Choose the experimental features you want to try

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 62006CJ0445

Urteil des Gerichtshofes (Große Kammer) vom 24. März 2009.
Danske Slagterier gegen Bundesrepublik Deutschland.
Ersuchen um Vorabentscheidung: Bundesgerichtshof - Deutschland.
Maßnahmen gleicher Wirkung - Gesundheitspolizei - Innergemeinschaftlicher Handel - Frischfleisch - Veterinärrechtliche Kontrollen - Außervertragliche Haftung eines Mitgliedstaats - Verjährungsfrist - Feststellung einer Schädigung.
Rechtssache C-445/06.

Sammlung der Rechtsprechung 2009 I-02119

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2009:178

Rechtssache C‑445/06

Danske Slagterier

gegen

Bundesrepublik Deutschland

(Vorabentscheidungsersuchen des Bundesgerichtshofs)

„Maßnahmen gleicher Wirkung – Gesundheitspolizei – Innergemeinschaftlicher Handel – Frischfleisch – Veterinärrechtliche Kontrollen – Außervertragliche Haftung eines Mitgliedstaats – Verjährungsfrist – Feststellung einer Schädigung“

Leitsätze des Urteils

1.        Landwirtschaft – Angleichung der gesundheitsrechtlichen Vorschriften – Innergemeinschaftlicher Handel mit Frischfleisch – Veterinärrechtliche Kontrollen – Richtlinien 64/433 und 89/662 – Fehler bei der Umsetzung und Anwendung – Pflicht des Mitgliedstaats zum Ersatz des dem Einzelnen entstandenen Schadens

(Art. 28 EG; Richtlinie 64/433 des Rates in der durch die Richtlinie 91/497 geänderten Fassung und Richtlinie 89/662 des Rates)

2.        Gemeinschaftsrecht – Dem Einzelnen verliehene Rechte – Verletzung durch einen Mitgliedstaat – Pflicht zum Ersatz des dem Einzelnen entstandenen Schadens

3.        Gemeinschaftsrecht – Dem Einzelnen verliehene Rechte – Verletzung durch einen Mitgliedstaat – Pflicht zum Ersatz des dem Einzelnen entstandenen Schadens

(Art. 226 EG)

4.        Gemeinschaftsrecht – Dem Einzelnen verliehene Rechte – Verstoß eines Mitgliedstaats gegen die Verpflichtung zur Umsetzung einer Richtlinie – Pflicht zum Ersatz des dem Einzelnen entstandenen Schadens

5.        Gemeinschaftsrecht – Dem Einzelnen verliehene Rechte – Verletzung durch einen Mitgliedstaat – Pflicht zum Ersatz des dem Einzelnen entstandenen Schadens

(Art. 226 EG und 234 EG)

1.        Der Grundsatz der Haftung des Staates für Schäden, die dem Einzelnen durch dem Staat zuzurechnende Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht entstehen, folgt aus dem Wesen der mit dem EG-Vertrag geschaffenen Rechtsordnung. Die Geschädigten haben einen Entschädigungsanspruch, wenn drei Voraussetzungen erfüllt sind: die gemeinschaftsrechtliche Norm, gegen die verstoßen worden ist, bezweckt die Verleihung von Rechten an die Geschädigten, der Verstoß gegen diese Norm ist hinreichend qualifiziert, und zwischen diesem Verstoß und dem den Geschädigten entstandenen Schaden besteht ein unmittelbarer Kausalzusammenhang.

Was die erste Voraussetzung angeht, hat Art. 28 EG in dem Sinne unmittelbare Wirkung, dass er dem Einzelnen Rechte verleiht, die er unmittelbar vor den nationalen Gerichten geltend machen kann, und die Verletzung dieser Bestimmung kann zu einer Entschädigung führen.

Das Recht aus Art. 28 EG wird durch die Richtlinien 64/433 über die gesundheitlichen Bedingungen für die Gewinnung und das Inverkehrbringen von frischem Fleisch in der durch die Richtlinie 91/497 geänderten Fassung und 89/662 zur Regelung der veterinärrechtlichen Kontrollen im innergemeinschaftlichen Handel im Hinblick auf den gemeinsamen Binnenmarkt präzisiert und konkretisiert. Der freie Warenverkehr ist nämlich eines der Ziele dieser Richtlinien, die darauf gerichtet sind, den innergemeinschaftlichen Handelsverkehr durch die Beseitigung der derzeitigen Unterschiede zwischen den Gesundheitsvorschriften der Mitgliedstaaten für frisches Fleisch zu fördern. Insbesondere das an die Mitgliedstaaten gerichtete Verbot, Einfuhren von frischem Fleisch zu verhindern, außer wenn die Ware die Bedingungen der Gemeinschaftsrichtlinien nicht erfüllt, oder unter ganz besonderen Umständen wie z. B. während einer Epidemie, verleiht dem Einzelnen das Recht, frisches Fleisch, das den Anforderungen der Gemeinschaft entspricht, in einem anderen Mitgliedstaat zu vermarkten.

Daher können sich Einzelne, die durch Fehler bei der Umsetzung und Anwendung der Richtlinien 64/433 und 89/662 geschädigt wurden, für die Auslösung der Staatshaftung wegen Verstoßes gegen das Gemeinschaftsrecht auf das Recht auf freien Warenverkehr berufen.

(vgl. Randnrn. 19-20, 22-24, 26, Tenor 1)

2.        Mangels einer gemeinschaftsrechtlichen Regelung ist es Sache der nationalen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten, die zuständigen Gerichte zu bestimmen und das Verfahren für die Klagen auszugestalten, die den vollen Schutz der dem Einzelnen aus dem Gemeinschaftsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen. Daher hat der Staat die Folgen des dem Einzelnen durch den Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht entstandenen Schadens im Rahmen des nationalen Haftungsrechts zu beheben, wobei die im Schadensersatzrecht der einzelnen Mitgliedstaaten festgelegten Voraussetzungen, insbesondere Fristerfordernisse, die Grundsätze der Gleichwertigkeit und der Effektivität einhalten müssen.

Was den Effektivitätsgrundsatz angeht, ist die Festsetzung angemessener Ausschlussfristen für die Rechtsverfolgung im Interesse der Rechtssicherheit mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar. Solche Fristen sind nämlich nicht geeignet, die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte praktisch unmöglich zu machen oder übermäßig zu erschweren. Unter diesem Gesichtspunkt erscheint eine nationale Verjährungsfrist von drei Jahren angemessen.

Jedoch muss eine Verjährungsfrist im Voraus festgelegt werden, um ihren Zweck, die Rechtssicherheit zu gewährleisten, zu erfüllen. Eine durch erhebliche Rechtsunsicherheit geprägte Situation kann einen Verstoß gegen den Grundsatz der Effektivität darstellen, da der Ersatz von Schäden, die Einzelnen durch einem Mitgliedstaat zuzurechnende Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht entstanden sind, außerordentlich erschwert werden könnte, wenn diese nicht in der Lage wären, die anwendbare Verjährungsfrist mit hinreichender Sicherheit zu ermitteln. Es ist Sache des nationalen Gerichts, unter Berücksichtigung aller Gesichtspunkte der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Ereignisse im Hinblick auf den Grundsatz der Effektivität zu prüfen, ob die analoge Anwendung der in einer nationalen Regelung vorgesehenen Frist auf Ersatzansprüche für Schäden, die auf einen Verstoß des betreffenden Mitgliedstaats gegen das Gemeinschaftsrecht zurückzuführen sind, für den Einzelnen hinreichend vorhersehbar war.

Was die Vereinbarkeit der analogen Anwendung einer solchen Frist mit dem Grundsatz der Gleichwertigkeit betrifft, ist es ebenfalls Sache des nationalen Gerichts, zu prüfen, ob die Voraussetzungen für den Ersatz von Schäden, die Einzelnen durch den Verstoß des betreffenden Mitgliedstaats gegen das Gemeinschaftsrecht entstanden sind, wegen einer solchen analogen Anwendung nicht möglicherweise ungünstiger waren als diejenigen für den Ersatz vergleichbarer Schäden innerstaatlicher Natur.

