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Document 62007CC0446

Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston vom 7. Mai 2009.
Alberto Severi gegen Regione Emilia Romagna.
Ersuchen um Vorabentscheidung: Tribunale civile di Modena - Italien.
Richtlinie 2000/13/EG - Etikettierung von Lebensmitteln, die ohne weitere Verarbeitung an den Endverbraucher abgegeben werden sollen - Etikettierung, die geeignet ist, den Käufer über Ursprung oder Herkunft des Lebensmittels in die Irre zu führen - Gattungsbezeichnungen im Sinne von Art. 3 der Verordnung (EWG) Nr. 2081/92 - Auswirkung.
Rechtssache C-446/07.

Sammlung der Rechtsprechung 2009 I-08041

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2009:289

Schlußanträge des Generalanwalts

Schlußanträge des Generalanwalts

1. Wenn die auf einen Herkunftsort anspielende Bezeichnung eines Lebensmittels als (nationale) Kollektivmarke auf eine Vereinigung örtlicher Erzeuger eingetragen ist und außerdem ein Antrag auf Eintragung dieser Bezeichnung als (gemeinschaftliche) geschützte Ursprungsbezeichnung (im Folgenden: g.U.) oder geschützte geografische Angabe (im Folgenden: g.g.A.) gestellt wurde, inwieweit kann sich dann ein anderer Erzeuger, der eine ähnliche Bezeichnung für ein ähnliches Lebensmittel verwendet, zu seiner Verteidigung gegen den Vorwurf, dass die Etikettierung seines Lebensmittels die Verbraucher irreführen könnte, darauf berufen, (i) dass im Rahmen der Prüfung des Antrags auf Zuerkennung des g.U.- oder g.g.A.-Status noch nicht festgestellt worden ist, dass die Bezeichnung nicht zu einer Gattungsbezeichnung geworden ist, und/oder (ii) dass er die Bezeichnung bereits seit geraumer Zeit in gutem Glauben verwendet?

2. Dies ist der Kerngehalt der Fragen, die das Tribunale Civile di Modena (Italien) dem Gerichtshof im vorliegenden Fall vorgelegt hat.

Gemeinschaftsrecht

3. Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Verordnung (EWG) Nr. 2081/92 des Rates vom 14. Juli 1992 zum Schutz von geografischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel(2), der Richtlinie 2000/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. März 2000 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln sowie die Werbung hierfür(3) und der Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken(4) .

Verordnung Nr. 2081/92

4. Die Verordnung Nr. 2081/92 regelt den Schutz eingetragener Ursprungsbezeichnungen und geografischer Angaben.(5) Danach können die Bezeichnungen bestimmter Agrarerzeugnisse und Lebensmittel in der gesamten Gemeinschaft als g.U. oder g.g.A. geschützt werden, wenn ein Zusammenhang zwischen den Eigenschaften der Produkte und ihrer geografischen Herkunft besteht.(6)

5. Im fünften Erwägungsgrund der Verordnung heißt es, dass für die Etikettierung von Agrarerzeugnissen und Lebensmitteln die in der Gemeinschaft aufgestellten allgemeinen Vorschriften, insbesondere die Richtlinie 79/112(7), gelten und dass aufgrund der Spezifität von Agrarerzeugnissen und Lebensmitteln aus einem begrenzten geografischen Gebiet für diese ergänzende Sonderbestimmungen erlassen werden sollten. Zur Festlegung des Anwendungsbereichs der Verordnung sieht deren Art. 1 Abs. 2 ausdrücklich vor, dass die Verordnung unbeschadet sonstiger besonderer Gemeinschaftsvorschriften gilt.

6. Art. 2 sieht vor, dass Ursprungsbezeichnungen und geografische Angaben nach Maßgabe der Verordnung auf Gemeinschaftsebene geschützt werden, und nennt die Voraussetzungen für die Einstufung einer Bezeichnung als „Ursprungsbezeichnung“ oder „geografische Angabe“.

7. Danach bedeutet gemäß Art. 2 Abs. 2 Buchst. a „Ursprungsbezeichnung“ den Namen einer Gegend, eines bestimmten Ortes oder eines Landes, der zur Bezeichnung eines Agrarerzeugnisses oder eines Lebensmittels dient, das von dort stammt, das seine Güte oder Eigenschaften überwiegend oder ausschließlich den geografischen Verhältnissen einschließlich der natürlichen und menschlichen Einflüsse verdankt und das in dem begrenzten geografischen Gebiet erzeugt, verarbeitet und hergestellt wurde. In Art. 2 Abs. 2 Buchst. b ist „geografische Angabe“ definiert als der Name einer Gegend, eines bestimmten Ortes oder eines Landes, der zur Bezeichnung eines Agrarerzeugnisses oder eines Lebensmittels dient, das von dort stammt, bei dem sich eine bestimmte Qualität, das Ansehen oder eine andere Eigenschaft aus diesem geografischen Ursprung ergibt und das in dem begrenzten geografischen Gebiet erzeugt und/oder verarbeitet und/oder hergestellt wurde.

8. Sodann sind in Art. 3 zwei Sachverhalte geregelt, bei deren Vorliegen bestimmte Bezeichnungen nicht eingetragen werden dürfen.

9. Insbesondere bestimmt Art. 3 Abs. 1:

„Bezeichnungen, die zu Gattungsbezeichnungen geworden sind, dürfen nicht eingetragen werden.

Im Sinne dieser Verordnung gilt als ‚Bezeichnung, die zur Gattungsbezeichnung geworden ist‘, der Name eines Agrarerzeugnisses oder eines Lebensmittels, der sich zwar auf einen Ort oder ein Gebiet bezieht, wo das betreffende Agrarerzeugnis oder Lebensmittel ursprünglich hergestellt oder vermarktet wurde, der jedoch der gemeinhin übliche Name für ein Agrarerzeugnis oder ein Lebensmittel geworden ist.

Bei der Feststellung, ob ein Name zur Gattungsbezeichnung geworden ist, sind alle Faktoren und insbesondere Folgendes zu berücksichtigen:

– die bestehende Situation in dem Mitgliedstaat, aus dem der Name stammt, und in den Verbrauchsgebieten;

– die Situation in anderen Mitgliedstaaten;

– die einschlägigen nationalen oder gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften.

