Choose the experimental features you want to try

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 62005TJ0041

Urteil des Gerichts (Vierte Kammer) vom 12. Oktober 2011.
Alliance One International, Inc. gegen Europäische Kommission.
Wettbewerb - Kartelle - Spanischer Markt für den Kauf und die Erstverarbeitung von Rohtabak - Entscheidung, mit der eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG festgestellt wird - Preisfestsetzung und Marktaufteilung - Geldbußen - Zurechnung des rechtswidrigen Verhaltens - Obergrenze von 10 % des Umsatzes - Abschreckungswirkung - Mildernde Umstände.
Rechtssache T-41/05.

Sammlung der Rechtsprechung 2011 II-07101

ECLI identifier: ECLI:EU:T:2011:586

Rechtssache T‑41/05

Alliance One International Inc.

gegen

Europäische Kommission

„Wettbewerb – Kartelle – Spanischer Markt für den Kauf und die Erstverarbeitung von Rohtabak – Entscheidung, mit der eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG festgestellt wird – Preisfestsetzung und Marktaufteilung – Geldbußen – Zurechenbarkeit der Zuwiderhandlung – Obergrenze von 10 % des Umsatzes – Abschreckungswirkung – Mildernde Umstände“

Leitsätze des Urteils

1.      Wettbewerb – Gemeinschaftsvorschriften – Zuwiderhandlungen – Zurechnung – Muttergesellschaft und Tochtergesellschaften – Wirtschaftliche Einheit – Beurteilungskriterien – Vermutung, dass die Muttergesellschaft einen bestimmenden Einfluss auf Tochtergesellschaften ausübt, deren Kapital sie zu 100 % hält

(Art. 81 EG)

2.      Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Höchstbetrag – Berechnung – Zu berücksichtigender Umsatz

(Verordnungen des Rates Nr. 17, Art. 15 Abs. 2, und Nr. 1/2003, Art. 23 Abs. 2)

3.      Wettbewerb – Gemeinschaftsvorschriften – Zuwiderhandlungen – Zurechnung – Muttergesellschaft und Tochtergesellschaften – Wirtschaftliche Einheit – Beurteilungskriterien – Beachtung des Grundsatzes der Gleichbehandlung durch die Kommission

(Art. 81 EG)

4.      Wettbewerb – Gemeinschaftsvorschriften – Zuwiderhandlungen – Zurechnung – Muttergesellschaft und Tochtergesellschaften – Wirtschaftliche Einheit – Beurteilungskriterien – Eigenständigkeit der Tochtergesellschaft

(Art. 81 EG)

5.      Nichtigkeitsklage – Gründe – Fehlende oder unzureichende Begründung

(Art. 230 EG und 253 EG)

6.      Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Mildernde Umstände

(Verordnungen des Rates Nr. 17, Art. 15 Abs. 2, und Nr. 1/2003, Art. 23 Abs. 2; Mitteilung 98/C 9/03 der Kommission, Nr. 3 dritter Gedankenstrich)

7.      Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Abschreckungswirkung der Geldbuße

(Verordnungen des Rates Nr. 17, Art. 15 Abs. 2, und Nr. 1/2003, Art. 23 Abs. 2; Mitteilung 98/C 9/03 der Kommission)

1.      In Wettbewerbssachen kann einer Muttergesellschaft das Verhalten ihrer Tochtergesellschaft insbesondere dann zugerechnet werden, wenn die Tochtergesellschaft trotz eigener Rechtspersönlichkeit ihr Marktverhalten nicht autonom bestimmt, sondern im Wesentlichen Weisungen der Muttergesellschaft befolgt, und zwar vor allem wegen der wirtschaftlichen, organisatorischen und rechtlichen Bindungen, die die beiden Rechtssubjekte verbinden.

In einem solchen Fall sind nämlich die Muttergesellschaft und ihre Tochtergesellschaft Teile ein und derselben wirtschaftlichen Einheit und bilden damit ein einziges Unternehmen. Nicht ein zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft in Bezug auf die Zuwiderhandlung bestehendes Anstiftungsverhältnis und erst recht nicht eine Beteiligung der Muttergesellschaft an dieser Zuwiderhandlung, sondern der Umstand, dass beide ein einziges Unternehmen im Sinne von Art. 81 EG bilden, gestattet es somit der Kommission, eine Entscheidung, mit der Geldbußen verhängt werden, an die Muttergesellschaft zu richten.

Die Kommission kann sich nicht mit der Feststellung begnügen, dass die Muttergesellschaft in der Lage sei, einen bestimmenden Einfluss auf das Verhalten ihrer Tochtergesellschaft auszuüben, sondern muss auch prüfen, ob ein solcher Einfluss tatsächlich ausgeübt wurde.

In dem besonderen Fall, dass eine Muttergesellschaft 100 % des Kapitals ihrer Tochtergesellschaft hält, die gegen die Wettbewerbsregeln verstoßen hat, kann zum einen diese Muttergesellschaft einen bestimmenden Einfluss auf das Verhalten dieser Tochtergesellschaft ausüben und besteht zum anderen eine einfache Vermutung, dass diese Muttergesellschaft tatsächlich einen bestimmenden Einfluss auf das Verhalten ihrer Tochtergesellschaft ausübt.

Unter diesen Umständen genügt es, dass die Kommission nachweist, dass die Muttergesellschaft das gesamte Kapital der Tochtergesellschaft hält, um anzunehmen, dass sie einen bestimmenden Einfluss auf die Geschäftspolitik dieser Tochtergesellschaft ausübt. Die Kommission kann in der Folge die Muttergesellschaft für die Zahlung der gegen ihre Tochtergesellschaft verhängten Geldbuße gesamtschuldnerisch zur Haftung heranziehen, sofern die Muttergesellschaft, der es obliegt, diese Vermutung zu widerlegen, keine ausreichenden Beweise dafür erbringt, dass ihre Tochtergesellschaft auf dem Markt eigenständig auftritt.

Die aus dem Besitz des gesamten Kapitals abgeleitete Vermutung kann nicht nur dann gelten, wenn eine unmittelbare Beziehung zwischen der Muttergesellschaft und ihrer Tochtergesellschaft besteht, sondern auch in Fällen, in denen diese Beziehung durch eine dazwischengeschaltete Tochtergesellschaft mittelbar ist.

(vgl. Randnrn. 92-96, 98)

2.     Die Kommission kann nach Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 gegen Unternehmen, die eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 Abs. 1 EG begangen haben, durch Entscheidung Geldbußen von bis zu 10 % des von dem einzelnen an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen im letzten Geschäftsjahr erzielten Umsatzes festsetzen. Dieselbe Angabe war in Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 enthalten.

Der in diesen Bestimmungen genannte Umsatz bezieht sich auf den Gesamtumsatz des betreffenden Unternehmens, also des Unternehmens, dem die Zuwiderhandlung zugerechnet wurde und das daher für verantwortlich erklärt wurde.

Der Begriff „letztes Geschäftsjahr“ in Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 ist dahin zu verstehen, dass er das letzte Geschäftsjahr vor dem Erlass der Entscheidung der Kommission bezeichnet, außer in den besonderen Situationen, in denen der Umsatz dieses letzten Geschäftsjahrs kein geeigneter Anhaltspunkt für die tatsächliche wirtschaftliche Situation des betroffenen Unternehmens und für die angemessene Höhe der gegen das Unternehmen zu verhängenden Geldbuße ist.

Nimmt die Kommission das Bestehen einer wirtschaftlichen Einheit zwischen einer Muttergesellschaft und ihrer Tochtergesellschaft an und macht diese Muttergesellschaft deshalb für die Zuwiderhandlung und die Zahlung der Geldbuße gesamtschuldnerisch haftbar und nimmt sie in den Kreis der Adressaten ihrer Entscheidung auf, kann die Kommission somit zu Recht auch auf den konsolidierten Umsatz der Muttergesellschaft in dem Jahr, das demjenigen vorausging, in dem ihre Entscheidung erlassen wurde, abstellen, um die Obergrenze von 10 % nach Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 zu berechnen.

(vgl. Randnrn. 99-101, 165-166)

3.     Die Kommission muss, wenn sie in einer Sache, in der es um eine Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln der Union unter Beteiligung mehrerer verschiedener Unternehmen geht, innerhalb des von der Rechtsprechung gesetzten Rahmens eine bestimmte Methode wählt, um festzustellen, ob von einer Verantwortlichkeit sowohl der Tochtergesellschaften, die die Zuwiderhandlung materiell begangen haben, als auch ihrer Muttergesellschaften auszugehen ist, zu diesem Zweck bei allen betroffenen Unternehmen dieselben Kriterien anwenden, sofern keine außergewöhnlichen Umstände vorliegen. Die Kommission muss nämlich den Grundsatz der Gleichbehandlung beachten, der verlangt, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleichbehandelt werden, es sei denn, eine solche Behandlung ist objektiv gerechtfertigt.

(vgl. Randnr. 123)

4.      In Wettbewerbssachen ist die Eigenständigkeit einer Tochtergesellschaft gegenüber ihrer Muttergesellschaft nicht ausschließlich anhand ihrer Tätigkeit im Bereich der von der Zuwiderhandlung betroffenen Waren zu beurteilen. Für die Feststellung, ob eine Tochtergesellschaft ihr Marktverhalten eigenständig bestimmt, sind alle erheblichen Gesichtspunkte im Zusammenhang mit den wirtschaftlichen, organisatorischen und rechtlichen Bindungen zwischen Tochter- und Muttergesellschaft zu berücksichtigen, die sich je nach Fall unterschiedlich darstellen können und deren abschließende Aufzählung deshalb nicht möglich ist.

So kann der Umstand, dass die Muttergesellschaft keine Mechanismen zur Überwachung der Tätigkeiten ihrer Tochtergesellschaft in dem von der Zuwiderhandlung betroffenen Bereich eingerichtet hat, nicht zum Nachweis dessen ausreichen, dass sie auf dem Markt eigenständig gehandelt hat. Das Gleiche gilt für das Fehlen von Anordnungen oder Weisungen der Muttergesellschaft an die Tochtergesellschaft in Bezug auf deren Einkaufspolitik oder die Treffen mit den anderen Kartellteilnehmern.

(vgl. Randnrn. 158, 160)

5.      Im Rahmen einer Nichtigkeitsklage stellt ein Klagegrund, mit dem eine fehlende oder unzulängliche Begründung eines Rechtsakts gerügt wird, einen Gesichtspunkt dar, den der Unionsrichter von Amts wegen prüfen kann und muss und der daher von den Parteien in jedem Stadium des Verfahrens geltend gemacht werden kann.

(vgl. Randnr. 170)

6.      Im Rahmen eines Verstoßes gegen die Wettbewerbsregeln der Union kann die Beendigung der Zuwiderhandlung nach dem ersten Eingreifen der Kommission logischerweise nur dann einen mildernden Umstand bilden, wenn es Gründe für die Annahme gibt, dass die fraglichen Unternehmen durch dieses Eingreifen zur Beendigung ihres wettbewerbswidrigen Verhaltens veranlasst wurden, während der Fall, dass die Zuwiderhandlung bereits vor dem ersten Eingreifen der Kommission beendet worden war, Nr. 3 dritter Gedankenstrich der Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS festgesetzt werden, nicht unterfällt.

Selbst wenn die Kommission annimmt, dass die Zuwiderhandlung an dem Tag beendet worden sei, an dem sie ihre ersten Nachprüfungen vorgenommen hat, kann sie völlig zu Recht davon absehen, diese Beendigung als mildernden Umstand zu berücksichtigen. Eine Herabsetzung der Geldbuße wegen der Beendigung einer Zuwiderhandlung nach dem ersten Eingreifen der Kommission kann nämlich nicht automatisch eintreten, sondern hängt von einer Bewertung der Umstände des Einzelfalls durch die Kommission im Rahmen ihres Ermessens ab. Insoweit erscheint die Anwendung von Nr. 3 dritter Gedankenstrich der Leitlinien zugunsten eines Unternehmens besonders angezeigt, wenn der wettbewerbswidrige Charakter des fraglichen Verhaltens nicht offenkundig ist. Umgekehrt erscheint ihre Anwendung grundsätzlich weniger angebracht, wenn das fragliche Verhalten, sofern es erwiesen ist, klar wettbewerbswidrig ist.

(vgl. Randnrn. 192, 194)

7.      Bilden im Rahmen eines Verstoßes gegen die Wettbewerbsregeln der Union eine Muttergesellschaft und ihre Tochtergesellschaft in dem Jahr, das dem Erlass der Entscheidung der Kommission, mit der eine Geldbuße verhängt wurde, vorausging, zusammen ein einziges Unternehmen, kann die Kommission zu Abschreckungszwecken einen Multiplikator anwenden, der auf die Größe und die Gesamtressourcen des betreffenden Unternehmens in diesem Jahr gestützt ist.

Dass die Größe und die Gesamtressourcen des betreffenden Unternehmens berücksichtigt werden, um eine Abschreckungswirkung der Geldbuße sicherzustellen, findet seinen Grund in der angestrebten Wirkung auf dieses Unternehmen, da die Sanktion insbesondere in Anbetracht von dessen Wirtschaftskraft nicht unerheblich sein darf. Um die Abschreckungswirkung einer Geldbuße für ein Unternehmen, das für eine Zuwiderhandlung verantwortlich ist, ermessen zu können, ist daher nicht die Situation zu berücksichtigen, wie sie zu Beginn der Zuwiderhandlung bestand. Eine solche Berücksichtigung könnte entweder zu einer Geldbuße führen, die zu niedrig wäre, um abschreckend genug zu sein, falls der Umsatz des betreffenden Unternehmens inzwischen gestiegen ist, oder aber zu einem höheren Geldbußenbetrag als dem für die Abschreckungswirkung erforderlichen, falls der Umsatz des betreffenden Unternehmens inzwischen zurückgegangen ist.

(vgl. Randnrn. 210-211)







URTEIL DES GERICHTS (Vierte Kammer)

12. Oktober 2011(*)

„Wettbewerb – Kartelle – Spanischer Markt für den Kauf und die Erstverarbeitung von Rohtabak – Entscheidung, mit der eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG festgestellt wird – Preisfestsetzung und Marktaufteilung – Geldbußen – Zurechenbarkeit der Zuwiderhandlung – Obergrenze von 10 % des Umsatzes – Abschreckungswirkung – Mildernde Umstände“

In der Rechtssache T‑41/05

Alliance One International, Inc., ehemals Dimon Inc., mit Sitz in Danville, Virginia (USA), Prozessbevollmächtigte: zunächst Rechtsanwälte L. Bergkamp, H. Cogels, J. Dhont, M. Marañon Hermoso und A. Emch, dann Rechtsanwälte M. Odriozola Alén, J. Folguera Crespo, P. Vidal Martínez, M. Barrantes Diaz und A. João Vide,

Klägerin,

gegen

Europäische Kommission, vertreten zunächst durch É. Gippini Fournier und F. Amato, dann durch E. Gippini Fournier, N. Khan und J. Bourke als Bevollmächtigte,

Beklagte,

wegen teilweiser Nichtigerklärung der Entscheidung K(2004) 4030 endg. der Kommission vom 20. Oktober 2004 in einem Verfahren nach Artikel 81 Absatz 1 [EG] (Sache COMP/C.38.238/B.2 – Rohtabak – Spanien), hilfsweise Herabsetzung der mit dieser Entscheidung gegen die Klägerin verhängten Geldbuße,

erlässt

DAS GERICHT (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten O. Czúcz sowie der Richterin I. Labucka und des Richters K. O’Higgins (Berichterstatter),

Kanzler: C. Kantza, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 17. Juni 2009

folgendes

Urteil

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

1.     Klägerin und Verwaltungsverfahren

1        Die Klägerin, die Dimon Inc., jetzt Alliance One International, Inc., ist eine amerikanische Gesellschaft mit Sitz in Virginia (USA). Sie ist die Muttergesellschaft einer Gruppe von etwa 100 im Tabaksektor tätigen Gesellschaften (im Folgenden: Dimon-Gruppe). Ihr Haupttätigkeitsbereich ist die Belieferung von Zigarettenherstellern mit verarbeitetem Tabak. Zu diesem Zweck bezieht sie u. a. bei der Agroexpansión, SA, verarbeiteten Tabak.

2        Agroexpansión ist eines von vier Erstverarbeitungsunternehmen für Rohtabak in Spanien (im Folgenden: Verarbeiter).

3        Die drei anderen Verarbeiter sind die Compañia española de tabaco en rama SA (im Folgenden: Cetarsa), die Tabacos Españoles SL (im Folgenden: Taes) und die World Wide Tobacco España SA (im Folgenden: WWTE).

4        Ursprünglich war Agroexpansión ein Familienunternehmen. Sie war im Jahr 1988 von Herrn B. gegründet worden, der bis Ende 2004 ihr Generaldirektor war. Von 1994 bis 1997 wurde ihr Gesellschaftskapital zu gleichen Teilen von der Ehefrau von Herrn B. und einer spanischen Gesellschaft, der WW Marpetrol SA, gehalten.

5        Am 18. November 1997 erwarb die Intabex Netherlands BV (im Folgenden: Intabex) sämtliche Anteile an Agroexpansión. Intabex gehörte damals zur Intabex-Unternehmensgruppe, die im April 1997 von der Klägerin erworben worden war.

6        Am 3. und 4. Oktober 2001 nahm die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, der Informationen über angebliche Verstöße der Verarbeiter und der spanischen Rohtabakerzeuger gegen Art. 81 EG vorlagen, Nachprüfungen gemäß Art. 14 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln [81 EG] und [82 EG] (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204) in den Geschäftsräumen dreier dieser Verarbeiter, nämlich Agroexpansión, Cetarsa und WWTE, sowie der Asociación Nacional de Empresas Transformadoras de Tabaco (im Folgenden: Anetab) vor.

7        Die Kommission führte auch Nachprüfungen am 3. Oktober 2001 in den Geschäftsräumen der Maison des métiers du tabac und der Fédération européenne des transformateurs de tabac und am 5. Oktober 2001 bei der Federación nacional de cultivadores de tabaco (im Folgenden: FNCT) durch.

8        Unter Berufung auf die Mitteilung der Kommission über die Nichtfestsetzung oder die niedrigere Festsetzung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. 1996, C 207, S. 4, im Folgenden: Mitteilung über Zusammenarbeit) kündigten die Verarbeiter und die Anetab der Kommission mit Schreiben vom 16. Januar 2002 an, dass sie bereit seien, mit ihr zusammenzuarbeiten.

9        Mit Schreiben vom 21. Januar 2002 übermittelten sie der Kommission bestimmte Informationen.

10      Der Kommission wurden von Agroexpansión, Cetarsa und WWTE mit Schreiben vom 15. Februar 2002 und von Taes mit Schreiben vom 18. Februar 2002 zusätzliche Informationen übermittelt.

11      Danach richtete die Kommission gemäß Art. 11 der Verordnung Nr. 17 mehrere Auskunftsverlangen an die spanischen Verarbeiter, an die Anetab sowie die FNCT. Sie ersuchte auch das spanische Ministerium für Landwirtschaft, Fischerei und Ernährung um Auskünfte über die für landwirtschaftliche Erzeugnisse geltende spanische Regelung.

