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Document 62006CJ0441
Judgment of the Court (Fourth Chamber) of 18 October 2007. # Commission of the European Communities v French Republic. # State aid - Duty of recovery - Duty of cooperation. # Case C-441/06.
Urteil des Gerichtshofes (Vierte Kammer) vom 18. Oktober 2007.
Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Französische Republik.
Beihilfe - Rückforderungspflicht - Pflicht zur Zusammenarbeit.
Rechtssache C-441/06.
Urteil des Gerichtshofes (Vierte Kammer) vom 18. Oktober 2007.
Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Französische Republik.
Beihilfe - Rückforderungspflicht - Pflicht zur Zusammenarbeit.
Rechtssache C-441/06.
Sammlung der Rechtsprechung 2007 I-08887
ECLI identifier: ECLI:EU:C:2007:616
Rechtssache C‑441/06
Kommission der Europäischen Gemeinschaften
gegen
Französische Republik
„Staatliche Beihilfen – Rückforderungspflicht – Pflicht zur Zusammenarbeit“
Leitsätze des Urteils
1. Vertragsverletzungsklage – Nichtbefolgung einer Entscheidung der Kommission über eine staatliche Beihilfe – Verteidigungsmittel
(Art. 10 EG und 88 Abs. 2 EG)
2. Staatliche Beihilfen – Entscheidung der Kommission, mit der die Unvereinbarkeit einer Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt festgestellt und ihre Rückforderung angeordnet wird
(Art. 88 Abs. 2 EG)
3. Mitgliedstaaten – Verpflichtungen – Pflicht zu loyaler Zusammenarbeit mit den Gemeinschaftsorganen
(Art. 10 EG)
1. Ein Mitgliedstaat kann zur Verteidigung gegen eine von der Kommission gemäß Art. 88 Abs. 2 EG erhobene Vertragsverletzungsklage nur geltend machen, dass es völlig unmöglich gewesen sei, die fragliche Entscheidung durchzuführen. Schwierigkeiten bei der Durchführung der Entscheidungen, die die Rückforderung von Beihilfen von einer großen Zahl von Unternehmen in Verbindung mit zahlreichen individuellen Berechnungsfaktoren betreffen, bewirken keine absolute Unmöglichkeit.
Ein Mitgliedstaat, der bei der Durchführung einer Entscheidung der Kommission über staatliche Beihilfen auf unvorhergesehene und unvorhersehbare Schwierigkeiten stößt oder sich über Folgen, die von der Kommission nicht beabsichtigt sind, klar wird, muss diese Probleme der Kommission zur Beurteilung vorlegen und dabei geeignete Änderungen der fraglichen Entscheidung vorschlagen. In einem solchen Fall müssen die Kommission und der betroffene Mitgliedstaat loyal zusammenarbeiten, um die Schwierigkeiten unter voller Beachtung der Bestimmungen des Vertrags, insbesondere derjenigen über die Beihilfen, zu überwinden.
(vgl. Randnrn. 27-28)
2. Keine Bestimmung des Gemeinschaftsrechts verlangt von der Kommission, bei der Anordnung der Rückzahlung einer mit dem Gemeinsamen Markt für unvereinbar erklärten Beihilfe den genauen Betrag der zu erstattenden Beihilfe festzusetzen. Es genügt, dass die Entscheidung der Kommission Angaben enthält, die es ihrem Adressaten ermöglichen, diesen Betrag ohne übermäßige Schwierigkeiten selbst zu bestimmen.
(vgl. Randnr. 29)
3. Ein Mitgliedstaat, der Adressat einer Entscheidung der Kommission ist, mit der die Unvereinbarkeit einer von ihm gewährten Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt festgestellt und deren Rückforderung angeordnet wird, verstößt gegen seine Pflichten aus Art. 10 EG, wenn er der Kommission nicht die von ihr erbetenen, zur Festsetzung des endgültigen Rückzahlungsbetrags erforderlichen Auskünfte erteilt und mit der Begründung, dass es unmöglich sei, eine verlässliche Methode zur Berechnung dieses Betrags zu bestimmen, nichts unternimmt, um die Rückforderung in die Wege zu leiten.