Wird ein Antrag auf Eintragung nach dem Verfahren der Artikel 6 und 7 abgelehnt, weil aus einer Bezeichnung eine Gattungsbezeichnung geworden ist, so veröffentlicht die Kommission diesen Beschluss im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften.“

10. Art. 5 regelt das Verfahren, das ein Mitgliedstaat bei Eingang eines Antrags auf Eintragung einer Bezeichnung durchzuführen hat. Die einschlägigen Bestimmungen von Art. 5 Abs. 5(8) lauten:

„Der Mitgliedstaat prüft, ob der Antrag gerechtfertigt ist, und übermittelt ihn … der Kommission, wenn er der Auffassung ist, dass die Anforderungen dieser Verordnung erfüllt sind.

Der Mitgliedstaat kann auf nationaler Ebene einen Schutz im Sinne dieser Verordnung sowie gegebenenfalls eine Anpassungsfrist für die übermittelte Bezeichnung lediglich übergangsweise vom Zeitpunkt der Übermittlung an gewähren …

Der übergangsweise gewährte nationale Schutz endet mit dem Zeitpunkt, zu dem nach dieser Verordnung über die Eintragung beschlossen wird. Im Rahmen dieses Beschlusses kann gegebenenfalls eine Übergangsfrist von höchstens fünf Jahren vorgesehen werden, sofern die betreffenden Unternehmen die Erzeugnisse mindestens fünf Jahre lang vor der in Artikel 6 Absatz 2 genannten Veröffentlichung unter ständiger Verwendung der betreffenden Bezeichnungen rechtmäßig vertrieben haben.“

11. In Art. 13 ist der den eingetragenen Bezeichnungen gewährte Schutz näher beschrieben. Die einschlägigen Passagen der Vorschrift lauten:

„(1) Eingetragene Bezeichnungen werden geschützt gegen

a) jede direkte oder indirekte kommerzielle Verwendung einer eingetragenen Bezeichnung für Erzeugnisse, die nicht unter die Eintragung fallen, sofern diese Erzeugnisse mit den unter dieser Bezeichnung eingetragenen Erzeugnissen vergleichbar sind oder sofern durch diese Verwendung das Ansehen der geschützten Bezeichnung ausgenutzt wird;

b) jede widerrechtliche Aneignung, Nachahmung oder Anspielung, selbst wenn der wahre Ursprung des Erzeugnisses angegeben ist oder wenn die geschützte Bezeichnung in Übersetzung oder zusammen mit Ausdrücken wie … ‚Typ‘ … verwendet wird;

c) alle sonstigen falschen oder irreführenden Angaben, die sich auf [die] Herkunft … der Erzeugnisse beziehen …, die geeignet sind, einen falschen Eindruck hinsichtlich des Ursprungs zu erwecken;

d) alle sonstigen Praktiken, die geeignet sind, das Publikum über den wahren Ursprung des Erzeugnisses irrezuführen.

(3) Geschützte Bezeichnungen können nicht zu Gattungsbezeichnungen werden.“

Richtlinie 2000/13

12. Mit der Richtlinie 2000/13 werden die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über u. a. die Etikettierung von Lebensmitteln angeglichen. Im sechsten Erwägungsgrund der genannten Richtlinie heißt es, dass „[j]ede Regelung der Etikettierung von Lebensmitteln … vor allem der Unterrichtung und dem Schutz der Verbraucher dienen [soll]“.

13. Die einschlägigen Bestimmungen von Art. 2 lauten:

„(1) Die Etikettierung und die Art und Weise, in der sie erfolgt, dürfen nicht

a) geeignet sein, den Käufer irrezuführen, und zwar insbesondere nicht

i) über die Eigenschaften des Lebensmittels, namentlich über … Ursprung oder Herkunft …;

(3) Die Verbote oder Einschränkungen nach [Absatz] 1 … gelten auch

a) für die Aufmachung von Lebensmitteln, insbesondere die Form oder das Aussehen dieser Lebensmittel oder ihrer Verpackung, das verwendete Verpackungsmaterial, die Art und Weise ihrer Anordnung sowie die Umgebung, in der sie feilgehalten werden;

b) für die Werbung.“

14. Die einschlägigen Bestimmungen von Art. 5 lauten:

„(1) Die Verkehrsbezeichnung eines Lebensmittels ist die Bezeichnung, die in den für dieses Lebensmittel geltenden gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften vorgesehen ist.

a) Beim Fehlen gemeinschaftlicher Vorschriften ist die Verkehrsbezeichnung die Bezeichnung, die in den Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Mitgliedsstaats vorgesehen ist, in dem die Abgabe an den Endverbraucher oder an gemeinschaftliche Einrichtungen erfolgt.

Beim Fehlen einer solchen Bezeichnung ist die Verkehrsbezeichnung die verkehrsübliche Bezeichnung in dem Mitgliedstaat, in dem die Abgabe an den Endverbraucher oder an gemeinschaftliche Einrichtungen erfolgt, oder eine Beschreibung des Lebensmittels und erforderlichenfalls seiner Verwendung, die hinreichend genau ist, um es dem Käufer zu ermöglichen, die tatsächliche Art des Lebensmittels zu erkennen und es von Erzeugnissen zu unterscheiden, mit denen es verwechselt werden könnte.“

Richtlinie 89/104

15. Mit der Richtlinie 89/104 erfolgte eine erste Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken.

16. Die einschlägigen Bestimmungen von Art. 3 Abs. 1 lauten:

„Folgende Zeichen oder Marken sind von der Eintragung ausgeschlossen oder unterliegen im Falle der Eintragung der Ungültigerklärung:

c) Marken, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, welche im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geografischen Herkunft oder der Zeit der Herstellung der Ware oder der Erbringung der Dienstleistung oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Ware oder Dienstleistung dienen können,

d) Marken, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im allgemeinen Sprachgebrauch oder in den redlichen und ständigen Verkehrsgepflogenheiten üblich sind,

…“

17. Art. 15 Abs. 2 lautet:

„Abweichend von Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe c) können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass Zeichen oder Angaben, welche im Verkehr zur Bezeichnung der geografischen Herkunft der Ware oder Dienstleistung dienen können, Kollektiv-, Garantie- oder Gewährleistungsmarken darstellen können. Eine solche Marke berechtigt den Inhaber nicht dazu, einem Dritten die Benutzung solcher Zeichen oder Angaben im geschäftlichen Verkehr zu untersagen, sofern die Benutzung den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe oder Handel entspricht: Insbesondere kann eine solche Marke einem Dritten, der zur Benutzung einer geografischen Bezeichnung berechtigt ist, nicht entgegengehalten werden.“

Sachver halt, Verfahren und Vorlagefragen

18. Die Gemeinde Felino liegt in der Regione Emilia-Romagna in Italien. Cavazzuti SpA, jetzt Grandi Salumifici Italiani SpA (im Folgenden: GSI), stellt Salamiwurst her, die sie als „Salame Felino“ und/oder „Salame tipo Felino“(9) vertreibt. GSI stellt diese Salami – und zwar seit etwa 1970 – in der (50 km entfernt von Felino ebenfalls in der Regione Emilia-Romagna gelegenen) Gemeinde Modena her.

