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Document 62005CC0278

    Schlussanträge der Generalanwältin Kokott vom 13. Juli 2006.
    Carol Marilyn Robins u. a. gegen Secretary of State for Work and Pensions.
    Ersuchen um Vorabentscheidung: High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division - Vereinigtes Königreich.
    Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers -Richtlinie 80/987/EWG - Umsetzung - Art. 8 - Betriebliche oder überbetriebliche Zusatzversorgungseinrichtungen - Leistungen bei Alter - Schutz erworbener Rechte - Umfang des Schutzes - Haftung eines Mitgliedstaats wegen nicht ordnungsgemäßer Umsetzung einer Richtlinie - Voraussetzungen.
    Rechtssache C-278/05.

    Sammlung der Rechtsprechung 2007 I-01053

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:2006:476

    SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN

    JULIANE Kokott

    vom 13. Juli 2006(1)

    Rechtssache C-278/05

    Carol Marilyn Robins, John Burnett u. a.

    gegen

    Secretary of State for Work and Pensions

    (Vorabentscheidungsersuchen des High Court of Justice [England & Wales], Chancery Division, Vereinigtes Königreich)

    „Schutz von Arbeitnehmern bei Zahlungsunfähigkeit ihres Arbeitgebers – Schutz erworbener Rechte und Anwartschaften der Arbeitnehmer auf Leistungen bei Alter – Umfang der Verpflichtung – Artikel 8 der Richtlinie 80/987/EWG – Haftung der Mitgliedstaaten für Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht – Hinreichende Qualifikation des Verstoßes“





    I –    Einleitung

    1.     In der vorliegenden Rechtssache ersucht der High Court of Justice von England & Wales, Chancery Division, den Gerichtshof um Auslegung des Artikels 8 der Richtlinie 80/987/EWG des Rates vom 20. Oktober 1980 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers(2). Artikel 8 der Richtlinie 80/987 hat den Schutz der Arbeitnehmerinteressen hinsichtlich ihrer Ansprüche aus betrieblicher Altersversorgung im Fall der Insolvenz des Arbeitgebers zum Gegenstand.

    2.     Die Kläger des Ausgangsverfahrens sind ehemalige Mitarbeiter eines zahlungsunfähig gewordenen Unternehmens. Dieses Unternehmen unterhielt zwei Einrichtungen zur betrieblichen Altersversorgung. Aufgrund der Insolvenz des Unternehmens wurden auch diese Einrichtungen geschlossen, wobei sich herausstellte, dass deren Aktiva nicht ausreichen, alle Ansprüche ihrer Mitglieder zu erfüllen. Aus diesem Grund sehen sich die Kläger mit einer erheblichen Kürzung ihrer vertraglich vereinbarten Betriebsrente konfrontiert. In ihrer Klage gegen das zuständige Ministerium des Vereinigten Königreichs stützen sie sich auf Artikel 8 der Richtlinie 80/987, um einen Anspruch auf finanzielle Kompensation dieser Rentenkürzungen geltend zu machen.

    3.     Vor diesem Hintergrund stellt das vorlegende Gericht dem Gerichtshof Fragen nach dem Regelungsinhalt des Artikels 8 der Richtlinie 80/987. Darüber hinaus bittet das vorlegende Gericht um Präzisierung der Voraussetzungen einer Staatshaftung wegen nicht ordnungsgemäßer Umsetzung einer Richtlinie.

    II – Rechtlicher Rahmen

    A –    Gemeinschaftsrecht

    1.      Die Richtlinie 80/987

    4.     Die erste Begründungserwägung der Richtlinie 80/987 erläutert:

    „Es sind Bestimmungen notwendig, die die Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers schützen und insbesondere die Zahlung ihrer nicht erfüllten Ansprüche unter Berücksichtigung der Notwendigkeit einer ausgewogenen wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung in der Gemeinschaft gewährleisten.“

    5.     In Abschnitt II enthält die Richtlinie unter der Überschrift „Vorschriften über die Garantieeinrichtungen“ Regelungen hinsichtlich der Absicherung von Entgeltansprüchen der Arbeitnehmer.

    6.     Artikel 4 Absatz 1 sieht vor, dass die Mitgliedstaaten die in Artikel 3 vorgesehene Zahlungspflicht der Garantieeinrichtung bezüglich des Arbeitsentgeltes begrenzen können. Gemäß Artikel 4 Absatz 3 können die Mitgliedstaaten, „um die Zahlung von Beträgen zu vermeiden, die über die soziale Zweckbestimmung dieser Richtlinie hinausgehen, für die Garantie der Erfüllung unbefriedigter Ansprüche der Arbeitnehmer eine Höchstgrenze festsetzen“.

    7.     In Abschnitt III sieht die Richtlinie unter der Überschrift „Vorschriften über die soziale Sicherheit“ Schutzbestimmungen hinsichtlich der Versorgungsansprüche vor:

    8.     Gemäß Artikel 6 können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass „die Artikel 3, 4 und 5 nicht für die Beiträge der Arbeitnehmer zu den einzelstaatlichen gesetzlichen Systemen der sozialen Sicherheit oder den betrieblichen oder überbetrieblichen Zusatzversorgungseinrichtungen außerhalb der einzelstaatlichen gesetzlichen Systeme der sozialen Sicherheit gelten.“

    9.     Gemäß Artikel 7 treffen die Mitgliedstaaten die notwendigen Maßnahmen, „um sicherzustellen, dass die Nichtzahlung an ihre Versicherungsträger von Pflichtbeiträgen zu den einzelstaatlichen gesetzlichen Systemen der sozialen Sicherheit, die vom Arbeitgeber vor Eintritt seiner Zahlungsunfähigkeit geschuldet waren, keine Nachteile für die Leistungsansprüche der Arbeitnehmer gegenüber diesen Versicherungsträgern mit sich bringt, …“

    10.   Artikel 8 der Richtlinie 80/987 sieht vor:

    „Die Mitgliedstaaten vergewissern sich, dass die notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Interessen der Arbeitnehmer sowie der Personen, die zum Zeitpunkt des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers aus dessen Unternehmen oder Betrieb bereits ausgeschieden sind, hinsichtlich ihrer erworbenen Rechte oder Anwartschaftsrechte auf Leistungen bei Alter, einschließlich Leistungen für Hinterbliebene, aus betrieblichen oder überbetrieblichen Zusatzversorgungseinrichtungen außerhalb der einzelstaatlichen gesetzlichen Systeme der sozialen Sicherheit getroffen werden.“

    2.      Die Richtlinie 2002/74/EG zur Änderung der Richtlinie 80/987(3) (im Folgenden: Änderungsrichtlinie 2002/74)

    11.   Die Änderungsrichtlinie 2002/74 hat keine Änderungen an Artikel 8 vorgenommen.

    12.   Die zweite Begründungserwägung dieser Richtlinie lautet:

    „Die Richtlinie 80/987/EWG des Rates soll den Arbeitnehmern im Fall der Zahlungsunfähigkeit ihres Arbeitgebers einen Mindestschutz gewähren. Deshalb verpflichtet sie die Mitgliedstaaten zur Schaffung einer Einrichtung, die die Befriedigung der nicht erfüllten Arbeitnehmeransprüche garantiert.“

    3.      Die Richtlinie 2003/41/EG über die Tätigkeiten und die Beaufsichtigung von Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung(4)

    13.   Die 18. Begründungserwägung der Richtlinie erklärt, dass im „Fall des Konkurses eines Trägerunternehmens … der Versorgungsanwärter dem Risiko ausgesetzt [ist], sowohl seinen Arbeitsplatz als auch seine erworbenen Rentenanwartschaften zu verlieren“. Weiter heißt es dort: „Deshalb muss eine eindeutige Trennung zwischen diesem Unternehmen und der Einrichtung gewährleistet sein, und es müssen Mindestvorkehrungen zum Schutz der Versorgungsanwärter getroffen werden.“

    14.   Eine Regelung mit Blick auf die Insolvenz der Trägerunternehmen enthält lediglich Artikel 8 der Richtlinie, der eine rechtliche Trennung zwischen den Trägerunternehmen und Einrichtungen der betrieblichen Altersvorsorge vorschreibt.

    15.   Artikel 16 Absatz 2 der Richtlinie lässt eine vorübergehende Unterfinanzierung der Einrichtung der betrieblichen Altersvorsorge zu und trifft für diesen Fall weitere Regelungen.

    B –    Mitgliedsstaatliches Recht

    16.   Die Regelungen, die im Vereinigten Königreich zum Schutz der Arbeitnehmer hinsichtlich ihrer Renten im Fall der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers existieren, sehen im Wesentlichen vor, dass das Vermögen der Einrichtung der betrieblichen Altersversorgung dem Zugriff der Gläubiger entzogen ist und dass in einem gewissen Umfang Beiträge, deren Zahlung an die Einrichtung zur betrieblichen Altersversorgung aufgrund der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers ausbleiben, aus dem National Insurance Fund geleistet werden.

    17.    Selbst die Anwendung der im Vereinigten Königreich für Arbeitnehmer bestehenden Schutzmaßnahmen hat jedoch nicht verhindert, dass die Rentenanwartschaften der ersten Klägerin nach der Insolvenz des Arbeitgebers nur noch 20 % und die des zweiten Klägers lediglich 49 % seiner vollständigen Ansprüche betragen.

    III – Sachverhalt und Ausgangsverfahren

    18.   Die Kläger des Ausgangsverfahrens waren Arbeitnehmer des Unternehmens ASW Limited (im Folgenden: ASW), über dessen Vermögen ein Insolvenzverfahren anhängig ist und dessen zwangsweise Liquidation durch Beschluss vom 24. April 2003 angeordnet wurde.