(vgl. Randnrn. 45-52)
URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer)
18. Oktober 2007(*)
„Staatliche Beihilfen – Rückforderungspflicht – Pflicht zur Zusammenarbeit“
In der Rechtssache C‑441/06
betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 88 Abs. 2 EG, eingereicht am 25. Oktober 2006,
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch C. Giolito als Bevollmächtigten, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin,
gegen
Französische Republik, vertreten durch G. de Bergues und S. Ramet als Bevollmächtigte,
Beklagte,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts, der Richterin R. Silva de Lapuerta (Berichterstatterin) sowie der Richter E. Juhász, J. Malenovský und T. von Danwitz,
Generalanwalt: M. Poiares Maduro,
Kanzler: R. Grass,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
1 Mit ihrer Klage beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass die Französische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 2 und 3 der Entscheidung 2005/709/EG der Kommission vom 2. August 2004 über die staatliche Beihilfe, die Frankreich France Télécom gewährt hat (ABl. 2005, L 269, S. 30, im Folgenden: streitige Entscheidung), sowie aus den Art. 249 Abs. 4 EG und 10 EG verstoßen hat, dass sie die genannte Entscheidung nicht fristgerecht durchgeführt hat.
Vorgeschichte des Rechtsstreits
2 France Télécom (im Folgenden: FT) ist als Betreiber und Anbieter von Telekommunikationsnetzen und ‑diensten tätig, und zwar insbesondere auf folgenden Märkten: Festnetztelefon, Mobilfunk, Internet und sonstige Informationsdienste, Dienstleistungen für Unternehmen, Fernsehübertragungen und Kabelfernsehen.
3 Abweichend von der normalerweise in Frankreich anwendbaren Gewerbesteuerregelung (Art. 1447 ff. des Code général des impôts [Allgemeines Steuergesetzbuch], im Folgenden: CGI), wonach die Gewerbesteuer jedes Jahr von den natürlichen oder juristischen Personen geschuldet wird, die eine selbständige gewerbliche Tätigkeit gewohnheitsmäßig ausüben, wurden zugunsten von FT nacheinander zwei Sonderregelungen geschaffen, nämlich eine Übergangsregelung, die vom 1. Januar 1991 bis zum 31. Dezember 1993 galt, und eine endgültige Regelung, die ab 1. Januar 1994 galt. Letztere wurde mit Wirkung vom 31. Dezember 2002 aufgehoben.
4 Die Übergangsregelung (1991 bis 1993) sah gemäß Art. 19 der Loi n° 90‑568 relative à l’organisation du service public de la poste et des télécommunications (Gesetz Nr. 90‑568 über die Organisation des öffentlichen Post‑ und Telekommunikationsdienstes) vom 2. Juli 1990 (JORF vom 8. Juli 1990, S. 8069) vor, dass FT ebenso wie der Staat während des betreffenden Zeitraums Steuern wie die Gewerbesteuer, die Grundsteuer und die Körperschaftsteuer nicht zu zahlen brauchte.
5 Nach der endgültigen Regelung (1994 bis 2002) war FT gemäß Art. 18 des oben genannten Gesetzes und Art. 1654 CGI ab 1. Januar 1994 der allgemeinen Steuerregelung mit Ausnahme der lokalen direkten Steuern unterworfen, für die die anwendbaren Rechtsvorschriften besondere Bedingungen hinsichtlich des Steuersatzes, der Bemessungsgrundlage und der Besteuerungsmodalitäten vorsahen.
6 Diese beiden Regelungen waren gemäß einem Beschluss, von dem die Kommission die Französische Republik am 31. Januar 2003 in Kenntnis setzte (ABl. C 57, S. 5), Gegenstand eines förmlichen Prüfverfahrens nach Art. 88 Abs. 2 EG.
