EUR-Lex Access to European Union law

Back to EUR-Lex homepage

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 62003TJ0053

Urteil des Gerichts erster Instanz (Dritte Kammer) vom 8. Juli 2008.
BPB plc gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften.
Wettbewerb - Kartelle - Gipsplattenmarkt - Entscheidung, mit der eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 EG festgestellt wird - Einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung - Wiederholungsfall - Geldbuße - Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen - Mitteilung über Zusammenarbeit.
Rechtssache T-53/03.

Sammlung der Rechtsprechung 2008 II-01333

ECLI identifier: ECLI:EU:T:2008:254

Parteien
Entscheidungsgründe
Tenor

Parteien

In der Rechtssache T‑53/03

BPB plc mit Sitz in Slough (Vereinigtes Königreich), Prozessbevollmächtigte: T. Sharpe, QC, und A. Nourry, Solicitor,

Klägerin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch F. Castillo de la Torre als Bevollmächtigten im Beistand von J. Flynn, QC, und C. Kilroy, Barrister,

Beklagte,

wegen teilweiser Nichtigerklärung der Entscheidung 2005/471/EG der Kommission vom 27. November 2002 bezüglich eines Verfahrens zur Durchführung von Artikel 81 [EG] gegen: BPB plc, Gebrüder Knauf Westdeutsche Gipswerke KG, Société Lafarge SA, Gyproc Benelux NV (Sache COMP/E-1/37.152 – Gipsplatten) (ABl. 2005, L 166, S. 8), hilfsweise, Nichtigerklärung oder Herabsetzung der gegen die Klägerin verhängten Geldbuße

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten M. Jaeger, der Richterin V. Tiili und des Richters O. Czúcz,

Kanzler: K. Pocheć, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 24. Januar 2007

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe

Sachverhalt

1. Die BPB plc produziert und vertreibt Baustoffe auf Gipsbasis.

2. Aufgrund von Informationen, die ihr zur Kenntnis gelangt waren, nahm die Kommission am 25. November 1998 bei acht im Gipsplattenbereich tätigen Unternehmen unangekündigte Überprüfungen vor. Am 1. Juli 1999 setzte sie ihre Nachforschungen bei zwei weiteren Unternehmen fort.

3. Anschließend richtete die Kommission nach Art. 11 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln [81 EG] und [82 EG] (ABl. Nr. 13, S. 204), Auskunftsersuchen an die einzelnen Unternehmen, vier davon an die Klägerin. BPB antwortete darauf am 17. März 1999, 28. Oktober 1999, 18. Mai 2000 und 6. September 2002.

4. Am 18. April 2001 leitete die Kommission das Verfahren in der vorliegenden Sache ein und erließ eine Mitteilung der Beschwerdepunkte an die Klägerin sowie an die Unternehmen Gebrüder Knauf Westdeutsche Gipswerke KG (im Folgenden: Knauf), Société Lafarge SA (im Folgenden: Lafarge), Etex SA und Gyproc Benelux NV (im Folgenden: Gyproc). Die betroffenen Unternehmen nahmen schriftlich Stellung und erhielten mittels einer CD-ROM, die ihnen am 17. Mai 2001 zugesandt wurde, Einsicht in die Ermittlungsakte der Kommission.

5. Die Klägerin erwiderte am 8. Juli 2001 auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte.

6. Am 27. November 2002 erließ die Kommission die Entscheidung 2005/471/EG bezüglich eines Verfahrens zur Durchführung von Artikel 81 [EG] gegen BPB, Knauf, Lafarge und Gyproc (Sache COMP/E-1/37.152 – Gipsplatten) (ABl. 2005, L 166, S. 8, im Folgenden: angefochtene Entscheidung).

7. Der verfügende Teil der angefochtenen Entscheidung lautet:

„ Artikel 1

BPB …, der Knauf Konzern, … Lafarge … und Gyproc … haben gegen Artikel 81 Absatz 1 [EG] verstoßen, indem sie an einer Gesamtheit von Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen im Gipsplattensektor teilgenommen haben.

Die Zuwiderhandlung war von folgender Dauer:

– BPB …: spätestens ab 31. März 1992 bis 25. November 1998

– [der] Knauf [Konzern]: spätestens ab 31. März 1992 bis 25. November 1998

– … Lafarge …: spätestens ab 31. [August] 1992 bis 25. November 1998

– Gyproc …: spätestens ab 6. Juni 1996 bis 25. November 1998

Artikel 3

Wegen der in Artikel 1 genannten Zuwiderhandlung werden folgende Geldbußen gegen folgende Unternehmen festgesetzt:

– BPB …: 138,6 Mio. EUR,

– Knauf …: 85,8 Mio. EUR

– … Lafarge …: 249,6 Mio. EUR

– Gyproc …: 4,32 Mio. EUR

…“

8. Die Kommission geht in der angefochtenen Entscheidung davon aus, dass die betroffenen Unternehmen an einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung teilgenommen hätten, die in folgenden Vereinbarungen oder abgestimmten Verhaltensweisen ihren Ausdruck gefunden habe:

– 1992 hätten sich Vertreter von BPB und Knauf in London (Vereinigtes Königreich) getroffen und sich dafür ausgesprochen, die Gipsplattenmärkte Deutschlands, des Vereinigten Königreichs, Frankreichs und der Benelux-Staaten gemeinsam zu stabilisieren;

– 1992 hätten Vertreter von BPB und Knauf ein System zum Austausch von Informationen über ihre Verkaufsmengen auf den Märkten Deutschlands, des Vereinigten Königreichs, Frankreichs und der Benelux-Staaten eingeführt, dem Lafarge und später Gyproc beigetreten seien;

– die Vertreter von BPB, Knauf und Lafarge hätten einander mehrmals über geplante Preiserhöhungen auf dem Markt des Vereinigten Königreichs informiert;

– die Vertreter von BPB, Knauf, Lafarge und Gyproc hätten sich 1996 in Versailles (Frankreich), 1997 in Brüssel (Belgien) und 1998 in Den Haag (Niederlande) getroffen, um auf besondere Entwicklungen im deutschen Markt zu reagieren, den deutschen Markt aufzuteilen oder ihn zumindest zu stabilisieren;

– zwischen 1996 und 1998 hätten die Vertreter von BPB, Knauf, Lafarge und Gyproc einander informiert und mehrmals die Anwendung von Preiserhöhungen auf dem deutschen Markt abgesprochen.

9. Zur Berechnung der Höhe der Geldbuße wandte die Kommission das Verfahren an, das in den Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden (ABl. 1998, C 9, S. 3, im Folgenden: Leitlinien), festgelegt ist.

10. Bei der Festsetzung des nach Maßgabe der Schwere der Zuwiderhandlung ermittelten Ausgangsbetrags der Geldbuße ging die Kommission zunächst davon aus, dass die betreffenden Unternehmen eine ihrer Art nach besonders schwere Zuwiderhandlung begangen hätten, da die in Rede stehenden Verhaltensweisen bezweckt hätten, durch den Austausch vertraulicher Informationen den Preiskrieg zu beenden und den Markt zu stabilisieren. Außerdem hätten diese Verhaltensweisen Auswirkungen auf den Markt gehabt, da auf die betreffenden Unternehmen fast das gesamte Gipsplattenangebot entfalle und die verschiedenen Kartellvereinbarungen auf einem hochkonzentrierten und oligopolistischen Markt umgesetzt worden seien. Zum Umfang des räumlich relevanten Marktes vertrat die Kommission die Auffassung, dass die Vereinbarung die vier größten Märkte in der Gemeinschaft, nämlich Deutschland, das Vereinigte Königreich, Frankreich und die Benelux-Staaten, umfasst habe.

11. Sodann nahm die Kommission, da sie von einem erheblichen Unterschied zwischen den betreffenden Unternehmen ausging, eine Differenzierung vor, wobei sie sich insoweit auf die Umsatzzahlen für die fraglichen Produkte auf den in Rede stehenden Märkten während des letzten vollständigen Jahres der Zuwiderhandlung stützte. Auf dieser Grundlage wurde der Ausgangsbetrag der Geldbußen auf 80 Mio. Euro für BPB, auf 52 Mio. Euro für Knauf und für Lafarge sowie auf 8 Mio. Euro für Gyproc festgesetzt.

12. Um angesichts der Größe und der Gesamtressourcen der Unternehmen eine hinreichend abschreckende Wirkung der Geldbuße zu gewährleisten, wurde der Ausgangsbetrag der gegen Lafarge festgesetzten Geldbuße um 100 % auf 104 Mio. Euro erhöht.

13. Um die Dauer der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen, wurde der Ausgangsbetrag anschließend für BPB und für Knauf um 65 %, für Lafarge um 60 % und für Gyproc um 20 % erhöht, da die Kommission bei Knauf, Lafarge und BPB eine Zuwiderhandlung von langer Dauer und bei Gyproc eine Zuwiderhandlung von mittlerer Dauer annahm.

14. Aufgrund erschwerender Umstände wurden die Grundbeträge der Geldbußen gegenüber BPB und Lafarge wegen Rückfalls um 50 % erhöht.

15. Anschließend ermäßigte die Kommission die Geldbuße gegenüber Gyproc wegen mildernder Umstände um 25 %, weil Gyproc ein Unsicherheitsfaktor gewesen sei, der zur Begrenzung der Auswirkungen des Kartells auf den deutschen Markt beigetragen habe, und weil sie auf dem Markt des Vereinigten Königreichs nicht tätig gewesen sei.

16. Schließlich ermäßigte die Kommission in Anwendung von Abschnitt D Nr. 2 ihrer Mitteilung über die Nichtfestsetzung oder die niedrigere Festsetzung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. 1996, C 207, S. 4, im Folgenden: Mitteilung über Zusammenarbeit) den Betrag der Geldbuße bei BPB um 30 % und bei Gyproc um 40 %. Der Endbetrag der Geldbußen belief sich daher auf 138,6 Mio. Euro für BPB, 85,8 Mio. Euro für Knauf, 249,6 Mio. Euro für Lafarge und 4,32 Mio. Euro für Gyproc.

Verfahren und Anträge der Parteien

17. Die Klägerin hat mit am 14. Februar 2003 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangener Klageschrift die vorliegende Klage erhoben.

18. Im Zuge der Änderung der Zusammensetzung der Kammern des Gerichts zu Beginn des neuen Gerichtsjahrs ist der Berichterstatter der Dritten Kammer zugeteilt worden; folglich ist die vorliegende Rechtssache dieser Kammer zugewiesen worden.

19. Auf Bericht des Berichterstatters hat das Gericht (Dritte Kammer) beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen, und hat die Parteien im Rahmen prozessleitender Maßnahmen nach Art. 64 der Verfahrensordnung des Gerichts zur Vorlage bestimmter Unterlagen aufgefordert und ihnen schriftliche Fragen gestellt, die die Parteien fristgemäß beantwortet haben.

20. Die Parteien haben in der Sitzung vom 24. Januar 2007 mündlich verhandelt und mündliche Fragen des Gerichts beantwortet.

21. In der mündlichen Verhandlung hat das Gericht die Klägerin aufgefordert, ihren Antrag auf Vertraulichkeit bis zum 7. Februar 2007 klarzustellen. Auch der Kommission wurde eine Frist gewährt, innerhalb deren sie zur Antwort der Klägerin bezüglich der vertraulichen Informationen Stellung nehmen konnte.

22. Die mündliche Verhandlung wurde am 27. März 2007 geschlossen.

23. Die Klägerin beantragt,

– die Art. 1 und 2 der angefochtenen Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit sie die Klägerin betreffen;

– hilfsweise, Art. 3 der angefochtenen Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit er sie betrifft, oder, höchst hilfsweise, die Höhe der ihr von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung auferlegten Geldbuße angemessen herabzusetzen;

– sofern Art. 3 der angefochtenen Entscheidung für nichtig erklärt oder die Höhe der Geldbuße herabgesetzt wird, die Rückzahlung des von ihr gezahlten Hauptbetrags zuzüglich von Zinsen, die vom Gericht nach den geltenden Rechtsvorschriften festzulegen sind, anzuordnen;

– der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

24. Die Kommission beantragt,

– die Klage abzuweisen;

– der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

Gründe

1. Zum ersten Klagegrund: Verletzung der Verteidigungsrechte

Vorbringen der Parteien

25. Die Klägerin macht geltend, die Kommission habe die Verteidigungsrechte und den allgemeinen Grundsatz der Waffengleichheit verletzt, indem sie sich auf Beweise gestützt habe, die sie ihr nicht zur Kenntnis gebracht habe.

26. Erstens habe die Kommission ihr keinen Zugang zu den von einem anonymen Informanten gemachten Angaben gewährt. Mit Hilfe dieser Informationen habe die Kommission aber am 19. November 1998 bei einem Gericht im Vereinigten Königreich einen Durchsuchungsbefehl erwirkt. Aus dem Affidavit in der Anlage zum Antrag auf Erlass des Durchsuchungsbefehls gehe hervor, dass die Kommission die betreffenden Informationen für überzeugend gehalten habe. Die Überzeugung der Kommission, dass ein komplexes Kartell bestanden habe, habe ihre Deutung sämtlicher Tatsachen und Beweise beeinflusst.

