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Document 62004CJ0437
Judgment of the Court (First Chamber) of 22 March 2007. # Commission of the European Communities v Kingdom of Belgium. # Failure of a Member State to fulfil obligations - Protocol on the Privileges and Immunities of the European Communities - Buildings leased by the Communities - Region of Brussels Capital - Tax on owners. # Case C-437/04.
Urteil des Gerichtshofes (Erste Kammer) vom 22. März 2007.
Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Königreich Belgien.
Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Protokoll über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften - Von den Gemeinschaften angemietete Immobilien - Region Brüssel-Hauptstadt - Steuer zu Lasten von Eigentümern.
Rechtssache C-437/04.
Urteil des Gerichtshofes (Erste Kammer) vom 22. März 2007.
Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Königreich Belgien.
Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Protokoll über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften - Von den Gemeinschaften angemietete Immobilien - Region Brüssel-Hauptstadt - Steuer zu Lasten von Eigentümern.
Rechtssache C-437/04.
Sammlung der Rechtsprechung 2007 I-02513
ECLI identifier: ECLI:EU:C:2007:178
Rechtssache C‑437/04
Kommission der Europäischen Gemeinschaften
gegen
Königreich Belgien
„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Protokoll über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften – Von den Gemeinschaften angemietete Immobilien – Region Brüssel-Hauptstadt – Steuer zulasten von Eigentümern“
Schlussanträge der Generalanwältin C. Stix-Hackl vom 29. Juni 2006
Urteil des Gerichtshofs (Erste Kammer) vom 22. März 2007
Leitsätze des Urteils
1. Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften – Steuerbefreiung der Gemeinschaften – Direkte Steuern – Begriff
(Protokoll über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften, Art. 3 Abs. 1; Richtlinie 77/799 des Rates, Art. 1 Abs. 2)
2. Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften – Steuerbefreiung der Gemeinschaften – Direkte Steuern
(Protokoll über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften, Art. 3 Abs. 1)
1. Das Protokoll über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften enthält zwar keine Definition des Begriffs „direkte Steuern“, und es gibt insoweit zum Protokoll keine Durchführungsbestimmungen, doch liefert die Richtlinie 77/799 über die gegenseitige Amtshilfe zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten Steuern bestimmte Anhaltspunkte. Diese Richtlinie, deren Geltungsbereich vor der Änderung durch die Richtlinie 79/1070 auf direkte Steuern beschränkt war, definierte in ihrem Art. 1 Abs. 2 die Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und fasste unter diesen Begriff, unabhängig von der Erhebungsform, alle Steuern, die vom Gesamtvermögen oder von Teilen des Vermögens erhoben werden.
Folglich handelt es sich bei einer regionalen Steuer, die Inhaber dinglicher Rechte an Immobilien betrifft und unmittelbar von Personen in Abhängigkeit von deren Vermögen oder vermögenswerten dinglichen Rechten erhoben wird, um eine direkte Steuer im Sinne von Art. 3 Abs. 1 des Protokolls, denn sie könnte als Steuer von einem Teil des Vermögens im Sinne der Richtlinie 77/799 angesehen werden. Ferner sind die Merkmale der regionalen Steuer nach sämtlichen ihr unterliegenden Personen zu bestimmen, also nach den natürlichen und juristischen Personen, von denen sie erhoben wird, und nicht nach den finanziellen Auswirkungen, die sie etwa mittelbar auf die Gemeinschaften hat.
(vgl. Randnrn. 44-46)
2. Es steht zwar fest, dass Art. 3 Abs. 1 des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften die Gemeinschaften von den direkten Steuern befreit, doch sieht diese Bestimmung keine solche Befreiung zugunsten ihrer Vertragspartner vor. Zudem enthält diese Bestimmung keine Regelung über die wirtschaftliche Abwälzung der direkten Steuern, denen diese Vertragspartner unterliegen. Daher können die Kommission und der Rat die Abwälzung einer in einem Mitgliedstaat erhobenen regionalen Steuer nicht auf der Grundlage von Art. 3 Abs. 1 des Protokolls angreifen.
Diese Abwälzung entspricht nämlich, wenn sie im Wege einer im Mietvertrag enthaltenen Klausel erfolgt, notwendig dem Willen der Vertragsparteien, da es unter deren Vertragsfreiheit fällt, eine solche Klausel in den Vertrag aufzunehmen. Außerdem fällt die Abwälzung der genannten Steuer auch dann unter die Vertragsfreiheit der Parteien, wenn sie in Form einer Mieterhöhung erfolgt, denn die Gestaltung des Vertragsinhalts einschließlich der Festlegung eines Vertragsbestandteils wie der Höhe der Miete setzt ebenfalls deren Zustimmung voraus. In diesem Fall würde die von den Eigentümern erhobene Steuer im Übrigen von ihnen nicht notwendig stets ohne Weiteres und in vollem Umfang auf die Mieter abgewälzt.