7 In den Randnrn. 33 und 53 der streitigen Entscheidung stellte die Kommission fest, dass die Übergangsregelung keine staatliche Beihilfe darstelle. Dagegen vertrat sie in den Randnrn. 42 und 60 die Ansicht, dass die Differenz zwischen der tatsächlich von FT gezahlten Gewerbesteuer und derjenigen, die nach dem allgemeinen Recht vom 1. Januar 1994 bis zum 31. Dezember 2002 geschuldet gewesen wäre, eine staatliche Beihilfe sei, die rechtswidrig unter Verstoß gegen Art. 88 Abs. 3 EG durchgeführt worden sei.
8 Der genaue Rückforderungsbetrag wurde in der streitigen Entscheidung nicht festgesetzt. Die Kommission schätzte jedoch in Randnr. 59 der Entscheidung, dass dieser Betrag in einer Spanne zwischen 798 Mio. und 1 140 Mio. Euro liegen müsse, zuzüglich der Zinsen von dem Zeitpunkt an, zu dem die fragliche Beihilfe dem Begünstigten zur Verfügung gestellt worden sei, bis zu ihrer Rückforderung. Hierzu heißt es in derselben Randnummer, dass der genaue Betrag der zurückzufordernden Beihilfe von der Kommission in Zusammenarbeit mit den französischen Behörden im Rahmen des Rückforderungsverfahrens bis spätestens 1. November 2004 bestimmt werde.
9 Der verfügende Teil der streitigen Entscheidung lautet:
„Artikel 1
Die staatliche Beihilfe, die Frankreich France Télécom rechtswidrig unter Verstoß gegen Artikel 88 Absatz 3 EG-Vertrag durch die Gewerbesteuerregelung für dieses Unternehmen in der Zeit vom 1. Januar 1994 bis 31. Dezember 2002 (vorgesehen im Gesetz Nr. 90‑568 [Artikel 18] und in Artikel 1654 CGI) gewährt hat, ist mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar.
Artikel 2
(1) Frankreich ergreift alle notwendigen Maßnahmen, um die in Artikel 1 genannte Beihilfe von France Télécom zurückzufordern.
(2) Die Rückforderung erfolgt unverzüglich nach den nationalen Verfahren, sofern diese die sofortige, tatsächliche Vollstreckung der Entscheidung ermöglichen.
(3) Die zurückzufordernden Beihilfen umfassen Zinsen von dem Zeitpunkt an, ab dem die Beihilfen dem Empfänger zur Verfügung standen, bis zu ihrer Rückzahlung.
(4) Die Zinsen werden auf der Grundlage von Kapitel V der Verordnung (EG) Nr. 794/2004 vom 21. April 2004 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 93 des EG-Vertrags [ABl. L 140, S. 1] berechnet.
Artikel 3
Frankreich teilt der Kommission innerhalb von zwei Monaten nach der Bekanntgabe dieser Entscheidung die Maßnahmen mit, die es zu treffen beabsichtigt und die es bereits getroffen hat, um der Entscheidung nachzukommen. Dabei verwendet Frankreich den im Anhang zu dieser Entscheidung beigefügten Fragebogen.
…“
10 Zwischen dem 17. September 2004 und dem 10. August 2006 fand zwischen der Kommission und den französischen Behörden ein reger Schriftwechsel über die zur Sicherstellung der Durchführung der streitigen Entscheidung zu ergreifenden Maßnahmen statt. Außerdem wurden zu diesem Zweck mehrere Treffen zwischen der Kommission und den französischen Behörden organisiert.
11 Im Laufe dieser Besprechungen schlug die Kommission in einer Mitteilung vom 23. Dezember 2005 vor, die Beihilfe, die FT zugutegekommen sei, in folgender Höhe festzusetzen:
– für den Zeitraum von 1994 bis 1999 auf einen Betrag von 635 Mio. Euro ohne Zinsen und
– für den Zeitraum von 2000 bis 2002 auf einen Betrag von 293 Mio. Euro ohne Zinsen.