12      Am 11. Dezember 2003 leitete die Kommission das der vorliegenden Rechtssache zugrunde liegende Verfahren ein und erließ eine Mitteilung der Beschwerdepunkte, die sie an 20 Unternehmen oder Zusammenschlüsse richtete, darunter die Verarbeiter, die Klägerin, Intabex, die Anetab, die FNCT und die Deltafina SpA. Deltafina ist eine italienische Gesellschaft, deren Haupttätigkeit in der Erstverarbeitung von Rohtabak in Italien und dem Inverkehrbringen von verarbeitetem Tabak besteht. Sie gehört zu derselben Unternehmensgruppe wie Taes, einer Gruppe, an deren Spitze eine amerikanische Gesellschaft, die Universal Corp., steht.

13      Die betreffenden Unternehmen und Zusammenschlüsse erhielten mittels einer ihnen übersandten CD-ROM Zugang zu den Untersuchungsakten der Kommission und nahmen zu den Beschwerdepunkten der Kommission schriftlich Stellung.

14      Am 29. März 2004 fand eine Anhörung statt.

15      Nach Anhörung des Beratenden Ausschusses für Kartell- und Monopolfragen und in Kenntnis des Abschlussberichts des Anhörungsbeauftragten in dieser Sache erließ die Kommission am 20. Oktober 2004 die Entscheidung K(2004) 4030 endg. in einem Verfahren nach Artikel 81 Absatz 1 [EG] (Sache COMP/C.38.238/B.2 − Rohtabak – Spanien) (im Folgenden: angefochtene Entscheidung), von der eine Zusammenfassung im Amtsblatt der Europäischen Union vom 19. April 2007 (ABl. L 102, S. 14) veröffentlicht wurde.

2.     Angefochtene Entscheidung

16      Die angefochtene Entscheidung betrifft zwei auf dem spanischen Markt für Rohtabak gegründete und durchgeführte horizontale Kartelle.

17      Das erste Kartell, das die Verarbeiter und Deltafina betraf, zielte darauf ab, jedes Jahr zwischen 1996 und 2001 den (maximalen) durchschnittlichen Lieferpreis für jede Sorte Rohtabak – alle Qualitäten – festzulegen und die Mengen jeder Rohtabaksorte aufzuteilen, die die einzelnen Verarbeiter bei den Erzeugern kaufen konnten (vgl. u. a. die Erwägungsgründe 74 bis 76 und 276 der angefochtenen Entscheidung). Von 1999 bis 2001 vereinbarten die Verarbeiter und Deltafina untereinander auch die Preisklassen für jede Qualitätsstufe der in den Tabellen im Anhang zu den „Anbauverträgen“ enthaltenen einzelnen Rohtabaksorten sowie „zusätzliche Bedingungen“, d. h. den durchschnittlichen Mindestpreis pro Erzeuger und den durchschnittlichen Mindestpreis pro Erzeugergemeinschaft (vgl. u. a. Erwägungsgründe 77 bis 83 und 276 der angefochtenen Entscheidung).

18      Das vorstehend in Randnr. 17 beschriebene Kartell wird im Folgenden als „Verarbeiterkartell“ bezeichnet.

19      Das zweite in der angefochtenen Entscheidung festgestellte Kartell umfasste die drei in Spanien bestehenden landwirtschaftlichen Verbände, nämlich die Asociación agraria de jóvenes agricultores (im Folgenden: ASAJA), die Unión de pequeños agricultores (im Folgenden: UPA) und die Coordinadora de organizaciones de agricultores y ganaderos (im Folgenden: COAG) sowie die Confederación de cooperativas agrarias de España (im Folgenden: CCAE). Dieses Kartell sollte jedes Jahr zwischen 1996 und 2001 die Preisklassen für die einzelnen Qualitätsstufen der in den Tabellen im Anhang zu den „Anbauverträgen“ enthaltenen einzelnen Rohtabaksorten sowie die „zusätzlichen Bedingungen“ festlegen (vgl. u. a. Erwägungsgründe 77 bis 83 und 277 der angefochtenen Entscheidung).

20      Das vorstehend in Randnr. 19 beschriebene Kartell wird im Folgenden als „Erzeugervertreterkartell“ bezeichnet.

21      In der angefochtenen Entscheidung vertritt die Kommission die Ansicht, dass beide Kartelle jeweils eine einzige und fortgesetzte Zuwiderhandlung gegen Art. 81 Abs. 1 EG seien (vgl. insbesondere Erwägungsgründe 275 bis 277 der angefochtenen Entscheidung).

22      In Art. 1 der angefochtenen Entscheidung machte die Kommission für das Verarbeiterkartell die Verarbeiter, Deltafina, die Klägerin und die Muttergesellschaften der WWTE, also die Standard Commercial Corp. (im Folgenden: SCC), die Standard Commercial Tobacco Co., Inc. (im Folgenden: SCTC) und die Trans-Continental Leaf Tobacco Corp. Ltd (im Folgenden: TCLT), und für das Erzeugervertreterkartell die ASAJA, die UPA, die COAG und die CCAE (im Folgenden zusammen: Erzeugervertreter) verantwortlich.

23      In Art. 2 der angefochtenen Entscheidung gab die Kommission den genannten Unternehmen und den Erzeugervertretern auf, die in Art. 1 bezeichneten Zuwiderhandlungen unverzüglich einzustellen, falls nicht bereits geschehen, und sich zukünftig jeder einschränkenden Praxis mit gleicher oder entsprechender Zielsetzung oder Wirkung zu enthalten.

24      In Art. 3 der angefochtenen Entscheidung verhängte die Kommission Geldbußen gegen die genannten Unternehmen und gegen die Erzeugervertreter und machte die Klägerin für die Zahlung der gegen Agroexpansión verhängten Geldbuße sowie SCC, SCTC und TCLT für die Zahlung der gegen WWTE verhängten Geldbuße gesamtschuldnerisch haftbar (vgl. nachstehende Randnrn. 61 und 62).

3.     Adressaten der angefochtenen Entscheidung

25      Abschnitt 2.4 der angefochtenen Entscheidung befasst sich mit der Frage nach den Adressaten (Erwägungsgründe 357 bis 400 der angefochtenen Entscheidung).

26      Darin führte die Kommission zunächst aus, es stehe fest, dass die Verarbeiter und Deltafina am Verarbeiterkartell und die Vertreter der Erzeuger am Erzeugervertreterkartell unmittelbar beteiligt gewesen seien, so dass alle diese Unternehmen und Zusammenschlüsse „die Verantwortung für die Zuwiderhandlung zu tragen haben und folglich Adressaten der [angefochtenen Entscheidung] sind“ (Erwägungsgründe 357 und 358 der angefochtenen Entscheidung). In den Erwägungsgründen 359 bis 369 der angefochtenen Entscheidung geht die Kommission näher auf die Rolle von Deltafina im Verarbeiterkartell ein.

27      Sie prüfte sodann die Frage der Zurechenbarkeit der Zuwiderhandlung einer Tochtergesellschaft an deren Muttergesellschaft, die sich hier in drei Fällen stelle, nämlich in Bezug auf Agroexpansión, WWTE und Taes (Erwägungsgründe 370 bis 400 der angefochtenen Entscheidung).

28      Die Kommission wies dazu als Erstes auf die ihrer Ansicht nach in diesem Bereich anwendbaren Grundsätze hin (Erwägungsgründe 371 bis 374 der angefochtenen Entscheidung).

29      Im Einzelnen führte sie Folgendes aus:

–        Für die Entscheidung, ob eine Muttergesellschaft als für das rechtswidrige Verhalten ihrer Tochtergesellschaft verantwortlich angesehen werden könne, müsse festgestellt werden, ob die Tochtergesellschaft „ihr Vorgehen auf dem Markt nicht autonom bestimmt, sondern im Wesentlichen Weisungen der Muttergesellschaft befolgt“ (Urteil des Gerichtshofs vom 14. Juli 1972, Imperial Chemical Industries/Kommission, 48/69, Slg. 1972, 619, Randnrn. 132 und 133);

–        nach ständiger Rechtsprechung sei, wenn die Muttergesellschaft das gesamte Kapital ihrer Tochtergesellschaft halte, die Annahme zulässig, dass die Erstgenannte tatsächlich einen entscheidenden Einfluss auf das Verhalten der Zweitgenannten ausübe (Urteile des Gerichtshofs vom 25. Oktober 1983, AEG-Telefunken/Kommission, 107/82, Slg. 1983, 3151, Randnr. 50, und vom 16. November 2000, Stora Kopparbergs Bergslags/Kommission, C-286/98 P, Slg. 2000, I-9925, Randnr. 29; Urteil des Gerichts vom 20. April 1999, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, „PVC II“, T‑305/94 bis T-307/94, T-313/94 bis T-316/94, T-318/94, T-325/94, T-328/94, T-329/94 und T-335/94, Slg. 1999, II-931, Randnr. 961 und 984);

–        diese Annahme könne durch „besondere Umstände des Einzelfalls“ untermauert werden;

–        im Fall von nicht zu 100 % beherrschten Tochtergesellschaften könne eine Muttergesellschaft nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs die Politik ihrer Tochtergesellschaft beeinflussen, wenn sie zum Zeitpunkt der Zuwiderhandlung die Kapitalmehrheit an dieser halte (Urteil Imperial Chemical Industries/Kommission, Randnr. 136) oder wenn sie „ständig“ über die Praktiken dieser Tochtergesellschaft auf dem Laufenden gehalten werde und deren Verhalten unmittelbar bestimme (Urteil AEG-Telefunken/Kommission, Randnr. 52);

–        nach ständiger Rechtsprechung sei im Rahmen des Wettbewerbsrechts unter dem Begriff des Unternehmens eine im Hinblick auf den Gegenstand der jeweiligen Vereinbarung bestehende wirtschaftliche Einheit zu verstehen, selbst wenn diese wirtschaftliche Einheit rechtlich aus mehreren natürlichen oder juristischen Personen gebildet werde (Urteil des Gerichts vom 20. März 2002, HFB u. a./Kommission, T-9/99, Slg. 2002, II-1487, Randnr. 66, unter Verweis auf das Urteil des Gerichtshofs vom 12. Juli 1984, Hydrotherm Gerätebau, 170/83, Slg. 1984l, 2999, Randnr. 11).

30      Als Zweites führte die Kommission, bevor sie die Fälle von Agroexpansión und von WWTE näher prüft, im 375. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung aus:

„Im vorliegenden Fall werden drei der vier spanischen Verarbeiter von Rohtabak (zu 100 % oder zu 90 %) von multinationalen US-Unternehmen beherrscht. Es gibt weitere tatsächliche Gesichtspunkte, die die Annahme bestätigen, dass das Verhalten von Agroexpansión und von WWTE ihren jeweiligen Muttergesellschaften zuzurechnen ist. In diesen Fällen sind beide Gesellschaften – Muttergesellschaft und Tochtergesellschaft – als gesamtschuldnerisch für die in [der angefochtenen] Entscheidung festgestellten Zuwiderhandlungen haftbar anzusehen.“

31      Im 376. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung fügte die Kommission hinzu:

„[Demgegenüber] hat sich nach Absendung der Mitteilung der Beschwerdepunkte und nach Anhörung der Beteiligten erwiesen, dass die in den Akten enthaltenen Beweise eine ähnliche Schlussfolgerung in Bezug auf die Beteiligungen von Universal … und von Universal Leaf [Tobacco Co. Inc.] an Taes und Deltafina nicht rechtfertigen konnten. Abgesehen vom gesellschaftlichen Bindeglied zwischen den Muttergesellschaften und ihren Tochtergesellschaften enthalten nämlich die Akten keinen Hinweis auf irgendeine materielle Verwicklung von Universal … und von Universal Leaf in den in der [angefochtenen] Entscheidung behandelten Sachverhalt. Eine Entscheidung in dieser Sache an sie zu richten, wäre deshalb nicht angebracht. Gleiches gälte erst recht für Intabex, da ihre 100%ige Beteiligung an Agroexpansión rein finanziell war.“

32      In den Erwägungsgründen 377 bis 386 der angefochtenen Entscheidung prüfte die Kommission den Fall von Agroexpansión und der Dimon-Gruppe.

33      Sie wies insbesondere darauf hin, dass Agroexpansión seit dem zweiten Halbjahr 1997 vollständig von der Klägerin kontrolliert worden sei, und zwar über deren 100%ige Tochtergesellschaft Intabex (377. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Die Kommission hielt aufgrund dessen die Annahme für zulässig, dass die Klägerin zumindest ab dieser Zeit einen entscheidenden Einfluss auf das Verhalten von Agroexpansión ausgeübt habe (378. Erwägungsgrund Satz 1 der angefochtenen Entscheidung). Sie fügte hinzu, dass weitere Anhaltspunkte in ihrer Akte, die sie im 379. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung beschrieb, die „Annahme [bestätigten], dass [die Klägerin] in der Position war, einen erheblichen Einfluss auszuüben“ (378. Erwägungsgrund Satz 2 der angefochtenen Entscheidung). Im 380. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung stellte sie fest, dass diese Ausführungen erkennen ließen, dass „[die Klägerin] über die Verhaltensweisen der Tochtergesellschaft, die Gegenstand dieser Entscheidung sind, sowie über die Umstände, unter denen diese ausgeführt wurden, informiert war. Darüber hinaus war [die Klägerin] in der Position, bedeutenden Einfluss auf das Handeln der Tochtergesellschaft auszuüben, da der Konzern seit 1997 über deren gesamtes Kapital verfügte.“ Im 382. Erwägungsgrund dieser Entscheidung erläuterte die Kommission, dass „[d]ie Verhaltensweisen, über die Agroexpansión [die Klägerin] informierte, … bei [der Klägerin] zu einer sofortigen Reaktion [hätten] führen müssen, sei es in Form einer Distanzierung von möglichen Verletzungen der Wettbewerbsregeln oder in Form einer Aufforderung an die Geschäftsleitung von Agroexpansión, jedes potenziell wettbewerbswidrige Handeln einzustellen“, und stellte sodann fest, dass „[d]erartige Maßnahmen … von [der Klägerin] jedoch nicht ergriffen worden“ seien.

34      Im Übrigen erachtete die Kommission im 381. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung die Argumente für unbegründet, die die Klägerin in ihrer Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte angeführt hatte, um ein eigenständiges Marktverhalten von Agroexpansión darzutun.

35      Schließlich wies die Kommission die Behauptung der Klägerin zurück, dass sie gegen das Diskriminierungsverbot verstoßen habe, indem sie die Klägerin für die Zuwiderhandlung ihrer Tochtergesellschaft verantwortlich mache, während sie dies bei der Muttergesellschaft von Cetarsa, also der Sociedad estatal de participaciones industriales (im Folgenden: Sepi), nicht getan habe. Die Kommission rechtfertigte diese unterschiedliche Behandlung damit, dass entgegen der Behauptung der Klägerin in „[ihrer] Akte … keine direkte Kommunikation zwischen Cetarsa und SEPI über den Gegenstand dieses Falls belegt [ist]“, dass „das Interesse von SEPI an Cetarsa … rein finanzieller Art zu sein [scheint] – ähnlich wie bei Intabex und Agroexpansión“, dass „Cetarsa … im Gegensatz zu Agroexpansión alle Geschäfte des SEPI‑Konzerns im Bereich der Tabakverarbeitung [abwickelt] und … aus diesem Grund offenbar als eigenständiges Unternehmen geführt [wird]“, und schließlich, dass „Cetarsa … keine hundertprozentige Tochtergesellschaft von SEPI [ist]“ (384. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

36      Die Kommission schloss aus diesen verschiedenen Anhaltspunkten, dass die Klägerin „und Agroexpansión …, wie in [der angefochtenen] Entscheidung dargelegt, für den Zeitraum von Mitte 1997 bis zum 10. August 2001 gesamtschuldnerisch die Verantwortung für das Handeln [der Klägerin]“ trügen (386. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

37      In den Erwägungsgründen 387 bis 400 der angefochtenen Entscheidung untersuchte die Kommission den Fall von WWTE. Sie stellte fest, dass WWTE während des Zeitraums von 1995 bis Mai 1998 von SCC (über SCTC und TCLT) und vom Vorsitzenden von WWTE sowie seiner Familie gemeinsam kontrolliert worden sei, und führte eine Reihe von Gesichtspunkten an, die belegten, dass im selben Zeitraum SCC „und/oder die Tochtergesellschaft[en]“ einen tatsächlichen Einfluss auf das Handeln von WWTE in Spanien ausgeübt hätten (391. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Hinsichtlich des Zeitraums von Mai 1998 bis zum Erlass der angefochtenen Entscheidung führte die Kommission eine Reihe von Punkten an, die belegten, dass SCC entweder unmittelbar oder über SCTC und TCLT die alleinige Kontrolle über WWTE gehabt und einen entscheidenden Einfluss auf deren Geschäftspolitik ausgeübt habe. Sie fügte hinzu, dass „[di]e Argumente, die SCC als Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte anführte, … in dieser Hinsicht keine andere Schlussfolgerung [zuließen]“ (399. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). In Anbetracht dieser verschiedenen Anhaltspunkte gelangte die Kommission zu dem Ergebnis, dass „SCC und/oder die Tochtergesellschaften SCTC und TCLT“ mindestens seit 1996 einen entscheidenden Einfluss auf die Geschäftspolitik von WWTE ausgeübt hätten und daher für die dieser vorgeworfenen Praktiken als gesamtschuldnerisch haftbar anzusehen und zu den Adressaten der angefochtenen Entscheidung zu zählen seien (400. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

4.     Bestimmung des Betrags der Geldbußen

38      In den Erwägungsgründen 404 bis 458 der angefochtenen Entscheidung prüfte die Kommission die Frage, welche Geldbußen gegen die Adressaten dieser Entscheidung zu verhängen seien.

39      Den Betrag der Geldbußen bestimmte die Kommission anhand der Schwere und der Dauer der in Rede stehenden Zuwiderhandlungen, also der beiden Kriterien, die in Art. 23 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 [EG] und 82 [EG] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) sowie in dem – der angefochtenen Entscheidung zufolge – zum Zeitpunkt der Zuwiderhandlungen gültigen Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 ausdrücklich genannt sind (Erwägungsgründe 404 und 405 der angefochtenen Entscheidung).

40      Bei der Festsetzung der Höhe der dem jeweiligen Adressaten auferlegten Geldbuße wandte die Kommission die in den Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 [KS] festgesetzt werden (ABl. 1998, C 9, S. 3, im Folgenden: Leitlinien), festgelegte Methode an, auch wenn sie nicht ausdrücklich auf die Leitlinien Bezug genommen hat. Die Kommission prüfte in der angefochtenen Entscheidung darüber hinaus, ob und inwieweit die Adressaten den in der Mitteilung über Zusammenarbeit festgelegten Anforderungen genügten.

 Ausgangsbetrag der Geldbußen

41      Zunächst stufte die Kommission im 414. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung die Zuwiderhandlungen als „besonders schwer“ ein, nachdem sie in den Erwägungsgründen 408 bis 413 dieser Entscheidung ihre Art, ihre konkreten Auswirkungen auf den Markt, die Größe des betreffenden räumlichen Marktes und den Umfang des relevanten Produktmarkts geprüft hatte.

42      Anschließend vertrat die Kommission im 415. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung die Ansicht, dass „die jeweilige Gewichtung aller betreffenden Unternehmen sowie die tatsächlichen Auswirkungen ihres ungesetzlichen Handelns bei der Festsetzung des Ausgangsbetrags der Geldbuße berücksichtigt werden [müssen]. Auf diese Weise soll die abschreckende Wirkung der für jedes Unternehmen festgesetzten Geldbuße im Verhältnis zu ihrem Beitrag zu den illegalen Verhaltensweisen stehen.“

43      Die Kommission unterschied zwischen dem Verarbeiterkartell (Erwägungsgründe 416 bis 424 der angefochtenen Entscheidung) und dem Erzeugervertreterkartell (Erwägungsgründe 425 bis 431 der angefochtenen Entscheidung).

