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Document 62006CC0202

Schlussanträge der Generalanwältin Kokott vom 26. April 2007.
Cementbouw Handel & Industrie BV gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften.
Rechtsmittel - Wettbewerb - Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 - Zuständigkeit der Kommission - Anmeldung eines Unternehmenszusammenschlusses von gemeinschaftsweiter Bedeutung - Von den Beteiligten vorgeschlagene Zusagen - Auswirkung auf die Zuständigkeit der Kommission - Genehmigung unter dem Vorbehalt der Einhaltung bestimmter Zusagen - Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
Rechtssache C-202/06 P.

Sammlung der Rechtsprechung 2007 I-12129

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2007:255

SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

JULIANE Kokott

vom 26. April 2007(1)

Rechtssache C‑202/06 P

Cementbouw Handel & Industrie BV

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften

„Rechtsmittel – Wettbewerb – Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen – Art. 1, 2, 3 und 8 der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 – Übernahme von CVK und deren Mitgliedsunternehmen durch Haniel und Cementbouw – Genehmigung unter der Bedingung der Einhaltung bestimmter Zusagen – Ausschließliche Zuständigkeit der Kommission – Grundsatz der Verhältnismäßigkeit“





I –    Einleitung

1.     Der vorliegende Fall gibt Anlass, die Abgrenzung der Zuständigkeiten der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten in der Fusionskontrolle(2) zu präzisieren. Zu klären gilt es, welcher Zeitpunkt in einem konkreten Fusionsfall maßgeblich für die Bestimmung der zuständigen Wettbewerbsbehörde ist. Ferner ist zu prüfen, ob jene Behörde ihre Zuständigkeit infolge später eintretender Ereignisse wieder verlieren kann. Sowohl für die betroffenen Wirtschaftsteilnehmer als auch für die mit der Fusionskontrolle betrauten Wettbewerbsbehörden auf nationaler und auf Gemeinschaftsebene sind diese Fragen von größter praktischer Bedeutung.

2.     Hintergrund dieses Falles ist ein Fusionskontrollverfahren, das die Märkte für Wandbaustoffe, u. a. Kalksandstein, in den Niederlanden betrifft. Im Jahr 1999 erwarben die Unternehmen Cementbouw(3) und Haniel(4) die gemeinsame Kontrolle über das Unternehmen CVK(5) sowie über dessen Mitgliedsunternehmen. Dazu wurden zwei Gruppen von Rechtsgeschäften geschlossen, welche die Kommission als einen einheitlichen Unternehmenszusammenschluss ansah. Die Zuständigkeit der Kommission zur Prüfung dieses Falles konnte auch nur deshalb bejaht werden, weil diese beiden Gruppen von Rechtsgeschäften als Einheit betrachtet wurden und zusammen oberhalb der einschlägigen Umsatzschwellen lagen.

3.     Im Laufe des Fusionskontrollverfahrens identifizierte die Kommission Wettbewerbsprobleme. Zu deren Lösung boten Haniel und Cementbouw in einem ersten Entwurf jedoch nur Zusagen an, die auf einen Verzicht auf die zweite Gruppe von Rechtsgeschäften hinausliefen. Die Kommission lehnte diese Zusagen mangels Eignung zur Lösung der Wettbewerbsprobleme ab und genehmigte den Zusammenschluss erst, als weiter gehende Zusagen abgegeben wurden, die einen Verzicht auf die erste Gruppe von Rechtsgeschäften einschlossen.

4.     Vor Gericht argumentiert Cementbouw nun, die Kommission hätte diese weiter gehenden Zusagen gar nicht zur Grundlage ihrer Entscheidung machen dürfen. Denn schon der ursprünglich angebotene Verzicht der Unternehmen auf die zweite Gruppe von Rechtsgeschäften hätte laut Cementbouw dazu geführt, dass ein entscheidender Bestandteil des Zusammenschlusses weggefallen wäre und die Kommission insgesamt wegen Unterschreitens der Umsatzschwellenwerte ihre Zuständigkeit für den Fall verloren hätte.

II – Rechtlicher Rahmen

5.     Den rechtlichen Rahmen dieses Falles bildet die Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates vom 21. Dezember 1989 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (im Folgenden: Fusionskontrollverordnung – FkVO)(6) in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1310/97(7).

6.     Der sachliche Anwendungsbereich der Fusionskontrollverordnung wird in deren Art. 1 Abs. 1 zusammengefasst:

„Diese Verordnung gilt für alle Zusammenschlüsse von gemeinschaftsweiter Bedeutung …“

Ergänzend hierzu bestimmt der erste Halbsatz von Art. 22 Abs. 1 FkVO:

„Diese Verordnung gilt allein für Zusammenschlüsse im Sinne des Artikels 3; …“

7.     Art. 3 FkVO enthält eine Definition des Begriffs Zusammenschluss, die auszugsweise wie folgt lautet:

„(1)      Ein Zusammenschluss wird dadurch bewirkt, dass

a)      zwei oder mehr bisher voneinander unabhängige Unternehmen fusionieren oder dass

b)      –       eine oder mehrere Personen, die bereits mindestens ein Unternehmen kontrollieren, oder

–       ein oder mehrere Unternehmen

durch den Erwerb von Anteilsrechten oder Vermögenswerten, durch Vertrag oder in sonstiger Weise die unmittelbare oder mittelbare Kontrolle über die Gesamtheit oder über Teile eines oder mehrerer anderer Unternehmen erwerben.

…“

8.     Ob ein Zusammenschluss von gemeinschaftsweiter Bedeutung ist, richtet sich danach, ob der weltweite und der gemeinschaftsweite Gesamtumsatz der beteiligten Unternehmen bestimmte Schwellenwerte überschreitet, die in Art. 1 Abs. 2 und 3 FkVO niedergelegt sind. Der für den vorliegenden Fall relevante Art. 1 Abs. 2 FkVO hat folgenden Wortlaut:

„Ein Zusammenschluss im Sinne dieser Verordnung hat gemeinschaftsweite Bedeutung, wenn folgende Umsätze erzielt werden:

a)      ein weltweiter Gesamtumsatz aller beteiligten Unternehmen zusammen von mehr als 5 Milliarden ECU und

b)      ein gemeinschaftsweiter Gesamtumsatz von mindestens zwei beteiligten Unternehmen von jeweils mehr als 250 Millionen ECU;

dies gilt nicht, wenn die am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen jeweils mehr als zwei Drittel ihres gemeinschaftsweiten Gesamtumsatzes in einem und demselben Mitgliedstaat erzielen.“

9.     Zusammenschlüsse von gemeinschaftsweiter Bedeutung unterliegen einem Vollzugsverbot und sind bei der Kommission anzumelden (Art. 4 und 7 FkVO). Sie werden von dieser auf ihre Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt hin überprüft (Art. 2 Abs. 1 FkVO). Die Genehmigung oder Untersagung eines Zusammenschlusses hängt davon ab, ob er eine beherrschende Stellung begründet oder verstärkt, durch die wirksamer Wettbewerb im Gemeinsamen Markt oder in einem wesentlichen Teil desselben erheblich behindert würde (Art. 2 Abs. 2 und 3 FkVO).

10.   Eine Untersagung setzt stets ein förmliches Fusionskontrollverfahren voraus (sog. „Phase II“; vgl. Art. 6 Abs. 1 Buchst. c und Art. 8 Abs. 3 FkVO). Auch einer Genehmigung kann – wie im vorliegenden Fall geschehen – zunächst ein solches förmliches Verfahren vorausgehen(8). Zur Ausräumung etwaiger Wettbewerbsprobleme kann die Genehmigung mit Bedingungen und Auflagen verbunden werden. Zu diesem Zweck räumt Art. 8 Abs. 2 FkVO der Kommission folgende Entscheidungsbefugnisse ein:

„Stellt die Kommission fest, dass ein angemeldeter Zusammenschluss – gegebenenfalls nach entsprechenden Änderungen durch die beteiligten Unternehmen – dem in Artikel 2 Absatz 2 festgelegten Kriterium … entspricht, so trifft sie eine Entscheidung, mit der der Zusammenschluss für vereinbar mit dem Gemeinsamen Markt erklärt wird.