12 Demnach belaufe sich die betreffende Beihilfe auf 928 Mio. Euro ohne Zinsen. In derselben Mitteilung forderte die Kommission die französischen Behörden auf, alle Maßnahmen zu ergreifen, die erforderlich seien, um diesen Betrag und die zugehörigen Zinsen vom Empfänger zurückzuerlangen, und sie ihr bis zum 20. Januar 2006 mitzuteilen.
13 In der genannten Mitteilung wies die Kommission die französischen Behörden auch darauf hin, dass sie, wenn sie zu dem Vorschlag der Kommission Erläuterungen abgeben oder konkrete konstruktive Änderungsvorschläge unterbreiten wollten, diese bis zum selben Datum bei ihr einreichen müssten.
14 Da die Kommission mit der Reaktion der französischen Behörden auf ihre Aufforderung nicht zufrieden war, hat sie beschlossen, den Gerichtshof anzurufen.
Zur Klage
Vorbringen der Parteien
15 Die Kommission stellt fest, dass die fragliche Beihilfe mehr als zwei Jahre nach Erlass der streitigen Entscheidung noch nicht zurückgezahlt worden sei. Das Verfahren zur Durchführung dieser Entscheidung auf nationaler Ebene, und sei es nur in Bezug auf den der Untergrenze der in Randnr. 59 der streitigen Entscheidung genannten Spanne entsprechenden Betrag von 798 Mio. Euro zuzüglich Zinsen, sei noch nicht eingeleitet worden.
16 Die unterbliebene Rückforderung der Beihilfe könne nicht mit praktischen Schwierigkeiten bei der Bestimmung des zurückzuzahlenden Betrags gerechtfertigt werden. In einem solchen Fall seien die Kommission und der betroffene Mitgliedstaat gemäß Art. 10 EG verpflichtet, loyal zusammenzuarbeiten, um derartige Schwierigkeiten zu überwinden.
17 Die Kommission fährt fort, sie habe Vorschläge in Bezug auf die Höhe der zurückzufordernden Beihilfe unterbreitet und die französischen Behörden aufgefordert, sich hierzu sachdienlich zu äußern. Die französischen Behörden hätten sich jedoch darauf beschränkt, den gewählten Ansatz zu beanstanden, ohne jemals Gegenvorschläge zu machen.
18 Die in Randnr. 59 der streitigen Entscheidung genannte Spanne sei dadurch gerechtfertigt, dass der Betrag der zurückzufordernden Beihilfe nur zwischen 798 Mio. und 1 140 Mio. Euro liegen könne, was der Unter- bzw. Obergrenze entspreche, zwischen denen der endgültige Betrag festzulegen sei.
19 Nur die Rückforderung eines Mindestbetrags in Höhe der Untergrenze der Spanne, d. h. von 798 Mio. Euro, sei zur Sicherstellung einer wirksamen Rückforderung der staatlichen Beihilfe, die FT erhalten habe, akzeptabel.
20 Die Kommission schließt daraus, dass die Französische Republik nicht die Maßnahmen ergriffen habe, die zu einer korrekten, unverzüglichen und wirksamen Durchführung der streitigen Entscheidung erforderlich seien. Ein solches Verhalten verstoße gegen die Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit aus Art. 10 EG. Die beteiligten Behörden der Französischen Republik hätten nämlich zu keinem Zeitpunkt eine konstruktive Haltung gezeigt, die es erlaubt hätte, den Betrag der zurückzuzahlenden Beihilfe festzulegen.
21 Die Französische Republik trägt vor, dass in der streitigen Entscheidung weder die Höhe der zurückzufordernden Beihilfe noch Berechnungskriterien oder ‑parameter bestimmt worden seien. Tatsächlich habe sich die Kommission in Randnr. 59 der streitigen Entscheidung das Recht vorbehalten, die Höhe der zurückzufordernden Beihilfe festzulegen.
22 Jedenfalls hätte die Kommission nach Auffassung der Französischen Republik eine hinreichend genaue und verlässliche Methode zur Berechnung der zurückzuzahlenden Beihilfe angeben müssen. Da die Kommission dies nicht getan habe, sei es den nationalen Behörden nicht möglich gewesen, die betreffende Beihilfe zurückzufordern.