    19.   ASW hatte zwei Rentenversorgungssysteme, den „ASW Pension Plan“ und den „ASW Sheerness Steel Group Pension Fund“ (im Folgenden: Versorgungssysteme). Beide Versorgungssysteme waren als betriebliche Zusatzrentensysteme ausgestaltet mit folgenden Charakteristika:

    Die Höhe der Leistungsansprüche bestimmte sich unter Bezug auf eine Zuwachsrate, das letzte Gehalt und die Dauer der Betriebszugehörigkeit des jeweiligen Mitglieds. Diese Art von Leistung wird als „endgehaltsbezogene Leistung“ bezeichnet. Die Versorgungssysteme finanzierten sich gemäß den für sie geltenden Vorschriften zum einen durch Zahlungen der Arbeitnehmer, die einen Prozentsatz ihres Arbeitsentgelts als Beitrag zu entrichten hatten. Zum anderen war der Arbeitgeber verpflichtet in dem Umfang Beiträge zu leisten, der für die Sicherung der zu erbringenden Leistungen erforderlich war. Diese Art von Versorgungssystem wird als „Kostenausgleichs“-Versorgungssystem bezeichnet. Die Versorgungssysteme wurden als vom Arbeitgeber unabhängige Treuhandfonds geführt.

    20.   Die Rentenversorgungssysteme der ASW wurden nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ASW im Juli 2002 geschlossen und befinden sich in Liquidation. Nach ihren versicherungsmathematischen Berechnungen wiesen sie zum 31. Juli 2002 Defizite von 99,7 Millionen GBP (ASW Pension Plan) und von 41,2 Millionen GBP (ASW Sheerness Steel Group Pension Fund) aus. Es besteht keine Aussicht auf die Einzahlung weiterer Gelder durch ASW oder durch sonstige Unternehmen in die Versorgungssysteme.

    21.   Die Aktiva der Versorgungssysteme sind somit nicht ausreichend, um alle bereits bestehenden Ansprüche und Anwartschaften der Arbeitnehmer, die Mitglieder dieser Versorgungssysteme waren, zu erfüllen.

    22.   Die gesetzlich determinierten Bestimmungen der Versorgungssysteme legen für einen solchen Fall der Unterdeckung eine bestimmte Rangfolge fest, in der die Ansprüche der Mitglieder erfüllt werden: Die Treuhänder sind verpflichtet, die Aktiva der Versorgungssysteme vorrangig zu verwenden, um die Ansprüche derjenigen Mitglieder zu erfüllen, die zum Zeitpunkt des Übergangs in die Liquidation bereits Renten beziehen und nachrangig, soweit den Versorgungssystemen noch Aktiva verbleiben, die Leistungen an diejenigen zu erbringen, die zum Zeitpunkt des Übergangs in die Liquidation noch keine Renten beziehen.

    23.   Auf den Sachverhalt des Ausgangsfalles angewandt, führte diese Regelung dazu, dass die Rentenanwartschaften der Arbeitnehmer von ASW, die noch keine Renten bezogen, gekürzt wurden. Nach den Berechnungen der Versicherungsmathematiker der beiden Versorgungssysteme beträgt die Auszahlungserwartung der ersten Klägerin gerade einmal 20 % ihrer ursprünglichen Ansprüche aus dem betrieblichen Versorgungssystem, die des zweiten Klägers nur 49 % seiner ursprünglichen Ansprüche.

    24.   Diese Auszahlungserwartungen ergeben sich unstreitig nach Berücksichtigung der Mechanismen, die das Recht des Vereinigten Königreichs vorsieht, um Ansprüche von Arbeitnehmern auf betriebliche Rentenversorgung im Fall der Insolvenz des Arbeitgebers zu schützen.

    25.   Da das staatliche Rentensystem des Vereinigten Königreichs Rentnern im Durchschnitt nur knapp 37 % ihres letzten Gehalts auszahle, machten nach den Angaben der Kläger die Zusatzrenten der Versorgungssysteme den Großteil ihrer Altersabsicherung aus.

    26.   Die Kläger haben in der Folge einen Schadensersatzprozess gegen die Regierung des Vereinigten Königreichs vor dem vorlegenden Gericht eingeleitet, mit dem sie die Zahlung der Differenz zwischen den ihnen vertraglich zugesagten und den nun nach der Insolvenz ihres Arbeitgebers zu erwartenden Rentenzahlungen geltend machen. Sie berufen sich für die Begründung ihrer Ansprüche auf Artikel 8 der Richtlinie 80/987.

    IV – Vorabentscheidungsersuchen und Verfahren vor dem Gerichtshof

    27.   Mit Beschluss vom 22. Juni 2005 hat das vorlegende Gericht sein Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

    1.      Ist Artikel 8 der Richtlinie 80/987/EWG dahin gehend auszulegen, dass er die Mitgliedstaaten verpflichtet, sicherzustellen, dass die Anwartschaften von Arbeitnehmern aus betrieblichen oder überbetrieblichen Zusatzversorgungseinrichtungen, die endgehaltsbezogene Leistungen vorsehen, in dem Fall, dass der private Arbeitgeber der Arbeitnehmer zahlungsunfähig wird und die Aktiva der Einrichtungen zur Finanzierung dieser Anwartschaften nicht ausreichen, vollständig durch die Mitgliedstaaten finanziert werden?

    2.      Falls die Antwort auf Frage 1 Nein lautet: Wurden die sich aus Artikel 8 ergebenden Anforderungen durch Rechtsvorschriften, wie sie im Vereinigten Königreich gelten und oben beschrieben worden sind, ausreichend umgesetzt?

    3.      Falls die gesetzlichen Vorschriften des Vereinigten Königreichs nicht den Anforderungen des Artikels 8 genügen: Welche Prüfung sollte das nationale Gericht vornehmen, um festzustellen, ob die dementsprechende Verletzung von Gemeinschaftsrecht hinreichend qualifiziert ist, um einen Schadensersatzanspruch nach sich zu ziehen? Reicht insbesondere die bloße Verletzung als Nachweis für das Vorliegen eines hinreichend qualifizierten Verstoßes aus, oder muss der Mitgliedstaat auch die Grenzen seiner Regelungsbefugnis offensichtlich und schwerwiegend missachtet haben, oder ist eine andere Prüfung vorzunehmen und, wenn ja, welche?

    28.   Zu dem Vorabentscheidungsersuchen haben die Kläger des Ausgangsverfahrens, die Regierung des Vereinigten Königreichs, die irische Regierung sowie die Kommission schriftliche Erklärungen abgegeben. In der mündlichen Verhandlung vom 1. Juni 2006 haben die Kläger des Ausgangsverfahrens, die irische und die niederländische Regierung, die Regierung des Vereinigten Königreichs und die Kommission Stellung genommen.

    V –    Rechtliche Würdigung

    A –    Zur ersten und zur zweiten Vorlagefrage

    29.   Mit seiner ersten Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Artikel 8 der Richtlinie 80/987 die Mitgliedstaaten verpflichtet, eigene Zahlungen zu leisten, um Ausfälle zu kompensieren, die daraus erwachsen, dass nach der Insolvenz eines Arbeitgebers die Aktiva eines Rentenversorgungssystems nicht ausreichen, um alle Ansprüche der Arbeitnehmer zu erfüllen.

    30.   Die zweite Vorlagefrage ersucht den Gerichtshof, zu prüfen, ob mit gesetzlichen Bestimmungen wie denen, die im Vereinigten Königreich gelten, Artikel 8 der Richtlinie 80/987 ausreichend umgesetzt wurde.

    31.   Mit Blick auf die zweite Vorlagefrage ist zunächst daran zu erinnern, dass der Gerichtshof in einem Verfahren nach Artikel 234 EG nicht dazu berufen ist, über die Vereinbarkeit nationaler Maßnahmen mit dem Gemeinschaftsrecht zu entscheiden. Er kann jedoch dem vorlegenden Gericht alle Hinweise zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts geben, die es ihm ermöglichen, die Frage der Vereinbarkeit der Normen mit dem Gemeinschaftsrecht bei der Entscheidung des bei ihm anhängigen Verfahrens zu beurteilen.(5)

    32.   Sowohl die erste als auch die zweite Vorlagefrage zielen daher im Kern auf die Auslegung von Artikel 8 der Richtlinie 80/987.

    33.    Es bietet sich somit an, die ersten beiden Vorlagefragen gemeinsam zu beantworten, indem in einem ersten Schritt untersucht wird, welchen Schutz Artikel 8 der Richtlinie 80/987 verlangt: Gegen welche Beeinträchtigungen und in welchem Umfang schützt Artikel 8 die Interessen der Arbeitnehmer? In einem zweiten Schritt ist zu erörtern, ob Artikel 8 eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten zu entnehmen ist, diesen Schutz durch eigene finanzielle Leistungen im Sinne einer Ausfallhaftung zu gewähren.

    34.   Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes sind bei der Auslegung der Bedeutung einer Vorschrift des Gemeinschaftsrechts sowohl deren Wortlaut als auch ihr Zusammenhang und ihre Ziele zu berücksichtigen.(6)

    1.      Schutzumfang des Artikels 8 der Richtlinie 80/987

    35.   Gemäß Artikel 8 der Richtlinie 80/987 vergewissern sich die Mitgliedstaaten, „… dass die notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Interessen der Arbeitnehmer … hinsichtlich ihrer erworbenen Rechte oder Anwartschaftsrechte auf Leistungen bei Alter … getroffen werden“(7).

