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Document 62006CC0308

    Schlussanträge der Generalanwältin Kokott vom 20. November 2007.
    The Queen, auf Antrag von International Association of Independent Tanker Owners (Intertanko) und andere gegen Secretary of State for Transport.
    Ersuchen um Vorabentscheidung: High Court of Justice (England & Wales), Queen’s Bench Division (Administrative Court) - Vereinigtes Königreich.
    Seeverkehr - Meeresverschmutzung durch Schiffe - Richtlinie 2005/35/EG - Gültigkeit - Seerechtsübereinkommen - Marpol-Übereinkommen 73/78 - Rechtswirkungen - Möglichkeit der Geltendmachung - Grobe Fahrlässigkeit - Grundsatz der Rechtssicherheit.
    Rechtssache C-308/06.

    Sammlung der Rechtsprechung 2008 I-04057

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:2007:689

    Schlußanträge des Generalanwalts

    Schlußanträge des Generalanwalts

    I – Einleitung

    1. Im vorliegenden Fall ist zu prüfen, ob Bestimmungen der Richtlinie 2005/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Meeresverschmutzung durch Schiffe und die Einführung von Sanktionen für Verstöße(2) mit höherrangigem Recht vereinbar sind.

    2. Die International Association of Independent Tanker Owners (Intertanko), die International Association of Dry Cargo Shipowners (Intercargo), das Greek Shipping co-operation committee, Lloyd's Register und die International Salvage Union (im Folgenden: Kläger) haben gemeinsam vor dem High Court of Justice gegen den britischen Verkehrsminister wegen der beabsichtigten Umsetzung der Richtlinie geklagt. Die genannten Gesellschaften sind bedeutende Vereinigungen der internationalen Schiffstransportindustrie. So repräsentiert Intertanko fast 80 % des weltweiten Tankerbestandes.

    3. Umstritten ist, ob die Art. 4 und Art. 5 der Richtlinie 2005/35 mit dem Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen, unterzeichnet in Montego Bay am 10. Dezember 1982(3) (im Folgenden: Seerechtsübereinkommen), dem die Gemeinschaft 1998 beigetreten ist,(4) und dem Internationalen Übereinkommen zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe von 1973 und dessen Protokoll von 1978(5) (im Folgenden: Marpol 73/78) vereinbar sind. Diese Bestimmungen regeln die strafrechtliche Verantwortung für Einleitungsvergehen. Zweifel ergeben sich vor allem daraus, dass die Richtlinie augenscheinlich einen strengeren Haftungsmaßstab enthält als Marpol 73/78. Nach der Richtlinie reicht insbesondere grobe Fahrlässigkeit aus, während Marpol 73/78 zumindest Leichtfertigkeit vorsieht sowie Kenntnis der Tatsache, dass wahrscheinlich ein Schaden entstehen würde.

    4. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob der Haftungsmaßstab der groben Fahrlässigkeit mit dem Prinzip der Rechtssicherheit vereinbar ist.

    II – Rechtlicher Rahmen

    A – Gemeinschaftsrecht

    5. Die Richtlinie 2005/35 wurde auf Art. 80 Abs. 2 EG gestützt, die Rechtsgrundlage für Maßnahmen mit Bezug auf den Seeverkehr.

    6. Die Gründe für den Erlass der Richtlinie ergeben sich insbesondere aus ihrem zweiten und dritten Erwägungsgrund:

    „(2) Die wesentlichen Normen für die von Schiffen ausgehenden Einleitungen von Schadstoffen stützen sich in allen Mitgliedstaaten auf das Marpol-Übereinkommen 73/78. Diese Regeln werden jedoch tagtäglich von zahlreichen in den Gemeinschaftsgewässern verkehrenden Schiffen übertreten, ohne dass dagegen Maßnahmen getroffen werden.

    (3) Da das Marpol-Übereinkommen 73/78 von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedlich umgesetzt wurde, ist eine Harmonisierung auf Gemeinschaftsebene erforderlich. Erhebliche Unterschiede gibt es insbesondere bei der Praxis der Mitgliedstaaten zur Verhängung von Sanktionen für die von Schiffen ausgehenden Einleitungen von Schadstoffen.“

    7. Art. 3 regelt den Geltungsbereich der Richtlinie:

    „(1) Diese Richtlinie gilt im Einklang mit dem Völkerrecht für das Einleiten von Schadstoffen in

    a) innere Gewässer, einschließlich Häfen, eines Mitgliedstaats, soweit die Marpol-Bestimmungen anwendbar sind,

    b) das Küstenmeer eines Mitgliedstaats,

    c) Meerengen, die nach den Bestimmungen von Teil III Abschnitt 2 des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen von 1982 über die Transitdurchfahrt der internationalen Schifffahrt dienen, soweit ein Mitgliedstaat Hoheitsbefugnisse über diese Meerengen ausübt,

    d) die im Einklang mit dem Völkerrecht festgelegte ausschließliche Wirtschaftszone oder entsprechende Zone eines Mitgliedstaats und

    e) die hohe See.

    (2) Diese Richtlinie gilt für das Einleiten von Schadstoffen von allen Schiffen, ungeachtet ihrer Flagge, mit Ausnahme von Kriegsschiffen, Flottenhilfsschiffen oder sonstigen Schiffen, die Eigentum eines Staates sind oder von einem Staat betrieben werden und zum betreffenden Zeitpunkt ausschließlich für nichtgewerbliche staatliche Dienste eingesetzt werden.“

    8. Vorliegend wird die Gültigkeit von Art. 4 und Art. 5 in Zweifel gezogen, die den folgenden Wortlaut haben:

    „Artikel 4

    Verstöße

    Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass von Schiffen ausgehende Einleitungen von Schadstoffen in einem der in Artikel 3 Absatz 1 genannten Gebiete als Verstöße betrachtet werden, wenn sie auf Vorsätzlichkeit, Leichtfertigkeit oder grobe Fahrlässigkeit zurückzuführen sind. Diese Verstöße werden in dem Rahmenbeschluss 2005/667/JI zur Ergänzung dieser Richtlinie unter den in dem Rahmenschluss vorgesehenen Umständen als Straftat betrachtet.

    Artikel 5

    Ausnahmen

    (1) Einleitungen von Schadstoffen in einem der in Artikel 3 Absatz 1 genannten Gebiete werden nicht als Verstöße betrachtet, sofern sie die in Anlage I Regel 9, Regel 10, Regel 11 Buchstabe a oder Regel 11 Buchstabe c bzw. die in Anlage II Regel 5, Regel 6 Buchstabe a oder Regel 6 Buchstabe c des Marpol-Übereinkommens 73/78 genannten Bedingungen erfüllen.

    (2) Einleitungen von Schadstoffen in den in Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe c, d und e genannten Gebieten werden für den Eigentümer, den Kapitän oder die unter der Verantwortung des Kapitäns handelnde Mannschaft nicht als Verstöße betrachtet, sofern sie die in Anlage I Regel 11 Buchstabe b bzw. die in Anlage II Regel 6 Buchstabe b des Marpol-Übereinkommens 73/78 genannten Bedingungen erfüllen.“

    B – Völkerrecht

    1. Das Seerechtsübereinkommen

    9. Das Seerechtsübereinkommen enthält Regelungen über die Verfolgung der Umweltverschmutzung auf See.

    10. Art. 211 Abs. 1 Satz 1 sieht die Entwicklung internationaler Umweltschutzstandards vor:

    „Die Staaten stellen im Rahmen der zuständigen internationalen Organisation oder einer allgemeinen diplomatischen Konferenz internationale Regeln und Normen zur Verhütung, Verringerung und Überwachung der Verschmutzung der Meeresumwelt durch Schiffe auf und fördern, wo es angebracht ist, in derselben Weise die Annahme von Systemen der Schiffswegeführung, um die Gefahr von Unfällen, die eine Verschmutzung der Meeresumwelt, einschließlich der Küste, und eine Schädigung damit zusammenhängender Interessen der Küstenstaaten durch Verschmutzung verursachen könnten, auf ein Mindestmaß zu beschränken.“

    11. Aus Art. 211 Abs. 5 ergeben sich Regelungskompetenzen der Küstenstaaten für die ausschließliche Wirtschaftszone:

    „Die Küstenstaaten können zum Zweck der Durchsetzung nach Abschnitt 6 für ihre ausschließlichen Wirtschaftszonen Gesetze und sonstige Vorschriften zur Verhütung, Verringerung und Überwachung der Verschmutzung durch Schiffe erlassen, die den allgemein anerkannten internationalen, im Rahmen der zuständigen internationalen Organisation oder einer allgemeinen diplomatischen Konferenz aufgestellten Regeln und Normen entsprechen und diesen Wirksamkeit verleihen.“

    12. Für Meerengen gelten nach Art. 42 Abs. 1 Buchst. b ähnliche Bestimmungen wie für die ausschließliche Wirtschaftszone:

    „(1) Vorbehaltlich dieses Abschnitts können die Meerengenanliegerstaaten Gesetze und sonstige Vorschriften zur Transitdurchfahrt durch Meerengen für folgende Bereiche erlassen:

    …;

    b) Verhütung, Verringerung und Überwachung der Verschmutzung, indem sie den anwendbaren internationalen Vorschriften über das Einleiten von Öl, ölhaltigen Abfällen und anderen schädlichen Stoffen in der Meerenge Wirksamkeit verleihen;

    …“

    13. Regelungskompetenzen einzelner Staaten für die Hohe See sind im Prinzip durch Art. 89 ausgeschlossen:

    „Kein Staat darf den Anspruch erheben, irgendeinen Teil der Hohen See seiner Souveränität zu unterstellen.“

    14. Art. 218 Abs. 1 sieht jedoch die Verfolgung von Einleitungsvergehen durch Hafenstaaten vor:

    „Befindet sich ein Schiff freiwillig in einem Hafen oder an einem vor der Küste liegenden Umschlagplatz eines Staates, so kann dieser Staat Untersuchungen durchführen und, wenn die Beweislage dies rechtfertigt, ein Verfahren wegen jedes Einleitens aus diesem Schiff außerhalb der inneren Gewässer, des Küstenmeers oder der ausschließlichen Wirtschaftszone dieses Staates eröffnen, wenn das Einleiten gegen die anwendbaren internationalen Regeln und Normen verstößt, die im Rahmen der zuständigen internationalen Organisation oder einer allgemeinen diplomatischen Konferenz aufgestellt worden sind.“

    15. Im Küstenmeer gelten andere Bestimmungen. Art. 2 regelt die Souveränität des Küstenstaats in diesem Bereich.

    „(1) Die Souveränität eines Küstenstaats erstreckt sich jenseits seines Landgebiets und seiner inneren Gewässer sowie im Fall eines Archipelstaats jenseits seiner Archipelgewässer auf einen angrenzenden Meeresstreifen, der als Küstenmeer bezeichnet wird.

    (2) Diese Souveränität erstreckt sich sowohl auf den Luftraum über dem Küstenmeer als auch auf den Meeresboden und Meeresuntergrund des Küstenmeers.

    (3) Die Souveränität über das Küstenmeer wird nach Maßgabe dieses Übereinkommens und der sonstigen Regeln des Völkerrechts ausgeübt.“

    16. Art. 211 Abs. 4 enthält eine allgemeine Regelung über Umweltschutzbestimmungen für das Küstenmeer:

    „Die Küstenstaaten können in Ausübung ihrer Souveränität innerhalb ihres Küstenmeers Gesetze und sonstige Vorschriften zur Verhütung, Verringerung und Überwachung der Meeresverschmutzung durch fremde Schiffe, einschließlich der Schiffe, die das Recht der friedlichen Durchfahrt ausüben, erlassen. Diese Gesetze und sonstigen Vorschriften dürfen in Übereinstimmung mit Teil II Abschnitt 3 die friedliche Durchfahrt fremder Schiffe nicht behindern.“

    17. Art. 21 regelt, welche Gesetze und sonstige Vorschriften des Küstenstaats über die friedliche Durchfahrt zulässig sind:

    „(1) Der Küstenstaat kann in Übereinstimmung mit diesem Übereinkommen und den sonstigen Regeln des Völkerrechts Gesetze und sonstige Vorschriften über die friedliche Durchfahrt durch das Küstenmeer in Bezug auf alle oder einzelne der folgenden Bereiche erlassen:

    f) Schutz der Umwelt des Küstenstaats und Verhütung, Verringerung und Überwachung ihrer Verschmutzung;

    (2) Diese Gesetze und sonstigen Vorschriften dürfen sich nicht auf den Entwurf, den Bau, die Bemannung oder die Ausrüstung von fremden Schiffen erstrecken, sofern sie nicht allgemein anerkannten internationalen Regeln oder Normen Wirksamkeit verleihen.

    (3) …

    (4) Fremde Schiffe, die das Recht der friedlichen Durchfahrt durch das Küstenmeer ausüben, müssen diese Gesetze und sonstigen Vorschriften sowie alle allgemein anerkannten internationalen Vorschriften über die Verhütung von Zusammenstößen auf See einhalten.“

    2. Marpol 73/78

    18. Marpol 73/78 wurde im Rahmen der Internationalen Schifffahrts-Organisation (International Maritime Organisation, nachfolgend: IMO) vereinbart. Ihm sind – soweit hier erheblich – zwar alle Mitgliedstaaten beigetreten,(6) ein Beitritt der Gemeinschaft ist jedoch nicht vorgesehen (Art. 13).

    19. Art. 4 von Marpol 73/78 sieht Folgendes vor:

    „ (1) Jeder Verstoß gegen die Vorschriften dieses Übereinkommens ist verboten und wird im Recht der für das betreffende Schiff zuständigen Verwaltung unter Strafe gestellt, gleichviel wo der Verstoß begangen wird. Wird die Verwaltung von einem derartigen Verstoß unterrichtet und ist sie überzeugt, dass ausreichende Beweise vorliegen, um ein Verfahren wegen des angeblichen Verstoßes einzuleiten, so veranlasst sie, dass ein solches Verfahren so bald wie möglich nach ihrem Recht eingeleitet wird.

    (2) Jeder Verstoß gegen die Vorschriften dieses Übereinkommens im Hoheitsbereich einer Vertragspartei ist verboten und wird im Recht der betreffenden Vertragspartei unter Strafe gestellt. Sobald ein derartiger Verstoß begangen wird, wird die betreffende Vertragspartei:

    (a) entweder veranlassen, dass ein Verfahren nach ihrem Recht eingeleitet wird, oder

    (b) der für das Schiff zuständigen Verwaltung alle in ihrem Besitz befindlichen Informationen und Beweise dafür vorlegen, dass ein Verstoß begangen worden ist.

    (3) Werden der für ein Schiff zuständigen Verwaltung Informationen oder Beweise hinsichtlich eines Verstoßes gegen dieses Übereinkommen durch das Schiff vorgelegt, so unterrichtet sie die Vertragspartei, welche die Informationen oder Beweise vorgelegt hat, und die Organisation umgehend über die von ihr getroffenen Maßnahmen.

    (4) …”

    20. Art. 9 enthält Regeln über das Verhältnis zu anderen internationalen Abkommen und über die Auslegung des Begriffs „Hoheitsbereich“.

    „Artikel 9

    (1) ...

    (2) Dieses Übereinkommen greift der Kodifizierung und Entwicklung des Seerechts durch die mit Entschließung 2750 C(XXV) der Generalversammlung der Vereinten Nationen einberufene Seerechtskonferenz der Vereinten Nationen sowie den gegenwärtigen oder künftigen Ansprüchen und Rechtsauffassungen eines Staates über das Seerecht und die Art und Ausdehnung des Hoheitsbereichs von Küsten- und Flaggenstaaten nicht vor.