19. Am 16. Mai 2006 erließ die Regione Emilia-Romagna gegen GSI einen Bußgeldbescheid wegen einer die Verbraucher irreführenden Verwendung der Bezeichnung „Salame tipo Felino“ auf der Etikettierung. Die Regione vertrat die Auffassung, dass GSI damit gegen Art. 2 des Decreto legislativo Nr. 109/92 verstoßen habe, mit dem Art. 2 der Richtlinie 2000/13 in Italien in innerstaatliches Recht umgesetzt worden sei.

20. Zum Zeitpunkt des Erlasses des Bußgeldbescheids war die Bezeichnung „Salame Felino“ weder als g.U. noch als g.g.A. eingetragen. Dem Vorlagebeschluss zufolge wurde auf Anregung der Associazione per la Tutela del Salame Felino (Vereinigung zum Schutz der Salame Felino, im Folgenden: APTSF) und der Associazione delle Industrie delle Carni (Verband der Fleischindustrie, im Folgenden: ASSICA) ein Antrag auf Anerkennung der Bezeichnung „Salame Felino“ als g.g.A. gemäß der Verordnung Nr. 2081/92 gestellt. Zum Zeitpunkt des Vorlagebeschlusses hatte dieser Antrag jedoch noch nicht zur Eintragung der Bezeichnung geführt.

21. GSI rief das Tribunale Civile di Modena mit dem Begehren an, den Bußgeldbescheid aufzuheben, da die Bezeichnung „Salame Felino“ eine Gattungsbezeichnung sei und seit mehreren Jahren in gutem Glauben außerhalb des Gemeindegebiets Felino u. a. auch für eine Kollektivmarke verwendet werde. Das Tribunale Civile hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen vorgelegt:

1. Sind die Art. 3 Abs. 1 und 13 Abs. 3 der Verordnung (EWG) Nr. 2081/92 (jetzt Art. 3 Abs. 1 und 13 Abs. 2 der Verordnung [EG] Nr. 510/06) im Hinblick auf Art. 2 des Decreto legislativo Nr. 109/92 (Art. 2 der Richtlinie 2000/13/EG) dahin auszulegen, dass die Bezeichnung eines Lebensmittels, die eine geografische Bezugnahme enthält, für die auf nationaler Ebene die Übermittlung eines Antrags an die Kommission auf Eintragung als geschützte Ursprungsbezeichnung oder geschützte geografische Angabe im Sinne der genannten Verordnungen „abgelehnt“ oder „ausgesetzt“ wurde, zumindest in der Zeit als Gattungsbezeichnungen anzusehen ist, in der eine solche Ablehnung oder Aussetzung wirksam ist?

2. Sind die Art. 3 Abs. 1 und 13 Abs. 3 der Verordnung (EWG) Nr. 2081/92 (jetzt Art. 3 Abs. 1 und 13 Abs. 2 der Verordnung [EG] Nr. 510/06) im Hinblick auf Art. 2 des Decreto legislativo Nr. 109/92 (Art. 2 der Richtlinie 2000/13/EG) dahin auszulegen, dass die auf einen Ort anspielende Bezeichnung eines Lebensmittels, die nicht als geschützte Ursprungsbezeichnung oder geschützte geografische Angabe im Sinne der genannten Verordnungen eingetragen ist, auf dem europäischen Markt rechtmäßig von Erzeugern verwendet werden kann, die sie vor Inkrafttreten der Verordnung Nr. 2081/92 (jetzt Verordnung Nr. 510/06) und in der Zeit seit diesem Inkrafttreten in gutem Glauben und fortwährend über lange Zeit verwendet haben?

3. Ist Art. 15 Abs. 2 der Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken dahin auszulegen, dass der Inhaber einer Kollektivmarke für ein Lebensmittelerzeugnis mit geografischer Bezugnahme es Erzeugern eines Erzeugnisses mit den gleichen Merkmalen nicht verwehren kann, es mit einer Bezeichnung zu versehen, die derjenigen der Kollektivmarke ähnlich ist, wenn die genannten Erzeuger diese Bezeichnung schon seit einem viel früheren Zeitpunkt als dem der Anmeldung der genannten Kollektivmarke in gutem Glauben und ständig verwendet haben?

22. GSI, die Regione Emilia-Romagna, APTSF, die griechische und die italienische Regierung sowie die Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht und anschließend mündlich verhandelt.

Vorbemerkungen

23. Gegen GSI wurde ein Bußgeld wegen Verletzung von Art. 2 des Decreto legislativo Nr. 109/92 verhängt. Das nationale Gericht hat daher eine einfache Beurteilung vorzunehmen: Hat GSI die Verbraucher durch Verwendung der Bezeichnung „Salame tipo Felino“ auf ihren Etiketten irregeführt? Das Tribunale di Modena bittet den Gerichtshof, die Bedeutung einiger Faktoren für diese Beurteilung klarzustellen.

24. Einer dieser Faktoren ist die Einschätzung der Bezeichnung als solcher. Die erste dem Gerichtshof vorgelegte Frage zielt darauf ab, wann und warum ein Name als Gattungsbezeichnung anzusehen ist. Zur Beantwortung dieser Frage bedarf es lediglich einer Betrachtung der in der Verordnung Nr. 2081/92 vorgesehenen Eintragungsregelung. Mit Blick auf den beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit hat der Gerichtshof jedoch auch die Folgen zu untersuchen, die sich aus einer Feststellung, dass es sich bei einem Namen um eine Gattungsbezeichnung handelt, für die vom nationalen Gericht vorzunehmende Würdigung der Verwendung dieser Bezeichnung auf einem Etikett ergeben.

25. Das macht es erforderlich, dass der Gerichtshof eindeutig zu dem Zusammenspiel der Verordnung Nr. 2081/92 mit der Richtlinie 2000/13 Stellung nimmt. Ich werde mich hierzu im Rahmen meiner Antwort auf die zweite Frage äußern, ehe ich darauf eingehe, inwieweit der gute Glaube eines Unternehmens und die Dauer der Verwendung einer Bezeichnung für die gerichtliche Beurteilung eines als irreführend beanstandeten Etiketts eine Rolle spielt.

Zur ersten Frage

26. Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob eine geografische Bezeichnung, für die die Übermittlung eines Antrags auf Eintragung als g.U. oder g.g.A. abgelehnt oder ausgesetzt worden ist, zumindest in der Zeit als Gattungsbezeichnung anzusehen ist, in der eine solche Ablehnung oder Aussetzung wirksam ist.

