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Document 62005CC0329

    Schlussanträge des Generalanwalts Léger vom 13. Juli 2006.
    Finanzamt Dinslaken gegen Gerold Meindl.
    Ersuchen um Vorabentscheidung: Bundesfinanzhof - Deutschland.
    Niederlassungsfreiheit - Art. 52 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Art. 43 EG) - Selbständiger - Einkommensteuer - Nicht dauernd getrennt lebende Ehegatten - Versagung der Zusammenveranlagung von Ehegatten - Getrennte Wohnorte der Ehegatten - Lohnersatzleistungen an den gebietsfremden Ehegatten - Einkünfte, die im Mitgliedstaat des Wohnsitzes des Ehegatten nicht besteuert werden.
    Rechtssache C-329/05.

    Sammlung der Rechtsprechung 2007 I-01107

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:2006:481

    SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

    PHILIPPE LÉGER

    vom 13. Juli 20061(1)

    Rechtssache C‑329/05

    Finanzamt Dinslaken

    gegen

    Gerold Meindl

    (Vorabentscheidungsersuchen des Bundesfinanzhofs [Deutschland])

    „Artikel 52 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 43 EG) – Einkommensteuer – Versagung der Zusammenveranlagung von Ehegatten – Getrennte Wohnorte der Ehegatten – Dem Wesen nach nicht einkommensteuerpflichtige Einkünfte – Keine Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse und des Familienstands“





    1.     Im vorliegenden Verfahren wird der Gerichtshof vom Bundesfinanzhof (Deutschland) gefragt, ob Artikel 52 des EG-Vertrags (nach Änderung jetzt Artikel 43 EG) dahin auszulegen ist, dass er nationalen Vorschriften entgegensteht, wonach einem gebietsansässigen Steuerpflichtigen eine Zusammenveranlagung mit seinem Ehegatten deshalb versagt wird, weil dieser in einem anderen Mitgliedstaat wohnt, wo er Einkünfte erzielt hat, die in diesem Staat als nicht steuerpflichtig angesehen werden.

    I –    Nationales Recht

    2.     Die allgemeine deutsche Regelung der Besteuerung natürlicher Personen ist, was den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens betrifft, im Einkommensteuergesetz in seiner 1997 geltenden Fassung (im Folgenden: EStG 1997) geregelt.

    3.     Nach § 1 Absatz 1 EStG 1997 sind natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, in Deutschland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig. Nach Absatz 3 dieser Vorschrift können natürliche Personen, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, beantragen, als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt zu werden, soweit sie inländische Einkünfte im Sinne des § 49 EStG 1997 haben und wenn ihre Einkünfte im Kalenderjahr mindestens zu 90 % der deutschen Einkommensteuer unterliegen (relative Wesentlichkeitsgrenze) oder die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte nicht mehr als 12 000 DM im Kalenderjahr betragen (absolute Wesentlichkeitsgrenze).

    4.     Ferner sieht § 1a Absatz 1 Nummer 2 EStG 1997 vor, dass im Fall von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums der Ehegatte für die Anwendung des § 26 EStG 1997 als im Sinne des § 1 Absatz 1 oder 3 EStG 1997 unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt werden kann, sofern er seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums hat.

    5.     Darüber hinaus gelten die in § 1 Absatz 3 EStG 1997 genannten Bedingungen für den Ehegatten, der seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt nicht in Deutschland hat. Damit der nicht gebietsansässige Ehegatte als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig angesehen wird, müssen deshalb die der deutschen Steuer unterliegenden Einkünfte mindestens 90 % der Welteinkünfte des Ehepaars betragen oder aber die nicht der deutschen Steuer unterliegenden Einkünfte dürfen nicht die absolute Wesentlichkeitsgrenze, d. h. den Betrag von 24 000 DM, übersteigen.