    36.   Der Schutzumfang von Artikel 8 ist folglich durch Auslegung der Begriffe „Schutz der Interessen hinsichtlich erworbener Rechte auf Leistungen bei Alter“ und „notwendige Maßnahmen“ zu bestimmen. Determiniert wird der Schutzumfang von Artikel 8 zudem durch eine weitere Voraussetzung, nämlich die Insolvenzbedingtheit der Beeinträchtigung der Rechte auf Leistungen bei Alter.

    a)      Durch Artikel 8 der Richtlinie 80/987 geschützte Interessen

    37.   Zunächst fällt ins Auge, dass Artikel 8 der Richtlinie 80/987 auf den Schutz der Interessen und nicht der Rechte oder Ansprüche der Arbeitnehmer zielt. Mit dieser Formulierung trägt der Gemeinschaftsgesetzgeber allerdings nur der Tatsache Rechnung, dass durch die Zahlungsunfähigkeit des Arbeitsgebers der rechtliche Bestand der Arbeitnehmeransprüche nicht betroffen ist, sondern die wirtschaftliche Werthaltigkeit dieser Ansprüche leidet. Hätte die Richtlinie in Artikel 8 einen Schutz der Ansprüche der Arbeitnehmer statuiert, dann wäre dieser Schutz in die Leere gegangen, denn die Ansprüche selbst werden durch eine Insolvenz des Arbeitgebers nicht beeinträchtigt. Die Insolvenz des Arbeitgebers kann aber die Erfüllung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beeinträchtigen. Die in Artikel 8 gewählte Formulierung stellt folglich klar, dass das hinter den – unbeschränkt fortbestehenden – Ansprüchen stehende wirtschaftliche Interesse der Arbeitnehmer auf tatsächliche Erfüllung ihrer Ansprüche zu schützen ist.

    38.   Wenn Artikel 8 somit das Interesse der Arbeitnehmer hinsichtlich ihrer erworbenen Rechte oder Anwartschaftsrechte auf Leistungen bei Alter schützen möchte, dann will er damit mit anderen Worten das Interesse der Arbeitnehmer an der Zahlung ihrer Rentenansprüche schützen.

    39.   Bevor nun aber in einem nächsten Schritt zu untersuchen ist, ob dieses Interesse der Arbeitnehmer in vollem Umfang durch Artikel 8 geschützt wird, ist zunächst zu untersuchen, gegen welche Beeinträchtigungen dieser Interessen Artikel 8 Schutz gewährt.

    b)      Insolvenzbedingtheit der Beeinträchtigung

    40.   Das Erfordernis der Insolvenzbedingtheit der Beeinträchtigung ergibt sich aus dem Regelungsgegenstand der Richtlinie 80/987, die den Arbeitnehmern Schutz vor den Beeinträchtigungen ihrer Rechte gerade aufgrund der Zahlungsunfähigkeit ihres Arbeitgebers gewähren möchte.

    41.   Die Unterfinanzierung eines Systems der betrieblichen Altersversorgung führt zweifelsohne zur Beeinträchtigung der Interessen der Arbeitnehmer hinsichtlich ihrer Rentenerwartungen. Denn in diesem Fall reichen die Aktiva des Versorgungsunternehmens nicht aus, alle Ansprüche zu erfüllen.

    42.   Fraglich ist allerdings, ob Artikel 8 der Richtlinie 80/987 auch einen Schutz der Arbeitnehmer gegen diese Form der Beeinträchtigung verlangt. Nach Ansicht der Regierung des Vereinigten Königreichs sowie der irischen und der niederländischen Regierung fällt der Schutz vor der Unterfinanzierung eines Versorgungssystems nicht in den Anwendungsbereich des Artikels 8, weil diese Beeinträchtigung nicht insolvenzbedingt sei. Für den Schutz der Arbeitnehmerinteressen sei daher eine Trennung der Vermögen von Arbeitgeber und Versorgungssystem ausreichend, durch die verhindert werde, dass Gläubiger im Fall der Insolvenz des Arbeitgebers auf das Vermögen des Versorgungssystems zugreifen können.

    43.   Auch die Unterfinanzierung eines Versorgungssystems kann sich jedoch – abhängig von der Ausgestaltung des jeweiligen Systems der betrieblichen Altersversorgung – als insolvenzbedingte Beeinträchtigung der Arbeitnehmerinteressen herausstellen.(8)

    44.   Die Stabilität von Systemen der betrieblichen Altersvorsorge kann, abhängig von ihrer jeweiligen Ausgestaltung, durch eine Vielzahl von systemimmanenten Faktoren beeinträchtigt werden. So können z. B. unvorhergesehene Entwicklungen der Kapitalmärkte, das Nichteintreten demographischer Prognosen oder Missmanagement dazu führen, dass eine Unterdeckung des Systems auftritt, die den Leistungszusagen zugrunde liegende Kalkulation nicht aufgeht und im Leistungsfall die Rente des Arbeitsnehmers aus dem betrieblichen Altersvorsorgesystem nicht in der zugesagten Höhe ausgezahlt werden kann.

    45.   Die Richtlinie 80/987 hat jedoch – wie aus ihrem Titel und der Zusammenschau aller Bestimmungen deutlich wird – ausschließlich den Schutz vor insolvenzbedingten Beeinträchtigungen der Arbeitnehmerinteressen zum Gegenstand. Ihr Artikel 8 gewährt nur insofern Schutz, als er Maßnahmen fordert, durch die sichergestellt wird, dass die Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers die betrieblichen Versorgungsansprüche der Arbeitnehmer nicht beeinträchtigt.

    46.   Hieraus folgt, dass prima facie eine Unterfinanzierung des betrieblichen Rentenversorgungssystems nicht in den Schutzbereich des Artikels 8 fällt. Denn die Realisierung der vorbezeichneten allgemeinen Risiken eines Vorsorgesystems steht grundsätzlich in keinem Zusammenhang mit einer etwaigen Insolvenz des Arbeitgebers, sondern ist vielmehr unabhängig hiervon.

    47.   Die jeweilige individuelle Ausgestaltung eines betrieblichen Altersvorsorge­systems kann jedoch, abweichend von dieser grundsätzlichen Beurteilung, im Ergebnis zur Folge haben, dass auch die Realisierung von systemimmanenten Risiken im Fall der Insolvenz des Arbeitgebers eine insolvenzbedingte Beeinträchtigung im Sinne des Artikels 8 darstellt.

    48.   Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Arbeitgeber eine Versorgungszusage trifft, die unabhängig von der wirtschaftlichen Entwicklung des Systems der betrieblichen Altersvorsorge ist. Diese Konstellation liegt auch dem Kostenausgleichssystem des vorliegenden Falles zugrunde. Innerhalb eines Kostenausgleichssystems, in dem den Arbeitnehmern ein bestimmter Prozentsatz ihres letzten Gehaltes als Rente zugesagt und den Arbeitgeber eine Zuschusspflicht hinsichtlich der Differenz zwischen dem durch das betriebliche Altersvorsorge­system abgedeckten und dem zugesagten Auszahlungsanspruch trifft, ist der Arbeitnehmeranspruch in Höhe dieser Differenz dem Insolvenzrisiko des Arbeitgebers ausgesetzt. Sofern daher die Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers einer vollständigen Realisierung dieser Differenzforderung entgegensteht, handelt es sich diesbezüglich um eine insolvenzbedingte Beeinträchtigung des Arbeitnehmerinteresses.

    49.    Dass die Höhe der durch den Arbeitgeber aufzubringenden Differenz auch auf der Realisierung einzelner nicht insolvenzbedingter Risiken beruht, kann zu keiner abweichenden Beurteilung führen. Denn innerhalb eines endgehaltsbezogenen Kostenausgleichssystems stellt die Verwirklichung entsprechender Risiken allein eine Störung der internen Kalkulation des Arbeitgebers dar, der sich mit höheren Ausgleichspflichten konfrontiert sieht, als ursprünglich kalkuliert. Woraus sich die Höhe der vom Arbeitgeber zu leistenden Zuschüsse ergibt, hat jedoch keinen Einfluss auf die Qualifikation des Ausfalls dieser Zuschusszahlungen als insolvenzbedingte Beeinträchtigung des Arbeitnehmer­anspruchs. Ohne Eintreten der Zahlungsunfähigkeit hätte nämlich für den Arbeitgeber unabhängig davon, woraus sich die Höhe des zu leistenden Zuschusses ergibt, eine entsprechende Zahlungspflicht bestanden.

    50.   Im Fall der Unterfinanzierung des Versorgungssystems zum Zeitpunkt des Eintritts der Insolvenz führt diese – bildlich gesprochen – zu einer Zementierung des Zustandes der Unterfinanzierung. Reichen die Aktiva nicht, um alle vereinbarten Auszahlungserwartungen zu erfüllen, und kann dieses Defizit aufgrund der Insolvenz nicht mehr ausgeglichen werden, dann ist diese Unterfinanzierung eine Konsequenz des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers. Mit seiner Insolvenz realisiert sich das Risiko, das eine vorübergehende Unterfinanzierung für die Interessen der Arbeitnehmer darstellt, da ergänzende Zahlungen dann ausfallen. Das Risiko wird zur unbehebbaren Beeinträchtigung dieser Interessen.

    51.   Es ist somit festzuhalten, dass es im vorliegenden Fall dahinstehen kann, welche Entwicklungen zu der Unterfinanzierung der Versorgungssysteme führten. Denn sofern durch diese eine vollständige Leistungserbringung aus den Fonds nicht möglich gewesen wäre, hätte jedenfalls eine entsprechende Einstandspflicht des Arbeitgebers bestanden, die nunmehr aufgrund der eingetretenen Zahlungsunfähigkeit nicht mehr realisiert werden kann.