23 Diese Auslegung der streitigen Entscheidung werde nicht dadurch in Frage gestellt, dass die nationalen Behörden gemäß Art. 2 der Entscheidung gehalten seien, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die fragliche Beihilfe zurückzufordern. Denn der verfügende Teil dieser Entscheidung sei nicht von ihrer Begründung zu trennen und müsse unter Berücksichtigung der Erwägungen ausgelegt werden, die zu ihrem Erlass geführt hätten.
24 Auch der Betrag, der der Untergrenze der in Randnr. 59 der streitigen Entscheidung erwähnten Spanne entspreche, habe keine Bedeutung, da diese Spanne nur Hinweischarakter habe, so dass es unmöglich sei, die darin enthaltenen Beträge der Rückforderung der Beihilfe zugrunde zu legen.
25 Die Französische Republik erinnert daran, dass sich FT auf einen Vorschlag der Kommission hin ihr gegenüber zur Hinterlegung eines hohen Betrags, nämlich von 500 Mio. oder gar 600 Mio. Euro, bereit erklärt habe. Diese Hinterlegung hätte FT den vermeintlichen Wettbewerbsvorteil aufgrund der fraglichen Beihilfe genommen. Die Kommission habe diese Lösung jedoch abgelehnt.
26 Ergänzend trägt die Französische Republik vor, dass die nationalen Behörden die Schwächen der von der Kommission verwendeten Berechnungsmethode benannt hätten. Ferner habe es zwischen September 2004 und August 2006 einen regen Schriftwechsel und zahlreiche Arbeitstreffen zwischen diesen Behörden und der Kommission gegeben. Infolgedessen liege kein Verstoß gegen die Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit aus Art. 10 EG vor.
Würdigung durch den Gerichtshof
Zum Verstoß gegen die Art. 2 und 3 der streitigen Entscheidung
27 Zunächst ist daran zu erinnern, dass ein Mitgliedstaat zur Verteidigung gegen eine von der Kommission gemäß Art. 88 Abs. 2 EG erhobene Vertragsverletzungsklage nur geltend machen, dass es völlig unmöglich gewesen sei, die fragliche Entscheidung durchzuführen (vgl. u. a. Urteile vom 4. April 1995, Kommission/Italien, C‑348/93, Slg. 1995, I‑673, Randnr. 16, vom 22. März 2001, Kommission/Frankreich, C‑261/99, Slg. 2001, I‑2537, Randnr. 23, und vom 2. Juli 2002, Kommission/Spanien, C‑499/99, Slg. 2002, I‑6031, Randnr. 21).
28 Außerdem muss ein Mitgliedstaat, der bei der Durchführung einer Entscheidung der Kommission über staatliche Beihilfen auf unvorhergesehene und unvorhersehbare Schwierigkeiten, seien sie politischer, rechtlicher oder praktischer Natur, stößt oder sich über Folgen, die von der Kommission nicht beabsichtigt sind, klar wird, diese Probleme nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Kommission zur Beurteilung vorlegen und dabei geeignete Änderungen der fraglichen Entscheidung vorschlagen. In einem solchen Fall müssen die Kommission und der betroffene Mitgliedstaat loyal zusammenarbeiten, um die Schwierigkeiten unter voller Beachtung der Bestimmungen des EG‑Vertrags, insbesondere derjenigen über die Beihilfen, zu überwinden (vgl. Urteile Kommission/Frankreich, Randnr. 24, vom 3. Juli 2001, Kommission/Belgien, C‑378/98, Slg. 2001, I‑5107, Randnr. 31, und Kommission/Spanien, Randnrn. 24 und 25).