(vgl. Randnrn. 50-51)
URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)
22. März 2007(*)
„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Protokoll über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften – Von den Gemeinschaften angemietete Immobilien – Region Brüssel-Hauptstadt – Steuer zu Lasten von Eigentümern“
In der Rechtssache C‑437/04
betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 226 EG, eingereicht am 15. Oktober 2004,
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch J.‑F. Pasquier als Bevollmächtigten, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin,
unterstützt durch
Rat der Europäischen Union, vertreten durch G. Maganza und A.‑M. Colaert als Bevollmächtigte,
Streithelfer,
gegen
Königreich Belgien, vertreten durch E. Dominkovits als Bevollmächtigte,
Beklagter,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann sowie der Richter K. Lenaerts, E. Juhász (Berichterstatter), J. N. Cunha Rodrigues und M. Ilešič,
Generalanwältin: C. Stix-Hackl,
Kanzler: R. Grass,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 29. Juni 2006
folgendes
Urteil
1 Mit ihrer Klage beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften die Feststellung, dass das Königreich Belgien durch die Einführung einer Steuer (im Folgenden: regionale Steuer), die mit der Steuerbefreiung der Europäischen Gemeinschaften unvereinbar ist, gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 3 des Protokolls vom 8. April 1965 über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften verstoßen hat; dieses Protokoll war ursprünglich dem Vertrag zur Einsetzung eines gemeinsamen Rates und einer gemeinsamen Kommission der Europäischen Gemeinschaften (ABl. 1967, 152, S. 13) beigefügt und wurde dann durch den Vertrag von Amsterdam dem EG-Vertrag beigefügt (im Folgenden: Protokoll).
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
2 Gemäß Art. 28 Abs. 1 des Vertrags zur Einsetzung eines gemeinsamen Rates und einer gemeinsamen Kommission der Europäischen Gemeinschaften, und jetzt, seit dem Inkrafttreten des Vertrags von Amsterdam, gemäß Art. 291 EG sowie laut dem einzigen Erwägungsgrund des Protokolls genießt die Europäische Gemeinschaft im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten die zur Erfüllung ihrer Aufgabe erforderlichen Vorrechte und Befreiungen nach Maßgabe des Protokolls.
3 Artikel 3 des Protokolls bestimmt:
„Die Gemeinschaften, ihre Guthaben, Einkünfte und sonstigen Vermögensgegenstände sind von jeder direkten Steuer befreit.
Die Regierungen der Mitgliedstaaten treffen in allen Fällen, in denen es ihnen möglich ist, geeignete Maßnahmen für den Erlass oder die Erstattung des Betrages der indirekten Steuern und Verkaufsabgaben, die in den Preisen für bewegliche oder unbewegliche Güter inbegriffen sind, wenn die Gemeinschaften für ihren Dienstbedarf größere Einkäufe tätigen, bei denen derartige Steuern und Abgaben im Preis enthalten sind. Die Durchführung dieser Maßnahmen darf jedoch den Wettbewerb innerhalb der Gemeinschaften nicht verfälschen.
Von den Abgaben, die lediglich die Vergütung für Leistungen gemeinnütziger Versorgungsbetriebe darstellen, wird keine Befreiung gewährt.“
4 Artikel 13 des Protokolls lautet:
„Von den Gehältern, Löhnen und anderen Bezügen, welche die Gemeinschaften ihren Beamten und sonstigen Bediensteten zahlen, wird zugunsten der Gemeinschaften eine Steuer gemäß den Bestimmungen und dem Verfahren erhoben, die vom Rat auf Vorschlag der Kommission festgelegt werden.
Die Beamten und sonstigen Bediensteten sind von innerstaatlichen Steuern auf die von den Gemeinschaften gezahlten Gehälter, Löhne und Bezüge befreit.“
5 Artikel 19 des Protokolls sieht vor:
„Bei der Anwendung dieses Protokolls handeln die Organe der Gemeinschaften und die verantwortlichen Behörden der beteiligten Mitgliedstaaten im gegenseitigen Einvernehmen.“
Nationales Recht
6 Art. 2 der Ordonnance der Region Brüssel-Hauptstadt vom 23. Juli 1992 über die regionale Steuer zu Lasten der Nutzer bebauter Grundstücke und der Inhaber dinglicher Rechte an bestimmten Immobilien (Ordonnance du 23 juillet 1992 relative à la taxe régionale à charge des occupants d’immeubles bâtis et de titulaires de droits réels sur certains immeubles de la Région de Bruxelles-Capitale, Moniteur belge vom 1. August 1992, S. 17334, im Folgenden: regionale Verordnung) sieht vor:
„Ab dem Steuerjahr 1993 wird zu Lasten der Nutzer von im Gebiet der Region Brüssel-Hauptstadt gelegenen bebauten Grundstücken und der Inhaber dinglicher Rechte an nicht zum Bewohnen bestimmten Immobilien eine jährliche Steuer erhoben; Grundlage der Besteuerung sind die am 1. Januar des Besteuerungszeitraums bestehenden Verhältnisse.“
7 Art. 3 § 1 der regionalen Verordnung sieht vor:
„Die [regionale] Steuer ist zu entrichten:
a) von jedem Haushaltsvorstand, der ein im Gebiet der Region Brüssel-Hauptstadt gelegenes bebautes Grundstück ganz oder teilweise als ersten oder zweiten Wohnsitz nutzt …
b) von jedem, der ein im Gebiet der Region Brüssel-Hauptstadt gelegenes bebautes Grundstück ganz oder teilweise nutzt und dort für eigene Rechnung mit oder ohne Gewinnerzielungsabsicht eine Tätigkeit einschließlich eines freien Berufs ausübt, und von jeder juristischen Person oder nicht rechtsfähigen Vereinigung, die dort ihren Geschäfts-, Verwaltungs-, Betriebs- oder Firmensitz hat …
c) vom Volleigentümer oder in Ermangelung eines solchen vom Erbpächter, Nießbraucher oder Inhaber des Nutzungsrechts eines im Gebiet der Region Brüssel-Hauptstadt gelegenen und nicht zur Nutzung im Sinne von Buchstabe a bestimmten bebauten Grundstücks oder eines Teils davon.“
8 Nach Art. 8 § 1 Abs. 1 der regionalen Verordnung beträgt die von den Steuerpflichtigen im Sinne des Art. 3 § 1 Buchst. c für ein bebautes Grundstück zu entrichtende regionale Steuer 6,36 Euro für jeden Quadratmeter Geschossfläche, der 300 oder, wenn es sich um für gewerbliche oder handwerkliche Tätigkeiten bestimmte Flächen handelt, 2 500 Quadratmeter übersteigt, höchstens aber 14 % des indexierten Katastraleinheitswerts der der Steuer unterliegenden Flächen der Immobilie oder des Teils davon.