(vgl. Randnrn. 31-35)

3.        Das Gemeinschaftsrecht verlangt nicht, dass die in der nationalen Regelung vorgesehene Verjährung des Staatshaftungsanspruchs wegen Verstoßes gegen das Gemeinschaftsrecht während eines von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften nach Art. 226 EG anhängig gemachten Vertragsverletzungsverfahrens unterbrochen oder gehemmt wird.

Dem Einzelnen wird die Ausübung der ihm durch das Gemeinschaftsrecht verliehenen Rechte nicht dadurch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert, dass die Erhebung einer Vertragsverletzungsklage nicht die Verjährung unterbricht oder hemmt, da er Schadensersatz nach den dafür im nationalen Recht vorgesehenen Verfahrensmodalitäten geltend machen kann, ohne ein den Verstoß des Mitgliedstaats gegen das Gemeinschaftsrecht feststellendes Urteil abwarten zu müssen.

Zudem ist unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Verfahrens nach Art. 226 EG im Vergleich zu nationalen Verfahrensregelungen bei einer nationalen Regelung, die keine Unterbrechung oder Hemmung der Verjährung vorsieht, wenn die Kommission ein solches Verfahren anhängig gemacht hat, der Grundsatz der Gleichwertigkeit gewahrt.

(vgl. Randnrn. 39, 42, 45-46, Tenor 2)

4.        Das Gemeinschaftsrecht verwehrt nicht, die Verjährungsfrist für einen Staatshaftungsanspruch wegen fehlerhafter Umsetzung einer Richtlinie zu dem Zeitpunkt in Lauf zu setzen, in dem die ersten Schadensfolgen der fehlerhaften Umsetzung eingetreten und weitere Schadensfolgen absehbar sind, selbst wenn dieser Zeitpunkt vor der ordnungsgemäßen Umsetzung dieser Richtlinie liegt.

Dass die Verjährungsfrist des nationalen Rechts in diesem Zeitpunkt zu laufen beginnt, kann nämlich die Ausübung der durch das Gemeinschaftsrecht verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren.

(vgl. Randnrn. 49, 56, Tenor 3)

5.        Das Gemeinschaftsrecht steht der Anwendung einer nationalen Regelung nicht entgegen, nach der ein Einzelner keinen Ersatz für einen Schaden verlangen kann, bei dem er es vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, ihn durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden, vorausgesetzt, dass der Gebrauch dieses Rechtsmittels dem Geschädigten zumutbar ist; es ist Sache des vorlegenden Gerichts, dies anhand aller Umstände des Ausgangsrechtsstreits zu prüfen.

Die Wahrscheinlichkeit, dass das nationale Gericht nach Art. 234 EG ein Vorabentscheidungsersuchen stellt, oder eine beim Gerichtshof anhängige Vertragsverletzungsklage lassen für sich genommen nicht den Schluss zu, dass der Gebrauch eines Rechtsmittels unzumutbar ist.

Erstens können nämlich die im Anschluss an ein Vorabentscheidungsersuchen erhaltenen Hinweise dem nationalen Gericht die Anwendung des Gemeinschaftsrechts erleichtern, so dass der Rückgriff auf dieses Instrument der Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten keineswegs dazu beiträgt, dem Einzelnen die Ausübung der ihm durch das Gemeinschaftsrecht verliehenen Rechte übermäßig zu erschweren. Daher wäre es nicht sinnvoll, von einem Rechtsmittel allein deshalb keinen Gebrauch zu machen, weil dieses möglicherweise Anlass zu einem Vorabentscheidungsersuchen gibt.

Das Verfahren nach Art. 226 EG ist zweitens völlig unabhängig von den nationalen Verfahren und ersetzt diese nicht. Eine Vertragsverletzungsklage stellt nämlich eine objektive Rechtmäßigkeitskontrolle im Allgemeininteresse dar. Auch wenn das Ergebnis einer solchen Klage Individualinteressen dienen kann, bleibt es für den Einzelnen gleichwohl zumutbar, den Schaden mit Hilfe aller ihm zur Verfügung stehenden Mittel, also auch durch die Inanspruchnahme der verfügbaren Rechtsschutzmöglichkeiten, abzuwenden.

(vgl. Randnrn. 65, 67, 69, Tenor 4)







URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer)

24. März 2009(*)

„Maßnahmen gleicher Wirkung – Gesundheitspolizei – Innergemeinschaftlicher Handel – Frischfleisch – Veterinärrechtliche Kontrollen – Außervertragliche Haftung eines Mitgliedstaats – Verjährungsfrist – Feststellung einer Schädigung“

In der Rechtssache C‑445/06

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Bundesgerichtshof (Deutschland) mit Entscheidung vom 12. Oktober 2006, beim Gerichtshof eingegangen am 6. November 2006, in dem Verfahren

Danske Slagterier

gegen

Bundesrepublik Deutschland

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten P. Jann, C. W. A. Timmermans, A. Rosas, K. Lenaerts, M. Ilešič und A. Ó Caoimh sowie der Richter G. Arestis, A. Borg Barthet (Berichterstatter), J. Malenovský, J. Klučka, U. Lõhmus und E. Levits,

Generalanwältin: V. Trstenjak,

Kanzler: K. Sztranc-Sławiczek, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 21. Mai 2008,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der Danske Slagterier, vertreten durch Rechtsanwalt R. Karpenstein,

–        der deutschen Regierung, vertreten durch M. Lumma und C. Blaschke als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt L. Giesberts,

–        der tschechischen Regierung, vertreten durch T. Boček als Bevollmächtigten,

–        der griechischen Regierung, vertreten durch V. Kontolaimos, S. Charitaki und S. Papaioannou als Bevollmächtigte,

–        der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues und A.‑L. During als Bevollmächtigte,

–        der italienischen Regierung, vertreten durch I. M. Braguglia als Bevollmächtigten im Beistand von W. Ferrante, avvocato dello Stato,

–        der polnischen Regierung, vertreten durch E. Ośniecka-Tamecka und P. Kucharski als Bevollmächtigte,

–        der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch S. Lee, Barrister,

–        der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch F. Erlbacher und H. Krämer als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 4. September 2008

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 5 Abs. 1 Buchst. o und Art. 6 Abs. 1 Buchst. b Ziff. iii der Richtlinie 64/433/EWG des Rates vom 26. Juni 1964 über die gesundheitlichen Bedingungen für die Gewinnung und das Inverkehrbringen von frischem Fleisch (ABl. 1964, Nr. 121, S. 2012) in der durch die Richtlinie 91/497/EWG des Rates vom 29. Juli 1991 (ABl. L 268, S. 69) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 64/433), von Art. 5 Abs. 1, Art. 7 und 8 der Richtlinie 89/662/EWG des Rates vom 11. Dezember 1989 zur Regelung der veterinärrechtlichen Kontrollen im innergemeinschaftlichen Handel im Hinblick auf den gemeinsamen Binnenmarkt (ABl. L 395, S. 13) sowie von Art. 28 EG.

2        Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Danske Slagterier und der Bundesrepublik Deutschland wegen eines Antrags auf Schadensersatz.

 Rechtlicher Rahmen

 Gemeinschaftsrecht

3        Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 64/433 bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass der amtliche Tierarzt folgendes Fleisch für genussuntauglich erklärt:

o)      Fleisch, das einen starken Geschlechtsgeruch aufweist.“

4        Art. 6 Abs. 1 dieser Richtlinie sieht vor:

„Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass

b)      Fleisch

         …

iii)      – unbeschadet der in Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe o) vorgesehenen Fälle – von nicht kastrierten männlichen Schweinen mit einem Tierkörpergewicht von mehr als 80 kg, außer wenn der Betrieb durch eine nach dem Verfahren des Artikels 16 anerkannte bzw. – wenn kein entsprechender Beschluss gefasst worden ist – durch eine von den zuständigen Behörden anerkannte Methode sicherstellen kann, dass Schlachtkörper mit einem starken Geschlechtsgeruch festgestellt werden können,

ein besonderes Kennzeichen gemäß der Entscheidung 84/371/EWG [der Kommission vom 3. Juli 1984 zur Festlegung des besonderen Kennzeichens für frisches Fleisch gemäß Artikel 5 Buchstabe a) der Richtlinie 64/433/EWG des Rates (ABl. L 196, S. 46)] trägt und einer Behandlung gemäß der Richtlinie 77/99/EWG [des Rates vom 21. Dezember 1976 zur Regelung gesundheitlicher Fragen beim innergemeinschaftlichen Handelsverkehr mit Fleischerzeugnissen (ABl. 1977, L 26, S. 85)] unterzogen wird;

g)      die unter den vorstehenden Buchstaben genannten Behandlungen im Herkunftsbetrieb oder in einem vom amtlichen Tierarzt bestimmten sonstigen Betrieb erfolgen;

…“

5        Die Bestimmungen der Richtlinie 64/433 waren bis zum 1. Januar 1993 in nationales Recht umzusetzen.

6        Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 89/662 sieht vor:

„Die Bestimmungsmitgliedstaaten führen folgende Kontrollmaßnahmen durch:

a)      Die zuständige Behörde kann an den Bestimmungsorten der Ware durch nichtdiskriminierende veterinärrechtliche Kontrollen im Stichprobenverfahren die Einhaltung der Anforderungen nach Artikel 3 überprüfen; sie kann dabei Probeentnahmen durchführen.