Sie kann diese Entscheidung mit Bedingungen und Auflagen verbinden, um sicherzustellen, dass die beteiligten Unternehmen den Verpflichtungen nachkommen, die sie gegenüber der Kommission hinsichtlich einer mit dem Gemeinsamen Markt zu vereinbarenden Gestaltung des Zusammenschlusses eingegangen sind. …“(9)

11.   In Art. 21 Abs. 1 und 2 FkVO werden die Zuständigkeiten für die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen wie folgt abgegrenzt:

„(1)      Vorbehaltlich der Nachprüfung durch den Gerichtshof ist die Kommission ausschließlich dafür zuständig, die in dieser Verordnung vorgesehenen Entscheidungen zu erlassen.

(2)      Die Mitgliedstaaten wenden ihr innerstaatliches Wettbewerbsrecht nicht auf Zusammenschlüsse von gemeinschaftsweiter Bedeutung an.

…“

12.   Zusätzlich stellt der 29. Erwägungsgrund der Fusionskontrollverordnung klar:

„Unternehmenszusammenschlüsse, die nicht unter diese Verordnung fallen, gehören grundsätzlich in den Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten. …“

13.   Im Jahr 2004 wurde die Fusionskontrollverordnung in wesentlichen Punkten geändert. Die neu gefasste EG-Fusionskontrollverordnung(10) findet jedoch ausweislich ihres Art. 26 Abs. 1 erst seit dem 1. Mai 2004 Anwendung und ist folglich für den vorliegenden Fall nicht relevant; auf Fälle wie den vorliegenden findet nach Abs. 2 jener Vorschrift weiterhin die alte Rechtslage Anwendung.

III – Sachverhalt und Verfahren

A –    Der Sachverhalt

14.   Auf der Grundlage der Feststellungen des Gerichts(11) lässt sich der Sachverhalt dieses Falles wie folgt zusammenfassen.

15.   Das Unternehmen CVK bestand seit 1947 und trat zunächst als gemeinsame Verkaufsorganisation für seine Mitgliedsunternehmen, die niederländischen Kalksandsteinhersteller, auf. Zur Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen seinen Mitgliedern wurde CVK 1989 in eine Genossenschaft niederländischen Rechts umgewandelt.

16.   Vor der Durchführung des Zusammenschlusses, der den Anlass für das vorliegende Gerichtsverfahren bildet, waren unter den elf Mitgliedsunternehmen von CVK fünf Tochtergesellschaften von Haniel, drei Tochtergesellschaften von Cementbouw, zwei Tochtergesellschaften von RAG(12) sowie ein Unternehmen, das im gemeinsamen Besitz von Haniel, Cementbouw und RAG stand.

17.   Im Jahr 1998 wurde bei der niederländischen Wettbewerbsbehörde, der „NMa“(13), ein Vorhaben angemeldet, das vorsah, dass die CVK die Kontrolle über ihre Mitgliedsunternehmen erwerben sollte. Die Übertragung der Kontrolle sollte durch den Abschluss eines „Poolingvertrags“ und eine Änderung der Satzung der CVK erfolgen. Mit Entscheidung vom 20. Oktober 1998 genehmigte die NMa das fragliche Vorhaben.

18.   Bevor allerdings dieses Vorhaben durchgeführt wurde, hatte sich die RAG entschlossen, ihre Anteile an den CVK-Mitgliedsunternehmen an Haniel und Cementbouw zu veräußern. Im März 1999 informierten die Beteiligten die NMa über ihre Absichten. Die NMa teilte ihnen mit Schreiben vom 26. März 1999 mit, die vorgesehene Veräußerung sei kein Zusammenschluss im Sinne der anwendbaren niederländischen Vorschriften(14), sofern das mit der Entscheidung vom 20. Oktober 1998 genehmigte Vorhaben spätestens zum Zeitpunkt der nunmehr beabsichtigten Veräußerung vollzogen sei.

19.   Am 9. August 1999 kam es zwischen den Beteiligten zu verschiedenen Rechtsgeschäften, die in zwei Gruppen zusammengefasst werden können: Zum einen schlossen die CVK und ihre Mitgliedsunternehmen den oben erwähnten Poolingvertrag(15); die Satzung der CVK wurde am selben Tag geändert, um den Bestimmungen des Poolingvertrags Rechnung zu tragen (erste Gruppe von Rechtsgeschäften). Zum anderen veräußerte die RAG – ebenfalls am 9. August 1999 – die Anteile, welche sie an drei der CVK-Mitgliedsunternehmen hielt, an Haniel und Cementbouw, die außerdem einen Kooperationsvertrag schlossen, der ihre Zusammenarbeit in der CVK regelte (zweite Gruppe von Rechtsgeschäften).

B –    Das Verfahren bei der Kommission, die Zusagen und die angefochtene Entscheidung

20.   Nachdem die Kommission bei der Prüfung zweier anderer von Haniel angemeldeter Zusammenschlüsse(16) von den Rechtsgeschäften vom 9. August 1999 erfahren hatte, teilte sie Cementbouw und den übrigen beteiligten Unternehmen mit Schreiben vom 22. Oktober 2001 mit, dass jener Vorgang bei ihr angemeldet werden müsse. Daraufhin meldeten Haniel und Cementbouw den Vorgang am 24. Januar 2002 gemäß Art. 4 FkVO bei der Kommission an.

21.   Am 25. Februar 2002 leitete die Kommission gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchst. c FkVO das förmliche Prüfverfahren ein, weil der bei ihr angemeldete Zusammenschluss Anlass zu ernsthaften Bedenken hinsichtlich seiner Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt und dem EWR-Abkommen(17) gebe.

22.   Nach Mitteilung der Beschwerdepunkte und Anhörung der Beteiligten durch die Kommission unterbreiteten Haniel und Cementbouw am 28. Mai 2002 einen Zusagenentwurf mit Zugeständnissen im Hinblick auf die zweite Gruppe von Rechtsgeschäften. Er sah im Wesentlichen vor, dass Haniel und Cementbouw ihren Kooperationsvertrag beenden und ihre 1999 von RAG erworbenen Beteiligungen an Mitgliedsunternehmen der CVK an einen unabhängigen dritten Erwerber veräußern würden. Hingegen sollten sowohl der Poolingvertrag als auch die Änderung der Satzung der CVK (erste Gruppe von Rechtsgeschäften) aufrechterhalten bleiben(18). Nach Ansicht der Kommission reichte dieser Zusagenentwurf nicht aus, um die von ihr festgestellten Wettbewerbsprobleme zu lösen, die nicht zuletzt mit dem Poolingvertrag, also mit der ersten Gruppe von Rechtsgeschäften, zusammenhingen.

23.   Daraufhin legten die beiden Unternehmen am 5. Juni 2002 endgültige Zusagen vor, in denen sie sich auch verpflichteten, innerhalb einer bestimmten Frist den Poolingvertrag aufzuheben, die Änderung der Satzung von CVK rückgängig zu machen und CVK aufzulösen(19).

24.   Am 26. Juni 2002 erließ die Kommission, gestützt auf Art. 8 Abs. 2 FkVO, die angefochtene Entscheidung(20), in der sie den angemeldeten Zusammenschluss für mit dem Gemeinsamen Markt und dem EWR-Abkommen vereinbar erklärte, wobei sie jedoch diese Genehmigung an die vollständige Erfüllung der von Haniel und Cementbouw am 5. Juni 2002 abgegebenen endgültigen Zusagen knüpfte. Insbesondere steht die Genehmigung des Zusammenschlusses auch unter der Bedingung, dass CVK im Einklang mit den endgültigen Zusagen von Haniel und Cementbouw innerhalb einer bestimmten Frist aufgelöst wird.

C –    Das gerichtliche Verfahren

25.   Gegen die angefochtene Entscheidung erhob Cementbouw am 11. September 2002 Klage zum Gericht erster Instanz und beantragte, jene Entscheidung für nichtig zu erklären sowie der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Demgegenüber beantragte die Kommission, die Klage abzuweisen und Cementbouw zur Kostentragung zu verurteilen.

