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Document 62005CJ0382
Judgment of the Court (Second Chamber) of 18 July 2007.#Commission of the European Communities v Italian Republic.#Failure of a Member State to fulfil obligations - Public service contracts - Directive 92/50/EEC - Agreements concerning the treatment of municipal waste - Classification - Public contract - Service concession - Advertising measures.#Case C-382/05.
Urteil des Gerichtshofes (Zweite Kammer) vom 18. Juli 2007.
Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Italienische Republik.
Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Öffentliche Dienstleistungsaufträge - Richtlinie 92/50/EWG - Verträge über die Behandlung von Hausmüll - Einstufung - Öffentlicher Auftrag - Dienstleistungskonzession - Publizitätsmaßnahmen.
Rechtssache C-382/05.
Urteil des Gerichtshofes (Zweite Kammer) vom 18. Juli 2007.
Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Italienische Republik.
Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Öffentliche Dienstleistungsaufträge - Richtlinie 92/50/EWG - Verträge über die Behandlung von Hausmüll - Einstufung - Öffentlicher Auftrag - Dienstleistungskonzession - Publizitätsmaßnahmen.
Rechtssache C-382/05.
Sammlung der Rechtsprechung 2007 I-06657
ECLI identifier: ECLI:EU:C:2007:445
Rechtssache C-382/05
Kommission der Europäischen Gemeinschaften
gegen
Italienische Republik
„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Öffentliche Dienstleistungsaufträge – Richtlinie 92/50/EWG – Verträge über die Behandlung von Hausmüll – Einstufung – Öffentlicher Auftrag – Dienstleistungskonzession – Publizitätsmaßnahmen“
Leitsätze des Urteils
Rechtsangleichung – Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge – Richtlinie 92/50 – Geltungsbereich
Ein Mitgliedstaat verstößt dadurch gegen seine Verpflichtungen aus der Richtlinie 92/50 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge in der Fassung der Richtlinie 2001/78 und insbesondere aus den Art. 11, 15 und 17 dieser Richtlinie, dass ein öffentlicher Auftraggeber das Verfahren für den Abschluss der Verträge über die Verwertung des nach Durchführung der differenzierten Abfallsammlung verbleibenden Resthausmülls, der in den Gemeinden einer Region dieses Mitgliedstaats anfällt, eingeleitet und diese Verträge geschlossen hat, ohne die in der genannten Richtlinie vorgesehenen Verfahren anzuwenden und insbesondere ohne die entsprechende Vergabebekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften zu veröffentlichen.
Die oben genannten Verträge, die u. a. vorsehen, dass der öffentliche Auftraggeber dem Unternehmen eine Gebühr zu zahlen hat, deren Betrag in Euro pro Tonne Abfall bemessen wird, die die betreffenden Gemeinden dem Unternehmen zuführen, begründen nämlich keine im Recht zur Verwertung der fraglichen Dienstleistungen bestehende Art der Vergütung, die die Übernahme des Betriebsrisikos durch das Unternehmen impliziert. Daher sind diese Verträge als öffentliche Dienstleistungsaufträge anzusehen, die unter die Richtlinie 92/50 fallen, und nicht als dieser nicht unterworfene Dienstleistungskonzessionen, so dass sie nur unter Beachtung der Bestimmungen der genannten Richtlinie vergeben werden können.