27. Zweitens hätte die Kommission ihr Zugang zu den Erwiderungen der übrigen Adressaten der Mitteilung der Beschwerdepunkte gewähren müssen. Die Kommission habe sich in der angefochtenen Entscheidung für die Sachverhaltswürdigung und die Beweisführung wiederholt auf diese Erwiderungen gestützt.

28. Die Kommission ist der Ansicht, die Pflicht zur Wahrung der Verteidigungsrechte verlange nicht, dass sie den betreffenden Unternehmen ihre gesamte Akte offenlege und dadurch den möglicherweise vertraulichen Charakter der Aktenunterlagen verletze. Sie sei keineswegs verpflichtet, dem Adressaten einer Mitteilung der Beschwerdepunkte belastende Dokumente bekannt zu machen, auf die sie sich nicht stützen wolle. Im vorliegenden Fall habe sie ihre Feststellungen nur auf der Grundlage der Beweise getroffen, die ihr vorgelegen hätten und die in der Mitteilung der Beschwerdepunkte und der angefochtenen Entscheidung dargestellt seien.

29. Es treffe nicht zu, dass die Verteidigungsrechte der Klägerin dadurch verletzt worden seien, dass diese die Erwiderungen der übrigen Adressaten der Mitteilung der Beschwerdepunkte nicht habe einsehen können. Wenn sie nach Erlass der Mitteilung der Beschwerdepunkte neue Umstände entdecke, die sie heranziehen wolle und zu denen sich die Unternehmen nicht hätten äußern können, müsse sie eine ergänzende Mitteilung der Beschwerdepunkte oder ein Schreiben versenden, in dem die betreffenden Unternehmen aufgefordert würden, ergänzende Ausführungen zu diesen neuen Beweisen zu machen. Tue sie dies nicht, könne sie diese Umstände nicht gegen die Adressaten der ursprünglichen Mitteilung der Beschwerdepunkte anführen.

30. Im vorliegenden Fall beträfen alle von der Klägerin genannten Beispiele Aussagen, die bereits in der Mitteilung der Beschwerdepunkte enthalten seien und daher eingeräumt oder bestritten worden seien und zu denen sich die Klägerin habe äußern können. Keine dieser Erklärungen enthalte neue Vorwürfe oder neue Sachverhaltsangaben, auf die die Kommission ihre Feststellungen gestützt hätte.

Würdigung durch das Gericht

31. Zunächst ist daran zu erinnern, dass der Zweck der Akteneinsicht in Wettbewerbssachen insbesondere darin besteht, es den Adressaten einer Mitteilung der Beschwerdepunkte zu ermöglichen, von den Beweisstücken in den Akten der Kommission Kenntnis zu nehmen, damit sie sinnvoll zu den Schlussfolgerungen Stellung nehmen können, zu denen die Kommission in ihrer Mitteilung der Beschwerdepunkte aufgrund dieser Beweisstücke gelangt ist. Die Akteneinsicht gehört somit zu den Verfahrensgarantien, die die Verteidigungsrechte schützen und insbesondere die effektive Ausübung des Anhörungsrechts sicherstellen sollen (vgl. Urteil des Gerichts vom 30. September 2003, Atlantic Container Line u. a./Kommission, T‑191/98 und T‑212/98 bis T‑214/98, Slg. 2003, II‑3275, Randnr. 334 und die dort angeführte Rechtsprechung).

32. Was die belastenden Unterlagen angeht, erstreckt sich die Verpflichtung zur Gewährung von Akteneinsicht nur auf die in der Entscheidung letzten Endes herangezogenen Unterlagen, nicht aber auf alle Vorwürfe, die die Kommission zu irgendeinem Zeitpunkt während des Verwaltungsverfahrens unter Umständen hätte erheben können (Urteil Atlantic Container Line u. a./Kommission, oben in Randnr. 31 angeführt, Randnr. 337). Eine Unterlage kann gegenüber einem Kläger nur dann als belastendes Schriftstück angesehen werden, wenn sich die Kommission auf sie bei der Feststellung einer Zuwiderhandlung stützt, an der dieser Kläger teilgenommen haben soll (Urteil des Gerichts vom 15. März 2000, Cimenteries CBR u. a./Kommission, T‑25/95, T‑26/95, T‑30/95 bis T‑32/95, T‑34/95 bis T‑39/95, T‑42/95 bis T‑46/95, T‑ 48/95, T‑50/95 bis T‑65/95, T‑68/95 bis T‑71/95, T‑87/95, T‑88/95, T‑ 103/95 und T‑104/95, Slg. 2000, II‑491, im Folgenden: Zement-Urteil, Randnr. 284).

33. Darüber hinaus kann die Klägerin nicht lediglich allgemein und abstrakt Zugang zu den ihr nicht übermittelten Unterlagen oder Informationen verlangen, ohne näher darzulegen, inwiefern das von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung herangezogene belastende Material durch diese Unterlagen oder Informationen bestimmt worden sein soll. Nach der Rechtsprechung kann nämlich nicht aufgrund eines allgemeinen Vorbringens festgestellt werden, ob eine Verletzung der Verteidigungsrechte vorliegt. Dies ist vielmehr anhand der besonderen Umstände jedes einzelnen Falles zu prüfen (Urteil Atlantic Container Line u. a./Kommission, oben in Randnr. 31 angeführt, Randnrn. 353 und 354).

34. Im vorliegenden Fall bestreitet die Kommission nicht, dass sie die Ermittlungen u. a. wegen der von dem anonymen Informanten gemachten Angaben aufgenommen hatte. Wie jedoch aus der angefochtenen Entscheidung hervorgeht, hat sich die Kommission auf diese Informationen als solche letztlich nicht bezogen und ihre Vorwürfe durch andere Beweise belegt.

35. Die Klägerin hat auch keinen Vorwurf in der Mitteilung der Beschwerdepunkte oder in der angefochtenen Entscheidung genannt, der ausschließlich auf Angaben gestützt wäre, die der anonyme Informant gemacht hat und zu denen sie keinen Zugang hatte.

36. Abgesehen davon ist die Kommission zwar verpflichtet, den von einem Verfahren zur Anwendung von Art. 81 Abs. 1 EG betroffenen Unternehmen die Gesamtheit der belastenden oder entlastenden Schriftstücke zugänglich zu machen, die sie im Laufe der Untersuchung gesammelt hat, doch erstreckt sich diese Verpflichtung nicht auf Geschäftsgeheimnisse anderer Unternehmen, interne Schriftstücke der Kommission und andere vertrauliche Informationen (Urteil des Gerichtshofs vom 7. Januar 2004, Aalborg Portland u. a./Kommission, C‑204/00 P, C‑205/00 P, C‑211/00 P, C‑213/00 P, C‑217/00 P und C‑219/00 P, Slg. 2004, I‑123, Randnr. 68, sowie Urteil Atlantic Container Line u. a./Kommission, oben in Randnr. 31 angeführt, Randnr. 335). Wie die Kommission geltend macht, hat deshalb bei Auskünften, die rein freiwillig, zur Wahrung der Anonymität des Informanten jedoch mit der Bitte um Vertraulichkeit erteilt werden, das Organ, das diese Informationen entgegennimmt, eine derartige Bedingung einzuhalten (Urteil des Gerichtshofs vom 7. November 1985, Adams/Kommission, 145/83, Slg. 1985, 3539, Randnr. 34). Der Fähigkeit der Kommission, die Anonymität bestimmter Informationsquellen zu gewährleisten, kommt nämlich für eine wirksame Vorbeugung und Bekämpfung verbotener wettbewerbswidriger Verhaltensweisen zentrale Bedeutung zu (Urteil des Gerichtshofs vom 22. Oktober 2002, Roquette Frères, C‑94/00, Slg. 2002, I‑9011, Randnr. 64).

37. Ein Verfahren, das auf der Grundlage von Informationen eröffnet wird, deren Herkunft nicht offengelegt wird, ist folglich rechtmäßig, wenn die Möglichkeit des Betroffenen, zum Vorliegen oder zur Tragweite der Tatsachen, zu den Unterlagen oder zu den daraus gezogenen Schlussfolgerungen der Kommission Stellung zu nehmen, nicht beeinträchtigt wird (Urteil des Gerichtshofs vom 13. Februar 1979, Hoffmann-La Roche/Kommission, 85/76, Slg. 1979, 461, Randnr. 14).

38. Angesichts der Pflicht zur Gewährleistung der Vertraulichkeit der Informationen und des Umstands, dass die Klägerin keinen Vorwurf in der Mitteilung der Beschwerdepunkte oder in der angefochtenen Entscheidung genannt hat, der auf Angaben gestützt wäre, zu denen sie keinen Zugang hatte, kann sie der Kommission nicht vorwerfen, sie habe die Verteidigungsrechte und den allgemeinen Grundsatz der Waffengleichheit verletzt, weil sie ihr keinen Zugang zu den von dem anonymen Informanten gemachten Angaben gewährt habe.

39. Zu den Erwiderungen der übrigen Adressaten der Mitteilung der Beschwerdepunkte hatte die Klägerin im Verwaltungsverfahren unstreitig keinen Zugang.

40. Was erstens die unterbliebene Übermittlung belastender Beweismittel angeht, die in der Ermittlungsakte nicht enthalten gewesen sein sollen, ist darauf hinzuweisen, dass die Wahrung der Verteidigungsrechte ein Grundprinzip des Gemeinschaftsrechts ist, das unter allen Umständen, insbesondere aber in allen Verfahren, die zu Sanktionen führen können, zu beachten ist, selbst wenn es sich dabei um ein Verwaltungsverfahren handelt. Sie verlangt, dass die betroffenen Unternehmen und Unternehmensvereinigungen bereits während des Verwaltungsverfahrens in die Lage versetzt werden, zum Vorliegen und zur Bedeutung der von der Kommission geltend gemachten Tatsachen, Beschwerdepunkte und Umstände angemessen Stellung zu nehmen (Urteil Hoffmann-La Roche/Kommission, oben in Randnr. 37 angeführt, Randnr. 11, und Urteil des Gerichts vom 10. März 1992, Shell/Kommission, T‑11/89, Slg. 1992, II‑757, Randnr. 39).

41. Weiter ist daran zu erinnern, dass, wenn sich die Kommission auf eine Stelle einer Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte oder auf eine Anlage zu einer solchen Erwiderung stützen will, um in einem Verfahren zur Anwendung von Art. 81 Abs. 1 EG das Bestehen einer Zuwiderhandlung nachzuweisen, die anderen Beteiligten dieses Verfahrens in die Lage versetzt werden müssen, sich zu einem solchen Beweismittel zu äußern. Unter solchen Umständen stellt nämlich die fragliche Stelle einer Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte oder die Anlage zu dieser Erwiderung Material dar, das die verschiedenen Unternehmen belastet, die an der Zuwiderhandlung beteiligt gewesen sein sollen (vgl. Zement-Urteil, oben in Randnr. 32 angeführt, Randnr. 386, und Urteil des Gerichts vom 27. September 2006, Avebe/Kommission, T‑314/01, Slg. 2006, II‑3085, Randnr. 50 und die dort angeführte Rechtsprechung).

42. Ein Schriftstück kann nur dann als belastendes Schriftstück angesehen werden, wenn sich die Kommission bei der Feststellung einer von einem Unternehmen begangenen Zuwiderhandlung darauf stützt. Als Beweis für eine Verletzung seiner Verteidigungsrechte genügt es nicht, dass das fragliche Unternehmen nachweist, dass es sich im Verwaltungsverfahren nicht zu einem Schriftstück hat äußern können, das in der angefochtenen Entscheidung an irgendeiner Stelle verwendet wurde. Es muss dartun, dass die Kommission dieses Schriftstück in der angefochtenen Entscheidung als zusätzliches Beweiselement für eine Zuwiderhandlung verwendet hat, an der das Unternehmen teilgenommen haben soll (Urteil des Gerichts vom 27. September 2006, Dresdner Bank u. a./Kommission, T‑44/02 OP, T‑54/02 OP, T‑56/02 OP, T‑60/02 OP und T‑61/02 OP, Slg. 2006, II‑3567, Randnr. 158).

43. Da Unterlagen, die den betroffenen Unternehmen im Verwaltungsverfahren nicht übermittelt wurden, keine Beweismittel darstellen, die ihnen entgegengehalten werden können, sind Unterlagen, die nicht in der Ermittlungsakte enthalten waren und den Klägern nicht übermittelt wurden und für die sich herausstellt, dass sich die Kommission in der Entscheidung auf sie gestützt hat, als Beweismittel auszuschließen (Zement-Urteil, oben in Randnr. 32 angeführt, Randnr. 382).