Zulässigkeit

27. Die Zulässigkeit wurde aus zwei verschiedenen Gründen gerügt.

28. Erstens bestreiten die APTSF und die italienische Regierung den der Frage zugrunde liegenden Sachverhalt. Die italienische Regierung macht geltend, das Eintragungsverfahren sei nicht abgelehnt oder ausgesetzt worden. Der APTSF zufolge steht bei dem Antrag auf Eintragung der Bezeichnung nur noch die förmliche Veröffentlichung aus.

29. Ich halte keinen dieser beiden Einwände für hinreichend, um die Unzulässigkeit der ersten Frage zu begründen.

30. Art. 234 EG beruht auf einer klaren Aufgabentrennung zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof. Sachverhaltsfragen fallen in die Zuständigkeit der nationalen Gerichte, während die Aufgabe des Gerichtshofs darin besteht, Hinweise zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts zu geben. Der Gerichtshof muss folglich bei seinem Urteil in einem Vorabentscheidungsverfahren von dem Sachverhalt ausgehen, den ihm das nationale Gericht in der Vorlageentscheidung unterbreitet.(10)

31. Nach den Angaben in der Vorlageentscheidung war zur maßgeblichen Zeit der Antrag nach der Verordnung Nr. 2081/92 anhängig, und die Bezeichnung „Salame Felino“ war nicht in das Register aufgenommen. Die Gründe, warum dies der Fall war oder gewesen sein mag, sind für die Prüfung der Vorlagefragen vollkommen unerheblich.

32. Zweitens ist nach Auffassung der italienischen Regierung und der Kommission die erste Frage unzulässig, weil sie auf der irrigen Annahme beruhe, der Geltungsbereich von Art. 2 der Richtlinie 2000/13 könne durch die Verordnung eingeschränkt werden. Die Kommission hält es für die Entscheidung des beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreits außerdem für nicht erforderlich, die Frage, ob eine Gattungsbezeichnung vorliege, im Rahmen des Eintragungsverfahrens nach der Verordnung Nr. 2081/92 vorab zu klären. Das nationale Gericht habe den bei ihm anhängigen Rechtsstreit ausschließlich anhand der nationalen Vorschriften zur Umsetzung der Richtlinie 2000/13 zu entscheiden.

33. Das Vorbringen der Kommission ist zwar sachdienlich, jedoch ist es durchaus möglich, dass die Eintragung einer Bezeichnung (oder ihre Einstufung als Gattungsbezeichnung) nach der Verordnung Nr. 2081/92 – auch wenn dadurch der Geltungsbereich von Art. 2 der Richtlinie 2000/13 nicht eingeschränkt wird – Einfluss auf eine gerichtliche Entscheidung der Frage hat, ob ein Etikett, das diese Bezeichnung verwendet, irreführend im Sinne der Richtlinie 2000/13 ist. Die Beantwortung der ersten Frage ist daher ein gegebenenfalls erforderlicher vorbereitender Schritt für die korrekte Beantwortung der zweiten Frage.

34. Meines Erachtens hat der Gerichtshof daher die erste Frage zu beantworten.

Sachprüfung

35. Die Verordnung Nr. 2081/92 schafft eine Regelung, wonach eine Bezeichnung, die auf die Herkunft eines Erzeugnisses hinweist, in eine Liste von auf Gemeinschaftsebene geschützten Bezeichnungen eingetragen werden kann. Die Kommission prüft, ob ein Schutz der Bezeichnung möglich ist. Nach Art. 3 Abs. 1 kann die Kommission die Eintragung einer Bezeichnung u. a. mit der Begründung ablehnen, dass es sich nach ihren Feststellungen um eine Gattungsbezeichnung handelt.

36. Sofern und solange die Kommission einen Antrag jedoch nicht ausdrücklich aus diesem Grund ablehnt, lässt sich nicht behaupten, bei der Bezeichnung handele es sich um eine festgestellte Gattungsbezeichnung im Sinne der Verordnung.

37. Es besteht auch keine Vermutung, dass eine geografische Bezeichnung bis zur Feststellung des Gegenteils eine Gattungsbezeichnung ist. Vielfach dürfte eine solche Bezeichnung einfach nur informativ sein. In einigen Fällen wird sie nach der Verordnung schutzwürdig sein. Die dem Gerichtshof vorliegenden Akten enthalten jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass sich eine geografische Bezeichnung üblicherweise zur Gattungsbezeichnung eines Lebensmittels entwickelt.

38. Entgegen der Auffassung von GSI kann demnach ein nationales Gericht nur und erst dann davon ausgehen, dass eine Bezeichnung in der Zeit bis zum Abschluss des Eintragungsverfahrens eine Gattungsbezeichnung ist , wenn die Kommission eine entsprechende Feststellung trifft.

39. Ebenso wenig kann eine Vermutung dafür bestehen, dass eine Bezeichnung keine Gattungsbezeichnung im Sinne der Verordnung ist.(11)

40. Hier hat das vorlegende Gericht festzustellen, ob die Verwendung der beanstandeten Bezeichnung durch GSI tatsächlich geeignet ist, die Käufer im Sinne von Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2000/13 in erheblichem Maße irrezuführen. Bei der Entscheidung dieser Frage hat das vorlegende Gericht mangels einer abschließenden Beurteilung durch die Kommission nach der Verordnung Nr. 2081/92 gegebenenfalls diejenigen Merkmale der Bezeichnung zu berücksichtigen, die auch die Kommission bei der Untersuchung, ob die Bezeichnung geschützt werden soll oder ob es sich um eine Gattungsbezeichnung im Sinne der Verordnung handelt, in Betracht zieht. Dabei kann es die Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Verordnung heranziehen.

41. Für den Gerichtshof ist Ausgangspunkt die Definition in Art. 3 Abs. 1, der zufolge der Name eines Lebensmittels eine Gattungsbezeichnung ist, wenn er (obwohl er sich auf einen Ort oder ein Gebiet bezieht, wo das betreffende Agrarerzeugnis oder Lebensmittel ursprünglich hergestellt oder vermarktet wurde) der gemeinhin übliche Name für ein Agrarerzeugnis oder ein Lebensmittel geworden ist.(12) Er hat dargelegt, dass im Rahmen der Beurteilung des generischen Charakters eines Namens u. a. die in dem Mitgliedstaat, aus dem der Name stammt, und in den Verbrauchsgebieten in anderen Mitgliedstaaten bestehende Situation sowie die einschlägigen gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften zu berücksichtigen sind.(13)

42. Demnach schlage ich dem Gerichtshof vor, die erste Frage des vorlegenden Gerichts dahin zu beantworten, dass eine Bezeichnung erst dann als Gattungsbezeichnung im Sinne der Verordnung Nr. 2081/92 angesehen werden kann, wenn die Kommission einen Antrag auf Schutz der Bezeichnung mit der Begründung abgelehnt hat, dass sie zu einer Gattungsbezeichnung geworden sei.