Vorverfahren
9 Die Gemeinschaft und die SA Vita (im Folgenden: Vita), deren Rechte und Pflichten auf die SA Zurich übergegangen sind, schlossen am 3. Februar 1988 einen Mietvertrag über eine Immobilie in Ixelles (eine Gemeinde der Region Brüssel-Hauptstadt, Belgien). Dieser Vertrag sieht vor, dass ab seinem Inkrafttreten alle anderen Abgaben derselben Art, gleich welcher Natur, die die gemietete Immobilie zugunsten einer öffentlichen Behörde belasten, und alle anderen Abgaben derselben Art vom Mieter getragen werden, außer wenn dieser aufgrund seines spezifischen Status, der u. a. in Art. 3 des Protokolls geregelt ist, bei der zuständigen öffentlichen Behörde eine Freistellung des Vermieters erwirkt.
10 Auf der Grundlage der regionalen Verordnung erhob die Region Brüssel-Hauptstadt von Vita mehrere Beträge, die der regionalen Steuer für die Jahre 1992 bis 1997 entsprechen. Die Gemeinschaft, vertreten durch die Kommission, wies die Aufforderungen von Vita zurück, ihr diese Beträge zu erstatten. Vita brachte den Rechtsstreit vor den Friedensrichter des ersten Kantons von Ixelles, der die Gemeinschaft mit Entscheidung vom 26. Mai 1998 verurteilte, an Vita 20 000 277 BEF und 290 211 BEF zu zahlen. Nach Zurückweisung ihrer Berufung durch das Tribunal de première instance de Bruxelles legte die Gemeinschaft gegen die Berufungsentscheidung Kassationsbeschwerde ein, die jedoch durch Urteil der Cour de cassation vom 1. März 2002 zurückgewiesen wurde.
11 Die Cour de cassation erachtete es im Rahmen dieses Verfahrens nicht als notwendig, dem Gerichtshof die von der Kommission vorgeschlagene Vorabentscheidungsfrage vorzulegen, ob Artikel 28 des Vertrags zur Einsetzung eines gemeinsamen Rates und einer gemeinsamen Kommission der Europäischen Gemeinschaften und Art. 3 des Protokolls, beide möglicherweise in Verbindung mit Art. 23 des Wiener Übereinkommens vom 18. April 1961 über diplomatische Beziehungen (im Folgenden: Wiener Übereinkommen), so ausgelegt werden müssen, dass sie der Verabschiedung eines Gesetzes oder einer anderen nationalen Regelung entgegenstehen, die eine direkte Steuer vorsehen, die dem Anschein nach jene Personen, die mit einer juristischen Person des Völkerrechts (darunter die Europäische Gemeinschaft) einen Vertrag abschließen, betrifft, in Wahrheit aber notwendigerweise bezweckt oder bewirkt, dass die tatsächliche Belastung von juristischen Personen des Völkerrechts (darunter die Europäische Gemeinschaft) getragen oder auf diese abgewälzt wird.
12 Mit Mahnschreiben vom 2. April 2003 leitete die Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gemäß Artikel 226 EG ein und forderte das Königreich Belgien auf, zu dem Vorwurf eines Verstoßes gegen seine Verpflichtungen aus Art. 3 des Protokolls Stellung zu nehmen.
13 Die belgischen Stellen antworteten am 3. Juni 2003, die regionale Steuer betreffe weder unmittelbar noch mittelbar internationale Institutionen, sondern alle Eigentümer von nicht zum Bewohnen bestimmten bebauten Immobilien ab einer bestimmten Fläche. Die Region Brüssel-Hauptstadt habe folglich den Grundsatz der Erfüllung der Verträge nach Treu und Glauben nicht verletzt.
14 Am 16. Dezember 2003 forderte die Kommission das Königreich Belgien in einer mit Gründen versehenen Stellungnahme auf, dieser binnen zwei Monaten nach deren Erhalt nachzukommen. Mit Schreiben vom 30. Juli 2004 antworteten die belgischen Stellen, dass das Königreich Belgien seinen Standpunkt aufrechterhalte.
15 Daraufhin hat die Kommission die vorliegende Klage erhoben.
16 Durch Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 6. April 2005 ist der Rat als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen worden.
Zur Klage
Vorbringen der Verfahrensbeteiligten
17 Die Kommission und der Rat tragen vor, die fragliche Regelung verstoße gegen die Steuerbefreiung der Gemeinschaften. Diese Steuerbefreiung, die in Art. 28 des Vertrags zur Einsetzung eines gemeinsamen Rates und einer gemeinsamen Kommission der Europäischen Gemeinschaften vorgesehen und in Art. 3 des Protokolls geregelt sei, stehe den Wirkungen der streitigen regionalen Verordnung entgegen.
18 Die regionale Verordnung ermögliche es, die Steuerbefreiung der Gemeinschaften dadurch zu umgehen, dass diese als Mieter mittelbar mit einer Steuer belastet würden, deren unmittelbare Erhebung die Steuerbefreiung verwehre. Der Wille des nationalen Gesetzgebers ergebe sich sowohl aus Art. 3 Abs. 1 der regionalen Verordnung, der die der regionalen Steuer unterliegenden Steuerpflichtigen bestimme, als auch aus den Gesetzesmaterialien der regionalen Verordnung.