44      In Bezug auf das Verarbeiterkartell vertrat die Kommission in erster Linie die Ansicht, dass „die Höhe der Geldbußen gemäß dem jeweiligen Beitrag zu den illegalen Verhaltensweisen und der Marktposition der einzelnen Parteien … abgestuft werden sollte“ (416. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

45      Hierzu erklärte sie, dass „gegen Deltafina angesichts ihrer starken Marktposition als Hauptabnehmer von verarbeitetem spanischem Tabak der höchste Ausgangsbetrag festgesetzt werden sollte“ (417. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

46      In Bezug auf die Verarbeiter war die Kommission der Meinung, dass deren „Beitrag … zu den illegalen Verhaltensweisen … im Allgemeinen als gleich angesehen werden [kann]“ (418. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Jedoch sollten ihre unterschiedliche Größe und ihr jeweiliger Marktanteil berücksichtigt und sie auf dieser Grundlage in drei Gruppen eingeteilt werden.

47      Einer ersten Gruppe ordnete sie die ihrer Einschätzung nach „getrennt“ zu betrachtende Cetarsa zu, da diese „eindeutig führend unter den spanischen Verarbeitern“ sei, so dass ihr der höchste Ausgangsbetrag der Geldbuße aufzuerlegen sei (419. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Einer zweiten Gruppe ordnete sie Agroexpansión und WWTE zu, da diese jeweils einen Marktanteil von etwa 15 % hielten und ihnen der gleiche Ausgangsbetrag aufzuerlegen sei (420. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Einer dritten Gruppe ordnete sie schließlich Taes zu, da diese lediglich einen Marktanteil von 1,6 % halte und ihr daher der niedrigste Ausgangsbetrag aufzuerlegen sei (421. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

48      Um eine hinreichend abschreckende Wirkung der Geldbuße sicherzustellen, hielt die Kommission sodann die Anwendung eines Multiplikators von 1,5 – also eine Erhöhung um 50 % – auf den für WWTE sowie einen Multiplikator von 2 – also eine Erhöhung um 100 % – auf den für Agroexpansión festgesetzten Ausgangsbetrag für erforderlich (423. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Es sei nämlich zu berücksichtigen, dass diese beiden Verarbeiter trotz ihres relativ geringen Anteils am spanischen Markt für den Kauf von Rohtabak multinationalen Gruppen von beträchtlicher wirtschaftlicher und finanzieller Stärke angehörten und sie „[d]arüber hinaus … unter dem entscheidenden Einfluss ihrer jeweiligen Mutterunternehmen gehandelt“ hätten (422. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

49      Aus diesen Gründen setzte die Kommission im 424. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung für die Verarbeiter und für Deltafina folgende Ausgangsbeträge der Geldbußen fest:

–        Deltafina: 8 000 000 Euro;

–        Cetarsa: 8 000 000 Euro;

–        Agroexpansión: 1 800 000 Euro x 2 = 3 600 000 Euro;

–        WWTE: 1 800 000 Euro x 1,5 = 2 700 000 Euro;

–        Taes: 200 000 Euro.

50      Im Hinblick auf das Erzeugervertreterkartell war die Kommission der Ansicht, dass gegen jeden Erzeugervertreter lediglich eine symbolische Geldbuße von 1 000 Euro festgesetzt werden sollte (Erwägungsgründe 425 und 430 der angefochtenen Entscheidung). Dies sei – gestützt auf einige im 427. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung genannte Anhaltspunkte – dadurch gerechtfertigt, dass „der Rechtsrahmen für die gemeinsamen Verhandlungen über Standardvereinbarungen zu erheblicher Unsicherheit im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit des Handelns von Erzeugervertretern und [Verarbeitern] bei ihren gemeinsamen Verhandlungen über Standardvereinbarungen führen [kann]“ (428. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Außerdem seien „Verhandlungen über Standardverträge und deren Ergebnisse im Allgemeinen öffentlich bekannt [gewesen] und vor Beginn dieses Verfahrens [hätte] keine Behörde ihre Rechtmäßigkeit gemäß spanischem Recht oder Gemeinschaftsrecht in Frage gestellt“ (429. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

 Grundbetrag der Geldbußen

51      In den Erwägungsgründen 432 und 433 der angefochtenen Entscheidung prüfte die Kommission die Frage der Dauer der den Verarbeitern und Deltafina angelasteten Zuwiderhandlung. Sie legte diese Dauer auf fünf Jahre und vier Monate fest, was einer Zuwiderhandlung über einen langen Zeitraum entsprach. Dementsprechend erhöhte sie den Ausgangsbetrag der Geldbußen gegen die jeweiligen spanischen Verarbeiter und Deltafina um 50 %.

52      Somit wurden folgende Grundbeträge der Geldbußen festgesetzt:

–        Deltafina: 12 000 000 Euro;

–        Cetarsa: 12 000 000 Euro;

–        Agroexpansión: 5 400 000 Euro;

–        WWTE: 4 050 000 Euro;

–        Taes: 300 000 Euro;

–        ASAJA: 1 000 Euro;

–        UPA: 1 000 Euro;

–        COAG: 1 000 Euro;

–        CCAE: 1 000 Euro (434. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

 Erschwerende und mildernde Umstände

53      Der Grundbetrag der gegen Deltafina verhängten Geldbuße wurde aufgrund erschwerender Umstände um 50 % erhöht, da das Unternehmen eine führende Rolle im Verarbeiterkartell eingenommen hatte (Erwägungsgründe 435 und 436 der angefochtenen Entscheidung).

54      In Bezug auf mildernde Umstände führte die Kommission im 437. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung aus, dass „[d]ie unter den Erwägungsgründen (427) bis (429) [der angefochtenen Entscheidung] betrachteten Faktoren … nur das Handeln der Verarbeitungsunternehmen bei deren öffentlichen Verhandlungen und den Abschlüssen von Standardverträgen (einschließlich Verhandlungen über Preisklassen und zusätzliche Bedingungen) mit den Erzeugervertretern [betreffen]“.

55      Im 438. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung fügte die Kommission dem in Bezug auf die von den Verarbeitern geschlossenen „geheimen“ Vereinbarungen über die (maximalen) durchschnittlichen Lieferpreise und die Aufteilung der Mengen jeder Rohtabaksorte hinzu, dass das Verhalten der Verarbeiter „weit über den geltenden Rechtsrahmen hinausging und auch nicht durch die öffentlichen Verhandlungen und Vereinbarungen mit den Erzeugervertretern zu rechtfertigen ist“. Sie erkannte jedoch an, dass „die öffentlichen Verhandlungen zwischen Erzeugervertretern und [Verarbeitern] zumindest bis zu einem gewissen Grad den materiellen Rahmen insbesondere im Hinblick auf die Möglichkeit zu Verhandlungen untereinander sowie zur Annahme einer gemeinsamen Position bestimmten. In diesem Rahmen konnten die [Verarbeiter] abgesehen von ihrer gemeinsamen Position bei den öffentlichen Verhandlungen ihre geheime Strategie für durchschnittliche Lieferhöchstpreise und Mengen verfolgen.“

56      In Anbetracht der oben in den Randnrn. 54 und 55 erwähnten Gesichtspunkte beschloss die Kommission, die Grundbeträge der gegen die Verarbeiter und gegen Deltafina verhängten Geldbußen um 40 % zu senken (438. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Der Grundbetrag der gegen Agroexpansión verhängten Geldbuße wurde somit auf 3 240 000 Euro festgesetzt (439. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

 Obergrenze der Geldbuße nach Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003

57      In den Erwägungsgründen 440 bis 447 der angefochtenen Entscheidung prüfte die Kommission, ob die für die einzelnen Adressaten so berechneten Grundbeträge anzupassen seien, damit sie die Grenze von 10 % des Umsatzes nach Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 nicht überstiegen.

58      Im 441. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung führte die Kommission aus, dass dann, wenn die betreffenden Gesellschaften einer Gruppe angehörten und erwiesen sei, dass deren Muttergesellschaften einen entscheidenden Einfluss auf diese Gesellschaften ausgeübt hätten und diese Muttergesellschaften infolgedessen als Gesamtschuldner für die Zahlung der ihrer Tochtergesellschaft auferlegten Geldbußen hafteten, der weltweite Gruppenumsatz bei der Ermittlung der vorgenannten Obergrenze zu berücksichtigen sei.

59      Im 442. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung wies die Kommission darauf hin, dass die Klägerin als Gesamtschuldnerin für die Zahlung der Agroexpansión auferlegten Geldbuße hafte, und führte im 446. Erwägungsgrund dieser Entscheidung aus, dass der Betrag dieser Geldbuße nicht anzupassen sei, da sich der konsolidierte Umsatz der Klägerin im Jahr 2003 auf 1 271 700 000 US-Dollar (USD) belaufen habe. Somit blieb es vor der Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit bei dem auf 3 240 000 Euro festgesetzten Betrag der Geldbuße gegen Agroexpansión (447. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

 Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit und Endbetrag der Geldbußen

60      In den Erwägungsgründen 448 bis 456 der angefochtenen Entscheidung äußerte sich die Kommission zur Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit in den die Verarbeiter und Deltafina betreffenden Fällen. Sie gewährte Agroexpansión eine Herabsetzung der Geldbuße um 20 % gemäß Abschnitt D Abs. 2 erster Gedankenstrich dieser Mitteilung (454. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

61      Die Kommission setzte die Beträge der Geldbußen gemäß Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 wie folgt fest:

–        Deltafina: 11 880 000 Euro;

–        Cetarsa: 3 631 500 Euro;

–        Agroexpansión: 2 592 000 Euro;

–        WWTE: 1 822 500 Euro;

–        Taes: 108 000 Euro;

–        ASAJA: 1 000 Euro;

–        UPA: 1 000 Euro;

–        COAG: 1 000 Euro;

–        CCAE: 1 000 Euro (458. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

62      Die Klägerin wurde für die Zahlung der gegen Agroexpansión verhängten Geldbuße und SCC, SCTC sowie TCLT wurden für die Zahlung der gegen WWTE verhängten Geldbuße gesamtschuldnerisch haftbar gemacht (458. Erwägungsgrund und Art. 3 der angefochtenen Entscheidung).

 Verfahren und Anträge der Parteien

63      Am 21. Januar 2005 haben SCC, SCTC und TCLT eine Klage auf Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung (Rechtssache T‑24/05) und WWTE eine Klage auf Herabsetzung der ihr mit dieser Entscheidung auferlegten Geldbuße eingereicht (Rechtssache T-37/05).

64      Am 22. Januar 2005 hat Agroexpansión ebenfalls eine Klage auf Herabsetzung der ihr mit der angefochtenen Entscheidung auferlegten Geldbuße eingereicht (Rechtssache T-38/05).

65      Mit Klageschrift, die am 28. Januar 2005 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

66      Mit am 1. August 2005 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenem Schreiben hat die Klägerin die Verbindung der vorliegenden Rechtssache mit den Rechtssachen T-24/05, T-37/05 und T-38/05 beantragt.

67      Die Kommission hat dem Gericht mit am 7. September 2005 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenem Schreiben mitgeteilt, dass ihrer Ansicht nach mit der Verbindung der vier Rechtssachen die Effizienz des Verfahrens nicht spürbar verbessert werden könne und dass sie die Entscheidung über den Verbindungsantrag in das Ermessen des Gerichts stelle.

68      Das Gericht hat dem Verbindungsantrag nicht stattgegeben.

69      Das Gericht (Vierte Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, das mündliche Verfahren zu eröffnen, und im Rahmen prozessleitender Maßnahmen gemäß Art. 64 seiner Verfahrensordnung die Kommission aufgefordert, bestimmte Fragen zu beantworten. Die Kommission ist dem fristgemäß nachgekommen.

70      Die Parteien haben in der Sitzung vom 17. Juni 2009 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

71      Die Klägerin beantragt,

–        die Art. 1, 3 und 5 der angefochtenen Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit sie die Klägerin betreffen;

–        hilfsweise, die Geldbuße, die die Kommission gesamtschuldnerisch gegen Agroexpansión und die Klägerin verhängt hat, herabzusetzen;

–        der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

72      Die Kommission beantragt,

–        die Klage abzuweisen, außer soweit sie den dritten Klagegrund betrifft, dem teilweise stattzugeben ist;

–        der Klägerin die eigenen Kosten sowie einen Teil der Kosten der Kommission aufzuerlegen, hilfsweise, jeder Partei ihre eigenen Kosten aufzuerlegen.

 Rechtliche Würdigung

73      Die Klägerin stützt ihre Klage in der Klageschrift auf vier Gründe:

–        erstens, Verstoß gegen Art. 81 Abs. 1 EG, Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit;

–        zweitens, Verstoß gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der persönlichen Verantwortlichkeit;

–        drittens, Verstoß gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der persönlichen Verantwortlichkeit sowie gegen Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003;

–        viertens, Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes.

74      In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin einen weiteren Klagegrund geltend gemacht, den sie auf den Verstoß gegen die Begründungspflicht gestützt hat.

75      Der erste, der zweite und der fünfte Klagegrund werden im Wesentlichen zur Stützung des Antrags auf teilweise Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung geltend gemacht. Mit dem dritten und dem vierten Klagegrund sollen die Anträge gestützt werden, diese Entscheidung abzuändern.

76      Der fünfte Klagegrund wird nach dem ersten, der dritte Klagegrund wird nach dem vierten geprüft werden.

1.     Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 81 Abs. 1 EG, Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

 Vorbringen der Parteien

77      Die Klägerin macht geltend, die Kommission habe einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, als sie der Ansicht gewesen sei, dass die Klägerin im Zeitraum der Zuwiderhandlung einen entscheidenden Einfluss auf Agroexpansión ausgeübt habe, und sie deshalb für die Zuwiderhandlung gesamtschuldnerisch haftbar gemacht habe. Die Kommission sei deshalb weder berechtigt, die angefochtene Entscheidung an sie zu richten, noch für die Anwendung der Obergrenze von 10 % des Umsatzes nach Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 auf ihren Gesamtumsatz abzustellen.

78      Zur Begründung trägt die Klägerin als Erstes vor, aus der Rechtsprechung und der Entscheidungspraxis der Kommission ergebe sich eindeutig, dass der Umstand, dass eine Muttergesellschaft das gesamte Kapital an ihrer Tochtergesellschaft halte, für sich genommen nicht ausreiche, um die Muttergesellschaft für die Zuwiderhandlung der Tochtergesellschaft verantwortlich zu machen. Es müsse zudem eindeutig bewiesen werden, dass die genannte Muttergesellschaft unmittelbar an den betreffenden rechtswidrigen Praktiken beteiligt gewesen sei, dass sie für deren Vornahme verantwortlich sei, dass sie an Kartelltreffen teilgenommen habe oder unmittelbar an der Zuwiderhandlung z. B. dadurch beteiligt gewesen sei, dass sie ihrer Tochtergesellschaft die Weisung zur Vornahme der Zuwiderhandlung erteilt habe. Die Klägerin beruft sich insbesondere auf die Randnrn. 28 und 29 des Urteils Stora Kopparbergs Bergslags/Kommission (oben in Randnr. 29 angeführt).

79      Als Zweites führt die Klägerin aus, die von der Kommission im 379. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung geltend gemachten Anhaltspunkte seien kein Beleg dafür, dass sie einen bestimmenden Einfluss auf das Verhalten von Agroexpansión ausgeübt habe. Sie weist insbesondere die Feststellungen der Kommission zurück, wonach sie über die fraglichen rechtswidrigen Praktiken informiert gewesen sei.

80      Insoweit bestreitet die Klägerin zum einen, die in diesem Erwägungsgrund erwähnten „Tätigkeits- und Geschäftsberichte“ erhalten zu haben. Wenn die genannten Berichte systematisch ins Englische übersetzt worden seien, dann deshalb, um einem der Mitglieder des Verwaltungsrats von Agroexpansión, Herrn T., der nicht Spanisch gesprochen habe, die Ausübung seiner Funktionen zu erleichtern. Die Klägerin bestreitet, dass Herr T. zum Mitglied dieses Verwaltungsrats ernannt worden sei, um dort die Interessen der Dimon-Gruppe zu vertreten, und führt aus, er sei im Übrigen zeitweise von allen seinen Aufgaben innerhalb der Dimon-Gruppe entbunden worden infolge einer Klage, die die Klägerin gegen die ehemaligen Aktionäre von Intabex erhoben habe.

81      Zum anderen weist die Klägerin die im selben Erwägungsgrund enthaltene Feststellung zurück, wonach es zahlreiche Schreiben von Agroexpansión gebe, mit denen die Klägerin über die fraglichen rechtswidrigen Praktiken informiert worden sei. Insbesondere sei das von Herrn B., dem Generaldirektor von Agroexpansión, gesandte Fax vom 14. Dezember 1998 nicht an die Klägerin, sondern an Herrn D., einen „Angestellten in der Finanzabteilung von Dimon International, Inc.“, gerichtet gewesen und habe nur Informationen bezüglich eines zwischen Agroexpansión und Deltafina geschlossenen Vertrags über den Verkauf von verarbeitetem Tabak enthalten. Die E-Mail, die Herr B. am 30. Oktober 2000 an Herrn S. gesandt habe, habe Letzteren hauptsächlich über einen drohenden Streik auf Seiten der Tabakerzeuger informieren sollen. Außerdem sei Herr S. nicht bei der Klägerin, sondern bei Dimon International Services angestellt gewesen, sei mit der Koordinierung des Verkaufs von verarbeitetem Tabak in Europa betraut und kein Mitglied des Verwaltungsrats oder Führungskraft einer der zur Dimon-Gruppe gehörenden Gesellschaften gewesen. Dasselbe gelte für die E-Mail, die Herr B. am 9. Mai 2001 an Herrn S. gesandt habe.

82      Schließlich beziehe sich auch keines der im 379. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung erwähnten Schreiben unmittelbar oder mittelbar auf die in Frage stehenden rechtswidrigen Praktiken oder auf die Einkaufspolitik von Agroexpansión bezüglich des spanischen Rohtabaks.

83      Als Drittes sei Agroexpansión auf dem spanischen Markt für den Kauf von Rohtabak stets als selbständige wirtschaftliche Einheit aufgetreten und habe ihre Geschäftspolitik selbst bestimmt.

84      Zur Stützung dieses Vorbringens weist die Klägerin darauf hin, dass Agroexpansión über eine „lokale Geschäftsleitung“ verfügt habe, und beruft sich sodann auf folgende Umstände:

–        Am 18. November 1997, als sie über Intabex 100 % der Aktien von Agroexpansión erworben habe, sei beschlossen worden, die Führungskräfte von Agroexpansión in ihrer Stellung zu belassen, insbesondere den Mitbegründer und (bis Dezember 2004) Generaldirektor, Herrn B.;

–        aufgrund eines „Direktionsvertrags“, der ebenfalls am 18. November 1997 zwischen Agroexpansión und Herrn B. geschlossen worden sei (im Folgenden: Direktionsvertrag), habe nur Herr B. Verträge über den Einkauf von Rohtabak schließen und die Rohtabakeinkaufspolitik dieser Gesellschaft bestimmen und umsetzen dürfen;

–        die Entscheidungen, die Herr B. im Bereich des Rohtabakeinkaufs getroffen habe, seien von keiner vorherigen Genehmigung oder nachträglichen Billigung durch den Verwaltungsrat von Agroexpansión abhängig gewesen;

–        Herr B. sei das einzige Mitglied des Verwaltungsrats von Agroexpansión gewesen, das an den Treffen mit den anderen Verarbeitern oder Rohtabakerzeugern teilgenommen habe;

–        keines der vier Mitglieder des Verwaltungsrats von Agroexpansión sei gleichzeitig Mitglied des Verwaltungsrats oder der Leitungsorgane der Klägerin gewesen;

–        die Klägerin habe Agroexpansión im Zusammenhang mit den oben genannten Treffen und der Einkaufspolitik von Agroexpansión keinerlei Anordnungen oder Weisungen erteilt;

–        sie habe keine Mechanismen zur Überwachung der Ankaufstätigkeiten von Agroexpansión eingerichtet.

