleiteten Stickstoffs aufnehmen und diesen in ein unschädliches Gas umwandeln, was auch dem bei der Stickstoffentfernung durch die Behandlungsanlagen verwendeten Verfahren entspricht. Die Zurückhaltung findet insbesondere in den Becken statt, in denen der Abfluss des Wassers verlangsamt wird und in denen dieses üblicherweise jahrelang verbleibt. Dieses Phänomen vollzieht sich in der Form, dass Stickstoff entweder mit der Biomasse in den Bodensedimenten der Seebecken abgebaut oder durch den Vorgang der Nitrifikation/Denitrifizierung der Mikroorganismen als gasförmiger Stickstoff in die Atmosphäre entweicht.
85. Die Kommission bestreitet nicht, dass die Zurückhaltung ein chemischer Vorgang ist, der im Wasser stattfindet und die Stickstoffkonzentration verringert, sie macht aber geltend, dieser Vorgang könne nicht als Ersatz für die Entfernung von Stickstoff durch die in der Richtlinie 91/271 vorgesehenen Behandlungsanlagen dienen, denn dies widerspreche dem Vorsorgegrundsatz. Die Kommission ist außerdem der Ansicht, dass der Vorgang der Zurückhaltung von Stickstoff dessen dauerhafte Entfernung nicht ermögliche und jahreszeitlichen Schwankungen unterliege.
86. Es ist zunächst festzustellen, dass keine Bestimmung der Richtlinie 91/271 daran hindert, die natürliche Zurückhaltung von Stickstoff als eine Methode zur Entfernung von Stickstoff aus kommunalem Abwasser anzusehen.
87. Zu dem Argument der Kommission, dass der Vorgang der Zurückhaltung von Stickstoff zu instabil sei, als dass er berücksichtigt werden könne, ist festzustellen, dass die Republik Finnland, ohne dass die Kommission ihr widersprochen hätte, darauf hingewiesen hat, dass bei den stoffbezogenen bilanzierenden Berechnungen zu den Wassergebieten, auf denen die Analysen zur Zurückhaltung beruhten, die Vorgänge des Entzugs und der Hinzufügung von Stickstoff aus dem oder zum Wasser berücksichtigt worden seien. Berücksichtigt worden seien somit die Denitrifizierung, die Zurückhaltung von Stickstoff in den Ablagerungen, die Zurückhaltung von atmosphärischem Stickstoff durch Blaualgen und die Freisetzung von Stickstoff in das Wasser aus den Ablagerungen. Die Republik Finnland hat hinzugefügt, dass die außergewöhnlichen Jahre des Wasserbeckens herausgerechnet würden, weil die Durchschnittsergebnisse über mehrere Jahre hinweg dargestellt worden seien.
88. Schließlich muss, wie in Randnr. 44 des vorliegenden Urteils ausgeführt, ein adäquater Kausalzusammenhang zwischen den Einleitungen und der Verschmutzung der empfindlichen Gebiete bestehen. Obwohl das Wasser der Ostsee im eigentlichen Sinn insbesondere wegen Stickstoffs einer Eutrophierung unterliegt, darf daher nicht für all diese Anlagen eine tertiäre Behandlung des Stickstoffs vorgeschrieben werden, solange die Kommission nicht nachgewiesen hat, dass die Stickstoffeinleitungen der kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen von Gemeinden mit mehr als 10 000 EW, die in die Ostsee im eigentlichen Sinn einleiten, zur Eutrophierung dieses Meeres beitragen.
89. Ferner verlangt, wie die Generalanwältin in Nr. 82 ihrer Schlussanträge festgestellt hat, Tabelle 2 des Anhangs I der Richtlinie 91/271 im Rahmen der tertiären Behandlung keine vollständige Reinigung, sondern für Stickstoff entweder eine Verringerung, die es ermöglicht, eine Norm von 15 mg/l für Gemeinden mit 10 000 bis 100 000 EW zu erreichen, oder eine prozentuale Mindestverringerung von 70 % bis 80 %. Eine indirekte Einleitung von Stickstoff in für ihn empfindliche Gewässer führt somit nur dann zu der Verpflichtung, ihn zu reduzieren, wenn bei einer Behandlungsanlage mehr als 30 % des in den kommunalen Abwässern enthaltenen Stickstoffs in diese empfindlichen Gewässer gelangen.
90. Somit ist zu prüfen, ob die Kommission dargetan hat, dass die Einleitungen aller kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen von Gemeinden mit mehr als 10 000 EW, die unmittelbar in die Ostsee im eigentlichen Sinn oder deren Wassereinzugsgebiet einleiten, diesen Anforderungen nicht entsprechen.
91. Erstens besteht, wie die Republik Finnland dargelegt hat, das Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats aus zahlreichen Seen und Flüssen. Die Republik Finnland hat außerdem, ohne dass ihr die Kommission widersprochen hätte, hinzugefügt, dass die Süßwasser führenden Gewässer oft Flussläufe bildeten, in deren Mitte kurze Flüsse mehrere aufeinander abfolgende Seen miteinander verbänden, bevor das Wasser in die Küstengewässer münde. Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass die natürlichen Merkmale des finnischen Hoheitsgebiets für die Zurückhaltung von Stickstoff günstig zu sein scheinen.
92. Zweitens ist festzustellen, dass die Republik Finnland vorträgt, dass sich Stickstoff im Großteil der Seen und Flüsse auf die Eutrophierung nicht auswirke, da Phosphor der diese regulierende Nährstoff sei. Es ist festzustellen, dass die Kommission nicht in der Lage war, dieses Argument zu widerlegen.