Liegen der zuständigen Behörde des Versandmitgliedstaats oder des Bestimmungsmitgliedstaats ferner Informationen vor, anhand deren sie einen Verstoß vermuten kann, so können auch während der Beförderung der Ware in ihrem Hoheitsgebiet Kontrollen, einschließlich Konformitätskontrollen der Beförderungsmittel, vorgenommen werden.

…“

7        In Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 89/662 heißt es:

„Stellen die zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats bei einer Kontrolle am Bestimmungsort oder während der Beförderung fest,

b)      dass die Ware die Bedingungen der Gemeinschaftsrichtlinien oder, falls keine Entscheidungen über die in den Richtlinien vorgesehenen Gemeinschaftsnormen ergangen sind, die Bedingungen der einzelstaatlichen Regelung nicht erfüllt, so können sie – wenn die Genusstauglichkeits- bzw. die gesundheitspolizeilichen Bedingungen es gestatten – dem Absender oder seinem Bevollmächtigten die Wahl lassen zwischen

–        der unschädlichen Beseitigung der Waren

oder

–        der anderweitigen Verwendung der Waren, einschließlich ihrer Rücksendung mit Genehmigung der zuständigen Behörde des Landes, in dem der Ursprungsbetrieb liegt.

…“

8        Schließlich bestimmt Art. 8 der Richtlinie 89/662:

„(1)      In den in Artikel 7 vorgesehenen Fällen setzt sich die zuständige Behörde eines Bestimmungsmitgliedstaats unverzüglich mit den zuständigen Behörden des Versandmitgliedstaats in Verbindung. Diese ergreifen die erforderlichen Maßnahmen und teilen der zuständigen Behörde des Bestimmungsmitgliedstaats die Art der vorgenommenen Kontrollen, die getroffenen Entscheidungen und die Gründe für diese Entscheidungen mit.

(2)      …

Die von der zuständigen Behörde des Bestimmungsmitgliedstaats getroffenen Entscheidungen sind dem Absender oder seinem Bevollmächtigten sowie der zuständigen Behörde des Versandmitgliedstaats mitzuteilen und zu begründen.

Auf Antrag sind dem Absender oder seinem Bevollmächtigten Entscheidungen schriftlich mitzuteilen und zu begründen; dabei ist anzugeben, welche Rechtsmittel nach der Rechtsordnung des Bestimmungsmitgliedstaats bestehen und in welcher Form und innerhalb welcher Frist sie einzulegen sind.

…“

 Nationales Recht

9        § 839 des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung (im Folgenden: BGB) lautete:

„(1)      Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.

(2)      Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amtes findet diese Vorschrift keine Anwendung.

(3)      Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.“

10      § 852 BGB sah vor:

„(1)      Der Anspruch auf Ersatz des aus einer unerlaubten Handlung entstandenen Schadens verjährt in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in welchem der Verletzte von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt, ohne Rücksicht auf diese Kenntnis in dreißig Jahren von der Begehung der Handlung an.

(2)      Schweben zwischen dem Ersatzpflichtigen und dem Ersatzberechtigten Verhandlungen über den zu leistenden Schadensersatz, so ist die Verjährung gehemmt, bis der eine oder der andere Teil die Fortsetzung der Verhandlungen verweigert.

(3)      Hat der Ersatzpflichtige durch die unerlaubte Handlung auf Kosten des Verletzten etwas erlangt, so ist er auch nach der Vollendung der Verjährung zur Herausgabe nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet.“

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

11      Danske Slagterier – ein Branchenverband genossenschaftlich organisierter dänischer Schlachthofgesellschaften und Schweinezüchter – begehrt aus abgetretenem Recht ihrer Mitglieder von der Bundesrepublik Deutschland Schadensersatz wegen einer Verletzung des Gemeinschaftsrechts. Sie wirft ihr vor, von 1993 bis 1999 unter Verletzung des Gemeinschaftsrechts ein Importverbot für Fleisch von nicht kastrierten männlichen Schweinen verhängt zu haben. Den Schweinezüchtern und Schlachthofgesellschaften sei dadurch in der genannten Zeit ein Schaden von mindestens 280 Millionen DM entstanden.

12      In Dänemark wurde Anfang der neunziger Jahre das „Male-Pig-Projekt“ zur Aufzucht nicht kastrierter männlicher Schweine ins Leben gerufen. Diese aus wirtschaftlicher Sicht vorteilhaftere Art der Aufzucht birgt die Gefahr, dass das Fleisch beim Erhitzen einen starken Geschlechtsgeruch abgibt. Nach Ansicht dänischer Forscher lässt sich diese Geruchsbelastung bereits beim Schlachtvorgang durch Prüfung des Skatolgehalts feststellen. Dementsprechend wurden in Dänemark in sämtlichen Schlachtlinien der Schlachthöfe Skatolmesseinrichtungen installiert, um geruchsbelastetes Fleisch feststellen und aussortieren zu können. Die Bundesrepublik Deutschland vertrat damals hingegen die Auffassung, die Geruchsbelastung gehe auf das Hormon Androstenon zurück, dessen Bildung durch eine frühe Kastration ausgeschaltet werden könne; die Messung des Skatolgehalts sei für sich allein betrachtet keine zuverlässige Methode, um den Geschlechtsgeruch festzustellen.

13      Im Januar 1993 teilte die Bundesrepublik Deutschland den obersten Veterinärbehörden der Mitgliedstaaten mit, dass die Regelung in Art. 6 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 64/433 dergestalt in nationales Recht umgesetzt werde, dass unabhängig von der Gewichtsgrenze ein Wert von 0,5 μg/g Androstenon festgesetzt werde. Bei Überschreitung dieses Wertes weise das Fleisch nämlich einen starken Geschlechtsgeruch auf und sei somit genussuntauglich. Dabei wurde betont, dass als Methode zum Nachweis des Androstenons nur der modifizierte Immunoenzymtest nach Prof. Claus als spezifisch anerkannt werde und dass das Fleisch männlicher, nicht kastrierter Schweine, bei dem dieser Wert überschritten werde, nicht als frisches Fleisch nach Deutschland verbracht werden dürfe.

14      Dementsprechend wurden in der Folgezeit zahlreiche Lieferungen von Schweinefleisch aus Dänemark von den deutschen Behörden geprüft und wegen Überschreitung des Androstenongrenzwerts zurückgewiesen. Außerdem mussten die Schweinezüchter und die Schlachthofgesellschaften die nahezu vollständig eingestellte Produktion kastrierter Schweine wieder aufnehmen, um den Export von Schweinefleisch nach Deutschland nicht zu gefährden. Danske Slagterier macht geltend, dass sich für sie eine Kosteneinsparung von mindestens 280 Millionen DM ergeben hätte, wenn das exportierte Schweinefleisch – wie im Male-Pig-Projekt vorgesehen – von nicht kastrierten Schweinen gestammt hätte.