19 Während nämlich die frühere Regelung nur die Nutzer erfasst habe, sei durch die regionale Verordnung eine zusätzliche Steuer eingeführt worden, der die Eigentümer von zu gewerblichen Tätigkeiten bestimmten Immobilien ab einer bestimmten Fläche unterlägen. Damit werde jedoch weiterhin die Nutzung der Immobilie besteuert, denn dass letztlich der Nutzer zahle, werde dadurch gewährleistet, dass der steuerpflichtige Eigentümer diese Steuer auf seinen Mieter abwälze.
20 Die Kommission hält es für aufschlussreich, dass die Steuerbefreiungen, die dem Eigentümer einer solchen Immobilie zugute kommen könnten, von der Nutzereigenschaft abhingen. So sei, wenn für den Nutzer eine Steuerbefreiung bestehe, dies auch für den Eigentümer vorgesehen. Daraus, dass die Steuerbefreiung allein auf die Nutzereigenschaft abstelle, folgt auch für den Rat, dass die Regelung in Wirklichkeit auf eine Besteuerung der Nutzer von Immobilien abziele.
21 Die Kommission verweist in diesem Zusammenhang auf die Angaben des Ministers für die Finanzen, den Haushalt und den öffentlichen Dienst der Region Brüssel-Hauptstadt, der ausgeführt habe, dass der öffentliche Sektor, einschließlich der internationalen Einrichtungen, ebenfalls zu der neuen Steuer beitrage, was vorher nicht möglich gewesen sei. Ziel der Einführung dieser Steuer sei es also gewesen, den Steuerertrag zu erhöhen, und zwar insbesondere durch die Besteuerung von Immobilien, für die bis dahin keine Steuer erhoben worden sei, weil sie von unter eine Steuerbefreiung fallenden Personen oder Einrichtungen genutzt worden seien.
22 Der Rat macht überdies geltend, dass die Gemeinschaften im Gegensatz zu Mietern aus der Privatwirtschaft die Miete und etwaige Kosten nicht von der Steuer absetzen könnten, so dass diese für die Gemeinschaften eine vergleichsweise hohe Belastung darstellten. Zugleich sei die Vermietung von Immobilien an die Gemeinschaften für das Königreich Belgien steuerlich besonders vorteilhaft, da der Staat die vom Vermieter eingenommenen Mieten besteuere, ohne dem Mieter steuerliche Absetzmöglichkeiten gewähren zu müssen.
23 Zu Art. 23 des Wiener Übereinkommens weist der Rat darauf hin, dass dieser Artikel nur eine minimale Fassung der Steuerbefreiung zum Ausdruck bringe und dass Art. 3 des Protokolls davon abweiche. Zudem sei im Zusammenhang mit einer internationalen Organisation institutioneller Art eine weite Anwendung des Grundsatzes der Steuerbefreiung gerechtfertigt, wenn nicht sogar geboten. Die Vorrechte und Befreiungen der Gemeinschaften hätten funktionalen Charakter und sollten eine Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit und der Unabhängigkeit der Gemeinschaften verhindern. Als die Funktionsfähigkeit der Gemeinschaften beeinträchtigend sei jede Maßnahme anzusehen, die die Bereitstellung der Mittel für die Erfüllung ihrer Aufgaben gefährde.
24 Nach Auffassung der Kommission und des Rates lässt sich im Fall der regionalen Steuer durch die Besteuerung des Nutzers oder des Eigentümers das gleiche Ergebnis erzielen. Der regionale Gesetzgeber hätte bei seiner Wahl des Steuerpflichtigen seine Verpflichtung zur loyalen Zusammenarbeit mit den Gemeinschaften beachten müssen, deren Mittel nicht dazu herangezogen werden dürften, die Einnahmen des Aufnahmestaats zu sanieren. Es gelte nämlich zu verhindern, dass ein Mitgliedstaat, in dem die Gemeinschaften einen Sitz hätten, gegenüber den anderen Mitgliedstaaten ungerechtfertigte Vorteile erziele. Zumindest hätte der Fall der zur Nutzung durch die Gemeinschaften bestimmten Immobilien zu den Fällen der Befreiung hinzugefügt werden müssen, die in der regionalen Verordnung zugunsten der Eigentümer vorgesehen seien.
25 Die belgische Regierung trägt vor, da die Europäischen Gemeinschaften gemäß dem Protokoll sowohl als Nutzer als auch als Eigentümer oder Vermieter von der regionalen Steuer befreit seien, seien sie aus dem Anwendungsbereich der regionalen Verordnung ausgenommen. Es könne folglich nicht von einer Steuerpflichtigkeit der Gemeinschaften gesprochen werden.
26 Die regionale Steuer verstoße nicht gegen den Grundsatz der Erfüllung der Verträge nach Treu und Glauben, da sie nicht gegen die Steuerbefreiung der Gemeinschaften verstoße. Die in Rede stehende etwaige Verpflichtung zur Zahlung sei nämlich nicht steuerrechtlicher Natur, sondern ergebe sich aus einem mit dem steuerpflichtigen Eigentümer geschlossenen Vertrag. Überdies habe die Cour de cassation entschieden, dass diese Abwälzung auf einem privatrechtlichen Vertrag beruhe und dass es unverhältnismäßig wäre, wenn eine internationale Organisation die Befreiung von einem Teil der Miete, der auf eine allgemeine Steuererhöhung zurückzuführen sei, verlangen könnte.