26.   Das Gericht hat die angefochtene Entscheidung mit Urteil vom 23. Februar 2006 (im Folgenden: das angefochtene Urteil)(21) in vollem Umfang bestätigt. Es hat die Klage von Cementbouw abgewiesen und das Unternehmen zur Tragung der Kosten des Verfahrens verurteilt.

27.   Mit seinem Rechtsmittel, bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen am 4. Mai 2006, beantragt Cementbouw nunmehr,

–       das angefochtene Urteil aufzuheben,

–       den Rechtsstreit gegebenenfalls an das Gericht zur erneuten Entscheidung zurückzuweisen und

–       die Kommission zur Kostentragung zu verurteilen.

28.   Die Kommission beantragt ihrerseits,

–       das Rechtsmittel zurückzuweisen und

–       Cementbouw zur Kostentragung zu verurteilen.

29.   Vor dem Gerichtshof wurde über das Rechtsmittel zunächst schriftlich und sodann, am 22. März 2007, mündlich verhandelt.

IV – Würdigung

A –    Einleitende Bemerkungen

30.   Die Abgrenzung der jeweiligen Zuständigkeiten der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten ist keineswegs nur eine „verfassungsrechtliche“ Frage, wie sie im Rahmen des Primärrechts immer wieder diskutiert wird, zuletzt etwa anlässlich des Vertrags über eine Verfassung für Europa(22). Vielmehr stellt sich dieses Problem auch in der Alltagspraxis der Behörden auf Gemeinschaftsebene und auf nationaler Ebene. Die Fusionskontrolle ist ein besonders anschauliches Beispiel dafür.

31.   Im Grundsatz nimmt die Fusionskontrollverordnung eine klare Abgrenzung der Zuständigkeiten nach dem Prinzip der doppelten Ausschließlichkeit vor: Zusammenschlüsse von gemeinschaftsweiter Bedeutung werden ausschließlich von der Kommission als Wettbewerbsbehörde der Gemeinschaft geprüft, und sie werden von dieser ausschließlich am Maßstab der Fusionskontrollverordnung gemessen (Art. 21 Abs. 1 und Abs. 2 sowie Art. 22 Abs. 1 erster Halbsatz FkVO).

32.   Der vorliegende Fall verdeutlicht jedoch, dass es im Einzelfall gleichwohl streitig sein kann, welche Wettbewerbsbehörde in der Gemeinschaft zur Prüfung und Genehmigung eines Unternehmenszusammenschlusses zuständig ist.

33.   Die Kommission bejahte ihre Zuständigkeit hier(23), weil sie die beiden am 9. August 1999 geschlossenen Gruppen von Rechtsgeschäften(24) als Teile eines einheitlichen Vorgangs einstufte(25), der in seiner Gesamtheit die Kriterien für einen Zusammenschluss von gemeinschaftsweiter Bedeutung im Sinne von Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 und Abs. 2 FkVO erfüllte, insbesondere oberhalb der einschlägigen Umsatzschwellen lag. An dieser Zuständigkeit hielt die Kommission im weiteren Verlauf des Verfahrens fest, und zwar auch, als ihr die beteiligten Unternehmen bereits ihren Zusagenentwurf vom 28. Mai 2002 unterbreitet hatten, in dem sie bereit waren, auf einen Teil ihres Zusammenschlusses – die zweite Gruppe von Rechtsgeschäften – zu verzichten.

34.   In beiden Punkten griff Cementbouw die angefochtene Entscheidung vor dem Gericht erster Instanz an; das Unternehmen bestritt also sowohl die ursprüngliche Zuständigkeit der Kommission als auch deren Fortbestand zur Annahme von Zusagen, die über jene des Entwurfs vom 28. Mai 2002 hinausgingen. In beiden Punkten erhielt jedoch das Gericht die angefochtene Entscheidung aufrecht(26).

35.   Das Rechtsmittel von Cementbouw wirft nicht mehr alle Themen auf, die noch Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens waren. Es greift allein die Ausführungen des Gerichts zum Fortbestand der Zuständigkeit der Kommission nach dem Zusagenentwurf vom 28. Mai 2002 an. Hingegen hat Cementbouw insbesondere die Frage der ursprünglichen Zuständigkeit der Kommission, welche auf der Gesamtbetrachtung der beiden Gruppen von Rechtsgeschäften vom 9. August 1999 als einheitlichem Vorgang beruhte, nicht zum Gegenstand des vorliegenden Rechtsmittels gemacht.

B –    Zum ersten Rechtsmittelgrund

36.   Mit seinem ersten Rechtsmittelgrund rügt Cementbouw, das Gericht habe die Art. 1, 2 und 3 Abs. 1 FkVO rechtsfehlerhaft ausgelegt und angewendet(27). Es habe die angefochtene Entscheidung aufrecht erhalten, obwohl schon die von den beteiligten Unternehmen in ihrem Zusagenentwurf angebotenen Zugeständnisse im Fall ihrer Annahme zum Verlust der Zuständigkeit der Kommission geführt hätten. Die weiter gehenden endgültigen Zusagen von Haniel und Cementbouw hätte die Kommission somit mangels Zuständigkeit gar nicht mehr zur Grundlage für ihre Genehmigung des Zusammenschlusses machen dürfen.

37.   Im Kern argumentiert Cementbouw dabei wie folgt: Die Zuständigkeit der Kommission für den bei ihr angemeldeten Zusammenschluss habe sich allein aus einer Gesamtbetrachtung der beiden Gruppen von Rechtsgeschäften ergeben; nur beide zusammen hätten überhaupt zu einem Überschreiten der Umsatzschwellen des Art. 1 FkVO geführt und damit dem Zusammenschluss gemeinschaftsweite Bedeutung verliehen. Mit ihrem Zusagenentwurf hätten Haniel und Cementbouw jedoch angeboten, auf denjenigen Teil ihres Zusammenschlusses zu verzichten, welcher auf der zweiten Gruppe von Rechtsgeschäften beruhte. Schon mit einer solchen Umgestaltung des Zusammenschlusses wäre dieser unter die Umsatzschwellen der Fusionskontrollverordnung herabgesunken. Übrig geblieben wäre dann nur noch jener Teil, der auf die erste Gruppe von Rechtsgeschäften zurückging und für sich genommen mangels Erreichens der Umsatzschwellen keine gemeinschaftsweite Bedeutung gehabt hätte. Die Zuständigkeit der Kommission richte sich nicht nur nach dem angemeldeten, sondern auch nach dem tatsächlich existierenden Zusammenschluss.

38.   Um die Stichhaltigkeit dieser Argumentation zu überprüfen, ist zunächst zu ermitteln, welches in der Fusionskontrolle der maßgebliche Zeitpunkt für die Bestimmung der Zuständigkeit der Kommission ist (vgl. unten 1.); sodann ist zu erörtern, ob und inwieweit spätere Ereignisse noch Einfluss auf die einmal erworbene Zuständigkeit der Kommission haben können (vgl. unten 2.).

1.      Der relevante Zeitpunkt für die Bestimmung der Zuständigkeit der Kommission

39.   In der Fusionskontrollverordnung ist nicht ausdrücklich geregelt, auf welchen Zeitpunkt es für die Bestimmung der Zuständigkeit der Kommission zur Durchführung eines Fusionskontrollverfahrens ankommt. Die Verordnung lässt lediglich erkennen, dass die Kommission ihre eigene Zuständigkeit frühzeitig zu prüfen und auch über sie zu entscheiden hat (vgl. Art. 4 Abs. 3 und Art. 6 Abs. 1 FkVO)(28), nicht aber, welcher Zeitpunkt – und damit auch welche Tatsachenbasis – ihrer Prüfung zugrunde zu legen ist. Somit ist dieser relevante Zeitpunkt mit Blick auf den Sinn und Zweck der Zuständigkeitsvorschriften sowie auf deren Regelungszusammenhang zu ermitteln.