(vgl. Randnrn. 32, 34, 37, 45-46, Tenor)
URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)
18. Juli 2007(*)
„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Öffentliche Dienstleistungsaufträge – Richtlinie 92/50/EWG – Verträge über die Behandlung von Hausmüll – Einstufung – Öffentlicher Auftrag – Dienstleistungskonzession – Publizitätsmaßnahmen“
In der Rechtssache C‑382/05
betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 226 EG, eingereicht am 20. Oktober 2005,
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch A. Aresu und X. Lewis als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin,
gegen
Italienische Republik, vertreten durch I. M. Braguglia als Bevollmächtigten im Beistand von G. Fiengo, avvocato dello Stato, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Beklagte,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A Timmermans, der Richter P. Kūris, K. Schiemann (Berichterstatter) und L. Bay Larsen sowie der Richterin C. Toader,
Generalanwalt: J. Mazák,
Kanzler: J. Swedenborg, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 8. März 2007,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
1 Mit ihrer Klage beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass die Italienische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge (ABl. L 209, S. 1) in der Fassung der Richtlinie 2001/78/EG der Kommission vom 13. September 2001 (ABl. L 285, S. 1) (im Folgenden: Richtlinie 92/50) und insbesondere aus den Art. 11, 15 und 17 dieser Richtlinie verstoßen hat, dass die Presidenza del Consiglio dei Ministri – Dipartimento per la protezione civile – Ufficio del Commissario delegato per l’emergenza rifiuti e la tutela delle acque in Sicilia (Präsidium des Ministerrats – Abteilung für Zivilschutz – Amt des bevollmächtigten Kommissars für den Abfallnotstand und den Gewässerschutz in Sizilien) das Verfahren für den Abschluss der Verträge über die Verwertung des nach Durchführung der differenzierten Abfallsammlung verbleibenden Resthausmülls, der in den Gemeinden der Region Sizilien anfällt, eingeleitet und diese Verträge geschlossen hat, ohne die in der genannten Richtlinie vorgesehenen Verfahren anzuwenden und insbesondere ohne die entsprechende Vergabebekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften zu veröffentlichen.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
2 Nach Art. 1 Buchst. a der Richtlinie 92/50
„a) gelten als ‚öffentliche Dienstleistungsaufträge‘ die zwischen einem Dienstleistungserbringer und einem öffentlichen Auftraggeber geschlossenen schriftlichen entgeltlichen Verträge …“
3 Art. 8 dieser Richtlinie lautet:
„Aufträge, deren Gegenstand Dienstleistungen des Anhangs IA sind, werden nach den Vorschriften der Abschnitte III bis VI vergeben.“
4 In Abschnitt V der Richtlinie 92/50 sieht Art. 15 Abs. 2 vor:
„Die Auftraggeber, die einen Dienstleistungsauftrag im Wege eines offenen, eines nicht offenen oder – in den in Artikel 11 genannten Fällen – eines Verhandlungsverfahrens vergeben wollen, teilen ihre Absicht durch Bekanntmachung mit.“
5 Art. 17 der Richtlinie 92/50 sieht vor:
„(1) Die Bekanntmachungen werden nach dem in den Anhängen III und IV enthaltenen Muster erstellt; in ihnen sind die dort verlangten Auskünfte anzugeben. …
…
(4) Die in Artikel 15 Absätze 2 und 3 erwähnten Bekanntmachungen werden ungekürzt im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften und in der Datenbank TED in ihren Originalsprachen veröffentlicht. Eine Zusammenfassung der wichtigsten Elemente aller Bekanntmachungen wird in den übrigen Amtssprachen der Gemeinschaften veröffentlicht, wobei nur der Wortlaut in der Originalsprache verbindlich ist.
…“
6 Der Anhang IA der Richtlinie 92/50 trägt die Überschrift „Dienstleistungen im Sinne von Artikel 8“ und enthält u. a. die Kategorie 16 mit der Bezeichnung „Abfall- und Abwasserbeseitigung; sanitäre und ähnliche Dienstleistungen“, der die CPC‑Referenz-Nr. 94 entspricht.
7 Der Anhang III der genannten Richtlinie enthält u. a. Muster für die „Vorinformation“ und die „Vergabebekanntmachung“.
Nationales Recht
8 Art. 4 der Ordinanza (Beschluss) Nr. 2983 des Presidente del Consiglio dei Ministri (Präsident des Ministerrats) vom 31. Mai 1999 (GURI Nr. 132 vom 8. Juni 1999) in der Fassung der Ordinanza Nr. 3190 vom 22. März 2002 (im Folgenden: Ordinanza Nr. 2983/99) bestimmt:
„Nach Anhörung des Ministero dell’Ambiente e della tutela del territorio (Minister für Umwelt- und Landschaftsschutz) schließt der bevollmächtigte Kommissar, der Presidente della Regione Siciliana, Verträge mit einer maximalen Laufzeit von 20 Jahren über die Verwertung des nach Durchführung der differenzierten Abfallsammlung verbleibenden Resthausmülls, der in den Gemeinden der Region Sizilien anfällt … Zu diesem Zweck wählt der bevollmächtigte Kommissar, der Presidente della Regione Siciliana, unter Abweichung von den gemeinschaftlichen Ausschreibungsverfahren auf der Grundlage transparenter öffentlicher Verfahren die in Frage kommenden Unternehmen der Industrie aus.“
9 Die Wendung „unter Abweichung von den gemeinschaftlichen Ausschreibungsverfahren“ in dieser Bestimmung ist mit der Ordinanza Nr. 3334 des Presidente del Consiglio dei Ministri vom 23. Januar 2004 (GURI Nr. 26 vom 2. Februar 2004) aufgehoben worden.