15      Das Landgericht Bonn, das am 6. Dezember 1999 von Danske Slagterier mit einer Klage auf Zahlung von Schadensersatz gegen die Bundesrepublik Deutschland befasst wurde, erklärte diese für die Zeit ab 7. Dezember 1996 dem Grunde nach für gerechtfertigt und wies sie als verjährt ab, soweit es um Ersatzansprüche für Schäden ging, die vor diesem Datum entstanden waren. Das mit der Berufung befasste Oberlandesgericht Köln erklärte die Klage insgesamt dem Grunde nach für gerechtfertigt. Mit der beim Bundesgerichtshof eingelegten Revision erstrebt die Bundesrepublik Deutschland die vollständige Abweisung der Klage.

16      Der Gerichtshof hat ferner mit Urteil vom 12. November 1998, Kommission/Deutschland (C‑102/96, Slg. 1998, I‑6871), festgestellt, dass die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 5 Abs. 1 Buchst. o und Art. 6 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 64/433 sowie aus Art. 5 Abs. 1, Art. 7 und 8 der Richtlinie 89/662 verstoßen hat, dass sie Schlachtkörper von nicht kastrierten männlichen Schweinen der Kennzeichnung und Hitzebehandlung bereits dann unterwirft, wenn das Fleisch unabhängig vom Körpergewicht der Tiere einen Androstenongehalt von mehr als 0,5 μg/g, festgestellt unter Anwendung des modifizierten Immunoenzymtests nach Prof. Claus, aufweist, und dass sie das Fleisch bei Überschreitung des Grenzwerts von 0,5 µg/g Androstenon als mit einem starken Geschlechtsgeruch belastet betrachtet, der die Genussuntauglichkeit des Fleisches für den menschlichen Verzehr nach sich zieht.

17      Unter diesen Umständen hat der Bundesgerichtshof das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.      Verleihen die Bestimmungen des Art. 5 Abs. 1 Buchst. o und des Art. 6 Abs. 1 Buchst. b Ziff. iii der Richtlinie 64/433 in Verbindung mit Art. 5 Abs. 1, Art. 7 und 8 der Richtlinie 89/662 den Produzenten und Vermarktern von Schweinefleisch eine Rechtsposition, die bei Umsetzungs‑ oder Anwendungsfehlern einen gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruch auslösen kann?

2.      Können sich die Produzenten und Vermarkter von Schweinefleisch – unabhängig von der Beantwortung der ersten Frage – zur Begründung eines gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs bei einer gegen das europäische Gemeinschaftsrecht verstoßenden Umsetzung und Anwendung der genannten Richtlinien auf eine Verletzung von Art. 30 EG-Vertrag (jetzt Art. 28 EG) berufen?

3.      Verlangt das Gemeinschaftsrecht, dass die Verjährung des gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs im Hinblick auf ein Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 226 EG unterbrochen oder ihr Lauf bis zu dessen Beendigung jedenfalls dann gehemmt wird, wenn es an einem effektiven innerstaatlichen Rechtsbehelf fehlt, den Mitgliedstaat zur Umsetzung einer Richtlinie zu zwingen?

4.      Beginnt die Verjährungsfrist für einen gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruch, der auf die unzureichende Umsetzung einer Richtlinie und ein damit einhergehendes (faktisches) Importverbot gegründet ist, unabhängig von dem anwendbaren nationalen Recht erst mit deren vollständiger Umsetzung, oder kann die Verjährungsfrist in Übereinstimmung mit dem nationalen Recht schon dann zu laufen beginnen, wenn erste Schadensfolgen bereits eingetreten und weitere Schadensfolgen absehbar sind? Sollte die vollständige Umsetzung den Verjährungsbeginn beeinflussen, gilt dies dann allgemein oder nur, wenn die Richtlinie dem Einzelnen ein Recht verleiht?

5.      Bestehen unter dem Gesichtspunkt, dass die Mitgliedstaaten die schadensersatzrechtlichen Voraussetzungen für den gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruch nicht ungünstiger ausgestalten dürfen als bei ähnlichen Klagen, die nur nationales Recht betreffen, und dass die Erlangung einer Entschädigung nicht praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert werden darf, allgemein Bedenken gegen eine nationale Regelung, nach der die Ersatzpflicht nicht eintritt, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden? Bestehen auch dann Bedenken gegen diesen „Vorrang des Primärrechtsschutzes“, wenn er unter dem Vorbehalt steht, dass er dem Betroffenen zumutbar sein muss? Ist er bereits dann im Sinne des europäischen Gemeinschaftsrechts unzumutbar, wenn das angerufene Gericht die in Rede stehenden gemeinschaftsrechtlichen Fragen voraussichtlich nicht ohne Vorlage an den Gerichtshof beantworten könnte oder wenn bereits ein Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 226 EG anhängig ist?

 Zu den Vorlagefragen

 Zur ersten und zur zweiten Vorlagefrage

18      Mit den ersten beiden Fragen, die zusammen zu behandeln sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Bestimmungen des Art. 5 Abs. 1 Buchst. o und des Art. 6 Abs. 1 Buchst. b Ziff. iii der Richtlinie 64/433 in Verbindung mit Art. 5 Abs. 1, Art. 7 und 8 der Richtlinie 89/662 den Produzenten und Vermarktern von Schweinefleisch eine Rechtsposition verleihen, die bei Fehlern in der Umsetzung oder Anwendung dieser Richtlinien einen Staatshaftungsanspruch wegen Verstoßes gegen das Gemeinschaftsrecht auslösen kann, und ob sie sich unter diesen Umständen zur Begründung dieses Staatshaftungsanspruchs auf eine Verletzung von Art. 28 EG berufen können.

19      Hierzu ist zunächst daran zu erinnern, dass nach ständiger Rechtsprechung der Grundsatz der Haftung des Staates für Schäden, die dem Einzelnen durch dem Staat zuzurechnende Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht entstehen, aus dem Wesen der mit dem EG-Vertrag geschaffenen Rechtsordnung folgt (Urteile vom 19. November 1991, Francovich u. a., C‑6/90 und C‑9/90, Slg. 1991, I‑5357, Randnr. 35, vom 5. März 1996, Brasserie du pêcheur und Factortame, C‑46/93 und C‑48/93, Slg. 1996, I‑1029, Randnr. 31, vom 23. Mai 1996, Hedley Lomas, C‑5/94, Slg. 1996, I‑2553, Randnr. 24, und vom 8. Oktober 1996, Dillenkofer u. a., C‑178/94, C‑179/94 und C‑188/94 bis C‑190/94, Slg. 1996, I‑4845, Randnr. 20).

20      Der Gerichtshof hat entschieden, dass die Geschädigten einen Entschädigungsanspruch haben, wenn drei Voraussetzungen erfüllt sind: Die gemeinschaftsrechtliche Norm, gegen die verstoßen worden ist, bezweckt die Verleihung von Rechten an die Geschädigten, der Verstoß gegen diese Norm ist hinreichend qualifiziert, und zwischen diesem Verstoß und dem den Geschädigten entstandenen Schaden besteht ein unmittelbarer Kausalzusammenhang (vgl. Urteile Brasserie du pêcheur und Factortame, Randnr. 51, Hedley Lomas, Randnr. 25, und Dillenkofer u. a., Randnr. 21).

21      Hinsichtlich der ersten Voraussetzung hat sich der Gerichtshof bereits mit der Haftung der Mitgliedstaaten für Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht bei fehlender Umsetzung von Richtlinien zur Verwirklichung des Binnenmarkts befasst (vgl. z. B. Urteile Francovich u. a. und Dillenkofer u. a.). Im Gegensatz jedoch zu den Rechtssachen, in denen die beiden angeführten Urteile ergangen sind und in denen allein das abgeleitete Recht einen Rechtsrahmen bildete, der dem Einzelnen Rechte verlieh, geht es im Ausgangsverfahren um einen Fall, in dem sich eine der Parteien des Ausgangsverfahrens, Danske Slagterier, darauf beruft, dass Art. 28 EG ihr bereits die Rechte verleihe, die sie geltend mache.

22      Fest steht, dass Art. 28 EG in dem Sinne unmittelbare Wirkung hat, dass er dem Einzelnen Rechte verleiht, die er unmittelbar vor den nationalen Gerichten geltend machen kann, und dass die Verletzung dieser Bestimmung zu einer Entschädigung führen kann (Urteil Brasserie du pêcheur und Factortame, Randnr. 23).