27 Nach Art. 23 Abs. 2 des Wiener Übereinkommens gelte die Steuerbefreiung nicht, wenn der Entsendestaat Mieter sei und die Steuerpflicht dem Vermieter obliege. Die in dem Protokoll vorgesehene Steuerbefreiung, die an dieses Übereinkommen angelehnt und nach dem allgemeinen Völkerrecht auszulegen sei, könne nicht gegen die auf der Grundlage einer Vertragsklausel erfolgte Übertragung der Steuerlast angeführt werden.
28 Die Steuerbefreiung der internationalen Organisationen ziele nicht darauf ab, deren Mietkosten zu verringern, sondern bringe lediglich zum Ausdruck, dass sie als Personen des Völkerrechts nicht besteuert werden könnten. Die fragliche Region ziehe aus der Präsenz der internationalen Organisationen keinen Vorteil, denn die regionale Steuer sei vom Eigentümer, und nur von diesem, zu zahlen, gleich ob die Immobilie an ein Gemeinschaftsorgan, an einen Privaten oder gar nicht vermietet sei. Dagegen würde eine Steuerbefreiung in diesem Fall gegen die Gleichbehandlung der Eigentümer verstoßen, da Eigentümer, die ihre Immobilien an die Gemeinschaften vermieteten, gegenüber den anderen Eigentümern bevorteilt wären.
29 Zu der von der Kommission angeführten Rechtsprechung trägt die belgische Regierung vor, der Gerichtshof habe sich zu der geltend gemachten Steuerbefreiung der Gemeinschaften noch nie im Fall einer Steuer geäußert, die vom Eigentümer eines an ein Gemeinschaftsorgan vermieteten Gegenstands erhoben und auf die Miete abgewälzt werde. Jedoch bekräftige die Rechtsprechung allgemein, dass die Vorrechte und Befreiungen der Gemeinschaften insofern rein funktionalen Charakter besäßen, als sie eine Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit und der Unabhängigkeit der Gemeinschaften verhindern sollten. Im Übrigen habe die Kommission nicht dargetan, inwiefern die streitige Steuer für die Funktionsfähigkeit und die Unabhängigkeit der Gemeinschaften ein Hindernis darstellen könnte, und die Zahlung eines Mietaufschlags durch die europäischen Organe könne nicht als Maßnahme angesehen werden, die die Bereitstellung der Mittel für die Erfüllung ihrer Aufgaben gefährde.
30 Zur Rechtsprechung zu Art. 13 des Protokolls behaupte die Kommission, dass sie auf Artikel 3 des Protokolls übertragbar sei, ohne allerdings zu erläutern, worin der Zusammenhang zwischen diesen beiden Bestimmungen bestehe oder inwiefern ihr Zweck und ihr materieller und persönlicher Anwendungsbereich unterschiedlich sei. Dagegen habe der Gerichtshof ausdrücklich zwischen der Rechtsprechung zu Art. 13 und der zu Art. 3 des Protokolls unterschieden.
31 Überdies lasse die Kommission in ihrem Bestreben, der regionalen Steuer zu entgehen, auch den in Art. 10 EG enthaltenen Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit außer Acht, der nicht nur die Mitgliedstaaten dazu verpflichte, alle geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, um die Geltung und die Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts zu gewährleisten, sondern auch den Gemeinschaftsorganen entsprechende Pflichten zur loyalen Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten auferlege.
Würdigung durch den Gerichtshof
32 Zunächst ist der Rahmen der vorliegenden Rechtssache zu bestimmen.
33 Zu dem von den Parteien angeführten Art. 23 des Wiener Übereinkommens ist daran zu erinnern, dass dieses Übereinkommen ein völkerrechtliches Abkommen ist, das die Mitgliedstaaten und Drittstaaten im Rahmen ihrer Zuständigkeit für ihre diplomatischen Beziehungen untereinander geschlossen haben. Es betrifft grundsätzlich die bilateralen Beziehungen zwischen Staaten und nicht die Beziehungen zwischen der Gemeinschaft, die im Übrigen nicht selbst Partei dieses Übereinkommens ist, und dem Sitzstaat eines Gemeinschaftsorgans, hier dem Königreich Belgien.
34 Jedenfalls ist das Wiener Übereinkommen, wie die Generalanwältin in den Nummern 35 bis 37 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, auch wenn die Gemeinschaft ihre Befugnisse unter Beachtung des Völkerrechts ausüben muss (Urteil vom 24. November 1992, Poulsen und Diva Navigation, C‑286/90, Slg. 1992, I‑6019, Randnr. 9), in der vorliegenden Rechtssache nicht von maßgeblicher Bedeutung.
35 Die Steuerbefreiung der Gemeinschaften, die im Rahmen des Gemeinschaftsrechts auszulegen ist, wird in ihrer Tragweite in erster Linie durch Artikel 3 des Protokolls bestimmt, der auf die Merkmale der Gemeinschaften zugeschnitten ist.
36 Art. 3 des Protokolls enthält zwei Befreiungsregelungen, eine für direkte und eine für indirekte Steuern. Art. 3 Abs. 1 des Protokolls betrifft die Befreiung der Gemeinschaften von den direkten Steuern, während Abs. 2 sich auf die indirekten Steuern und Abgaben bezieht.