Vorgeschichte des Rechtsstreits und Vorverfahren
10 Mit der Ordinanza Nr. 670 vom 5. August 2002 genehmigte der Presidente della Regione Siciliana in seiner Eigenschaft als Commissario delegato per l’emergenza rifiuti e la tutela delle acque in Sicilia (bevollmächtigter Kommissar für den Abfallnotstand und den Gewässerschutz in Sizilien, im Folgenden: bevollmächtigter Kommissar) auf der Grundlage von Art. 4 der Ordinanza Nr. 2983/99 ein Schriftstück mit der Überschrift „Öffentliche Bekanntmachung für den Abschluss von Verträgen über die Verwertung des nach Durchführung der differenzierten Abfallsammlung verbleibenden Resthausmülls, der in der Region Sizilien anfällt“ (im Folgenden: streitige Bekanntmachung). Die streitige Bekanntmachung umfasst drei Anlagen. Die Anlage A stellt „Leitlinien für die Verwertung des nach Durchführung der differenzierten Abfallsammlung verbleibenden Resthausmülls, der in den Gemeinden der Region Sizilien anfällt“, auf. Die Anlage B trägt die Überschrift „Zusammengefasster Finanzplan“, und der Anhang C enthält einen mit den ausgewählten Unternehmen abzuschließenden Mustervertrag.
11 Am 7. August 2002 wurde eine Bekanntmachung hinsichtlich der oben genannten Verträge, die auf der Grundlage des mit „Vorinformation“ überschriebenen Musters in Anhang III der Richtlinie 92/50 erstellt worden war, an das Amt für Veröffentlichungen gesandt. Diese Bekanntmachung wurde am 16. August 2002 im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften (ABl. S 158, elektronische Fassung) veröffentlicht.
12 Die streitige Bekanntmachung wurde ihrerseits am 9. August 2002 in der Gazzetta ufficiale della Regione Siciliana veröffentlicht.
13 Nachdem der Kommission eine Beschwerde betreffend dieses Verfahren zugegangen war, sandte sie den italienischen Behörden am 15. November 2002 ein Auskunftsersuchen; hierauf antworteten diese Behörden mit Schreiben vom 2. Mai 2003.
14 Am 17. Juni 2003 schloss der bevollmächtigte Kommissar mit der Tifeo Energia Ambiente Soc. coop. arl, der Palermo Energia Ambiente Soc. coop. arl, der Sicil Power SpA und der Platani Energia Ambiente Soc. coop. arl vier Verträge, die im Wesentlichen dem Mustervertrag entsprachen (im Folgenden: streitige Verträge).
15 Am 17. Oktober 2003 sandte die Kommission gemäß Art. 226 EG der Italienischen Republik ein Mahnschreiben und warf diesem Mitgliedstaat einen Verstoß gegen die Richtlinie 92/50 und insbesondere gegen deren Art. 11, 15 und 17 vor. Da die Antwort vom 1. April 2004 auf dieses Mahnschreiben die Kommission nicht zufriedenstellte, forderte sie die Italienische Republik mit einer mit Gründen versehenen Stellungnahme vom 9. Juli 2004 auf, binnen zwei Monaten die beanstandete Vertragsverletzung zu beenden.
16 Mit ihrer Antwort vom 24. September 2004 auf diese mit Gründen versehene Stellungnahme bestritten die italienischen Behörden das Vorliegen einer Vertragsverletzung.