40.   Wie bereits erwähnt(29), beruht die Fusionskontrollverordnung auf dem Grundsatz einer exakten Verteilung der Zuständigkeiten zwischen den nationalen und gemeinschaftlichen Kontrollbehörden, wobei es in die ausschließliche Zuständigkeit der Kommission fällt, Entscheidungen über Zusammenschlüsse von gemeinschaftsweiter Bedeutung zu treffen(30).

41.   Ferner ist das von der Fusionskontrollverordnung geschaffene System von einem Beschleunigungsgebot geprägt, das vor allem durch ein fein austariertes, vergleichsweise strenges Fristenregime verwirklicht wird und eine Begrenzung der Dauer von Fusionskontrollverfahren bezweckt(31).

42.   Sowohl die Zuständigkeitsverteilung als auch das Beschleunigungsgebot dienen der Rechtssicherheit und bringen insgesamt das Ziel zum Ausdruck, die Erfordernisse einer ordnungsgemäßen Verwaltung mit denen des Geschäftslebens in Einklang zu bringen(32). Die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen durch die Kommission als Wettbewerbsbehörde der Gemeinschaft soll so effizient wie möglich ablaufen.

43.   Der Rechtssicherheit sowie der Effizienz der gemeinschaftsrechtlichen Fusionskontrolle dienen auch die Anmeldepflicht und das Vollzugsverbot, denen Zusammenschlüsse von gemeinschaftsweiter Bedeutung unterliegen (Art. 4 und 7 FkVO).

44.   Um aber größtmögliche Rechtssicherheit sowie eine ordnungsgemäße und effiziente Verwaltungstätigkeit innerhalb kurzer Fristen zu gewährleisten, muss sich die zur Prüfung eines Falls zuständige Wettbewerbsbehörde so früh wie möglich feststellen lassen.

45.   Denkbar wäre es, als Stichtag für die Feststellung der Zuständigkeit der Kommission den Zeitpunkt der Anmeldung eines Zusammenschlussvorhabens bei ihr anzusehen. Bei näherer Betrachtung kann dieser Zeitpunkt jedoch nicht ausschlaggebend sein. Denn ansonsten könnten die betroffenen Unternehmen durch eine frühere oder spätere Anmeldung jeweils willkürlich Einfluss auf die Zuständigkeitsverteilung nehmen(33). Außerdem muss aus der Sicht sorgfältiger Wirtschaftsteilnehmer schon vor der tatsächlichen Erfüllung einer etwaigen Anmeldepflicht objektiv feststellbar sein, ob ihr Zusammenschlussvorhaben in den Anwendungsbereich der Fusionskontrollverordnung und damit in die Zuständigkeit der Kommission fällt. Nur so können diese Wirtschaftsteilnehmer sich rechtmäßig verhalten und ihrer Anmeldepflicht sowie dem Vollzugsverbot, die jeweils bußgeldbewert sind(34), überhaupt zuverlässig nachkommen.

46.   Entscheidend ist deshalb allein die Sachlage, wie sie sich zum Zeitpunkt der Entstehung einer etwaigen Anmeldepflicht darstellt. Anders ausgedrückt ist die Zuständigkeit der Kommission mit Blick auf den Tag zu bestimmen, ab dem ein Zusammenschlussvorhaben gegebenenfalls bei ihr anzumelden ist(35). Dies ist der Tag, an dem sich die betroffenen Wirtschaftsteilnehmer vertraglich binden(36) (vgl. Art. 4 Abs. 1 FkVO)(37). Denn bereits zu jenem Zeitpunkt ist objektiv feststellbar, ob ein Zusammenschluss von gemeinschaftsweiter Bedeutung vorliegt oder nicht. Und bereits zu jenem Zeitpunkt setzt auch für die betroffenen Wirtschaftsteilnehmer das Vollzugsverbot der Fusionskontrollverordnung ein (vgl. Art. 7 Abs. 1 FkVO).

2.      Die Auswirkungen späterer Ereignisse auf die Zuständigkeit der Kommission

47.   Zu prüfen bleibt, ob und inwieweit spätere Ereignisse, insbesondere solche während eines laufenden Fusionskontrollverfahrens, noch Einfluss auf die einmal erworbene Zuständigkeit der Kommission haben können.

48.   Es versteht sich von selbst, dass die Kommission ihre Zuständigkeit zur Prüfung eines Zusammenschlusses verliert, wenn die beteiligten Unternehmen ihr – noch nicht vollzogenes – Zusammenschlussvorhaben wieder vollständig aufgeben(38). Das Fusionskontrollverfahren wird dann nämlich gegenstandslos(39).

49.   Keineswegs gegenstandslos wird dieses Verfahren hingegen dann, wenn die beteiligten Unternehmen lediglich bestimmte Änderungen an ihrem Zusammenschluss vornehmen, ohne diesen jedoch vollständig aufzugeben. Selbst wenn nämlich solche Änderungen sehr weitgehend sind und aus Sicht der beteiligten Unternehmen den Kern ihres Zusammenschlusses betreffen(40), verbleibt doch ein Teil des Zusammenschlusses – im vorliegenden Fall die erste Gruppe von Rechtsgeschäften –, der nach dem Willen der Parteien auch weiterhin Bestand haben soll. Anders als Cementbouw meint, liegt darin ein qualitativer Unterschied zur vollständigen Aufgabe des Zusammenschlusses.

50.   Erst recht kann das Verfahren nicht gegenstandslos werden, wenn die beteiligten Unternehmen der Kommission, wie hier, bestimmte Änderungen nur zusagen, ohne sie sogleich in die Tat umzusetzen. Denn entgegen der Auffassung von Cementbouw verändern solche bloßen Zusagen nicht unmittelbar die Realität des von den Unternehmen vertraglich vereinbarten Zusammenschlusses und dessen wirtschaftliche Auswirkungen, zumal wenn dieser, wie im vorliegenden Fall, bereits vollzogen ist.

51.   Allgemeiner ausgedrückt darf der bloße Umstand, dass Unternehmen während eines laufenden Fusionskontrollverfahrens bestimmte Änderungen an ihrem Zusammenschluss vornehmen oder auch nur zusagen, keinen Einfluss auf die einmal erworbene Zuständigkeit der Kommission haben. Ist nämlich, wie im vorliegenden Fall, weiterhin die Verwirklichung des Zusammenschlusses bzw. die Aufrechterhaltung des bereits vollzogenen Zusammenschlusses beabsichtigt, und sei es auch unter Inkaufnahme wesentlicher Abstriche von dessen ursprünglicher Gestaltung, so bleibt die Prüfung seiner Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt gerechtfertigt.

52.   Hierfür spricht auch die Zielsetzung, mit der solche Änderungen an einem Zusammenschluss während eines Fusionskontrollverfahrens vorgenommen oder zugesagt werden: Art. 8 Abs. 2 der Fusionskontrollverordnung(41) stellt klar, dass Änderungen und Zusagen (und damit die „Verpflichtungen“) der Herstellung einer mit dem Gemeinsamen Markt vereinbaren Gestaltung des Zusammenschlusses dienen. Sie sind also bei näherer Betrachtung lediglich dazu bestimmt, der Kommission eine wirksame Ausübung ihrer Befugnisse im Rahmen des Fusionskontrollverfahrens zu ermöglichen, nicht aber, ihr die Zuständigkeit über einen Fall zu entziehen.

53.   Werden nur Änderungen an einem Zusammenschluss vorgenommen oder zugesagt, ohne dass dieser Zusammenschluss vollständig aufgegeben würde, so verliert auch das bereits erwähnte Ziel, in der Fusionskontrolle größtmögliche Rechtssicherheit sowie eine ordnungsgemäße und effiziente Verwaltungstätigkeit zu gewährleisten(42), nichts von seiner Bedeutung.

54.   Weder mit dem Erfordernis der Rechtssicherheit noch mit den Anforderungen an eine ordnungsgemäße und effiziente Verwaltungstätigkeit innerhalb kurzer Fristen wäre es vereinbar, wenn die Zuständigkeit der Kommission während eines laufenden Fusionskontrollverfahrens immer wieder in Frage gestellt werden könnte oder ständigen Veränderungen unterworfen wäre.