    (3) Der Ausdruck ‚Hoheitsbereich’ in diesem Übereinkommen ist entsprechend dem bei der Anwendung oder Auslegung dieses Übereinkommens geltenden Völkerrechts auszulegen.”

    21. Die Vorschriften über Ölverschmutzung durch den Schiffsbetrieb sind in Anlage I zum Marpol-Übereinkommen 73/78 niedergelegt.(7) Die Regeln 9 und 10 enthalten Beschränkungen, die das Einleiten in Sondergebiete, innerhalb einer Mindestentfernung vom Land oder von mehr als einer bestimmten Menge (als Einleitrate je Seemeile, als Gesamtmenge oder als Ölgehalt des Ausflusses ausgedrückt) verbieten. Das Einleiten von Öl oder ölhaltigen Gemischen aus Schiffen ins Meer ist daher verboten, es sei denn, dass eine Reihe von Bedingungen erfüllt ist.

    22. Anlage I Regel 11 bestimmt jedoch Ausnahmen von den Einleitungsverboten:

    „Die Regeln 9 und 10 gelten nicht

    a) für das Einleiten von Öl oder ölhaltigen Gemischen ins Meer, das aus Gründen der Schiffssicherheit oder zur Rettung von Menschenleben auf See erforderlich ist;

    b) für das Einleiten von Öl oder ölhaltigen Gemischen ins Meer infolge einer Beschädigung des Schiffes oder seiner Ausrüstung,

    i) sofern nach Eintritt des Schadens oder Feststellung des Einleitens alle angemessenen Vorsichtsmaßnahmen getroffen worden sind, um das Einleiten zu verhüten oder auf ein Mindestmaß zu verringern, und

    ii) sofern nicht der Eigentümer oder der Kapitän entweder in Schädigungsabsicht oder leichtfertig ( (8) ) und in Kenntnis der Tatsache gehandelt hat, dass wahrscheinlich ein Schaden entstehen würde, oder

    c) für das von der Verwaltung zugelassene Einleiten ölhaltiger Stoffe ins Meer, wenn es der Bekämpfung eines bestimmten Verschmutzungsereignisses dient, um den Verschmutzungsschaden auf ein Mindestmaß zu verringern. Jedes derartige Einleiten bedarf der Genehmigung jeder Regierung, in deren Hoheitsbereich das Einleiten vorgesehen ist.“ ( Fn. 8 ergänzt durch die Verfasserin .)

    23. Die Anlage II(9) zum Marpol-Übereinkommen 73/78 enthält Bestimmungen, die denen der Anlage I entsprechen. Diese Bestimmungen gelten jedoch nicht für Öl oder ölhaltige Gemische, sondern für als Massengut beförderte schädliche flüssige Stoffe. Regel 5 der Anlage II verbietet das Einleiten bestimmter Stoffe ins Meer. Regel 6 Buchst. b der Anlage II bestimmt:

    „Regel 5 gilt nicht

    b) für das Einleiten ins Meer von schädlichen flüssigen Stoffen oder von solche Stoffe enthaltenden Gemischen infolge der Beschädigung eines Schiffes oder seiner Ausrüstung,

    i) sofern nach Eintritt des Schadens oder Feststellung des Einleitens alle angemessenen Vorsichtsmaßnahmen getroffen worden sind, um das Einleiten zu verhüten oder auf ein Mindestmaß zu verringern, und

    ii) sofern nicht der Eigentümer oder der Kapitän entweder in Schädigungsabsicht oder leichtfertig ( (10) ) und in Kenntnis der Tatsache gehandelt hat, dass wahrscheinlich ein Schaden entstehen würde“. ( Fn. 10 ergänzt durch die Verfasserin .)

    III – Vorabentscheidungsersuchen

    24. Der High Court of Justice legt dem Gerichtshof auf Veranlassung der Kläger die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vor:

    1. Ist Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2005/35/EG insoweit ungültig, als er die Ausnahmen in Anlage I Regel 11 Buchst. b und in Anlage II Regel 6 Buchst. b zum Marpol-Übereinkommen 73/78 in Bezug auf Meerengen, die der internationalen Schifffahrt dienen, die ausschließliche Wirtschaftszone und die Hohe See auf die Eigentümer, die Kapitäne und die Mannschaft beschränkt?

    2. In Bezug auf das Küstenmeer eines Mitgliedstaats:

    a) Ist Art. 4 der Richtlinie insoweit ungültig, als er die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, grobe Fahrlässigkeit als Maßstab für die Prüfung einer Haftung für das Einleiten von Schadstoffen zu behandeln?

    b) Ist Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie insoweit ungültig, als er die Anwendung der Ausnahmen in Anlage I Regel 11 Buchst. b und in Anlage II Regel 6 Buchst. b zum Marpol-Übereinkommen 73/78 ausschließt?

    3. Verstößt Art. 4 der Richtlinie, der die Mitgliedstaaten zum Erlass nationaler Rechtsvorschriften verpflichtet, die grobe Fahrlässigkeit als Haftungsmaßstab einschließen und Einleitungen in das Küstenmeer ahnden, gegen das Recht auf friedliche Durchfahrt, das im Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen anerkannt ist, und, wenn ja, ist Art. 4 insoweit ungültig?

    4. Verstößt die Verwendung des Begriffs „grobe Fahrlässigkeit“ in Art. 4 der Richtlinie gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit, und, wenn ja, ist Art. 4 insoweit ungültig?

    25. Am schriftlichen Verfahren haben sich die Kläger des Ausgangsverfahrens, das Königreich Dänemark, die Republik Estland, die Hellenische Republik, das Königreich Spanien, die Republik Frankreich, die Republik Italien, die Republik Zypern, die Republik Malta, das Königreich Schweden, das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland sowie das Europäische Parlament, der Rat der Europäischen Union und die Kommission der Europäischen Gemeinschaften beteiligt. An der mündlichen Verhandlung vom 25. September 2007 haben bis auf das Königreich Dänemark und die Republik Estland alle vorgenannten Beteiligten teilgenommen.

    IV – Rechtliche Würdigung

    26. Ich prüfe nachfolgend zunächst (unter A) einige Zweifel an der Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens und der Zuständigkeit des Gerichtshofs. Anschließend geht es bei der Beantwortung der ersten Frage um den Haftungsmaßstab für Einleitungsvergehen außerhalb des Küstenmeeres, d. h. auf hoher See, in Meerengen, die dem internationalen Verkehr dienen, und in der ausschließlichen Wirtschaftszone. Es wird sich zeigen, dass Marpol 73/78 in diesen Bereichen der See aufgrund seines Zusammenspiels mit dem Seerechtsübereinkommen den anzuwendenden Haftungsstandard abschließend definiert (dazu im Folgenden unter B). Dagegen kommt Marpol 73/78 im Küstenmeer, das in der zweiten und dritten Frage zu untersuchen ist, höchstens die Funktion eines – nur für die Mitgliedstaaten, aber nicht für die Gemeinschaft verbindlichen – Mindeststandards zu, insbesondere weil das Seerechtsübereinkommen die Regelungsbefugnisse in diesem Bereich, der Teil des Staatsgebiets der Küstenstaaten ist, nicht so weit beschränkt wie in anderen Bereichen des Meeres (dazu im Folgenden unter C). Abschließend (unter D) ist zu prüfen, ob der Haftungsmaßstab der groben Fahrlässigkeit mit dem Prinzip der Rechtssicherheit vereinbar ist.

    A – Zur Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens

    27. Die französische Regierung bezweifelt die Zulässigkeit der Vorlage. Im Unterschied zur Rechtssache British American Tobacco(11) habe das vorlegende Gericht nicht dargelegt, dass es im Ausgangsverfahren um die Rechtmäßigkeit der beabsichtigten Umsetzung der streitgegenständlichen Richtlinie gehe. Auch bestünde zumindest im Hinblick auf die erste Frage kein Streit zwischen den Parteien des Ausgangsverfahrens.

    28. Diese Einwände beruhen darauf, dass der Gerichtshof ausnahmsweise zur Prüfung seiner eigenen Zuständigkeit die Umstände zu untersuchen hat, unter denen er von dem innerstaatlichen Gericht angerufen wird.(12) Nach ständiger Rechtsprechung ist die Zurückweisung des Ersuchens eines nationalen Gerichts nur möglich, wenn offensichtlich ist, dass die erbetene Auslegung des Gemeinschaftsrechts in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind.(13) Mit Ausnahme dieser Fälle ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, über Vorlagefragen nach der Auslegung von Vorschriften des Gemeinschaftsrechts zu befinden.(14) In diesem Zusammenhang schließt der Begriff der Auslegung auch die Prüfung der Gültigkeit ein.(15)

    29. Die französische Regierung trägt keinen Anhaltspunkt dafür vor, dass die Vorlagefragen oder der Ausgangsstreit hypothetischer Natur wären. Vielmehr ist offensichtlich, dass der Ausgangsstreit realer Natur ist und dass die Vorlagefragen für die Entscheidung dieses Streits von zentraler Bedeutung sind. Auch weitere Angaben über die Natur des Ausgangsstreits benötigt der Gerichtshof nicht, um das Vorabentscheidungsersuchen zu beantworten. Vielmehr ist dem Gerichtshof seit dem Urteil British American Tobacco(16) bekannt, dass im Vereinigten Königreich eine Klage zur Verhinderung der Umsetzung einer Richtlinie möglich ist, die dazu führen kann, dass dem Gerichtshof Fragen zur Gültigkeit dieser Richtlinie vorgelegt werden. Trotz der Zweifel der französischen Regierung an der Zulässigkeit ist das Vorabentscheidungsersuchen daher nicht zurückzuweisen.

    30. Weiterhin stellen Dänemark und der Rat in Frage, ob der Gerichtshof für die Auslegung des Seerechtsübereinkommens zuständig ist. Dem Übereinkommen sind die Gemeinschaft und alle ihre Mitgliedstaaten aufgrund einer geteilten Zuständigkeit beigetreten.(17) Der Gerichtshof ist daher grundsätzlich nicht dafür zuständig, Bestimmungen auszulegen, die in die ausschließliche Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen. Nur ausnahmsweise mag er befugt sein, derartige Regelungen auszulegen, um festzustellen, ob sie in die ausschließliche Kompetenz der Mitgliedstaaten fallen.(18)

    31. Der Gerichtshof hat allerdings festgestellt, dass im spezifischen Kontext des Seerechtsübereinkommens das Vorhandensein von Vorschriften des Gemeinschaftsrechts – auf deren Reichweite und Art es im Übrigen nicht ankommt – in den Angelegenheiten, die das Seerechtsübereinkommen regelt, Voraussetzung für die Feststellung geteilter Zuständigkeiten ist.(19) Mit anderen Worten: Im Bereich des Seerechtsübereinkommens besteht zumindest auch eine Zuständigkeit der Gemeinschaft für dort geregelte Fragen, sobald überhaupt einschlägiges Gemeinschaftsrecht existiert, unabhängig davon ob die gemeinschaftsrechtlichen Regelungen abschließend sind oder ob Regelungsspielräume der Mitgliedstaaten verbleiben.

    32. Daher geht das Vorbringen Dänemarks und des Rats, der Gerichtshof sei nicht zuständig, im vorliegenden Fall ins Leere. Es ist davon auszugehen, dass die für eine Prüfung der Richtlinie 2005/35 maßgeblichen Bestimmungen des Seerechtsübereinkommens zumindest in eine mit den Mitgliedstaaten geteilte Kompetenz der Gemeinschaft fallen. Andernfalls wäre die Richtlinie bereits mangels hinreichender Rechtsgrundlage aufzuheben. Die Rechtsgrundlage der Richtlinie bestreitet jedoch keiner der Beteiligten.

    33. Der Gerichtshof ist daher für die Auslegung der maßgeblichen Bestimmungen des Seerechtsübereinkommens zuständig.

    B – Zur ersten Frage – Haftung von in Marpol 73/78 nicht genannten Personen

    34. Die erste Frage betrifft die Haftung von Personen, die in Marpol 73/78 nicht genannt sind, für Einleitungen außerhalb des Küstenmeeres. Die Kläger, Griechenland, Malta und Zypern halten die diesbezüglichen Regelungen für unvereinbar mit Marpol 73/78.

    35. Somit ist zunächst zu klären, ob Marpol 73/78 Maßstab für die Rechtmäßigkeit der Richtlinie 2005/35 ist, und gegebenenfalls im Anschluss, ob Marpol 73/78 die Haftung für unfallbedingte Einleitungen so beschränkt, wie die Kläger vortragen.

    1. Marpol 73/78 als Maßstab für die Rechtmäßigkeit der Richtlinie 2005/35

    36. Die Beteiligten vertreten unterschiedliche Hypothesen, die dazu führen können, Marpol 73/78 als Maßstab für die Rechtmäßigkeit der Richtlinie 2005/35 zu verwenden. Erstens könnte die Gemeinschaft völkerrechtlich an Marpol 73/78 gebunden sein (dazu unter a). Zweitens könnte Marpol 73/78 die Gemeinschaft insoweit mittelbar binden, als das Seerechtsübereinkommen die Regelungskompetenzen der Gemeinschaft unter Verweis auf die Standards von Marpol 73/78 beschränkt (dazu unter b). Drittens könnte eine Bindung an Marpol 73/78 daraus resultieren, dass die Richtlinie 2005/35 die Umsetzung des Abkommens auf Gemeinschaftsebene harmonisieren soll (dazu unter c).

    a) Zur völkerrechtlichen Bindung der Gemeinschaft an Marpol 73/78

    37. Wie der Rat und die Kommission hervorheben, stellte der Gerichtshof im Urteil Peralta fest, die Gemeinschaft sei nicht an die Bestimmungen von Marpol 73/78 gebunden.(20)

    38. Wie schon zum Zeitpunkt dieses Urteils, ist die Gemeinschaft auch heute nicht Vertragspartei von Marpol 73/78. Die Rechtmäßigkeit einer Handlung der Gemeinschaft hängt grundsätzlich nicht von ihrer Vereinbarkeit mit einem internationalen Übereinkommen ab, an dem die Gemeinschaft nicht beteiligt ist.(21)

    39. Entgegen der Auffassung Zyperns und des Vereinigten Königreichs ergibt sich auch nicht aus dem Urteil Poulsen und Diva Navigation,(22) dass die Gemeinschaft ohne Weiteres an beliebiges Völkerrecht gebunden wäre. Zwar stellt der Gerichtshof fest, die Befugnisse der Gemeinschaft seien unter Beachtung des Völkerrechts auszuüben, doch zeigen die nachfolgenden Ausführungen, dass diese Aussage auf das Völkergewohnheitsrecht bezogen ist.(23) Vorliegend besteht jedoch kein Anhaltspunkt dafür, dass die maßgeblichen Bestimmungen von Marpol 73/78 Völkergewohnheitsrecht kodifizieren würden.

    40. Nicht von vornherein auszuschließen ist dagegen eine zweite im Urteil Peralta angesprochene Hypothese zur Bindung der Gemeinschaft an Marpol 73/78, nämlich die Übernahme der früher von den Mitgliedstaaten im Anwendungsbereich dieses Übereinkommens ausgeübten Befugnisse.(24) Diese von den Klägern vertretene Hypothese bezieht sich auf die Rechtsprechung zur Bindung an das GATT, bevor die Gemeinschaft diesem beigetreten war.(25) Der Gerichtshof stützte sich dabei auf eine Reihe von Gesichtspunkten.

    41. Es handelt sich beim GATT um ein bei der Gründung der Gemeinschaft bereits bestehendes Abkommen der Mitgliedstaaten, doch waren zum Zeitpunkt des Urteils International Fruit Company die entsprechenden handelspolitischen Befugnisse vollständig auf die Gemeinschaft übergegangen. Daher war nur noch die Gemeinschaft imstande, im Bereich des GATT zu handeln. Dementsprechend und mit Zustimmung sowohl der Mitgliedstaaten als auch der anderen Vertragsstaaten des GATT trat die Gemeinschaft bereits für die Mitgliedstaaten im Rahmen des GATT auf.