Zur zweiten Frage

43. Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die auf einen Ort anspielende Bezeichnung eines Lebensmittels, die nicht als g.U. oder g.g.A. eingetragen ist, rechtmäßig von Erzeugern verwendet werden kann, die sie seit einem Zeitpunkt vor Inkrafttreten der Verordnung Nr. 2081/92 in gutem Glauben und fortwährend über lange Zeit verwendet haben.

Zulässigkeit

44. Die APTSF hält die zweite Frage für unzulässig, da sie auf einem Sachverhaltsirrtum beruhe. Aus den in Nr. 30 dargelegten Gründen sollte diese Argumentation zurückgewiesen werden.

45. Die italienische Regierung trägt vor, dass die zweite Frage unzulässig sei, weil weder die gemeinschaftlichen noch die innerstaatlichen Rechtsvorschriften bei der Beurteilung von Etikettierungen auf den guten Glauben abstellten. Dieses Vorbringen betrifft eine materiell-rechtliche Frage. Ich werde sie daher im Rahmen der Sachprüfung der zweiten Frage behandeln.

Sachprüfung

Zusammenspiel der Richtlinie 2000/13 mit der Verordnung Nr. 2081/92

46. Die Richtlinie 2000/13 und die Verordnung Nr. 2081/92 wirken auf unterschiedlichen Ebenen und sollen nach dem Willen des Gemeinschaftsgesetzgebers unterschiedliche Ziele erreichen.

47. Die Richtlinie 2000/13 gleicht die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung von Lebensmitteln an und bezweckt damit ein besseres Funktionieren des Binnenmarkts. Jede Regelung der Etikettierung von Lebensmitteln dient vor allem, wie es im sechsten Erwägungsgrund heißt, der Unterrichtung und dem Schutz der Verbraucher. Die italienische Regierung weist zu Recht darauf hin, dass die Richtlinie 2000/13 zu diesem Zweck die Erzeuger verpflichtet, ihre Etiketts mit genügend Angaben zu versehen, um den Verbrauchern eine sachkundige Wahl zu ermöglichen. Hierzu gehört die Auskunft über die genaue Art und die Merkmale des Erzeugnisses, einschließlich des Ursprungs oder der Herkunft.

48. Die Verordnung verfolgt hingegen einen vielschichtigeren Zweck. Sie geht von der Prämisse aus, dass die Förderung von Erzeugnissen mit bestimmten Merkmalen von großem Vorteil für die ländliche Entwicklung durch die Steigerung des Einkommens der Landwirte sein kann(14) und dass das Interesse der Verbraucher an speziellen Qualitätserzeugnissen in der steigenden Nachfrage nach Agrarerzeugnissen oder Lebensmitteln mit bestimmbarer geografischer Herkunft zum Ausdruck kommt(15) . Die Verordnung fördert eine klar und knapp formulierte Auskunft über die Herkunft des Erzeugnisses, damit der Verbraucher so besser seine Wahl treffen kann(16), und sieht Sonderbestimmungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel aus einem begrenzten geografischen Gebiet vor(17) . Zu diesem Zweck enthält die Verordnung gemeinschaftliche Rahmenvorschriften über einen einheitlichen Schutz von Ursprungsbezeichnungen und geografischen Angaben, um auf diese Weise gleiche Wettbewerbsbedingungen für die Hersteller sicherzustellen und um zu bewirken, dass solche Erzeugnisse beim Verbraucher mehr Vertrauen genießen.(18) Wenngleich sich der Schutz geografischer Bezeichnungen also zweifellos auf die Kaufentscheidung des Verbrauchers auswirkt, bezweckt die Verordnung doch mehr als nur die Gewährleistung des Verbraucherschutzes.

49. Trotz dieser unterschiedlichen Zielsetzungen und Wirkungskreise besteht durchaus die Möglichkeit, dass die Verwendung geografischer Bezeichnungen auf den Etiketts von Lebensmitteln in den Regelungsbereich sowohl der Verordnung als auch der Richtlinie 2000/13 fällt. Es gibt drei voneinander unabhängige Sachverhalte, bei denen dies der Fall sein kann: erstens, wenn die Kommission die auf einem Lebensmitteletikett verwendete Bezeichnung gemäß der Verordnung geprüft und eingetragen hat, zweitens, wenn die Bezeichnung geprüft und als Gattungsbezeichnung eingestuft wurde, und drittens, wenn keine Prüfung gemäß der Verordnung stattgefunden hat. Hier geht es nur um die dritte Fallgestaltung. Der Vollständigkeit halber werde ich jedoch zunächst kurz auf die beiden anderen Situationen eingehen.

– Eingetragene Bezeichnung

50. Hat die Kommission eine Bezeichnung geprüft und in das durch die Verordnung geschaffene Verzeichnis eingetragen, kann die Verwendung der Bezeichnung beschränkt werden.

51. Wird die Bezeichnung ohne Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen oder unter Verstoß gegen Art. 13 Abs. 1 der Verordnung verwendet, dürfte die Verwendung auch im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. a Ziff. i der Richtlinie 2000/13 „geeignet sein, den Käufer irrezuführen, und zwar insbesondere … über die Eigenschaften des Lebensmittels, namentlich über … Ursprung oder Herkunft …“.

– Gattungsbezeichnung

52. Wenn ein Name nach der Verordnung geprüft und als generisch befunden worden ist, hindert dies – wie die Kommission zu Recht in ihren Ausführungen zur Zulässigkeit vorgetragen hat – ein nationales Gericht nicht an einer Prüfung, ob die Verwendung des Namens auf einem Lebensmitteletikett nach den Vorschriften der Richtlinie 2000/13 irreführend ist.

53. GSI macht geltend, dass für einen Namen, dessen generischer Charakter festgestellt wurde, kein Schutz gemäß der in der Verordnung vorgesehenen Regelung beansprucht werden könne. Das ist vollkommen richtig; aber ich vermag mich nicht der von GSI daraus abgeleiteten Schlussfolgerung anzuschließen, dass die Verwendung eines solchen Namens auf einem Etikett nicht als irreführend im Sinne der Richtlinie 2000/13 angesehen werden kann.