17 Da die genannte Antwort die Kommission nicht überzeugte, hat sie beschlossen, die vorliegende Klage zu erheben.
Zur Klage
Vorbringen der Parteien
18 Die Kommission trägt vor, es handele sich bei den streitigen Verträgen um öffentliche Dienstleistungsaufträge im Sinne von Art. 1 der Richtlinie 92/50; sie seien nicht unter Beachtung der Publizitätserfordernisse abgeschlossen worden, die sich aus dieser Richtlinie ergäben. Insbesondere sei die Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften nicht unter Verwendung des nach Anhang III dieser Richtlinie für die Vergabe öffentlicher Aufträge vorgesehenen Formulars für Vergabebekanntmachungen veröffentlicht worden, sondern unter Verwendung des in diesem Anhang enthaltenen Formulars für „Vorinformation“. Ausländische Dienstleistungserbringer seien außerdem im Vergleich zu inländischen Unternehmen diskriminiert worden, für die eine detaillierte Vergabebekanntmachung in der Gazzetta ufficiale della Regione Siciliana veröffentlicht worden sei.
19 Die streitigen Verträge ließen sich nicht als Dienstleistungskonzessionen einstufen, die außerhalb des Anwendungsbereichs der Richtlinie 92/50 lägen, wie die Italienische Republik geltend mache. Denn die Vergütung der Unternehmen bestehe nicht in einem Recht, für ihre eigene Leistung beim Nutzer Gebühren zu erheben, bei gleichzeitiger Tragung sämtlicher hiermit verbundener Risiken.
20 Zum einen bestehe im vorliegenden Fall die Vergütung des Unternehmens in einer diesem unmittelbar vom bevollmächtigten Kommissar gezahlten Gebühr, deren Betrag in den streitigen Verträgen in Euro pro Tonne Abfall bemessen werde, die die Gemeinden dem Unternehmen zuführten. Die Einkünfte, die das Unternehmen im Übrigen aus dem Verkauf elektrischer Energie erziele, die bei der thermischen Behandlung der Abfälle erzeugt werde, seien kein Bestandteil der Vergütung dieses Unternehmens.
21 Zum anderen trage das Unternehmen kein Betriebsrisiko, weil ihm die streitigen Verträge insbesondere garantierten, dass ihm eine jährliche Abfallmindestmenge zugeführt werde, wobei gleichzeitig die jährliche Angleichung des Gebührenbetrags vorgesehen sei, um der Entwicklung der von dem Unternehmen zu tragenden Kosten Rechnung zu tragen. Ferner sähen diese Verträge eine Anpassung der genannten Gebühr für den Fall vor, dass die tatsächliche Jahresmenge zugeführten Abfalls unter 95 % oder über 115 % der garantierten Mindestmenge liege, um so für das Unternehmen das wirtschaftliche und finanzielle Gleichgewicht sicherzustellen.
22 Die italienische Regierung trägt hingegen vor, dass die streitigen Verträge, wie sich u. a. aus der innerstaatlichen Rechtsprechung ergebe, Dienstleistungskonzessionen seien, die außerhalb des Anwendungsbereichs der Richtlinie 92/50 lägen.
23 Erstens sei Gegenstand dieser Verträge die Delegation von im allgemeinen Interesse liegenden Dienstleistungen, deren kontinuierliche Erbringung das Unternehmen sicherzustellen habe.
24 Zweitens würden die fraglichen Dienstleistungen unmittelbar gegenüber den Nutzern, nämlich der Gesamtheit der Gemeindeeinwohner, bei denen Abfall anfalle, erbracht; weil sie eine Abgabe an die Gemeinden entrichten müssten, die sowohl die Müllabfuhr als auch die Behandlung der Abfälle umfasse, finanzierten letztlich sie die Gebühr, die dem Unternehmen gezahlt werde, und vergüteten somit diese Dienstleistungen. Der bevollmächtigte Kommissar fungiere nur als Mittelsmann.
25 Drittens sei die Verpflichtung zur Behandlung der Abfälle unter Erzeugung von Energie und damit deren Verkauf durchaus Gegenstand der streitigen Verträge. Überdies ergebe sich klassischerweise die Vergütung bei einer Konzession nicht nur aus dem vom Nutzer gezahlten Preis, sondern auch aus weiteren mit der erbrachten Dienstleistung zusammenhängenden Tätigkeiten.