    52.   Als Ergebnis ist festzuhalten, dass die Unterfinanzierung eines Versorgungssystems im Grundsatz keine Beeinträchtigung darstellt, vor der Artikel 8 die Arbeitnehmer im Falle der Insolvenz ihres Arbeitgebers schützt. Die besondere Organisation und Ausgestaltung eines Versorgungssystems kann aber dazu führen, dass diese grundsätzliche Einschätzung zu korrigieren ist, und sich auch die Unterfinanzierung als insolvenzbedingte Beeinträchtigung darstellt, vor der Artikel 8 Schutz gewährt. Das im vorliegenden Fall gewählte „Kostenausgleichssystem“ stellt eine solche besondere Konstellation dar, in der eine Unterfinanzierung des Versorgungssystems im Falle der Insolvenz des Arbeitgebers zu einer insolvenzbedingten Beeinträchtigung der Arbeitnehmerinteressen führt.

    53.   Diesem Ergebnis steht auch nicht die Richtlinie 2003/41 über die Tätigkeiten und die Beaufsichtigung von Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung entgegen. Hierbei ist zunächst klarzustellen, dass die Richtlinie 2003/41 erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens und Schließung der Versorgungssysteme im vorliegenden Fall in Kraft getreten ist. Eine unmittelbare rechtliche Konsequenz für den Fall hat sie daher nicht, ihr könnte lediglich eine Indizwirkung hinsichtlich des Verständnisses von Artikel 8 zukommen. Die Regierung des Vereinigten Königreichs, die irische und die niederländische Regierung führen zwar zu Recht aus, dass erst die Richtlinie 2003/41 explizit Bestimmungen zur Finanzierung von Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung eingeführt hat, und dass Artikel 16 Absatz 2 dieser Richtlinie sogar eine vorübergehende Unterfinanzierung zulasse. Hieraus lässt sich jedoch nichts ableiten für das Verständnis von Artikel 8 der Richtlinie 80/987. Denn beide Richtlinien haben unterschiedliche Regelungsgegenstände. Die Richtlinie 80/987 hat den Schutz der Arbeitnehmerinteressen für den Fall der Insolvenz der Arbeitgeber zum Gegenstand, die Richtlinie 2003/41 die betriebliche Altersversorgung. Der Tatsache, dass die Richtlinie 2003/41 eine vorübergehende Unterfinanzierung zulässt, ist keine Aussage zu der Frage zu entnehmen, welchen Schutz die Arbeitnehmerinteressen erfahren, wenn ein Versorgungssystem von der Insolvenz des Arbeitgebers betroffen ist und eine Korrektur der Unterfinanzierung durch die Insolvenz unmöglich wird. Diesen Schutz der Arbeitnehmer regelt die Richtlinie 80/987 im oben dargelegten Sinn.

    2.      Schutzniveau des Artikels 8 der Richtlinie 80/987

    54.   Nach Ansicht der Regierung des Vereinigten Königreichs und der irischen Regierung verlangt Artikel 8 der Richtlinie 80/987 keinen vollständigen Schutz der Rentenansprüche oder Rentenanwartschaften der Arbeitnehmer, sondern lediglich einen Mindestschutz. Welchen konkreten Inhalt dieser Mindestschutz haben soll, führen sie allerdings nicht aus. Die Auslegung von Artikel 8 ergibt jedoch, dass Artikel 8 einen vollständigen Schutz verlangt.

    a)      Der Wortlaut des Artikels 8 der Richtlinie 80/987

    55.   Der Wortlaut von Artikel 8 spricht in weiter Formulierung von den Interessen der Arbeitnehmer hinsichtlich ihrer Renten, die geschützt werden sollen. Die Formulierung „Interesse an Rechten“ bezeichnet, wie bereits ausgeführt wurde, das hinter einem Recht stehende wirtschaftliche Interesse auf Erfüllung.

    56.   Das Interesse an einem Anspruch auf betriebliche Altersversorgung ist das wirtschaftliche Interesse an der Erfüllung der vereinbarten betrieblichen Rentenansprüche. Dieses wirtschaftliche Interesse ist auf die vollständige Erfüllung der vereinbarten Renten gerichtet. Es entspricht gerade nicht dem Interesse eines Arbeitnehmers nur einen Bruchteil seiner vertraglich vereinbarten Rentenansprüche ausgezahlt zu bekommen. Der Verwendung des Begriffes „Interesse“ kann demnach, entgegen der Ansicht der Regierung des Vereinigten Königreichs, nicht entnommen werden, dass Artikel 8 keinen vollständigen Schutz erfordert. Dieser Begriff trägt vielmehr dem Umstand Rechnung, dass die Rechte der Arbeitnehmer durch die Insolvenz des Arbeitgebers formal nicht beeinträchtigt werden.(9) Dem Wortlaut sind auch im Übrigen keine Anhaltspunkte zu entnehmen, die für ein reduziertes Schutzniveau sprechen.

    57.   Im Folgenden ist zu prüfen, ob die Wortlautauslegung eine Bestätigung durch systematische und teleologische Erwägungen findet, oder ob sich hieraus vielmehr ein niedrigeres Schutzniveau ergibt.

    b)      Systematische Argumente

    58.   Was den Regelungszusammenhang der Richtlinie 80/987 betrifft, ist zunächst festzustellen, dass die Richtlinie keine Regelung enthält, die explizit eine Beschränkung des Schutzumfangs von Artikel 8, der sich in Abschnitt III der Richtlinie befindet, vorsieht.

    59.   Demgegenüber finden sich in Abschnitt II der Richtlinie, die den Schutz der Lohnansprüche der Arbeitnehmer zum Gegenstand hat, ausdrückliche Schutzbeschränkungen. So sieht Artikel 4 Absatz 1 i.V.m. Absatz 3 die Möglichkeit vor, „um die Zahlung von Beträgen zu vermeiden, die über die soziale Zweckbestimmung dieser Richtlinie hinausgehen, für die Garantie der Erfüllung unbefriedigter Ansprüche der Arbeitnehmer eine Höchstgrenze festzusetzen“.

    60.   Hieraus folgert die Regierung des Vereinigten Königreichs, dass grundsätzlich ein geringerer als der vollständige Schutz mit den sozialen Zweckbestimmungen der Richtlinie vereinbar sei, somit auch im Rahmen des Artikels 8. Die irische Regierung argumentiert ähnlich und plädiert für eine analoge Anwendung des Artikels 4 Absatz 3 auf Artikel 8. Eine solche systematische Auslegung darf jedoch nicht ohne weiteres darüber hinweggehen, dass sich die Regelung des Artikels 4 Absatz 3 in einem anderen Abschnitt der stringent nach Regelungsbereichen gegliederten Richtlinie befindet. Abschnitt II hat Vorschriften über die Garantieeinrichtungen zur Absicherung der Entgeltansprüche der Arbeitnehmer im Fall der Insolvenz zum Gegenstand, Abschnitt III jedoch Vorschriften über die soziale Sicherheit.

    61.   Die Kläger des Ausgangsverfahrens betonen darüber hinaus zu Recht, dass diese unterschiedlichen Regelungsgehalte sich inhaltlich deutlich voneinander unterscheiden und ihnen auch keine vergleichbare Interessenlage zugrunde liegt. Ausbleibende Gehaltszahlungen sind für die Arbeitnehmer offensichtlich und bleiben meist auch von kurzer Dauer. Jedenfalls können sie darauf verhältnismäßig schnell reagieren. Rentensysteme sind hingegen meist von kaum durchschaubarer Komplexität, und die Auswirkungen des Ausfalls erwarteter Rentenzahlungen sind schwerwiegend, langfristig und kaum zu korrigieren. Einer analogen Anwendung des Artikels 4 Absatz 3 auf Artikel 8 steht daher bereits die mangelnde Vergleichbarkeit der den Regelungen zugrunde liegenden Interessenlagen entgegen.

    62.   Auch Artikel 6, der sich in Abschnitt III der Richtlinie befindet und durch Bezugnahme auf Artikel 3 ff. eine gewisse Verbindung zum Abschnitt II herstellt, steht vorstehenden Ausführungen nicht entgegen. Denn er regelt mit der Frage des Schicksals der weiteren Beiträge der Arbeitnehmer zu den Vorsorgeeinrichtungen im Fall der Insolvenz des Arbeitgebers lediglich einen eng begrenzten Teilaspekt der Vorschriften über die sozialen Sicherheit und hat gerade nicht bereits erworbene Ansprüche der Arbeitnehmer zum Gegenstand.

    63.   Auch die systematische Auslegung kommt somit zu dem Ergebnis, dass Artikel 8 einen umfassenden Schutz der Arbeitnehmerinteressen fordert.

    c)      Teleologische Auslegung des Artikels 8 der Richtlinie 80/987

    64.    Eine an Sinn und Zweck orientierte Auslegung stützt die vorgeschlagene Lösung ebenfalls. Die erste Begründungserwägung formuliert diesbezüglich klar, dass das Ziel der Richtlinie ist, die Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers zu schützen.