54. Im Gegenteil, es liegt auf der Hand, dass ein Verbraucher unter bestimmten Umständen sehr wohl durch die Verwendung einer Gattungsbezeichnung auf einem Erzeugnis irregeführt werden könnte (denkbar ist z. B. ein Lebensmittel, das mit einer Gattungsbezeichnung etikettiert ist, das aber keine der Eigenschaften besitzt, die der Verbraucher in seiner Vorstellung üblicherweise mit der Bezeichnung in Verbindung bringt).

55. Wird also festgestellt, dass eine Bezeichnung eine Gattungsbezeichnung ist, kann ein nationales Gericht trotzdem noch prüfen, ob das Etikett eines bestimmten Lebensmittels irreführend im Sinne von Art. 2 der Richtlinie 2000/13 ist.

56. Dabei hat das nationale Gericht dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die Entscheidung der Kommission, dass es sich bei einem Namen um eine Gattungsbezeichnung handelt, auf einer Würdigung der Merkmale des Namens beruht. Folglich sind diese Merkmale und die darauf gegründete Entscheidung der Kommission, dass der Name eine Gattungsbezeichnung ist, bedeutsame Faktoren, die das nationale Gericht bei der Prüfung, ob der Verbraucher durch die Verwendung des Namens für die Lebensmitteletikettierung irregeführt wird, berücksichtigen sollte.(19)

– Nicht geprüfte Bezeichnung

57. Wie bereits im Rahmen meiner Antwort auf die erste Frage ausgeführt, kann eine Bezeichnung, die von der Kommission nicht geprüft worden ist, nicht als Gattungsbezeichnung im Sinne der Verordnung Nr. 2081/92 angesehen werden. 

58. Andererseits ist eine Bezeichnung, die der Kommission zur Prüfung übermittelt worden ist, bis zur Entscheidung der Kommission nur dann durch die Verordnung geschützt, wenn der Mitgliedstaat von der Möglichkeit der übergangsweisen Gewährung eines Schutzes nach Art. 5 Abs. 5 Gebrauch macht. 

59. Besteht ein solcher Schutz in der Übergangszeit nicht, braucht das nationale Gericht lediglich zu prüfen, ob die Verwendung der Bezeichnung für die Etikettierung irreführend gemäß den nationalen Rechtsvorschriften zur Umsetzung von Art. 2 der Richtlinie 2000/13 ist.

60. Auf der Grundlage dieser Vorschriften darf jedoch keine Parallelregelung zum Schutz nicht eingetragener geografischer Bezeichnungen geschaffen werden. Im vorliegenden Fall können die nationalen Gerichte zwar zu der Auffassung gelangen, dass die Bezeichnung „Salame Felino“ die in der Verordnung genannten Eintragungsvoraussetzungen erfüllt(20), dürfen sich aber bei der Beurteilung der Bezeichnungsverwendung ausschließlich an den Bestimmungen zur Umsetzung von Art. 2 der Richtlinie 2000/13 orientieren.

61. Dem nationalen Gericht stellt sich daher schlicht und einfach die Frage, ob die Etikettierung der von GSI hergestellten Salami einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen italienischen Verbraucher(21) irreführen könnte.

62. Bei der Entscheidung dieser Frage hat das nationale Gericht darauf abzustellen, ob der Verbraucher über die Herkunft des Erzeugnisses irregeführt werden könnte. Dabei hat es den Zusammenhang zwischen dem Erzeugnis selbst und dem durch den Namen bezeichneten geografischen Gebiet zu bedenken. Nach Art. 2 der Richtlinie 2000/13 lässt sich ein Etikett mit einer die Herkunft nahelegenden oder angebenden Bezeichnung möglicherweise dann als prima facie irreführend charakterisieren, wenn das Erzeugnis ganz und gar woanders hergestellt wird und zu keinem Zeitpunkt während des Herstellungsprozesses ein Zusammenhang mit dem angegebenen geografischen Gebiet besteht.

63. Darüber hinaus hat das nationale Gericht zu berücksichtigen, ob der Verbraucher über eine andere Eigenschaft des Erzeugnisses irregeführt werden könnte. Dabei muss es beurteilen, ob die Bezeichnung in ihrer auf dem Etikett erscheinenden Form für eine Gegend spezifisch ist oder ob sie zu einer allgemeinen Bezeichnung für ein Erzeugnis mit bestimmten Eigenschaften geworden ist.(22) Im Rahmen dieser Beurteilung wäre es angemessen, wenn das nationale Gericht Stellungnahmen und Äußerungen einbezöge, wie sie ähnlich auch gegenüber der Kommission zur Begründung eines Antrags auf Schutz gemäß der Verordnung oder eines Einspruchs gegen einen Antrag abgegeben würden.

64. Was den Wortlaut des Etiketts betrifft, mag die Verwendung des Begriffs „tipo“ dafür sprechen, dass die Bezeichnung nicht über den Ursprung eines Erzeugnisses, sondern über dessen Eigenschaften informieren soll. Die Verwendung dieses Wortes bietet jedoch, worauf die Kommission zu Recht hingewiesen hat, keine Garantie dafür, dass das Etikett nicht irreführend ist.

65. Das nationale Gericht hat auch die Verpackungsaufmachung zu beachten, vor allem Position und Größe der geografischen Bezeichnung sowie der Angabe des Herstellungsorts.(23) Nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 8 der Richtlinie 2000/13 muss die Etikettierung von Lebensmitteln vorbehaltlich der ebenfalls in der genannten Richtlinie vorgesehenen Ausnahmen zwingend die Angabe des Ursprungs oder der Herkunft enthalten, falls ohne diese Angabe ein Irrtum des Verbrauchers über den tatsächlichen Ursprung oder die wahre Herkunft des Lebensmittels möglich wäre. Für die Praxis muss dies bedeuten, dass die Etikettierung – selbst wenn mit der geografischen Bezeichnung die Eigenschaften eines Lebensmittels angepriesen werden sollen – die „ganze Wahrheit“ zum Ausdruck bringen muss, damit ein durchschnittlich informierter, aufmerksamer und verständiger Verbraucher nicht irregeführt wird.

Erheblichkeit der Faktoren guter Glaube und Verwendungsdauer

66. In der Richtlinie 2000/13 kommen die Konzepte des guten Glaubens und der Verwendungsdauer nicht vor. Insbesondere ist in ihr nicht davon die Rede, dass die Verwendung einer Bezeichnung in gutem Glauben oder fortwährend über lange Zeit zur Verteidigung gegen den Vorwurf irreführender Etikettierung geltend gemacht werden kann.