44. Gibt es andere Belege, von denen die betroffenen Unternehmen im Verwaltungsverfahren Kenntnis hatten und die speziell die Schlussfolgerungen der Kommission stützen, beeinträchtigt der Wegfall des nicht übermittelten Belegs als Beweismittel die Begründetheit der in der angefochtenen Entscheidung erhobenen Vorwürfe nicht (Urteil Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Randnr. 36 angeführt, Randnr. 72).

45. Das betroffene Unternehmen muss daher dartun, dass das Ergebnis, zu dem die Kommission in ihrer Entscheidung gekommen ist, anders ausgefallen wäre, wenn ein nicht übermitteltes Schriftstück, auf das die Kommission ihre Vorwürfe gegen dieses Unternehmen gestützt hat, als belastendes Beweismittel ausgeschlossen werden müsste (Urteil Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Randnr. 36 angeführt, Randnr. 73).

46. Im vorliegenden Fall führt BPB lediglich die Randnrn. 130, 232, 393 und 524 der angefochtenen Entscheidung an, um zu illustrieren, dass die Kommission die Erwiderungen der übrigen Adressaten der Mitteilung der Beschwerdepunkte als belastendes Beweismaterial herangezogen habe.

47. Zu diesen Beispielen ist festzustellen, dass die Kommission in Randnr. 524 der angefochtenen Entscheidung nur die Äußerung von Gypros in ihrer Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte zitiert hat, dass ihre Beteiligung von anderer Intensität gewesen sei. Dieses Beweisstück ist also keineswegs gegen BPB verwendet worden.

48. Was Randnr. 130 der angefochtenen Entscheidung angeht, handelt es sich um einen Auszug aus der Erwiderung von Lafarge auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte, wonach BPB das System des Informationsaustauschs initiiert haben soll. Die Kommission hat diese Behauptung von Lafarge aber nirgends in der angefochtenen Entscheidung herangezogen, um zu beweisen, dass BPB dieses System initiiert habe. Auch die Geldbuße von BPB wurde nicht mit der Begründung erhöht, sie sei Initiatorin des Kartells gewesen. Wie aus der nachstehenden Prüfung des zweiten Klagegrundes hervorgeht, hat BPB im Übrigen eingeräumt, dass sie das Wettbewerbsrecht durch Beteiligung an einem Austausch von Daten zu den Verkaufsmengen auf den vier betroffenen Märkten verletzt habe.

49. Was Randnr. 232 der angefochtenen Entscheidung angeht, also die von Gyproc in ihrer Erwiderung auf die Beschwerdepunkte vorgenommene Auslegung des Vermerks und der Erklärungen von Herrn [E], dem geschäftsführenden Direktor von Gyproc, ist der Wortlaut dieser Randnummer wiederzugeben:

„Gyproc kam später auf den Vermerk und die dennoch deutlichen Erklärungen von Herrn [E] mit folgenden Worten zurück: ‚Die sogenannte Vereinbarung von Versailles war nur ein Versuch und wurde nie wirksam umgesetzt‘ und ‚es kam nie zu einem gemeinsamen Willen zwischen den Teilnehmern und sicher nicht seitens Gyproc hinsichtlich sämtlicher Modalitäten der Aufteilung des deutschen Marktes. Die [betreffenden Unternehmen] haben sich nie über den genauen Marktanteil für Gyproc geeinigt. […] Gyproc hat somit den Versuch des Eingehens einer Vereinbarung zu viert zu Fall gebracht.‘“

50. Wie die Kommission jedoch in Randnr. 233 der angefochtenen Entscheidung festgestellt hat, stellen die Erläuterungen von Gyproc, die grundsätzlich weniger Beweiskraft haben als der vorgenannte Vermerk und die freiwilligen Erklärungen von Herrn [E], weder den Inhalt noch den Zweck der geführten Gespräche in Frage, sondern allenfalls deren Ergebnisse. Außerdem ist daran zu erinnern, dass BPB das Treffen von Versailles und die Tatsache eingeräumt hat, dass dieses Treffen dazu gedient habe, die Lage auf dem deutschen Markt zu erörtern.

51. Im Übrigen hat die Kommission nur festgestellt, dass sich die betreffenden Unternehmen 1996 in Versailles, 1997 in Brüssel und 1998 in Den Haag getroffen hätten, um den deutschen Markt untereinander aufzuteilen oder zumindest zu stabilisieren, sie hat aber nicht behauptet, dass es den Unternehmen gelungen sei, eine Vereinbarung über die Aufteilung der Anteile am deutschen Markt zu treffen.

52. Selbst wenn daher die in Randnr. 232 der angefochtenen Entscheidung wiedergegebene Auslegung des Vermerks und der Erklärungen von Herrn [E] durch Gyproc unberücksichtigt bliebe, würde sich dies auf die Beurteilungen, die die Kommission in der Entscheidung vorgenommen hat, nicht auswirken.

53. Das Ergebnis, zu dem die Kommission in der angefochtenen Entscheidung gekommen ist, wäre demnach nicht anders ausgefallen, wenn die von BPB erwähnten Auszüge aus den Erwiderungen von Gyproc und Lafarge auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte aus den Akten entfernt worden wären.

54. Schließlich geht aus Randnr. 393 der angefochtenen Entscheidung hervor, dass Gyproc die von der Kommission vorgenommene Sachverhaltsbeschreibung bezüglich der Preiserhöhungen auf dem deutschen Markt akzeptiert hat. Dies ist tatsächlich ein Umstand, den die Kommission zur Stützung ihrer Auffassung herangezogen hat, dass eine Abstimmung über die Preiserhöhungen auf dem deutschen Markt stattgefunden habe, was BPB bestreitet. Dieser Umstand ist deshalb als Beweis auszuschließen und im Folgenden in Bezug auf BPB zu prüfen, ob die Kommission rechtlich hinreichend nachgewiesen hat, dass die Vertreter von BPB, Knauf, Lafarge und Gyproc einander zwischen 1996 und 1998 informiert und mehrmals die Anwendung von Preiserhöhungen auf dem deutschen Markt abgesprochen hatten.

55. Was zweitens die Frage angeht, ob die Erwiderungen der übrigen Adressaten der Mitteilung der Beschwerdepunkte entlastendes Material enthalten konnten, hat die Klägerin in der Klageschrift nichts Entsprechendes vorgetragen.

56. Auf eine schriftliche Bitte des Gerichts, die Randnummern der Klageschrift anzugeben, in denen der Klagegrund einer Verletzung der Verteidigungsrechte in Bezug auf entlastendes Material geltend gemacht werde, hat die Klägerin lediglich auf die Randnrn. 75 bis 120 der Klageschrift hingewiesen. In diesen Randnummern trägt sie jedoch keineswegs vor, dass die Erwiderungen der übrigen Adressaten der Mitteilung der Beschwerdepunkte entlastendes Material hätten enthalten können, das sie für ihre Verteidigung hätte verwenden können. Unter diesen Umständen ist das Vorbringen der Klägerin, die Erwiderungen der übrigen Adressaten der Mitteilung der Beschwerdepunkte hätten entlastendes Material enthalten können, zurückzuweisen.

57. Demnach ist der erste Klagegrund zurückzuweisen, es sei denn, die Nichtberücksichtigung der Erklärungen, die Gyproc in ihrer Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte abgegeben und die die Kommission in Randnr. 393 der angefochtenen Entscheidung erwähnt hat, hat Auswirkungen. Zu prüfen ist daher die im Rahmen des zweiten Klagegrundes erhobene Rüge, mit der die Feststellungen der Kommission zum Austausch von Daten über die Preiserhöhungen in Deutschland bestritten werden.

58. Außerdem wird das Gericht im Rahmen der Prüfung der Begründetheit der Klage vorsorglich alle belastenden Beweismittel ausschließen, die auf den Erwiderungen der übrigen Adressaten der Mitteilung der Beschwerdepunkte beruhen, um festzustellen, ob die von der Kommission vorgenommene Beurteilung des Vorliegens und der Auswirkungen der Zuwiderhandlung auch ohne diese streitigen Beweismittel rechtlich hinreichend nachgewiesen ist.

2. Zum zweiten Klagegrund: Offensichtliche Fehler und/oder eine unzureichende Begründung bezüglich der Anwendung von Art. 81 Abs. 1 EG

Zu den Beweisanforderungen

Vorbringen der Parteien

59. Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass in Fällen, die zur Auferlegung hoher Geldbußen führten, die Beweisregeln mit denen im Strafverfahren vergleichbar seien. Die Beweislast liege bei der Kommission, und die Zuwiderhandlung sei rechtlich hinreichend nachzuweisen, was so zu verstehen sei, dass überzeugende Beweise dafür beigebracht werden müssten, dass die behaupteten Zuwiderhandlungen begangen worden seien. In einem solchen Fall genüge die übliche Abwägung der Wahrscheinlichkeiten nicht. Damit die Unschuldsvermutung gewahrt bleibe, müsse zudem jeglicher Zweifel in Beweisfragen dem Beschuldigten zugutekommen.

60. Nach Ansicht der Kommission entsprechen die Beweisanforderungen in Wettbewerbssachen nicht denen in Strafsachen.

Würdigung durch das Gericht

61. Nach der Rechtsprechung hat die Kommission bei Streitigkeiten über das Vorliegen von Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln die von ihr festgestellten Zuwiderhandlungen zu beweisen und die Beweismittel beizubringen, durch die das Vorliegen der eine Zuwiderhandlung darstellenden Tatsachen rechtlich hinreichend bewiesen wird. Dabei obliegt es der Kommission insbesondere, alles nachzuweisen, woraus auf die Mitwirkung eines Unternehmens an einer solchen Zuwiderhandlung und auf seine Verantwortung für die verschiedenen mit dieser verbundenen Einzelakte geschlossen werden kann (Urteil des Gerichtshofs vom 8. Juli 1999, Kommission/Anic Partecipazioni, C‑49/92 P, Slg. 1999, I‑4125, Randnr. 86).

62. Handelt es sich um Vereinbarungen und abgestimmte Verhaltensweisen mit einem wettbewerbswidrigen Zweck, so hat die Kommission namentlich zu beweisen, dass das Unternehmen durch sein Verhalten zur Erreichung der von allen Beteiligten verfolgten gemeinsamen Ziele hat beitragen wollen und von dem von anderen Unternehmen in Verfolgung dieser Ziele beabsichtigten oder an den Tag gelegten Verhalten wusste oder es vernünftigerweise vorhersehen konnte sowie bereit war, die daraus erwachsende Gefahr auf sich zu nehmen (Urteil Kommission/Anic Partecipazioni, oben in Randnr. 61 angeführt, Randnr. 87).

63. Im Rahmen wettbewerbswidriger Verhaltensweisen und Vereinbarungen ist es aber üblich, dass die Tätigkeiten insgeheim ablaufen, dass die Zusammenkünfte heimlich stattfinden und dass die Unterlagen darüber auf ein Minimum reduziert werden. Selbst wenn die Kommission Schriftstücke findet, die eine unzulässige Kontaktaufnahme zwischen Wirtschaftsteilnehmern explizit bestätigen, handelt es sich daher normalerweise nur um lückenhafte und vereinzelte Belege, so dass es häufig erforderlich ist, bestimmte Einzelheiten durch Schlussfolgerungen zu rekonstruieren. In den meisten Fällen muss deshalb das Vorliegen einer wettbewerbswidrigen Verhaltensweise oder Vereinbarung aus einer Reihe von Koinzidenzen und Indizien abgeleitet werden, die bei einer Gesamtbetrachtung mangels einer anderen schlüssigen Erklärung den Beweis für eine Verletzung der Wettbewerbsregeln darstellen können (Urteil Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Randnr. 36 angeführt, Randnrn. 55 bis 57).

64. Aus dieser Rechtsprechung folgt, dass das Vorbringen der Klägerin, die Kommission müsse in Fällen, in denen sie hohe Geldbußen verhänge, vernünftige Zweifel ausschließende ( beyond reasonable doubt ) Beweise für das Vorliegen der Zuwiderhandlung beibringen, zurückzuweisen ist.

Zum Treffen in London

Vorbringen der Parteien

65. Die Klägerin trägt vor, die Kommission habe nicht bewiesen, dass beim Treffen in London eine Vereinbarung getroffen worden sei und der anschließende Informationsaustausch dazu gedient habe, die Umsetzung dieser Vereinbarung zu kontrollieren. Das Treffen in London bilde aber den Dreh- und Angelpunkt der Argumentation der Kommission, da die übrigen Ereignisse damit zusammenhingen und es zudem den Beginn der Zuwiderhandlung markiere.

66. Die Klägerin räumt ein, dass dieses Treffen stattgefunden habe, meint aber, dass die Auslegung dieses Geständnisses durch die Kommission über das hinausgehe, was sie tatsächlich erklärt habe. Auch wenn Herr [A] (ihr damaliger Generaldirektor) mit den Vettern der Knauf-Familie über den lebhaften Wettbewerb auf dem Gipsplattenmarkt gesprochen habe und beide Seiten das Problem bestätigt hätten, bestreite er kategorisch, sich mit den Knauf-Vettern über eine Lösung geeinigt zu haben. Bei diesem Treffen sei auch kein gemeinsamer Wille zur Marktstabilisierung zum Ausdruck gebracht worden.