    6.     Die Welteinkünfte des Ehepaars sind nach deutschem Recht unabhängig davon zu ermitteln, ob die Einkünfte in Deutschland oder im Ausland erzielt wurden. Da die §§ 1 Absatz 3 Satz 2 und 1a Absatz 1 Nummer 2 EStG 1997 keine spezielle Regelung enthalten, wie die Einkünfte zu ermitteln sind, ist der Begriff der Einkünfte nach Ansicht des vorlegenden Gerichts dem deutschen Einkommensteuerrecht zu entnehmen, auch wenn diese Einkünfte in der Bescheinigung des Ansässigkeitsstaats entweder nicht oder als steuerfrei ausgewiesen seien.

    7.     Nach § 26 EStG 1997 können nicht dauernd getrennt lebende Ehegatten, die beide im Sinne des § 1 Absatz 1 oder des § 1a EStG 1997 unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind, beantragen, gemeinsam veranlagt zu werden.

    8.     In einem solchen Fall werden die Einkünfte der Ehegatten nach § 26b EStG 1997 zusammengerechnet und diesen gemeinsam zugerechnet. Die Ehegatten werden sodann gemeinsam als Steuerpflichtiger behandelt.

    9.     Mit dieser Methode sollen die persönlichen Verhältnisse und der Familienstand der Ehegatten berücksichtigt werden, so dass diese geringer besteuert werden, wenn ein spürbarer Unterschied zwischen den von den Ehegatten erzielten Einkünften besteht oder einer der Ehegatten gar keine Einkünfte erzielt. Dadurch wird das Existenzminimum gewährleistet, da den Ehegatten der Grundfreibetrag bei der Einkommensteuer zweimal zugute kommt.

    10.   Zudem werden nach § 22 Nummer 1 EStG Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen, die nicht zu den in § 2 Absatz 1 Nummern 1 bis 6 EStG 1997 bezeichneten Einkunftsarten(2) gehören, bei der Berechnung der in den §§ 1 und 1a EStG 1997 vorgesehenen Grenzen als zu den „sonstigen Einkünften“ gehörig berücksichtigt.

    11.   Nach § 3 Nummer 1 Buchstabe d und Nummer 67 EStG 1997 werden das nach deutschem Recht gezahlte Mutterschafts- und Erziehungsgeld als steuerfreie inländische Einkünfte angesehen.

    II – Sachverhalt und Ausgangsverfahren

    12.   Im Jahr 1997 erzielte Herr Meindl, ein österreichischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in Deutschland, in diesem Land Einkünfte aus selbständiger Arbeit und aus Gewerbebetrieb in Höhe von insgesamt 138 422 DM. Seine in Österreich wohnende Ehefrau war im Streitjahr nicht berufstätig, sondern erhielt von der Republik Österreich ein Wochengeld in Höhe von 142 586 ATS, ein Karenzgeld in Höhe von 47 117 ATS sowie eine Familienbeihilfe in Höhe von 15 600 ATS, was einem Gegenwert von insgesamt 26 994,73 DM entspricht.

    13.   Nach österreichischem Steuerrecht sind die von Frau Meindl-Berger erzielten „Einkünfte“ nicht steuerpflichtig.

    14.   Herr Meindl beantragte nach deutschem Recht beim deutschen Finanzamt die Zusammenveranlagung. Der Antrag wurde vom Finanzamt abgelehnt, das bei Herrn Meindl eine Einzelveranlagung durchführte und dabei eine Steuer in Höhe von 45 046 DM festsetzte, ihn damit also als ledig ansah.

    15.   Nach Ansicht des Finanzamts waren zum einen die Voraussetzungen des § 1a Absatz 1 Nummer 2 in Verbindung mit § 1 Absatz 3 EStG 1997 nicht gegeben, da die in Deutschland erzielten Einkünfte der Ehegatten weniger als 90 % der gesamten Einkünfte ausmachten. Zum anderen überschritten die von Frau Meindl-Berger in Österreich erzielten Einkünfte die in § 1 Absatz 3 Satz 2 in Verbindung mit § 1a Absatz 1 Nummer 2 letzter Satz EStG 1997 festgelegte Grenze von 24 000 DM.