85      Nach Auffassung der Kommission ist dieses Vorbringen zurückzuweisen.

86      Erstens macht die Kommission geltend, nach der Rechtsprechung und der Entscheidungspraxis der Kommission sei, wenn die Muttergesellschaft das gesamte Kapital ihrer Tochtergesellschaft halte, die Annahme zulässig, dass die Erstgenannte tatsächlich einen entscheidenden Einfluss auf das Geschäftsverhalten der Tochtergesellschaft ausübe, und die Muttergesellschaft könne deshalb für die von der Tochtergesellschaft begangene Zuwiderhandlung haftbar gemacht werden. Die Kommission sei somit nicht verpflichtet, weitere Beweise zu liefern. Die Muttergesellschaft könne diese Vermutung widerlegen, indem sie ausreichende Beweise dafür erbringe, dass die Tochtergesellschaft in Wirklichkeit auf dem Markt eigenständig handele.

87      Zweitens bestreitet die Kommission, dass die Klägerin diesen Beweis vorliegend erbracht hat. Der Umstand, dass Agroexpansión über eine eigene örtliche Geschäftsleitung verfüge, reiche als solcher nicht zum Nachweis dessen aus, dass Agroexpansión eigenständig gehandelt habe; der Direktionsvertrag sehe vor, dass Herr B. den vom Verwaltungsrat von Agroexpansión vorgegebenen „Systemen“ und „Verfahren“ unterworfen sei.

88      Drittens ergäben sich aus den Akten Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin tatsächlich einen bestimmenden Einfluss auf das Verhalten von Agroexpansión ausgeübt habe. Insbesondere sei Herr T. zum Mitglied des Verwaltungsrats von Agroexpansión ernannt worden, um dort die Interessen der Dimon-Gruppe zu vertreten, und es sei angesichts der Bedeutung seiner Aufgaben innerhalb der Dimon-Gruppe nicht glaubhaft, dass er die Klägerin niemals über die im 379. Erwägungsgrund genannten „Tätigkeits- und Geschäftsberichte“ informiert habe. Abgesehen von diesen Berichten ergebe sich aus verschiedenen Schreiben, die in diesem Erwägungsgrund angeführt worden seien, dass die Klägerin von Agroexpansión über die in Rede stehenden rechtswidrigen Praktiken informiert worden sei. Andere in diesem Erwägungsgrund angeführte Dokumente zeigten deutlich, dass die Klägerin einen bestimmenden Einfluss auf eine Reihe wesentlicher Geschäftstätigkeiten von Agroexpansión ausgeübt habe, wie die Verhandlungen über Verträge mit Cetarsa und Deltafina sowie deren Durchführung, und dass sie von ihrer Tochtergesellschaft über die Einkaufsbedingungen und über die im Rohtabakgeschäft in Spanien geltenden Rechtsvorschriften informiert worden sei.

 Würdigung durch das Gericht

89      Das Wettbewerbsrecht betrifft die Tätigkeit von Unternehmen (Urteil des Gerichtshofs vom 7. Januar 2004, Aalborg Portland u. a./Kommission, C‑204/00 P, C-205/00 P, C-211/00 P, C-213/00 P, C-217/00 P und C-219/00 P, Slg. 2004, I-123, Randnr. 59), und der Begriff des Unternehmens umfasst jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einrichtung unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung (Urteil des Gerichtshofs vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommisson, C-189/02 P, C-202/02 P, C-205/02 P bis C-208/02 P und C-213/02 P, Slg. 2005, I-5425, Randnr. 112).

90      In der Rechtsprechung ist ferner klargestellt worden, dass in diesem Zusammenhang unter dem Begriff des Unternehmens eine wirtschaftliche Einheit zu verstehen ist, selbst wenn diese wirtschaftliche Einheit rechtlich aus mehreren natürlichen oder juristischen Personen gebildet wird (Urteile des Gerichtshofs vom 14. Dezember 2006, Confederación Española de Empresarios de Estaciones de Servicio, C-217/05, Slg. 2006, I-11987, Randnr. 40, und des Gerichts vom 15. September 2005, DaimlerChrysler/Kommission, T-325/01, Slg. 2005, II-3319, Randnr. 85).

91      Verstößt eine solche wirtschaftliche Einheit gegen die Wettbewerbsregeln, hat sie nach dem Grundsatz der persönlichen Verantwortlichkeit für diese Zuwiderhandlung einzustehen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 8. Juli 1999, Kommission/Anic Partecipazioni, C-49/92 P, Slg. 1999, I-4125, Randnr. 145, vom 16. November 2000, Cascades/Kommission, C-279/98 P, Slg. 2000, I-9693, Randnr. 78, und vom 11. Dezember 2007, ETI u. a., C-280/06, Slg. 2007, I-10893, Randnr. 39).

92      Zur Frage, unter welchen Umständen einer juristischen Person, obwohl sie nicht Urheberin der Zuwiderhandlung ist, dennoch Sanktionen auferlegt werden können, ist der ständigen Rechtsprechung zu entnehmen, dass einer Muttergesellschaft das Verhalten ihrer Tochtergesellschaft insbesondere dann zugerechnet werden kann, wenn die Tochtergesellschaft trotz eigener Rechtspersönlichkeit ihr Marktverhalten nicht autonom bestimmt, sondern im Wesentlichen Weisungen der Muttergesellschaft befolgt (Urteile des Gerichtshofs Imperial Chemical Industries/Kommission, oben in Randnr. 29 angeführt, Randnrn. 132 und 133, vom 14. Juli 1972, Geigy/Kommission, 52/69, Slg. 1972, 787, Randnr. 44, und vom 21. Februar 1973, Europemballage und Continental Can/Kommission, 6/72, Slg. 1973, 215, Randnr. 15), und zwar vor allem wegen der wirtschaftlichen, organisatorischen und rechtlichen Bindungen, die die beiden Rechtssubjekte verbinden (vgl. entsprechend Urteile Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Randnr. 89 angeführt, Randnr. 117, und ETI u. a., oben in Randnr. 91 angeführt, Randnr. 49).

93      In einem solchen Fall sind nämlich die Muttergesellschaft und ihre Tochtergesellschaft Teile ein und derselben wirtschaftlichen Einheit und bilden damit ein einziges Unternehmen im Sinne der oben in den Randnrn. 89 und 90 angeführten Rechtsprechung. Nicht ein zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft in Bezug auf die Zuwiderhandlung bestehendes Anstiftungsverhältnis und erst recht nicht eine Beteiligung der Muttergesellschaft an dieser Zuwiderhandlung, sondern der Umstand, dass beide ein einziges Unternehmen im Sinne von Art. 81 EG bilden, gestattet es somit der Kommission, eine Entscheidung, mit der Geldbußen verhängt werden, an die Muttergesellschaft zu richten (Urteil des Gerichts vom 12. Dezember 2007, Akzo Nobel u. a./Kommission, T-112/05, Slg. 2007, II-5049, Randnr. 58).

94      Aus der Rechtsprechung folgt auch, dass sich die Kommission nicht mit der Feststellung begnügen kann, dass die Muttergesellschaft in der Lage sei, einen bestimmenden Einfluss auf das Verhalten ihrer Tochtergesellschaft auszuüben, sondern auch prüfen muss, ob ein solcher Einfluss tatsächlich ausgeübt wurde (vgl. in diesem Sinne Urteile Imperial Chemical Industries/Kommission, oben in Randnr. 29 angeführt, Randnr. 137, und AEG-Telefunken/Kommission, oben in Randnr. 29 angeführt, Randnr. 50).

95      In dem besonderen Fall, dass eine Muttergesellschaft 100 % des Kapitals ihrer Tochtergesellschaft hält, die gegen die Wettbewerbsregeln verstoßen hat, kann zum einen diese Muttergesellschaft einen bestimmenden Einfluss auf das Verhalten dieser Tochtergesellschaft ausüben (vgl. in diesem Sinne Urteil Imperial Chemical Industries/Kommission, oben in Randnr. 29 angeführt, Randnrn. 136 und 137) und besteht zum anderen eine einfache Vermutung, dass diese Muttergesellschaft tatsächlich einen bestimmenden Einfluss auf das Verhalten ihrer Tochtergesellschaft ausübt (vgl. in diesem Sinne Urteil AEG-Telefunken/Kommission, oben in Randnr. 29 angeführt, Randnr. 50, und Urteil PVC II, oben in Randnr. 29 angeführt, Randnrn. 961 und 984).

96      Unter diesen Umständen genügt es, dass die Kommission nachweist, dass die Muttergesellschaft das gesamte Kapital der Tochtergesellschaft hält, um anzunehmen, dass sie einen bestimmenden Einfluss auf die Geschäftspolitik der Tochtergesellschaft ausübt. Die Kommission kann in der Folge die Muttergesellschaft für die Zahlung der gegen ihre Tochtergesellschaft verhängten Geldbuße gesamtschuldnerisch zur Haftung heranziehen, sofern die Muttergesellschaft, der es obliegt, diese Vermutung zu widerlegen, keine ausreichenden Beweise dafür erbringt, dass ihre Tochtergesellschaft auf dem Markt eigenständig auftritt (vgl. in diesem Sinne Urteil Stora Kopparbergs Bergslags/Kommission, oben in Randnr. 29 angeführt, Randnr. 29).

97      Zwar hat der Gerichtshof in den Randnrn. 28 und 29 des Urteils Stora Kopparbergs Bergslags/Kommission (oben in Randnr. 29 angeführt) neben dem 100%igen Besitz des Kapitals der Tochtergesellschaft weitere Umstände wie das Nichtbestreiten des von der Muttergesellschaft auf die Geschäftspolitik ihrer Tochtergesellschaft ausgeübten Einflusses und die gemeinsame Vertretung beider Gesellschaften im Verwaltungsverfahren angeführt, doch wurden diese Umstände von ihm nur erwähnt, um die Gesamtheit der Gesichtspunkte aufzuführen, auf die das Gericht seine Argumentation gestützt hatte, und nicht, um die Anwendung der oben in Randnr. 95 genannten Vermutung von der Beibringung zusätzlicher Indizien für die tatsächliche Einflussnahme durch die Muttergesellschaft abhängig zu machen (Urteil des Gerichts vom 8. Oktober 2008, Schunk und Schunk Kohlenstoff-Technik/Kommission, T-69/04, Slg. 2008, II-2567, Randnr. 57).

98      Schließlich ist klarzustellen, dass die aus dem Besitz des gesamten Kapitals abgeleitete Vermutung nicht nur dann gelten kann, wenn eine unmittelbare Beziehung zwischen der Muttergesellschaft und ihrer Tochtergesellschaft besteht, sondern auch in Fällen wie dem vorliegenden, in denen diese Beziehung durch eine dazwischengeschaltete Tochtergesellschaft mittelbar ist.

99      Im Übrigen kann die Kommission nach Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 gegen Unternehmen, die eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 Abs. 1 EG begangen haben, durch Entscheidung Geldbußen von bis zu 10 % des von dem einzelnen an der Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen im letzten Geschäftsjahr erzielten Umsatzes festsetzen. Dieselbe Angabe war in Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 enthalten.

100    Der in diesen Bestimmungen genannte Umsatz bezieht sich nach ständiger Rechtsprechung zu Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 auf den Gesamtumsatz des betroffenen Unternehmens (Urteil des Gerichtshofs vom 7. Juni 1983, Musique Diffusion française u. a./Kommission, 100/80 bis 103/80, Slg. 1983, 1825, Randnr. 119; Urteile des Gerichts vom 29. April 2004, Tokai Carbon u. a./Kommission, T-236/01, T-239/01, T-244/01 bis T-246/01, T-251/01 und T‑252/01, Slg. 2004, II-1181, Randnr. 367, und vom 8. Juli 2004, JFE Engineering u. a./Kommission, T-67/00, T-68/00, T-71/00 und T-78/00, Slg. 2004, II-2501, Randnr. 533), d. h. des Unternehmens, dem die Zuwiderhandlung zugerechnet wurde und das daher für verantwortlich erklärt wurde (Urteile des Gerichts vom 20. März 2002, ABB Asea Brown Boveri/Kommission, T-31/99, Slg. 2002, II-1881, Randnr. 181, und vom 4. Juli 2006, Hoek Loos/Kommission, T-304/02, Slg. 2006, II-1887, Randnr. 116).

101    Der Begriff „letztes Geschäftsjahr“ in Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 ist dahin zu verstehen, dass er das letzte Geschäftsjahr vor dem Erlass der Entscheidung der Kommission bezeichnet, außer in den besonderen Situationen, in denen der Umsatz dieses letzten Geschäftsjahrs kein geeigneter Anhaltspunkt für die tatsächliche wirtschaftliche Situation des betroffenen Unternehmens und für die angemessene Höhe der gegen das Unternehmen zu verhängenden Geldbuße ist (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 7. Juni 2007, Britannia Alloys & Chemicals/Kommission, C-76/06 P, Slg. 2007, I-4405, Randnrn. 25, 29 und 30); die ist hier nicht der Fall.

102    Im Rahmen dieses Klagegrundes stellt sich demnach die Frage, ob die Kommission im vorliegenden Fall Grund zu der Annahme hatte, dass das betroffene Unternehmen aus Agroexpansión und der Gesellschaft an der Spitze der Gruppe, der sie angehört, also der Klägerin, gebildet wurde. Falls diese Frage bejaht wird, ist daraus abzuleiten, dass die Kommission in Anbetracht der oben in den Randnrn. 99 bis 101 angeführten Grundsätze in den Erwägungsgründen 442 und 446 der angefochtenen Entscheidung zu Recht den konsolidierten Umsatz der Klägerin im Jahr 2003 für die Anwendung der genannten Obergrenze von 10 % des Umsatzes berücksichtigt hat.

103    Zur Prüfung dieser Frage ist zunächst zu ermitteln, welche Kriterien die Kommission in der angefochtenen Entscheidung für die Zurechnung der Verantwortlichkeit für die Zuwiderhandlung einer Tochtergesellschaft an deren Muttergesellschaft herangezogen hat und ob diese den von der Rechtsprechung in diesem Bereich aufgestellten Grundsätzen entsprechen; anschließend ist zu untersuchen, ob die Kommission diese Kriterien richtig angewandt hat, um zu dem Ergebnis zu gelangen, dass zwischen Agroexpansión und der Klägerin eine wirtschaftliche Einheit bestehe.

 Zu den von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung herangezogenen Kriterien für die Zurechnung der Verantwortlichkeit für die Zuwiderhandlung einer Tochtergesellschaft an deren Muttergesellschaft

104    Aus der angefochtenen Entscheidung ergibt sich, dass die Kommission aufgrund folgender Überlegungen einer Muttergesellschaft die Verantwortlichkeit für die Zuwiderhandlung ihrer Tochtergesellschaft zugerechnet hat und sie infolgedessen zusammen mit dieser in den Kreis der Adressaten der Entscheidung aufgenommen und für die Zahlung der gegen die Tochtergesellschaft verhängten Geldbuße für gesamtschuldnerisch haftbar erklärt hat.

105    Die Kommission ging davon aus, dass eine solche Zurechnung möglich sei, wenn die Muttergesellschaft und ihre Tochtergesellschaft Teile ein und derselben wirtschaftlichen Einheit sind und demzufolge ein einziges Unternehmen im Sinne von Art. 81 EG bildeten (vgl. 374. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

106    Der entscheidende Faktor, auf den die Kommission ihre Feststellung, dass bei der Mutter- und ihrer Tochtergesellschaft eine solche Konstellation vorliege, stützte, ist das Fehlen eines eigenständigen Marktverhaltens der Tochtergesellschaft (vgl. 371. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung), denn dieses Fehlen von Eigenständigkeit sei die Folge eines „entscheidenden Einflusses“ der Muttergesellschaft auf das Verhalten ihrer Tochtergesellschaft (vgl. Erwägungsgründe 18, 372, 373, 378, 380, 381, 383, 391, 392, 397, 399, 400, 422 und 441 der angefochtenen Entscheidung).

107    Die Kommission war in diesem Zusammenhang der Ansicht, sich nicht mit der Feststellung begnügen zu können, dass die Muttergesellschaft die Möglichkeit gehabt habe, einen entscheidenden Einfluss auf das Verhalten ihrer Tochtergesellschaft zu nehmen, sondern dass ihr der Nachweis der tatsächlichen Ausübung eines solchen Einflusses obliege (vgl. namentlich Erwägungsgründe 18, 376, 384, 391, 392, 397, 399 und 400 der angefochtenen Entscheidung).

108    So ergibt sich u. a. aus dem 384. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung, dass die Kommission deshalb der Auffassung war, dass Sepi die Verantwortung für die Zuwiderhandlung ihrer Tochtergesellschaft Cetarsa trotz ihrer Beteiligung an deren Kapital zu fast 80 % nicht zuzurechnen sei, weil sich in den Kommissionsakten kein Beleg dafür gefunden habe, dass Cetarsa ihr Marktverhalten nicht eigenständig bestimmt hätte.

109    Auch ergibt sich aus dem 18. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung, dass der Grund, weshalb die Kommission weder Universal noch ihre 100%ige Tochtergesellschaft Universal Leaf für die Zuwiderhandlung von deren 90%iger Tochtergesellschaft, Taes, verantwortlich gemacht hat, darin liegt, dass ihr keine hinreichenden Beweise dafür vorlagen, dass beide tatsächlich einen entscheidenden Einfluss auf die Letztgenannte ausgeübt hätten.

110    Dieselben Grundsätze wollte die Kommission im Fall der Muttergesellschaften von WWTE für die Zeit vor Mai 1998 anwenden. So befasste sie sich zunächst mit dem Nachweis, dass diese Muttergesellschaften über WWTE zusammen mit deren Vorsitzendem und zwei Mitgliedern seiner Familie eine gemeinsame Kontrolle ausübten, und brachte damit zum Ausdruck, dass sie in der Lage waren, einen bestimmenden Einfluss auf das Verhalten dieser Gesellschaft zu nehmen (vgl. Erwägungsgründe 388 bis 391 der angefochtenen Entscheidung). Dann bemühte sie sich – gestützt auf eine Reihe von im 391. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung aufgeführten Anhaltspunkten – um den Nachweis, dass die genannten Muttergesellschaften tatsächlich einen solchen Einfluss auf das Verhalten von WWTE ausübten (vgl. Erwägungsgründe 391, 392 und 400 der angefochtenen Entscheidung).