23      Danske Slagterier beruft sich zudem auf die Bestimmungen der Richtlinien 64/433 und 89/662. Wie sich aus dem Wortlaut des Titels und des ersten Erwägungsgrundes der Richtlinie 89/662 ergibt, wurde diese im Hinblick auf den gemeinsamen Binnenmarkt erlassen; Gleiches gilt – ihrem dritten Erwägungsgrund zufolge – für die Richtlinie 91/497 zur Änderung der Richtlinie 64/433. Somit ist der freie Warenverkehr eines der Ziele dieser Richtlinien, die darauf gerichtet sind, den innergemeinschaftlichen Handelsverkehr durch die Beseitigung der derzeitigen Unterschiede zwischen den Gesundheitsvorschriften der Mitgliedstaaten für frisches Fleisch zu fördern. Das Recht aus Art. 28 EG wird also durch diese Richtlinien präzisiert und konkretisiert.

24      Zum Inhalt der Richtlinien 64/433 und 89/662 ist festzustellen, dass diese u. a. gesundheitsbehördliche Kontrollen und die Zertifizierung von frischem Fleisch regeln, das in einem Mitgliedstaat hergestellt und in einen anderen geliefert wird. Wie sich u. a. aus Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 89/662 ergibt, können sich die Mitgliedstaaten einer Einfuhr von frischem Fleisch nur widersetzen, wenn die Ware die Bedingungen der Gemeinschaftsrichtlinien nicht erfüllt, oder unter ganz besonderen Umständen wie z. B. während einer Epidemie. Dass den Mitgliedstaaten untersagt ist, die Einfuhr zu verhindern, verleiht dem Einzelnen das Recht, frisches Fleisch, das den Anforderungen der Gemeinschaft entspricht, in einem anderen Mitgliedstaat zu vermarkten.

25      Aus den Bestimmungen der Richtlinie 64/433 in Verbindung mit denen der Richtlinie 89/662 ergibt sich ferner, dass die Maßnahmen zur Feststellung eines starken Geschlechtsgeruchs bei nicht kastrierten männlichen Schweinen auf Gemeinschaftsebene harmonisiert worden sind (Urteil Kommission/Deutschland, Randnr. 29). Diese Harmonisierung verwehrt es den Mitgliedstaaten daher, im abschließend harmonisierten Bereich die Behinderung des freien Warenverkehrs aus anderen als den in den Richtlinien 64/433 und 89/662 vorgesehenen Gründen zu rechtfertigen.

26      Demnach ist auf die ersten beiden Fragen zu antworten, dass sich Einzelne, die durch Fehler bei der Umsetzung oder Anwendung der Richtlinien 64/433 und 89/662 geschädigt wurden, für die Auslösung der Staatshaftung wegen Verstoßes gegen das Gemeinschaftsrecht auf das Recht auf freien Warenverkehr berufen können.

 Zur dritten Frage

27      Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob das Gemeinschaftsrecht verlangt, dass die in der nationalen Regelung vorgesehene Verjährung des Staatshaftungsanspruchs wegen Verstoßes gegen das Gemeinschaftsrecht während eines von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften nach Art. 226 EG anhängig gemachten Vertragsverletzungsverfahrens unterbrochen oder gehemmt wird, sofern es in diesem Staat an einem effektiven Rechtsbehelf fehlt, um ihn zur Umsetzung einer Richtlinie zu zwingen.

28      Bei der Klärung dieser Frage ist der zeitliche Ablauf der Vorgänge im Ausgangsverfahren behilflich. Der Vorlageentscheidung ist nämlich zu entnehmen, dass das Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland, in dem das Urteil Kommission/Deutschland ergangen ist, am 27. März 1996 anhängig gemacht wurde. Die ersten Schadensfolgen traten bei den Geschädigten bereits 1993 ein, gleichwohl machten sie ihren Staatshaftungsanspruch erst im Dezember 1999 im Klageweg geltend. Wendet man, wie es das vorlegende Gericht beabsichtigt, die dreijährige Verjährungsfrist des § 852 Abs. 1 BGB an, wäre Fristbeginn Mitte 1996, ein Zeitpunkt, in dem nach den Ausführungen des vorlegenden Gerichts die Geschädigten vom Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis hatten. Der Staatshaftungsanspruch ist im Ausgangsverfahren demnach möglicherweise verjährt. Für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits ist es daher relevant, ob die Erhebung einer Vertragsverletzungsklage durch die Kommission Auswirkungen auf den Lauf der Verjährungsfrist gehabt hat.

29      Um jedoch dem vorlegenden Gericht eine sachdienliche Antwort geben zu können, ist zunächst der von ihm implizit gestellten Frage nachzugehen, ob das Gemeinschaftsrecht der analogen Anwendung der dreijährigen Verjährungsfrist des § 852 Abs. 1 BGB im Ausgangsverfahren entgegensteht.

30      Danske Slagterier hat nämlich in Bezug auf die Anwendung des § 852 Abs. 1 BGB das Bestehen einer unklaren Rechtslage in Deutschland bei der nationalen Verjährungsregelung für den Staatshaftungsanspruch wegen Verstoßes gegen das Gemeinschaftsrecht beklagt, da diese Frage noch nicht vom Gesetzgeber oder höchstrichterlich entschieden sei und auch im Schrifttum unterschiedliche Ansichten dazu vertreten würden, weil mehrere Rechtsgrundlagen in Betracht kämen. Die erstmalige analoge Anwendung der Frist des § 852 BGB auf den Staatshaftungsanspruch wegen Verstoßes gegen das Gemeinschaftsrecht verletze die Grundsätze der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit sowie die Grundsätze der Gleichwertigkeit und Effizienz.

31      Nach ständiger Rechtsprechung ist es mangels einer gemeinschaftsrechtlichen Regelung Sache der nationalen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten, die zuständigen Gerichte zu bestimmen und das Verfahren für die Klagen auszugestalten, die den vollen Schutz der dem Einzelnen aus dem Gemeinschaftsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen. Daher hat der Staat die Folgen des entstandenen Schadens im Rahmen des nationalen Haftungsrechts zu beheben, wobei die im Schadensersatzrecht der einzelnen Mitgliedstaaten festgelegten materiellen und formellen Voraussetzungen nicht ungünstiger sein dürfen als bei ähnlichen Klagen, die nur nationales Recht betreffen (Grundsatz der Gleichwertigkeit), und nicht so ausgestaltet sein dürfen, dass sie es praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren, die Entschädigung zu erlangen (Grundsatz der Effektivität) (vgl. u. a. Urteile Francovich u. a., Randnrn. 42 und 43, und vom 10. Juli 1997, Palmisani, C‑261/95, Slg. 1997, I‑4025, Randnr. 27).

32      Zum Effektivitätsgrundsatz hat der Gerichtshof entschieden, dass die Festsetzung angemessener Ausschlussfristen für die Rechtsverfolgung im Interesse der Rechtssicherheit, die zugleich den Abgabepflichtigen und die Behörde schützt, mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist (vgl. Urteil vom 17. November 1998, Aprile, C‑228/96, Slg. 1998, I‑7141, Randnr. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung). Solche Fristen sind nämlich nicht geeignet, die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte praktisch unmöglich zu machen oder übermäßig zu erschweren. Unter diesem Gesichtspunkt erscheint eine nationale Verjährungsfrist von drei Jahren angemessen (vgl. u. a. Urteile Aprile, Randnr. 19, und vom 11. Juli 2002, Marks & Spencer, C‑62/00, Slg. 2002, I‑6325, Randnr. 35).

33      Aus Randnr. 39 des Urteils Marks & Spencer ergibt sich gleichwohl auch, dass eine Verjährungsfrist im Voraus festgelegt werden muss, um ihren Zweck, die Rechtssicherheit zu gewährleisten, zu erfüllen. Eine durch erhebliche Rechtsunsicherheit geprägte Situation kann einen Verstoß gegen den Grundsatz der Effektivität darstellen, da der Ersatz von Schäden, die Einzelnen durch einem Mitgliedstaat zuzurechnende Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht entstanden sind, außerordentlich erschwert werden könnte, wenn diese nicht in der Lage wären, die anwendbare Verjährungsfrist mit hinreichender Sicherheit zu ermitteln.