67. Die nationalen Gerichte haben gerügte Verstöße gegen innerstaatliche Rechtsvorschriften zur Umsetzung von Art. 2 der Richtlinie 2000/13 anhand des Eindrucks zu beurteilen, den ein durchschnittlich informierter, aufmerksamer und verständiger Verbraucher aufgrund der Verwendung einer Bezeichnung auf dem Etikett eines Lebensmittels gewinnt.

68. Wenn ein bestimmter Faktor geeignet ist, die Erwartungen des durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbrauchers zu ändern (wie dies Italien anmerkt), ist es meines Erachtens nur logisch, wenn ein nationales Gericht bei der Prüfung der Frage, ob ein Verbraucher durch ein Lebensmitteletikett irregeführt werden kann, diesen Faktor auch berücksichtigt.

69. Die Dauer der Verwendung einer Bezeichnung ist ein objektiver Faktor, der sich auf die Erwartungen des vernünftigen Verbrauchers auswirken könnte. Mir leuchtet hingegen nicht ein, wie sich der (subjektive) gute Glaube des Herstellers oder Händlers auf den (objektiven) Eindruck auswirken können soll, den ein Verbraucher aufgrund der Verwendung einer geografischen Bezeichnung auf einem Etikett gewinnt.

70. Dementsprechend schlage ich dem Gerichtshof vor, die zweite Frage des vorlegenden Gerichts dahin zu beantworten, dass die auf einen Ort anspielende Bezeichnung eines Lebensmittels, die nicht als g.U. oder g.g.A. eingetragen ist, rechtmäßig verwendet werden kann, sofern ihre Verwendung nicht in einer Weise erfolgt, die geeignet ist, den normal informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher irrezuführen. Im Rahmen der Beurteilung, ob dies der Fall ist, können die nationalen Gerichte die Dauer der Bezeichnungsverwendung berücksichtigen. Der gute Glaube des Erzeugers ist hingegen irrelevant.

Zur dritten Frage

Zulässigkeit

71. Die italienische Regierung hält die dritte Frage für unzulässig, da das beim nationalen Gericht anhängige Verfahren keine Kollektivmarken betreffe. Die Regione Emilia-Romagna sei weder Markeninhaberin, noch mache sie geltend, dass GSI die Marke verletze. Darüber hinaus hat die italienische Regierung in der mündlichen Verhandlung die Auffassung vertreten, dass das vorlegende Gericht lediglich darüber zu befinden habe, ob die von GSI verwendete Etikettierung geeignet sei, den Verbraucher irrezuführen, und dass es trotz der Verfahrensbeteiligung von APTSF als Streithelferin in dem Rechtsstreit vor dem nationalen Gericht nicht um den Vorwurf der Verletzung einer Kollektivmarke gehe.

72. Der Gerichtshof darf die Beantwortung einer ihm zur Vorabentscheidung vorgelegten Frage ablehnen, wenn sie in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht.(24) Die dritte Frage zielt darauf ab, ob auch die Richtlinie 2000/13 als Rechtsgrundlage dafür dienen könnte, GSI die Verwendung der Bezeichnung „Salame Felino“ zu untersagen. Der im Ausgangsverfahren angefochtene Bußgeldbescheid ist jedoch ausschließlich mit einer gerügten Verletzung der Art. 2 der Richtlinie 2000/13 umsetzenden innerstaatlichen Rechtsvorschriften begründet worden.

73. In dem Bußgeldbescheid heißt es zwar, dass „Salame Felino“ eine eingetragene Marke sei, jedoch erfolgt dieser Hinweis im Rahmen der Feststellung, dass die Verwendung der Bezeichnung „Salame tipo Felino“ durch GSI die Verbraucher irreführe. Auch GSI verweist auf die Tatsache, dass Händler außerhalb der Gemeinde Felino die Bezeichnung „Salame Felino“ in gutem Glauben für eine Kollektivmarke verwendeten, im Zusammenhang mit ihrem Vorbringen, dass sie mit der Verwendung der Bezeichnung auf den Etiketts die Verbraucher nicht irregeführt habe.

74. Das Fehlen einer auf die Verletzung einer Kollektivmarke gerichteten Rüge(25) ist ein Indiz dafür, dass die Frage, ob der Inhaber einer Kollektivmarke die gutgläubige Verwendung einer Bezeichnung verwehren kann, die derjenigen der Kollektivmarke ähnlich ist, für die vom nationalen Gericht zu entscheidende zentrale Frage unerheblich ist, unter welchen Umständen die Verwendung einer geografischen Bezeichnung durch ein Unternehmen auf den Etiketts seiner Erzeugnisse geeignet ist, die Verbraucher irrezuführen.

75. Die dritte Frage ist daher unzulässig.

Ergebnis

76. Demnach schlage ich dem Gerichtshof vor, die ersten beiden vom Tribunale Civile di Modena vorgelegten Fragen wie folgt zu beantworten:

1. Die Art. 3 Abs. 1 und 13 Abs. 3 der Verordnung (EWG) Nr. 2081/92 des Rates vom 14. Juli 1992 zum Schutz von geografischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel (jetzt Art. 3 Abs. 1 und 13 Abs. 2 der Verordnung [EG] des Rates Nr. 510/06) sind dahin auszulegen, dass die Bezeichnung eines Lebensmittels, die eine geografische Bezugnahme enthält, für die ein Antrag auf Eintragung als geschützte Ursprungsbezeichnung oder geschützte geografische Angabe im Sinne der genannten Verordnungen gestellt wurde, nur und erst dann als Gattungsbezeichnung angesehen werden kann, wenn die Kommission den Antrag mit der Begründung abgelehnt hat, dass die Bezeichnung zu einer Gattungsbezeichnung geworden ist.

2. Dieselben Vorschriften in Verbindung mit Art. 2 der Richtlinie 2000/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. März 2000 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln sowie die Werbung hierfür sind dahin auszulegen, dass die auf einen Ort anspielende Bezeichnung eines Lebensmittels, die nicht als geschützte Ursprungsbezeichnung oder geschützte geografische Angabe im Sinne der genannten Verordnungen eingetragen ist, rechtmäßig verwendet werden kann, sofern ihre Verwendung nicht in einer Weise erfolgt, die geeignet ist, den normal informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher irrezuführen. Im Rahmen der Beurteilung, ob dies der Fall ist, können die nationalen Gerichte die Dauer der Bezeichnungsverwendung berücksichtigen. Der gute Glaube des Erzeugers ist hingegen irrelevant.

(1) .

(2)  – ABl. L 208, S. 1 (im Folgenden auch: Verordnung).