67. Die Klägerin räumt weiter ein, dass das Treffen zu einer rascheren Beendigung des Preiskriegs beigetragen haben könne. Es sei dafür jedoch nicht allein ursächlich gewesen. Die wirtschaftliche Lage auf dem fraglichen Markt im Jahr 1992 hätte den Preiskrieg auf jeden Fall enden lassen. Dies bestätige der von ihr beauftragte Wirtschaftssachverständige, dessen Bericht die Kommission in der angefochtenen Entscheidung aber nicht berücksichtigt habe.

68. Die Tatsache, dass der Wettbewerb auf dem betroffenen Markt fortbestanden habe, widerspreche der Deutung des Treffens in London durch die Kommission. Die Behauptungen der Kommission in den Randnrn. 212 und 395 der angefochtenen Entscheidung würden nicht durch Beweise gestützt. Die Kommission habe sich in diesem Zusammenhang entschieden, zahlreiche überzeugende Beispiele für die Volatilität der Preise, die sie ihr in ihrer Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte vorgelegt habe, nicht zu berücksichtigen. Die Klägerin bestreitet ferner die Äußerungen der Kommission zur Stabilität der Marktanteile. Die im Anhang der angefochtenen Entscheidung enthaltenen Tabellen der Kommission selbst belegten das Gegenteil. Die Behauptungen der Kommission hätten auch keine Beweiskraft, da die Kommission in der angefochtenen Entscheidung nirgends erläutert habe, welche Marktanteile die betreffenden Unternehmen vor 1992 gehalten hätten, und ein Vergleich von Marktanteilen daher nicht möglich sei.

69. Zum Vorbringen der Kommission, die konkreten Auswirkungen einer Zuwiderhandlung brauchten nicht berücksichtigt zu werden, macht die Klägerin geltend, dass, wenn das Vorliegen einer Vereinbarung von der Kommission nur behauptet werde, ohne durch Beweise gestützt zu werden, diejenigen Beweise zu berücksichtigen seien, die sich aus dem Marktgeschehen ergäben. Wenn diese Beweise auf das Fehlen einer wettbewerbswidrigen Vereinbarung hinwiesen und die Kommission keinen Beweis für das Gegenteil beigebracht habe, müsse diese davon ausgehen, dass keine Vereinbarung getroffen worden sei. Es gehe nicht einfach um die Frage, ob die Vereinbarung umgesetzt worden sei, sondern darum, festzustellen, ob die Kommission das Vorliegen der behaupteten Vereinbarung bewiesen habe.

70. Die Kommission führt aus, das Vorbringen der Klägerin, dass es keine Vereinbarung gegeben habe, beruhe auf der falschen Vorstellung, dass eine Vereinbarung begrenzt, detailliert und rechtlich zwingend sein müsse. Sie ergänzt, dass Art. 81 EG mit seinen Verboten eine Form der Koordinierung zwischen Unternehmen erfassen solle, die zwar noch nicht bis zum Abschluss eines Vertrags im eigentlichen Sinn gediehen sei, jedoch bewusst eine praktische Zusammenarbeit an die Stelle des mit Risiken verbundenen Wettbewerbs treten lasse. Die Ausarbeitung eines eigentlichen Plans sei somit nicht erforderlich. Selbst wenn die Gespräche, die beim Treffen in London 1992 stattgefunden hätten, nicht als Vereinbarung qualifiziert werden könnten, könnten sie als abgestimmte Verhaltensweise eingestuft werden, die eine ebenso schwere Zuwiderhandlung darstelle.

71. Die Zusammenkunft in London und die dort getroffene Vereinbarung seien die erste praktische Ausprägung der komplexen und fortgesetzten Zuwiderhandlung, auf die sich die angefochtene Entscheidung stütze. Unter Berücksichtigung der Ausführungen in den Randnrn. 56 bis 69 der angefochtenen Entscheidung und insbesondere des Umstands, dass der Informationsaustausch beim Treffen in London oder kurz danach begonnen habe, sei diese Feststellung völlig gerechtfertigt. Im Übrigen brauche nicht nachgewiesen zu werden, dass alle Merkmale der Zuwiderhandlung bereits in der Anfangsphase vorgelegen hätten oder vorgesehen gewesen seien, um darzutun, dass diese Vereinbarung im Rahmen einer einheitlichen, komplexen und fortgesetzten Zuwiderhandlung getroffen worden sei.

72. Zum Vorbringen von BPB, die Kommission habe die wirtschaftlichen Beweise außer Acht gelassen, macht diese geltend, sie habe in den Randnrn. 396 bis 402 der angefochtenen Entscheidung lediglich erläutert, dass BPB und die übrigen betroffenen Unternehmen angesichts der Umstände des vorliegenden Falles vergeblich versuchten, mit Hilfe wirtschaftlicher Analysen zu beweisen, dass die Wettbewerbslage auf dem Gipsplattenmarkt zwischen 1992 und 1998 jede Möglichkeit einer wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarung in diesem Zeitraum ausgeschlossen habe. Die Kommission führt aus, dass sie sich nicht auf eine bloße Parallelität des Verhaltens stützte und auch keine wirtschaftlichen Beweise verwende, um die Zuwiderhandlung gegen Art. 81 Abs. 1 EG darzutun. Ihre Feststellungen stützten sich auf direkte Beweise für die wettbewerbswidrige Vereinbarung, die in den wirtschaftlichen Analysen nicht befriedigend erklärt würden. Wenn sie sich in der angefochtenen Entscheidung auf eine größere Stabilität des betroffenen Marktes oder auf Preiserhöhungen beziehe (wie in den Randnrn. 289 und 539), geschehe dies, um die Auswirkungen der wettbewerbswidrigen Aktivitäten zu verdeutlichen, und nicht, um diese Aktivitäten nachzuweisen. Überdies könne eine Vereinbarung nachgewiesen werden, ohne dass jeglicher Wettbewerb auf dem Gipsplattenmarkt völlig ausgeschaltet sei. Da außerdem die von der Kommission nachgewiesene Zuwiderhandlung einem wettbewerbswidrigen Zweck gedient habe, brauchten ihre konkreten Auswirkungen nach ständiger Rechtsprechung nicht berücksichtigt zu werden.

73. Das Vorbringen der Klägerin, der „lebhafte“ Wettbewerb oder der „Preiskrieg“ hätten aus wirtschaftlichen Gründen ohnehin enden müssen, sei irrelevant, wenn es darum gehe, festzustellen, weshalb und wie der „Preiskrieg“ tatsächlich geendet habe und insbesondere, ob das wettbewerbswidrige Verhalten bestimmter Wirtschaftsteilnehmer diese Entwicklung in Gang gesetzt habe. Nachdem sie nachgewiesen habe, dass die Kartellteilnehmer das Ziel verfolgt hätten, den Preiskrieg zu beenden und die Marktanteile zu stabilisieren und damit den Wettbewerb zumindest auf den Gipsplattenmärkten Deutschlands, Frankreichs, des Vereinigten Königreichs und der Benelux-Staaten zu beschränken, sei ihre Schlussfolgerung in den Randnrn. 72, 196, 212, 289 und 395 der angefochtenen Entscheidung, dass dieses Ziel weitgehend erreicht worden sei, völlig zulässig gewesen. Die Marktinstabilität vor 1992 sei in Randnr. 28 der Mitteilung der Beschwerdepunkte beschrieben und niemals bestritten worden. Außerdem habe sie, wie aus den Randnrn. 212 und 395 der angefochtenen Entscheidung deutlich werde, festgestellt, dass die Preise auf den Märkten des Vereinigten Königreichs und Deutschlands tendenziell gestiegen oder zumindest stabil geblieben seien, was von der Lage vor 1992 abweiche.

Würdigung durch das Gericht

74. BPB räumt ein, dass das Treffen in London stattgefunden habe und dass sowohl Herr [A] als auch die Knauf-Vettern die Ansicht geäußert hätten, es wäre im Interesse der Industrie insgesamt, den ruinösen Preiskrieg zu beenden. Ferner gibt sie zu, dass die Unternehmen bei dieser Zusammenkunft oder spätestens 1992 begonnen hätten, Daten zu den Gesamtabsatzmengen für jeden der Hauptmärkte auszutauschen.

75. BPB bestreitet jedoch, dass bei dieser Zusammenkunft eine ausdrückliche Vereinbarung zur Stabilisierung der europäischen Märkte getroffen worden sei, die sechs Jahre lang habe gelten sollen.

76. Zu prüfen ist somit, ob das Treffen von London einen wettbewerbswidrigen Zweck hatte.

77. Wie sich hierzu aus Randnr. 55 der angefochtenen Entscheidung ergibt, hat BPB in ihrer zweiten Antwort auf das Auskunftsersuchen erklärt, dass ihre Vertreter und die von Knauf bei diesem Treffen „Einvernehmen darüber [erzielten], dass es im Interesse von BPB, von Knauf und der Industrie insgesamt (sowie auch im Interesse der Verbraucher) wäre, den ruinösen Preiskrieg zu beenden, und dass sich die Hersteller bemühen sollten, den Wettbewerb auf einer wirtschaftlich tragfähigeren Ebene fortzusetzen“.

78. BPB hat später geltend gemacht, dass der von ihr verwendete Begriff „Einvernehmen“ ( understanding ) nur in seiner allgemeinsten Bedeutung als „Meinungsübereinstimmung“ zu verstehen sei.

79. Nach ständiger Rechtsprechung liegt eine Vereinbarung im Sinne von Art. 81 Abs. 1 EG schon dann vor, wenn die betreffenden Unternehmen ihren gemeinsamen Willen zum Ausdruck gebracht haben, sich auf dem Markt in einer bestimmten Weise zu verhalten (Urteile des Gerichts vom 20. März 2002, HFB u. a./Kommission, T‑9/99, Slg. 2002, II‑1487, Randnr. 199, vom 11. Dezember 2003, Adriatica di Navigazione/Kommission, T‑61/99, Slg. 2003, II‑5349, Randnr. 88, und vom 27. Juli 2005, Brasserie nationale u. a./Kommission, T‑49/02 bis T‑51/02, Slg. 2005, II‑3033, Randnr. 118). Hinsichtlich der Ausdrucksform des gemeinsamen Willens genügt es, dass eine Abmachung Ausdruck des Willens der betreffenden Unternehmen ist, sich auf dem Markt im Einklang mit ihr zu verhalten (Urteil des Gerichts vom 14. Oktober 2004, Bayerische Hypo- und Vereinsbank/Kommission, T‑56/02, Slg. 2004, II‑3495, Randnr. 60).

80. Eine Vereinbarung im Sinne von Art. 81 Abs. 1 EG liegt folglich schon dann vor, wenn ein scheinbar einseitiger Akt oder ein entsprechendes Verhalten Ausdruck des übereinstimmenden Willens von mindestens zwei Parteien ist; die Form, in der diese Übereinstimmung zum Ausdruck kommt, ist als solche nicht entscheidend (Urteil des Gerichtshofs vom 13. Juli 2006, Kommission/Volkswagen, C‑74/04 P, Slg. 2006, I‑6585, Randnr. 37).

81. Die Kriterien der Koordinierung und der Zusammenarbeit verlangen nicht die Ausarbeitung eines eigentlichen „Plans“; sie sind vielmehr im Sinne des Grundgedankens der Wettbewerbsvorschriften des Vertrags zu verstehen, wonach jeder Unternehmer selbständig zu bestimmen hat, welche Politik er auf dem Gemeinsamen Markt zu betreiben gedenkt. Es ist zwar richtig, dass dieses Selbständigkeitspostulat nicht das Recht der Unternehmen beseitigt, sich dem festgestellten oder erwarteten Verhalten ihrer Mitbewerber mit wachem Sinn anzupassen; es steht jedoch streng jeder unmittelbaren oder mittelbaren Fühlungnahme zwischen Unternehmen entgegen, die bezweckt oder bewirkt, entweder das Marktverhalten eines gegenwärtigen oder potenziellen Mitbewerbers zu beeinflussen oder einen solchen Mitbewerber über das Marktverhalten ins Bild zu setzen, zu dem man sich selbst entschlossen hat oder das man in Erwägung zieht (Urteil des Gerichtshofs vom 16. Dezember 1975, Suiker Unie u. a./Kommission, 40/73 bis 48/73, 50/73, 54/73 bis 56/73, 111/73, 113/73 und 114/73, Slg. 1975, 1663, Randnrn. 173 und 174, sowie Urteil Adriatica di Navigazione/Kommission, oben in Randnr. 79 angeführt, Randnr. 89).