    42. Anders als bei der Handelspolitik existiert vorliegend keine bereits nach dem Vertrag ausschließliche Kompetenz der Gemeinschaft, die Einleitung von Schadstoffen von Schiffen ins Meer zu regeln. Diese Kompetenz – sei es Art. 80 Abs. 2 EG, die Verkehrspolitik, oder Art. 175 EG, die Umweltpolitik –(26) ist vielmehr konkurrierender Natur, d. h., sie verbleibt bei den Mitgliedstaaten solange und soweit die Gemeinschaft sie nicht ausübt.(27) Zwar hat die Gemeinschaft spätestens mit dem Erlass der Richtlinie 2005/35 diese Kompetenz ausgeübt, doch dass damit die betreffenden Kompetenzen der Mitgliedstaaten vollständig auf sie übergegangen seien, ist nicht anzunehmen, weil die Richtlinie nach ihrem Art. 1 Abs. 2 nur einen Mindeststandard festlegt, über den die Mitgliedstaaten unter Beachtung des Völkerrechts hinausgehen dürfen.

    43. Unabhängig davon, ob die Gemeinschaftskompetenz mittlerweile ausschließlich ist, muss man auch daran zweifeln, ob eine solche durch Kompetenzausübung erfolgende Übernahme von Befugnissen ausreicht, um eine Bindung an völkerrechtliche Verpflichtungen der Mitgliedstaaten anzunehmen. Immerhin war die Übernahme der handelpolitischen Befugnisse, um die es beim GATT ging, ausdrücklich im Vertrag niedergelegt. So spricht das Urteil Peralta von einer Übernahme „aufgrund des Vertrages“.(28) Auch hat der Gerichtshof in einem ähnlich gelagerten Fall eine Bindung an das am 5. Oktober 1973 in München unterzeichnete Übereinkommen über die Erteilung europäischer Patente abgelehnt,(29) obwohl dessen Umsetzung teilweise durch die zu überprüfende Richtlinie 98/44(30) harmonisiert worden war.(31)

    44. Darüber hinaus wurde nicht vorgetragen, dass die Gemeinschaft als Nachfolgerin der Mitgliedstaaten im Zusammenhang mit Marpol 73/78 auftreten würde oder dass ein solches Auftreten die Zustimmung der anderen Vertragsparteien fände, wie es beim GATT der Fall war. Die Gemeinschaft hat lediglich den Status eines Beobachters in der IMO, in deren Zuständigkeit Marpol 73/78 fällt.

    45. Daher kann eine Bindung der Gemeinschaft an Marpol 73/78 nicht durch die Übernahme von Befugnissen der Mitgliedstaaten begründet werden.

    b) Zur Verweisung des Seerechtsübereinkommens auf Marpol 73/78

    46. Wie die meisten Beteiligten noch im schriftlichen Verfahren vortrugen, könnte Marpol 73/78 durch das Seerechtsübereinkommen als Prüfungsmaßstab ins Gemeinschaftsrecht inkorporiert worden sein.

    47. Nach Art. 300 Abs. 7 EG sind die nach Maßgabe dieses Artikels geschlossenen Abkommen für die Organe der Gemeinschaft und für die Mitgliedstaaten verbindlich. Das Seerechtsübereinkommen ist von der Gemeinschaft unterzeichnet und dann mit dem Beschluss 98/392 genehmigt worden. Daraus folgt nach ständiger Rechtsprechung, dass die Bestimmungen dieses Übereinkommens fortan integraler Bestandteil der Gemeinschaftsrechtsordnung sind.(32)

    48. Internationale Abkommen, die die Gemeinschaft abgeschlossen hat, haben Vorrang vor den Bestimmungen des abgeleiteten Gemeinschaftsrechts.(33) Der Gerichtshof misst daher die Rechtmäßigkeit von Handlungen der Gemeinschaftsorgane an Vorschriften derartiger Abkommen. Er stellt diese Prüfung allerdings unter den Vorbehalt, dass weder Art noch Struktur dieses Übereinkommens einer solchen Anwendung entgegenstehen dürfen. Jedenfalls soweit Einzelne sich darauf berufen wollen, müssen die fraglichen Bestimmungen inhaltlich unbedingt und hinreichend genau sein.(34)

    49. Nach Auffassung der französischen Regierung und des Rats, der sich in der mündlichen Verhandlung die Regierungen Italiens, Spaniens und Schwedens sowie das Parlament angeschlossen haben, stehen beide Bedingungen der Berufung Einzelner auf das Seerechtsübereinkommen entgegen.

    50. Dieses Vorbringen überrascht angesichts der bisherigen Rechtsprechung des Gerichtshofs. Besonders bemerkenswert ist das Urteil Poulsen und Diva Navigation, wo es darum ging, ob dem dänischen Kapitän eines in Panama registrierten Schiffs in einem Strafverfahren ein in einer Fischereiverordnung der Gemeinschaft niedergelegtes Fangverbot entgegengehalten werden konnte. In diesem Fall zog der Gerichtshof das Seerechtsübereinkommen bereits vor seinem Inkrafttreten als Ausprägung des Völkergewohnheitsrechts heran, um die ausschließliche Zuordnung des Schiffs zum Flaggenstaat festzustellen(35) und eine Anwendung des Fangverbots auf dieses Schiff in der ausschließlichen Wirtschaftszone und im Küstenmeer auszuschließen.(36) Der Gerichtshof erkannte daher im Prinzip bereits an, dass Einzelne sich auf im Seerechtsübereinkommen niedergelegte Regelungen berufen können. Die Kläger betonten in der mündlichen Verhandlung zu Recht, dass es völlig unverständlich wäre, wenn ihnen diese Möglichkeit nach dem Inkrafttreten des Seerechtsübereinkommens genommen würde.

    51. Auch die Rechtsprechung seit dem Inkrafttreten des Seerechtsübereinkommens enthält dafür keine Hinweise. So hat der Gerichtshof die völkerrechtliche Verantwortung von Flaggenstaaten aus Art. 94 des Seerechtsübereinkommens abgeleitet(37) und den räumlichen Anwendungsbereich der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie(38) jüngst anhand der Regelungen über die Hoheitsrechte der Staaten in den verschiedenen Meereszonen abgegrenzt.(39) Diese Regelungen sind auch vorliegend wieder von Interesse.

    52. Der Gerichtshof hat in diesen Fällen allerdings weder Art und Struktur des Seerechtsübereinkommens untersucht noch festgestellt, ob die hier fraglichen Bestimmungen inhaltlich unbedingt und hinreichend genau sind. Daher müssen die Einwände gegen eine Anwendung von Bestimmungen des Seerechtsübereinkommens im vorliegenden Fall geprüft werden.

    53. Ein wichtiger Beweggrund des Rates scheint darin zu liegen, dass Drittstaaten nach seiner Kenntnis das Seerechtsübereinkommen im innerstaatlichen Recht nicht anwenden. Insbesondere werde die gerichtliche Klärung von Fragen der Auslegung des Seerechtsübereinkommens generell vermieden. Selbst wenn dieses Vorbringen zutreffen würde, stünde dies jedoch einer Anwendung im Gemeinschaftsrecht nicht ohne Weiteres entgegen.(40) Vielmehr muss das Seerechtsübereinkommen untersucht werden.

    54. Im Hinblick auf Art und Struktur des Seerechtsübereinkommens betont insbesondere der Rat seine Ausrichtung auf globale Fragen, die auf zwischenstaatlicher Ebene und nach dem Prinzip der Gegenseitigkeit geregelt werden sollten. Außerdem gehe es um territoriale Fragen und die Funktionen, die Staaten als solchen zukommen. Schließlich sehe das Seerechtsübereinkommen verschiedene Streitbeilegungsverfahren vor, die den Vertragsstaaten eine gewisse Flexibilität einräumen würden.

    55. Kurz gesagt, zielt das Vorbringen darauf ab, die Rechtsprechung zur besonderen Natur des GATT und der WTO-Übereinkommen auf das Seerechtsübereinkommen zu übertragen. Insbesondere die Argumentation mit der Gegenseitigkeit steht jedoch im Widerspruch zu der in der mündlichen Verhandlung wiederholt vorgebrachten Natur des Seerechtsübereinkommens als „Verfassung der Meere“. Das Übereinkommen hat nach seinem vierten Erwägungsgrund zum Ziel, eine objektive „Rechtsordnung für die Meere und Ozeane zu schaffen, die den internationalen Verkehr erleichtern sowie die Nutzung der Meere und Ozeane zu friedlichen Zwecken, die ausgewogene und wirkungsvolle Nutzung ihrer Ressourcen, (…) fördern wird“.

    56. Die Bezugnahme auf die friedliche Nutzung spricht gerade auch Einzelne an, die am Seeverkehr teilnehmen. Dies unterstreichen die Regelungen über die nichtmilitärische Schifffahrt. Sie wird traditionell meist von Privaten betrieben, die ein vitales Interesse daran haben, dass die Staaten die im Seerechtsübereinkommen niedergelegten Regeln über den Seeverkehr respektieren. Dies gilt z. B. für die nachfolgend noch anzusprechenden Regelungen zur friedlichen Durchfahrt, aber auch allgemeiner für die Regelungen über die Kompetenzen bezüglich der von Schiffen ausgehenden Verschmutzung.

    57. Die Streitbeilegungsmöglichkeiten nach dem Seerechtsübereinkommen hindern den Gerichtshof nicht daran, Bestimmungen des Übereinkommens heranzuziehen, um die Rechtmäßigkeit abgeleiteten Gemeinschaftsrechts zu prüfen. Diese Regelungen begründen nämlich keine ausschließliche Zuständigkeit anderer Institutionen, das Seerechtsübereinkommen auszulegen. Im Gegenteil, die vom Rat betonte Freiheit der Vertragsstaaten nach Art. 280 des Seerechtsübereinkommens, das Verfahren der Streitbeilegung frei untereinander zu vereinbaren, schließt ausschließliche Zuständigkeiten aus.(41)

    58. Anders als teilweise vorgetragen ist die „Flexibilität“, besser gesagt, die Möglichkeit der Wahl des Streitbeilegungsverfahrens schon gar kein Indiz für die Flexibilität der übrigen Bestimmungen des Seerechtsübereinkommens. Weder die Streitbeilegungsregelungen noch irgendeine andere Bestimmung des Seerechtsübereinkommens eröffnen den Vertragsstaaten in allgemeiner Form Flexibilität bzw. Möglichkeiten der Abweichung von den Regelungen des Übereinkommens.

    59. Das Seerechtsübereinkommen ist daher Maßstab für die Rechtmäßigkeit von Handlungen der Gemeinschaftsorgane. Inwieweit sich Einzelne darauf berufen können, kann sich daher nur aus der jeweils einschlägigen Bestimmung selbst ergeben. Sie muss inhaltlich unbedingt und hinreichend genau sein.

    60. Im vorliegenden Verfahren geht es nicht um die Kompetenzen der Mitgliedstaaten, Regelungen für die Schiffe zu erlassen, die unter ihrer Flagge fahren. Vielmehr betrifft die erste Frage die Regelungen, die Art. 4 und Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2005/35 über alle von Schiffen ausgehende Verschmutzungen in Meerengen, in der ausschließlichen Wirtschaftszone und auf hoher See treffen, unabhängig davon, ob sie unter einer Gemeinschaftsflagge fahren oder nicht. Der Gerichtshof hat bereits anerkannt, dass die Regelungskompetenzen in diesen Zonen, d. h. außerhalb des Hoheitsgebiets der Mitgliedstaaten, nach dem Seerechtsübereinkommen zu bestimmen sind.(42) Für die erste Frage einschlägige Regelungen treffen Art. 87, Art. 89 und Art. 218 Abs. 1, Art. 55, Art. 58 und Art. 211 Abs. 5 sowie Art. 42 Abs. 1 Buchst. b des Seerechtsübereinkommens.

    61. Auf hoher See gewährleistet Art. 87 Abs. 1 Buchst. a die Freiheit der Schifffahrt. Art. 89 verbietet den Staaten grundsätzlich, irgendeinen Teil der hohen See ihrer Souveränität zu unterstellen. Wenn sich jedoch ein Schiff freiwillig in einem Hafen oder an einem vor der Küste liegenden Umschlagplatz eines Staates befindet, so kann dieser Staat nach Art. 218 Abs. 1 Untersuchungen durchführen. Wenn die Beweislage dies rechtfertigt, kann der Hafenstaat ein Verfahren wegen jedes Einleitens aus diesem Schiff außerhalb der inneren Gewässer, des Küstenmeers oder der ausschließlichen Wirtschaftszone dieses Staates eröffnen. Bedingung ist, dass das Einleiten gegen die anwendbaren internationalen Regeln und Normen verstößt, die im Rahmen der zuständigen internationalen Organisation oder einer allgemeinen diplomatischen Konferenz aufgestellt worden sind.(43) Ein solches Verfahren setzt voraus, dass der betreffende Staat derartige Einleitungen auf hoher See mit Sanktionen belegen darf.

    62. Gemäß Art. 58 Abs. 1 des Seerechtsübereinkommens gilt auch in der ausschließlichen Wirtschaftszone die Freiheit der Schifffahrt. Die staatliche Hoheitsgewalt des Küstenstaats über diese Zone ist funktionell und nach Art. 55 des Seerechtsübereinkommens auf die Kompetenzen beschränkt, die ihm das Seerechtsübereinkommen einräumt.(44) Nach Art. 211 Abs. 5 können die Küstenstaaten zum Zweck der Durchsetzung nach Abschnitt 6 des Seerechtsübereinkommens für ihre ausschließlichen Wirtschaftszonen Gesetze und sonstige Vorschriften zur Verhütung, Verringerung und Überwachung der Verschmutzung durch Schiffe erlassen. Sie müssen den allgemein anerkannten internationalen, im Rahmen der zuständigen internationalen Organisation oder einer allgemeinen diplomatischen Konferenz aufgestellten Regeln und Normen entsprechen und diesen Wirksamkeit verleihen.

    63. Meerengen, die der internationalen Schifffahrt dienen, unterliegen aufgrund dieser Funktion besonderen Bestimmungen des Teils III des Seerechtsübereinkommens. Nach Art. 42 Abs. 1 Buchst. b können die Anliegerstaaten Gesetze und sonstige Vorschriften zur Transitdurchfahrt durch Meerengen u. a. für die Verhütung, Verringerung und Überwachung der Verschmutzung erlassen, indem sie den anwendbaren internationalen Vorschriften über das Einleiten von Öl, ölhaltigen Abfällen und anderen schädlichen Stoffen in der Meerenge Wirksamkeit verleihen.

    64. Somit ergibt sich aus diesen Bestimmungen klar, dass die Gemeinschaft in Ausübung der von Mitgliedstaaten übernommenen Kompetenzen die Sanktionierung von Einleitungen in den hier betroffenen Meereszonen vorsehen darf, wenn sie gegen die allgemein anerkannten internationalen Regeln verstoßen.

    65. Diese Bestimmungen sind insofern nicht unbedingt, als sie den Erlass entsprechender internationaler Standards voraussetzen. Jedoch hebt die Kommission zur Recht hervor, dass diese Bedingung durch Marpol 73/78 erfüllt wird. Wie sich insbesondere aus dem zweiten Erwägungsgrund sowie Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2005/35 ergibt, handelt es sich bei den allgemein anerkannten internationalen Regeln um die Vorgaben von Marpol 73/78. Dass diese Vorgaben nicht hinreichend klar und unbedingt wären, behauptet keiner der Beteiligten.