55.   Ansonsten wäre zu befürchten, dass ein Fall ziellos zwischen der Kommission und einer oder mehreren nationalen Wettbewerbsbehörden hin und her wandert, was seine wettbewerbsrechtliche Prüfung deutlich langsamer und aufwändiger gestalten sowie mit zahlreichen Unsicherheiten befrachten würde, nicht nur für die betroffenen Behörden, sondern auch für die beteiligten Unternehmen und für die Märkte. Außerdem wäre nicht auszuschließen, dass die beteiligten Unternehmen während eines laufenden Fusionskontrollverfahrens gezielt Änderungen an ihrem Zusammenschlussvorhaben vornehmen, um es der Zuständigkeit einer Wettbewerbsbehörde zu entziehen und in die Zuständigkeit einer anderen, vermeintlich milder gestimmten Behörde zu bringen; es könnte also zu einer Art „forum shopping“ kommen.

56.   Dementsprechend verlangt auch die Fusionskontrollverordnung der Kommission an keiner Stelle eine erneute Prüfung ihrer Zuständigkeit ab, wenn die beteiligten Unternehmen ihren Zusammenschluss ändern oder dies auch nur zusagen. Ob die in Art. 1 FkVO festgelegten Umsatzschwellen überschritten sind, hat die Kommission vielmehr bereits vor der Einleitung eines förmlichen Verfahrens („Phase II“), während der so genannten Vorprüfungsphase, („Phase I“) festzustellen. Grundlage hierfür ist gemäß Art. 6 Abs. 1 FkVO allein der bei ihr angemeldete Zusammenschluss. Die in Art. 8 Abs. 2 FkVO vorgeschriebene Berücksichtigung späterer Änderungen an dem angemeldeten Zusammenschluss dient lediglich der Feststellung seiner Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt. Eine erneute Entscheidung der Kommission über ihre Zuständigkeit ist in Art. 8 Abs. 2 FkVO(43), anders als in Art. 6 Abs. 1 FkVO, gerade nicht vorgesehen(44).

3.      Zwischenergebnis

57.   Als Zwischenergebnis ist somit festzuhalten, dass für die Bestimmung der Zuständigkeit der Kommission zur Durchführung eines Fusionskontrollverfahrens allein der Tag maßgeblich ist, ab dem ein Zusammenschlussvorhaben bei der Kommission anzumelden ist. Spätere Änderungen an einem Zusammenschluss haben keinen Einfluss mehr auf die Zuständigkeit der Kommission, es sei denn, sie führen unmittelbar zur vollständigen Aufgabe des Vorhabens.

58.   Es steht fest, dass der Zusagenentwurf der Unternehmen Haniel und Cementbouw vom 28. Mai 2002 selbst im Fall seiner Verwirklichung lediglich zu einem Verzicht auf die zweite Gruppe von Rechtsgeschäften geführt, aber die erste Gruppe von Rechtsgeschäften auf jeden Fall unberührt gelassen hätte.

59.   Vor diesem Hintergrund ist das Gericht zu Recht davon ausgegangen, dass jener Zusagenentwurf den Zusammenschluss nicht in seiner Existenz berühren konnte(45), dass die Zuständigkeit der Kommission folglich fortbestand(46) und sie die endgültigen Zusagen von Haniel und Cementbouw vom 5. Juni 2002 noch zur Grundlage für ihre Genehmigung des Zusammenschlusses machen durfte.

60.   Der erste Rechtsmittelgrund ist somit unbegründet.

C –    Zum zweiten Rechtsmittelgrund

61.   Mit seinem zweiten Rechtsmittelgrund rügt Cementbouw, das Gericht habe Art. 8 Abs. 2 FkVO rechtsfehlerhaft ausgelegt und angewendet sowie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt.

62.   Im Kern bringt Cementbouw hier dieselben Argumente vor wie schon im Rahmen seines ersten Rechtsmittelgrundes: Das Gericht habe verkannt, dass die Kommission bereits zur Annahme des Zusagenentwurfs von Haniel und Cementbouw vom 28. Mai 2002 verpflichtet gewesen sei. Schon die Umsetzung jenes Zusagenangebots hätte nämlich nach Auffassung von Cementbouw dem Zusammenschluss seine gemeinschaftsweite Bedeutung genommen. Übrig geblieben wäre dann lediglich noch die erste Gruppe von Rechtsgeschäften(47), die für sich genommen gar nicht hätte in die Zuständigkeit der Kommission fallen können.

63.   Wie ich bereits zum ersten Rechtsmittelgrund ausgeführt habe(48), ist diese Argumentation nicht stichhaltig. Im Folgenden beschränke ich mich deshalb allein auf die Erörterung zweier zusätzlicher Argumente von Cementbouw, die das Unternehmen speziell im Rahmen seines zweiten Rechtsmittelgrundes vorbringt.

1.      Zur Rüge der Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit

64.   Zunächst wirft Cementbouw dem Gericht vor, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt zu haben. Zu Unrecht gehe das Gericht davon aus, dass die Kommission nicht schon den Zusagenentwurf vom 28. Mai 2002, sondern erst die endgültigen Zusagen vom 5. Juni 2002 annehmen musste.

65.   Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist ein allgemeiner Rechtsgrundsatz des Gemeinschaftsrechts(49). Aus ihm folgt nach ständiger Rechtsprechung, dass die Handlungen der Gemeinschaftsorgane nicht die Grenzen dessen überschreiten dürfen, was zur Erreichung der mit der fraglichen Regelung verfolgten berechtigten Ziele geeignet und erforderlich ist, wobei dann, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastende anzuwenden ist und die verursachten Nachteile nicht außer Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen dürfen(50).

66.   Auch Entscheidungen der Kommission in Fusionskontrollverfahren müssen den Anforderungen der Verhältnismäßigkeit genügen und unterliegen insoweit gerichtlicher Kontrolle. Dies gilt nicht nur für Untersagungsentscheidungen gemäß Art. 8 Abs. 3 FkVO und Entflechtungsentscheidungen gemäß Art. 8 Abs. 4 FkVO, sondern auch für Genehmigungsentscheidungen gemäß Art. 8 Abs. 2 FkVO, sofern diese mit Bedingungen und Auflagen versehen sind. Die beteiligten Unternehmen können nämlich ein reales Interesse daran haben, solche sie belastenden Elemente von Genehmigungsentscheidungen gerichtlich überprüfen zu lassen, mit dem Ziel, sich eine bedingungs- und auflagenfreie Genehmigung oder jedenfalls eine Genehmigung unter weniger weitgehenden Bedingungen und Auflagen zu erstreiten(51).

67.   Allerdings erfordert die Entscheidung über die Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Gemeinsamen Markt von der Kommission die Beurteilung komplexer wirtschaftlicher Zusammenhänge, für die sie einen Beurteilungsspielraum genießt(52). Dieser Beurteilungsspielraum muss sich auch auf die Frage erstrecken, ob der Kommission angebotene Zusagen geeignet sind, ein von ihr identifiziertes Wettbewerbsproblem zu lösen.

68.   Dabei ist es zwar Aufgabe des Gemeinschaftsrichters, die sachliche Richtigkeit der angeführten Beweise, ihre Zuverlässigkeit und ihre Kohärenz zu prüfen; außerdem hat er zu kontrollieren, ob diese Beweise alle relevanten Daten darstellen, die bei der Beurteilung der komplexen Situation heranzuziehen waren, und ob sie die aus ihnen gezogenen Schlüsse zu stützen vermögen(53). Er ist jedoch nicht berufen, seine eigene Beurteilung hinsichtlich der Eignung von Zusagen an die Stelle der Beurteilung der Kommission zu setzen.

69.   Bei der gerichtlichen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit einer mit Bedingungen und Auflagen versehenen Genehmigungsentscheidung ist außerdem zu berücksichtigen, dass die Bedingungen und Auflagen auf freiwilligen Zusagen der beteiligten Unternehmen beruhen. Es spricht also eine starke Vermutung dafür, dass die Unternehmen selbst die von ihnen abgegebenen Zusagen für geeignet, erforderlich und angemessen hielten, um ein von der Kommission identifiziertes Wettbewerbsproblem zu lösen, zumal aus Sicht der betroffenen Unternehmen eine bedingte Genehmigung im Verhältnis zur Untersagung ihres Zusammenschlusses in der Regel ein milderes Mittel darstellt. Deshalb müssten außergewöhnliche Umstände vorliegen, um anzunehmen, dass eine Entscheidung der Kommission, die sich auf freiwillige Zusagen der Betroffenen stützt, nicht mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar ist.