37 Die Befreiung nach der Regelung über die direkten Steuern ist unbedingt und allgemein, denn die Gemeinschaften sowie ihre Guthaben, Einkünfte und sonstigen Vermögensgegenstände sind von jeder direkten Besteuerung auf nationaler Ebene befreit. Dagegen ist die Befreiung nach der Regelung über die indirekten Steuern und Abgaben begrenzt und bedingt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. Oktober 2006, Europäische Gemeinschaft, C‑199/05, Slg. 2006, I‑0000, Randnr. 31).
38 Da dieser Regelungsunterschied von wesentlicher Bedeutung für die Beurteilung einer Steuerbefreiung ist, gilt es zu klären, welche der beiden Regelungen in einem Rechtsstreit über eine Steuerbefreiung zur Anwendung kommt.
39 Zudem muss die Kommission in einem Vertragsverletzungsverfahren bereits im Laufe des Vorverfahrens genau angeben, welche Bestimmung der Verpflichtung zugrunde liegt, deren Nichteinhaltung dem Mitgliedstaat vorgeworfen wird. Diese Pflicht der Kommission ergibt sich insbesondere aus zwei Erfordernissen, nämlich dem der Wahrung der Verteidigungsrechte des an einem solchen Verfahren beteiligten Mitgliedstaats und dem einer eindeutigen Eingrenzung des Streitgegenstands.
40 Das Vorverfahren soll dem betroffenen Mitgliedstaat nämlich u. a. Gelegenheit geben, sich gegen die Rügen der Kommission wirksam zu verteidigen (Urteile vom 15. Januar 2002, Kommission/Italien, C‑439/99, Slg. 2002, I‑305, Randnr. 10, und vom 24. Juni 2004, Kommission/Niederlande, C‑350/02, Slg. 2004, I‑6213, Randnr. 18), und gewährleisten, dass ein etwaiges streitiges Verfahren einen eindeutig festgelegten Streitgegenstand hat (Urteile vom 20. Juni 2002, Kommission/Deutschland, C‑287/00, Slg. 2002, I‑5811, Randnr. 17, und Kommission/Niederlande, Randnr. 19).
41 Zum Streitgegenstand der vorliegenden Rechtssache ist festzustellen, dass die Kommission bei der Bezugnahme auf Art. 3 des Protokolls in ihrer mit Gründen versehenen Stellungnahme wie auch in der Klageschrift nicht angegeben hat, auf welchen der drei Absätze dieses Artikels sie ihr Vorgehen stützt. Die mit Gründen versehene Stellungnahme und die Klageschrift enthalten jedoch, auch wenn die Kommission die Rechtsgrundlage der Verpflichtung, die das Königreich Belgien nicht eingehalten haben soll, nicht ausdrücklich angibt, Anhaltspunkte, aus denen sich die Grundlage ihrer Anträge eindeutig ableiten lässt.
42 Erstens ist offensichtlich, dass Art. 3 Abs. 3 des Protokolls nicht als Grundlage für eine Steuerbefreiung dienen kann. Zweitens hat die Kommission weder in der mit Gründen versehenen Stellungnahme noch in ihrer Klageschrift Konkretes dazu vorgetragen, worin der Verstoß des Königreichs Belgien gegen seine Verpflichtungen aus Art. 3 Abs. 2 des Protokolls bestehen soll. Dagegen hatte sie im Verfahren vor der Cour de cassation, wie oben aus Randnr. 11 hervorgeht, vorgeschlagen, dem Gerichtshof die Frage vorzulegen, ob die Steuerbefreiung der Gemeinschaften der Einführung einer direkten Steuer wie der regionalen Steuer entgegensteht.
43 Daraus, dass die Kommission in ihrer mit Gründen versehenen Stellungnahme und in ihrer Klageschrift den an die Cour de cassation gerichteten Antrag, in dem sie die regionale Steuer eindeutig als „direkte Steuer“ einstuft, aufgreift und zitiert, ergibt sich, dass der von der Kommission vorgetragene Vorwurf im Zusammenhang mit der Befreiungsregelung für die direkten Steuern steht.
44 Im Übrigen enthält zwar das Protokoll keine Definition des Begriffs „direkte Steuern“, und es gibt insoweit zum Protokoll keine Durchführungsbestimmungen, doch liefert die Richtlinie 77/799/EWG des Rates vom 19. Dezember 1977 über die gegenseitige Amtshilfe zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten Steuern (ABl. L 336, S. 15) bestimmte Anhaltspunkte. Diese Richtlinie, deren Geltungsbereich vor der Änderung durch die Richtlinie 79/1070/EWG des Rates vom 6. Dezember 1979 (ABl. L 331, S. 8) auf direkte Steuern beschränkt war, definierte in ihrem Art. 1 Abs. 2 die Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und fasste unter diesen Begriff, unabhängig von der Erhebungsform, alle Steuern, die vom Gesamtvermögen oder von Teilen des Vermögens erhoben werden. Hinsichtlich der Steuer, die nach Auffassung der Kommission und des Rates den Gemeinschaften aufgebürdet wird, ist unstreitig, dass sie auf Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der regionalen Verordnung beruht und Inhaber dinglicher Rechte an Immobilien betrifft. Da diese Steuer unmittelbar von Personen erhoben wird und von deren Vermögen oder vermögenswerten dinglichen Rechten abhängt, könnte sie als Steuer von einem Teil des Vermögens im Sinne der Richtlinie 77/799 angesehen werden.
45 Zu Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der regionalen Verordnung ist ferner daran zu erinnern, dass die Merkmale der regionalen Steuer nach sämtlichen ihr unterliegenden Personen zu bestimmen sind, also nach den natürlichen und juristischen Personen, von denen sie erhoben wird, und nicht nach den finanziellen Auswirkungen, die sie etwa mittelbar auf die Gemeinschaften hat.