29 Ferner hat der Gerichtshof entschieden, dass keine Bestimmung des Gemeinschaftsrechts von der Kommission verlangt, bei der Anordnung der Rückzahlung einer mit dem Gemeinsamen Markt für unvereinbar erklärten Beihilfe den genauen Betrag der zu erstattenden Beihilfe festzusetzen. Es genügt, dass die Entscheidung der Kommission Angaben enthält, die es ihrem Adressaten ermöglichen, diesen Betrag ohne übermäßige Schwierigkeiten selbst zu bestimmen (vgl. u. a. Urteile vom 12. Oktober 2000, Spanien/Kommission, C‑480/98, Slg. 2000, I‑8717, Randnr. 25, und vom 12. Mai 2005, Kommission/Griechenland, C‑415/03, Slg. 2005, I‑3875, Randnr. 39).
30 In dem so umrissenen rechtlichen Rahmen ist das Vorbringen der Französischen Republik zu würdigen.
31 Was das Argument angeht, dass sich die Kommission das Recht vorbehalten habe, die Höhe der vom Empfänger zurückzufordernden Beihilfe zu bestimmen, ist daran zu erinnern, dass es in Randnr. 59 der streitigen Entscheidung heißt, dieser Betrag müsse zwischen 798 Mio. und 1 140 Mio. Euro liegen.
32 Aus Randnr. 54 der streitigen Entscheidung geht hervor, dass die Kommission den höheren dieser Beträge im Anschluss an eine Mitteilung der französischen Behörden vom 15. Mai 2003 über die Unterbesteuerung von FT aufgrund der von 1994 bis 2002 geltenden Gewerbesteuerregelung bestimmt hat. Nach Randnr. 58 der streitigen Entscheidung ist der niedrigere Betrag aus einer Mitteilung der genannten Behörden vom 16. Juli 2004 abgeleitet worden. Diese beiden Beträge wurden im Übrigen, wie sich aus den Tabellen in den erwähnten Randnummern ergibt, für den Zeitraum von 1994 bis 2002 in Jahresbeträge aufgeteilt.
33 Folglich ist der Betrag von 798 Mio. Euro als Mindestbetrag der nach Art. 2 der streitigen Entscheidung zurückzufordernden Beihilfe anzusehen. Der verfügende Teil einer Entscheidung auf dem Gebiet staatlicher Beihilfen kann nämlich nicht von ihrer Begründung getrennt werden, so dass sie, wenn dies erforderlich ist, unter Berücksichtigung der Gründe auszulegen ist, die zu ihrem Erlass geführt haben (vgl. u. a. Urteil vom 15. Mai 1997, TWD/Kommission, C‑355/95 P, Slg. 1997, I‑2549, Randnr. 21).
34 Zwar hat die Kommission in Randnr. 59 der streitigen Entscheidung unstreitig ausgeführt, dass sie den genauen Betrag der zurückzufordernden Beihilfe selbst festsetzen werde. In derselben Randnummer hieß es aber auch, dass dieser Betrag in Zusammenarbeit mit den französischen Behörden im Rahmen des Rückforderungsverfahrens bis spätestens 1. November 2004 bestimmt werde. Die Durchführung des Rückforderungsverfahrens hing somit nicht von der Festsetzung des genannten Betrags ab. Der Umstand, dass der genaue Betrag der zurückzufordernden Beihilfe nicht endgültig bestimmt war, hinderte die französischen Behörden daher weder an der Durchführung des Verfahrens zur Rückforderung des Mindestbetrags der Beihilfe noch daran, tatkräftig an der Ermittlung ihres endgültigen Betrags mitzuwirken.
35 Deshalb kann der Französischen Republik auch nicht darin gefolgt werden, dass die in Randnr. 59 der streitigen Entscheidung aufgeführten Beträge nur Hinweischarakter hätten und nicht rechtlich bindend seien.
36 Soweit sie ausführt, dass die Kommission keine verlässliche Methode zur Berechnung der zurückzuzahlenden Beihilfe angegeben habe, ist festzustellen, dass der Vergleich zwischen der Besteuerung, der FT tatsächlich unterworfen war, und derjenigen, die nach der allgemeinen Gewerbesteuerregelung auf sie anwendbar gewesen wäre, ab Eröffnung des in Art. 88 Abs. 2 EG vorgesehenen Prüfverfahrens Gegenstand eingehender Analysen war.