34      Es ist Sache des nationalen Gerichts, unter Berücksichtigung aller Gesichtspunkte der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Ereignisse des Ausgangsverfahrens im Hinblick auf den Grundsatz der Effektivität zu prüfen, ob die analoge Anwendung der Frist des § 852 Abs. 1 BGB auf Ersatzansprüche für Schäden, die auf einen Verstoß des betreffenden Mitgliedstaats gegen das Gemeinschaftsrecht zurückzuführen sind, für den Einzelnen hinreichend vorhersehbar war.

35      Was ferner die Vereinbarkeit der analogen Anwendung dieser Frist mit dem Grundsatz der Gleichwertigkeit betrifft, ist es ebenfalls Sache des nationalen Gerichts, zu prüfen, ob die Voraussetzungen für den Ersatz von Schäden, die Einzelnen durch den Verstoß des betreffenden Mitgliedstaats gegen das Gemeinschaftsrecht entstanden sind, wegen einer solchen analogen Anwendung nicht möglicherweise ungünstiger waren als diejenigen für den Ersatz vergleichbarer Schäden innerstaatlicher Natur.

36      Für die Frage der Unterbrechung oder Hemmung der Verjährung bei Erhebung einer Vertragsverletzungsklage folgt aus den vorstehenden Ausführungen, dass es Sache der Mitgliedstaaten ist, diese Art von Verfahrensmodalitäten zu regeln, sofern die Grundsätze der Gleichwertigkeit und Effektivität gewahrt werden.

37      Hierbei kann die Entschädigung nicht davon abhängig gemacht werden, dass der Gerichtshof zuvor einen dem Staat zuzurechnenden Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht feststellt (vgl. Urteile Brasserie du pêcheur und Factortame, Randnrn. 94 bis 96, und Dillenkofer u. a., Randnr. 28).

38      Die Feststellung des Verstoßes ist zwar ein wichtiges, aber kein unbedingt notwendiges Kriterium dafür, dass die Voraussetzung der hinreichenden Qualifizierung des Verstoßes gegen das Gemeinschaftsrecht erfüllt ist. Zudem können die dem Einzelnen zustehenden Rechte weder davon abhängen, dass die Kommission es für zweckmäßig hält, gemäß Art. 226 EG gegen einen Mitgliedstaat vorzugehen, noch davon, dass der Gerichtshof gegebenenfalls den Verstoß in einem Urteil feststellt (vgl. Urteil Brasserie du pêcheur und Factortame, Randnrn. 93 und 95).

39      Ein Einzelner kann daher Schadensersatz nach den dafür im nationalen Recht vorgesehenen Verfahrensmodalitäten geltend machen, ohne ein den Verstoß des Mitgliedstaats gegen das Gemeinschaftsrecht feststellendes Urteil abwarten zu müssen. Folglich wird dem Einzelnen die Ausübung der ihm durch das Gemeinschaftsrecht verliehenen Rechte nicht dadurch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert, dass die Erhebung einer Vertragsverletzungsklage nicht die Verjährung unterbricht oder hemmt.

40      Danske Slagterier rügt außerdem einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichwertigkeit und trägt vor, dass das deutsche Recht die Unterbrechung der Verjährung bei paralleler Einlegung eines nationalen Rechtsbehelfs nach § 839 BGB vorsehe und eine Klage nach Art. 226 EG einem solchen Rechtsbehelf gleichgestellt werden müsse.

41      Hierzu ist festzustellen, dass bei der Entscheidung über die Gleichwertigkeit der Verfahrensvorschriften objektiv und abstrakt geprüft werden muss, ob die fraglichen Vorschriften unter Berücksichtigung ihrer Stellung im gesamten Verfahren, des Ablaufs dieses Verfahrens und der Besonderheiten der Vorschriften gleichartig sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Mai 2000, Preston u. a., C‑78/98, Slg. 2000, I‑3201, Randnr. 63).

42      Bei der Beurteilung der Gleichartigkeit der fraglichen Regelungen ist den Besonderheiten des Verfahrens nach Art. 226 EG Rechnung zu tragen.

43      Insoweit ist daran zu erinnern, dass die Kommission im Rahmen der Zuständigkeiten, die ihr durch Art. 226 EG eingeräumt sind, kein Rechtsschutzinteresse nachzuweisen braucht (vgl. Urteile vom 4. April 1974, Kommission/Frankreich, 167/73, Slg. 1974, 359, Randnr. 15, und vom 10. April 2003, Kommission/Deutschland, C‑20/01 und C‑28/01, Slg. 2003, I‑3609, Randnr. 29). Der Kommission fällt nämlich kraft ihres Amtes die Aufgabe zu, die Ausführung des Gemeinschaftsrechts durch die Mitgliedstaaten im allgemeinen Interesse zu überwachen und etwaige Verstöße gegen die sich hieraus ergebenden Verpflichtungen feststellen zu lassen, damit sie abgestellt werden (vgl. Urteile Kommission/Frankreich, Randnr. 15, und vom 10. April 2003, Kommission/Deutschland, Randnr. 29).

44      Art. 226 EG soll also nicht die eigenen Rechte der Kommission schützen. Ihr allein obliegt die Entscheidung, ob es angebracht ist, ein Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten, und gegebenenfalls wegen welcher Handlung oder Unterlassung dieses Verfahren einzuleiten ist (Urteil vom 2. Juni 2005, Kommission/Griechenland, C‑394/02, Slg. 2005, I‑4713, Randnr. 16 und die dort angeführte Rechtsprechung). Die Kommission verfügt demnach in dieser Hinsicht über ein Ermessen, das ein Recht Einzelner, von ihr eine Stellungnahme in einem bestimmten Sinn zu verlangen, ausschließt (vgl. Urteil vom 14. Februar 1989, Star Fruit/Kommission, 247/87, Slg. 1989, 291, Randnr. 11).

45      Somit ist festzustellen, dass bei einer nationalen Regelung, die keine Unterbrechung oder Hemmung der Verjährung des Staatshaftungsanspruchs wegen Verstoßes gegen das Gemeinschaftsrecht vorsieht, wenn die Kommission ein Verfahren nach Art. 226 EG anhängig gemacht hat, der Grundsatz der Gleichwertigkeit gewahrt ist.

46      Nach alledem ist auf die dritte Frage zu antworten, dass das Gemeinschaftsrecht nicht verlangt, dass die in der nationalen Regelung vorgesehene Verjährung des Staatshaftungsanspruchs wegen Verstoßes gegen das Gemeinschaftsrecht während eines von der Kommission nach Art. 226 EG anhängig gemachten Vertragsverletzungsverfahrens unterbrochen oder gehemmt wird.

 Zur vierten Frage

47      Mit seiner vierten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Verjährungsfrist für einen Staatshaftungsanspruch wegen fehlerhafter Umsetzung einer Richtlinie unabhängig vom anwendbaren nationalen Recht erst mit der vollständigen Umsetzung der Richtlinie zu laufen beginnt oder ob sie in Übereinstimmung mit dem nationalen Recht dann in Lauf gesetzt wird, wenn die ersten Schadensfolgen der fehlerhaften Umsetzung eingetreten und weitere Schadensfolgen absehbar sind. Für den Fall, dass die vollständige Umsetzung den Fristenlauf beeinflussen sollte, fragt das vorlegende Gericht, ob dies allgemein gilt oder nur dann, wenn die Richtlinie dem Einzelnen ein Recht verleiht.

48      Wie sich bereits aus den Randnrn. 31 und 32 des vorliegenden Urteils ergibt, ist es mangels einer gemeinschaftsrechtlichen Regelung Sache der Mitgliedstaaten, das Verfahren – einschließlich der Verjährungsregelungen – für die Klagen auszugestalten, die den Schutz der dem Einzelnen aus dem Gemeinschaftsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, sofern dabei die Grundsätze der Gleichwertigkeit und der Effektivität gewahrt werden. Die Festsetzung angemessener Ausschlussfristen für die Rechtsverfolgung wahrt diese Grundsätze, und es kann insbesondere nicht angenommen werden, dass die Ausübung der durch das Gemeinschaftsrecht verliehenen Rechte dadurch praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert würde.