    65.   Insofern war bereits betont worden, dass bei Arbeitnehmern hinsichtlich ihrer Alters­versorgungsansprüche im Fall der Insolvenz des Arbeitgebers ein ganz besonderes Schutzbedürfnis besteht. Denn einerseits darf ein Arbeitnehmer berechtigt darauf vertrauen, dass ihm im Alter neben seiner gesetzlichen Altersversorgung auch die zugesagten betrieblichen Rentenzahlungen zur Verfügung stehen, und andererseits werden ihm in der Regel erst beide Komponenten seiner Altersversorgung einen angemessenen Lebensstandard im Alter gewähren. Eine erhebliche Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers ergibt sich bezüglich seiner erworbenen Rentenansprüche – gerade im Vergleich zu Entgeltansprüchen in der Insolvenz, die sich nur kurzfristig auswirken – insbesondere auch aus der Tatsache, dass sich eine Kürzung der Rentenansprüche auf die gesamte Rentenbezugsdauer auswirkt und in der Regel keine Möglichkeit besteht, diese Versorgungslücke nachträglich zu kompensieren. Bietet zudem die gesetzliche Altersversorgung lediglich eine Basisabsicherung, wie unstreitig etwa im vorliegenden Fall, steigert sich das Schutzbedürfnis bezüglich der betrieblichen Rente noch zusätzlich.

    66.   Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes zur Ratio der Richtlinie 80/987. Der Gerichtshof hat zwar wiederholt festgestellt, dass es der soziale Zweck der Richtlinie sei, allen Arbeitnehmern einen gemeinschaftsrechtlichen Mindestschutz bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers zu sichern.(10) Die Regierung des Vereinigten Königreichs beruft sich auf diese Rechtsprechung, um zu argumentieren, dass auch Artikel 8 nur einen Mindestschutz und keinen umfassenden Schutz der Arbeitnehmerinteressen fordere. Hierbei bleibt allerdings unklar, welcher konkrete Mindestschutz dem Artikel 8 entnommen werden soll.

    67.   Die oben angeführte Rechtsprechung des Gerichtshofes hatte allerdings in keinem Fall die Auslegung des Artikels 8 der Richtlinie 80/987 zum Gegenstand, sondern befasst sich im Wesentlichen mit den Bestimmungen der Richtlinie, die die Entgeltansprüche der Arbeitnehmer betreffen. Diese Regelungen enthalten aber explizit Einschränkungsmöglichkeiten oder eröffnen den Mitgliedstaaten unterschiedliche Handlungsalternativen, die auch einen unterschiedlichen Schutzumfang haben. Im Zusammenhang mit diesen Bestimmungen ist bereits dem Wortlaut der Bestimmungen zu entnehmen, dass sie nur einen Mindestschutz gewähren. Dem Artikel 8 selbst ist dies hingegen gerade nicht zu entnehmen. Aus diesen Gründen kann auch der generellen Einschätzung des Gerichtshofes, die Richtlinie bezwecke einen Mindestschutz, keine Einschränkung des Schutzumfangs von Artikel 8 entnommen werden.

    68.   Aus denselben Gründen ist der Argumentation der Regierung des Vereinigten Königreichs nicht zu folgen, die aus einer Begründungserwägung der Änderungsrichtlinie 2002/74(11) einen nur eingeschränkten Schutzumfang des Artikels 8 der Richtlinie 80/987 ableitet. Zunächst ist hierzu klarzustellen, dass die Änderungsrichtlinie erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ASW und nach Schließung ihrer Versorgungssysteme in Kraft getreten ist.(12) Eine direkte Auswirkung auf die rechtliche Beurteilung des vorliegenden Falles ergibt sich aus ihr daher nicht. Allenfalls ließe sich ihr eine Indizwirkung für das Verständnis von Artikel 8 entnehmen. Die Richtlinie nahm im Übrigen keine Änderung an Artikel 8 der Richtlinie 80/987 vor.

    69.   Die Regierung des Vereinigten Königreichs beruft sich auf die zweite Begründungserwägung, in der es heißt, dass die Richtlinie 80/987 „den Arbeitnehmern im Fall der Zahlungsunfähigkeit ihres Arbeitgebers einen Mindestschutz“ gewähren soll und die Mitgliedstaaten deshalb zur Schaffung einer Einrichtung verpflichtet, die die Befriedigung der nicht erfüllten Arbeitnehmeransprüche garantiert. Aus dieser Verwendung des Begriffes „Mindestschutz“ will sie ableiten, dass auch der speziellere Artikel 8 bezüglich der Interessen der Arbeitnehmer hinsichtlich ihrer Rentenansprüche nur einen Mindestschutz und keinen umfassenden Schutz gewährleisten wolle. Dies lässt aber unberücksichtigt, dass der Begriff „Mindestschutz“ in Zusammenhang mit den Garantieeinrichtungen für Entgeltansprüche der Arbeitnehmer verwendet wird und nicht in Bezug auf alle Regelungsgegenstände der Richtlinie 80/987. Dieser Formulierung kann daher nicht entnommen werden, dass hinsichtlich aller durch eine Insolvenz des Arbeitgebers beeinträchtigter Arbeitnehmeransprüche lediglich ein Mindestschutz gewährt werden soll, selbst wenn diese in der Richtlinie 80/987 nach ihrem Wortlaut unbeschränkt gewährt sind. Im Übrigen kann eine Änderungsrichtlinie ohne Änderung des betreffenden Artikels allein durch eine Begründungserwägung nicht das Schutzniveau einer älteren Richtlinie reduzieren.(13)

    70.   Als Zwischenergebnis ist daher festzuhalten, dass Artikel 8 der Richtlinie 80/987 einen umfassenden Schutz der Arbeitnehmerinteressen hinsichtlich ihrer Rechte auf betriebliche Altersversorgung im Fall der Insolvenz des Arbeitgebers verlangt.

    71.   Dahinstehen kann im vorliegenden Fall, ob in Ausnahmefällen gegebenenfalls eine Einschränkung dieses umfassenden Schutzes gerechtfertigt sein kann. Ein Hinweis auf die Möglichkeit von Ausnahmen von diesem generell umfassenden Schutzumfang könnte der ersten Begründungserwägung der Richtlinie 80/987 zu entnehmen sein. Diese stellt klar, dass der Arbeitnehmerschutz unter Berücksichtigung der Notwendigkeit einer ausgewogenen wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung in der Gemeinschaft – somit nicht absolut – zu gewährleisten ist. In diesem Zusammenhang erlangen insbesondere die wirtschaftlichen Auswirkungen der Gewährleistung einer Absicherung von Arbeitnehmeransprüchen Relevanz. Denn selbstverständlich verursachen entsprechende Schutzmaßnahmen nicht unerhebliche Kosten, die ihrerseits nicht ohne volkswirtschaftliche Auswirkungen bleiben. Bei der Bestimmung des Schutzniveaus des Artikels 8 muss jedoch die dargelegte besonders hohe Schutzbedürftigkeit der Arbeitnehmer bezüglich ihrer Renten­ansprüche derart im Vordergrund stehen, dass lediglich in begrenzten Ausnahmekonstellationen eine Unterschreitung des grundsätzlich vollständigen Schutzes der Arbeitnehmeransprüche in Betracht kommen könnte. Besteht nur ein vermindertes Schutzbedürfnis auf Seiten der Arbeitnehmer und hätte andererseits eine vollständige Absicherung unverhältnismäßige Kosten zur Folge, kann es denkbar sein, dass ein Ausnahmefall vorliegt, bei dem nach einer beide Aspekte berücksichtigenden Abwägung ein geringeres Schutzniveau angemessen sein könnte. Maßvolle Einschränkungen könnten etwa hinsichtlich der Anwartschaften von Arbeitnehmern, die noch sehr weit vom Rentenbezugsalter entfernt sind und denen damit Kompensationsmöglichkeiten offen stehen, oder auch bei weit überdurchschnittlich hohen Versorgungsansprüchen in Frage kommen. Derartige Ausnahmen sind jedoch hier nicht ersichtlich. Auch aus Gründen der Rechtssicherheit müsste eine derartige Absenkung des Schutzniveaus darüber hinaus gesetzlich vorgeschrieben sein.

    72.    Eine nationale Umsetzungsmaßnahme, wie diejenige, die dem vorliegenden Fall zugrunde liegt, die im Ergebnis dazu führt, dass den Arbeitnehmern nach Insolvenz des Arbeitgebers unabhängig von der Höhe der Rente lediglich 49 % bzw. sogar nur 20 % der zugesicherten Rentenleistungen verbleibt – wie dies bei den ersten beiden Klägern des Ausgangsverfahrens der Fall war –, kann dem von Artikel 8 geforderten Schutzniveau (auch unter der Berücksichtigung der aufgezeigten Option einer Ausnahme vom umfassenden Schutzniveau des Artikels 8) jedenfalls nicht gerecht werden.

    3.      Durch welche Art von Maßnahmen haben die Mitgliedstaaten den Schutz der Arbeitnehmerinteressen sicherzustellen?

    73.   Im Folgenden ist zu prüfen, welche Maßnahmen Artikel 8 der Richtlinie 80/987 den Mitgliedsstaaten auferlegt, um das geforderte Schutzniveau zu gewährleisten. Insbesondere ist mit Blick auf die erste Vorlagefrage zu klären, ob Artikel 8 auch eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten enthält, durch eigene finanzielle Leistungen insolvenzbedingte Rentenausfälle auszugleichen.

    74.   Gemäß Artikel 8 der Richtlinie vergewissern sich die Mitgliedstaaten, dass die notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Interessen der Arbeitnehmer getroffen werden.

    75.   Die Kläger des Ausgangsverfahrens führen aus, dass Artikel 8 zwar keine Einstandspflicht für die Mitgliedsstaaten vorsehe, sondern offen lasse, wer Ausfälle von Rentenleistungen aufzufangen habe. Gleichwohl sehen sie die Mitgliedstaaten in der Pflicht, wenn keine hinreichende Absicherung gegeben ist.

    76.   Es ist jedoch der Regierung des Vereinigten Königreichs, der irischen Regierung sowie der Kommission in ihrer Auffassung beizupflichten, dass die Mitgliedstaaten unmittelbar aus der Richtlinie keine Haftung für Ausfälle von nicht hinreichend abgesicherten Leistungen trifft.