37 So legte die Kommission im Rahmen dieses Verfahrens ausführlich die Parameter dar, die es den französischen Behörden ermöglichen sollten, einen endgültigen Vorschlag zur Höhe der zurückzuzahlenden Beihilfe zu unterbreiten.
38 Die insoweit erforderlichen Angaben machte die Kommission in den Randnrn. 25 bis 38, 60 bis 67 und 72 bis 80 des Beschlusses vom 31. Januar 2003 über die Eröffnung eines förmlichen Prüfverfahrens und insbesondere in den Randnrn. 34 bis 44 der streitigen Entscheidung.
39 Die nationalen Behörden verfügten demnach über die Elemente, die sie in die Lage versetzten, der Kommission einen genauen Betrag vorzuschlagen, der aufzeigt, in welchem Ausmaß FT von 1994 bis 2002 eine Unterbesteuerung zugutegekommen war. Tatsächlich waren sie am ehesten in der Lage, nicht nur die geeigneten Modalitäten der Rückforderung der zu Unrecht gezahlten staatlichen Beihilfen, sondern auch die genauen Rückzahlungsbeträge zu bestimmen (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Belgien, Randnrn. 50 und 51).
40 Die Entscheidung der Kommission enthält nämlich die geeigneten Angaben, die es der Französischen Republik ermöglichen, den endgültigen Betrag der zurückzufordernden Beihilfe ohne übermäßige Schwierigkeiten selbst zu bestimmen, wobei dieser Betrag innerhalb der von der Kommission festgelegten Spanne zu liegen hatte.
41 Soweit die Französische Republik ausführt, die Kommission habe keine hinreichend verlässliche Methode zur Berechnung der zurückzuzahlenden Beihilfe angegeben, kann ihr daher nicht gefolgt werden.
42 Was schließlich das Vorbringen der Französischen Republik angeht, dass es unmöglich sei, die Höhe der zurückzufordernden Beihilfe sicher zu bestimmen, ist daran zu erinnern, dass der Gerichtshof in Fällen, die die Rückforderung von Beihilfen von einer großen Zahl von Unternehmen in Verbindung mit zahlreichen individuellen Berechnungsfaktoren betrafen, entschieden hat, dass solche Schwierigkeiten bei der Durchführung der betreffenden Entscheidungen keine absolute Unmöglichkeit im Sinne der oben angeführten Rechtsprechung bewirken (vgl. u. a. Urteile vom 29. Januar 1998, Kommission/Italien, C‑280/95, Slg. 1998, I‑259, Randnrn. 18 und 23, und Kommission/Belgien, Randnrn. 41 und 42). Den Akten lässt sich kein Beleg dafür entnehmen, dass die Probleme, die die Berechnung der zurückzufordernden Beihilfe im vorliegenden Fall bereitet, schwieriger wären als die Probleme in den Fällen, die zu den oben erwähnten Urteilen führten.
43 Zudem ist auch die Befürchtung, es könne im Rahmen der Durchführung einer Entscheidung auf dem Gebiet staatlicher Beihilfen zu internen Schwierigkeiten kommen, keine Rechtfertigung dafür, dass ein Mitgliedstaat seinen gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen nicht nachkommt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 7. Dezember 1995, Kommission/Frankreich, C‑52/95, Slg. 1995, I‑4443, Randnr. 38, vom 9. Dezember 1997, Kommission/Frankreich, C‑265/95, Slg. 1997, I‑6959, Randnr. 55, und vom 29. Januar 1998, Kommission/Italien, Randnr. 16).
44 Daraus folgt, dass die Französische Republik gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 2 und 3 der streitigen Entscheidung sowie aus Art. 249 Abs. 4 EG verstoßen hat
Zum Verstoß gegen Art. 10 EG
45 Zunächst ist daran zu erinnern, dass Art. 10 EG die Mitgliedstaaten verpflichtet, der Gemeinschaft die Erfüllung ihrer Aufgabe zu erleichtern und alle Maßnahmen zu unterlassen, welche die Verwirklichung der Ziele des Vertrags gefährden könnten (vgl. Urteil vom 14. Juli 2005, Kommission/Deutschland, C‑433/03, Slg. 2005, I‑6985, Randnr. 63).