49      Dass die Verjährungsfrist des nationalen Rechts zu laufen beginnt, wenn die ersten Schadensfolgen eingetreten sind, obschon weitere Schadensfolgen absehbar sind, kann die Ausübung der durch das Gemeinschaftsrecht verliehenen Rechte ebenfalls nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren.

50      Das von Danske Slagterier angeführte Urteil vom 13. Juli 2006, Manfredi u. a. (C‑295/04 bis C‑298/04, Slg. 2006, I‑6619), kann dieses Ergebnis nicht in Frage stellen.

51      In den Randnrn. 78 und 79 des genannten Urteils hat der Gerichtshof festgestellt, dass es nicht ausgeschlossen ist, dass eine kurze Verjährungsfrist bei einer Schadensersatzklage, die an dem Tag zu laufen beginnt, an dem das Kartell oder abgestimmte Verhalten verwirklicht wird, die Geltendmachung des Anspruchs auf Ersatz des durch dieses verbotene Kartell oder Verhalten entstandenen Schadens praktisch unmöglich machen könnte. Daher wäre es bei fortgesetzten oder wiederholten Zuwiderhandlungen nicht ausgeschlossen, dass die Verjährungsfrist sogar vor Beendigung der Zuwiderhandlung abgelaufen ist, so dass ein nach Ablauf dieser Frist Geschädigter keine Klage mehr erheben könnte.

52      Im Ausgangsverfahren ist das jedoch nicht der Fall. Aus der Vorlageentscheidung geht nämlich hervor, dass die in dieser Rechtssache fragliche Verjährungsfrist erst dann zu laufen beginnen kann, wenn der Verletzte vom Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt. Unter solchen Umständen ist es also nicht möglich, dass sich ein Geschädigter in der Lage befindet, dass die Verjährungsfrist zu laufen beginnt oder sogar schon abgelaufen ist, ohne dass er überhaupt weiß, dass er einen Schaden erlitten hat, wie dies in der Rechtssache, in der das Urteil Manfredi u. a. ergangen ist, hätte der Fall sein können, in der die Verjährungsfrist ab der Verwirklichung des Kartells oder des abgestimmten Verhaltens zu laufen begann, wovon einige Betroffene möglicherweise erst sehr viel später erfahren.

53      In Bezug auf die Möglichkeit, die Verjährungsfrist vor der vollständigen Umsetzung der fraglichen Richtlinie beginnen zu lassen, trifft es zu, dass der Gerichtshof in Randnr. 23 des Urteils vom 25. Juli 1991, Emmott (C‑208/90, Slg. 1991, I‑4269), entschieden hat, dass sich der säumige Mitgliedstaat bis zum Zeitpunkt der ordnungsgemäßen Umsetzung einer Richtlinie nicht auf die Verspätung einer Klage berufen kann, die ein Einzelner zum Schutz der ihm durch diese Richtlinie verliehenen Rechte gegen ihn erhoben hat, und dass eine Klagefrist des nationalen Rechts erst zu diesem Zeitpunkt beginnen kann.

54      Wie im Urteil vom 6. Dezember 1994, Johnson (C‑410/92, Slg. 1994, I‑5483, Randnr. 26), bestätigt worden ist, folgt jedoch aus dem Urteil vom 27. Oktober 1993, Steenhorst-Neerings (C‑338/91, Slg. 1993, I‑5475), dass die Entscheidung in der Rechtssache Emmott durch die besonderen Umstände jenes Falles gerechtfertigt war, in dem der Klägerin des Ausgangsverfahrens durch den Ablauf der Klagefrist jegliche Möglichkeit genommen war, ihren auf die Richtlinie gestützten Anspruch auf Gleichbehandlung geltend zu machen (vgl. auch Urteile vom 17. Juli 1997, Haahr Petroleum, C‑90/94, Slg. 1997, I‑4085, Randnr. 52, sowie Texaco und Olieselskabet Danmark, C‑114/95 und C‑115/95, Slg. 1997, I‑4263, Randnr. 48, und Urteil vom 15. September 1998, Ansaldo Energia u. a., C‑279/96 bis C‑281/96, Slg. 1998, I‑5025, Randnr. 20).

55      Im Ausgangsverfahren ergibt sich aber weder aus den Akten noch aus den Erörterungen im mündlichen Verfahren, dass die streitige Verjährungsfrist wie in der Rechtssache, in der das Urteil Emmott ergangen ist, dazu geführt hätte, dass den Geschädigten jegliche Möglichkeit genommen worden wäre, ihre Ansprüche vor den nationalen Gerichten geltend zu machen.

56      Daher ist auf die vierte Frage zu antworten, dass das Gemeinschaftsrecht es nicht verwehrt, die Verjährungsfrist für einen Staatshaftungsanspruch wegen fehlerhafter Umsetzung einer Richtlinie zu dem Zeitpunkt in Lauf zu setzen, in dem die ersten Schadensfolgen der fehlerhaften Umsetzung eingetreten und weitere Schadensfolgen absehbar sind, selbst wenn dieser Zeitpunkt vor der ordnungsgemäßen Umsetzung dieser Richtlinie liegt.

57      In Anbetracht der Antwort auf den ersten Teil der vierten Frage erübrigt sich eine Stellungnahme zum zweiten Teil dieser Frage.

 Zur fünften Frage

58      Mit seiner fünften Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob das Gemeinschaftsrecht einer Regelung wie in § 839 Abs. 3 BGB entgegensteht, nach der ein Einzelner keinen Ersatz für einen Schaden verlangen kann, bei dem er es vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, ihn durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden. Zur Präzisierung stellt das vorlegende Gericht die weitere Frage, ob eine solche nationale Regelung gegen das Gemeinschaftsrecht verstößt, sofern sie unter dem Vorbehalt angewandt wird, dass die Inanspruchnahme dieses Primärrechtsschutzes dem Betroffenen zumutbar sein muss. Das vorlegende Gericht möchte schließlich wissen, ob der Gebrauch eines Rechtsmittels als zumutbar angesehen werden kann, wenn das angerufene Gericht voraussichtlich ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG einreichen wird oder wenn bereits ein Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 226 EG anhängig gemacht worden ist.

59      Wie bereits bei der Beantwortung der beiden vorstehenden Fragen in Erinnerung gerufen, ist es mangels einer gemeinschaftsrechtlichen Regelung Sache der Mitgliedstaaten, das Verfahren für die Klagen auszugestalten, die den Schutz der dem Einzelnen aus dem Gemeinschaftsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, sofern dabei die Grundsätze der Gleichwertigkeit und der Effektivität gewahrt werden.

60      Zur Inanspruchnahme der zur Verfügung stehenden Rechtsschutzmöglichkeiten hat der Gerichtshof in Randnr. 84 des Urteils Brasserie du pêcheur und Factortame bei der Frage der Haftung eines Mitgliedstaats wegen Verstoßes gegen das Gemeinschaftsrecht festgestellt, dass das nationale Gericht prüfen kann, ob sich der Geschädigte in angemessener Form um die Verhinderung des Schadenseintritts oder um die Begrenzung des Schadensumfangs bemüht hat und ob er insbesondere rechtzeitig von allen ihm zur Verfügung stehenden Rechtsschutzmöglichkeiten Gebrauch gemacht hat.

61      Nach einem allgemeinen, den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsamen Grundsatz muss sich nämlich der Geschädigte in angemessener Form um die Begrenzung des Schadensumfangs bemühen, wenn er nicht Gefahr laufen will, den Schaden selbst tragen zu müssen (Urteile vom 19. Mai 1992, Mulder u. a./Rat und Kommission, C‑104/89 und C‑37/90, Slg. 1992, I‑3061, Randnr. 33, und Brasserie du pêcheur und Factortame, Randnr. 85).

62      Jedoch widerspräche es dem Grundsatz der Effektivität, von den Geschädigten zu verlangen, systematisch von allen ihnen zur Verfügung stehenden Rechtsschutzmöglichkeiten Gebrauch zu machen, selbst wenn dies zu übermäßigen Schwierigkeiten führen würde oder ihnen nicht zugemutet werden könnte.