93. Drittens hat die Republik Finnland, ohne dass ihr die Kommission widersprochen hätte, vorgetragen, dass eine klassische Behandlungsanlage, die für eine mechanische, biologische und chemische Verschmutzungsbeseitigung ausgestattet sei, immer eine bestimmte Stickstoffentfernung vornehme, selbst dann, wenn die Anlage hierfür nicht spezifisch ausgestattet sei. In einer derartigen Behandlungsanlage erreiche die Stickstoffverringerung im Durchschnitt einen Wert von 30 %.
94. Nach alledem und unter Berücksichtigung der von den Verfahrensbeteiligten vorgelegten technischen und wissenschaftlichen Daten hinsichtlich der Einleitungen der Behandlungsanlagen, die unmittelbar oder mittelbar in die Ostsee im eigentlichen Sinn abfließen, hat die Kommission nicht dargetan, dass die kumulierten Wirkungen der Zurückhaltung des Stickstoffs durch die Behandlungsanlagen zum einen und der natürlichen Zurückhaltung zum anderen es nicht erlauben, den minimalen Grad der Stickstoffentfernung zu erreichen, den die Richtlinie 91/271 verlangt.
95. Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass die Kommission nicht den Nachweis erbracht hat, dass die Republik Finnland in Bezug auf alle kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen von Gemeinden mit mehr als 10 000 EW, die unmittelbar oder mittelbar in die Ostsee im eigentlichen Sinn einleiten, gegen ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie 91/271 verstoßen hat.
Zu den Einleitungen der Behandlungsanlagen, die unmittelbar in den Finnischen Meerbusen oder dessen Wassereinzugsgebiet fließen
96. In Bezug auf die Einleitungen der in Südfinnland gelegenen Behandlungsanlagen, die kommunale Abwässer der Gemeinden in dem Wassereinzugsgebiet behandeln, dessen Wasser in die stickstoffempfindlichen Gewässer des Finnischen Meerbusens abfließt, macht die Republik Finnland geltend, dass eine tertiäre Behandlung von Stickstoff nicht erforderlich sei, da das Phänomen der natürlichen Zurückhaltung eine hinreichende Entfernung dieses Nährstoffs ermögliche.
97. Dazu ist festzustellen, dass die in den Randnrn. 84 bis 94 des vorliegenden Urteils für die Behandlungsanlagen, die unmittelbar oder mittelbar in die Ostsee im eigentlichen Sinn einleiten, getroffenen Feststellungen entsprechend für die Behandlungsanlagen gelten, die unmittelbar oder mittelbar in den Finnischen Meerbusen einleiten.
98. Die Republik Finnland trägt vor, dass der Stickstoff in dem Wasser, das von den Behandlungsanlagen im Randgebiet der Seen und Flüsse behandelt werde, nicht in beträchtlichen Mengen in das Wasser des Finnischen Meerbusens, wo er Schaden verursachen könnte, gelange. Ohne dass ihm die Kommission widersprochen oder insoweit einen Gegenbeweis beigebracht hätte, hat dieser Mitgliedstaat vorgetragen, dass Stickstoff in den finnischen Seen in einer Größenordnung zwischen 19 % und 82 % zurückgehalten werde.
99. Zwar sah der in Randnr. 78 des vorliegenden Urteils erwähnte Aktionsplan für die Ostsee vor, dass die Vertragsstaaten des Ostseeübereinkommens 6 000 Tonnen Stickstoff aus dem Finnischen Meerbusen entfernen sollten. Jedoch beläuft sich der Verringerungsanteil an der Stickstoffbelastung, der auf die Republik Finnland entfällt, für die gesamte Ostsee nur auf 1 200 Tonnen jährlich.
100. Die Republik Finnland betont außerdem, dass im Rahmen der Gesamtstickstoffbelastung menschlichen Ursprungs in Finnland der auf kommunale Abwässer entfallende Anteil ungefähr 15 % betrage. Es ist festzustellen, dass diese Behauptung durch die Ergebnisse der zu den Akten gereichten Studien bestätigt wird, denen zufolge die Landwirtschaft in weitem Umfang für die Verschmutzung des Finnischen Meerbusens verantwortlich ist.
101. Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass die Kommission nicht bewiesen hat, dass die Stickstoffeinleitungen der kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen von Gemeinden mit mehr als 10 000 EW, die entweder unmittelbar in den Finnischen Meerbusen oder sein Wassereinzugsgebiet fließen, signifikant zur Eutrophierung des Finnischen Meerbusens beitragen. Wie in Randnr. 46 des vorliegenden Urteils ausgeführt, oblag es ihr im vorliegenden Fall, derartige Beweise beizubringen.
102. Daher ist nicht bewiesen, dass die nationalen finnischen Behörden den kommunalen Abwasserbehandlungsanlagen von Gemeinden mit mehr als 10 000 EW, die entweder unmittelbar in den Finnischen Meerbusen oder sein Wassereinzugsgebiet einleiten, eine tertiäre Stickstoffbehandlung vorschreiben müssen.
103. Nach alledem ist die Klage der Kommission abzuweisen.
Kosten
104. Nach Art. 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Republik Finnland die Kosten aufzuerlegen. Nach Art. 69 § 4 trägt das Königreich Schweden, das dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten ist, seine eigenen Kosten
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften trägt die Kosten.
3. Das Königreich Schweden trägt seine eigenen Kosten.