26 Viertens seien angesichts der bedeutenden finanziellen Investitionen des Unternehmens – bis zu einer Milliarde Euro – und der langen Laufzeit der streitigen Verträge – 20 Jahre – die für das Unternehmen zu erwartenden Gewinne umso ungewisser, als ein Teil dieser Gewinne aus dem Verkauf der erzeugten Energie resultieren solle.
27 Fünftens lägen Organisation und Durchführung der Dienstleistungen, die auf diese Weise delegiert worden seien, ausschließlich im Verantwortungsbereich des Unternehmens; die Verwaltung beschränke sich auf eine schlichte Aufsichtsfunktion.
28 Hinsichtlich der Dienstleistungskonzessionen könne die erforderliche Transparenz mit allen geeigneten Mitteln gewährleistet werden, u. a., wie im vorliegenden Fall geschehen, durch die Veröffentlichung von Bekanntmachungen in spezialisierten nationalen Tageszeitungen.
Würdigung durch den Gerichtshof
29 Nach ständiger Rechtsprechung sind öffentliche Dienstleistungskonzessionen vom Anwendungsbereich der Richtlinie 92/50 ausgeschlossen (vgl. insbesondere Urteile vom 21. Juli 2005, Coname, C‑231/03, Slg. 2005, I‑7287, Randnr. 9, und vom 13. Oktober 2005, Parking Brixen, C‑458/03, Slg. 2005, I‑8585, Randnr. 42).
30 Da die italienische Regierung mehrfach betont hat, dass sich aus der innerstaatlichen Rechtsprechung ergebe, dass Verträge wie die streitigen als Dienstleistungskonzessionen einzustufen seien, ist eingangs daran zu erinnern, dass die Definition eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags in den Bereich des Gemeinschaftsrechts fällt, so dass die Qualifizierung der streitigen Verträge nach italienischem Recht für die Frage, ob diese Verträge in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen, nicht entscheidungserheblich ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 20. Oktober 2005, Kommission/Frankreich, C‑264/03, Slg. 2005, I‑8831, Randnr. 36, und vom 18. Januar 2007, Auroux u. a., C‑220/05, Slg. 2007, I‑0000, Randnr. 40).
31 Ob die streitigen Verträge als Dienstleistungskonzessionen einzustufen sind oder nicht, ist daher ausschließlich anhand des Gemeinschaftsrechts zu beurteilen.
32 Hierbei ist zum einen festzustellen, dass nach den genannten Verträgen der bevollmächtigte Kommissar dem Unternehmen eine Gebühr zu zahlen hat, deren Betrag in Euro pro Tonne Abfall bemessen wird, die die betreffenden Gemeinden dem Unternehmen zuführen.
33 Wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, ergibt sich aus der Definition in Art. 1 Buchst. a der Richtlinie 92/50, dass ein öffentlicher Dienstleistungsauftrag im Sinne dieser Richtlinie eine Gegenleistung umfasst, die vom öffentlichen Auftraggeber unmittelbar an den Dienstleistungserbringer gezahlt wird (Urteil Parking Brixen, Randnr. 39). Daraus folgt, dass eine Gebühr der in den streitigen Verträgen vorgesehenen Art für einen entgeltlichen Vertrag im Sinne von Art. 1 Buchst. a und somit für einen öffentlichen Auftrag charakteristisch sein kann (vgl. für die Zahlung eines Fixbetrags pro Müllbehälter oder Tonne, den die Stadt an eine exklusiv mit der Sammlung und Behandlung von Müll betrauten Gesellschaft entrichtet, Urteil vom 10. November 2005, Kommission/Österreich, C‑29/04, Slg. 2005, I‑9705, Randnrn. 8 und 32).