82. Dies ist der Fall, wenn zwischen mehreren Unternehmen ein Gentlemen’s Agreement besteht, das einen derartigen gemeinsamen Willen getreu zum Ausdruck bringt und eine Beschränkung des Wettbewerbs zum Gegenstand hat. Unter diesen Umständen braucht nicht geprüft zu werden, ob sich die Unternehmen für – rechtlich, tatsächlich oder moralisch – verpflichtet hielten, sich absprachegemäß zu verhalten (Urteil HFB u. a./Kommission, oben in Randnr. 79 angeführt, Randnr. 200).

83. Speziell in Bezug auf wettbewerbswidrige Vereinbarungen, die bei Treffen konkurrierender Unternehmen zustande kommen, hat der Gerichtshof entschieden, dass eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 Abs. 1 EG vorliegt, wenn diese Treffen die Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken und damit der künstlichen Regulierung des Marktes dienen (Urteil des Gerichtshofs vom 15. Oktober 2002, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, C‑238/99 P, C‑244/99 P, C‑245/99 P, C‑247/99 P, C‑250/99 P bis C‑252/99 P und C‑254/99 P, Slg. 2002, I‑8375, Randnrn. 508 und 509).

84. Die Erläuterung von BPB zum Zweck des Treffens von London genügt dem in der angeführten Rechtsprechung aufgestellten Kriterium. Die Erklärungen von BPB zeigen hinreichend, dass Knauf und sie selbst beide ihren gemeinsamen Willen zum Ausdruck gebracht haben, den Preiskrieg zu beenden und damit den Wettbewerb zu beschränken.

85. Darüber hinaus ist daran zu erinnern, dass, wenn ein Unternehmen, selbst ohne sich aktiv zu beteiligen, an Treffen von Unternehmen mit wettbewerbswidrigem Zweck teilnimmt und sich nicht offen vom Inhalt dieser Treffen distanziert, so dass es den anderen Teilnehmern Anlass zu der Annahme gibt, dass es dem Ergebnis der Treffen zustimmt und sich daran halten wird, der Nachweis als erbracht angesehen werden kann, dass es sich an der aus diesen Treffen resultierenden Absprache beteiligt hat (Urteil HFB u. a./Kommission, oben in Randnr. 79 angeführt, Randnr. 137).

86. Der wettbewerbswidrige Zweck des Treffens von London wird auch durch den Informationsaustausch bestätigt, den die Unternehmen nach diesem Treffen durchführten. Wie sich aus Randnr. 58 der angefochtenen Entscheidung ergibt, hat BPB in ihrer Antwort auf das zweite Auskunftsersuchen erklärt:

„[Herr (A) und die Knauf-Vettern haben] während dieses Treffens vereinbart, ‚die Zahlen über die Verkaufsmengen 1991 auszutauschen, um künftig eine zuverlässige Grundlage für die Überprüfung der Umsetzung der Vereinbarung (´understanding´) zu haben (d. h. um sich gegenseitig ein deutlicheres Bild des Marktvolumens und der eigenen Marktanteile zu geben). Dies sei notwendig gewesen, da es keine zuverlässigen Statistiken über diesen Gewerbezweig gab.‘“

87. Das Vorbringen von BPB, es habe sich allenfalls um den Versuch einer Vereinbarung gehandelt, kann keinen Erfolg haben. Dass BPB und Knauf ihren gemeinsamen Willen zum Ausdruck gebracht haben, den Preiskrieg zu beenden und die betreffenden Märkte zu stabilisieren, stellt nämlich eine Vereinbarung im Sinne von Art. 81 Abs. 1 EG dar.

88. Im Übrigen haben Knauf und BPB, wie das Zitat oben in Randnr. 86 belegt, ihren Plan verwirklicht, indem sie diese Vereinbarung durch einen Austausch von Informationen über die Verkaufsmengen auf den vier betroffenen Märkten umsetzten. Wären diese Unternehmen nicht davon ausgegangen, dass sie eine Vereinbarung zur Beendigung des Preiskriegs und zur Stabilisierung der betroffenen Märkte getroffen hatten, hätten sie es nicht nötig gehabt, die Märkte durch einen Austausch von Daten zu den Verkaufsmengen zu überwachen.

89. Das Vorbringen der Klägerin, die Kommission habe nicht nachgewiesen, dass die Preise oder die Marktanteile stabil gewesen seien, kann diese Schlussfolgerung nicht entkräften.

90. Im Rahmen der Anwendung von Art. 81 Abs. 1 EG genügt es, dass eine Vereinbarung unabhängig von ihren konkreten Wirkungen die Einschränkung, Verhinderung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezweckt. Somit gilt für Vereinbarungen bei Treffen konkurrierender Unternehmen, dass eine Zuwiderhandlung gegen die genannte Bestimmung erwiesen ist, wenn diese Treffen einen solchen Zweck haben und damit der künstlichen Regulierung des Marktes dienen. In einem solchen Fall ist die Verantwortlichkeit eines bestimmten Unternehmens für die Zuwiderhandlung ordnungsgemäß dargetan, wenn es an diesen Treffen in Kenntnis ihres Gegenstands teilnahm, auch wenn es anschließend die eine oder andere der dort vereinbarten Maßnahmen nicht durchgeführt hat. Die mehr oder weniger regelmäßige Teilnahme des Unternehmens an den Treffen und die mehr oder weniger vollständige Durchführung der vereinbarten Maßnahmen wirken sich nicht auf seine Verantwortlichkeit als solche aus, sondern auf deren Umfang und damit auf die Höhe der Sanktion (Urteil des Gerichtshofs vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommission, C‑189/02 P, C‑202/02 P, C‑205/02 P bis C‑208/02 P und C‑213/02 P, Slg. 2005, I‑5425, Randnr. 145). Unternehmen, die eine Vereinbarung mit dem Ziel einer Wettbewerbsbeschränkung schließen, können sich der Anwendung des Art. 81 Abs. 1 EG grundsätzlich nicht mit dem Hinweis entziehen, dass sich ihre Vereinbarung auf den Wettbewerb nicht messbar ausgewirkt habe.

91. Die Behauptung von BPB, das Treffen in London habe keine Auswirkungen gehabt, steht auch im Widerspruch zu ihrer Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte, in der sie erklärt hat, dass es 1992 eine Preiswende gegeben habe. BPB räumt zudem ein, dass das Treffen von London zu einer rascheren Beendigung des Preiskriegs beigetragen haben könne. Sie meint jedoch, die auf Handel und Wirtschaft bezogenen Gründe, die sie in der Klageschrift dargelegt habe, belegten, dass das Treffen nicht allein ursächlich gewesen sei.

92. Das Eingeständnis der Klägerin, dass das Treffen in London zu einer rascheren Beendigung des Preiskriegs beigetragen habe, stützt die Auslegung, dass der Zweck dieses Treffens wettbewerbswidrig war. Selbst wenn es noch andere wirtschaftliche Gründe für die Beendigung des Preiskriegs gegeben haben sollte, ändert dies nichts am wettbewerbswidrigen Zweck des Treffens in London, der darin bestand, Preiserhöhungen herbeizuführen und die Intensität des Wettbewerbs zwischen den betreffenden Unternehmen zu reduzieren.

93. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin in ihrer Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte erklärt hat, sie habe keine Einwände dagegen, dass die Kommission das fragliche Treffen als Zuwiderhandlung gegen Art. 81 Abs. 1 EG qualifiziere. In ihrer Antwort auf eine schriftliche Frage des Gerichts hat sie zudem eingeräumt, dass das Treffen von London eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 Abs. 1 EG darstelle.

94. Die Kommission ist folglich zu Recht davon ausgegangen, dass BPB und Knauf beim Treffen in London ihren gemeinsamen Willen zum Ausdruck gebracht hatten, den Preiskrieg zu beenden und den betroffenen Markt zu stabilisieren. Die vorliegende Rüge ist somit zurückzuweisen.

Zum Informationsaustausch über die Absatzmengen in Deutschland, Frankreich, den Benelux-Staaten und im Vereinigten Königreich

Vorbringen der Parteien

95. Die Klägerin räumt ein, dass Herr [A] und die Knauf-Vettern entweder beim Treffen von London oder etwas später im selben Jahr übereingekommen seien, stark aggregierte Daten zu den jeweiligen Absatzmengen für 1991 auszutauschen. Nach Aussage von Herrn [A] sei dies jedoch geschehen, um ihm einen genaueren Eindruck von der Marktdimension und folglich dem Marktanteil der Klägerin zu verschaffen, damit er feststellen könne, ob sich die Stimmung in der Industrie verändert habe. Die Klägerin räumt ferner ein, dass dieser Informationsaustausch möglicherweise zur Beendigung des Preiskriegs beigetragen habe. Sie bestreitet jedoch, dass der Austausch, der ab 1993 jeweils von Herrn [D], Mitglied des Verwaltungsrats von Gyproc und Generaldirektor von BPB in den Jahren 1994 bis 1999, beschlossen worden sei, mit dem zweimaligen jährlichen Austausch von Daten im Zusammenhang gestanden habe. Die Klägerin bestreitet außerdem, dass der betreffende Austausch ein Mittel zur Kontrolle der Umsetzung einer Vereinbarung oder Verständigung zwischen Herstellern gewesen sei. Die Kommission habe insoweit keine Beweise für eine Leitungs- und Kontrollstruktur im Hinblick auf die Umsetzung des Kartells vorgelegt. Die Klägerin trägt vor, sie wäre von ihren Kunden unterrichtet worden, wenn ihre Konkurrenten niedrigere Preise praktiziert hätten als sie selbst, und sie hätte nicht monatelang gewartet, um durch den Informationsaustausch von der Entwicklung der Marktanteile zu erfahren.

96. Die Kommission habe die Beweise außer Acht gelassen, die sich aus der Art der tatsächlich ausgetauschten Informationen ergäben. Der Austausch sei zunächst jährlich, dann halbjährlich, jedoch nie häufiger als vierteljährlich erfolgt. Es habe sich überdies um stark aggregierte Daten gehandelt, und zwar die als eine einzige Zahl ausgedrückte Gesamtoberfläche in m 2 aller im relevanten Zeitraum verkauften Gipskartonplattenprodukte in sämtlichen Dicken, Abmessungen und Spezifikationen. Zwischen den Produkten bestünden zudem enorme Preisunterschiede. Darüber hinaus bezögen sich die Informationen auf nationale Märkte und im Fall der Benelux-Staaten sogar auf ein darüber hinausgehendes Gebiet. Die Informationen seien auch nicht regelmäßig ausgetauscht worden. Aus diesen Gründen habe der Austausch kein Mechanismus zur genauen Marktüberwachung sein können.

97. Die Auffassung der Kommission werde auch dadurch widerlegt, dass sich die Marktanteile im fraglichen Zeitraum erheblich verändert hätten. Außerdem sei es zu Preissenkungen gekommen. Die Kommission habe zudem keinen Beweis für einen systematischen Versuch einer Anpassung der Marktanteile oder der Preise vorgelegt. All diese Umstände belegten überzeugend, dass im vorliegenden Fall kein Kartell bestanden habe.

98. Die Kommission unterstreicht, dass die Klägerin nicht den Austausch als solchen leugne, sondern seinen Zweck bestreite. Sie sei auf dieses Vorbringen in den Randnrn. 104 bis 170 der angefochtenen Entscheidung ausführlich eingegangen.

99. Das Argument, es habe keine „Leitungs- und Kontrollstruktur“ gegeben, sei irrelevant. Nach der Rechtsprechung bedeute der Umstand, dass keine Maßnahmen ergriffen worden seien, um die Unternehmen zu zwingen, sich an Absprachen zu halten, nicht, dass keine Zuwiderhandlung begangen worden sei. Das Fehlen von Beweisen zeige lediglich, dass keine Strafmaßnahmen erforderlich gewesen seien.

100. Die Kommission wiederholt, sie habe nie behauptet, dass das Kartell jeglichen Wettbewerb ausgeschlossen habe oder dass es festgelegte Quoten oder Marktanteile gegeben habe. Das Kartell habe erkennbar dazu geführt, dass der Gesamtmarkt ins Gleichgewicht gebracht und stabilisiert worden sei, nicht aber notwendigerweise die Anteile an bestimmten Märkten verfestigt.

Würdigung durch das Gericht

101. Die Klägerin hat in ihrer Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte erklärt, sie habe keine Einwände dagegen, dass die Kommission den fraglichen Informationsaustausch als Zuwiderhandlung gegen Art. 81 Abs. 1 EG qualifiziere. In ihrer Antwort auf eine schriftliche Frage des Gerichts hat sie zudem eingeräumt, dass der Austausch von Informationen über die in Deutschland, Frankreich, den Benelux-Staaten und im Vereinigten Königreich verkauften Mengen eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 Abs. 1 EG darstelle. Sie widerspricht jedoch einigen der Beurteilungen, die die Kommission in der angefochtenen Entscheidung vorgenommen hat.