46 Folglich handelt es sich bei der fraglichen regionalen Steuer um eine direkte Steuer, und die Klage der Kommission ist im Kontext des Art. 3 Abs. 1 des Protokolls zu beurteilen.
47 Es besteht kein Zweifel, dass die Gemeinschaften nach Art. 3 Abs. 1 des Protokolls von der durch die regionale Verordnung eingeführten Steuer sowohl als Nutzer als auch als Eigentümer oder Vermieter von Immobilien befreit sind. Sie dürfen daher im Geltungsbereich der regionalen Verordnung nicht als Steuerpflichtige behandelt werden.
48 Die Kommission und der Rat machen jedoch geltend, dass die fragliche Regelung dem Grundsatz der Steuerbefreiung widerspreche, denn obwohl sie die Gemeinschaften nicht ausdrücklich mit einer Steuer belaste, bezwecke oder bewirke sie doch, zwar nur mittelbar, aber dennoch zwangsläufig, dass die Gemeinschaften die fragliche Steuer zu tragen hätten. Unter Verletzung dieser Steuerbefreiung ziehe der Verordnungsgeber die Gemeinschaften zu einer Abgabe heran, und zwar mit Hilfe von Vertragsklauseln, die die Belastung mit den von den Eigentümern von Immobilien erhobenen Steuern allgemein und systematisch auf die Gemeinschaften verlagerten, sofern sie die Mieter dieser Immobilien seien, oder im Wege einer bloßen Abwälzung der Steuer auf die Miete.
49 Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden.
50 Es steht zwar fest, dass Art. 3 Abs. 1 des Protokolls die Gemeinschaften von den direkten Steuern befreit, doch sieht diese Bestimmung keine solche Befreiung zugunsten ihrer Vertragspartner vor. Zudem enthält diese Bestimmung keine Regelung über die wirtschaftliche Abwälzung der direkten Steuern, denen diese Vertragspartner unterliegen. Daher können die Kommission und der Rat die Abwälzung der regionalen Steuer nicht auf der Grundlage von Art. 3 Abs. 1 des Protokolls angreifen.
51 Diese Abwälzung entspricht nämlich, wenn sie im Wege einer im Mietvertrag enthaltenen Klausel erfolgt, notwendig dem Willen der Vertragsparteien, da es unter deren Vertragsfreiheit fällt, eine solche Klausel in den Vertrag aufzunehmen. Außerdem fällt die Abwälzung der regionalen Steuer auch dann unter die Vertragsfreiheit der Parteien, wenn sie in Form einer Mieterhöhung erfolgt, denn die Gestaltung des Vertragsinhalts einschließlich der Festlegung eines Vertragsbestandteils wie der Höhe der Miete setzt deren Zustimmung voraus. In diesem Fall würde die von den Eigentümern erhobene regionale Steuer im Übrigen von ihnen nicht notwendig stets ohne weiteres und in vollem Umfang auf die Mieter abgewälzt.
52 Zwar kann es auf dem Mietmarkt für Immobilien eine Situation geben, in der die Gemeinschaft veranlasst oder gar gezwungen ist, eine solche Vertragsklausel zu akzeptieren oder eine Miete zu zahlen, die die Belastung ihres Vertragspartners ausgleicht oder verringert.
53 Eine solche Marktsituation kann aber keine Steuerbefreiung begründen, da diese auf einem Akt des Völkerrechts, des Gemeinschaftsrechts oder des nationalen Rechts beruhen muss.
54 Überdies könnte, falls man der Argumentation der Kommission und des Rates folgen würde, dadurch die Abgrenzung zwischen den Sachverhalten, die der Steuerbefreiung unterliegen, und jenen, die der Steuerbefreiung nicht unterliegen, verwischt werden, da damit Anträgen auf Befreiung von direkten Steuern jeder Art, einschließlich der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer, Tür und Tor geöffnet würde.
55 Diese Auslegung von Art. 3 Abs. 1 des Protokolls, wonach diese Bestimmung nicht als Grundlage für eine Befreiung von der regionalen Steuer herangezogen werden kann, wird entgegen dem Vorbringen der Kommission und des Rates weder durch den Zweck der Steuerbefreiung der Gemeinschaften noch durch die Umstände, unter denen die regionale Steuer eingeführt wurde, entkräftet.
56 Bezüglich des Zwecks der Steuerbefreiung ist daran zu erinnern, dass sie auf dem Erfordernis beruht, die Unabhängigkeit der Gemeinschaften gegenüber den Mitgliedstaaten und ihr ordnungsgemäßes Funktionieren zu gewährleisten (Urteil vom 28. März 1996, AGF Belgium, C‑191/94, Slg. 1996, I‑1859, Randnr. 19). Auch für den Fall, dass die Befreiung der Vertragspartner von der regionalen Steuer einen finanziellen Vorteil zugunsten der Gemeinschaften darstellen sollte, ist jedoch festzustellen, dass die Kommission keinen überzeugenden Gesichtspunkt dafür vorgetragen hat, dass die Abwälzung dieser Steuer auf sie die Unabhängigkeit der Gemeinschaften beeinträchtigen oder deren ordnungsgemäßes Funktionieren behindern könnte (Urteil Europäische Gemeinschaft, Randnr. 43). Überdies darf die Auslegung einer Bestimmung im Licht ihres Zwecks nicht dazu führen, dem klaren und unmissverständlichen Wortlaut dieser Bestimmung jede praktische Wirksamkeit zu nehmen (vgl. in diesem Sinne Urteil Europäische Gemeinschaft, Randnr. 42, und zu den Vorrechten und Befreiungen der Europäischen Zentralbank Urteil vom 8. Dezember 2005, EZB/Deutschland, C‑220/03, Slg. 2005, I‑10595, Randnr. 31).