34 Zum anderen geht aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs hervor, dass eine Dienstleistungskonzession dann vorliegt, wenn die vereinbarte Vergütung im Recht des Dienstleistungserbringers zur Verwertung seiner eigenen Leistung besteht und impliziert, dass er das mit den fraglichen Dienstleistungen verbundene Betriebsrisiko übernimmt (vgl. Urteil vom 7. Dezember 2000, Telaustria und Telefonadress, C‑324/98, Slg. 2000, I‑10745, Randnr. 58, und Beschluss vom 30. Mai 2002, Buchhändler‑Vereinigung, C‑358/00, Slg. 2002, I‑4685, Randnrn. 27 und 28, sowie Urteil Parking Brixen, Randnr. 40).
35 Hierzu ist festzustellen, dass die Art der Vergütung, die die streitigen Verträge vorsehen, nicht im Recht zur Verwertung der fraglichen Dienstleistungen besteht und auch nicht die Übernahme des Betriebsrisikos durch das Unternehmen impliziert.
36 Nicht nur wird nämlich das Unternehmen im Wesentlichen vom bevollmächtigten Kommissar, wie in Randnr. 32 des vorliegenden Urteils ausgeführt, über eine Fixgebühr pro Tonne ihm zugeführten Abfalls vergütet, sondern es steht auch fest, dass der bevollmächtigte Kommissar sich durch die streitigen Verträge zum einen dazu verpflichtet, dass alle betroffenen Gemeinden dem Unternehmen sämtlichen Restmüll zuführen, und zum anderen dazu, dass dieses pro Jahr eine Mindestmenge Abfalls erhält. Außerdem sehen die genannten Verträge die Anpassung des Gebührenbetrags für den Fall vor, dass die tatsächliche Jahresmenge zugeführten Abfalls unter 95 % oder über 115 % der garantierten Mindestmenge liegt, um so für das Unternehmen das wirtschaftliche und finanzielle Gleichgewicht sicherzustellen. Die Verträge sehen ferner vor, dass die Gebühren jährlich anhand der Entwicklung der Kosten für Personal, Verbrauchsmaterial und Instandsetzungsarbeiten sowie eines finanziellen Indikators neu bemessen werden. Außerdem ist nach den genannten Verträgen die Gebühr neu auszuhandeln, wenn das Unternehmen wegen einer Änderung des rechtlichen Rahmens über ein bestimmtes Niveau hinausgehende Investitionen tätigen muss, um sich der Rechtslage anzupassen.
37 Nach alledem sind die streitigen Verträge als öffentliche Dienstleistungsaufträge anzusehen, die unter die Richtlinie 92/50 fallen, und nicht als dieser nicht unterworfene Dienstleistungskonzessionen.
38 Keines der von der italienischen Regierung gegen diese Einstufung vorgebrachten Argumente kann im Übrigen überzeugen.
39 Was zunächst den Umstand angeht, dass es den Unternehmen neben dem Erhalt der vereinbarten Gebühr möglich ist, mit dem Verkauf der bei der Abfallbehandlung erzeugten Elektrizität Einkünfte zu erzielen, ist daran zu erinnern, dass Art. 1 Buchst. a der Richtlinie 92/50, in dem der Begriff des öffentlichen Auftrags definiert wird, von einem „entgeltlichen Vertrag“ spricht und dass die Entgeltlichkeit eines Vertrags auf die Gegenleistung abstellt, die dem Dienstleistungserbringer für die Durchführung der vom öffentlichen Auftraggeber begehrten Dienstleistungen geboten wird (vgl. in diesem Sinne Urteil Auroux u. a., Randnr. 45).
40 Im vorliegenden Fall besteht die Gegenleistung, die das Unternehmen für die Durchführung der vom bevollmächtigten Kommissar begehrten Dienstleistungen – nämlich der Behandlung der zugeführten Abfälle unter Gewinnung von Energie – erhält, offenkundig im Wesentlichen in der Zahlung der Gebühr durch den bevollmächtigten Kommissar.
41 Selbst wenn der Ertrag aus dem Elektrizitätsverkauf ebenfalls als eine Gegenleistung für die vom bevollmächtigten Kommissar bezeichneten Dienstleistungen anzusehen sein sollte, insbesondere weil sich der Kommissar in den streitigen Verträgen dazu verpflichtet, diesen Verkauf an Dritte zu erleichtern, kann doch der Umstand allein, dass es dem Unternehmen damit möglich wäre, neben der Vergütung, die es vom bevollmächtigten Kommissar als Entgelt erhält, bei Dritten bestimmte Nebeneinkünfte als Entgelt für seine Dienstleistungen zu erzielen, nicht ausreichen, um den streitigen Verträgen ihre Einstufung als öffentlicher Auftrag zu nehmen (vgl. entsprechend Urteil Auroux u. a., Randnr. 45).