111    Im Übrigen wies sie darauf hin, dass in dem besonderen Fall, dass eine Muttergesellschaft das gesamte Kapital ihrer Tochtergesellschaft halte, nach der Rechtsprechung vermutet werden könne, dass die Erstgenannte tatsächlich einen bestimmenden Einfluss auf das Verhalten der Zweitgenannten ausübe (vgl. 372. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

112    Um im vorliegenden Fall den Muttergesellschaften, bei denen eine solche Konstellation vorliegt, die Verantwortung für die Zuwiderhandlung ihrer Tochtergesellschaft zuzurechnen, beschloss die Kommission jedoch, sich nicht mit dem Rückgriff auf diese Vermutung zu begnügen, sondern sich auch auf tatsächliche Gesichtspunkte zu stützen, die dazu dienen, die tatsächliche Ausübung eines bestimmenden Einflusses durch diese Muttergesellschaften auf ihre Tochtergesellschaft nachzuweisen und damit die genannte Vermutung zu bestätigen (vgl. namentlich Erwägungsgründe 372, 375, 376 und 378 der angefochtenen Entscheidung).

113    So geht aus dem 18. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung ausdrücklich hervor, dass die Kommission die übergeordnete und die dazwischengeschaltete Muttergesellschaft von Deltafina, nämlich Universal und Universal Leaf, trotz ihrer 100%igen Kontrolle über Deltafina deshalb nicht für deren Zuwiderhandlung verantwortlich machte, weil ihr keine ausreichenden Beweise dafür vorlagen, dass sie tatsächlich einen entscheidenden Einfluss auf diese Tochtergesellschaft ausgeübt hatten. Dahin ist auch der 376. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung zu verstehen, auch wenn er nicht ganz klar gefasst ist. Auch wenn die Kommission in diesem Erwägungsgrund erklärt, in ihrer Akte finde sich „kein weiterer Hinweis darauf …, dass Universal … und Universal Leaf in materieller Hinsicht an den Verhaltensweisen beteiligt sind, die in [der angefochtenen] Entscheidung behandelt werden“, kann diese Erklärung neben dem 18. Erwägungsgrund dieser Entscheidung gelesen und in deren Zusammenhang gestellt jedoch nicht so verstanden werden, dass der Grund, aus dem die Kommission nicht von einer Verantwortlichkeit dieser beiden Muttergesellschaften – oder irgendeiner anderen Muttergesellschaft – ausgegangen ist, darin besteht, dass sie nicht in die Zuwiderhandlung verwickelt waren.

114    Ferner geht aus dem 18. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung ebenso ausdrücklich hervor, dass der Grund, weshalb die Kommission Intabex, trotz deren 100%iger Kontrolle über Agroexpansión, nicht für deren Zuwiderhandlung verantwortlich machte, das Fehlen von ausreichenden Beweisen für die tatsächliche Ausübung eines entscheidenden Einflusses der Erstgenannten auf die Zweitgenannte ist, da deren Beteiligung an jener rein finanzieller Natur gewesen sei (vgl. auch 376. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

115    Dagegen ist es gerade der Umstand, dass es in Bezug auf die Muttergesellschaften von WWTE für die Zeit von Mai 1998 an solche Beweise gegeben haben soll, die zu der Tatsache hinzukamen, dass die Erstgenannte das gesamte Kapital – oder, während einiger Monate nur, fast das gesamte Kapital – der Letztgenannten hielt, der die Kommission veranlasst hat, diesen Muttergesellschaften die Verantwortlichkeit für die Zuwiderhandlung zuzurechnen (vgl. insbesondere Erwägungsgründe 375, 393, 396 und 398 der angefochtenen Entscheidung).

116    Dieselbe Methode wandte die Kommission im Fall der Klägerin an. So begnügte sie sich, um diese für die Zuwiderhandlung von Agroexpansión vom zweiten Halbjahr 1997 an für verantwortlich zu erklären, nicht damit, sich auf die Vermutung zu stützen, die daraus folgt, dass die Klägerin von da an das gesamte Kapital von Agroexpansión hielt (vgl. Erwägungsgründe 375, 377 und 378 der angefochtenen Entscheidung), sondern sie berücksichtigte auch bestimmte zusätzliche Gesichtspunkte, die belegten, dass die Klägerin tatsächlich einen entscheidenden Einfluss auf das Verhalten dieser Gesellschaft ausgeübt hatte (vgl. Erwägungsgründe 375 und 378 bis 380 der angefochtenen Entscheidung).

117    Dies lässt sich insbesondere aus dem zweiten Satz des 378. Erwägungsgrundes der angefochtenen Entscheidung ableiten, auch wenn es dort heißt, dass diese weiteren Punkte bestätigten, dass die Klägerin „in der Position“ gewesen sei, einen solchen Einfluss auszuüben (siehe oben, Randnr. 33). Es ist richtig, dass, wie die Kommission in ihrer Antwort auf eine schriftliche Frage des Gerichts selbst einräumt, dieser Satz „klarer [hätte] formuliert werden können“. Neben den Erwägungsgründen 372 und 377 der angefochtenen Entscheidung und zusammen mit dem ersten Satz des 378. Erwägungsgrundes dieser Entscheidung gelesen, kann er jedoch nur in dem oben in Randnr. 116 beschriebenen Sinne verstanden werden.

118    Schließlich prüfte die Kommission die Stichhaltigkeit der Argumente, die die betreffenden Tochtergesellschaften (und/oder ihre Muttergesellschaften) in ihrer Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte geltend gemacht hatten, um ihr eigenständiges Auftreten auf dem Markt zu belegen (vgl. namentlich Erwägungsgründe 381 und 399 der angefochtenen Entscheidung). So wies sie die von der Klägerin angeführten Argumente als nicht schlüssig zurück und führte insbesondere aus, dass „eine eigens für die Tochtergesellschaft in Spanien eingesetzte Geschäftsführung nicht die Möglichkeit aus[schließt], dass [die Klägerin] bedeutenden Einfluss auf diese Tochtergesellschaft genommen hat“ (381. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

119    Es ist klarzustellen, dass die Kommission die oben in den Randnrn. 105 bis 107, 111 und 112 dargestellte Methode nicht nur auf die übergeordneten Muttergesellschaften angewandt hat, sondern auch auf die dazwischengeschalteten Muttergesellschaften, wie es – hinsichtlich der Letzteren – der Fall von Universal Leaf, Intabex, SCTC und TCLT zeigt.

120    Hinzu kommt, dass diese Methode – unbeschadet der nachstehend noch zu prüfenden Frage, ob sie im Fall der Klägerin richtig angewandt wurde – völlig den Grundsätzen entspricht, die von der Rechtsprechung, wie sie oben in den Randnrn. 89 bis 98 in Erinnerung gerufen worden ist, in diesem Bereich aufgestellt worden sind.

121    Die Kommission hat sich in dem besonderen Fall, dass eine Muttergesellschaft das gesamte Kapital ihrer Tochtergesellschaft hält, die gegen die Wettbewerbsregeln verstoßen hat, für den Nachweis, dass die Erstgenannte tatsächlich einen entscheidenden Einfluss auf die Geschäftspolitik der Letztgenannten ausübte, nicht ausschließlich auf die in der Rechtsprechung niedergelegte Vermutung (siehe oben, Randnrn. 95 und 96) gestützt, sondern auch andere tatsächliche Gesichtspunkte berücksichtigt, um die Einflussnahme zu bestätigen.

122    Indem sie so vorgegangen ist, hat sie jedoch nur das erforderliche Beweismaß dafür, dass sie die Voraussetzung der tatsächlichen Ausübung eines entscheidenden Einflusses als erfüllt ansah, erhöht und dabei voll und ganz den grundlegenden Begriff der wirtschaftlichen Einheit beachtet, der der gesamten Rechtsprechung zur Zurechenbarkeit der Verantwortlichkeit für Zuwiderhandlungen an Rechtsträger, die ein einziges Unternehmen bilden, zugrunde liegt.

123    Die Kommission muss, wenn sie in einer Sache, in der es um eine Zuwiderhandlung unter Beteiligung mehrerer verschiedener Unternehmen geht, innerhalb des von der Rechtsprechung gesetzten Rahmens eine bestimmte Methode wählt, um festzustellen, ob von einer Verantwortlichkeit sowohl der Tochtergesellschaften, die die Zuwiderhandlung materiell begangen haben, als auch ihrer Muttergesellschaften auszugehen ist, zu diesem Zweck bei allen betroffenen Unternehmen dieselben Kriterien anwenden, sofern keine außergewöhnlichen Umstände vorliegen. Die Kommission muss nämlich den Grundsatz der Gleichbehandlung beachten, der nach ständiger Rechtsprechung verlangt, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleichbehandelt werden, es sei denn, eine solche Behandlung ist objektiv gerechtfertigt (Urteile des Gerichtshofs vom 13. Dezember 1984, Sermide, 106/83, Slg. 1984, 4209, Randnr. 28, und des Gerichts vom 14. Mai 1998, BPB de Eendracht/Kommission, T-311/94, Slg. 1998, II-1129, Randnr. 309). Die Kommission teilt im Übrigen diesen Standpunkt, wenn sie im 384. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung ausführt, dass der Umstand, dass „die konkreten Umstände, die [sie] veranlasst haben, die Muttergesellschaft für das Verhalten der Tochtergesellschaft zur Verantwortung zu ziehen, von Fall zu Fall verschieden sein können. Diese Tatsache ist an sich keine Verletzung des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung, sofern die Prinzipien der Haftbarkeit konsequent Anwendung finden.“

 Zum Vorliegen einer wirtschaftlichen Einheit zwischen der Klägerin und Agroexpansión

124    Es ist zu prüfen, ob die Kommission die oben in den Randnrn. 105 bis 107, 111 und 112 dargestellten Kriterien richtig angewandt hat, um zu dem Ergebnis zu gelangen, dass zwischen der Klägerin und Agroexpansión vom zweiten Halbjahr 1997 an eine wirtschaftliche Einheit bestanden habe, und die Erstgenannte deshalb für die Zuwiderhandlung und die Zahlung der Geldbuße gesamtschuldnerisch haftbar zu machen und sie in den Kreis der Adressaten der angefochtenen Entscheidung aufzunehmen.

125    Es steht fest, dass die Klägerin über Intabex in der Zeit vom 18. November 1997 bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die angefochtene Entscheidung erlassen wurde, das gesamte Kapital von Agroexpansión hielt. Es ist daher nicht zu bestreiten, dass die Klägerin während dieses Zeitraums in der Lage war, einen bestimmenden Einfluss auf deren Verhalten auszuüben (siehe oben, Randnr. 95).

126    Somit ist zu prüfen, ob für denselben Zeitraum auch die Voraussetzung erfüllt ist, dass die Klägerin – wie die Kommission behauptet – tatsächlich einen entscheidenden Einfluss ausgeübt hat.

127    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission in der angefochtenen Entscheidung im Fall der zu 100 % von ihren Muttergesellschaften kontrollierten Tochtergesellschaften die Entscheidung getroffen hat, sich nicht nur auf die oben in den Randnrn. 95, 96 und 111 angesprochene Vermutung zu stützen, um den Muttergesellschaften die Verantwortlichkeit für die Zuwiderhandlung ihrer Tochtergesellschaften zuzurechnen, sondern auch zusätzliche Gesichtspunkte zu berücksichtigen, die die tatsächliche Ausübung eines entscheidenden Einflusses belegten (siehe oben, Randnrn. 112 bis 117).

128    Zu prüfen ist somit, ob die von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung herangezogenen Gesichtspunkte über die Tatsache hinaus, dass die Klägerin das gesamte Kapital von Agroexpansión hielt, rechtlich hinreichend belegen, dass die Erstgenannte im Bezugszeitraum tatsächlich einen entscheidenden Einfluss auf das Verhalten der Zweitgenannten ausübte. Diese Gesichtspunkte werden im 379. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung sowie in den Fn. 303 bis 305 dieser Entscheidung genannt. Es geht im Wesentlichen um verschiedene von Agroexpansión stammende und nach Ansicht der Kommission an die Klägerin gerichtete Berichte und Schreiben.

129    Für den Fall, dass dies zu bejahen ist, wird zu prüfen sein, ob die Aussagen der Klägerin, wie sie oben in den Randnrn. 83 und 84 wiedergegeben sind, dieses Ergebnis zu entkräften vermögen.

–       Zu den „Tätigkeits- und Geschäftsberichten“

130    Die Kommission beruft sich auf eine Reihe von „Tätigkeits- und Geschäftsberichten“, die Agroexpansión verfasst habe, und weist insbesondere darauf hin, dass in diesen Berichten häufig auf die fraglichen rechtswidrigen Praktiken Bezug genommen werde. Diese 14, einen Zeitraum von Dezember 1998 bis Mai 2001 abdeckenden Berichte sind in Fn. 303 der angefochtenen Entscheidung aufgeführt.

131    Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass diese Berichte detaillierte Informationen nicht nur zu verschiedenen Aspekten der Geschäftstätigkeit von Agroexpansión, wie den Verlauf der Wirtschaftsjahre in Bezug auf den Rohtabakeinkauf (angekaufte Mengen, Einkaufspreis usw.), die Mengen verarbeiteten Rohtabaks und die mit Cetarsa geschlossenen Verträge über das Dreschen eines Teils ihres Tabaks, die regelungstechnischen Entwicklungen auf dem Rohtabaksektor und die Zusammenkünfte innerhalb der Anetab sowie mit den landwirtschaftlichen Verbänden und Erzeugergemeinschaften, sondern auch – wie im 379. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung betont wird – zu den fraglichen rechtswidrigen Praktiken enthielten.

132    Ferner geht aus der Akte hervor, dass die betreffenden Berichte von Herrn B. erstellt wurden und an die Mitglieder des Verwaltungsrats von Agroexpansión gerichtet waren.

133    Zu diesem letztgenannten Punkt ist festzustellen, dass die Klägerin genau an dem Tag, an dem sie – über ihre 100%ige Tochtergesellschaft Intabex, die an Agroexpansión nur eine Beteiligung rein finanzieller Natur hielt – die gesamten Anteile an Agroexpansión erworben hatte, drei der vier Mitglieder dieses Verwaltungsrats austauschte, indem sie u. a. zwei Personen (Herrn G. und Herrn T.) dorthin entsandte, die damals bereits in anderen Gesellschaften der Dimon-Gruppe Funktionen ausübten. So war Herr G. zu dieser Zeit auch Exekutivdirektor der Compañia de Filipinas SA, einer in der Produktion von schwarzem Tabak tätigen Tochtergesellschaft von Intabex mit Sitz in Spanien, und Herr T. war auch bei Dimon International Services beschäftigt und Mitglied des Verwaltungsrats dieser Gesellschaft (bis August 1998).

134    In diesem Zusammenhang ist insbesondere die Bedeutung der Funktionen hervorzuheben, die Herr T. in der Dimon-Gruppe wahrnahm. Neben seiner Mitgliedschaft im Verwaltungsrat von Agroexpansión während des gesamten Zeitraums, der auf den Erwerb der Letztgenannten durch die Klägerin folgte, und im Verwaltungsrat von Dimon International Services bis August 1998, hatte Herr T. nämlich einen Sitz im Verwaltungsrat zweier weiterer Gesellschaften der Dimon-Gruppe, nämlich der Intabex Holding Worldwide SA (von 1998 bis 1999) und der LRH Travel Ltd (bis November 2000). Zudem war er, wie die Klägerin in ihrer Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte angegeben hat, damit beauftragt, „die Integration der Intabex-Gruppe in die Dimon-Gruppe zu gewährleisten“. Hinzu kommt, dass, wie nachstehend in Randnr. 152 näher erläutert werden wird, mehreren in der Akte enthaltenen Schreiben zu entnehmen ist, dass Agroexpansión Herrn T. zu ihre Geschäftstätigkeit betreffenden Fragen konsultierte oder seine vorherige Zustimmung zu bestimmten wichtigen Entscheidungen einholte. In Anbetracht dieser Anhaltspunkte durfte die Kommission annehmen, dass Herr T. im Namen der an der Spitze der Dimon-Gruppe stehenden Gesellschaft, nämlich der Klägerin, handelte und die Rolle des Mittelsmanns zwischen dieser und Agroexpansión einnahm. Der Umstand, dass Herr T. eine Auseinandersetzung mit der Klägerin gehabt haben soll, die dazu geführt habe, dass die Klägerin seinem Amt als Mitglied des Verwaltungsrats von Dimon International Services im August 1998 ein Ende gesetzt habe, kann dieses Ergebnis nicht in Frage stellen. Nach diesem Zeitpunkt blieb Herr T. nämlich nicht nur bei dieser Gesellschaft beschäftigt, sondern auch Mitglied des jeweiligen Verwaltungsrats von Agroexpansión, von Intabex Holding Worldwide und der LRH Travel.

135    Die oben in den Randnrn. 132 bis 134 dargelegten Umstände zeigen, dass die Klägerin über die von ihr ernannten Mitglieder des Verwaltungsrats von Agroexpansión, und insbesondere über Herrn T., deren Tätigkeiten überwachen und bewirken wollte, dass sie sich im Einklang mit der Geschäftspolitik der Dimon-Gruppe entwickelten. Daher konnte die Kommission, auch wenn die fraglichen „Tätigkeits- und Geschäftsberichte“ der Form nach diesen Mitgliedern und nicht unmittelbar der Klägerin selbst übermittelt wurden, im 380. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung zu Recht die Feststellung treffen, dass diese Gesellschaft über den Inhalt dieser Berichte und insbesondere über die fraglichen rechtswidrigen Praktiken unterrichtet war. Diese Feststellung wird durch den im 379. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung erwähnten Umstand untermauert, dass diese Berichte systematisch aus dem Spanischen ins Englische, die Arbeitssprache der Klägerin, übersetzt wurden.

136    Schließlich steht fest, dass die Klägerin, die unbestreitbar in der Lage war, einen entscheidenden Einfluss auf das Verhalten von Agroexpansión auszuüben (siehe oben, Randnrn. 95 und 125), den ihr solchermaßen bekannten rechtswidrigen Praktiken nie widersprach und auch – trotz der Gefahr von Verfolgung oder Schadensersatzklagen Dritter, der sie sich mit diesem Verhalten aussetzte – gegenüber ihrer Tochtergesellschaft keine Maßnahme ergriff, um deren weitere Beteiligung an der Zuwiderhandlung zu unterbinden (vgl. auch 382. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung). Die Kommission konnte daraus zulässigerweise ableiten, dass die Klägerin diese Beteiligung stillschweigend billigte, und eine solche Verhaltensweise als weiteres Indiz für die Ausübung eines entscheidenden Einflusses auf das Verhalten ihrer Tochtergesellschaft ansehen.

–       Zum Schriftwechsel zwischen Agroexpansión und der Klägerin

137    Die Kommission stützt sich weiter auf eine Reihe von Schreiben, die zwischen Agroexpansión und der Klägerin ausgetauscht worden seien, und weist darauf hin, dass in einigen dieser Schreiben auf die fraglichen rechtswidrigen Praktiken Bezug genommen werde, während andere die von der Klägerin mit Cetarsa und Deltafina geschlossenen Verträge über die Verarbeitung von Tabak oder über den Verkauf von verarbeitetem Tabak und wieder andere ganz allgemein die Einkaufsbedingungen für Rohtabak und den in Spanien geltenden rechtlichen Rahmen betroffen hätten.

138    Was die Schreiben betrifft, die zur ersten oben in Randnr. 137 erwähnten Gruppe zählen, verweist die Kommission im 379. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung beispielhaft auf die Erwägungsgründe 168 und 179 sowie auf die Fn. 217 und 229 dieser Entscheidung.

139    Hierzu ist zunächst festzustellen, dass diese Schreiben tatsächlich auf die fraglichen rechtswidrigen Praktiken Bezug nehmen.