57 Hinsichtlich der Umstände, unter denen die regionale Steuer eingeführt wurde, besteht kein Zweifel daran, dass der regionale Gesetzgeber eine Erhöhung der Steuereinnahmen anstrebte. Insoweit ist an die ständige Rechtsprechung zu erinnern, dass die Mitgliedstaaten zwar für die direkten Steuern zuständig sind, aber ihre Befugnisse unter Wahrung des Gemeinschaftsrechts ausüben müssen (Urteile vom 26. Oktober 2006, Kommission/Portugal, C‑345/05, Slg. 2006, I‑0000, Randnr. 10, und vom 14. November 2006, Kerckhaert und Morres, C‑513/04, Slg. 2006, I‑0000, Randnr. 15). Solange das Gemeinschaftsrecht gewahrt ist, können also die Mitgliedstaaten im Rahmen dieser Zuständigkeit neue Steuern einführen, den Kreis der Steuerpflichtigen ändern und andere Befreiungen als in einer entsprechenden früheren Regelung vorsehen oder den Steuersatz erhöhen.
58 Dieses Ergebnis wird nicht dadurch entkräftet, dass der zuständige Minister der Region Brüssel-Hauptstadt in der Erörterung beim Erlass der regionalen Verordnung die Wahrscheinlichkeit erwähnte, dass die durch diese Verordnung eingeführten Änderungen der früheren Regelung eine Situation herbeiführen würden, in der bestimmte Eigentümer von Immobilien diese Steuer insbesondere auf die von den Gemeinschaften gezahlte Miete würden abwälzen können. Wenn nämlich ein Mitgliedstaat seine Steuereinnahmen dadurch erhöht, dass er Personen, die als Vertragspartner der Gemeinschaften handeln könnten, in den Anwendungsbereich einer Steuer einbezieht, so kann man ihm dies nicht allein deshalb vorwerfen, weil diese Personen unter bestimmten Marktgegebenheiten in der Lage sein könnten, die fragliche Steuer ganz oder teilweise auf den Preis der den Gemeinschaften gelieferten Waren oder erbrachten Dienstleistungen aufzuschlagen.
59 Zudem ist darauf hinzuweisen, dass die regionale Steuer nach Art. 3 § 1 Buchst. c der regionalen Verordnung von den Eigentümern von Immobilien ab einer bestimmten Fläche erhoben wird und dass eine solche direkte Besteuerung, wie sie der regionale Gesetzgeber eingeführt hat, in den Mitgliedstaaten verbreitet ist.
60 Schließlich ist das Vorbringen der Kommission und des Rates zurückzuweisen, das diese zum einen aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Art. 13 des Protokolls herleiten, wonach die Steuerbefreiung vor Versuchen der Mitgliedstaaten geschützt worden sei, diesen Grundsatz unmittelbar oder mittelbar anzutasten (Urteile vom 24. Februar 1988, Kommission/Belgien, 260/86, Slg. 1988, 955, und vom 14. Oktober 1999, Vander Zwalmen und Massart, C‑229/98, Slg. 1999, I‑7113), und das sie zum anderen auf den Umstand stützen, dass die Gemeinschaften eine höhere finanzielle Belastung trügen als Mieter aus der Privatwirtschaft, die die Miete und die Kosten von der Steuer absetzen könnten.
61 Wie die belgische Regierung hervorhebt, betrifft diese Rechtsprechung nämlich die Auslegung der Bestimmungen des Protokolls, nach denen die Beamten und sonstigen Bediensteten der Gemeinschaften von innerstaatlichen Steuern auf die Gehälter, Löhne und Bezüge befreit sind. Diese Befreiung betrifft nur die Bediensteten der Gemeinschaften und solche nationalen Abgaben, die auf ihre Dienstbezüge erhoben werden können; diese unterliegen einer Gemeinschaftsteuer. Dagegen besteht in der vorliegenden Rechtssache keine Besteuerung auf Gemeinschaftsebene, und es geht außerdem nur um die Bestimmungen des Protokolls, die die Gemeinschaften selbst von jeder direkten Steuer befreien (vgl. in diesem Sinne Urteil AGF Belgium, Randnr. 14).
62 Zu der Möglichkeit körperschaftsteuerpflichtiger Personen, die Miete und die mit der Miete einer Immobilie verbundenen Kosten von der Besteuerungsgrundlage abzuziehen, ist festzustellen, dass dieses Vorbringen für den Ausgang des vorliegenden Verfahrens irrelevant ist, da die Gemeinschaftsorgane keine Gewinnerzielungsabsicht verfolgen und völlig anderer Natur sind als körperschaftsteuerpflichtige Unternehmen.
63 Nach alledem ist festzustellen, dass die Einführung der regionalen Steuer weder gegen den Wortlaut noch gegen die Zwecke des Art. 3 Abs. 1 des Protokolls verstößt.
64 Die Klage der Kommission ist daher abzuweisen.
Kosten
65 Nach Art. 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da das Königreich Belgien die Verurteilung der Kommission beantragt hat und diese mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen. Nach Art. 69 § 4 Abs. 1 der Verfahrensordnung trägt das Organ, das dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten ist, seine eigenen Kosten. Der Rat trägt daher als Streithelfer seine eigenen Kosten.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften trägt die Kosten.
3. Der Rat der Europäischen Union trägt seine eigenen Kosten.
Unterschriften
* Verfahrenssprache: Französisch.