46 Zu der Rüge, die die Kommission in der vorliegenden Rechtssache insoweit erhoben hat, ist zu bemerken, dass die Kommission während des Austauschs mit den französischen Behörden, zu dem es nach Erlass der streitigen Entscheidung kam, in einer Vielzahl von Mitteilungen um eine Reihe von Angaben ersuchte, um in Übereinstimmung mit diesen Behörden zur Festlegung der endgültigen Höhe der zurückzuzahlenden Beihilfe zu gelangen.
47 Zudem setzte die Kommission im Rahmen der Besprechungen über die Durchführung der streitigen Entscheidung, die sie mit den französischen Behörden führte, den Betrag der zurückzuzahlenden Beihilfe in einer Mitteilung vom 23. Dezember 2005 auf 928 Mio. Euro ohne Zinsen fest.
48 Die französischen Behörden hielten es jedoch weder für angezeigt, hierzu eindeutig Stellung zu beziehen, noch der Kommission einen konkreten, bezifferten Gegenvorschlag zu unterbreiten.
49 Außerdem glaubte die Französische Republik zwar im gesamten Verlauf ihres Austauschs mit der Kommission nach Erlass der streitigen Entscheidung, die Begründetheit dieser Entscheidung und insbesondere die Einstufung der zwischen 1994 und 2002 auf FT anwendbaren Steuerregelung als staatliche Beihilfe in Frage stellen zu müssen, doch entband sie dies in keiner Weise von der Pflicht, die genannte Entscheidung durchzuführen.
50 Die Französische Republik warf außerdem zahlreiche Fragen nach den Berechnungsparametern auf, die für die Bestimmung des Betrags der zurückzufordernden Beihilfe nötig seien. Sie erklärte ferner mehrfach, dass es technisch unmöglich sei, eine verlässliche und genaue Methode zu bestimmen und in der Folge exakt und unwiderleglich die Gewerbesteuerbeträge zu rekonstruieren, die FT hätte entrichten müssen, wenn sie der normalen Gewerbesteuerregelung unterworfen gewesen wäre. Die Französische Republik zog daraus den in mehreren Mitteilungen aus den Jahren 2005 und 2006 wiederholten Schluss, dass es keine hinreichend tragfähige Rechtsgrundlage für die Einleitung eines Rückforderungsverfahrens gegeben habe, bei dem nicht die erhebliche Gefahr bestanden hätte, dass es zu Rechtsstreitigkeiten kommen würde.
51 Aufgrund dessen und in Anbetracht der vorausgehenden Ausführungen ist festzustellen, dass die Französische Republik gegenüber der Kommission einen Mangel an Zusammenarbeit bei der erforderlichen Mitwirkung an der Durchführung der streitigen Entscheidung an den Tag gelegt hat.
52 Folglich ist das Verhalten der französischen Behörden als Verstoß gegen Art. 10 EG zu werten.
53 Die Klage der Kommission ist daher in vollem Umfang begründet.
54 Somit ist festzustellen, dass die Französische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 2 und 3 der streitigen Entscheidung sowie aus den Art. 249 Abs. 4 EG und 10 EG verstoßen hat, dass sie diese Entscheidung nicht fristgerecht durchgeführt hat.
Kosten
55 Nach Art. 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission die Verurteilung der Französischen Republik beantragt hat und diese mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind der Französischen Republik die Kosten aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Französische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 2 und 3 der Entscheidung 2005/709/EG der Kommission vom 2. August 2004 über die staatliche Beihilfe, die Frankreich France Télécom gewährt hat, sowie aus den Art. 249 Abs. 4 EG und 10 EG verstoßen, dass sie die genannte Entscheidung nicht fristgerecht durchgeführt hat.
2. Die Französische Republik trägt die Kosten.
Unterschriften
* Verfahrenssprache: Französisch.