140    So hatte das im 168. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung erwähnte Fax vom 14. Dezember 1998, das Herr B. an Herrn D. (bei Dimon International, einer Tochtergesellschaft der Dimon-Gruppe mit Sitz in den USA) sandte, entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht ausschließlich einen von Agroexpansión mit Deltafina geschlossenen Vertrag über den Verkauf von verarbeitetem Tabak zum Gegenstand, sondern betraf auch die genannten Praktiken. Dies geht aus dem dritten Abschnitt dieses Faxes eindeutig hervor, in dem Herr B. Folgendes ausführt:

„Sobald ich die Preise der vier Unternehmen erhalte, werde ich Sie entsprechend informieren. Ich kann Ihnen jedoch jetzt schon versichern, dass die Probleme, die bei Ihrem Besuch in Spanien noch so schwerwiegend erschienen, nicht mehr bestehen, da alle Unternehmen das vereinbarte Ziel von 87 [ESP] (bis auf 2 bis 3 ESP genau) [pro kg] eingehalten haben, wobei es sich hier um die offiziellen Zahlen handelt. Wir vermuten jedoch, dass Cetarsa den Erzeugern andere Beträge gezahlt hat als wir.“

141    Entgegen den Ausführungen der Klägerin war Herr D. nicht nur Angestellter in der Finanzabteilung von Dimon International, sondern insbesondere auch Mitglied des Verwaltungsrats der Klägerin.

142    Im 179. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung wird auf einen Bericht von Herrn B. Bezug genommen, der das Datum 5. Mai 1998 trägt, der für Herrn T. bestimmt war und von dem eine Ausfertigung per Fax am Vorabend von Herrn B. an die beiden weiteren Mitglieder des Verwaltungsrats von Agroexpansión gesandt worden war. In diesem Bericht, in dem der Verlauf des Wirtschaftsjahrs 1998 in Bezug auf den Tabakeinkauf dargestellt wird, heißt es u. a., dass „Agroexpansión Vereinbarungen schließen konnte, durch die der Preiskampf, der so charakteristisch für das [vorhergehende] Jahr war, vermieden werden konnte“, dass „[d]ie Preise … zwischen den [Verbänden] und den [Tabakerzeugergemeinschaften] ausgehandelt worden [sind]“, dass „[a]uf diese Weise … zum ersten Mal ein Preiskampf zwischen den Unternehmen vermieden werden [konnte] und jedes Unternehmen … genau die Mengen kaufen [konnte], die es beabsichtigt hatte“ und dass „die Verhandlungen mit [diesen Gemeinschaften] schwierig [waren], aber alle Unternehmen … ihre Standpunkte verteidigen [konnten] und … dennoch in der Lage [waren], zusammenzuarbeiten“. In diesem Bericht wird weiter ausgeführt, dass Agroexpansión und WWTE sich geeinigt hätten, die gleichen Tabakmengen wie im Vorjahr zu kaufen, und dass sich die Verarbeiter darauf geeinigt hätten, den Erzeugergemeinschaften Prämienvorschüsse in Höhe von 35 ESP pro kg für die Sorte Virginia und in Höhe von 45 ESP pro kg für die Burley-Sorten zu zahlen. Schließlich wird darauf hingewiesen, dass „weitere Vereinbarungen zwischen den Verarbeitungsunternehmen in Zukunft wünschenswert wären“. In Anbetracht dieser Umstände lässt sich nicht bestreiten, dass der Bericht vom 5. Mai 1998 auf die fraglichen rechtswidrigen Praktiken Bezug nahm.

143    Das Gleiche gilt für die E-Mail von Herrn B. an Herrn S. vom 30. Oktober 2000, auf die in Fn. 217 der angefochtenen Entscheidung verwiesen wird. In diesem Schreiben erinnert Herr B. eingangs daran, dass bei einer im Rahmen der Anetab organisierten Sitzung die Verarbeiter über eine von den Erzeugergemeinschaften und ‑verbänden geforderte Preiserhöhung diskutiert hätten und einmütig übereingekommen seien, diese abzulehnen. Sodann führt er aus, dass bei einer Sitzung mit diesen Gemeinschaften und Verbänden die Verarbeiter ihre Position verteidigt und jenen unmissverständlich mitgeteilt hätten, dass sie die von ihnen geforderte Steigerung um 20 % nicht akzeptierten.

144    Was die in Fn. 229 der angefochtenen Entscheidung erwähnte E-Mail von Herrn B. an Herrn S. vom 9. Mai 2001 betrifft, heißt es dort, dass die Verarbeiter am Sitz von Anetab zusammengekommen seien, „um die Preisverhandlungen mit den Erzeugern vorzubereiten“, womit klar darauf hingewiesen wird, dass sich die Erstgenannten über die Einkaufspreise für Rohtabak abstimmten.

145    Ferner ist wie im Fall der erwähnten „Tätigkeits- und Geschäftsberichte“ davon auszugehen, dass die Kommission im 380. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung zu Recht annahm, dass die Klägerin über den Inhalt der oben in den Randnrn. 140 bis 144 erwähnten Schriftstücke und dementsprechend über die fraglichen rechtswidrigen Praktiken informiert war, auch wenn diese Berichte der Form nach nicht an sie gerichtet waren.

146    So ist in Bezug auf den Bericht, der das Datum 5. Mai 1998 trägt und den Herr B. an Herrn T. gesandt hatte (siehe oben, Randnr. 142), bereits oben in Randnr. 134 erläutert worden, dass Herr T. im Namen der Klägerin handelte und die Rolle des Mittelsmanns zwischen dieser und Agroexpansión einnahm. Zu dem Fax, das am 14. Dezember 1998 an Herrn D. bei Dimon International gesandt worden war (siehe oben, Randnr. 140), genügt der Hinweis, dass der Letztgenannte u. a. Mitglied des Verwaltungsrats der Klägerin war.

147    Die E-Mails vom 30. Oktober 2000 und 9. Mai 2001 (siehe oben, Randnrn. 143 und 144) wurden an Herrn S. gesandt. Entgegen dem, was die Klägerin zu verstehen gibt, war dieser kein einfacher Angestellter von Dimon International Services, sondern nahm in der Dimon-Gruppe eine Stellung auf höchster Ebene ein, so dass die Kommission wie bei Herrn T. zu Recht annehmen konnte, dass er im Namen der an der Spitze dieser Gruppe stehenden Gesellschaft, nämlich der Klägerin, handelte. So hat Agroexpansión in ihrer Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte, die die Klägerin der Klageschrift beigefügt hat, angegeben, dass Herr S. seit dem Jahr 2000 „eine Stelle zur Koordinierung der Europa-Geschäfte innegehabt“ habe. Ferner erläuterte Agroexpansión in ihrer Antwort vom 18. März 2002, die sie auf ein Auskunftsersuchen der Kommission gegeben hatte und die die Kommission dem Gericht auf eine im Rahmen prozessleitender Maßnahmen gestellte schriftliche Frage vorgelegt hat (siehe oben, Randnr. 69), dass Herr S. die Funktionen des „Regionaldirektors der Dimon-Gruppe in Europa“ ausgeübt habe. Außerdem erklärte die Klägerin im jährlichen Bilanzbericht über das abgeschlossene Steuerjahr zum 30. Juni 2001, den sie der U.S. Securities Exchange Commission (amerikanische Kommission für die Börsentätigkeit) vorlegte, dass Herr S. bei ihr seit März 1999 die Stellung des „Senior Vice President-Regional Director Europe“ einnehme.

148    Einige Angaben in der E-Mail vom 9. Mai 2001 und in der Antwort, die Herr S. auf diese E-Mail gab, sprechen darüber hinaus für die Bedeutung von Herrn S. innerhalb der Dimon-Gruppe. So unterrichtet Herr B. Herrn S. in diesem Schreiben auch von einem Treffen mit dem Präsidenten von Deltafina am Rande der Zusammenkunft, die am Sitz von Anetab stattgefunden habe, um zwei von ihm als „äußerst wichtig“ bezeichnete Fragen zu erörtern; er teilte Herrn S. auch mit, dass der Präsident von Deltafina ihn schnellstmöglich anrufen werde, um eine Einigung darüber zu erzielen. Per E-Mail vom selben Tag antwortete Herr S. Herrn B., er habe gerade mit dem Präsidenten von Deltafina gesprochen und sie hätten ein baldiges Treffen vereinbart. Er teilte Herrn B. darüber hinaus mit, dass er mit den Vorschlägen einverstanden sei, die dieser ihm hinsichtlich der genannten Fragen gemacht habe.

149    Schließlich konnte die Kommission daraus, dass die Klägerin angesichts der Beteiligung von Agroexpansión an der Zuwiderhandlung, obwohl sie solchermaßen darüber informiert war, keinerlei Reaktion zeigte, zulässigerweise ableiten, dass die Klägerin dieses rechtswidrige Verhalten ihrer Tochtergesellschaft stillschweigend billigte, und dies als weiteres Indiz für die Ausübung eines entscheidenden Einflusses auf deren Verhalten ansehen (siehe oben, Randnr. 136).

150    Die Schreiben, die zur zweiten oben in Randnr. 137 erwähnten Gruppe zählen, sind in Fn. 304 der angefochtenen Entscheidung aufgeführt. Es handelt sich im Wesentlichen um zwischen Herrn B. auf der einen und Herrn T. oder Herrn S. auf der anderen Seite ausgetauschte Faxe oder E-Mails. Aus den oben in den Randnrn. 134, 147 und 148 bereits dargelegten Gründen ist davon auszugehen, dass die beiden Letztgenannten im Namen der Klägerin handelten.

151    Einige dieser Schreiben betreffen einen im Jahr 2001 neu verhandelten Vertrag vom September 1998, mit dem bestimmte Aufträge von Agroexpansión über die Verarbeitung von Tabak von Cetarsa weiter vergeben wurden. Diesem Schreiben ist eindeutig zu entnehmen, dass dieser Vertrag von Herrn B. im Namen und für Rechnung der Klägerin geschlossen wurde und dass diese über Herrn T. und Herrn S. tatsächlich einen entscheidenden Einfluss auf die Verhandlungen über diesen Vertrag genommen hat.

152    So weist Herr B. in einem Fax vom 9. September 1998 an Herrn T. darauf hin, dass kürzlich mehrere Treffen mit Cetarsa stattgefunden hätten, um eine Lösung der „von [der Klägerin] gestellten offenen Fragen“ zu finden, und erbittet ausdrücklich die Zustimmung von Herrn T. zu einigen der Vertragsbedingungen, die in dem diesem Fax als Anhang beigefügten Protokoll eines dieser Treffen genannt sind. Es ist zu betonen, dass Herr B. in diesem Protokoll ausdrücklich als Vertreter der Klägerin bezeichnet wird. In diesem Sinne ist auch darauf hinzuweisen, dass Herr B. Herrn T. in einem Fax vom 14. September 1998 davon in Kenntnis setzt, dass er „wie [von ihm] angegeben“ erneut mit Cetarsa zusammengetroffen sei und dass an dem mit dieser zu unterzeichnenden Vertrag Änderungen vorgenommen worden seien, für die er Herrn T. um Zustimmung bitte. In einem Fax vom 15. September 1998 teilt Herr B. Herrn T. mit, dass er den ihm vom Letztgenannten am Vorabend übermittelten Änderungsvorschlag an Cetarsa weitergeleitet habe und dass dieser Verarbeiter einen Gegenvorschlag unterbreitet habe. Herr B. bittet Herrn T. um Mitteilung, ob dieser Vorschlag angenommen werden solle. Schließlich ist zu bemerken, dass die Klägerin in der endgültigen Fassung des mit Cetarsa geschlossenen Vertrags, den Herr B. Herrn T. per Fax vom 18. September 1998 gesandt hat, ausdrücklich als eine der beiden Vertragsparteien und Herr B. als ihr Vertreter bezeichnet werden.

153    Ebenso ist festzustellen, dass Herr B. Herrn S. in einer E-Mail vom 3. April 2001 über den Verlauf der Neuverhandlung des oben in Randnr. 152 erwähnten Vertrags unterrichtet und die Besorgnis zum Ausdruck gebracht hat, dass Cetarsa von der Klägerin dieselben Bedingungen verlangen werde, wie sie mit Herrn M., dem Präsidenten von Deltafina, im Rahmen eines parallel mit dieser im Namen von Universal geschlossenen Vertrags vereinbart worden seien, und daher Herrn S. ersucht hat, mit Herrn M. Kontakt aufzunehmen. Aus einer E-Mail vom darauffolgenden Tag von Herrn S. an Herrn B. geht hervor, dass der Erstgenannte tatsächlich versucht hat, Herrn M. zu erreichen.

154    Schließlich berichtet Herr B. Herrn S. in einer E-Mail vom 7. März 2001 über eine Begegnung, die er, „wie in Camberley vereinbart“ (dem Sitz von Dimon International Services im Vereinigten Königreich), am Vortag mit einem Vertreter von Cetarsa gehabt habe und bei der sie u. a. bestimmte Aspekte des im Stadium der Neuverhandlung mit der Letztgenannten befindlichen Vertrags erörtert hätten.

155    Andere Schreiben, die zur zweiten oben in Randnr. 137 erwähnten Gruppe zählen, betreffen einen Vertrag, mit dem Deltafina einen Großteil des verarbeiteten Tabaks von Agroexpansión kaufte. So bittet Herr T. Herrn B. in einem Fax vom 14. September 1998 um Erläuterungen zu bestimmten Preisen und weiteren im Rahmen dieses Vertrags vereinbarten Bedingungen. Mit Fax vom selben Tag machte Herr B. gegenüber Herrn T. diese Angaben. Zudem beantwortete Herr T. in dem oben in Randnr. 140 erwähnten Fax vom 14. Dezember 1998 neben einer Bezugnahme auf die fraglichen rechtswidrigen Praktiken eine Frage, die ihm Herr D. – der u. a. Mitglied des Verwaltungsrats der Klägerin war – zur Durchführung dieses Vertrags gestellt hatte. Letztlich belegt die oben in den Randnrn. 144 und 147 erwähnte E-Mail vom 9. Mai 2001 nicht nur, dass die Klägerin über diese Praktiken unterrichtet war, sondern auch, dass sie auf die Geschäftsbeziehungen zwischen Agroexpansión und Deltafina Einfluss genommen hat.

156    Schließlich sind die Schreiben der dritten oben in Randnr. 137 erwähnten Art in Fn. 305 der angefochtenen Entscheidung detailliert aufgeführt.

157    Es handelt sich um von Herrn B. an Herrn S. gerichtete E-Mails, die, wie die Kommission im 379. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung ausführt, ganz allgemein die Einkaufsbedingungen für Rohtabak und den in Spanien geltenden Regelungsrahmen betreffen. Diese E-Mails sind insoweit einschlägig, als sie zeigen, dass die Klägerin über Herrn S. die Situation auf dem spanischen Markt genau beobachtete.

158    Das Vorbringen der Klägerin, die oben in den Randnrn. 150 bis 157 geprüften Schreiben stünden in keinem Zusammenhang mit den Ankäufen von Rohtabak, ist ohne Belang. Die Eigenständigkeit einer Tochtergesellschaft gegenüber ihrer Muttergesellschaft ist nämlich nicht ausschließlich anhand ihrer Tätigkeit im Bereich der von der Zuwiderhandlung betroffenen Waren zu beurteilen. Wie bereits oben in Randnr. 92 ausgeführt worden ist, sind für die Feststellung, ob eine Tochtergesellschaft ihr Marktverhalten eigenständig bestimmt, alle erheblichen Gesichtspunkte im Zusammenhang mit den wirtschaftlichen, organisatorischen und rechtlichen Bindungen zwischen Tochter- und Muttergesellschaft zu berücksichtigen, die sich je nach Fall unterschiedlich darstellen können und deren abschließende Aufzählung deshalb nicht möglich ist.

–       Zum Vorbringen der Klägerin zum Nachweis ihres eigenständigen Handelns auf dem Markt

159    Zunächst ist festzustellen, dass die Klägerin ihre Argumentation in weiten Teilen auf die Auffassung stützt, dass der entscheidende Einfluss, den eine Muttergesellschaft ausüben müsse, damit ihr die Verantwortlichkeit für die Zuwiderhandlung ihrer Tochtergesellschaft zugerechnet werden könne, Tätigkeiten betreffen müsse, die in unmittelbarem Zusammenhang mit dieser Zuwiderhandlung stünden, hier also den Ankauf von Rohtabak. Aus den oben in den Randnrn. 92 und 158 dargelegten Gründen kann diese Auffassung jedoch nicht geteilt werden.

160    So kann die Behauptung der Klägerin, sie habe keine Mechanismen zur Überwachung des Rohtabakeinkaufs von Agroexpansión eingerichtet, nicht zum Nachweis dessen ausreichen, dass sie auf dem Markt eigenständig gehandelt hat. Das Gleiche gilt für die Behauptung der Klägerin, sie habe Agroexpansión keine Anordnungen oder Weisungen in Bezug auf ihre Einkaufspolitik oder die Treffen mit den anderen Verarbeitern oder Erzeugern erteilt. Diese Behauptungen können umso weniger überzeugen, als die Klägerin, wie aus den oben in den Randnrn. 150 bis 155 geprüften Dokumenten hervorgeht, über Herrn T. oder Herrn S. in weitere Bereiche der Geschäftspolitik von Agroexpansión, nämlich die Weitervergabe bestimmter Aufträge über die Verarbeitung von Rohtabak und den Verkauf von verarbeitetem Tabak, aktiv eingegriffen hat.

161    Sodann belegt der Umstand, dass Herr B. und die sonstigen Führungskräfte von Agroexpansión in ihren Stellungen belassen wurden, als Agroexpansión von Intabex erworben wurde, als solcher nicht, dass Agroexpansión eigenständig auf dem Markt handelte. Dieser Umstand ging nämlich nicht auf eine eigenständige Entscheidung von Agroexpansión zurück, sondern auf eine bewusste Entscheidung der Klägerin selbst, wie die Klägerin in ihrer Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte ausgeführt hat, wo sie sich zur Rechtfertigung auf ihre mangelnde Erfahrung im Bereich des Rohtabakeinkaufs in Spanien und auf die Sprachschwierigkeiten bezog.

162    Was im Übrigen den Direktionsvertrag angeht, räumt er Herrn B. in Bezug auf die Leitung von Agroexpansión und insbesondere den Rohtabakeinkauf weitreichende Befugnisse ein, sieht gleichwohl aber in Art. 1 Abs. 1 ausdrücklich vor, dass dieser unter Beachtung insbesondere der „Methoden und Verfahren handeln [muss], die ihm vom Verwaltungsrat [von Agroexpansión] vorgegeben werden“. Darüber hinaus verpflichtet Art. 1 Abs. 2 des Direktionsvertrags Herrn B., „[diesen Verwaltungsrat] regelmäßig und detailliert über die Entwicklung der Tätigkeiten der Gesellschaft [zu] unterrichten und zu den Zeitpunkten und in der Form, die ihm vom Verwaltungsrat angegeben werden, die Berichte [zu] erstellen und vor[zu]legen, die [dieser] Verwaltungsrat gegebenenfalls anfordert“. Somit liegt auf der Hand, dass Herr B. bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben einschließlich derjenigen in Bezug auf den Rohtabakeinkauf der Kontrolle durch den Verwaltungsrat von Agroexpansión sowie den Anweisungen unterworfen blieb, die ihm diese erteilen konnte. Vom Gericht in der Sitzung hierzu befragt, hat die Klägerin im Übrigen ausdrücklich eingeräumt, dass der Verwaltungsrat von Agroexpansión, wie bei jeder anderen Gesellschaft in Spanien auch, befugt sei, die Entscheidungen ihres Generaldirektors abzulehnen, zu ändern oder aufzuheben. Der Umstand, wenn er denn bewiesen wäre, dass der Verwaltungsrat von Agroexpansión in der Praxis weder zu irgendeinem Zeitpunkt so vorgegangen sei noch „Methoden“ oder „Verfahren“ wie die oben genannten ausgearbeitet habe, ändert nichts daran, dass Herr B. entgegen dem, was die Klägerin zu verstehen gibt, hinsichtlich der Leitung der Gesellschaft und auch nur hinsichtlich ihrer Rohtabakeinkaufspolitik nicht über völlige Handlungsfreiheit verfügte. Hinzu kommt, dass die im Direktionsvertrag vorgenommene Übertragung von Befugnissen auf Herrn B., anders als die Klägerin glauben machen will, nichts Außergewöhnliches war und Agroexpansión in keiner Weise von anderen Gesellschaften spanischen Rechts abhob. Es ist nämlich durchaus üblich, dass der Verwaltungsrat einer Gesellschaft sich nicht um deren laufende Geschäfte kümmert.