    16.   Das Finanzamt ist der Auffassung, dass die Frau Meindl-Berger zugeflossenen Lohnersatzleistungen nicht nach § 3 Nummer 1 Buchstabe d EStG 1997 steuerfrei seien, da sie nicht nach nationalem Recht gezahlt worden seien. Deshalb müssten diese Leistungen nach Artikel 22 Nummer 1 EStG 1997 bei der Festlegung der Wesentlichkeitsgrenze als ausländische Einkünfte berücksichtigt werden.

    17.   Herr Meindl erhob nach erfolglosem Einspruch gegen den Bescheid des Finanzamts Klage beim Finanzgericht. Dieses gab seiner Klage statt und entschied, dass er einen Anspruch auf Zusammenveranlagung habe, da der Begriff der „Einkünfte“ europarechtskonform einzuschränken sei.

    18.   Das Finanzamt legte beim Bundesfinanzhof Revision ein.

    III – Die Vorlagefrage

    19.   Der Bundesfinanzhof hat beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

    Liegt ein Verstoß gegen Artikel [52] des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften vor, wenn einem gebietsansässigen Steuerpflichtigen die Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer mit seinem in Österreich wohnenden Ehegatten, von dem er nicht getrennt lebt, mit der Begründung versagt wird, dieser habe sowohl mehr als 10 vom Hundert der gemeinsamen Einkünfte als auch mehr als 24 000 DM erzielt, wenn diese Einkünfte nach österreichischem Recht steuerfrei sind?

    IV – Würdigung

    20.   Eingangs ist zu prüfen, ob die Situation von Herrn Meindl in den Anwendungsbereich von Artikel 52 des Vertrages fällt.

    21.   Im Gegensatz zur deutschen Regierung sehe ich keinen Grund, an der Richtigkeit der Analyse des Bundesfinanzhofs zu zweifeln, wonach die Situation von Herrn Meindl in den Anwendungsbereich von Artikel 52 des Vertrages fällt.

    22.   Zum einen ist nach ständiger Rechtsprechung Artikel 52 des Vertrages nicht auf Situationen anwendbar, die nicht über die Grenzen eines Mitgliedstaats hinausweisen(3). Im vorliegenden Fall arbeitet und wohnt Herr Meindl, ein österreichischer Staatsbürger, in Deutschland, was belegt, dass sich der Sachverhalt nicht auf einen Mitgliedstaat beschränkt. Zum anderen umfasst die Niederlassungsfreiheit nach Artikel 52 Absatz 2 des Vertrages die Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten. Aus der Entscheidung des vorlegenden Gerichts geht hervor, dass Herr Meindl in Deutschland eine selbständige Tätigkeit ausgeübt hat. Folglich hat er von seiner Niederlassungsfreiheit Gebrauch gemacht.

    23.   Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Artikel 52 des Vertrages dahin auszulegen ist, dass er dem entgegensteht, dass einem in Deutschland wohnenden Steuerpflichtigen eine Zusammenveranlagung mit seinem in Österreich wohnenden Ehegatten, von dem er nicht getrennt lebt, deshalb versagt wird, weil dieser sowohl mehr als 10 % der gemeinsamen Einkünfte als auch mehr als 24 000 DM erzielt, während diese Einkünfte nach österreichischem Recht steuerfrei sind.

    24.   Die deutsche Regierung ist der Ansicht, dass diese Frage zu verneinen sei.

    25.   Ich teile diese Ansicht nicht.

    26.   Zunächst ist daran zu erinnern, dass die direkten Steuern zwar in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen, dass diese ihre Zuständigkeit jedoch unter Wahrung des Gemeinschaftsrechts ausüben müssen(4). Folglich dürfen die Mitgliedstaaten bei der Ausübung ihrer Zuständigkeiten nicht gegen die vom Vertrag gewährleisteten Grundfreiheiten, darunter die Niederlassungsfreiheit, verstoßen(5).

    27.   Das bedeutet u. a., dass sich die Mitgliedstaaten nicht nur jeder offensichtlichen Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit, sondern auch aller versteckten Formen der Diskriminierung zu enthalten haben, die durch die Anwendung anderer Unterscheidungsmerkmale tatsächlich zu dem gleichen Ergebnis führen(6).