    77.   Wie nämlich alle Verfahrensbeteiligten zu Recht bemerken, sieht der Wortlaut des Artikels 8 der Richtlinie weder vor, dass die Mitgliedstaaten selbst für Ausfälle bei Rentenleistungen einzustehen haben, noch dass sie als letzter Garant fungieren müssten, wenn vorgeschaltete Schutzsysteme keine ausreichende Abdeckung bieten können. Im Gegenteil, der Wortlaut des Artikels 8 stellt mit der Wendung „vergewissern sich“ bewusst klar, dass die Mitgliedstaaten lediglich sicherzustellen haben, dass im Ergebnis der Schutz der Arbeitnehmer gewährleistet ist. Auf welchem Weg sie dieses Ergebnis erreichen, ist ihnen freigestellt. Die Formulierung ist so gewählt, dass insbesondere die notwendigen Maßnahmen auch auf die Arbeitgeber übertragen werden können, denen beispielsweise eine gesetzliche Verpflichtung auferlegt werden kann, die von ihnen zugesagten Rentenzahlungen zu versichern oder gemeinsame Garantieeinrichtungen zu gründen.(14)

    78.   Diese Auslegung findet eine Bestätigung in einem Umkehrschluss aus dem Wortlaut des Artikels 7, der davon spricht, dass die Mitgliedstaaten die „notwendigen Maßnahmen treffen, um sicherzustellen …“ Wenn nun Artikel 8, der unmittelbar auf Artikel 7 folgt, nicht die Formulierung des Artikels 7 wiederholt, sondern abweichend und schwächer nur eine Vergewisserung der Mitgliedstaaten fordert, zeigt sich, dass Artikel 8 gerade keine unmittelbaren Maßnahmen der Mitgliedstaaten verlangt, sondern diese auch an Dritte delegiert werden dürfen. Die Mitgliedstaaten müssen somit nicht als letzter Bürge oder Garant eintreten, sie haben also nicht selbst Rentenleistungen zu zahlen.

    79.   Abschließend ist für die Auslegung von Artikel 8 der Richtlinie 80/987 noch zu klären, was „notwendige Maßnahmen“ im Sinne der Vorschrift sind. Notwendig sind diejenigen Maßnahmen, die den vollständigen Schutz der Arbeitnehmerinteressen gewährleisten. Welche Maßnahmen dies sind, kann nicht generell bestimmt werden, sondern hängt von der Art und der Organisation des betrieblichen Rentensystems ab. Entgegen der Auffassung des Vereinigten Königreichs, Irlands und der Niederlande ist deshalb auch nicht in jedem Fall eine Trennung der Vermögen von Arbeitgeber und Rentensystem ausreichend.(15) Bei einem Kostenausgleichssystem, wie es dem vorliegenden Ausgangsfall zugrunde liegt, ist eine Trennung der Vermögen nicht ausreichend, um die Arbeitnehmerinteressen zu schützen. Dies zeigt sich nicht zuletzt an den erheblichen Rentenkürzungen, mit denen sich die Kläger des Ausgangsverfahrens konfrontiert sehen.

    80.   Entgegen der Auffassung des Vereinigten Königreichs führt auch die Entstehungsgeschichte nicht dazu, Artikel 8 so auszulegen, dass er lediglich eine Trennung der Vermögen von Versorgungssystem und Arbeitgeber verlangt. Das von der Regierung des Vereinigten Königreichs u. a. vorgelegte Protokoll einer Sitzung der „Arbeitsgruppe Soziale Fragen“ im Rat enthält zwar die Aussage eines Repräsentanten der Kommission, Artikel 8(16) umfasse die Sicherstellung der Trennung der Vermögen.(17) Diese Aussage ist jedoch bereits für sich allein genommen nicht eindeutig. Dass Artikel 8 die Trennung der Vermögen umfasse, bedeutet gerade nicht, dass Artikel 8 nicht auch andere Maßnahmen erfordern kann.

    81.   Darüber hinaus sind Elemente der Entstehungsgeschichte von nachrangiger Bedeutung bei der Auslegung.(18) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs können sogar Protokollerklärungen zur Annahme des betreffenden Rechtsakts nicht zur Auslegung abgeleiteten Rechts herangezogen werden, wenn der Inhalt der Erklärung in der fraglichen Bestimmung keinen Ausdruck gefunden hat.(19) Die objektive Bedeutung einer Bestimmung des Gemeinschaftsrechts könne sich nur aus der Bestimmung selbst unter Berücksichtigung ihres Zusammenhangs ergeben.(20) Diese Feststellung des Gerichtshofs muss umso mehr für Äußerungen eines Kommissionsvertreters gelten, die dieser vor einer Arbeitsgruppe des Rates macht. Da, wie oben dargelegt, dem Wortlaut von Artikel 8 kein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen ist, dass für seine Umsetzung eine Trennung der Vermögen ausreichend ist, können auch historische Gesichtspunkte nicht zu einem anderen Auslegungsergebnis führen.

    82.   Dabei verlangt Artikel 8 der Richtlinie 80/987 nicht zwangsläufig, dass ein Versorgungssystem zu jeder Zeit vollständig finanziert ist; dies hat die niederländische Regierung zutreffend in der mündlichen Verhandlung dargelegt. Er verlangt jedoch, dass für den Fall, dass Unterfinanzierungen im Fall der Insolvenz des Arbeitgebers zu einer Beeinträchtigung der Arbeitnehmerinteressen führen, eine (zumindest anderweitige) Vorsorge getroffen wird, die die Erfüllung der Rentenansprüche der Arbeitnehmer sicherstellt.

    4.      Zwischenergebnis

    83.   Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass Artikel 8 der Richtlinie 80/987 im Grundsatz einen vollständigen Schutz der Arbeitnehmerinteressen bezüglich ihrer erworbenen Rechte und Anwartschaftsrechte auf Leistungen aus betrieblicher Altersvorsorge verlangt. In einem Versorgungssystem, das wie im vorliegenden Fall durch ein Kostenausgleichssystem charakterisiert ist, erstreckt sich dieser Schutz auch auf die Folgen, die sich aus der Unterfinanzierung des Systems für die Rentenansprüche ergeben. Artikel 8 verpflichtet die Mitgliedstaaten jedoch nicht, diesen Schutz durch eigene finanzielle Leistungen im Sinne einer Ausfallhaftung zu gewähren.

    B –    Zur dritten Vorlagefrage

    84.   Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, welche Prüfung es im Rahmen eines gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs vorzunehmen hat, um festzustellen, ob eine Verletzung von Gemeinschaftsrecht hinreichend qualifiziert ist.

    85.   Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes hat ein Mitgliedstaat Schäden, die dem Einzelnen durch Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht entstanden sind, zu ersetzen, wenn drei Voraussetzungen gegeben sind(21):

    –       erstens, die Rechtsnorm, gegen die verstoßen wurde, muss dem Einzelnen Rechte verleihen, deren Inhalt auf der Grundlage der Richtlinie bestimmt werden kann,

    –       zweitens, der Verstoß muss hinreichend qualifiziert sein und

    –       drittens, zwischen dem Verstoß gegen die dem Staat obliegende gemeinschaftsrechtliche Verpflichtung und dem Schaden des Betroffenen muss ein unmittelbarer Kausalzusammenhang bestehen.

    86.   Nach der Rechtsprechung ist es zwar grundsätzlich Sache der nationalen Gerichte, festzustellen, ob die Voraussetzungen für eine Haftung der Mitgliedstaaten gegeben sind.(22) Der Gerichtshof hat jedoch in Fällen, in denen ihm ausreichende Informationen vorlagen, einige Umstände erläutert, die die nationalen Gerichte bei ihrer Würdigung berücksichtigen können.(23)

    1.      Rechte für den Einzelnen

    87.   Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes muss die verletzte Rechtsnorm bezwecken, dem einzelnen Rechte zu verleihen, deren Inhalt auf der Grundlage der Richtlinie mit hinreichender Genauigkeit bestimmt werden kann.(24)

    88.   Artikel 8 der Richtlinie 80/987 verlangt – wie oben dargelegt – die Sicherstellung eines umfassenden Schutzes der erworbenen Rechte von Arbeitnehmern auf Auszahlung von Rentenleistungen. Der Personenkreis, dem die Rechte des Artikels 8 der Richtlinie zugute kommen sollen, ist insofern hinreichend genau festgelegt. Der Gerichtshof hat dies in der Rechtssache Francovich bereits im Hinblick auf die Rechte aus Artikel 3 der Richtlinie festgestellt.(25) Der geschützte Personenkreis des hier einschlägigen Artikels 8 der Richtlinie unterscheidet sich nicht von jenem des Artikels 3 der Richtlinie.

    89.   Auch der Inhalt der Rechte der Arbeitnehmer ist hinreichend genau festgelegt. Wie oben dargelegt, verlangt Artikel 8 den umfassenden Schutz der Arbeitnehmerinteressen hinsichtlich ihrer Rentenansprüche im Fall der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers.