63      In seinem Urteil vom 8. März 2001, Metallgesellschaft u. a. (C‑397/98 und C‑410/98, Slg. 2001, I‑1727, Randnr. 106), hat der Gerichtshof nämlich entschieden, dass die Ausübung der Rechte, die den Einzelnen aus den unmittelbar anwendbaren Vorschriften des Gemeinschaftsrechts erwachsen, unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert würde, wenn ihre auf den Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht gestützten Schadensersatzklagen bereits deswegen abgewiesen oder die erhobenen Ansprüche gekürzt werden müssten, weil die Betroffenen es unterlassen haben, das ihnen durch die Gemeinschaftsbestimmungen verliehene und ihnen nach nationalem Recht nicht zustehende Recht geltend zu machen, um mittels der dafür vorgesehenen Rechtsbehelfe unter Berufung auf den Vorrang und die unmittelbare Wirkung des Gemeinschaftsrechts gegen die Ablehnung durch den Mitgliedstaat vorzugehen. In einem solchen Fall hätte den Geschädigten nicht zugemutet werden können, von den ihnen zur Verfügung stehenden Rechtsschutzmöglichkeiten Gebrauch zu machen, da sie die fragliche Zahlung im Voraus hätten entrichten müssen und, auch wenn das nationale Gericht die Vorauszahlung für gemeinschaftsrechtswidrig erklärt hätte, keine Zinsen für den betreffenden Betrag hätten erhalten können und ihnen möglicherweise eine Geldstrafe auferlegt worden wäre (vgl. in diesem Sinne Urteil Metallgesellschaft u. a., Randnr. 104).

64      Somit ergibt sich, dass das Gemeinschaftsrecht der Anwendung einer nationalen Regelung wie in § 839 Abs. 3 BGB dann nicht entgegensteht, wenn der Gebrauch des fraglichen Rechtsmittels dem Geschädigten zumutbar ist. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, anhand aller Umstände des Ausgangsrechtsstreits zu prüfen, ob das der Fall ist.

65      Zu der Möglichkeit, dass das ergriffene Rechtsmittel Anlass zu einem Vorabentscheidungsersuchen gibt, und zu der Auswirkung, die dieser Umstand möglicherweise auf die Zumutbarkeit des Rechtsmittels hat, ist daran zu erinnern, dass nach ständiger Rechtsprechung das mit Art. 234 EG eingerichtete Verfahren ein Instrument der Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten ist, mit dem der Gerichtshof diesen Gerichten Hinweise zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts gibt, die sie zur Entscheidung des bei ihnen anhängigen Rechtsstreits benötigen (vgl. Urteile vom 16. Juli 1992, Meilicke, C‑83/91, Slg. 1992, I‑4871, Randnr. 22, und vom 5. Februar 2004, Schneider, C‑380/01, Slg. 2004, I‑1389, Randnr. 20). Die dadurch erhaltenen Hinweise können dem nationalen Gericht also die Anwendung des Gemeinschaftsrechts erleichtern, so dass der Rückgriff auf dieses Instrument der Zusammenarbeit keineswegs dazu beiträgt, dem Einzelnen die Ausübung der ihm durch das Gemeinschaftsrecht verliehenen Rechte übermäßig zu erschweren. Daher wäre es nicht sinnvoll, von einem Rechtsmittel allein deshalb keinen Gebrauch zu machen, weil dieses möglicherweise Anlass zu einem Vorabentscheidungsersuchen gibt.

66      Eine große Wahrscheinlichkeit, dass ein Rechtsmittel Anlass zu einem Vorabentscheidungsersuchen gibt, lässt demnach für sich genommen nicht den Schluss zu, dass der Gebrauch dieses Rechtsmittels unzumutbar ist.

67      Zur Zumutbarkeit der Verpflichtung, von den zur Verfügung stehenden Rechtsschutzmöglichkeiten Gebrauch zu machen, obwohl eine Vertragsverletzungsklage beim Gerichtshof anhängig ist, genügt die Feststellung, dass das Verfahren nach Art. 226 EG völlig unabhängig von den nationalen Verfahren ist und diese nicht ersetzt. Wie bei der Beantwortung der dritten Frage ausgeführt, stellt eine Vertragsverletzungsklage nämlich eine objektive Rechtmäßigkeitskontrolle im Allgemeininteresse dar. Auch wenn das Ergebnis einer solchen Klage Individualinteressen dienen kann, bleibt es für den Einzelnen gleichwohl zumutbar, den Schaden mit Hilfe aller ihm zur Verfügung stehenden Mittel, also auch durch die Inanspruchnahme der verfügbaren Rechtsschutzmöglichkeiten, abzuwenden.

68      Daraus folgt, dass eine beim Gerichtshof anhängige Vertragsverletzungsklage oder die Wahrscheinlichkeit, dass der Gerichtshof mit einem Vorabentscheidungsersuchen des nationalen Gerichts befasst wird, für sich genommen nicht den Schluss zulassen, dass der Gebrauch eines Rechtsmittels unzumutbar ist.

69      Daher ist auf die fünfte Frage zu antworten, dass das Gemeinschaftsrecht der Anwendung einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, nach der ein Einzelner keinen Ersatz für einen Schaden verlangen kann, bei dem er es vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, ihn durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden, vorausgesetzt, dass der Gebrauch dieses Rechtsmittels dem Geschädigten zumutbar ist; es ist Sache des vorlegenden Gerichts, dies anhand aller Umstände des Ausgangsrechtsstreits zu prüfen. Die Wahrscheinlichkeit, dass das nationale Gericht nach Art. 234 EG ein Vorabentscheidungsersuchen stellt, oder eine beim Gerichtshof anhängige Vertragsverletzungsklage lassen für sich genommen nicht den Schluss zu, dass der Gebrauch eines Rechtsmittels unzumutbar ist.

 Kosten

70      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:

1.      Einzelne, die durch Fehler bei der Umsetzung oder Anwendung der Richtlinien 64/433/EWG des Rates vom 26. Juni 1964 über die gesundheitlichen Bedingungen für die Gewinnung und das Inverkehrbringen von frischem Fleisch in der durch die Richtlinie 91/497/EWG des Rates vom 29. Juli 1991 geänderten Fassung und 89/662/EWG des Rates vom 11. Dezember 1989 zur Regelung der veterinärrechtlichen Kontrollen im innergemeinschaftlichen Handel im Hinblick auf den gemeinsamen Binnenmarkt geschädigt wurden, können sich für die Auslösung der Staatshaftung wegen Verstoßes gegen das Gemeinschaftsrecht auf das Recht auf freien Warenverkehr berufen.

2.      Das Gemeinschaftsrecht verlangt nicht, dass die in der nationalen Regelung vorgesehene Verjährung des Staatshaftungsanspruchs wegen Verstoßes gegen das Gemeinschaftsrecht während eines von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften nach Art. 226 EG anhängig gemachten Vertragsverletzungsverfahrens unterbrochen oder gehemmt wird.

3.      Das Gemeinschaftsrecht verwehrt es nicht, die Verjährungsfrist für einen Staatshaftungsanspruch wegen fehlerhafter Umsetzung einer Richtlinie zu dem Zeitpunkt in Lauf zu setzen, in dem die ersten Schadensfolgen der fehlerhaften Umsetzung eingetreten und weitere Schadensfolgen absehbar sind, selbst wenn dieser Zeitpunkt vor der ordnungsgemäßen Umsetzung dieser Richtlinie liegt.

4.      Das Gemeinschaftsrecht steht der Anwendung einer nationalen Regelung nicht entgegen, nach der ein Einzelner keinen Ersatz für einen Schaden verlangen kann, bei dem er es vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, ihn durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden, vorausgesetzt, dass der Gebrauch dieses Rechtsmittels dem Geschädigten zumutbar ist; es ist Sache des vorlegenden Gerichts, dies anhand aller Umstände des Ausgangsrechtsstreits zu prüfen. Die Wahrscheinlichkeit, dass das nationale Gericht nach Art. 234 EG ein Vorabentscheidungsersuchen stellt, oder eine beim Gerichtshof anhängige Vertragsverletzungsklage lassen für sich genommen nicht den Schluss zu, dass der Gebrauch eines Rechtsmittels unzumutbar ist.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Deutsch.

Top