42 Sodann sind auch die lange Laufzeit der streitigen Verträge und der Umstand, dass ihre Erfüllung mit bedeutenden Anfangsinvestitionen zulasten des Unternehmens einhergeht, nicht entscheidend für die Einstufung dieser Verträge; derartige Merkmale können nämlich bei öffentlichen Aufträgen ebenso wie bei Dienstleistungskonzessionen vorliegen.
43 Gleiches gilt für den Umstand, dass die Abfallbehandlung im allgemeinen Interesse liegt. Hierzu ist im Übrigen darauf hinzuweisen, dass, wie aus Anhang IA der Richtlinie 92/50 hervorgeht, zu den „Dienstleistungen im Sinne von Artikel 8“, auf die diese Richtlinie Anwendung finden kann, die Kategorie „Abfall- und Abwasserbeseitigung; sanitäre und ähnliche Dienstleistungen“ gehört, hinsichtlich deren der Gerichtshof bereits entschieden hat, dass sie u. a. die Sammlung und Behandlung von Müll umfasst (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Österreich, Randnr. 32).
44 Schließlich ist für die Einstufung eines Vertrags als öffentlicher Auftrag oder Dienstleistungskonzession auch nicht maßgebend, dass die von dem Unternehmen angebotenen Leistungen ihm gegebenenfalls ein bedeutendes Maß an Selbständigkeit bei ihrer Erbringung abverlangen.
45 Da die streitigen Verträge öffentliche Dienstleistungsaufträge im Sinne von Art. 1 Buchst. a der Richtlinie 92/50 sind, konnten sie nur unter Beachtung der Bestimmungen der genannten Richtlinie, insbesondere ihrer Art. 11, 15 und 17, vergeben werden. Nach diesen Vorschriften oblag es dem betreffenden öffentlichen Auftraggeber insbesondere, eine Vergabebekanntmachung gemäß dem Muster in Anhang III der genannten Richtlinie zu veröffentlichen, was er nicht getan hat.
46 Daraus folgt, dass der Klage der Kommission stattzugeben und festzustellen ist, dass die Italienische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie 92/50 und insbesondere aus den Art. 11, 15 und 17 dieser Richtlinie verstoßen hat, dass die Presidenza del Consiglio dei Ministri – Dipartimento per la protezione civile – Ufficio del Commissario delegato per l’emergenza rifiuti e la tutela delle acque in Sicilia das Verfahren für den Abschluss der Verträge über die Verwertung des nach Durchführung der differenzierten Abfallsammlung verbleibenden Resthausmülls, der in den Gemeinden der Region Sizilien anfällt, eingeleitet und diese Verträge geschlossen hat, ohne die in der genannten Richtlinie vorgesehenen Verfahren anzuwenden und insbesondere ohne die entsprechende Vergabebekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften zu veröffentlichen.
Kosten
47 Nach Art. 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Italienische Republik mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr auf Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Italienische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge in der Fassung der Richtlinie 2001/78/EG der Kommission vom 13. September 2001 und insbesondere aus den Art. 11, 15 und 17 dieser Richtlinie verstoßen, dass die Presidenza del Consiglio dei Ministri – Dipartimento per la protezione civile – Ufficio del Commissario delegato per l’emergenza rifiuti e la tutela delle acque in Sicilia das Verfahren für den Abschluss der Verträge über die Verwertung des nach Durchführung der differenzierten Abfallsammlung verbleibenden Resthausmülls, der in den Gemeinden der Region Sizilien anfällt, eingeleitet und diese Verträge geschlossen hat, ohne die in der genannten Richtlinie vorgesehenen Verfahren anzuwenden und insbesondere ohne die entsprechende Vergabebekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften zu veröffentlichen.
2. Die Italienische Republik trägt die Kosten.
Unterschriften
* Verfahrenssprache: Italienisch.