    2.      Hinreichend qualifizierter Verstoß

    90.   Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes ist ein Verstoß hinreichend qualifiziert, wenn ein Mitgliedstaat bei der Rechtsetzung die Grenzen, die der Ausübung seiner Befugnisse gesetzt sind, offenkundig und erheblich überschritten hat.(26)

    91.   Die bloße Verletzung des Gemeinschaftsrechts kann genügen, um einen hinreichend qualifizierten Verstoß zu begründen, wenn der betreffende Mitgliedstaat zum Zeitpunkt dieser Rechtsverletzung nicht zwischen verschiedenen gesetzgeberischen Möglichkeiten zu wählen hatte und über einen erheblich verringerten oder gar auf Null reduzierten Ermessensspielraum verfügte.(27)

    92.   Angesichts der Formulierung von Artikel 8, der den Mitgliedstaaten offen lässt, welche Mittel sie zu ergreifen haben, kann nicht davon gesprochen werden, dass Artikel 8 den Mitgliedstaaten keinen oder nur einen sehr begrenzten Ermessensspielraum lässt. Dem Vereinigten Königreich kann im Übrigen auch nicht vorgeworfen werden, es habe keinerlei Maßnahmen für die Umsetzung der Richtlinie getroffen(28). Die Regierung des Vereinigten Königreichs hat vorgetragen, dass sie die Trennung der Vermögen von Arbeitgeber und Versorgungsunternehmen und Beitragsnachzahlungen in gewissem Umfang zur Umsetzung von Artikel 8 vorgesehen und als ausreichende Umsetzung der Erfordernisse von Artikel 8 angesehen habe.

    93.   Das vorlegende Gericht hat also anhand der weiteren Kriterien, die der Gerichtshof aufgestellt hat, zu prüfen, ob der Mitgliedstaat die Grenzen, die seinem Ermessen gesetzt sind, offenkundig und erheblich überschritten hat. Zu berücksichtigen hat das zuständige Gericht bei seiner Prüfung u. a. das Maß an Klarheit und Genauigkeit der verletzten Vorschrift, den Umfang des Ermessensspielraums, der den nationalen Behörden belassen ist, gegebenenfalls eine Vorsätzlichkeit des Verstoßes oder der Zufügung des Schadens, eine etwaige Entschuldbarkeit eines Rechtsirrtums und einen möglichen Beitrag einer Gemeinschaftsinstitution zu dem Verstoß.(29) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes ist auch zu berücksichtigen, ob die Auslegung der Richtlinienbestimmung, die der nationale Gesetzgeber seiner Umsetzung zu Grunde gelegt hat, vertretbar war oder ob diese Auslegung in einem offenkundigen Widerspruch zu Wortlaut und Zielsetzung der Richtlinie stand.(30)

    94.   Unter Berücksichtigung dieser Kriterien erscheint die hinreichende Qualifiziertheit des Verstoßes im vorliegenden Fall zweifelhaft.

    95.   Problematisch ist insbesondere, ob Artikel 8 der Richtlinie 80/987 in der erforderlichen Klarheit den Umfang und das Niveau des von ihm geforderten Schutzes der Arbeitnehmerinteressen beschreibt. Insbesondere dürfte dem sich aus dem Regelungszusammenhang der Richtlinie ergebenden Kriterium der Insolvenzbedingtheit der Beeinträchtigung die erforderliche Eindeutigkeit fehlen. Dass je nach Ausgestaltung des jeweiligen Systems der betrieblichen Altersvorsorge die Realisierung allgemeiner Risiken im Insolvenzfall als insolvenzbedingt zu qualifizieren ist, drängt sich zumindest nicht ohne weiteres auf. Die Interpretation, die das Vereinigte Königreich dem Kriterium der Insolvenzbedingtheit gegeben hat, mit dem Ergebnis, dass es die Unterfinanzierung eines Versorgungssystems für grundsätzlich nicht insolvenzbedingt hielt, stellt sich insofern nicht als unvertretbar dar. Auch die Auslegung des von Artikel 8 geforderten Schutzniveaus durch die Regierung des Vereinigten Königreichs ist nicht unvertretbar. So hat auch die Kommission in der mündlichen Verhandlung die Auffassung geäußert, das Schutzniveau des Artikels 8 sei nicht einfach zu definieren.

    96.   Dieser Einschätzung steht auch nicht die Tatsache entgegen, dass Generalanwalt Lenz bereits im Jahr 1988 in seinen Schlussanträgen feststellte, dass für die Umsetzung von Artikel 8 ein Schutz unzulänglich sei, „der sich auf die Unantastbarkeit tatsächlich gebildeter Fonds beschränkt und sich nicht auch darauf bezieht, dass die Fonds ausreichend mit Mitteln versorgt werden“(31). Obwohl sich der Gerichtshof in seinem Urteil zu dieser Frage nicht näher geäußert hat, könnte man argumentieren, dass das Vereinigte Königreich bereits aufgrund dieser Auslegung in den Schlussanträgen hätte erkennen können, dass Artikel 8 der Richtlinie 80/987 weitergehende Maßnahmen erfordert. Es wäre allerdings überzogen, aus der unzureichenden Beachtung von Schlussanträgen die hinreichende Qualifikation eines Verstoßes durch den Gesetzgeber abzuleiten.(32) Denn der Gesetzgeber kann nicht durch ein Vorabentscheidungsersuchen eine Stellungnahme des Gerichtshofes zu einer zwar vom Generalanwalt angesprochenen, vom Gerichtshof aber nicht entschiedenen Frage einholen.

    97.   Die hinreichende Qualifikation eines Verstoßes kann im Übrigen auch zu verneinen sein aufgrund der Entschuldbarkeit des Rechtsirrtums oder aufgrund des Umstandes, dass die Verhaltensweisen eines Gemeinschaftsorgans dazu beigetragen haben, dass nationale Maßnahmen in gemeinschaftsrechtswidriger Weise unterlassen, eingeführt oder aufrechterhalten werden.(33)

    98.   In diesem Zusammenhang erlangt ein Bericht der Kommission von 1995 Relevanz, mit dem diese im Rahmen einer Prüfung der nationalen Umsetzungsmaßnahmen zur Richtlinie 80/987 feststellte, dass die Umsetzungsmaßnahme des Vereinigten Königreichs den Erfordernissen von Artikel 8 entsprechen „dürfte“.(34) Zwar ist den Klägern des Ausgangsverfahrens darin zuzustimmen, dass die Kommission eine vorsichtige Formulierung wählte(35), während sie bezüglich anderer mitgliedstaatlicher Schutzregime deutlichere Formulierungen wählte.(36) Gleichwohl darf es dem Vereinigten Königreich nicht zum Nachteil gereichen, sofern es sich durch den Bericht der Kommission in seiner Auffassung bestärkt gesehen hat, mit seinen Umsetzungsmaßnahmen den Vorgaben des Artikels 8 Genüge getan zu haben.

    99.   Im Ergebnis deuten die Umstände des vorliegenden Falles somit darauf hin, dass die Verletzung nicht hinreichend qualifiziert ist.

    VI – Ergebnis

    100. Aufgrund der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, dem High Court of Justice von England & Wales, Chancery Division, auf seine Vorlagefragen wie folgt zu antworten:

    1.      Artikel 8 der Richtlinie 80/987/EWG verlangt im Grundsatz einen vollständigen Schutz der Arbeitnehmerinteressen hinsichtlich ihrer erworbenen Rechte und Anwartschaftsrechte auf Leistungen aus betrieblicher oder überbetrieblicher Altersversorgung. Der Schutz des Artikels 8 der Richtlinie 80/987 erstreckt sich auch auf Beeinträchtigungen, die sich aus der Unterfinanzierung des Versorgungssystems ergeben, wenn diese Beeinträchtigungen insolvenzbedingt sind.

    2.      Artikel 8 der Richtlinie 80/987 verpflichtet die Mitgliedstaaten nicht, den Schutz der Arbeitnehmerinteressen durch eigene finanzielle Leistungen sicherzustellen.

    3.      Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes ist ein Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht hinreichend qualifiziert, wenn der Mitgliedstaat bei der Rechtsetzung die Grenzen, die der Ausübung seiner Befugnisse gesetzt sind, offenkundig und erheblich überschritten hat. Die bloße Verletzung des Gemeinschaftsrechts kann genügen, um einen hinreichend qualifizierten Verstoß zu begründen, wenn der betreffende Mitgliedstaat zum Zeitpunkt dieser Rechtsverletzung nicht zwischen verschiedenen gesetzgeberischen Möglichkeiten zu wählen hatte und er über einen erheblich verringerten oder gar auf Null reduzierten Ermessensspielraum verfügte.


    1 – Originalsprache: Deutsch.


    2 – ABl. L 283, S. 23.


    3 – Richtlinie 2002/74/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 zur Änderung der Richtlinie 80/987/EWG des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers (ABl. L 270, S. 10). Die Richtlinie trat am 8. Oktober 2002 in Kraft und verpflichtet die Mitgliedstaaten, sie bis zum 8. Oktober 2005 umzusetzen.


    4 – Richtlinie 2003/41/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. Juni 2003 über die Tätigkeiten und die Beaufsichtigung von Einrichtungen der betrieblichen Alterversorgung (ABl. L 235, S. 10). Sie trat am 23. September 2003 in Kraft und verpflichtet die Mitgliedstaaten, sie bis zum 23. September 2005 umzusetzen.


    5 – Vgl. nur Urteile vom 3. Mai 2001 in der Rechtssache C-28/99 (Verdonck, Slg. 2001, I-3399, Randnr. 28) und vom 30. April 1998 in den verbundenen Rechtssachen C-37/96 und C-38/96 (Sodiprem u. a., Slg. 1998, I-2039, Randnr. 22).


    6 – Vgl. nur, aus jüngster Zeit, Urteile vom 8. Dezember 2005 in der Rechtssache C-280/04 (Jyske Finans, Slg. 2005, I-0000, Randnr. 34) und vom 9. März 2006 in der Rechtssache C-323/03 (Kommission/Spanien, Slg. 2006, I-0000, Randnr. 32).


    7 – Hervorhebungen durch die Verfasserin.