    28.   Jedoch kann eine Diskriminierung nur vorliegen, wenn unterschiedliche Vorschriften auf vergleichbare Situationen angewandt werden oder aber wenn dieselbe Vorschrift auf unterschiedliche Situationen angewandt wird(7).

    29.   Im Hinblick auf die direkten Steuern hat der Gerichtshof, u. a. im Urteil Schumacker und im Urteil vom 12. Juni 2003 in der Rechtssache C 234/01(8), entschieden, dass sich Gebietsansässige und Gebietsfremde in der Regel nicht in einer vergleichbaren Situation befinden. Denn die Einkünfte, die der Gebietsfremde im Inland erzielt, stellen meist nur einen Teil seiner Gesamteinkünfte dar, deren Schwerpunkt an seinem Wohnort liegt. Zudem kann die persönliche Steuerkraft des Gebietsfremden, die sich aus der Berücksichtigung seiner Gesamteinkünfte sowie seiner persönlichen Verhältnisse und seines Familienstands ergibt, am leichtesten an dem Ort beurteilt werden, an dem der Mittelpunkt seiner persönlichen Interessen und seiner Vermögensinteressen liegt; dieser Ort ist in der Regel der Ort des gewöhnlichen Aufenthalts der betroffenen Person(9).

    30.   Im vorliegenden Fall ist Herr Meindl zwar österreichischer Staatsbürger, wohnt aber in Deutschland und erzielt dort seine gesamten Einkünfte.

    31.   Er wird jedoch anders behandelt als ein in Deutschland wohnender Steuerpflichtiger, dessen Ehegatte, der keine Einkünfte erzielt, ebenfalls in diesem Mitgliedstaat wohnt.

    32.   Denn aufgrund des EStG 1997 weigern sich die deutschen Behörden, die persönlichen Verhältnisse und den Familienstand von Herrn Meindl zu berücksichtigen, weil seine Ehegattin in Österreich wohnt und dort Einkünfte erzielt, die 10 % der Haushaltseinkünfte und 24 000 DM übersteigen. Herr Meindl wird deshalb von den deutschen Steuerbehörden als ledig angesehen.

    33.   Wie wir jedoch zuvor gesehen haben, kommt ein in Deutschland wohnender Steuerpflichtiger, dessen nicht berufstätiger Ehegatte ebenfalls im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats wohnt, aufgrund des EStG 1997 in den Genuss der Zusammenveranlagung.

    34.   Beruht diese unterschiedliche Behandlung eines in Deutschland wohnenden Steuerpflichtigen, dessen nicht berufstätiger Ehegatte in einem anderen Mitgliedstaat wohnt, und eines in Deutschland wohnenden Steuerpflichtigen, dessen nicht berufstätiger Ehegatte ebenfalls in diesem Mitgliedstaat wohnt, auf einem objektiven Unterschied, so dass sie nicht als mittelbare Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit angesehen werden kann?

    35.   Ich denke dies nicht.

    36.   Ich bin nämlich der Auffassung, dass sich ein österreichischer Staatsbürger, der in Deutschland arbeitet und wohnt und dessen Ehegatte nicht arbeitet und in einem anderen Mitgliedstaat wohnt, sich objektiv in der gleichen Situation befindet wie ein in Deutschland wohnender Steuerpflichtiger, der der gleichen Arbeit nachgeht und dessen im selben Mitgliedstaat wohnender Ehegatte keine Erwerbstätigkeit ausübt. In beiden Fällen stammen die Haushaltseinkünfte allein aus der Erwerbstätigkeit eines der gebietsansässigen Ehegatten.

    37.   Das den Wohnort des nicht erwerbstätigen Ehegatten betreffende Erfordernis, das der unterschiedlichen Behandlung zugrunde liegt, ist meines Erachten eine Bedingung, die inländische Staatsangehörige eher erfüllen können als Angehörige anderer Mitgliedstaaten, deren Familienmitglieder öfter außerhalb des deutschen Hoheitsgebiets wohnen.