70.   Im vorliegenden Fall meint Cementbouw scheinbar, das Gericht hätte solche außergewöhnlichen Umstände deshalb annehmen müssen, weil es sich um einen bereits vollzogenen Zusammenschluss gehandelt habe, dessen Anmeldung die Kommission „unter Androhung von Geldbußen“(54) erzwungen habe. Besonders ihre Befugnis, gegebenenfalls eine Entflechtung gemäß Art. 8 Abs. 4 FkVO anzuordnen, habe es der Kommission erlaubt, von den beteiligten Unternehmen Zusagen zu erwirken, die sie ansonsten nicht erlangt hätte.

71.   Dieses Vorbringen(55) überzeugt mich nicht. Dass ein Zusammenschluss ohne entsprechende Befreiung vom Vollzugsverbot bereits vor seiner Anmeldung bei der Kommission vollzogen wird, liegt im alleinigen Verantwortungsbereich der beteiligten Unternehmen und ist in keiner Weise geeignet, außergewöhnliche Umstände zu begründen. Dass die Kommission ferner im Fall eines rechtswidrig vollzogenen Zusammenschlusses Geldbußen verhängen und gegebenenfalls eine Entflechtung anordnen kann, folgt bereits aus der Fusionskontrollverordnung(56). Sofern die Kommission ihre diesbezüglichen Befugnisse während des Verfahrens den beteiligten Unternehmen gegenüber zur Sprache bringt, weist sie lediglich auf die Rechtslage hin und unternimmt keineswegs einen außergewöhnlichen Schritt. Auch an der Freiwilligkeit der von den Unternehmen gemachten Zusagen ändert dies nichts.

72.   In seiner Rechtsmittelschrift scheint Cementbouw dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit außerdem entnehmen zu wollen, dass Zusagen der beteiligten Unternehmen auf jeden Fall dann ausreichen und von der Kommission angenommen werden müssen, wenn sie einem Zusammenschluss seine gemeinschaftsweite Bedeutung nehmen, ihn also unter die Umsatzschwellen des Art. 1 FkVO herabsinken lassen; weiter gehende Zusagen dürfe die Kommission gar nicht zur Grundlage ihrer Entscheidung machen.

73.   Auch dieses Argument, an dem Cementbouw übrigens in der mündlichen Verhandlung nicht mehr uneingeschränkt festhielt, ist nicht stichhaltig. Maßstab für die Prüfung der Verhältnismäßigkeit von Bedingungen oder Auflagen ist nicht, ob nach ihrer Erfüllung der Zusammenschluss noch gemeinschaftsweite Bedeutung hat, sondern ob die von den betroffenen Unternehmen eingegangenen Verpflichtungen „dem Wettbewerbsproblem gerecht werden und dieses völlig aus dem Weg räumen“(57). Das mit den Bedingungen und Auflagen verfolgte, legitime Ziel ist allein der Schutz des Wettbewerbs innerhalb des Binnenmarkts vor Verfälschungen(58), wozu eine mit dem Gemeinsamen Markt vereinbare Gestaltung von Zusammenschlüssen erforderlich ist. Allein im Hinblick auf dieses Ziel müssen etwaige Bedingungen und Auflagen der Kommission geeignet, erforderlich und angemessen sein.

74.   Es wäre widersinnig, wenn die Kommission Zusagen wie die im Entwurf vom 28. Mai 2002 enthaltenen allein deshalb annehmen müsste, weil sie dem Zusammenschluss die gemeinschaftsweite Bedeutung nehmen, ohne dass überhaupt geprüft werden müsste, ob diese Zusagen zur Lösung des von der Kommission identifizierten Wettbewerbsproblems geeignet sind.

75.   Das Gericht hat somit keinen Rechtsfehler begangen, als es einen Verstoß der Kommission gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verneinte(59).

2.      Zur Beachtlichkeit von Entscheidungen nationaler Wettbewerbsbehörden

76.   Ferner wirft Cementbouw dem Gericht vor, es habe „nicht erklärt“, wieso die Kommission in der angefochtenen Entscheidung zu einem Ergebnis kommen könne, das dem der nationalen niederländischen Wettbewerbsbehörde (NMa) diametral entgegengesetzt sei. Dabei nimmt Cementbouw auf die Genehmigung der Poolingvereinbarung durch die NMa Bezug(60). Das Gericht habe der Kommission zu Unrecht erlaubt, sich ohne hinreichende Begründung über die bereits erfolgte eingehende Prüfung der für den vorliegenden Fall maßgeblichen Wettbewerbssituation durch eine nationale Wettbewerbsbehörde hinwegzusetzen.

77.   Wie Cementbouw jedoch selbst einräumt, sind Entscheidungen nationaler Wettbewerbsbehörden in Verfahren der Fusionskontrolle für die Kommission nicht bindend. Ich füge hinzu, dass im Normalfall eine solche Bindungswirkung aufgrund der klaren Zuständigkeitsverteilung(61) in der Fusionskontrollverordnung auch gar nicht denkbar ist: Sowohl die Kommission als auch die nationalen Behörden entscheiden ausschließlich in ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereichen, die sich im Übrigen nicht überschneiden(62).

78.   Der vorliegende Fall zeichnet sich allerdings durch die Besonderheit aus, dass die erste Gruppe von Rechtsgeschäften sowohl im Verfahren vor der NMa als auch im späteren Verfahren vor der Kommission eine Rolle spielte. Zwar hatten beide Verfahren formal betrachtet nicht denselben Gegenstand, weil die erste Gruppe von Rechtsgeschäften von der NMa isoliert geprüft wurde, während sie von der Kommission als Teil eines Gesamtvorhabens untersucht wurde, das neben der ersten auch die zweite Gruppe von Rechtsgeschäften umfasste. Zutreffend ist aber, dass beide Behörden im Rahmen ihrer jeweiligen Verfahren die erste Gruppe von Rechtsgeschäften wettbewerbsrechtlich gewürdigt haben.

79.   Daraus folgt allerdings noch nicht, dass die Kommission inhaltlich an die zeitlich frühere Beurteilung der ersten Gruppe von Rechtsgeschäften durch die NMa gebunden gewesen wäre. Auch bewirkt die bloße Existenz der früheren Entscheidung der NMa, entgegen der Auffassung von Cementbouw in der mündlichen Verhandlung, keine Einschränkung des Beurteilungsspielraums der Kommission.

80.   Vielmehr ging aufgrund des Hinzutretens der zweiten Gruppe von Rechtsgeschäften die Zuständigkeit für die wettbewerbsrechtliche Beurteilung des Gesamtvorhabens ausschließlich auf die Kommission über. Inhaltlich bindend sind dabei für die Kommission allein die Kriterien, die Art. 2 FkVO ihr für die Prüfung der Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Gemeinsamen Markt vorgibt. Anhand dieser Kriterien hat sie jeden Fall umfassend zu prüfen und muss sich dabei gegebenenfalls mit denselben Tatsachen und Wettbewerbsproblemen auseinandersetzen, wie dies bereits die nationale Behörde in einer vergleichbaren Lage getan hat. Eine Pflicht zur inhaltlichen Ausrichtung der Entscheidung der Kommission an derjenigen einer nationalen Behörde folgt jedoch aus Art. 2 FkVO nicht.

81.   Vor diesem Hintergrund war das Gericht von vornherein nicht gehalten, „zu erklären“, warum die Kommission bei der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung der ersten Gruppe von Rechtsgeschäften zu einem anderen Ergebnis kommen konnte als die NMa. Vielmehr liegt es in der Natur der Sache und bedarf keiner näheren Erläuterung, dass verschiedene Behörden in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbereich und unter Ausschöpfung ihres Beurteilungsspielraums vergleichbare Probleme unterschiedlich lösen können(63).