    66. Ob die fraglichen Bestimmungen unmittelbar anwendbar sind und – damit zusammenhängend – ob sie Rechte Einzelner begründen, ist für die Beantwortung des Vorabentscheidungsersuchens nicht ausschlaggebend. Auch die Rechtsgrundlagen der Verträge sind grundsätzlich nicht in dem Sinne unmittelbar anwendbar, dass Einzelne aus ihnen Rechte oder Rechtsfolgen zu ihren Gunsten ableiten können. Gleichwohl können Einzelne die Rechtmäßigkeit von Regelungen des abgeleiteten Rechts dadurch in Frage stellen, dass sie ihre Rechtsgrundlage bestreiten.(45) Genauso liegt es hier: Zu prüfen ist, ob die Gemeinschaft nach dem Seerechtsübereinkommen berechtigt ist, die umstrittenen Bestimmungen der Richtlinie 2005/35 zu erlassen.

    67. Aber auch wenn der Gerichtshof Rechte Einzelner als zwingende Voraussetzung einer Anwendung der oben genannten Bestimmungen als Rechtmäßigkeitsmaßstab ansehen sollte, ergäbe sich nichts anderes. Schon im Urteil Poulsen und Diva Navigation(46) hat er nämlich die Freiheit der Seeschifffahrt nach Art. 87 Abs. 1 Buchst. a und Art. 58 Abs. 1 des Seerechtsübereinkommens herangezogen. In diese Rechte darf die Gemeinschaft außerhalb des Küstenmeeres nur eingreifen, soweit ihr das Seerechtsübereinkommen Regelungskompetenzen einräumt.

    68. Da außerhalb des Küstenmeeres nach dem Seerechtsübereinkommen nur Regelungen über Einleitungen zulässig sind, die Marpol 73/78 verwirklichen, darf die Gemeinschaft somit keine darüber hinaus gehenden Regelungen für die betreffenden Meereszonen erlassen.(47)

    69. Nicht überzeugend ist demgegenüber die Auffassung Italiens, dass trotz dieser Bestimmungen außerhalb des Küstenmeeres strengere Schutzbestimmungen erlassen und angewendet werden könnten. Zwar trifft es zu, dass die Staaten die Meeresumwelt schützen müssen, wie insbesondere in Art. 192 des Seerechtsübereinkommens zum Ausdruck kommt. Diese Aufgabe wird jedoch außerhalb des Küstenmeeres durch die oben genannten Bestimmungen konkretisiert, die den nach Art. 211 Abs. 1 entwickelten gemeinsamen internationalen Standards Wirksamkeit verschaffen. Dieser Verweis auf die gemeinsamen Standards ist dadurch gerechtfertigt, dass einseitige Maßnahmen die internationale Schifffahrt über Gebühr belasten könnten. Dies gilt insbesondere auf hoher See, wo die parallele Geltung einer Vielzahl unterschiedlicher Schutzstandards vorstellbar wäre.

    70. Marpol 73/78 wird somit über die Verweisung der genannten Bestimmungen des von der Gemeinschaft abgeschlossenen Seerechtsübereinkommens außerhalb des Küstenmeers zum Prüfungsmaßstab für die Richtlinie 2005/35. Insofern ist zu beachten, dass dort nach dem Seerechtsübereinkommen nur Regelungen zulässig sind, die Marpol 73/78 entsprechen, d. h. den dort niedergelegten Schutzstandard verwirklichen. Dagegen sind in diesen Meereszonen Regelungen unzulässig, die über Marpol 73/78 hinausgehen.

    c) Zur Umsetzung von Marpol 73/78

    71. Insbesondere die Kläger stützen die Prüfung der Richtlinie 2005/35 anhand von Marpol 73/78 schließlich auch darauf, dass die Richtlinie die Umsetzung des Abkommens in den Mitgliedstaaten harmonisieren solle. Diese Hypothese prüfe ich an dieser Stelle hilfsweise für den Fall, dass der Gerichtshof das Seerechtsübereinkommen nicht als Maßstab für die Rechtmäßigkeit der Richtlinie anwendet.

    72. Wie die Kläger sowie die Regierungen Dänemarks, Griechenlands, Maltas, Schwedens und Zyperns betonen, gibt es eine Reihe von Anhaltspunkten dafür, dass die Richtlinie 2005/35 nicht von Marpol 73/78 abweichen soll. Nach Art. 1 Abs. 1 ist ihr Ziel, die internationalen Standards für die Meeresverschmutzung durch Schiffe in das Gemeinschaftsrecht zu übernehmen. Diese Standards ergeben sich nach dem zweiten Erwägungsgrund aus Marpol 73/78, das die Richtlinie in Art. 2 Nr. 1(48) in Form einer dynamischen Verweisung in Bezug nimmt. Die Umsetzung dieses Übereinkommens durch die Mitgliedstaaten soll nach dem dritten Erwägungsgrund durch die Richtlinie harmonisiert werden. Insbesondere sollen nach dem 15.(49) Erwägungsgrund Sanktionen für Verstöße gegen diese internationalen Normen festgelegt werden. Ausdrückliche Hinweise für eine gewollte Abweichung von Marpol 73/78 sind im Text der Richtlinie 2005/35 dagegen nicht ersichtlich.

    73. Die Annahme einer Bindung der Gemeinschaft durch Umsetzung völkerrechtlicher Verpflichtungen beruht gleichfalls auf einer im Zusammenhang mit dem GATT entwickelten Rechtsprechung. Zwar gehören das GATT und die WTO-Übereinkünfte wegen ihrer Natur und ihrer Systematik grundsätzlich nicht zu den Normen, an denen der Gerichtshof die Rechtmäßigkeit der Handlungen der Gemeinschaftsorgane misst.(50) Doch wenn die Gemeinschaft eine bestimmte in deren Rahmen übernommene Verpflichtung erfüllen wollte oder wenn die Gemeinschaftshandlung ausdrücklich auf spezielle Bestimmungen dieser Übereinkünfte verweist, ist es Sache des Gerichtshofs, die Rechtmäßigkeit der fraglichen Gemeinschaftshandlung daran zu messen.(51)

    74. Diese Rechtsprechung basiert jedoch darauf, dass das GATT und die WTO-Übereinkünfte Teil des Gemeinschaftsrechts und daher für die Gemeinschaft an sich grundsätzlich verbindlich sind.(52) Bei der Umsetzung von Marpol 73/78 durch die Richtlinie 2005/35 fehlt es dagegen an einer Verpflichtung, die die Gemeinschaft übernommen hat.

    75. Allerdings hat der Gerichtshof zumindest angedeutet, dass die Richtlinie 98/44 an dem Übereinkommen über die Erteilung europäischer Patente zu messen sei,(53) obwohl nicht die Gemeinschaft, sondern nur ihre Mitgliedstaaten daran beteiligt waren.(54) Als Grund für den Eintritt in die Prüfung gab er an, dass vorgebracht wurde, die Richtlinie begründe Verpflichtungen der Mitgliedstaaten, deren Erfüllung gegen ihre völkerrechtlichen Pflichten verstoßen würde, obwohl es in der Richtlinie ausdrücklich heißt, dass sie diese Verpflichtungen nicht berührt.(55)

    76. Eine Rechtsgrundlage für eine Prüfung von Sekundärrecht anhand von völkerrechtlichen Verpflichtungen der Mitgliedstaaten, welche die Gemeinschaft nicht übernommen hat, ist jedoch nicht ersichtlich. Sie stünde vielmehr im Widerspruch zu der im gleichen Urteil getroffenen Feststellung, dass die Gemeinschaft nicht an die völkerrechtlichen Verpflichtungen der Mitgliedstaaten gebunden ist.(56)

    77. Die Gemeinschaft kann die Mitgliedstaaten dementsprechend grundsätzlich zu Maßnahmen verpflichten, die im Widerspruch zu deren völkerrechtlichen Verpflichtungen stehen. Dies zeigt sich bereits an Art. 307 EG, der den Widerspruch zwischen völkerrechtlichen Altverträgen und dem Gemeinschaftsrecht regelt. Selbst wenn die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten aus Altverträgen von Konflikten mit dem Gemeinschaftsrecht zunächst unberührt bleiben, so müssen die Mitgliedstaaten doch alle geeigneten Maßnahmen treffen, um diese Konflikte zu beenden. Dies kann sogar die Kündigung von völkerrechtlichen Verträgen erfordern.(57) Nach einem Beitritt geschlossene Verträge können die Mitgliedstaaten grundsätzlich dem Gemeinschaftsrecht nicht entgegenhalten.(58)

    78. Ein Konflikt zwischen Gemeinschaftsrecht und den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Mitgliedstaaten führt jedoch immer zu Problemen und ist geeignet, die praktische Wirksamkeit der betroffenen Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts und/oder des Völkerrechts zu beeinträchtigen. Daher ist es sinnvoll und von der Gemeinschaftstreue geboten, sich um die Vermeidung von Konflikten zu bemühen, insbesondere bei Auslegung der jeweiligen Bestimmungen. Dies gilt in besonderem Maß, wenn die betreffende Gemeinschaftsmaßnahme – wie hier – die harmonisierte Umsetzung von völkerrechtlichen Verpflichtungen der Mitgliedstaaten bezweckt.

    79. Weiter gehende Bindungen der Gemeinschaft können aus den von ihr nicht übernommenen Abkommen der Mitgliedstaaten jedoch nicht folgen. Daher führt auch der Umsetzungszweck der Richtlinie 2005/35 nicht dazu, Marpol 73/78 als Maßstab für ihre Rechtmäßigkeit heranzuziehen.

    2. Zur Vereinbarkeit von Art. 4 in Verbindung mit Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2005/35 mit dem Seerechtsübereinkommen in Verbindung mit Marpol 73/78

    80. Die erste Frage betrifft die Vereinbarkeit von Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2005/35 mit Marpol 73/78.

    81. Die Richtlinie 2005/35 legt zunächst in Art. 4 allgemeine, für jedermann geltende Haftungsmaßstäbe fest, darunter insbesondere die Haftung für grob fahrlässiges Verhalten. Sie schränkt diesen Haftungsmaßstab in Art. 5 Abs. 2 allerdings unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die entsprechenden Bestimmungen des Marpol-Übereinkommens 73/78 für den Schiffseigentümer, den Kapitän oder die unter der Verantwortung des Kapitäns handelnde Mannschaft ein. Diese Beschränkung gilt in bestimmten Meeresgebieten, nämlich in Meerengen, der ausschließlichen Wirtschaftszone und auf hoher See. Nur diese Meeresgebiete sind Gegenstand der ersten Frage, nicht dagegen das dem Staatsgebiet der Küstenstaaten zuzuordnende Küstenmeer, das ich nachfolgend im Zusammenhang mit der zweiten und dritten Frage behandele. Richtigerweise erstreckt sich diese Frage aber auch auf die Gültigkeit von Art. 4, da eine Aufhebung von Art. 5 Abs. 2 alleine die Wirksamkeit der betreffenden Marpolregeln nicht sicherstellen, sondern noch weiter reduzieren würde.

    82. Regel 9 der Anlage I zu Marpol 73/78 bzw. Regel 5 der Anlage II verbieten Einleitungen. Diese Verbote gelten allerdings nicht, wenn die Ausnahmen der Regeln 11 bzw. 6 der Anlagen greifen. Jeweils nach Buchst. b Ziffer (ii) dieser Regeln sind die Verbote nicht anwendbar für das Einleiten infolge einer Beschädigung des Schiffes oder seiner Ausrüstung, sofern nicht der Eigentümer oder der Kapitän entweder in Schädigungsabsicht oder leichtfertig und in Kenntnis der Tatsache gehandelt haben, dass wahrscheinlich ein Schaden entstehen würde .

    83. Vergleicht man allein den Wortlaut dieser Bestimmungen mit der Richtlinie 2005/35, so ergeben sich zwei wesentliche Unterschiede. Erstens scheint nach Marpol 73/78 das Verhalten anderer Personen als des Eigentümers oder des Kapitäns bei einer schadensbedingten Einleitung völlig unerheblich. Die Einleitung ist offenbar nur verboten, wenn eine dieser beiden Personen vorsätzlich gehandelt hat oder leichtfertig und in Kenntnis der Tatsache, dass wahrscheinlich ein Schaden entstehen würde. Dagegen kann nach Art. 4 der Richtlinie prinzipiell jeder für eine Einleitung verantwortlich sein. Zweitens stimmt der Maßstab der persönlichen Verantwortlichkeit nach Art. 4 der Richtlinie, Vorsätzlichkeit, Leichtfertigkeit oder grobe Fahrlässigkeit , seinem Wortlaut nach nicht mit dem Maßstab von Marpol 73/78 überein.

    a) Zur Verantwortlichkeit anderer Personen als des Kapitäns und des Eigentümers

    84. Auf Basis einer Auslegung allein anhand des Wortlauts geht die Richtlinie über Marpol 73/78 hinaus, wenn sie für den Fall einer Beschädigung das Verhalten anderer Personen als des Kapitäns oder des Eigentümers ausreichen lässt, um das Einleitungsverbot auszulösen. Teilweise wurde vorgetragen, es sei mit den internationalen Verpflichtungen der Gemeinschaft unvereinbar, eine Verantwortung dieser anderen Personen für Einleitungen vorzusehen.

    85. Man könnte zwar mit dem Parlament die Auffassung vertreten, Marpol 73/78 schweige hinsichtlich anderer Personen. Damit wäre allerdings nur ein Konflikt mit Marpol 73/78 ausgeschlossen. Die Gemeinschaft wäre immer noch an die Bestimmungen des Seerechtsübereinkommens gebunden, die in den hier behandelten Meeresgebieten für alle Personen nur Regelungen zulassen, welche die Schutzstandards von Marpol 73/78 verwirklichen. Die Gemeinschaft wäre daher nicht frei, andere Fälle in diesen Gebieten nach eigenem Ermessen zu regeln, sondern daran gehindert.

    86. Strikt auf den Wortlaut von Marpol 73/78 abzustellen, würde jedoch – wie insbesondere Dänemark, Frankreich, der Rat und die Kommission zu Recht betonen – zu absurden Ergebnissen führen. Selbst Einleitungen aufgrund vorsätzlicher Beschädigungen des Schiffes oder seiner Ausrüstung wären erlaubt, solange nur weder der Kapitän noch der Eigentümer vorsätzlich oder leichtfertig handelten.

    87. Es ist daher geboten, Marpol 73/78 nicht nur isoliert anhand seines Wortlauts auszulegen, sondern auch seine Ziele und seine Funktion im Rahmen des Seerechtsübereinkommens zu berücksichtigen. Das übergreifende Ziel von Marpol 73/78 ist nach dem vierten Absatz seiner Präambel die vollständige Beseitigung vorsätzlicher und die Minimierung unfallbedingter Verschmutzung.

    88. Die Ausnahmen nach Regel 11 Buchst. b Ziffer (ii) der Anlage I und Regel 6 Buchst. b Ziffer (ii) der Anlage II von Marpol 73/78 sollen vor allem den Sorgfaltsmaßstab festlegen, der zur Vermeidung unfallbedingter Verschmutzung zu beachten ist. Wenn jeder Staat einen eigenen Verschuldensmaßstab festlegen würde und diese Standards auf hoher See sogar kumulativ gelten würden, so wäre es für die Schifffahrt schwierig, ihre jeweilige Verantwortung zu beurteilen.

    89. Es ist dagegen kein Ziel von Marpol 73/78 erkennbar, das es erfordern oder auch nur erklären würde, warum ausschließlich Kapitän und Eigentümer die unfallbedingte Verschmutzung vermeiden sollen. Diese beiden Personen tragen zwar die Verantwortung für das Schiff insgesamt. Dennoch kann nicht generell ausgeschlossen werden, dass auch andere Personen ebenfalls Verantwortung tragen und Schäden verursachen, die eine Einleitung zur Folge haben.