102. BPB räumt ein, dass Herr [A] und die Knauf-Vettern entweder beim Treffen von London oder etwas später im selben Jahr übereingekommen seien, aggregierte Daten zu den jeweiligen Absatzmengen für 1991 auszutauschen. Nach Aussage von Herrn [A] sei dies jedoch geschehen, um ihm einen genaueren Eindruck von der Marktdimension und folglich dem Marktanteil von BPB zu verschaffen, damit er feststellen könne, ob sich die Stimmung in der Industrie verändert habe.

103. Die Klägerin hat ferner eingeräumt, dass der Informationsaustausch, den Herr [A] 1992 und 1993 in Bezug auf die Daten für 1991 und 1992 durchgeführt habe, möglicherweise zur Beendigung des Preiskriegs beigetragen habe. Sie bestreitet jedoch, dass dieser Informationsaustausch ein Kontrollmechanismus gewesen sei, der zu weitergehenden wettbewerbswidrigen Zwecken eingeführt worden sei.

104. Darüber hinaus räumt BPB ein, dass der Austausch von Informationen über die Absatzmengen auf den vier betroffenen Märkten unter Federführung von Herrn [D] ab 1993 halbjährlich und ab 1995 vierteljährlich erfolgt sei. Sie behauptet aber, dass der von Herrn [D] organisierte Austausch mit dem von Herrn [A] durchgeführten ersten und zweiten jährlichen Austausch von Daten nicht im Zusammenhang gestanden habe.

105. Da die Klägerin somit den in Rede stehenden Informationsaustausch eingeräumt hat, soll ihr Vorbringen nur die von der Kommission vorgenommene rechtliche Beurteilung der unstreitigen Tatsachen in Frage stellen.

106. Vereinbarungen über den Austausch von Informationen verstoßen nach der einschlägigen Rechtsprechung gegen die Wettbewerbsregeln, wenn sie den Grad der Ungewissheit über das fragliche Marktgeschehen verringern oder beseitigen und dadurch zu einer Beschränkung des Wettbewerbs zwischen den Unternehmen führen (Urteil des Gerichtshofs vom 23. November 2006, ASNEF-EQUIFAX und Administración del Estado, C‑238/05, Slg. 2006, I‑11125, Randnr. 51).

107. Den Wettbewerbsvorschriften des Vertrags liegt nämlich der Gedanke zugrunde, dass jeder Wirtschaftsteilnehmer selbständig zu bestimmen hat, welche Politik er auf dem Gemeinsamen Markt zu betreiben gedenkt. Ein solches Selbständigkeitspostulat steht nach der angeführten Rechtsprechung jeder unmittelbaren oder mittelbaren Fühlungnahme zwischen Wirtschaftsteilnehmern entgegen, durch die entweder das Marktverhalten eines tatsächlichen oder potenziellen Wettbewerbers beeinflusst oder ein solcher Wettbewerber über das Marktverhalten, zu dem man selbst entschlossen ist oder das man in Erwägung zieht, ins Bild gesetzt wird, wenn die Fühlungnahme bezweckt oder bewirkt, dass Wettbewerbsbedingungen entstehen, die im Hinblick auf die Art der Waren oder erbrachten Dienstleistungen, die Bedeutung und Zahl der beteiligten Unternehmen sowie den Umfang des in Betracht kommenden Marktes nicht dessen normalen Bedingungen entsprechen (Urteil ASNEF-EQUIFAX und Administración del Estado, oben in Randnr. 106 angeführt, Randnr. 52).

108. Was die Rechtmäßigkeit des Informationsaustauschs angeht, ist nach der Rechtsprechung auf einem wirklich vom Wettbewerb geprägten Markt der Umstand, dass ein Wirtschaftsteilnehmer Informationen über das Marktgeschehen, über die er dank des Informationsaustauschsystems verfügt, berücksichtigt, um sein Verhalten auf diesem Markt anzupassen, angesichts der Zersplitterung des Angebots nicht geeignet, bei den anderen Wirtschaftsteilnehmern die Ungewissheit über das künftige Verhalten der Wettbewerber zu verringern oder ganz zu beseitigen. Dagegen ist der Austausch von Marktinformationen auf einem hochgradig konzentrierten oligopolistischen Markt geeignet, den Unternehmen Aufschluss über die Marktpositionen und die Geschäftsstrategie ihrer Wettbewerber zu geben und damit den noch bestehenden Wettbewerb zwischen den Wirtschaftsteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen (Urteil des Gerichtshofs vom 28. Mai 1998, Deere/Kommission, C‑7/95 P, Slg. 1998, I‑3111, Randnrn. 88 und 90).

109. Vorbehaltlich des den betroffenen Wirtschaftsteilnehmern obliegenden Gegenbeweises besteht die Vermutung, dass die an der Abstimmung beteiligten und weiterhin auf dem Markt tätigen Unternehmen die mit ihren Wettbewerbern ausgetauschten Informationen bei der Festlegung ihres Marktverhaltens berücksichtigen. Dies gilt umso mehr, wenn die Abstimmung während eines langen Zeitraums regelmäßig stattfindet (Urteil HFB u. a./Kommission, oben in Randnr. 79 angeführt, Randnr. 216).

110. Im vorliegenden Fall war der Gipsplattenmarkt oligopolistisch strukturiert, was die Klägerin auch nicht bestreitet. Zu prüfen ist deshalb, ob der Informationsaustausch aufgrund dieser Markteigenschaft den Grad der Ungewissheit der betreffenden Unternehmen über das fragliche Marktgeschehen verringerte oder beseitigte und dadurch den Wettbewerb auf diesem Markt beschränkte.

111. Die Klägerin ist der Ansicht, der Informationsaustausch habe nach seiner Ausgestaltung nur ein Ziel erreichen können, nämlich die individuellen Einschätzungen der Marktverhältnisse, insbesondere der Marktgröße, im Groben zu verifizieren.

112. Diese Erklärung überzeugt nicht. Aus den Ausführungen, die Herr [D] in seiner Aussage vom 9. Juli 2001 gemacht hat, um den Informationsaustausch zu rechtfertigen, geht nämlich hervor, dass die Daten zwar von Nutzen waren, um einen Eindruck von der Marktgröße zu gewinnen, dass sie es aber auch ermöglichten, die Markttendenzen und die Marktanteile der Wettbewerber zu ermitteln, so dass „man sich nicht völlig im Dunkeln bewegte“.

113. Aus denselben Gründen kann auch dem Vorbringen der Klägerin, dass der Markt transparent gewesen sei und die Daten dem Markt hätten entnommen werden können, nicht zugestimmt werden.

114. Diese Feststellung wird durch die Antwort von BPB vom 28. Oktober 1999 auf das zweite Auskunftsersuchen untermauert, die in Randnr. 58 der angefochtenen Entscheidung zitiert ist:

„[Die Vertreter von Knauf und BPB haben] vereinbart, ‚die Zahlen über die Verkaufsmengen 1991 auszutauschen, um künftig eine zuverlässige Grundlage für die Überprüfung der Umsetzung der Vereinbarung (´understanding´) zu haben (d. h. um sich gegenseitig ein deutlicheres Bild des Marktvolumens und der eigenen Marktanteile zu geben). Dies sei notwendig gewesen, da es keine zuverlässigen Statistiken über diesen Gewerbezweig gab.‘“

115. In dieser Hinsicht ist der Nachweis des kollusiven Charakters des Informationsaustauschs noch überzeugender, wenn die Erwiderung von BPB auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte mit berücksichtigt wird. In Randnr. 106 der angefochtenen Entscheidung heißt es nämlich:

„BPB hat später erläutert, dass der Zweck der Vereinbarung über den Austausch von Informationen mit Knauf darin bestanden habe, Herrn [A] ‚eine Grundlage zu verschaffen, um zu ermitteln, ob sich die Stimmung in der Industrie geändert hatte‘ d. h., ‚der Informationsaustausch auf hoher Ebene würde ein gewisses Maß an gegenseitiger Zusicherung gewährleisten, dass der Preiskrieg zu Ende gehen würde‘. BPB hat im Übrigen ausdrücklich eingeräumt, dass der von Herrn [A] durchgeführte Informationsaustausch zum Ziel gehabt habe, den zu Beginn der 90er Jahre in der Gipsplattenindustrie herrschenden heftigen Wettbewerb zu beenden: ‚Der sich anschließende, von Herrn [A] durchgeführte zweimalige Austausch zurückliegender Daten kann zur Herbeiführung des Endes des Preiskrieges beigetragen haben bzw. dazu bestimmt gewesen sein.‘“

116. Das Vorbringen der Klägerin, mangels Aussagekraft der ausgetauschten Absatzangaben habe es keine Wettbewerbsbeschränkung gegeben, weil die Zahlen in sehr grober und ungenauer Form übermittelt worden seien, ohne dass sie zwischen den unterschiedlichen Arten von Gipskartonplatten differenziert hätten, ist unbeachtlich, da der Informationsaustausch zwischen den betreffenden Unternehmen dazu diente, zu überwachen, dass ihre jeweiligen Marktanteile stabil blieben oder zumindest nicht kleiner wurden. Da die Klägerin und Knauf beim Treffen in London einen gemeinsamen Willen zum Ausdruck gebracht hatten, den Preiskrieg zu beenden und die fraglichen Märkte zu stabilisieren, genügte zur Erreichung dieses Ziels, dass die betreffenden Unternehmen wussten, dass sie bei einer Beendigung des Preiskriegs keine Marktanteile verlieren würden. Zu diesem Zweck genügten die allgemeinen Verkaufszahlen, die eine Berechnung der Marktanteile ermöglichten. Dies erklärt auch, weshalb bei den Zahlen nicht zwischen den unterschiedlichen Arten von Gipskartonplatten differenziert zu werden brauchte.

117. Das Vorbringen der Klägerin, der Datenaustausch sei nicht regelmäßig erfolgt und deshalb handele es sich nicht um einen Kontrollmechanismus, kann den wettbewerbswidrigen Charakter dieses Informationsaustauschs, der, wie die Klägerin selbst in ihrer Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte eindeutig erklärt hat, die Beendigung des Preiskriegs bezweckte, keineswegs in Frage stellen.

118. Das Vorbringen von BPB, es sei zwischen dem 1991 und 1992 von Herrn [A] durchgeführten Informationsaustausch und dem von Herrn [D] vorgenommenen Informationsaustausch zu unterscheiden, ist eine bloße Behauptung, die jeder konkreten Grundlage entbehrt. Herr [A] hat nämlich in seiner Aussage erläutert, dass er Herrn [D] 1993 vor einem zu häufigen Austausch gewarnt habe, was belegt, dass beide über die Fortdauer des Austauschs gut unterrichtet waren. Dass der Austausch von zwei verschiedenen Personen vorgenommen wurde, hängt folglich mit dem Wechsel an der Spitze von BPB zusammen. Zudem decken sich die Begründungen für den jeweiligen Informationsaustausch insbesondere in Bezug auf dessen Zweck. In seiner Darstellung des von ihm ab 1993 betriebenen Austauschs hat Herr [D] erklärt, dass die Daten, obwohl sie stark aggregiert gewesen seien, von Nutzen gewesen seien, um einen Eindruck von der Marktgröße und den Markttendenzen zu gewinnen, und dass die Kenntnis der Marktanteile der Wettbewerber bewirkt habe, dass „man sich nicht völlig im Dunkeln bewegte“.

119. Der kollusive Charakter des Informationsaustauschs über die von 1992 bis 1998 in Deutschland, Frankreich, den Benelux-Staaten und im Vereinigten Königreich verkauften Mengen ist folglich hinreichend bewiesen.

Zum Informationsaustausch über die Absatzmengen im Vereinigten Königreich

Vorbringen der Parteien

120. Die Klägerin trägt vor, der Austausch von Informationen über den Markt des Vereinigten Königreichs habe ihr eine bessere Kenntnis vom Gesamtumfang des Gipsplattenmarkts des Vereinigten Königreichs und von ihrem Anteil an diesem Markt verschaffen sollen.

121. Auch wenn es sich bei den ausgetauschten Daten um stark aggregierte monatliche Daten zu den Absatzmengen gehandelt habe, sei der Austausch nicht monatlich erfolgt, sondern sporadisch und nur in Bezug auf Informationen, die mehrere Monate betroffen hätten.

122. Die Kommission entgegnet, dass sie nicht behaupte, der Datenaustausch sei monatlich erfolgt, sondern lediglich, dass er bemerkenswert konstant gewesen sei (sieben Jahre in Folge) und dass das Vorbringen, die Informationen seien unregelmäßig und nach Bedarf ausgetauscht worden, durch die Tabelle von Herrn [N], dem Generaldirektor von British Gypsum (im Folgenden: BG), der Tochtergesellschaft von BPB im Vereinigten Königreich, widerlegt werde, der ein regelmäßiger Informationsfluss entnommen werden könne.

Würdigung durch das Gericht

123. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin in ihrer Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte erklärt hat, sie habe keine Einwände dagegen, dass die Kommission den Austausch von Informationen über die Absatzmengen im Vereinigten Königreich als Zuwiderhandlung gegen Art. 81 Abs. 1 EG qualifiziere. In ihrer Antwort auf eine schriftliche Frage des Gerichts hat sie zudem eingeräumt, dass dieser Austausch von 1992 bis Anfang 1998 stattgefunden habe und eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 Abs. 1 EG darstelle.