82.   Nur der Vollständigkeit halber sei bemerkt, dass Cementbouw auch in keiner Weise darauf vertrauen konnte, auf Gemeinschaftsebene würden die wettbewerblichen Auswirkungen der ersten Gruppe von Rechtsgeschäften im selben Sinne beurteilt, wie dies zuvor die NMa getan hatte. Wie die Kommission zu Recht hervorhebt, hat das Unternehmen die erste Gruppe von Rechtsgeschäften nämlich niemals in der von der NMa genehmigten Form vollzogen, sondern selbst dazu beigetragen, dass sie erst zusammen mit einer zweiten Gruppe von Rechtsgeschäften, d. h. als Teil eines größeren Zusammenschlusses, abgeschlossen und verwirklicht wurden.

83.   Nach alledem ist festzuhalten, dass auch der zweite Rechtsmittelgrund insgesamt unbegründet ist.

D –    Zwischenergebnis

84.   Nachdem keiner der von Cementbouw vorgebrachten Rechtsmittelgründe Aussicht auf Erfolg hat, bin ich der Auffassung, dass das Rechtsmittel in seiner Gesamtheit zurückzuweisen ist.

V –    Kosten

85.   Gemäß Art. 69 § 2 in Verbindung mit Art. 118 und Art. 122 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission einen entsprechenden Antrag gestellt hat und Cementbouw mit seinem Vorbringen unterlegen ist, sind Cementbouw die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.

VI – Ergebnis

86.   Aufgrund der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, wie folgt zu entscheiden:

1)      Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

2)      Cementbouw Handel & Industrie BV hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.


1 – Originalsprache: Deutsch.


2 – Unter Fusionskontrolle wird gemeinhin die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen verstanden, gleichviel, ob es sich um Fusionen im eigentlichen Sinne des Wortes oder um andere Formen von Unternehmenszusammenschlüssen handelt.


3 – Cementbouw Handel & Industrie BV (Cementbouw) ist in den Niederlanden auf dem Baustoffmarkt sowie allgemeiner auf dem Baumarkt, dem Logistikmarkt und dem Markt für Grundstoffhandel tätig.


4 – Die deutsche Gesellschaft Franz Haniel & Cie. GmbH (Haniel) ist im Baustoffsektor tätig.


5 – Coöperatieve Verkoop- en Produktievereniging van Kalkzandsteenproducenten.


6 – ABl. L 395, S. 1, nach Berichtigung erneut veröffentlicht im ABl. 1990, L 257, S. 13.


7 – Verordnung (EG) Nr. 1310/97 des Rates vom 30. Juni 1997 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (ABl. L 180, S. 1, mit Berichtigungen im ABl. 1998, L 3, S. 16, und ABl. 1998, L 40, S. 17).


8 – Gibt ein Zusammenschluss, wie dies in der Praxis häufig der Fall ist, schon gar keinen Anlass zu ernsthaften Bedenken hinsichtlich seiner Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt, so erfolgt seine Genehmigung ohne Einleitung eines förmlichen Fusionskontrollverfahrens nach einer bloßen Vorprüfung (sog. „Phase I“). Gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchst. b FkVO trifft die Kommission in solchen Fällen die Entscheidung, keine Einwände zu erheben, und erklärt den Zusammenschluss für vereinbar mit dem Gemeinsamen Markt.


9 –      Auch eine im Vorprüfungsverfahren ergangene Genehmigungsentscheidung kann zur Ausräumung etwaiger Wettbewerbsprobleme mit Bedingungen und Auflagen versehen werden (Art. 6 Abs. 2 FkVO in der Fassung der Verordnung Nr. 1310/97).


10 – Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates vom 20. Januar 2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen („EG-Fusionskontrollverordnung“), ABl. L 24, S. 1 (im Folgenden auch: Verordnung Nr. 139/2004).


11 – Vgl. insbesondere die Randnrn. 4 bis 8 des Urteils des Gerichts erster Instanz vom 23. Februar 2006, Cementbouw Handel & Industrie/Kommission (T-282/02, Slg. 2006, II-319).


12 – RAG AG, Deutschland (früher: Ruhrkohle AG).


13 – Nederlandse Mededingingssautoriteit.


14 – Art. 27 des Gesetzes vom 22. Mai 1997 mit neuen Vorschriften über den wirtschaftlichen Wettbewerb (Wet van 22 mei 1997 houdende nieuwe regels omtrent de economische mededinging – Mededingingswet –, Stb. 1997, Nr. 242).


15 – Vgl. Nr. 17 dieser Schlussanträge.


16 – Sachen COMP/M.2495 – Haniel/Fels und COMP/M.2568 – Haniel/Ytong.


17 – Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum (ABl. 1994, L 1, S. 3).


18 – Randnr. 295 des angefochtenen Urteils und 127. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung.


19 – Randnr. 298 des angefochtenen Urteils und 129. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung.


20 – Entscheidung 2003/756/EG der Kommission vom 26. Juni 2002 zur Erklärung der Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit dem Gemeinsamen Markt und dem EWR-Abkommen [Sache COMP/M.2650 – Haniel/Cementbouw/JV (CVK)], bekannt gegeben unter Aktenzeichen K(2003) 2315 (ABl. 2003, L 282, S. 1, mit Berichtigung in ABl. 2003, L 285, S. 52).


21 – Rechtssache T-282/02, Urteil zitiert in Fn. 11.


22 – Unterzeichnet in Rom am 29. Oktober 2004 (ABl. C 310, S. 1).


23 – Vgl. insbesondere die Erwägungsgründe 12 bis 32 der angefochtenen Entscheidung.


24 – Vgl. dazu Nr. 9 dieser Schlussanträge.


25 – Im Schrifttum wurde dies wie folgt kommentiert: „Cette affaire est-elle un exemple de l’échec d’un mécano juridique trop subtil sous-estimant le pouvoir des autorités de la concurrence de s’attacher à la réalité économique plus qu’à la forme juridique d’une opération ? Les montages les plus savants sont parfois fragiles ...“ (Cot, Revue des droits de la concurrence 2006, S. 108, 109).


26 – Randnrn. 101 bis 149 sowie 293 bis 321 des angefochtenen Urteils.


27 – Soweit Cementbouw in seinem zweiten Rechtsmittelgrund auch eine Verletzung von Art. 8 Abs. 2 FkVO unter Zuständigkeitsgesichtspunkten rügt, gelten die folgenden Ausführungen entsprechend.


28 – Zur Pflicht der Kommission, über ihre Zuständigkeit zu entscheiden, vgl. auch das Urteil vom 25. September 2003, Schlüsselverlag J. S. Moser u. a./Kommission (C-170/02 P, Slg. 2003, I‑9889, Randnr. 28).


29 – Vgl. oben, Nr. 31 dieser Schlussanträge.


30 – Urteile Schlüsselverlag J. S. Moser u. a./Kommission (zitiert in Fn. 28, Randnrn. 32 und 34), und vom 22. Juni 2004, Portugal/Kommission (C-42/01, Slg. 2004, I-6079, Randnrn. 50 und 53).


31 – Urteile Schlüsselverlag J. S. Moser u. a./Kommission (zitiert in Fn. 28, Randnr. 33) und Portugal/Kommission (zitiert in Fn. 30, Randnr. 51); vgl. auch das Urteil des Gerichts erster Instanz vom 27. November 1997, Kaysersberg/Kommission (T-290/94, Slg. 1997, II-2137, Randnr. 113).


32 – Urteile Schlüsselverlag J. S. Moser u. a./Kommission (zitiert in Fn. 28, Randnrn. 33 und 34) und Portugal/Kommission (zitiert in Fn. 30, Randnrn. 51 und 53).