    90. Auch sollen die maßgeblichen Bestimmungen des Seerechtsübereinkommens einen wirksamen Schutz der Meeresumwelt ermöglichen. Dieser soll auf Basis gemeinsamer internationaler Standards erreicht werden, um die Anforderungen an die Schifffahrt vorhersehbar zu gestalten. Dafür ist es nicht notwendig, die Verantwortung auf den Kapitän und den Eigentümer zu beschränken.

    91. Ein Ausschluss jeglicher Verantwortlichkeit anderer Personen käme im Übrigen zu einem völlig anderen Ergebnis als Art. III Abs. 4 Satz 2 des Internationalen Übereinkommens vom 29. November 1969 über die zivilrechtliche Haftung für Ölverschmutzungsschäden(59) in der Fassung des Protokolls von 1992.(60) Anders als Marpol 73/78 sieht diese Bestimmung ausdrücklich vor, dass im Prinzip nur der Eigentümer zivilrechtlich haftet, nicht aber eine Reihe anderer Personen wie z. B. die Besatzung, Charterer oder Dienstleister für das Schiff. Diese Personen haften jedoch trotzdem, wenn sie absichtlich oder leichtfertig und in dem Bewusstsein handelten, dass Schäden wahrscheinlich eintreten würden.

    92. Daran zeigt sich zweierlei. Erstens ist der Ausschluss der Verantwortung bestimmter Personen für Ölverschmutzungen nur anzunehmen, wenn er ausdrücklich niedergelegt wurde, und zweitens ist die Verantwortung im Fall absichtlichen oder leichtfertigen Verhaltens in dem Bewusstsein, dass Schäden wahrscheinlich eintreten würden, nicht auf den Eigentümer und den Kapitän beschränkt.

    93. Folglich sind Regel 11 Buchst. b Ziffer (ii) der Anlage I und Regel 6 Buchst. b Ziffer (ii) der Anlage II so zu verstehen, dass der Kapitän und der Eigentümer dort nur beispielhaft genannt werden. Wenn ausnahmsweise auch andere Personen für die schadensbedingten Einleitungen verantwortlich sind, so gelten für sie die gleichen Bedingungen wie für den Kapitän und den Eigentümer.

    94. Somit verletzt die Richtlinie 2005/35 weder Marpol 73/78 noch das Seerechtsübereinkommen, wenn sie andere Personen als den Kapitän und den Eigentümer für schadensbedingte Einleitungen verantwortlich macht.

    b) Zu den Maßstäben persönlicher Verantwortung

    95. Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2005/35 scheint allerdings zu bewirken, dass andere Personen als der Eigentümer, der Kapitän oder die unter der Verantwortung des Kapitäns handelnde Mannschaft nicht daran gemessen werden, ob sie entweder in Schädigungsabsicht oder leichtfertig und in Kenntnis der Tatsache gehandelt haben, dass wahrscheinlich ein Schaden entstehen würde, der zu einer Einleitung führte. Vielmehr bemisst sich ihre Verantwortung nach Art. 4 der Richtlinie daran, ob sie eine Einleitung vorsätzlich, leichtfertig oder grob fahrlässig verursacht haben. Dieser Haftungsmaßstab ist nach Auffassung der Kläger und einiger Mitgliedstaaten strenger als Marpol 73/78.

    96. Wie bereits gezeigt,(61) untersagt das Seerechtsübereinkommen der Gemeinschaft, in den betroffenen Meereszonen strengere Haftungsmaßstäbe festzulegen, als sie in Marpol 73/78 vorgesehen sind. Dies muss insbesondere für andere Personen als den Kapitän und den Eigentümer gelten. Letztere sind in besonderer Weise dafür verantwortlich, Schäden am Schiff zu vermeiden, die zur Einleitung von Schadstoffen führen können. Wenn sie nur für Vorsatz und Leichtfertigkeit in Kenntnis der Schadenswahrscheinlichkeit haften, dann können andere Personen keiner strengeren Haftung unterworfen werden.

    Zum Begriff der Leichtfertigkeit in Art. 4 der Richtlinie 2005/35

    97. Bereits die Haftung für leichtfertiges Verhalten nach Art. 4 der Richtlinie 2005/35 könnte strenger sein als Marpol 73/78, da die Kenntnis der Schadenswahrscheinlichkeit in Art. 4 nicht genannt wird. Hinzu kommt, dass die Sprachfassungen der Richtlinie bei diesem Begriff nicht übereinstimmen. Insbesondere sprechen offenbar zumindest die griechische, die maltesische und die portugiesische Fassung von einfacher Fahrlässigkeit,(62) d. h. einer geringeren Schuldform als grober Fahrlässigkeit. Im Übrigen sind die für Leichtfertigkeit verwendeten Begriffe in den jeweiligen Rechtsordnungen nicht immer präzise definiert. Trotz der Unterschiede zwischen den Sprachfassungen muss aber Art. 4 der Richtlinie 2005/35 in allen Mitgliedstaaten einheitlich anhand des allgemeinen Aufbaus und des Zwecks der Regelung ausgelegt werden.(63)

    98. Da Art. 4 der Richtlinie 2005/35 zumindest in der englischen, französischen und spanischen Fassung, d. h. in den drei Gemeinschaftssprachen, in denen Marpol 73/78 verbindlich ist, die Terminologie aus Marpol 73/78 übernimmt, ist davon auszugehen, dass der Begriff der Leichtfertigkeit den Haftungsmaßstab von Marpol 73/78 für nicht vorsätzliches Verhalten aufnehmen soll.

    99. Diese Lesart entspricht auch der Verpflichtung, Bestimmungen des abgeleiteten Gemeinschaftsrechts nach Möglichkeit in Übereinstimmung mit den völkerrechtlichen Verträgen der Gemeinschaft auszulegen.(64) Soweit die Richtlinie in anderen Sprachfassungen andere Begriffe verwendet, müssen diese ebenfalls so verstanden werden.

    100. Die Verantwortung für nicht vorsätzlich verursachte Einleitung nach Marpol 73/78 ist durch zwei Merkmale gekennzeichnet, nämlich zum einen die Kenntnis der Schadenswahrscheinlichkeit und zum anderen Leichtfertigkeit. Die Voraussetzung der Kenntnis stellt klar, dass sich der Täter – wie generell bei Anwendung des Haftungsmaßstabs der Leichtfertigkeit („recklessly“) im angloamerikanischen Rechtsraum – der Risiken seines Verhaltens bewusst gewesen sein muss. Es reicht nicht aus, dass er diese Risiken hätte kennen müssen.(65)

    101. Somit ist der Begriff der Leichtfertigkeit in Art. 4 der Richtlinie 2005/35 so zu verstehen, dass leichtfertiges Verhalten die Kenntnis voraussetzt, dass ein Schaden wahrscheinlich eintreten würde. Er steht in dieser Auslegung nicht in Widerspruch zu Marpol 73/78 oder dem Seerechtsübereinkommen.

    Zum Begriff der groben Fahrlässigkeit in Art. 4 der Richtlinie 2005/35

    102. Ein Widerspruch zu Marpol 73/78 könnte allerdings bestehen, soweit Art. 4 der Richtlinie 2005/35 eine Haftung für grob fahrlässiges Verhalten vorsieht.

    103. Der Begriff „grobe Fahrlässigkeit“ kann in den Rechtssystemen der verschiedenen Mitgliedstaaten sehr unterschiedliche Bedeutungen haben.(66) Eine gemeinschaftsrechtliche Definition ist mir nicht bekannt. Der Gerichtshof hat allerdings Kriterien zur Anwendung des Begriffs der „offensichtlichen Fahrlässigkeit“ im Sinne des Art. 239 Abs. 1 zweiter Gedankenstrich des Zollkodex(67) entwickelt. Dies sind die Komplexität der Vorschriften, deren Nichterfüllung eine Zollschuld begründet, sowie die Erfahrung und die Sorgfalt des Wirtschaftsteilnehmers.(68)

    104. Die Erfahrung des Wirtschaftsteilnehmers ist ein subjektiver Maßstab, während die Sorgfalt den Maßstab beschreibt, den alle Wirtschaftsteilnehmer beachten müssen.(69) Grobe Fahrlässigkeit beschreibt daher einen besonders schwerwiegenden Verstoß gegen Sorgfaltspflichten. Kenntnis, dass wahrscheinlich ein Schaden eintreten würde, ist hingegen für grobe Fahrlässigkeit nicht zwingend erforderlich. So verstanden würde dieser Haftungsmaßstab strenger sein als Marpol 73/78.

    105. Es ist anzunehmen, dass diese Auslegung im Sinne eines strengen Maßstabs den Zielen des Gesetzgebers beim Erlass der Richtlinie 2005/35 entspricht. Da er zusätzlich zu den beiden in Marpol 73/78 genannten Haftungsmaßstäben die grobe Fahrlässigkeit eingeführt hat, sollte so eine weitere Haftungsgrundlage geschaffen werden.(70)

    106. Für eine Verschärfung spricht auch die Haftungsausnahme des Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2005/35, die auf Marpol 73/78 verweist. Diese Ausnahme ist nur dann praktisch wirksam, wenn für die erfassten Personengruppen grundsätzlich ein anderer und strengerer Haftungsmaßstab gilt, als ihn Marpol 73/78 festlegt.

    107. Allerdings müssen Bestimmungen des abgeleiteten Gemeinschaftsrechts nach Möglichkeit in Übereinstimmung mit den völkerrechtlichen Verträgen der Gemeinschaft ausgelegt werden. Diese Verträge sind nämlich nach Art. 300 Abs. 7 EG für die Organe verbindlich. Sekundärrecht darf sie nicht verletzen; sie genießen Vorrang vor abgeleitetem Recht.(71)

    108. Dementsprechend ist der völkerrechtskonformen Auslegung Vorrang vor anderen Auslegungsmethoden einzuräumen. Diese Verpflichtung wird nur durch Regeln und Prinzipien beschränkt, die den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Gemeinschaft übergeordnet sind. Dies sind etwa die allgemeinen Rechtsgrundsätze und insbesondere der Grundsatz der Rechtssicherheit. Daher ist eine Auslegung contra legem ausgeschlossen.(72)

    109. Der Begriff der groben Fahrlässigkeit kann in diesem Sinne einschränkend(73) so ausgelegt werden, dass er nicht über Marpol 73/78 hinausgeht. Wie eine Untersuchung des wissenschaftlichen Dienstes des Gerichtshofs zeigt, wird leichtfertiges Handeln in Kenntnis der Tatsache, dass wahrscheinlich ein Schaden entstehen würde, wie Marpol 73/78 voraussetzt, in vielen Rechtsordnungen als eine Form der groben Fahrlässigkeit angesehen, welche die Richtlinie 2005/35 als Haftungsmaßstab festlegt. In Deutschland würde man wohl von bewusster grober Fahrlässigkeit sprechen.(74) Die für grobe Fahrlässigkeit erforderliche besonders schwerwiegende Verletzung der Sorgfaltspflicht lässt sich daher im Sinne von Anlage I Regel 11 Buchst. b ii) und Anlage II Regel 6 Buchst. b ii) von Marpol 73/78 auf leichtfertiges Verhalten in Kenntnis der Schadenswahrscheinlichkeit beschränken.

    110. Diese Auslegung würde zwar den Wortlaut der Richtlinie nicht voll ausschöpfen, da die Kenntnis der Schadenswahrscheinlichkeit normalerweise für grobe Fahrlässigkeit nicht erforderlich ist. Sie würde aber die Wortlautgrenze in jedem Fall respektieren. Zugleich wäre die Reichweite der groben Fahrlässigkeit sehr viel präziser bestimmbar, da Umständen außerhalb der Person des Schadensverursachers im Vergleich zu dem subjektiven Umstand der Kenntnis eine deutlich geringere Bedeutung zukäme.

    111. In dieser durch die völkerrechtlichen Verpflichtungen der Gemeinschaft gebotene Auslegung geht Art. 4 in Verbindung mit Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2005/35 nicht über Marpol 73/78 hinaus und steht daher bei einer Anwendung auf Handlungen in Meerengen, in der ausschließlichen Wirtschaftszone und auf hoher See auch nicht in Widerspruch zum Seerechtsübereinkommen.

    112. Folglich hat die Prüfung der ersten Vorlagefrage nichts ergeben, das die Gültigkeit von Bestimmungen der Richtlinie 2005/35 in Frage stellen würde.

    C – Zur zweiten und dritten Frage – Haftung im Küstenmeer

    113. Die zweite und die dritte Frage betreffen den Haftungsmaßstab der groben Fahrlässigkeit im Küstenmeer und sollten daher gemeinsam behandelt werden.

    114. Sie beruhen darauf, dass nach Art. 4 und Art. 5 der Richtlinie 2005/35 im Küstenmeer alle Personen, d. h. auch der Eigentümer, der Kapitän und die Mannschaft, dem Haftungsmaßstab der groben Fahrlässigkeit unterworfen werden. Die Ausnahme des Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2005/35 gilt nämlich nur für die in Art. 3 Abs. 1 Buchst. c, d und e genannten Gebiete, d. h. für Meerengen, die ausschließliche Wirtschaftszone und die hohe See, nicht aber für das Küstenmeer, das in Buchst. b genannt wird.

    115. Die Fragen würden sich erledigen, wenn der Begriff der groben Fahrlässigkeit für Vorgänge im Küstenmeer den gleichen Inhalt hätte wie für Vorgänge in Meerengen, in der ausschließlichen Wirtschaftszone und auf hoher See. Dann würde eine grob fahrlässige Einleitung nach den bisherigen Überlegungen nämlich Leichtfertigkeit in Kenntnis der Wahrscheinlichkeit eines Schadens voraussetzen. Diese Auslegung würde sicherstellen, dass der Begriff der groben Fahrlässigkeit innerhalb der Richtlinie 2005/35 einheitlich ausgelegt wird und zugleich jeden Konflikt mit Marpol 73/78 ausschließen.

    116. Die enge Auslegung des Begriffs der groben Fahrlässigkeit außerhalb des Küstenmeeres resultiert jedoch allein aus dem Bemühen, eine Verletzung völkerrechtlicher Verpflichtungen der Gemeinschaft zu verhindern. Der Wortlaut, der systematische Zusammenhang und Indizien aus dem Rechtsetzungsverfahren legen dagegen nahe, grobe Fahrlässigkeit weiter zu verstehen,(75) nämlich als schwerwiegende Verletzung von Sorgfaltspflichten, allerdings ohne dass Kenntnis einer Schadenswahrscheinlichkeit notwendig wäre.

    117. Folglich kann die Übertragung dieser engen Auslegung des Begriffs der groben Fahrlässigkeit auf das Küstenmeer nur gerechtfertigt werden, wenn sie durch die völkerrechtlichen Verpflichtungen der Gemeinschaft geboten ist.

    118. Art. 2 des Seerechtsübereinkommens hält fest, dass sich die Souveränität der Küstenstaaten auf das Küstenmeer erstreckt (Abs. 1) und nach Maßgabe des Übereinkommens und der sonstigen Regeln des Völkerrechts auszuüben ist (Abs. 3). Gemäß Art. 211 Abs. 4 können die Küstenstaaten in Ausübung ihrer Souveränität innerhalb ihres Küstenmeers Gesetze und sonstige Vorschriften zur Verhütung, Verringerung und Überwachung der Meeresverschmutzung durch fremde Schiffe erlassen. Dies gilt ausdrücklich auch für Schiffe, die das Recht der friedlichen Durchfahrt ausüben. Diese Gesetze und sonstigen Vorschriften dürfen in Übereinstimmung mit Teil II Abschnitt 3 des Seerechtsübereinkommens die friedliche Durchfahrt fremder Schiffe nicht behindern. Anders als außerhalb des Küstenmeers fehlt jeder Verweis auf allgemein anerkannte internationale Standards.