124. Sodann ist festzustellen, dass die Kommission in ihrer Antwort auf eine schriftliche Frage des Gerichts bestätigt hat, dass sowohl der Informationsaustausch über den Absatz auf dem Markt des Vereinigten Königreichs als auch der Austausch über den Absatz auf den vier betroffenen Märkten Teil der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung seien, selbst wenn ihre wettbewerbswidrigen Auswirkungen möglicherweise die gleichen gewesen seien und einander verstärkt hätten, soweit sie den Markt des Vereinigten Königreichs betroffen hätten. Da die Klägerin Zweck und Häufigkeit des Austauschs von Daten zu den Absatzmengen auf dem Markt des Vereinigten Königreichs bestreitet, ist zu prüfen, ob die angefochtene Entscheidung bezüglich dieses Austauschs fehlerhaft ist.

125. Zum Zweck des Austauschs von Daten zu den Absatzmengen auf dem Markt des Vereinigten Königreichs hat die Kommission in Randnr. 171 der angefochtenen Entscheidung festgestellt, dass dieser Austausch dasselbe Ziel gehabt habe wie der Austausch von Angaben zu den Absatzmengen auf den vier betroffenen Märkten. Die Klägerin macht hingegen geltend, dass es darum gegangen sei, eine bessere Kenntnis vom Gesamtumfang des Gipsplattenmarkts des Vereinigten Königreichs und von ihrem Anteil an diesem Markt zu erlangen.

126. Die Begründung der Klägerin kann diesem Informationsaustausch angesichts des Gesamtzusammenhangs der fraglichen Zuwiderhandlung, der durch die Verfolgung des beim Treffen in London zum Ausdruck gebrachten Zieles der Beendigung des Preiskriegs gekennzeichnet war, nicht seinen wettbewerbswidrigen Charakter nehmen.

127. Das Vorbringen der Klägerin, der Umstand, dass die Daten monatlich in den Tabellen zusammengestellt worden seien, belege nicht, dass auch der Datenaustausch in diesen Abständen erfolgt sei, geht im vorliegenden Fall ins Leere. Selbst wenn nämlich die Angaben zu den Verkaufsmengen weniger häufig ausgetauscht worden wären, würde dies aus den gleichen Gründen, wie sie für den Austausch von Daten zu den vier betroffenen Märkten dargelegt wurden, nicht die Schlussfolgerung widerlegen, dass ein solcher Austausch wettbewerbswidrig war. Auf jeden Fall hat die Klägerin keine Beweise dafür vorgelegt, dass der Austausch, obwohl die Daten monatlich zusammengestellt wurden, nicht monatlich erfolgte. Die Klägerin ist somit den Beweis dafür schuldig geblieben, dass die Feststellung der Kommission in Randnr. 194 der angefochtenen Entscheidung, die systematische und eingehende Tabelle von Herrn [N] habe einen regelmäßigen Austausch von Informationen vorausgesetzt, unrichtig ist.

128. Die Kommission hat den Austausch von Daten zu den Absatzmengen auf dem Markt des Vereinigten Königreichs folglich nicht falsch beurteilt.

Zum Informationsaustausch über die Preiserhöhungen im Vereinigten Königreich für den Zeitraum von 1992 bis 1998

Vorbringen der Parteien

129. Die Klägerin macht geltend, die Kommission sei nirgends zu dem Ergebnis gekommen, dass die Hersteller die parallelen Preiserhöhungen anders als unabhängig voneinander beschlossen hätten.

130. Die Beweise, auf die sich die Kommission stütze, bestünden erstens in dem Gespräch von 1996 zwischen den Gebietsleitern von Knauf und von BG, zweitens in dem Gespräch von 1998 zwischen dem Vertriebsleiter von Lafarge und einem Mitarbeiter der Vertriebsabteilung von BG und drittens in ein oder zwei Mitteilungen, mit denen Herr [N] seine Gesprächspartner über Preiserhöhungen unterrichtet habe.

131. Die Kommission habe diesen isolierten Vorgängen eine ungerechtfertigte Bedeutung beigemessen. Zudem seien zwischen den ersten beiden Kontakten zwei Jahre vergangen, und die Gespräche hätten bei gesellschaftlichen Anlässen stattgefunden. Auch die Mitteilungen von Herrn [N] hätten sich auf ein oder zwei Fälle beschränkt, und entgegen den Behauptungen der Kommission handele es sich nicht um einen Informationsaustausch, sondern um einseitige Mitteilungen.

132. Die Klägerin widerspricht der Feststellung der Kommission, dass diese Kontakte das Vorliegen einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung bestätigten. Die Kontakte hätten nur zwischen November 1996 und März 1998 stattgefunden und lediglich das Vereinigte Königreich betroffen.

133. Die Kommission macht geltend, sie habe nie behauptet, dass die Preise Gegenstand von Übereinkünften oder Verhandlungen gewesen seien. Der Umstand als solcher, dass die Kontakte hinsichtlich bestimmter Preiserhöhungen intern festgehalten worden seien, belege ihre Bedeutung.

134. Unter Bezugnahme auf die Randnrn. 471 bis 477 der angefochtenen Entscheidung vertritt die Kommission die Auffassung, dass dieser Informationsaustausch eine abgestimmte Verhaltensweise sei, die zu den einzelnen Ausprägungen der komplexen und fortgesetzten Vereinbarung gehöre, durch die der Wettbewerb zumindest auf den vier großen europäischen Gipsplattenmärkten habe beschränkt werden sollen.

Würdigung durch das Gericht

135. Wie aus der Klageschrift und der Prüfung der Zusammenarbeit von BPB hervorgeht, hat diese selbst die Kommission über den Austausch bezüglich der Preiserhöhungen im Vereinigten Königreich unterrichtet. Außerdem werden die in der angefochtenen Entscheidung angeführten Tatsachen von BPB nicht bestritten.

136. Weiter ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin in ihrer Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte erklärt hat, sie habe keine Einwände dagegen, dass die Kommission die betreffenden Kontakte als Zuwiderhandlung gegen Art. 81 Abs. 1 EG qualifiziere. In ihrer Antwort auf eine schriftliche Frage des Gerichts hat sie zudem eingeräumt, dass der Umstand, dass Herr [N] Knauf und Lafarge ein‑ oder zweimal über die Erhöhungen von Listenpreisen im Vereinigten Königreich informiert habe, eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 Abs. 1 EG darstelle.

137. BPB versucht allerdings, den wettbewerbswidrigen Charakter dieses Austauschs zu relativieren, indem sie behauptet, dass sich diese an Golftagen geführten Gespräche nur auf brancheninternen „Klatsch“ bezogen hätten und dass die Vermerke, in denen sie festgehalten worden seien, die Informationen als solche wiedergäben. Außerdem seien die Auskünfte einseitig mitgeteilt worden. Schließlich wären die Preiserhöhungen ohnehin aufgrund der auf dem Markt kursierenden Informationen bekannt geworden, und der Informationsaustausch habe lediglich in der Mitteilung von bereits getroffenen Entscheidungen bestanden. Im Übrigen habe die Mitteilung nur die Listenpreise betroffen, die nicht den Netto-Netto-Preisen (ohne Nachlässe) entsprächen.

138. Aus den Randnrn. 198 bis 200 der angefochtenen Entscheidung ergibt sich, dass in der Zeit vor dem 7. September 1996 Preiserhöhungen viermal annähernd gleichzeitig angekündigt wurden. So folgte der Ankündigung von BG vom 21. Juli 1992 (Preise gültig ab Ende August 1992) die Ankündigung von Lafarge (Redland) vom 31. Juli 1992 (Preise gültig ab 31. August 1992). Knauf kündigte ihre neuen Preise am 3. August 1992 an (mit einer neuen Preisliste für September 1992).

139. BPB kündigte im November 1993 eine Preiserhöhung um 12 % für Januar 1994 an. Lafarge schloss sich dieser Erhöhung an, während Knauf ihr nicht in vollem Umfang folgte.

140. Knauf kündigte am 29. September 1994 eine Preiserhöhung um ungefähr 6,5 % zum 1. März 1995 an, BPB am 2. Dezember 1994 eine Erhöhung um 9 % zum 27. Februar 1995. Dieser Erhöhung folgte eine identische Preiserhöhung, die Lafarge am 6. Januar 1995 für denselben Tag bekannt gab.

141. Am 22. September 1995 kündigte BG für Standardplatten eine Preiserhöhung um 12 % zum 1. Januar 1996 an. Dieser Ankündigung folgten am 13. Oktober 1995 Lafarge und am 27. Oktober 1995 Knauf mit der Ankündigung der gleichen Preiserhöhung zum 1. Januar 1996.

142. In der Zeit vor dem 7. September 1996 wurden die Preise von BPB, Lafarge und Knauf also in sehr dichten Abständen bzw. sogar gleichzeitig erhöht.

143. Zu prüfen ist daher, ob die annähernde Gleichzeitigkeit der Ankündigungen von Preiserhöhungen und die festgestellte Parallelität der angekündigten Preise ein Bündel von ernsthaften, genauen und übereinstimmenden Indizien für eine vorherige Abstimmung darstellen, die dazu diente, die konkurrierenden Unternehmen über die Preiserhöhungen zu unterrichten. Ein Parallelverhalten kann nur dann als Beweis für eine Abstimmung angesehen werden, wenn es sich nur durch die Abstimmung einleuchtend erklären lässt. Denn Art. 81 EG verbietet zwar jede Form der heimlichen Absprache, die geeignet ist, den Wettbewerb zu verfälschen; er beseitigt aber nicht das Recht der Wirtschaftsteilnehmer, sich dem festgestellten oder erwarteten Verhalten ihrer Konkurrenten auf intelligente Weise anzupassen (Urteil des Gerichtshofs vom 31. März 1993, Ahlström Osakeyhtiö u. a./Kommission, C‑89/85, C‑104/85, C‑114/85, C‑116/85, C‑117/85 und C‑125/85 bis C‑129/85, Slg. 1993, I‑1307, Randnr. 71).

144. Selbst wenn die Abstände zwischen den einzelnen Ankündigungen von Preiserhöhungen es den Unternehmen ermöglicht haben könnten, davon durch vom Markt herrührende Informationen zu erfahren, und selbst wenn diese Erhöhungen nicht immer genau den gleichen Umfang hatten, sind im vorliegenden Fall die annähernde Gleichzeitigkeit der Ankündigungen von Preiserhöhungen und die festgestellte Parallelität der angekündigten Preise starke Indizien für eine vorherige Abstimmung dieser Ankündigungen, da die Erhöhungen in einem Kontext erfolgten, der dadurch gekennzeichnet war, dass, wie die Kommission in der angefochtenen Entscheidung festgestellt hat, die Klägerin und Knauf beim Treffen von London Anfang 1992 Einvernehmen darüber erzielt hatten, den Preiskrieg auf den vier europäischen Märkten zu beenden.

145. Auf jeden Fall hat die Kommission in Randnr. 476 der angefochtenen Entscheidung hinsichtlich des Austauschs von Angaben zu den Preiserhöhungen auf dem Markt des Vereinigten Königreichs unter Bezugnahme auf Randnr. 211 der Entscheidung lediglich den Schluss gezogen, dass es, wie von BPB, Knauf und Lafarge eingestanden worden sei, bei bestimmten Preiserhöhungen Kontakte gegeben habe. Außerdem hat sie in Randnr. 210 der Entscheidung darauf hingewiesen, dass ein paralleles Verhalten der Unternehmen festzustellen sei, die überdies noch weitere geheime Kontakte gepflegt hätten, ohne jedoch daraus zu folgern, dass dieser Parallelität eine Abstimmung vorangegangen sein müsse. Darüber hinaus hat sie durch die Verwendung des Begriffs „jedoch“ in der englischen, der französischen und der niederländischen Fassung von Randnr. 211 der angefochtenen Entscheidung diese bloße Parallelität klar von der eingeräumten Existenz von Kontakten vor den Ankündigungen von Preiserhöhungen abgegrenzt.

146. Für die Zeit nach dem 7. September 1996 wird die Existenz von Kontakten zwischen den Wettbewerbern bezüglich der Preiserhöhungen im Vereinigten Königreich durch folgende schriftliche Beweise belegt.

147. Erstens kündigte Knauf einem internen Vermerk von BG zufolge während des Wochenendes vom 7./8. September 1996 an, dass sie der von BG beschlossenen Preiserhöhung folgen werde, wenn die Absichten von BG ausdrücklich erläutert würden. Wie aus Randnr. 201 der angefochtenen Entscheidung hervorgeht, fand dieses Gespräch statt, bevor BG am 9. September 1996 die Erhöhung ihrer Preise ankündigte.