163    In Anbetracht der oben in Randnr. 135 getroffenen Feststellung, wonach die Klägerin über die von ihr ernannten Mitglieder des Verwaltungsrats von Agroexpansión, insbesondere Herrn T., die Tätigkeit von Agroexpansión überwachte, können die Argumente, die auf den Direktionsvertrag und die Herrn B. zugewiesenen Befugnisse gestützt sind, nicht überzeugen. In diesem Sinne ist allgemeiner in Bezug auf den Umstand, dass Agroexpansión über ihre eigene örtliche Geschäftsleitung verfügt, mit der Kommission festzustellen, dass er als solcher nicht beweist, dass sie ihr Marktverhalten gegenüber ihrer Muttergesellschaft eigenständig festlegt. So befand sich Agroexpansión im vorliegenden Fall zwar gewiss in einer solchen Situation, handelte gleichwohl aber unter der Aufsicht der Klägerin, und diese spielte sogar in bestimmten Bereichen ihrer Geschäftspolitik eine aktive Rolle (siehe insbesondere die vorstehenden Randnrn. 150 bis 155).

164    Zu dem Argument der Klägerin, keines der vier Mitglieder des Verwaltungsrats von Agroexpansión sei zugleich Mitglied des Verwaltungsrats der Klägerin oder ihrer Leitungsorgane gewesen, ist schließlich festzustellen, dass zwar der Umstand, dass Muttergesellschaft und Tochtergesellschaft Führungskräfte miteinander teilen, ein Indiz für die tatsächliche Ausübung eines entscheidenden Einflusses darstellt, umgekehrt aus dem Fehlen einer solchen Überschneidung jedoch nicht abgeleitet werden kann, dass die Tochtergesellschaft auf dem Markt eigenständig handelt. Hinzu kommt, dass, wie bereits oben in Randnr. 133 ausgeführt, zwei der vier Mitglieder des Verwaltungsrats von Agroexpansión, die die Klägerin ernannt hatte, als sie Agroexpansión über Intabex erwarb, damals bereits in anderen Gesellschaften der Dimon-Gruppe wichtige Funktionen ausübten.

165    Nach alledem hat die Kommission im Ergebnis zu Recht das Bestehen einer wirtschaftlichen Einheit zwischen Agroexpansión und der Klägerin vom 18. November 1997 an angenommen und die Letztgenannte deshalb für die Zuwiderhandlung und die Zahlung der Geldbuße gesamtschuldnerisch haftbar gemacht und sie in den Kreis der Adressaten der angefochtenen Entscheidung aufgenommen.

166    In Ansehung der oben in den Randnrn. 99 bis 101 in Erinnerung gerufenen Grundsätze ist der Schluss zu ziehen, dass die Kommission zu Recht auf den konsolidierten Umsatz der Klägerin im Jahr 2003, dem Jahr, das demjenigen vorausging, in dem die angefochtene Entscheidung erlassen wurde, abgestellt hat, um die Obergrenze von 10 % nach Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 zu berechnen.

167    Der erste Klagegrund ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

2.     Zum fünften Klagegrund: Verstoß gegen die Begründungspflicht

 Vorbringen der Parteien

168    In der mündlichen Verhandlung hat sich die Klägerin auf einen neuen Klagegrund berufen, mit dem sie einen Verstoß gegen die Begründungspflicht geltend macht. Zur Begründung des Klagegrundes führt sie aus, dass aus der angefochtenen Entscheidung nicht hervorgehe, dass die im 379. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung angeführten Gesichtspunkte dazu dienten, die aus dem Besitz des gesamten Kapitals von Agroexpansión abgeleitete Vermutung der tatsächlichen Ausübung eines bestimmenden Einflusses zu bestätigen. Diese Gesichtspunkte beträfen in Wirklichkeit die Möglichkeit, einen solchen Einfluss auszuüben. Ferner ergebe sich aus der angefochtenen Entscheidung auch nicht, dass die Kommission der Auffassung gewesen sei, dass die an Herrn T. übermittelten Berichte und Schreiben für die Klägerin bestimmt gewesen seien. Schließlich habe sich die Kommission, um diese letztgenannte Tatsache zu belegen, in ihren Schriftsätzen auf ein Dokument gestützt, dass in die angefochtene Entscheidung nicht aufgenommen worden sei, nämlich auf ein Fax vom 29. April 1998, das Herr B. an Herrn T. gesandt habe.

169    Die Kommission macht geltend, der fünfte Klagegrund sei – da er neu sei – als unzulässig und jedenfalls als unbegründet zurückzuweisen.

 Würdigung durch das Gericht

170    Es ist festzustellen, dass die Klägerin erstmals in der mündlichen Verhandlung den Klagegrund des Verstoßes gegen die Begründungspflicht erhoben hat. Dieser Umstand führt jedoch nicht dazu, dass das Gericht ihn im vorliegenden Fall nicht prüfen könnte. Im Rahmen einer Nichtigkeitsklage stellt nämlich ein Klagegrund, mit dem die unzulängliche Begründung eines Rechtsakts gerügt wird, einen Gesichtspunkt dar, den der Unionsrichter von Amts wegen prüfen kann und muss und der daher von den Parteien in jedem Stadium des Verfahrens geltend gemacht werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 13. Dezember 2001, Krupp Thyssen Stainless und Acciai speciali Terni/Kommission, T-45/98 und T‑47/98, Slg. 2001, II-3757, Randnr. 125).

171    Nach ständiger Rechtsprechung muss die durch Art. 253 EG vorgeschriebene Begründung der Natur des betreffenden Rechtsakts angepasst sein und die Überlegungen des Organs, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und das zuständige Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann. Das Begründungserfordernis ist nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach dem Inhalt des Rechtsakts, der Art der angeführten Gründe und nach dem Interesse zu beurteilen, das die Adressaten oder andere durch den Rechtsakt unmittelbar und individuell betroffene Personen an Erläuterungen haben können. In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich oder rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts den Erfordernissen des Art. 253 EG genügt, nicht nur anhand seines Wortlauts zu beurteilen ist, sondern auch anhand seines Kontexts sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 2. April 1998, Kommission/Sytraval und Brink’s France, C-367/95 P, Slg. 1998, I-1719, Randnr. 63 und die dort angeführte Rechtsprechung, und Urteil Hoek Loos/Kommission, oben in Randnr. 100 angeführt, Randnr. 58).

172    Nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung muss eine Entscheidung zur Anwendung von Art. 81 EG, wenn sie eine Mehrzahl von Adressaten betrifft und sich die Frage stellt, wem die Zuwiderhandlung zuzurechnen ist, im Hinblick auf jeden der Adressaten hinreichend begründet sein, insbesondere aber im Hinblick auf diejenigen, denen die Zuwiderhandlung in der Entscheidung zur Last gelegt wird (Urteile des Gerichts vom 28. April 1994, AWS Benelux/Kommission, T‑38/92, Slg. 1994, II-211, Randnr. 26, und vom 27. September 2006, Akzo Nobel/Kommission, T-330/01, Slg. 2006, II-3389, Randnr. 93).

173    Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der oben in den Randnrn. 27 bis 37 enthaltenen Zusammenfassung des Teils der angefochtenen Entscheidung, der deren Adressaten betrifft, sowie aus den oben in den Randnrn. 104 bis 119 getroffenen Feststellungen, dass die Kommission in dieser Entscheidung hinreichend begründet hat, weshalb sie beschloss, der Klägerin die Verantwortung für die Zuwiderhandlung von Agroexpansión zuzurechnen. So legte sie unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs und des Gerichts die Grundsätze dar, die sie anzuwenden gedachte, um die Adressaten zu bestimmen. In Bezug konkret auf die Klägerin wies sie zunächst darauf hin, dass diese seit dem zweiten Halbjahr 1997 im Besitz des gesamten Kapitals von Agroexpansión gewesen sei. Darüber hinaus hielt sie es für erwiesen, dass die Klägerin tatsächlich einen entscheidenden Einfluss auf das Verhalten von Agroexpansión ausgeübt hatte, und stützte sich dabei nicht nur auf die Vermutung, die aus dem Besitz des gesamten Kapitals der Tochtergesellschaft folgt, sondern auch auf bestimmte weitere Gesichtspunkte, die diese tatsächliche Ausübung bestätigten. Schließlich war sie der Auffassung, dass keines der von der Klägerin in ihrer Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte vorgebrachten Argumente eine andere Schlussfolgerung zulasse.

174    Zwar kann Satz 2 des 378. Erwägungsgrundes der angefochtenen Entscheidung, wo es heißt, dass die im nachfolgenden Erwägungsgrund dargelegten weiteren Anhaltspunkte „die Annahme [bestätigten], dass [die Klägerin] in der Position war, einen erheblichen Einfluss auszuüben“, irreführend sein. Wie bereits oben in Randnr. 117 dargelegt, geht jedoch aus den Erwägungsgründen 372 und 377 in Verbindung mit dem 378. Erwägungsgrund Satz 1 der angefochtenen Entscheidung klar hervor, dass diese Anhaltspunkte in Wirklichkeit die Vermutung bestätigen sollten, dass eine Muttergesellschaft tatsächlich einen bestimmenden Einfluss auf das Verhalten ihrer Tochtergesellschaft ausübt, wenn sie deren gesamtes Kapital hält. Das Vorbringen der Klägerin, sie habe die angefochtene Entscheidung nicht dahin gehend verstehen können, ist umso weniger begründet, als sie in der Klageschrift ausdrücklich bestreitet, dass die genannten Anhaltspunkte bestätigten, dass sie einen bestimmenden Einfluss auf Agroexpansión ausgeübt habe. Die Vermutung, die von der im 372. Erwägungsgrund genannten und oben in den Randnrn. 95 und 96 angeführten Rechtsprechung aufgestellt wird, betrifft offensichtlich nicht die Möglichkeit, einen derartigen Einfluss auszuüben, sondern die tatsächliche Ausübung dieses Einflusses.

175    Im Übrigen kann die Klägerin auch nicht ernsthaft behaupten, sie habe, bevor sie die Schriftsätze der Kommission zur Kenntnis genommen habe, nicht erkennen können, dass nach deren Ansicht davon auszugehen sei, dass Herr T. als Mittelsmann für die Klägerin anzusehen sei. Zum einen nämlich waren die meisten Dokumente, die in den Fn. 303 und 304 der angefochtenen Entscheidung ausdrücklich bezeichnet wurden und die nach den Darlegungen der Kommission in dieser Entscheidung an die Klägerin gesandt worden waren, an Herrn T. gerichtet. Zum anderen hat die Klägerin sowohl in ihrer Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte als auch in ihrer Klageschrift zu der Rolle und den Aufgaben des Herrn T. in der Dimon-Gruppe ausführlich Stellung genommen und insbesondere den Umstand hervorgehoben, dass er niemals Mitglied ihres Verwaltungsrats, ihrer Leitungsorgane oder ihres Personals gewesen sei.

176    Was schließlich das Fax vom 29. April 1998 angeht, das Herr B. an Herrn T. sandte, genügt der Hinweis, dass dieses vom Gericht nicht als Beweis für die Schlussfolgerung der Kommission behandelt wurde, dass die Klägerin tatsächlich einen bestimmenden Einfluss auf das Verhalten von Agroexpansión ausgeübt habe, da dieser Umstand durch die im 379. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung angeführten Beweismittel rechtlich hinreichend bewiesen war (siehe oben, Randnrn. 128 und 130 bis 158).

177    Der fünfte Klagegrund ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

3.     Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der persönlichen Verantwortlichkeit

 Vorbringen der Parteien

178    Im Rahmen des zweiten Klagegrundes, der im Verhältnis zum ersten Klagegrund hilfsweise geltend gemacht wird, trägt die Klägerin vor, die Kommission habe die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der persönlichen Verantwortlichkeit verletzt, indem sie die Klägerin für die Zuwiderhandlung von Agroexpansión verantwortlich mache, ohne bewiesen zu haben, dass die Klägerin unmittelbar an der Zuwiderhandlung beteiligt gewesen sei, z. B. dadurch, dass sie ihrer Tochtergesellschaft bestimmte Weisungen erteilt habe oder ihre Kartellbeteiligung überwacht habe. Der Umstand, dass eine Muttergesellschaft „einzelne Informationen“ über die restriktiven Praktiken ihrer Tochtergesellschaften erhalten habe, reiche nicht aus, um sie für die Zuwiderhandlung der Letztgenannten verantwortlich zu machen. Zumindest müsse nachgewiesen werden, dass sie „regelmäßig wiederkehrend“ oder „ausführlich“ über diese Zuwiderhandlung informiert worden sei.

179    Unter Bezugnahme auf die im Rahmen des ersten Klagegrundes vorgebrachten Argumente trägt die Klägerin erneut vor, sie habe von den Berichten, die Agroexpansión angeblich an sie gesandt habe und die Informationen über die Einkaufspolitik von Agroexpansión oder konkrete Beweise für die in Frage stehenden rechtswidrigen Praktiken enthielten, keine Kenntnis erlangt.

180    Die Kommission ist der Ansicht, der zweite Klagegrund sei aus denselben Gründen wie der erste zurückzuweisen, da er im Wesentlichen eine Wiederholung des ersten sei.

 Würdigung durch das Gericht

181    Zunächst ist das Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen, die Kommission habe nicht nachgewiesen, dass die Klägerin unmittelbar an der Zuwiderhandlung teilgenommen habe, z. B. dadurch, dass sie ihre Tochtergesellschaft zu deren Begehung angewiesen habe oder die Beteiligung der Tochtergesellschaft an dem genannten Kartell überwacht habe. Nicht ein zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft in Bezug auf die Zuwiderhandlung bestehendes Anstiftungsverhältnis und erst recht nicht eine Beteiligung der Muttergesellschaft an dieser Zuwiderhandlung, sondern der Umstand, dass beide ein einziges Unternehmen im Sinne von Art. 81 EG bilden, gestattet es nämlich – wie bereits oben in Randnr. 93 ausgeführt – der Kommission, eine Entscheidung, mit der Geldbußen verhängt werden, an die Muttergesellschaft zu richten.

182    Sodann ist darauf hinzuweisen, dass sich die Kommission, um der Klägerin die Verantwortung für die Zuwiderhandlung von Agroexpansión zuzurechnen, nicht nur auf die Vermutung der tatsächlichen Ausübung eines bestimmenden Einflusses stützte, die aus dem Besitz des gesamten Kapitals der Tochtergesellschaft folgt, sondern auch auf bestimmte weitere Gesichtspunkte, die diese tatsächliche Ausübung des Einflusses durch die Klägerin belegen. Diese Gesichtspunkte bestehen in den verschiedenen Berichten und Schreiben, die von Agroexpansión stammen und belegen, dass die Klägerin über Herrn T., Herrn S. oder Herrn D. nicht nur über die in Rede stehenden rechtswidrigen Praktiken informiert war, sondern auch – was die Klägerin unterlässt, im Rahmen des vorliegenden Klagegrundes vorzutragen – in bestimmte Geschäftsbeziehungen zwischen ihrer Tochtergesellschaft und Deltafina oder Cetarsa eingriff und die Situation auf dem spanischen Markt genau verfolgte (siehe oben, Randnrn. 130 bis 158).

183    Schließlich kann nicht ernsthaft behauptet werden, dass der Klägerin nur „einzelne Informationen“ über die in Rede stehenden rechtswidrigen Praktiken mitgeteilt worden seien. Auf diese Praktiken wurde nämlich Bezug genommen in den Tätigkeitsberichten von Agroexpansión von Februar, März, April und Oktober 1999 sowie von Januar, Mai, September und November 2000, in dem Geschäftsbericht von Agroexpansión von Mai 2001, in dem Fax von Herrn B. an Herrn D. vom 14. Dezember 1998 (siehe oben, Randnr. 140), im Bericht von Herrn B. vom 5. Mai 1998 (siehe oben, Randnr. 142) und in den E-Mails von Herrn B. an Herrn S. vom 30. Oktober 2000 und vom 9. Mai 2001 (siehe oben, Randnrn. 143 und 144).

184    Nach alledem ist der zweite Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen. Der Antrag auf teilweise Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung ist somit zurückzuweisen.

4.     Zum vierten Klagegrund: Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes

 Vorbringen der Parteien

185    Die Klägerin behauptet, Agroexpansión habe ihre Beteiligung an der Zuwiderhandlung nach dem ersten Eingreifen der Kommission aufgegeben, und wirft der Kommission vor, ihr berechtigtes Vertrauen dadurch verletzt zu haben, dass sie bei der Festsetzung des Betrags der Geldbuße diesen mildernden Umstand nicht im Einklang mit Nr. 3 der Leitlinien und ihrer Entscheidungspraxis berücksichtigt habe.

186    Die Kommission dürfe diesen mildernden Umstand nur dann unberücksichtigt lassen, wenn vorsätzlich gegen die Wettbewerbsregeln verstoßen worden sei.

187    In der Erwiderung trägt die Klägerin ferner vor, sie habe die Zuwiderhandlung nicht vor dem Zeitpunkt des ersten Eingreifens der Kommission abgestellt, sondern genau an dem Tag, an dem die Kommission eingegriffen habe, nämlich dem 3. Oktober 2001.

188    Die Kommission tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

189    Unter Bezugnahme auf die Behauptung der Klägerin, die Zuwiderhandlung sei erst am 3. Oktober 2001 abgestellt worden (siehe oben, Randnr. 187), beantragt die Kommission in der Gegenerwiderung, das Gericht möge eine zusätzliche Erhöhung um 5 % aufgrund der Dauer der Zuwiderhandlung auf den Ausgangsbetrag der Geldbuße anwenden. Die Beteiligung der Klägerin an der Zuwiderhandlung habe in diesem Fall länger als fünf Jahre und sechs Monate gedauert.