    8 – In diesem Sinne bereits Generalanwalt Lenz in seinen Schlussanträgen vom 15. November 1988 in der Rechtssache 22/87 (Kommission/Italien, Slg. 1989, I-143, Randnr. 49, der der Ansicht ist, dass die Verfasser der Richtlinie 80/987 „auch im Zusammenhang mit Artikel 8 das Problem der Alimentierung der Fonds durchaus miterfassen wollten". Das Urteil des Gerichtshofs in dieser Sache enthält zu dieser Frage keine Ausführungen.


    9 – Siehe Nr. 37 dieser Schlussanträge.


    10 – Vgl. Urteile vom 11. September 2003 in der Rechtssache C-201/01 (Walcher, Slg. 2003, I-8827, Randnr. 38), vom 18. Oktober 2001 in der Rechtssache C-441/99 (Gharehveran, Slg. 2001, I-7687, Randnr. 26), vom 14. Juli 1998 in der Rechtssache C-125/97 (Regeling, Slg. 1998, I-4493, Randnr. 20), vom 10. Juli 1997 in der Rechtssache C-373/95 (Maso u. a., Slg. 1997, I-4051, Randnr. 56), vom 19. November 1991 in den verbundenen Rechtssachen C-6/90 und C-9/90 (Francovich u. a., Slg. 1991, I-5357, Randnrn. 3 und 21) und vom 2. Februar 1989 in der Rechtssache 22/87 (Kommission/Italien, Slg. 1989, I-143, Randnr. 23).


    11 – Mit der die Richtlinie 80/987 geändert wurde.


    12 – Die Richtlinie ist am 8. Oktober 2002 in Kraft getreten; die Versorgungssysteme wurden nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ASW im Juli 2002 geschlossen.


    13 – Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs sind die Begründungserwägungen eines Gemeinschaftsrechtsakts rechtlich nicht verbindlich und können weder herangezogen werden, um von den Bestimmungen des betreffenden Rechtsakts abzuweichen, noch, um diese Bestimmungen in einem Sinne auszulegen, der ihrem Wortlaut offensichtlich widerspricht. Vgl. Urteil vom 19. November 1998 in der Rechtssache C-162/97 (Nilsson u. a., Slg. 1998, I-7477, Randnr. 54) und vom 24. November 2005 in der Rechtssache C-136/04 (Deutsches Milch-Kontor, Slg. 2005, I-10095, Randnr. 32). Dies muss umso mehr gelten für die Begründungserwägung einer Änderungsrichtlinie, die den fraglichen Artikel selbst nicht ändert.


    14 – So auch Generalanwalt Lenz in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Kommission/Italien (zitiert in Fußnote 8, Nr. 50). Der Gerichtshof ist in seinem Urteil in dieser Rechtssache auf diesen Punkt nicht eingegangen.


    15 – In diesem Sinne auch Schlussanträge des Generalanwalts Lenz (zitiert in Fußnote 8, Nr. 48).


    16 Im Gesetzgebungsverfahren noch Artikel 7 genannt.


    17 Summary of proceedings of the Working Party on Social Questions on 14 and 15 March 1979, Dokument vom 19. März 1979 Nr. 5581/79, S. 13a.


    18 Vgl. Urteil vom 21. Januar 1992 in der Rechtssache C-310/90 (Egle, Slg. 1992, I-177, Randnr. 12), in dem die Entstehungsgeschichte nur zur Bestätigung des mittels der anderen Methoden gefundenen Auslegungsergebnisses herangezogen wurde.


    19 Vgl. Urteile vom 26. Februar 1991 in der Rechtssache C-292/89 (Antonissen, Slg. 1991, I-745, Randnr. 18) und vom 10. Januar 2006 in der Rechtssache C-402/03 (Skov u. a., Slg. 2006, I-0000, Randnr. 42); bereits in seinem Urteil vom 23. Februar 1988 in der Rechtssache 429/85 (Kommission/Italien, Slg. 1988, 843, Randnr. 9) hat der Gerichtshof ausgeführt, dass eine Auslegung, die aus einer Erklärung des Rates hergeleitet wird, nicht zu einer anderen Auslegung als der führen darf, die sich aus dem Wortlaut der Richtlinie selbst ergibt.


    20 Urteil vom 15. April 1986 in der Rechtssache 237/84 (Kommission/Belgien, Slg. 1986, 1247, Randnr. 17).


    21 – Vgl. u. a. Urteile vom 4. Juli 2000 in der Rechtssache C-424/97 (Haim, Slg. 2000, I-5123, Randnr. 36), vom 5. März 1996 in den verbundenen Rechtssachen C-46/93 und C-48/93 (Brasserie du Pêcheur und Factortame, Slg. 1996, I-1029, Randnr. 51) und vom 2. April 1998 in der Rechtssache C-127/95 (Norbrook Laboratories, Slg. 1998, I-1531, Randnr. 107).


    22 – Urteile vom 26. März 1996 in der Rechtssache C-392/93 (British Telecommunications, Slg. 1996, I-1631, Randnr. 41), vom 17. Oktober 1996 in den Rechtssachen C-283/94, C-291/94, C-292/94 (Denkavit u. a., Slg. 1996, I-5063, Randnr. 49; vom 24. September 1998 in der Rechtssache C-319/96 (Brinkmann, Slg. 1998, I-5255, Randnr. 26).


    23 – Vgl. nur Urteil vom 18. Januar 2001 in der Rechtssache C-150/99 (Stockholm Lindöpark, Slg. 2001, I-493, Randnr. 38).


    24 – Vgl. Urteil Francovich u. a. (zitiert in Fußnote 21, Randnrn. 40 und 44) und Urteil vom 15. Juni 1999 in der Rechtssache C-140/97 (Rechberger u. a., Slg. 1999, I-3499, Randnrn. 22 und 23).


    25 – Vgl. Urteil Francovich u. a. (zitiert in Fußnote 21, Randnrn. 13 und 14).


    26 – Vgl. Urteil Brasserie du Pêcheur (zitiert in Fußnote 21, Randnr. 55), Urteil Rechberger u. a. (zitiert in Fußnote 24, Randnr. 50), Urteil British Telecommunications (zitiert in Fußnote 22, Randnr. 42) und Urteil vom 8. Oktober 1996 in den Rechtssachen C-178/94, C-179/94 und C-188/94 bis C-190/94 (Dillenkofer u. a., Slg. 1996, I-4845, Randnr. 25).


    27 – Vgl. Urteil vom 23. Mai 1996 in der Rechtssache C-5/94 (Hedley Lomas, Slg. 1996, I-2553, Randnr. 28), Urteil Dillenkofer (zitiert in Fußnote 26, Randnr. 25).


    28 – Das gänzliche Unterlassen von Umsetzungsmaßnahmen könnte für sich allein genommen bereits dafür sprechen, dass der Mitgliedstaat die Grenzen, die der Ausübung seiner Befugnisse gesetzt sind, offenkundig und erheblich überschritten hat, vgl. Urteil Dillenkofer u. a. (zitiert in Fußnote 26, Randnr. 26).


    29 – Vgl. nur Urteil Brasserie du Pêcheur und Factortame (zitiert in Fußnote 21, Randnrn. 55 und 56) und, aus jüngster Zeit, Urteil vom Urteil vom 30. September 2003 in der Rechtssache C-224/01 (Köbler, Slg. 2003, I-10239, Randnr. 55). Diese Kriterien hätte das nationale Gericht im Übrigen auch zu berücksichtigen, wenn man zu dem Ergebnis käme, dass im vorliegenden Fall der Ermessensspielraum des Gesetzgebers erheblich verringert oder auf Null reduziert war. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes kann zwar, wie oben ausgeführt, in dieser Konstellation die bloße Verletzung des Gemeinschaftsrechts ein hinreichend qualifizierter Verstoß sein, sie muss es aber nicht. Um festzustellen, ob die Verletzung hinreichend qualifiziert ist, hat das nationale Gericht auch in diesem Fall die genannten Kriterien zu berücksichtigen. Vgl. hierzu Urteil Haim (zitiert in Fußnote 21 Randnr. 41 ff.) und Urteil vom 28. Juni 2001 in der Rechtssache C-118/00 (Larsy, Slg. 2001, I-5063, Randnr. 39).


    30 – Urteil British Telecommunications (zitiert in Fußnote 22, Randnr. 43).


    31 – Vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Lenz in der Rechtssache Kommission/Italien (zitiert in Fußnote 8, Nr. 48).


    32 – Etwas anderes gilt möglicherweise bei der Frage, ob die Nichtvorlage eines letztinstanzlichen Gerichts an den Gerichtshof eine hinreichend qualifizierte Verletzung des Gemeinschaftsrechts darstellt.


    33 – Vgl. Urteil Brasserie du Pêcheur und Factortame (zitiert in Fußnote 21, Randnr. 56) und Urteil Köbler (zitiert in Fußnote 29, Randnr. 55), wobei das Vorliegen einer Handlung eines Gemeinschaftsorgans, die zu dem Verstoß beigetragen hat, als Unterfall des Kriteriums eines entschuldbaren Rechtsirrtums angesehen werden könnte.


    34 – Bericht der Kommission betreffend die Umsetzung der Richtlinie 80/987 vom 15. Juni 1995, KOM (95) 164 ENDG.


    35 – Der Bericht schließt die Darstellung der Bestimmungen des Vereinigten Königreichs mit den Worten: „Mit den genannten Bestimmungen dürfte dem Art. 8 Genüge getan werden.“


    36 – Vgl. beispielsweise S. 46 des Kommissions-Berichts (zitiert in Fußnote 34) zu den spanischen Umsetzungsmaßnahmen: „Mit diesen Bestimmungen hält das spanische Recht Art. 8 RL ein.“

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