    119. Die Kläger, Malta, Griechenland und Zypern sehen durch die Haftung für grobe Fahrlässigkeit das Recht auf friedliche Durchfahrt verletzt. Sie berufen sich insbesondere auf Art. 19 Abs. 2 Buchst. h des Seerechtsübereinkommens. Danach gilt eine Durchfahrt nicht mehr als friedlich, wenn das Schiff eine vorsätzliche schwere Verschmutzung entgegen dem Übereinkommen verursacht. Daher sei eine Haftung für grobe Fahrlässigkeit ausgeschlossen.

    120. Dieses Argument verkennt jedoch, dass auch Regelungen über den Umweltschutz bei der friedlichen Durchfahrt zulässig sind. Wie etwa Dänemark und Estland hervorheben, stellt nämlich Art. 21 Abs. 1 Buchst. f des Seerechtsübereinkommens ausdrücklich klar, dass der Küstenstaat in Übereinstimmung mit dem Übereinkommen und den sonstigen Regeln des Völkerrechts Gesetze und sonstige Vorschriften über die friedliche Durchfahrt durch das Küstenmeer in Bezug auf den Schutz der Umwelt des Küstenstaats und Verhütung, Verringerung und Überwachung ihrer Verschmutzung erlassen kann. Fremde Schiffe müssen diese Gesetze nach Art. 21 Abs. 4 während der friedlichen Durchfahrt einhalten. Eine Bindung an allgemein anerkannte internationale Standards ist auch hier grundsätzlich nicht vorgesehen. Sie gilt nur nach Art. 21 Abs. 2 für den Entwurf, den Bau, die Bemannung oder die Ausrüstung von fremden Schiffen.

    121. Hier kann dahinstehen, wo die Grenze dieser Regelungskompetenz der Küstenstaaten liegt. Möglicherweise trägt sie Umweltschutzbestimmungen nicht mehr, wenn diese eine Durchfahrt vollständig verhindern würden. Einschränkungen der küstenstaatlichen Souveränität könnten auch die Durchsetzung von Sanktionen gegenüber Schiffen auf See betreffen. So weit geht Art. 4 der Richtlinie 2005/35 jedoch nicht, insbesondere wird weder die Durchfahrt unterbunden, noch werden bestimmte Durchsetzungsmaßnahmen gegenüber fahrenden Schiffen gefordert. Vielmehr sollen die Mitgliedstaaten nur bestimmte Verhaltensweisen verbieten, die für die Durchfahrt nicht erforderlich sind. Insofern wird der vergleichsweise milde Sorgfaltsmaßstab von Marpol 73/78 lediglich geringfügig verschärft. Das muss als Regelung in Bezug auf die Verhütung und Verringerung von Umweltverschmutzung im Sinne von Art. 21 Abs. 1 Buchst. f des Seerechtsübereinkommens möglich sein.

    122. Anders als Zypern vorträgt, führt auch der Verweis auf die sonstigen Regeln des Völkerrechts in Art. 2 Abs. 3 und Art. 21 Abs. 1 Buchst. f des Seerechtsübereinkommens nicht dazu, dass die Gemeinschaft im Küstenmeer an Marpol 73/78 gebunden wäre. Da die Gemeinschaft nicht Partei dieses Abkommens ist und das Seerechtsübereinkommen für das Küstenmeer nicht auf Marpol 73/78 verweist, enthält es für die Gemeinschaft keine sonstige Regel des Völkerrechts.(76)

    123. Somit vertreten Estland, Dänemark, Spanien, Frankreich, Schweden, das Vereinigte Königreich, das Parlament, der Rat und die Kommission zu Recht die Auffassung, dass das Seerechtsübereinkommen die Regelungsbefugnisse zum Umweltschutz innerhalb des Küstenmeeres anders als in den für die Beantwortung der ersten Frage untersuchten Meereszonen nicht auf die Umsetzung international anerkannter Standards beschränkt, insbesondere nicht auf die Umsetzung von Marpol 73/78. Dieses Ergebnis ist schon deshalb geboten, weil das Küstenmeer dem Staatsgebiet des Küstenstaats zuzurechnen ist und er dort daher grundsätzlich keiner Regelungsermächtigung durch das Seerechtsübereinkommen bedarf.

    124. Die Kläger, Malta, Griechenland und Zypern tragen außerdem vor, durch Marpol 73/78 seien die Vertragsstaaten des Abkommens auch im Küstenmeer daran gehindert, strengere Bestimmungen zu erlassen. Marpol 73/78 sei ein abschließender Kompromiss hinsichtlich der Verfolgung von Umweltverschmutzung durch Einleitung von Schiffen. Diese Beteiligten gehen daher offenbar davon aus, Marpol 73/78 erlaube die durch das Abkommen nicht untersagten Einleitungen.

    125. Dieses Vorbringen kann allerdings nach der hier vertretenen Auffassung(77) die Gültigkeit der Richtlinie 2005/35 schon deshalb nicht in Frage stellen, weil danach Marpol 73/78 ohne eine Verweisung im Seerechtsübereinkommen die Gemeinschaft nicht bindet. Nur hilfsweise, für den Fall, dass der Gerichtshof etwa in Anlehnung an das Urteil Niederlande/Parlament und Rat zu einem anderen Ergebnis kommen sollte, wird daher geprüft, ob Marpol 73/78 die für Vorgänge außerhalb des Küstenmeeres vorgenommene einschränkende Auslegung auch für das Küstenmeer verlangt.

    126. Der Text von Marpol 73/78 lässt nicht erkennen, dass er eine abschließende Regelung über verbotene Einleitungen von Schiffen auch innerhalb des Küstenmeers treffen will. Marpol 73/78 verlangt, dass bestimmte Einleitungen verboten, untersucht und verfolgt werden. Die entsprechenden Bestimmungen finden sich in den Art. 1, 4 und 6 des Abkommens, sowie in Regel 9 der Anlage I und Regel 5 der Anlage II. Wie im Vorabentscheidungsersuchen, aber auch von den Klägern, Malta und Zypern vorgetragen, sind nach Art. 14 Abs. 1 die Anlagen I und II für die Vertragsstaaten in ihrer Gesamtheit verbindlich.

    127. Diese Bestimmungen definieren einen für die Vertragsstaaten von Marpol 73/78 verbindlichen Mindeststandard für Schutzbestimmungen gegenüber der Einleitung schädlicher Stoffe von Schiffen in das Meer. Wie bereits gezeigt, wird dieser Mindeststandard aufgrund des Zusammenspiels mit Bestimmungen des Seerechtsübereinkommens in der ausschließlichen Wirtschaftszone, in Meerengen und auf hoher See zum allein zulässigen Schutzstandard.

    128. Unter den genannten Bestimmungen von Marpol 73/78 gibt es allerdings nur eine, nämlich das Verbot der Einleitung von Öl in Regel 9 der Anlage I, die möglicherweise als ausdrückliche Erlaubnis bestimmter Einleitungen verstanden werden könnte. Dort heißt es nämlich, jedes Einleiten sei verboten, „es sei denn, dass alle nachstehenden Bedingungen erfüllt sind“. Diese Bedingungen betreffen die Einleitung geringer Ölmengen während des Schiffsbetriebs. Sie werden auch durch die Richtlinie 2005/35 nicht verboten, da Art. 5 Abs. 1 diese Ausnahme voll übernimmt. Daher ist vorliegend nicht zu entscheiden, ob Marpol 73/78 diese Einleitungen tatsächlich erlaubt.

    129. Der Haftungsmaßstab nach Regel 11 Buchst. b Ziffer ii) der Anlage I von Marpol 73/78 hat hingegen regelungstechnisch eine ganz andere Funktion als die in Regel 9 enthaltene Ausnahme. Wenn der Eigentümer oder der Kapitän nicht entweder in Schädigungsabsicht oder fahrlässig und in Kenntnis der Tatsache gehandelt haben, dass wahrscheinlich ein Schaden entstehen würde, findet Regel 9 nämlich keine Anwendung. Das gleiche gilt für das Zusammenspiel von Regel 5 de r Anlage II mit Regel 6 Buchst. b Ziffer (ii). Somit enthält Marpol 73/78 unter diesen Bedingungen für eine schadensbedingte Einleitung überhaupt keine Regelung. Das Fehlen einer Regelung kann normalerweise nicht als Erlaubnis verstanden werden.

    130. Während also eine Erlaubnis nicht erkennbar ist, gibt es im Text von Marpol 73/78 vielmehr Anhaltspunkte dafür, dass unter bestimmten Umständen strengere Regelungen zulässig sein sollen. Insbesondere stellt Art. 9 Abs. 2 ausdrücklich fest, dass Marpol 73/78 den Hoheitsbereich ( jurisdiction ) von Küstenstaaten, wie er im Rahmen des Seerechtsübereinkommens festgelegt wird, nicht beeinträchtigen soll. Wie bereits dargestellt, erlaubt das Seerechtsübereinkommen im Küstenmeer jedoch strengere Schutzbestimmungen.

    131. Darüber hinaus erkennt der zweite Absatz der Präambel von Marpol 73/78 an, dass u. a. die fahrlässige und die unfallbedingte Einleitung eine ernste Quelle von Verschmutzung darstellt. Es wäre daher überraschend, wenn Marpol 73/78 diese Formen der Einleitung unter allen Umständen freistellen sollte.

    132. Die von den Klägern betonte universelle Geltung im Sinne des fünften Absatzes der Präambel steht dem nicht entgegen. Sie bezieht sich nur auf die erfassten Stoffe, nämlich auf die Ergänzung der Regelungen über Ölverschmutzungen durch Regelungen über die Einleitung von Chemikalien. Darüber, ob die Haftungsstandards abschließend und universell gelten sollen, lässt sich diesem Absatz dagegen nichts entnehmen.

    133. Mit Griechenland zu fordern, dass strengere Schutzbestimmungen nur möglich sind, wenn Marpol 73/78 sie ausdrücklich vorsieht, ginge daher zu weit. Selbst wenn sich die Vertragsstaaten nicht auf eine solche strengere Regelung einigen konnten, wie Griechenland und die Kläger vortragen, folgt daraus noch lange nicht, dass sie mit Marpol 73/78 einen abschließenden Schutzstandard für alle Bereiche des Meeres vereinbarten.

    134. Zwar wurde nach dem Vorbringen der Kläger seinerzeit ein Vorschlag Kanadas zurückgewiesen, eine Ermächtigung zum Erlass strengerer Bestimmungen in Marpol 73/78 niederzulegen, doch betont die Kommission zu Recht, dass bereits das von den Klägern vorgelegte Material über die Entstehungsgeschichte von Marpol 73/78 eher dafür spricht, dass die Frage strengerer Schutzstandards nach Meinung vieler Verhandlungsteilnehmer durch das Seerechtsübereinkommen geregelt werden sollte.(78)

    135. Soweit strengere Standards diskutiert wurden, ging es den Staaten während der Verhandlungen im Wesentlichen darum, sicherzustellen, dass die in Marpol 73/78 niedergelegten Anforderungen an Schiffe nicht einseitig verschärft würden. Dies gewährleistet heute für das Küstenmeer eine Verweisung von Art. 21 Abs. 2 des Seerechtsübereinkommens auf die internationalen Schiffstandards, d. h. insbesondere Marpol 73/78.(79) Für die Haftungsstandards fehlt es hingegen gerade an einer solchen Verweisung.

    136. Folglich spricht auch die Entstehungsgeschichte von Marpol 73/78 dagegen, dass Marpol 73/78 eine abschließende Regelung trifft. Vielmehr ist davon auszugehen, dass sich die Kompetenzen der Küstenstaaten aus dem Seerechtsübereinkommen ergeben, das für das Küstenmeer keine Bindung an Marpol 73/78 vorsieht.

    137. Somit verlangen weder das Seerechtsübereinkommen noch Marpol 73/78 im Bereich des Küstenmeers eine enge Auslegung des Begriffs der groben Fahrlässigkeit in Übereinstimmung mit dem Haftungsstandard nach Regel 11 Buchst. b ii) der Anlage I und Regel 6 Buchst. b ii) der Anlage II von Marpol 73/78.

    138. Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass die Prüfung der zweiten und dritten Vorlagefrage nichts ergeben hat, was die Gültigkeit von Bestimmungen der Richtlinie 2005/35 in Frage stellen könnte.

    D – Zur vierten Frage - Grundsatz der Rechtssicherheit

    139. Mit der vierten Frage möchte das vorlegende Gericht erfahren, ob die Verwendung des Begriffs der groben Fahrlässigkeit in Art. 4 der Richtlinie 2005/35 gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit verstößt. Es hat dabei insbesondere das Risiko im Blick, dass die Mitgliedstaaten diesen Begriff nicht einheitlich umsetzen und anwenden. Seiner Meinung nach bedarf es weiterer klarstellender Elemente, um die mitgliedstaatliche Praxis zu leiten.

    140. Keiner der Beteiligten scheint den Begriff der groben Fahrlässigkeit zu beanstanden, wenn er – wie hier für die hohe See, Meerengen und die ausschließliche Wirtschaftszone vertreten – im Einklang mit Marpol 73/78 als Leichtfertigkeit in dem Bewusstsein, dass wahrscheinlich ein Schaden eintreten werde, verstanden wird. Auch das vorlegende Gericht dürfte insofern keine Einwände haben, da die Bedeutung der groben Fahrlässigkeit durch diese Auslegung deutlich präzisiert wird.

    141. Diese Position ist bemerkenswert, da auch die Terminologie von Marpol 73/78 keine einheitliche Anwendung innerhalb der Gemeinschaft gewährleistet. Tatsächlich zeigt eine Untersuchung des wissenschaftlichen Dienstes des Gerichtshofs, dass der Begriff der Leichtfertigkeit nicht in allen Rechtsordnungen der Gemeinschaft bekannt ist. Teilweise wird er als grobe Fahrlässigkeit umgesetzt. Die deutsche Umsetzung von Marpol 73/78 verwendet den Standard der einfachen Fahrlässigkeit, obwohl im deutschen Strafrecht der Maßstab der Leichtfertigkeit bekannt ist. Im Vergleich mit diesem disparaten Zustand trägt die Richtlinie 2005/35 entsprechend ihrem dritten Erwägungsgrund zur einheitlichen Anwendung von Marpol 73/78 in der Gemeinschaft bei.

    142. Hier kann es aber nur darum gehen, ob der Begriff der groben Fahrlässigkeit in Bezug auf Vorgänge im Küstenmeer , wo seine Auslegung nicht auf den Haftungsmaßstab von Marpol 73/78 beschränkt ist, mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit vereinbar ist.

    143. Der Grundsatz der Rechtssicherheit verlangt insbesondere, dass eine Regelung klar und deutlich ist, damit die Betroffenen ihre Rechte und Pflichten unzweideutig erkennen und somit ihre Vorkehrungen treffen können.(80) Er wird im Zusammenhang mit Straftaten und Strafen durch den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit (nullum crimen, nulla poena sine lege) konkretisiert, der vor allem in Art. 7 Abs. 1 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), niedergelegt ist.(81) Aus diesem Grundsatz folgt, dass das Gesetz klar die Straftaten und die für sie angedrohten Strafen definieren muss. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn der Rechtsunterworfene anhand des Wortlauts der einschlägigen Bestimmung und nötigenfalls mit Hilfe ihrer Auslegung durch die Gerichte erkennen kann, welche Handlungen und Unterlassungen seine strafrechtliche Verantwortung begründen.(82)

    144. Die Richtlinie 2005/35 muss allerdings diesem Maßstab nicht genügen, denn sie kann als Richtlinie keine unmittelbar wirksamen Strafnormen enthalten.(83) Diese müssen vielmehr die Mitgliedstaaten erlassen. Soweit Bestimmungen der Richtlinie nicht hinreichend präzise sind, um den Anforderungen der Gesetzlichkeit zu genügen, obliegt es dem innerstaatlichen Gesetzgeber, dem unter Berücksichtigung der Gegebenheiten der nationalen Rechtsordnung bei der Umsetzung abzuhelfen.(84) Die Gültigkeit der Richtlinie wird dadurch nicht in Frage gestellt, sondern allenfalls ihre Harmonisierungswirkung.