33 – Wie der vorliegende Fall zeigt, ist es durchaus denkbar, dass trotz der strengen Frist von einer Woche, innerhalb derer die Pflicht zur Anmeldung zu erfüllen war (Art. 4 Abs. 1 FkVO), die tatsächliche Anmeldung erst geraume Zeit nach Abschluss der zivilrechtlichen Verträge erfolgt. In der Zwischenzeit könnten sich die relevanten Umsätze der beteiligten Unternehmen ändern, was entscheidende Auswirkungen für das Über- oder Unterschreiten der Schwellenwerte gemäß Art. 1 FkVO haben könnte. Erst recht könnte dies im Anwendungsbereich der neu gefassten EG-Fusionskontrollverordnung (Verordnung Nr. 139/2004) der Fall sein, in deren Art. 4 Abs. 1 überhaupt keine konkrete Frist mehr für die Erfüllung der Pflicht zur Anmeldung vorgesehen ist.


34 – Art. 14 Abs. 1 Buchst. a und Abs. 2 Buchst. b FkVO.


35 – Ob ein noch früherer Zeitpunkt maßgeblich ist, etwa der Zeitpunkt des Entschlusses zum Abschluss eines Fusionsvertrags (vgl. Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 139/2004), bedarf im vorliegenden Fall keiner Klärung. Denn die Möglichkeit einer solchen freiwilligen Vorverlegung des Zeitpunkts der Anmeldung besteht nur im Rahmen der neu gefassten EG-Fusionskontrollverordnung und ist in der hier noch anwendbaren Verordnung Nr. 4064/89 nicht vorgesehen.


36 – Im selben Sinne das Urteil des Gerichts erster Instanz vom 28. September 2004, MCI/Kommission (T-310/00, Slg. 2004, II-3253, Randnr. 89): „Die Befugnis der Kommission … hängt, wie es Artikel 4 der Verordnung Nr. 4064/89 klar zum Ausdruck bringt, davon ab, dass es zu einem auf Zusammenschluss gerichteten ‚Vertragsabschluss‘ kommt“. Die Kommission ist, so fährt das Gericht fort, „zum Erlass einer Entscheidung nach der Verordnung Nr. 4064/89 nicht vor einem solchen Vertragsabschluss befugt“ (Hervorhebung von mir).


37 – Der vertraglichen Bindung stehen die Veröffentlichung eines Kauf- oder Tauschangebots oder der Erwerb einer die Kontrolle begründenden Beteiligung gleich (Art. 4 Abs. 1 FkVO).


38 – In diesem Sinne auch das Urteil MCI/Kommission (zitiert in Fn. 36, insbesondere Randnrn. 96 und 107).


39 – In der neu gefassten EG-Fusionskontrollverordnung (Verordnung Nr. 139/2004) findet dieser Gedanke im letzten Halbsatz von Art. 6 Abs. 1 Buchst. c seinen Niederschlag.


40 – Cementbouw spricht im vorliegenden Fall davon, dass bereits der Zusagenentwurf vom 28. Mai 2002 zu einem Wegfall der „essence“ bzw. des „constitutive element“ des Zusammenschlusses geführt hätte (vgl. Randnrn. 11, 13 und 17 der Rechtsmittelschrift).


41 – Entsprechendes gilt bei Genehmigungen in der Vorprüfungsphase („Phase I“) gemäß Art. 6 Abs. 2 der Fusionskontrollverordnung in der Fassung der Verordnung Nr. 1310/97.


42 – Vgl. oben, Nrn. 40 bis 44 dieser Schlussanträge.


43 – Eine entsprechende Regelung findet sich für die Vorprüfungsphase in Art. 6 Abs. 2 FkVO in der Fassung der Verordnung Nr. 1310/97.


44 – Cementbouw stützt sich in seiner Rechtsmittelschrift u. a. auf das Urteil des Gerichts erster Instanz vom 24. März 1994, Air France/Kommission, „Dan Air“ (T-3/93, Slg. 1994, II-121, Randnr. 102). Jenes Urteil befasst sich jedoch mit der Zuständigkeit der Kommission zum Zeitpunkt der Entstehung der Anmeldepflicht. Über eine etwaige Pflicht der Kommission zur erneuten Prüfung ihrer Zuständigkeit infolge späterer Ereignisse gibt jenes Urteil keinen Aufschluss.


45 – Randnr. 301, letzter Satz, des angefochtenen Urteils.


46 – Randnr. 302 des angefochtenen Urteils.


47 – Cementbouw hebt in diesem Zusammenhang die Poolingvereinbarung besonders hervor.


48 – Vgl. soeben, insbesondere Nrn. 39 bis 60 dieser Schlussanträge.


49 – Vgl. statt vieler Urteil vom 10. Januar 2006, IATA und ELFAA (C-344/04, Slg. 2006, I-403, Randnr. 79).


50 – So, speziell für den Fall einer Entscheidung, das Urteil vom 9. März 2006, Zuid-Hollandse Milieufederatie und Natuur en Milieu (C-174/05, Slg. 2006, I-2443, Randnr. 28).


51 – Sofern die Bedingungen und Auflagen – wie regelmäßig – untrennbar mit der eigentlichen Genehmigung des Zusammenschlusses verknüpft sind, ist ihre isolierte Anfechtung jedoch nicht zulässig (in diesem Sinne die ständige Rechtsprechung; vgl. statt vieler Urteil vom 27. Juni 2006, Parlament/Rat, C-540/03, Slg. 2006, I-5769, Randnrn. 27 und 28). Anfechtbar ist dann nur die mit Bedingungen und Auflagen versehene Genehmigungsentscheidung als Ganze, mit dem Ziel, eine vollständige Neubewertung des Zusammenschlusses durch die Kommission im Sinne von Art. 10 Abs. 5 FkVO zu erwirken.


52 – Urteile vom 31. März 1998, Frankreich u. a./Kommission, „Kali & Salz“ (C-68/94 und C-30/95, Slg. 1998, I-1375, Randnrn. 223 und 224), und vom 15. Februar 2005, Kommission/Tetra Laval (C-12/03 P, Slg. 2005, I-987, Randnrn. 38 bis 40).


53 – Urteil Kommission/Tetra Laval (zitiert in Fn. 52, Randnr. 39).


54 – In der Verfahrenssprache: „under threat of fines“.


55 – Das Vorbringen von Cementbouw zu diesem Problem ist zulässig, weil es nicht die Tatsachen- und Beweiswürdigung des Gerichts hinterfragt, sondern auf die rechtliche Qualifizierung der Umstände des vorliegenden Falls als außergewöhnlich abzielt. Dabei handelt es sich um eine Rechtsfrage, für die der Gerichtshof im Rechtsmittelverfahren zuständig ist; vgl. etwa das Urteil vom 6. April 2006, General Motors/Kommission (C-551/03 P, Slg. 2006, I-3173, Randnr. 51), sowie die Urteile vom 21. September 2006, Nederlandse Federatieve Vereniging voor de Groothandel op Elektrotechnisch Gebied/Kommission (C-105/04 P, Slg. 2006, I-8725, Randnr. 69), und Technische Unie/Kommission (C-113/04 P, Slg. 2006, I-8831, Randnr. 82).


56 – Zu den Geldbußen vgl. Art. 14 Abs. 2 Buchst. b FkVO, zur Entflechtung Art. 8 Abs. 4 FkVO.


57 – Vgl. hierzu den 8. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1310/97. Dasselbe gilt im Übrigen im Anwendungsbereich der neu gefassten EG-Fusionskontrollverordnung (30. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 139/2004).


58 – Art. 3 Abs. 1 Buchst. g EG und 1. Erwägungsgrund der Fusionskontrollverordnung (bzw. 2. Erwägungsgrund der neu gefassten EG-Fusionskontrollverordnung).


59 – Randnrn. 303 ff. des angefochtenen Urteils.


60 – Vgl. oben, Nr. 17 dieser Schlussanträge.


61 – Vgl. oben, Nrn. 31 und 40 dieser Schlussanträge.


62 – Die nationalen Wettbewerbsbehörden können lediglich nach Art. 19 FkVO ihren Standpunkt in das Verfahren bei der Kommission einbringen.


63 – Auch im transatlantischen Bereich ist dieses Phänomen keineswegs unbekannt; so ist etwa die Kommission in der Sache COMP/M.2220 – General Electric/Honeywell zu einem deutlich anderen Ergebnis gelangt als die US-amerikanischen Behörden.

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