    38.   Meines Erachtens sollte die Vergleichbarkeit dieser beiden Situationen anhand eines Gedankengangs geprüft werden, der dem entspricht, dem der Gerichtshof in seinem Urteil vom 16. Mai 2000 in der Rechtssache C‑87/99(10) gefolgt ist.

    39.   In diesem Urteil hat der Gerichtshof nämlich entschieden, dass einem gebietsansässigen Steuerpflichtigen die Zusammenveranlagung nicht deshalb versagt werden durfte, weil sein von ihm nicht getrennt lebender Ehegatte in einem anderen Mitgliedstaat wohnte.

    40.   Zwar erzielt Frau Meindl-Berger im Gegensatz zu Frau Zurstrassen in ihrem Wohnsitzstaat Einkünfte, die aus der Sicht des deutschen Rechts als steuerpflichtig gelten.

    41.   Aus der Entscheidung des vorlegenden Gerichts geht hervor, dass diese Einkünfte in Österreich ihrem Wesen nach steuerfreie Leistungen sind.

    42.   Ich erinnere daran, dass der Gerichtshof in seinem Urteil vom 1. Juli 2004 in der Rechtssache C‑169/03(11) entschieden hat, dass nicht steuerpflichtige Einkünfte keine nennenswerten Einkünfte darstellen, so dass der Staat, in dem diese Einkünfte erzielt werden, nicht in der Lage ist, eine Vergünstigung zu gewähren, die sich aus der Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse und des Familienstands des Steuerpflichtigen ergibt.

    43.   Die in diesem Urteil getroffene Entscheidung lässt sich meines Erachtens auf den vorliegenden Fall übertragen. Denn zum einen wären die von Frau Meindl-Berger bezogenen Leistungen, wenn sie nach deutschem Recht bezogen worden wären, in Deutschland steuerfrei gewesen, was belegt, dass sie nach deutschem Recht als ihrem Wesen nach nicht steuerpflichtig angesehen werden können. Die Leistungen wären daher nicht in die Berechnung der Welteinkünfte der Ehegatten eingeflossen. Zum anderen würden, wenn man der These der deutschen Regierung folgte, die persönlichen Verhältnisse und der Familienstand des in Deutschland wohnenden Steuerpflichtigen weder in Deutschland noch in Österreich berücksichtigt.

    44.   Herr Meindl, der in Deutschland wohnt, erzielt nämlich in Österreich keine Einkünfte, und das einzige in diesem Staat erzielte Haushaltseinkommen sind Leistungen, die dort nicht steuerpflichtig sind. Folglich können die persönlichen Verhältnisse und der Familienstand von Herrn Meindl in Österreich nicht berücksichtigt werden.

    45.   Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes besteht die Diskriminierung darin, dass die persönlichen Verhältnisse und der Familienstand des Steuerpflichtigen weder in dessen Beschäftigungsstaat noch in dessen Wohnsitzstaat berücksichtigt werden(12).

    46.   Im vorliegenden Fall ist die Bundesrepublik Deutschland, der Staat, in dem Herr Meindl wohnt, fast die gesamten Haushaltseinkünfte bezieht und zwangsläufig zur Steuer veranlagt wird, am besten in der Lage, dessen persönliche Verhältnisse und dessen Familienstand zu berücksichtigen.

    47.   Folglich bin ich der Auffassung, dass die unterschiedliche Behandlung gebietsansässiger Steuerpflichtiger, deren nicht erwerbstätiger Ehegatte in einem anderen Mitgliedstaat wohnt, und gebietsansässiger Steuerpflichtiger, deren nicht erwerbstätiger Ehegatte im Inland wohnt, so wie sie sich aus dem EStG 1997 ergibt, als eine gegen Artikel 52 des Vertrages verstoßende mittelbare Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit anzusehen ist.

    48.   In Anbetracht des Vorstehenden schlage ich vor, zu antworten, dass Artikel 52 des Vertrages dahin auszulegen ist, dass er dem entgegensteht, dass einem in Deutschland wohnenden Steuerpflichtigen eine Zusammenveranlagung mit seinem in Österreich wohnenden Ehegatten, von dem er nicht getrennt lebt, deshalb versagt wird, weil dieser sowohl mehr als 10 % der gemeinsamen Einkünfte als auch mehr als 24 000 DM erzielt, wenn diese Einkünfte nach österreichischem Recht steuerfrei sind.