    145. Aber selbst wenn man den Grundsatz der Gesetzlichkeit auf nicht unmittelbar anwendbare Richtlinienbestimmungen anwenden wollte, so würde Art. 4 der Richtlinie 2005/35 dessen Anforderungen genügen. Er verlangt, im Küstenmeer den Haftungsmaßstab der groben Fahrlässigkeit festzulegen und anzuwenden. Es steht außer Streit, dass zumindest der Begriff der Fahrlässigkeit in den Rechtssystemen bekannt ist und in unterschiedlicher Ausprägung auch die Strafbarkeit begründen kann. Entscheidend ist die auch von den Klägern hervorgehobene Verletzung von Sorgfaltspflichten. Wie der Gerichtshof anhand der offensichtlichen Fahrlässigkeit herausgearbeitet hat, sind Sorgfaltspflichten doppelt zu begründen, nämlich einerseits anhand eines objektiven Maßstabs, der für alle Personen der betreffenden Gruppe gilt, andererseits anhand dessen, was subjektiv von dem Handelnden erwartet werden darf, insbesondere aufgrund seiner Erfahrung.(85)

    146. Bezogen auf den Seeverkehr, insbesondere auf den Transport gefährlicher Substanzen, ist bei der Annahme derartiger Sorgfaltspflichten sicherlich große Vorsicht geboten. Prinzipiell nimmt die Gesellschaft nämlich die mit dem legalen Schiffsbetrieb verbundenen Risiken in Kauf. Wenn also Sorgfaltspflichten nicht ausdrücklich in besonderen Regelwerken niedergelegt sind, müssen sie in den betroffenen Verkehrskreisen möglichst einhellig anerkannt sein ( lege artis ), bevor sie strafrechtlich relevant werden können. Dies gilt in besonderem Maße im Rahmen von Art. 4 der Richtlinie 2005/35, da der dort verwendete Haftungsmaßstab der groben Fahrlässigkeit gegenüber der einfachen Fahrlässigkeit ein gesteigert pflichtwidriges Verhalten voraussetzt.

    147. Daher reicht der Blick in die Richtlinie nicht aus, um die aufzuwendenden Sorgfaltspflichten zu identifizieren. Dies ist allerdings auch nicht erforderlich, um der Vorhersehbarkeit zu genügen. Die Bedeutung dieses Begriffs hängt in hohem Maße vom Inhalt der in Rede stehenden Vorschriften ab, von dem durch sie geregelten Bereich sowie von der Zahl und der Eigenschaft ihrer Adressaten. Der Vorhersehbarkeit steht nicht entgegen, dass die betreffende Person gezwungen ist, fachkundigen Rat einzuholen, um unter den Umständen des konkreten Falles angemessen zu beurteilen, welche Folgen sich aus einer bestimmten Handlung ergeben können. Das gilt insbesondere für beruflich tätige Personen, z. B. die im professionellen Seeverkehr Tätigen, die gewohnt sind, sich bei der Ausübung ihrer Tätigkeit sehr umsichtig verhalten zu müssen. Von ihnen kann daher erwartet werden, dass sie die Risiken ihrer Tätigkeit besonders sorgfältig beurteilen.(86)

    148. Zwar ist somit davon auszugehen, dass in letzter Konsequenz nur Gerichte Sorgfaltspflichten präzise abgrenzen können, doch ist dies mit Art. 7 EMRK vereinbar. Diese Bestimmung kann nicht dahin verstanden werden, dass sie die schrittweise Klärung der Vorschriften über die strafrechtliche Verantwortlichkeit einschließlich der Fortentwicklung des Strafrechts durch richterliche Auslegung von Fall zu Fall ausschlösse, vorausgesetzt, die Entwicklung ist im Ergebnis mit dem Wesen des Straftatbestands vereinbar und ausreichend vorhersehbar.(87) Mir ist kein Fall bekannt, in dem der EGMR die Anwendung der Begriffe Fahrlässigkeit oder grobe Fahrlässigkeit im Strafrecht beanstandet hätte.

    149. Von Seeleuten kann im Übrigen erwartet werden, dass sie ihr Verhalten nicht darauf ausrichten, bis an die Grenzen des strafrechtlich Zulässigen zu gehen, sondern dass sie eher mehr Sorgfalt aufwenden als strafrechtlich geboten. Dafür sprechen bereits die mit der Seefahrt verbundenen und in der mündlichen Verhandlung betonten Risiken für Leib, Leben, Schiff und die ihnen anvertraute Fracht. Auch bestehen zumindest bei Ölverschmutzungsschäden erhebliche, weitgehend verschuldensunabhängige zivilrechtliche Haftungsrisiken aufgrund des Internationalen Übereinkommens über die zivilrechtliche Haftung für Ölverschmutzungsschäden.(88)

    150. Soweit das vorlegende Gericht eine uneinheitliche Umsetzung und Anwendung in den Mitgliedstaaten befürchtet, ist zunächst daran zu erinnern, dass die Mitgliedstaaten nach Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2005/35 frei sind, strengere Schutzvorschriften im Einklang mit dem Völkerrecht zu erlassen. Die Richtlinie regelt somit keinen abschließenden, einheitlichen Standard, sondern nur Mindestanforderungen, die naturgemäß in den Mitgliedstaaten nicht einheitlich umgesetzt werden müssen.

    151. Im Übrigen trägt das vorliegende Verfahren dazu bei, den Begriff der groben Fahrlässigkeit des Art. 4 der Richtlinie 2005/35 zu präzisieren. Wenn der Gerichtshof der hier vertretenen Auffassung folgt, wird insbesondere klargestellt, dass dieser Begriff im Küstenmeer eine andere Bedeutung haben kann als in anderen Bereichen der See, wo er in Übereinstimmung mit Marpol 73/78 auszulegen ist.

    152. Die mitgliedstaatlichen Gerichte können den Gerichtshof nach Art. 234 des Vertrages bei weiteren Zweifeln anrufen. Unter Umständen sind letztinstanzliche Gerichte dazu sogar verpflichtet, beispielsweise wenn die Rechtsprechung mitgliedstaatlicher Obergerichte divergiert.(89)

    153. Ergänzt wird diese justizielle Absicherung einer einheitlichen Umsetzung und Anwendung der Richtlinie 2005/35 durch die Aufgabe der Kommission, nach Art. 211 des Vertrages über die Einhaltung des abgeleiteten Rechts zu wachen und gegebenenfalls nach Art. 226 EG ein Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten.

    154. Schließlich belegt auch das von den Klägern und Griechenland vorgebrachte Argument des möglichen Missbrauchs einer Haftung für grobe Fahrlässigkeit bei schweren Unfällen keine Verletzung des Prinzips der Rechtssicherheit oder der Gesetzlichkeit des Strafrechts. Ein Missbrauch kann nie mit letzter Sicherheit ausgeschlossen werden. Insbesondere die als Beleg angeführten jüngeren Beispielsfälle aus Frankreich und Spanien zeigen, dass es nicht der Richtlinie 2005/35 bedarf, um Seefahrer einer von ihnen als überzogen empfundenen Verfolgung zu unterziehen.

    155. Soweit die Kläger Begründungsmängel geltend machen, ist eine Prüfung nicht notwendig, weil bereits das vorlegende Gericht diese Zweifel zurückgewiesen hat.(90) Da es sich bei der Richtlinie 2005/35 um einen Rechtsakt mit allgemeiner Geltung handelt, sich somit die Begründung darauf beschränken kann, die Gesamtlage anzugeben, die zu ihrem Erlass geführt hat, und die allgemeinen Ziele zu bezeichnen, die sie erreichen will,(91) erscheinen Begründungsmängel hier auch eher fernliegend.

    156. Daher hat auch die Prüfung der vierten Vorlagefrage nichts ergeben, was die Gültigkeit von Bestimmungen der Richtlinie 2005/35 in Frage stellen würde.

    V – Ergebnis

    157. Ich schlage dem Gerichtshof daher vor, das Vorabentscheidungsersuchen wie folgt zu beantworten:

    Die Prüfung der vorgelegten Fragen hat nichts ergeben, was der Gültigkeit der Richtlinie 2005/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Meeresverschmutzung durch Schiffe und die Einführung von Sanktionen für Verstöße entgegenstünde.

    (1) .

    (2)  – ABl. L 255, 11.

    (3)  – Dritte Seerechtskonferenz der Vereinten Nationen, Official Documents, Bd. XVII, 1984, Doc. A/Conf.62/122, S. 157-231.

    (4)  – Beschluss 98/392/EG des Rates vom 23. März 1998 über den Abschluss des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982 und des Übereinkommens vom 28. Juli 1994 zur Durchführung des Teils XI des Seerechtsübereinkommens durch die Europäische Gemeinschaft, ABl. L 179, S. 1.

    (5)  – Recueil des traités des Nations unies/UN Treaty Series, Bd. 1341, Nr. 22484.

    (6)  – Nach Angaben der IMO, http://www.imo.org/Conventions/mainframe.asp?topic_id=248, besucht am 2. Mai 2007. Anhang VI wurde von Österreich, der Tschechischen Republik, Irland, Ungarn, Malta, Portugal und der Slowakei noch nicht ratifiziert, Malta hat darüber hinaus Anhang IV noch nicht ratifiziert.

    (7)  – Die Anlage wurde durch die Resolution MEPC.117(52) vom 15. Oktober 2004, die seit dem 1. Januar 2007 in Kraft ist, ergänzt und umstrukturiert. Die im vorliegenden Verfahren diskutierten Regeln 9, 10 und 11 blieben inhaltlich unverändert, sind aber nunmehr in den Regeln 15, 34 und 4 niedergelegt. Der Einfachheit halber wird die frühere Zählung verwendet.

    (8)  – Die verbindlichen Sprachfassungen verwenden die folgenden Begriffe: Englisch: recklessly (rücksichtslos, sorglos, waghalsig), Französisch: témérairement (waghalsig, vermessen), Spanisch: imprudencia temeraria (waghalsige Unvorsichtigkeit oder Unbesonnenheit) sowie Russisch: самонадеянно (anmaßend, überheblich, dreist). Die amtliche deutsche Übersetzung des Marpol-Übereinkommens, Anlage zum Bundesgesetzblatt 1996 II S. 18, und auch die Wiedergabe der entsprechenden Bestimmungen von Marpol im Anhang der Richtlinie übersetzen dies meiner Ansicht nach zu Unrecht mit „fahrlässig“. Richtiger scheint mir die Übersetzung mit „leichtfertig“, wie es z. B. bei den gleich lautenden Art. 25 des Abkommens vom 12. Oktober 1929 in Warschau zur Vereinheitlichung von Regeln über die Beförderung im internationalen Luftverkehr (Erstes Abkommen zur Vereinheitlichung des Luftprivatrechts) (Reichsgesetzblatt 1933 II S. 1039) in der Fassung des Protokolls vom 28. September 1955 in Den Haag zur Änderung des Abkommens zur Vereinheitlichung von Regeln über die Beförderung im internationalen Luftverkehr (Bundesgesetzblatt 1958 II S. 292) und Art. 4 des Übereinkommens vom 19. November 1976 in London über die Beschränkung der Haftung für Seeforderungen (Bundesgesetzblatt 1986 II S. 786), geschehen ist. Vgl. auch § 435 des deutschen Handelsgesetzbuchs.

    (9)  – Die Anlage wurde durch die Resolution MEPC.118(52) vom 15. Oktober 2004, die seit dem 1. Januar 2007 in Kraft ist, ergänzt und umstrukturiert. Die im vorliegenden Verfahren diskutierte Regel 6 ist nunmehr die Regel 3 und begründet eine Ausnahme von allen Anforderungen an eine Einleitung der in der Anlage II erfassten Stoffe. Der Einfachheit halber wird die frühere Fassung und Zählung verwendet.

    (10)  – Siehe Fn. 8.

    (11)  – Urteil vom 10. Dezember 2002, British American Tobacco (Investments) und Imperial Tobacco (C‑491/01, Slg. 2002, I‑11453).

    (12)  – Urteil vom 13. Juli 2006, Manfredi u. a. (C-295/04 bis C-298/04, Slg. 2006, I-6619, Randnr. 27).

    (13)  – Vgl. u. a. Urteile vom 15. Dezember 1995, Bosman (C-415/93, Slg. 1995, I-4921, Randnr. 61), und vom 10. Januar 2006, IATA und ELFAA (C-344/04, Slg. 2006, I‑403, Randnr. 24).

    (14)  – Siehe die in Fn. 13 zitierten Urteile Bosman (Randnr. 59) sowie IATA und ELFAA (Randnr. 24).

    (15)  – Urteil IATA und ELFAA (zitiert in Fn. 13, Randnr. 24).

    (16)  – Zitiert in Fn. 11.

    (17)  – Urteil vom 30. Mai 2006, Kommission/Irland (MOX-Plant) (C‑459/03, Slg. 2006, I‑4635, Randnr. 83).

    (18)  – Vgl. das Urteil vom 11. September 2007, Merck Genéricos – Produtos Farmacêuticos (C‑431/05, Slg. 2007, I-0000, Randnr. 33).

    (19)  – Urteil Kommission/Irland (MOX-Plant) (zitiert in Fn. 17, Randnr. 108).

    (20)  – Urteil vom 14. Juli 1994, Peralta (C‑379/92, Slg. 1994, I‑3453, Randnr. 16).

    (21)  – Urteil vom 9. Oktober 2001, Niederlande/Parlament und Rat (C‑377/98, Slg. 2001, I‑7079, Randnr. 52).

    (22)  – Urteil vom 24. November 1992 (C‑286/90, Slg. 1992, I‑6019).

    (23)  – Urteil Poulsen und Diva Navigation (zitiert in Fn. 22, Randnrn. 9 f.). Siehe zur Bindung an das Völkergewohnheitsrecht auch das Urteil vom 16. Juni 1998, Racke (C‑162/96, Slg. 1998, I‑3655, Randnr. 45).

    (24)  – Urteil Peralta (zitiert in Fn. 20).

    (25)  – Urteil vom 12. Dezember 1972, International Fruit Company u. a. (21/72, 22/72, 23/72 und 24/72, Slg. 1972, 1219, Randnrn. 10 ff.).

    (26)  – Vgl. die Schlussanträge des Generalwalts Mazák vom 28. Juni 2007, Kommission/Rat (C‑440/05, Slg. 2007, I-0000, Nr. 65).

    (27)  – Vgl. das Urteil vom 31. März 1971, Kommission/Rat (AETR) (22/70, Slg. 1971, 263, Randnrn. 17 f.), und das Gutachten 1/03 vom 7. Februar 2006 (Übereinkommen von Lugano, Slg., 2006, I‑1145, Randnrn. 114 ff.).

    (28)  – Zitiert in Fn. 20.

    (29)  – Urteil Niederlande/Parlament und Rat (zitiert in Fn. 21, Randnr. 52).

    (30)  – Richtlinie 98/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juli 1998 über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen (ABl. L 213, S. 13).