(3)  – ABl. L 109, S. 29. Durch diese Richtlinie wurde die Richtlinie 79/112/EWG des Rates vom 18. Dezember 1978 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von für den Endverbraucher bestimmten Lebensmitteln sowie die Werbung hierfür (ABl. L 33, S. 1) ersetzt.

(4)  – ABl. L 40, S. 1. Diese Richtlinie wurde aufgehoben durch die Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (kodifizierte Fassung) (ABl. L 299, S. 25), befand sich aber in dem Zeitraum in Kraft, der für den dem Ausgangsverfahren zugrunde liegenden Sachverhalt maßgeblich ist.

(5)  – Mit Wirkung vom 31. März 2006 wurde die Verordnung ersetzt durch die Verordnung (EG) Nr. 510/2006 des Rates vom 20. März 2006 zum Schutz von geografischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel (ABl. L 93, S. 12). Die Art. 3 Abs. 1 und 13 Abs. 3 der älteren Verordnung wurden in die Art. 3 Abs. 1 bzw. 13 Abs. 2 der neuen Verordnung übernommen. Weder diese noch irgendwelche anderen von mir angeführten Vorschriften haben sich in der jeweiligen Neufassung in einer für die Beantwortung der Vorlagefragen relevanten Weise verändert. Der angefochtene Bußgeldbescheid (siehe unten, Nr. 21) wurde zwar nach Inkrafttreten der neuen Verordnung erlassen, die beanstandeten Verletzungshandlungen sind jedoch im Jahr 2002 begangen worden. Ich verweise daher auf die Vorschriften der alten Verordnung, meine Ausführungen sind jedoch auf die neue Verordnung entsprechend übertragbar.

(6)  – Wie im neunten Erwägungsgrund der Verordnung hervorgehoben wird.

(7)  – Laut ihrem ersten Erwägungsgrund sollten mit der Richtlinie 2000/13 die Änderungen der Richtlinie 79/112 kodifiziert werden. Die Richtlinie 2000/13 ist in der Folgezeit in diesem Sinne ausgelegt worden (vgl. z. B. Schlussanträge von Generalanwältin Stix-Hackl in der Rechtssache Lidl Italia, C‑315/05, Urteil vom 23. November 2006, Slg. 2006, I‑11181, Nr. 44).

(8)  – Die ersten drei Unterabsätze. Der zweite und der dritte Unterabsatz sind in der durch die Verordnung (EG) Nr. 535/97 des Rates vom 17. März 1997 (ABl. L 83, S. 3) geänderten Fassung wiedergegeben.

(9)  – Letzterer Begriff lässt sich ins Englische mit „Felino-type Salami“ und ins Deutsche mit „Salami Typ Felino“ übersetzen.

(10)  – Vgl. zuletzt Urteil vom 8. Mai 2008, Danske Svineproducenter (C‑491/06, Slg. 2008, I‑3339, Randnr. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung).

(11) – Dass ein Mitgliedstaat, dessen zuständige Behörden der Kommission einen Antrag auf Schutz einer Bezeichnung übermittelt haben, dieser Bezeichnung nach Art. 5 Abs. 5 der Verordnung innerhalb seiner eigenen Staatsgrenzen bis zur Entscheidung über den Antrag übergangsweise Schutz gewähren kann, scheint mir an der Situation in keiner Hinsicht etwas zu ändern.

(12)  – In seinen Schlussanträgen in den Rechtssachen Deutschland und Dänemark/Kommission (C‑465/02 und C‑466/02, Urteil vom 10. Mai 2005, Slg. 2005, I‑9115, Nr. 133) hat Generalanwalt Ruiz-Jarabo Colomer im Rahmen einer hilfreichen Klarstellung des Wesens einer Gattungsbezeichnung ausgeführt, es gehe dabei um Ausdrücke, bei denen sich eine fortschreitende Verallgemeinerung vollzogen habe. Meines Erachtens trifft diese Definition genau den Kern des Begriffs.

(13)  – Urteile Deutschland und Dänemark/Kommission, in Fn. 12 angeführt, Randnrn. 75 bis 100, und vom 26. Februar 2008, Kommission/Deutschland (C‑132/05, Slg. 2008, I‑957, insbesondere Randnr. 53).

(14)  – Zweiter Erwägungsgrund.

(15)  – Dritter Erwägungsgrund.

(16)  – Vierter Erwägungsgrund.

(17)  – Fünfter Erwägungsgrund.

(18)  – Siebter Erwägungsgrund.

(19)  – Siehe unten, Nrn. 60 ff.

(20)  – Die APTSF hat auf mehrere nationale Gerichtsurteile hierzu verwiesen. Eine solche Entscheidung gemäß der Verordnung trifft jedoch einzig und allein die Kommission.

(21)  – Vgl. Urteile vom 6. Juli 1995, Mars (C‑470/93, Slg. 1995, I‑1923, Randnr. 24), vom 16. Juli 1998, Gut Springenheide und Tusky (C‑210/96, Slg. 1998, I‑4657, Randnr. 31), und vom 13. Januar 2000, Estée Lauder (C‑220/98, Slg. 2000, I‑117, Randnr. 30). In seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Douwe Egberts (C‑239/02, Urteil vom 15. Juli 2004, Slg. 2004, I‑7007, Nr. 54) hat Generalanwalt Geelhoed hinzugefügt, dies setze die Annahme voraus, dass ein Verbraucher vor der (erstmaligen) Anschaffung eines bestimmten Erzeugnisses stets von den auf dem Etikett angebrachten Informationen Kenntnis nimmt und darüber hinaus in der Lage ist, diese Informationen richtig zu bewerten.

(22)  – Es sei denn, die fragliche Bezeichnung stellt eine einfache geografische Herkunftsangabe dar und bezweckt nicht, den Verbraucher über die Eigenschaften des Produkts zu unterrichten: vgl. Urteil vom 7. November 2000, Warsteiner Brauerei (C‑312/98, Slg. 2000, I‑9187, Randnr. 44).

(23)  – Insoweit gibt die Angabe des Ortes des Hauptsitzes eines Unternehmens meines Erachtens dem Verbraucher nicht unbedingt Aufschluss über den tatsächlichen Herstellungsort des Erzeugnisses.

(24)  – Vgl. Urteil vom 19. April 2007, Asemfo (C‑295/05, Slg. 2007, I‑2999, Randnr. 31).

(25)  – Die APTSF, die Inhaberin von zwei Bildkollektivmarken ist, trägt sogar vor, dass es überhaupt nicht möglich sei, dass die Verwendung einer geografischen Bezeichnung eine Verletzung der Marken darstelle.

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