 Würdigung durch das Gericht

190    Es ist darauf hinzuweisen, dass sich die Kommission bei der Festsetzung der Höhe von Geldbußen grundsätzlich an ihre eigenen Leitlinien halten muss. Diese schreiben ihr aber nicht vor, alle in Nr. 3 der Leitlinien aufgeführten mildernden Umstände stets gesondert zu berücksichtigen; die Kommission ist nicht verpflichtet, insoweit automatisch eine zusätzliche Herabsetzung zu gewähren, weil die Frage, ob eine Herabsetzung der Geldbuße wegen mildernder Umstände angemessen ist, unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände im Weg einer Gesamtwürdigung zu beurteilen ist. Der Erlass der Leitlinien hat der früheren Rechtsprechung nicht ihre Bedeutung genommen, nach der die Kommission über ein Ermessen verfügt, das es ihr erlaubt, bei der Bemessung der von ihr zu verhängenden Geldbußen insbesondere nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalls bestimmte Gesichtspunkte zu berücksichtigen oder nicht. Da sich aus den Leitlinien kein zwingender Anhaltspunkt dafür ergibt, welche mildernden Umstände berücksichtigt werden können, ist davon auszugehen, dass der Kommission ein gewisser Spielraum verblieben ist, um im Weg einer Gesamtwürdigung über die Höhe einer etwaigen Herabsetzung der Geldbußen wegen mildernder Umstände zu entscheiden (vgl. Urteil des Gerichts vom 14. Dezember 2006, Raiffeisen Zentralbank Österreich u. a./Kommission, T‑259/02 bis T‑264/02 und T‑271/02, Slg. 2006, II‑5169, Randnr. 473 und die dort angeführte Rechtsprechung).

191    Nach Nr. 3 dritter Gedankenstrich der Leitlinien gehört zu den mildernden Umständen die „Beendigung der Zuwiderhandlung nach dem ersten Eingreifen der Kommission (insbesondere Nachprüfungen)“.

192    Nach ständiger Rechtsprechung kann diese Beendigung logischerweise jedoch nur dann einen mildernden Umstand bilden, wenn es Gründe für die Annahme gibt, dass die fraglichen Unternehmen durch dieses Eingreifen zur Beendigung ihres wettbewerbswidrigen Verhaltens veranlasst wurden, während der Fall, dass die Zuwiderhandlung bereits vor dem ersten Eingreifen der Kommission beendet worden war, dieser Bestimmung der Leitlinien nicht unterfällt (Urteil des Gerichts vom 8. Juli 2004, Dalmine/Kommission, T-50/00, Slg. 2004, II-2395, Randnrn. 328 und 329, im Rechtsmittelverfahren bestätigt durch Urteil des Gerichtshofs vom 25. Januar 2007, Dalmine/Kommission, C-407/04 P, Slg. 2007, I-829, Randnr. 158).

193    Im vorliegenden Fall war die Zuwiderhandlung aber am 10. August 2001, also vor dem Zeitpunkt der ersten Nachprüfungen durch die Kommission, hier am 3. Oktober 2001, beendet worden. Wie aus dem 432. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung hervorgeht, nahm die Kommission, obwohl die Verarbeiter erklärt hatten, dass ihr Kartell seit dem letztgenannten Zeitpunkt nicht mehr bestanden habe, nämlich deshalb den erstgenannten Zeitpunkt als Endpunkt der Zuwiderhandlung an, weil der „jüngste Beweis“, der ihr vorgelegen habe, ein im 260. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung erwähntes Treffen vom 10. August 2001 gewesen sei. Für die Zwecke der Festlegung der Höhe der Geldbuße könne diese Beendigung daher keinen mildernden Umstand darstellen.

194    Hinzu kommt, dass die Kommission, selbst wenn sie angenommen hätte, dass die Zuwiderhandlung an dem Tag beendet worden sei, an dem sie ihre ersten Nachprüfungen vorgenommen hatte, völlig zu Recht davon hätte absehen können, den von der Klägerin geltend gemachten Umstand zu berücksichtigen. Eine Herabsetzung der Geldbuße wegen der Beendigung einer Zuwiderhandlung nach dem ersten Eingreifen der Kommission kann nämlich nicht automatisch eintreten, sondern hängt von einer Bewertung der Umstände des Einzelfalls durch die Kommission im Rahmen ihres Ermessens ab. Insoweit erscheint die Anwendung von Nr. 3 dritter Gedankenstrich der Leitlinien zugunsten eines Unternehmens besonders angezeigt, wenn der wettbewerbswidrige Charakter des fraglichen Verhaltens nicht offenkundig ist. Umgekehrt erscheint ihre Anwendung grundsätzlich weniger angebracht, wenn das fragliche Verhalten, sofern es erwiesen ist, klar wettbewerbswidrig ist (Urteile des Gerichts vom 11. März 1999, Aristrain/Kommission, T-156/94, Slg. 1999, II-645, Randnr. 138, und vom 8. Juli 2004, Mannesmannröhren-Werke/Kommission, T-44/00, Slg. 2004, II-2223, Randnr. 281).

195    Im vorliegenden Fall stand aber der wettbewerbswidrige Charakter des Verhaltens von Agroexpansión nicht in Zweifel. Da das Verarbeiterkartell die Preisfestsetzung und Marktaufteilung zum Gegenstand hat (vgl. Erwägungsgründe 278 bis 317 der angefochtenen Entscheidung), entspricht es nämlich einer im Wettbewerbsrecht typischen und besonders schwerwiegenden Zuwiderhandlung (vgl. Erwägungsgründe 409 bis 411 der angefochtenen Entscheidung) und einem Verhalten, dessen Rechtswidrigkeit die Kommission, seit sie auf diesem Gebiet tätig ist, häufig bestätigt hat. Der Umstand, dass dieses Kartell geheime Abmachungen umfasste, bestätigt darüber hinaus, dass Agroexpansión sich der Rechtswidrigkeit ihres Verhaltens in vollem Umfang bewusst war.

196    Folglich ist der vierte Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen.

197    Dem Antrag der Kommission, eine zusätzliche Erhöhung um 5 % aufgrund der Dauer der Zuwiderhandlung auf den Ausgangsbetrag der für Agroexpansión festgesetzten Geldbuße anzuwenden, ist nach Auffassung des Gerichts nicht stattzugeben. Mit dem Vortrag, die Zuwiderhandlung sei am 3. Oktober 2001 und nicht schon am 10. August 2001 beendet gewesen, wollte die Klägerin nicht so sehr die Beurteilung der Kommission hinsichtlich der Dauer der Zuwiderhandlung in Frage stellen, als auf ein Argument eingehen, das die Kommission in ihrer Klagebeantwortung vorgebracht hatte und wonach die Berücksichtigung des letztgenannten Zeitpunkts als Zeitpunkt der Beendigung der Zuwiderhandlung bereits eine für die Klägerin günstige Wirkung gehabt hatte.

5.     Zum dritten Klagegrund: Verstoß gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der persönlichen Verantwortlichkeit sowie gegen Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003

 Vorbringen der Parteien

198    Im Rahmen des dritten Klagegrundes, der im Verhältnis zum ersten Klagegrund hilfsweise geltend gemacht wird, trägt die Klägerin unter Bezugnahme auf den 386. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung vor, dass sie nicht für die vor dem 18. November 1997 liegende Zeit für die von Agroexpansión begangene Zuwiderhandlung hätte verantwortlich gemacht werden dürfen und dass die Geldbuße folglich herabgesetzt werden müsse.

199    Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Geldbuße für die genannte Zeit hätte berechnet werden müssen, ohne dass zum Zweck der Abschreckung ein Multiplikator auf den Ausgangsbetrag der Geldbuße Anwendung gefunden hätte, da Agroexpansión zu jener Zeit keiner multinationalen Gruppe angehört habe.

200    Für den Zeitraum vom 18. November 1997 bis zum 10. August 2001 sei die Geldbuße so zu berechnen, dass von dem Betrag, der gemäß Art. 3 der angefochtenen Entscheidung gegen Agroexpansión festgesetzt worden sei, der Betrag abgezogen werde, der für die vor dem 18. November 1997 liegende Zeit ausschließlich der Letztgenannten zuzurechnen sei.

201    Die Kommission räumt ein, dass der Betrag der Geldbuße, für dessen Zahlung die Klägerin gesamtschuldnerisch neben Agroexpansión hafte, niedriger sein müsse als der Gesamtbetrag der Geldbuße, die gegen die Letztgenannte verhängt werde. Sie wendet sich jedoch gegen das Vorbringen der Klägerin, wonach der Betrag der Geldbuße so berechnet werden müsse, dass die Anwendung des Multiplikators zum Zweck der Abschreckung für die Zeit vor dem 18. November 1997 ausgeschlossen werde. Die Klägerin müsse für die Zahlung der Geldbuße in Höhe von 2 332 800 Euro gesamtschuldnerisch neben Agroexpansión haftbar sein, wohingegen Agroexpansión für die Zahlung des Gesamtbetrags der Geldbuße, nämlich in Höhe von 2 592 000 Euro (davon in Höhe von 259 200 Euro ausschließlich) haftbar sei. Die Kommission kommt auf den Betrag von 2 332 800 Euro, indem sie den Umstand berücksichtigt, dass die Klägerin nur für die Dauer von ungefähr drei Jahren und neun Monaten für die Zuwiderhandlung haftbar gemacht werden könne, und indem sie folglich den Ausgangsbetrag der Geldbuße in Bezug auf die Klägerin lediglich um 35 % erhöht.

 Würdigung durch das Gericht

202    Wie unstreitig ist und wie aus dem 386. Erwägungsgrund hervorgeht, konnte die Klägerin nicht für die vor dem 18. November 1997 liegende Zeit für die von Agroexpansión begangene Zuwiderhandlung verantwortlich gemacht werden, weil sie erst seit dem genannten Zeitpunkt mit Agroexpansión eine wirtschaftliche Einheit und damit ein Unternehmen im Sinne von Art. 81 EG bildete. Da die gesamtschuldnerische Haftung für die Zahlung der Geldbuße nur den Zeitraum der Zuwiderhandlung abdecken kann, in dem die Muttergesellschaft und ihre Tochtergesellschaft ein derartiges Unternehmen bildeten, gab es für die Kommission keinen Grund, die Klägerin gesamtschuldnerisch neben Agroexpansión zur Zahlung des gegen Agroexpansión festgesetzten Gesamtbetrags zu verpflichten, also in Höhe von 2 592 000 Euro, d. h. eines Betrags, der sich auf den gesamten Zeitraum der Zuwiderhandlung erstreckt. Dem dritten Klagegrund ist daher stattzugeben.

6.     Zur Bestimmung des Endbetrags der Geldbußen

203    Die angefochtene Entscheidung ist somit insoweit abzuändern, als sie die Klägerin für die Zahlung des Gesamtbetrags der für Agroexpansión festgesetzten Geldbuße gesamtschuldnerisch neben Agroexpansión haftbar macht.

204    Das Gericht hält es in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung für sachgerecht, den Teil des Betrags, für dessen Zahlung die Klägerin gesamtschuldnerisch neben Agroexpansión haftet, gemäß den Erwägungen zu berechnen, die die Kommission in ihren Schriftsätzen vorgeschlagen hat, d. h. unter Heranziehung der Methode und der Kriterien, die sie in der angefochtenen Entscheidung für die Festsetzung des Betrags der gegen die Adressaten dieser Entscheidung zu verhängenden Geldbußen anwandte (siehe oben, Randnrn. 38 bis 61).

205    Als Erstes ist daher derselbe Ausgangsbetrag wie der für Agroexpansión zugrunde zu legen, d. h. 3 600 000 Euro.

206    Erstens nämlich ist der Umstand, dass die Klägerin nicht für die vor dem 18. November 1997 liegende Zeit für die Zuwiderhandlung verantwortlich gemacht werden kann, ohne Bedeutung für die Einstufung dieser Zuwiderhandlung als „besonders schwer“ (Erwägungsgründe 408 bis 414 der angefochtenen Entscheidung).

207    Zweitens ist dieser Umstand auch ohne Bedeutung für die Berücksichtigung des „jeweiligen Gewichts“ und der tatsächlichen Auswirkung des Verstoßes jedes einzelnen Unternehmens auf den Wettbewerb (415. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

208    Zum einen nämlich beeinflusst er nicht die Feststellung, dass der „Beitrag“ der Verarbeiter zu den fraglichen illegalen Verhaltensweisen im Allgemeinen gleich war (418. Erwägungsgrund der angefochtenen Entscheidung).

209    Zum anderen kann er nicht in Frage stellen, dass es richtig war, die Verarbeiter in drei Gruppen aufzuteilen und Agroexpansión der zweiten Gruppe (mit einem Ausgangsbetrag von 1 800 000 Euro) zuzuordnen, da dieses Vorgehen unter Berücksichtigung des Anteils jedes einzelnen Verarbeiters am spanischen Markt für den Kauf von Rohtabak im Jahr 2001, dem letzten Jahr der Zuwiderhandlung, erfolgte (Erwägungsgründe 419 bis 421 der angefochtenen Entscheidung).

210    Was drittens den Multiplikator von 2 zum Zweck der Abschreckung betrifft, der auf den Ausgangsbetrag der Geldbuße von Agroexpansión angewandt wurde, so bleibt seine Anwendung im Rahmen der vorliegenden Berechnung gerechtfertigt, da er sich auf die Größe und die Gesamtressourcen des betreffenden Unternehmens im Jahr 2003 stützt, dem Jahr, das dem Erlass der angefochtenen Entscheidung vorausging (Erwägungsgründe 422 und 423 der angefochtenen Entscheidung). Wie oben bei der Prüfung des ersten Klagegrundes dargelegt, bildeten Agroexpansión und die Klägerin im Jahr 2003 zusammen eine wirtschaftliche Einheit und damit ein solches Unternehmen.

211    Dass die Größe und die Gesamtressourcen des betreffenden Unternehmens berücksichtigt werden, um eine Abschreckungswirkung der Geldbuße sicherzustellen, findet seinen Grund in der angestrebten Wirkung auf dieses Unternehmen, da die Sanktion insbesondere in Anbetracht von dessen Wirtschaftskraft nicht unerheblich sein darf. Um die Abschreckungswirkung einer Geldbuße für ein Unternehmen, das für eine Zuwiderhandlung verantwortlich ist, ermessen zu können, ist daher nicht die Situation zu berücksichtigen, wie sie zu Beginn der Zuwiderhandlung bestand. Eine solche Berücksichtigung könnte entweder zu einer Geldbuße führen, die zu niedrig wäre, um abschreckend genug zu sein, falls der Umsatz des betreffenden Unternehmens inzwischen gestiegen ist, oder aber zu einem höheren Geldbußenbetrag als dem für die Abschreckungswirkung erforderlichen, falls der Umsatz des betreffenden Unternehmens inzwischen zurückgegangen ist.

212    Da jedoch als Zweites die Klägerin für die Zuwiderhandlung nur während eines Zeitraums von ungefähr drei Jahren und neun Monaten zwischen dem 18. November 1997 und dem 10. August 2001 verantwortlich gemacht werden kann, ist der Ausgangsbetrag von 3 600 000 Euro um 35 %, nicht aber um 50 % wie im Fall von Agroexpansión, aufgrund der Dauer der Zuwiderhandlung zu erhöhen. Für die Bestimmung des Betrags der Geldbuße, für deren Zahlung die Klägerin gesamtschuldnerisch neben Agroexpansión haftet, ist somit ein Grundbetrag von 4 860 000 Euro heranzuziehen.

213    Als Drittes ist der Umstand, dass die Klägerin für die Zuwiderhandlung in der Zeit vor dem 18. November 1997 nicht verantwortlich gemacht werden kann, ohne Bedeutung für die Herabsetzung des Grundbetrags der Geldbuße um 40 % aufgrund mildernder Umstände (Erwägungsgründe 437 bis 439 der angefochtenen Entscheidung). Der zu berücksichtigende Grundbetrag ist somit auf 2 916 000 Euro festzusetzen. Angesichts des Umsatzes des betreffenden Unternehmens im Jahr 2003 braucht dieser Betrag nicht angepasst zu werden, um die Grenze von 10 % des Umsatzes gemäß Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 einzuhalten.

214    Als Viertes ist in Bezug auf die Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit darauf hinzuweisen, dass das Gericht in seinem Urteil vom heutigen Tag in der Rechtssache T‑38/05, Agroexpansión/Kommission (noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht), die Auffassung vertreten hat, dass Agroexpansión für ihre Zusammenarbeit eine zusätzliche Ermäßigung um 5 % zu der in der angefochtenen Entscheidung bereits gewährten Ermäßigung um 20 % zu gewähren ist. Im vorliegenden Fall ist somit ebenfalls eine Ermäßigung um 25 % auf den oben genannten Betrag von 2 916 000 Euro anzuwenden.

215    Nach alledem ist der Teil des Betrags der gegen Agroexpansión verhängten Geldbuße, für deren Zahlung die Klägerin gesamtschuldnerisch neben Agroexpansión haftet, auf 2 187 000 Euro festzusetzen.

216    Im Übrigen ist die Klage abzuweisen.

 Kosten

217    Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Nach Art. 87 § 3 Abs. 1 der Verfahrensordnung kann das Gericht die Kosten teilen, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt.

218    Da im vorliegenden Fall der Klage teilweise stattgegeben worden ist, erscheint es bei angemessener Berücksichtigung der Umstände des Falles geboten, dass die Klägerin neun Zehntel ihrer eigenen Kosten und der Kosten der Kommission trägt, während die Kommission ein Zehntel ihrer eigenen Kosten und der Kosten der Klägerin trägt.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Vierte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1.      Der Teil des Betrags der in Art. 3 der Entscheidung K(2004) 4030 endg. in einem Verfahren nach Artikel 81 Absatz 1 [EG] (Sache COMP/C.38.238/B.2 − Rohtabak – Spanien) gegen die Agroexpansión, SA verhängten Geldbuße, für dessen Zahlung die Alliance One International, Inc. gesamtschuldnerisch neben Agroexpansión haftet, wird auf 2 187 000 Euro festgesetzt.

2.      Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3.      Alliance One International trägt neun Zehntel ihrer eigenen Kosten und der Kosten der Kommission; diese trägt ein Zehntel ihrer eigenen Kosten und der Kosten von Alliance One International.

Czúcz

Labucka

O’Higgins

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 12. Oktober 2011.

Unterschriften


Inhaltsverzeichnis


Vorgeschichte des Rechtsstreits

1.  Klägerin und Verwaltungsverfahren

2.  Angefochtene Entscheidung

3.  Adressaten der angefochtenen Entscheidung

4.  Bestimmung des Betrags der Geldbußen

Ausgangsbetrag der Geldbußen

Grundbetrag der Geldbußen

Erschwerende und mildernde Umstände

Obergrenze der Geldbuße nach Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003

Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit und Endbetrag der Geldbußen

Verfahren und Anträge der Parteien

Rechtliche Würdigung

1.  Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen Art. 81 Abs. 1 EG, Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

Zu den von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung herangezogenen Kriterien für die Zurechnung der Verantwortlichkeit für die Zuwiderhandlung einer Tochtergesellschaft an deren Muttergesellschaft

Zum Vorliegen einer wirtschaftlichen Einheit zwischen der Klägerin und Agroexpansión

–  Zu den „Tätigkeits- und Geschäftsberichten“

–  Zum Schriftwechsel zwischen Agroexpansión und der Klägerin

–  Zum Vorbringen der Klägerin zum Nachweis ihres eigenständigen Handelns auf dem Markt

2.  Zum fünften Klagegrund: Verstoß gegen die Begründungspflicht

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

3.  Zum zweiten Klagegrund: Verstoß gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der persönlichen Verantwortlichkeit

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

4.  Zum vierten Klagegrund: Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

5.  Zum dritten Klagegrund: Verstoß gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der persönlichen Verantwortlichkeit sowie gegen Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003

Vorbringen der Parteien

Würdigung durch das Gericht

6.  Zur Bestimmung des Endbetrags der Geldbußen

Kosten


* Verfahrenssprache: Englisch.

Top