    (31)  – Siehe den 9. Erwägungsgrund der Richtlinie 98/44.

    (32)  – Urteil Kommission/Irland (zitiert in Fn. 17, Randnr. 82); siehe auch die Urteile IATA und ELFAA (zitiert in Fn. 13, Randnr. 36), sowie Merck (zitiert in Fn. 18, Randnr. 31).

    (33)  – Urteile vom 10. September 1996, Kommission/Deutschland (C‑61/94, Slg. 1996, I‑3989, Randnr. 52), vom 1. April 2004, Bellio F.lli (C‑286/02, Slg. 2004, I‑3465, Randnr. 33), und IATA und ELFAA (zitiert in Fn. 13, Randnr. 35).

    (34)  – Urteile vom 30. September 1987, Demirel (12/86, Slg. 1987, 3719, Randnr. 14), Racke (zitiert in Fn. 23, Randnr. 31), sowie IATA und ELFAA (zitiert in Fn. 13, Randnr. 39).

    (35)  – Urteil Poulsen und Diva Navigation (zitiert in Fn. 22, Randnrn. 13 und 15).

    (36)  – Urteil Poulsen und Diva Navigation (zitiert in Fn. 22, Randnr. 25).

    (37)  – Urteil vom 28. April 2005, Kommission/Italien (C‑410/03, Slg. 2005, I‑3507, Randnrn. 53 f.).

    (38)  – Sechste Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1) in der durch die Richtlinie 2002/93/EG des Rates vom 3. Dezember 2002 (ABl. L 331, S. 27) geänderten Fassung.

    (39)  – Urteil vom 29. März 2007, Aktiebolaget NN (C‑111/05, Slg. 2007, I-0000, Randnrn. 57 ff.).

    (40)  – Urteil vom 26. Oktober 1982, Kupferberg (104/81, Slg. 1982, 3641, Randnr. 18).

    (41)  – Vgl. das Urteil Kupferberg (zitiert in Fn. 40, Randnr. 20), zu besonderen institutionellen Rahmen für die Durchführung eines Abkommens.

    (42)  – Urteil Aktiebolaget NN (zitiert in Fn. 39, Randnr. 59).

    (43)  – Diese Zuständigkeit wird allerdings offenbar in der Staatenpraxis noch nicht oder selten ausgeschöpft und ob sie als Völkergewohnheitsrecht anerkannt wird, scheint umstritten. Dafür sind Patricia Birnie und Alan Boyle, International Law & the Environment , 2. Auflage Oxford 2002, 376, dgg. Farkhanda Zia-Mansoor, International Regime and the EU Developments for Preventing and Controlling Vessel-Source Oil Pollution, European Environmental Law Review 2005, 165 (170) und Alan Khee-Jin Tan, Vessel-Source Marine Pollution , Cambridge, 2006, S. 221.

    (44)  – Vgl. das Urteil Aktiebolaget NN (zitiert in Fn. 39, Randnr. 59).

    (45)  – Siehe etwa die Urteile vom 14. Dezember 2004, Swedish Match (C‑210/03, Slg. 2004, I‑11893, Randnrn. 27 ff.), und vom 6. Dezember 2005, ABNA u. a. (C‑453/03, C‑11/04, C‑12/04 und C‑194/04, Slg. 2005, I‑10423, Randnrn. 52 ff.).

    (46)  – Zitiert in Fn. 22, Randnr. 25.

    (47)  – Selbstverständlich können Regelungen auch durch andere internationale Standards gerechtfertigt werden. Vorliegend ist allerdings nur Marpol 73/78 einschlägig.

    (48)  – In der deutschen Fassung ist diese Bestimmung unvollständig und auch kaum zu verstehen, da die erste Zeile der Definition fehlt.

    (49)  – In der deutschen Fassung der Richtlinie fälschlich als 14. Erwägungsgrund bezeichnet, da der tatsächliche 14. Erwägungsgrund zur Komitologie in der deutschen Fassung fehlt.

    (50)  – Urteile International Fruit Company (zitiert in Fn. 25, Randnrn. 21 ff.), vom 16. März 1983, SIOT (266/81, Slg. 1983, 731, Randnr. 28), vom 5. Oktober 1994, Deutschland/Rat (C‑280/93, Slg. 1994, I‑4973, Randnr. 109), vom 23. November 1999, Portugal/Rat (C‑149/96, Slg. 1999, I‑8395, Randnr. 47); vom 12. März 2002, Omega Air u. a. (C‑27/00 und C‑122/00, Slg. 2002, I‑2569, Randnr. 93), vom 9. Januar 2003, Petrotub und Republica/Rat (C‑76/00 P, Slg. 2003, I‑79, Randnr. 53), vom 30. September 2003, Biret International/Rat (C‑93/02 P, Slg. 2003, I‑10497, Randnr. 52), vom 1. März 2005, Van Parys (C‑377/02, Slg. 2005, I‑1465, Randnr. 39), und vom 27. September 2007, Ikea Wholesale (C‑351/04, Slg. 2007, I-0000, Randnr. 29).

    (51)  – Urteile Urteile vom 22. Juni 1989, Fediol/Kommission (70/87, Slg. 1989, 1781, Randnrn. 19 ff.), vom 7. Mai 1991, Nakajima/Rat (C‑69/89, Slg. 1991, I‑2069, Randnr. 31) sowie die in Fn. 50 zitierten Urteile Deutschland/Rat (Randnr. 111), Portugal/Rat (Randnr. 49), Biret International (Randnr. 53), und Van Parys (Randnr. 40).

    (52)  – Urteil International Fruit Company (zitiert in Fn. 25, Randnrn. 10/13 ff.). Heute ergibt sich die Verbindlichkeit aus Art. 300 Abs. 7 EG, da die Gemeinschaft den WTO-Übereinkünften beigetreten ist.

    (53)  – Urteil Niederlande/Parlament und Rat (zitiert in Fn. 21, Randnrn. 61 f.).

    (54)  – Urteil Niederlande/Parlament und Rat (zitiert in Fn. 21, Randnrn. 51 f.).

    (55)  – Urteil Niederlande/Parlament und Rat (zitiert in Fn. 21, Randnrn. 55 f.). Vgl. Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 98/44.

    (56)  – Urteil Niederlande/Parlament und Rat (zitiert in Fn. 21, Randnrn. 51 f.).

    (57)  – Urteil vom 4. Juli 2000, Kommission/Portugal (C‑84/98, Slg. 2000, I‑5215, Randnr. 58).

    (58)  – Urteil vom 5. November 2002, Kommission/Vereinigtes Königreich ( open skies ) (C‑466/98, Slg. 2002, I‑9427, Randnrn. 26 f.). Dies gilt jedenfalls, wenn die entsprechenden Kompetenzen der Gemeinschaft bei Abschluss des Abkommens bereits bestanden.

    (59)  – Deutsche Fassung im deutschen Bundesgesetzblatt 1975 II S. 305.

    (60)  – Das Protokoll ist in ABl. 2004, L 78, S. 32, abgedruckt. Eine vollständige Fassung des Übereinkommens ist z. B. http://www.iopcfunds.org/npdf/Conventions%20English.pdf.

    (61)  – Siehe oben, Nrn. 60 ff.

    (62)  – Griechisch: αμέλεια, Maltesisch: b’mod imprudenti, Portugiesisch: com mera culpa.

    (63)  – Siehe beispielsweise die Urteile vom 12. November 1969, Stauder (29/69, Slg. 1969, 419, Randnr. 3), vom 23. November 2006, ZVK (C‑300/05, Slg. 2006, I‑11169, Randnr. 16), und vom 14. Juni 2007, Euro Tex (C‑56/06, Slg. 2007, I-0000, Randnr. 27).

    (64)  – Urteile Kommission/Deutschland (zitiert in Fn. 33, Randnr. 52), vom 14. Juli 1998, Bettati (C‑341/95, Slg. 1998, I‑4355, Randnr. 20), Bellio F.lli (zitiert in Fn. 33, Randnr. 33), und vom 7. Dezember 2006, SGAE (C‑306/05, Slg. 2006, I‑11519, Randnr. 35).

    (65)  – Das schließt es allerdings nicht aus, die Kenntnis des Täters aus objektiven Umständen abzuleiten, die darauf schließen lassen, dass er sich des Risikos bewusst war.

    (66)  – Schlussanträge des Generalanwalts Léger vom 11 . Oktober 2005, Traghetti del Mediterraneo (C‑173/03, Slg. 2006, I‑5177, Nr. 100).

    (67)  – Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (ABl. L 302, S. 1).

    (68)  – Urteil vom 11. November 1999, Söhl & Söhlke (C‑48/98, Slg. 1999, I‑7877, Randnr. 56).

    (69)  – Siehe die Anwendung im Urteil vom 13. März 2003, Niederlande/Kommission (C‑156/00, Slg. 2003, I‑2527, Randnr. 99).

    (70)  – Für das Küstenmeer zeigt sich dies in der Begründung des Gemeinsamen Standpunkts (EG) Nr. 3/2005, vom Rat festgelegt am 7. Oktober 2004, im Hinblick auf den Erlass der Richtlinie 2005/…/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom … über die Meeresverschmutzung durch Schiffe und die Einführung von Sanktionen für Verstöße, ABl. 2005, C 25 E, S. 29 (39).

    (71)  – Urteile Kommission/Deutschland (zitiert in Fn. 33, Randnr. 52) und Bellio F.lli (zitiert in Fn. 33, Randnr. 33).

    (72)  – Vgl. die Urteile vom 16. Juni 2005, Pupino (C‑105/03, Slg. 2005, I‑5285, Randnrn. 44 und 47), zur rahmenbeschlusskonformen Auslegung und vom 4. Juli 2006, Adeneler u. a. (C‑212/04, Slg. 2006, I‑6057, Randnr. 110) zur richtlinienkonformen Auslegung.

    (73)  – Zur einschränkenden grundrechtskonformen Auslegung vgl. das Urteil vom 27. Juni 2006, Parlament/Rat (Familienzusammenführung) (C-540/03, Slg. 2006, I‑5769, insbesondere Randnrn. 97 ff.).

    (74)  – Wolfram Gass, in: Ebenroth/Boujong/Joost, Handelsgesetzbuch , 1. Auflage 2001, § 435, Randnr. 5.

    (75)  – Siehe oben, Nrn. 103 ff.

    (76)  – Siehe oben, Nrn. 37 ff.

    (77)  – Siehe oben, Nrn. 71 ff.

    (78)  – So auch Tan (zitiert in Fn. 43, S. 184 ff.).

    (79)  – Um schärfere Anforderungen an Schiffe und ihre Besatzung, nicht aber um einen schärferen Haftungsmaßstab, ging es im Übrigen in einem von den Klägern erwähnten gemeinsamen Schriftsatz verschiedener Mitgliedstaaten für ein Verfahren vor dem amerikanischen Supreme Court (Anlage 16 zum Schriftsatz der Kläger). Dieses Verfahren betraf strengere Regelungen des Bundesstaats Washington (siehe die Petition for a Writ of Certiorari der Vereinigten Staaten im Verfahren No. 98-1701, United States of America v. Gary Locke et al., http://www.usdoj.gov/osg/briefs/1998/2pet/7pet/98-1701.pet.aa.pdf, S. 9). Dass in diesem Schriftsatz die Notwendigkeit einheitlicher Standards für Schiffe und Besatzungen betont wurde, steht aber nicht im Widerspruch zur Befürwortung schärferer Haftungsstandards.

    (80)  – Urteile vom 9. Juli 1981, Gondrand Frères und Garancini (169/80, Slg. 1981, 1931, Randnr. 17), vom 13. Februar 1996, Van Es Douane Agenten (C‑143/93, Slg. 1996, I‑431, Randnr. 27), vom 14. April 2005, Belgien/Kommission (C‑110/03, Slg. 2005, I‑2801, Randnr. 30), sowie IATA und ELFAA (zitiert in Fn. 13, Randnr. 68).

    (81)  – Vgl. auch Urteil vom 3. Mai 2007, Advocaten voor de Wereld (C-303/05, Slg. 2007, I-0000, Randnr. 49), mit Hinweis auf die Urteile vom 12. Dezember 1996, X (C‑74/95 und C‑129/95, Slg. 1996, I‑6609, Randnr. 25), und vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommission (C‑189/02 P, C‑202/02 P, C‑205/02 P bis C‑208/02 P und C‑213/02 P, Slg. 2005, I‑5425, Randnrn. 215 bis 219).

    (82)  – Urteil Advocaten voor de Wereld (zitiert in Fn. 81, Randnr. 50) unter Bezugnahme auf EGMR, Urteil Coëme u. a./Belgien vom 22. Juni 2000 ( Recueil des arrêts et décisions , 2000‑VII, S. 1, § 145). Siehe auch EGMR, Urteile Achour/Frankreich vom 29. März 2006 (§ 41) und Cantoni/Frankreich vom 15. November 1996 ( Recueil des arrêts et décisions 1996-V, S. 1627, § 29).

    (83)  – Vgl. dazu das Urteil X (zitiert in Fn. 81, Randnrn. 24 f.), unter Verweis auf EGMR, Urteile Kokkinakis/Griechenland vom 25. Mai 1993 (Serie A, Nr. 260-A, § 52) sowie S. W./Vereinigtes Königreich und C. R./Vereinigtes Königreich vom 22. November 1995 (Serie A, Nrn. 335-B, § 35, und 335-C, § 33). Vgl. auch die Urteile des Gerichtshofs vom 10. Juli 1984, Kirk (63/83, Slg. 1984, 2689, Randnr. 22), vom 8. Oktober 1987, Kolpinghuis Nijmegen (80/86, Slg. 1987, 3969, Randnr. 13), vom 26. September 1996, Arcaro (C-168/95, Slg. 1996, I-4705, Randnr. 42), vom 7. Januar 2004, Strafverfahren gegen X (C-60/02, Slg. 2004, I-651, Randnrn. 61 ff.) und Dansk Rørindustri u. a./Kommission (zitiert in Fn. 81, Randnr. 221). Siehe dazu auch im Einzelnen meine Schlussanträge vom 10. Juni 2004, Niselli (C-457/02, Slg. 2004, I-10853, Nrn. 53 ff.), und vom 14. Oktober 2004, Berlusconi (C-387/02, C-391/02 und C-403/02, Slg. 2004, I-3565, Nrn. 140 ff.).

    (84)  – So würde es sich anbieten, statt der missverständlichen Fassung des Art. 4 der Richtlinie 2005/35 für die Verantwortung außerhalb des Küstenmeeres direkt die Formulierung aus Marpol 73/78 zu verwenden.

    (85)  – Siehe oben, Nr. 103.

    (86)  – Vgl. Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission (zitiert in Fn. 81, Randnr. 219) unter Bezugnahme auf EGMR, Urteil Cantoni (zitiert in Fn. 82, § 35).

    (87)  – EGMR, Urteile S. W. (zitiert in Fn. 83, § 36), C. R. (zitiert in Fn. 83, § 34), Streletz, Keßler und Krenz/Deutschland vom 22. März 2001 ( Recueil des arrêts et décisions , 2001-II, § 50) sowie Radio France u. a./Frankreich vom 30. März 2004 ( Recueil des arrêts et décisions , 2004-II, § 20).

    (88)  – Siehe oben, Nr. 91.

    (89)  – Urteil vom 15. September 2005, Intermodal Transports (C‑495/03, Slg. 2005, I‑8151, Randnrn. 38 f. mwN.).

    (90)  – Urteil vom 11. November 1997, Eurotunnel u. a. (C‑408/95, Slg. 1997, I‑6315, Randnrn. 33 f.).

    (91)  – Urteil IATA und ELFAA (zitiert in Fn. 13, Randnr. 67).

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