    V –    Ergebnis

    49.   Aufgrund dieser Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof folgende Antwort auf die vom Bundesfinanzhof gestellte Vorlagefrage vor:

    Artikel 52 des Vertrages (nach Änderung jetzt Artikel 43 EG) ist dahin auszulegen, dass er dem entgegensteht, dass einem in Deutschland wohnenden Steuerpflichtigen eine Zusammenveranlagung mit seinem in Österreich wohnenden Ehegatten, von dem er nicht getrennt lebt, deshalb versagt wird, weil dieser sowohl mehr als 10 % der gemeinsamen Einkünfte als auch mehr als 24 000 DM erzielt, während diese Einkünfte nach österreichischem Recht steuerfrei sind.


    1 – Originalsprache: Französisch.


    2 – Bei diesen Einkünften, die in § 2 Absatz 1 Satz 1 EStG 1997 aufgezählt werden, handelt es sich um Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, aus Gewerbebetrieb, aus selbständiger Arbeit, aus nichtselbständiger Arbeit, aus Kapitalvermögen und aus Vermietung und Verpachtung.


    3 – Vgl. z. B. Urteile vom 23. April 1991 in der Rechtssache C‑41/90 (Höfner und Elser, Slg. 1991, I‑1979, Randnr. 37), vom 28. Januar 1992 in der Rechtssache C‑332/90 (Steen, Slg. 1992, I‑341, Randnr. 9) und vom 16. Januar 1997 in der Rechtssache C‑134/95 (USSL Nº 47 di Biella, Slg. 1997, I‑195, Randnr. 19).


    4 – Vgl. u. a. Urteile vom 21. November 2002 in der Rechtssache C‑436/00 (X und Y, Slg. 2002, I‑10829, Randnr. 32 und die dort zitierte Rechtsprechung) und vom 13. November 2003 in der Rechtssache C‑209/01 (Schilling und Fleck‑Schilling, Slg. 2003, I‑13389, Randnr. 22).


    5 – Vgl. u. a. Urteile vom 28. Januar 1986 in der Rechtssache 270/83 (Kommission/Frankreich, Slg. 1986, 273, Randnr. 13) und vom 11. März 2004 in der Rechtssache C‑9/02 (De Lasteyrie du Saillant, Slg. 2004, I‑2409, Randnr. 40).


    6 – Vgl. u. a. Urteile vom 12. Februar 1974 in der Rechtssache 152/73 (Sotgiu, Slg. 1974, 153, Randnr. 11), vom 21. November 1991 in der Rechtssache C‑27/91 (Le Manoir, Slg. 1991, I‑5531, Randnr. 10) und vom 14. Februar 1995 in der Rechtssache C‑279/93 (Schumacker, Slg. 1995, I‑225, Randnr. 26).


    7 – Vgl. z. B. Urteil vom 11. August 1995 in der Rechtssache C‑80/94 (Wielockx, Slg. 1995, I‑2493, Randnr. 17).


    8 – Gerritse, Slg. 2003, I‑5933.


    9 – Urteile Schumacker (Randnrn. 31 und 32) und Gerritse (Randnr. 43).


    10 – Zurstrassen, Slg. 2000, I‑3337, Randnr. 23.


    11 – Wallentin, Slg. 2004, I‑6443, Randnrn. 17 und 18.


    12 – Urteil Schumacker, Randnr. 38. Zudem hat der Gerichtshof in seinem Urteil vom 11. Dezember 2002 in der Rechtssache C‑385/00 (De Groot, Slg. 2002, I‑11819, Randnr. 101) entschieden, dass die Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse und des Familienstands der Steuerpflichtigen von den Mitgliedstaaten gewährleistet werden müsse, unabhängig davon, wie sie diese Verpflichtung untereinander aufgeteilt hätten.

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