148. Der betreffenden Preiserhöhung folgte am 20. September 1996 auch die Preiserhöhung von Lafarge.

149. Zweitens dauerten die annähernde Gleichzeitigkeit der Ankündigungen von Preiserhöhungen und die Parallelität der angekündigten Preise fort. So hat die Kommission in den Randnrn. 203 und 204 der angefochtenen Entscheidung festgestellt, dass BG am 3. Juni 1997 für Standardplatten eine Preiserhöhung um 3,8 % zum 1. August 1997 angekündigt hatte. Lafarge wiederum kündigte eine Preiserhöhung um 3,7 % zum 4. August 1997 an und Knauf eine Erhöhung um 3,7 % zum selben Datum wie Lafarge. Außerdem kündigte BG am 27. Januar 1998 eine Preiserhöhung um 4,4 % zum 1. April 1998 an. Lafarge wiederum kündigte eine Erhöhung um 4,1 % zum 6. April 1998 an und Knauf die gleiche Erhöhung zum 1. April 1998.

150. Drittens hatte nach Randnr. 205 der angefochtenen Entscheidung, bevor BG am 8. September 1998 eine Preiserhöhung um 5 % zum 1. November 1998 ankündigte, ein Vertreter von Lafarge einem Angestellten von BG mitgeteilt, dass Lafarge aus finanziellen Gründen nicht bereit sei, der für Anfang Januar des folgenden Jahres vorgesehenen Preiserhöhung zu folgen. Wenn die betreffenden Unternehmen nicht vereinbart hätten, Informationen über die Preiserhöhungen auszutauschen, hätte Lafarge es aber nicht nötig gehabt, den Vertreter von BG darüber zu unterrichten, dass sie der vorgesehenen Erhöhung nicht folgen werde.

151. Viertens hat BPB eingeräumt, dass es von ihr sogenannte „einzelne Gelegenheiten“ gegeben habe, bei denen Herr [N] die Generaldirektoren von Lafarge und Knauf im Vereinigten Königreich angerufen habe, um ihnen die Absichten von BG bezüglich der Preise sowie die geplanten Erhöhungsmargen mitzuteilen (Randnr. 207 der angefochtenen Entscheidung). Auch wenn BPB die Daten dieser Telefonanrufe nicht nennt und sie als „Höflichkeitsanrufe“ bezeichnet, belegen die Anrufe, dass die konkurrierenden Unternehmen Kontakte hinsichtlich der Preiserhöhungen hatten.

152. Unter diesen Umständen hat die Kommission in Randnr. 477 der angefochtenen Entscheidung zu Recht festgestellt, dass es sich bei den Kontakten bezüglich der Preiserhöhungen auf dem Markt des Vereinigten Königreichs um eine nach Art. 81 Abs. 1 EG untersagte abgestimmte Verhaltensweise handelte.

153. Diese Feststellung kann durch das Argument der Klägerin, es habe sich um ein einseitiges Verhalten gehandelt, nicht entkräftet werden. Zwar setzt der Begriff der abgestimmten Verhaltensweise tatsächlich die Existenz gegenseitiger Kontakte voraus. Diese Voraussetzung ist jedoch erfüllt, wenn ein Konkurrent seine Absichten oder sein künftiges Verhalten auf dem Markt einem anderen auf dessen Wunsch mitteilt oder dieser die Mitteilung zumindest akzeptiert (Zement-Urteil, oben in Randnr. 32 angeführt, Randnr. 1849).

154. Was das Vorbringen der Klägerin angeht, die übermittelten Preisinformationen seien den Kunden des betreffenden Unternehmens bereits vor ihrer Mitteilung an die Wettbewerber bekannt gewesen und diese hätten die offengelegten Informationen somit bereits dem Markt entnehmen können, ist daran zu erinnern, dass schon der bloße Umstand, dass Informationen über Wettbewerber erlangt werden, die ein unabhängiger Wirtschaftsteilnehmer als Betriebsgeheimnisse hütet, eine wettbewerbsfeindliche Einstellung zeigt (Urteil des Gerichts vom 12. Juli 2001, Tate & Lyle u. a./Kommission, T‑202/98, T‑204/98 und T‑207/98, Slg. 2001, II‑2035, Randnr. 66). Zudem fanden die Gespräche, für die die Kommission direkte Beweise gefunden hat oder die von der Klägerin eingeräumt wurden, vor den offiziellen Ankündigungen von Preiserhöhungen statt.

155. Angesichts der Umstände des vorliegenden Falles hat die Kommission rechtlich hinreichend nachgewiesen, dass die drei Unternehmen einander im Zeitraum von 1992 bis 1998 über die Preiserhöhungen auf dem Markt des Vereinigten Königreichs unterrichteten.

Zur Stabilisierung der Marktanteile in Deutschland

Vorbringen der Parteien

156. Die Klägerin räumt ein, dass mit dem Treffen in Versailles bezweckt worden sei, eine Vereinbarung zur Stabilisierung der Marktanteile in Deutschland zu erzielen. Dieser Versuch sei jedoch gescheitert. Die spätere Aussage von Gyproc stütze ihre Aussage.

157. Ferner räumt die Klägerin ein, dass bei den Treffen in Brüssel und Den Haag weiter über die Marktanteile der einzelnen relevanten Unternehmen in Deutschland gesprochen worden sei. Diesen Gesprächen sei außerdem ein erneuter Austausch von Informationen über die Marktanteile für die ersten vier Monate von 1998 vorausgegangen. Auch diese Gespräche hätten jedoch nicht zu Ergebnissen geführt.

158. Die Klägerin unterstreicht, dass die Unternehmen sich zwar getroffen hätten und ein gemeinsames Interesse an der Stabilisierung des deutschen Marktes gehabt hätten, dass sie aber keine gemeinsame Verpflichtung eingegangen seien. Das geltende Recht setze jedoch voraus, dass eine solche Verpflichtung eingegangen werde. Unternehmen könnten sich hinsichtlich des von ihnen gewünschten Geschehens einig seien, doch sofern nicht ein Unternehmen dem anderen Unternehmen durch diese Kontakte und sein Verhalten unmissverständlich klar mache, dass es ihm vorschlage, in einem bestimmten Sinne zu handeln, und Letzteres sich hierzu verpflichtet fühle, sei dies rechtlich keine Vereinbarung. Die Kommission könne Verhandlungen nicht einer Vereinbarung gleichstellen.

159. Das Vorgehen der Kommission bestehe in der Behauptung, dass ein gemeinsames Ziel durch die Ausprägungen einer Vereinbarung im Sinne von Art. 81 Abs. 1 EG bewiesen werde und dass die Ausprägungen selbst der Beweis für ein gemeinsames Ziel seien. Dieses Argument sei rechtlich völlig wertlos.

160. Die Kommission habe zu Unrecht angenommen, dass das System des Informationsaustauschs, das die betreffenden Unternehmen im November 1996 über einen Treuhänder eingeführt hätten (im Folgenden: Informationsaustauschsystem), ausgefeilter gewesen sei und ihnen genauere und besser überprüfbare Informationen geliefert habe als der übrige Austausch. Die Klägerin trägt vor, dass die Hersteller die Informationen dem Treuhänder übermittelt hätten, der jedoch keine Überprüfung vorgenommen habe. Der Austausch im Rahmen des Informationsaustauschsystems sei auch nicht häufiger erfolgt als der zwischen den Generaldirektoren der betreffenden Unternehmen; der eine wie der andere habe von 1996 bis 1998 vierteljährlich stattgefunden. Überdies habe der Austausch im Rahmen des Informationsaustauschsystems den betreffenden Unternehmen weniger Informationen an die Hand gegeben als der Austausch zwischen den Generaldirektoren, da der Treuhänder den Unternehmen nur eine Gesamtzahl für die Marktgröße genannt habe.

161. Dass das Informationsaustauschsystem nach dem Treffen von Versailles in Gang gebracht worden sei, beruhe auf einem Zufall.

162. Die Kommission macht geltend, dass die Unternehmen zwar keine Einigung über die Modalitäten der Aufteilung der Anteile am Markt in Deutschland erzielt hätten, aber ihren gemeinsamen Willen zum Ausdruck gebracht hätten, den Wettbewerb auf dem Gipsplattenmarkt zu beschränken, indem sie den deutschen Markt untereinander aufteilten oder ihn zumindest stabilisierten. Dass ein Unternehmen mitteile, es wolle seinen Marktanteil nicht erhöhen, genüge bereits, um seine Konkurrenten über ein entscheidendes Element seiner Strategie zu unterrichten, und sei offensichtlich wettbewerbswidrig. Die Unternehmen hätten sich zu einem bestimmten Verhalten verpflichtet gefühlt, wie die kontinuierlichen Gespräche in diesem Sinne zeigten.

163. Ein Informationsaustausch, den die Beteiligten geheim halten wollten und der auf der Grundlage von Zahlen stattfinde, die für die Festlegung einer künftigen Strategie keine große Bedeutung hätten, könne plausibel nur mit einer stillschweigenden Vereinbarung zwischen den betreffenden Unternehmen erklärt werden, die traditionellen Handelsströme zu respektieren.

164. Zwar hätten die Marktanteile in Deutschland nach dem Treffen in Versailles 1996 weiterhin geschwankt, doch handle es sich um minimale Schwankungen, die ihre Feststellungen untermauerten, da sie niemals behauptet habe, dass es eine förmliche Vereinbarung über eine Aufteilung des Marktes gegeben habe.

165. Das Informationsaustauschsystem verstoße zwar als solches nicht gegen das Gemeinschaftsrecht, es sei aber nicht isoliert zu betrachten, sondern unter Berücksichtigung der Tatsache, dass es eingeführt worden sei, um genauere und besser überprüfbare Informationen zu liefern. Die Behauptung von BPB, dass die Informationen nicht genauer gewesen seien als die zuvor ausgetauschten, mache nicht begreiflich, weshalb sich BPB und die anderen Unternehmen an diesem System beteiligt hätten. Die Erklärung von BPB, dass die Unternehmen die genaue Größe des deutschen Marktes in Erfahrung hätten bringen wollen, stütze lediglich die Auslegung der Kommission.

Würdigung durch das Gericht

166. Dem Vorbringen der Klägerin ist zu entnehmen, dass sie die Treffen in Versailles, Brüssel und Den Haag nicht bestreitet. Darüber hinaus räumt sie ein, dass sie an diesen Treffen teilgenommen und die Lage des deutschen Marktes erörtert habe. Ferner gibt sie zu, dass beim Treffen in Versailles ein Vo rschlag für eine Vereinbarung zur Stabilisierung der Marktanteile in Deutschland auf dem Niveau von 1995 gemacht worden sei.

167. Sie meint jedoch, die Kommission habe nicht bewiesen, dass die betreffenden Unternehmen eine gemeinsame Verpflichtung eingegangen seien. Das geltende Recht setzte voraus, dass eine solche Verpflichtung eingegangen werde. Im vorliegenden Fall sei aber über eine Vereinbarung nur verhandelt worden.

168. Die Frage, in der sich die Klägerin und die Kommission nicht einig sind, betrifft folglich die rechtliche Bewertung der Treffen in Versailles, Brüssel und Den Haag sowie des Informationsaustauschsystems.

169. Zum Vorbringen der Klägerin, mit dem dargetan werden soll, dass keine Vereinbarung über die Aufteilung der Marktanteile in Deutschland getroffen worden sei, ist zu bemerken, dass die Kommission in Randnr. 469 der angefochtenen Entscheidung festgestellt hat, dass „eine Vereinbarung zwischen den [betreffenden Unternehmen] getroffen wurde, mit der sie den deutschen Markt aufzuteilen oder zumindest zu stabilisieren trachteten, und dass diese Vereinbarung ein besonderes Beispiel für eine komplexe, fortdauernde Vereinbarung darstellte, die eine Beschränkung des Wettbewerbs zumindest auf den vier großen europäischen Gipsplattenmärkten bezweckte“. Außerdem geht aus den Randnrn. 462, 463, 465 und 469 der angefochtenen Entscheidung hervor, dass die Kommission der Ansicht war, unabhängig von der Frage, ob eine solche Vereinbarung getroffen worden sei, hätten die betreffenden Unternehmen, indem sie ihren gemeinsamen Willen zum Ausdruck gebracht hätten, den deutschen Markt aufzuteilen oder zumindest zu stabilisieren, eine Vereinbarung im Sinne von Art. 81 Abs. 1 EG getroffen.

170. Selbst wenn der Kommission nicht der Nachweis gelungen sein sollte, dass die mit Geldbußen belegten Unternehmen eine Vereinbarung im engeren Sinne über die Aufteilung der Marktanteile in Deutschland getroffen hatten, würde somit genügen, dass sich aus den nicht bestrittenen Tatsachen ergibt, dass die fraglichen Unternehmen bewusst eine praktische Zusammenarbeit an die Stelle des mit Risiken verbundenen Wettbewerbs hatten treten lassen, indem sie zur Stabilisierung des deutschen Marktes in direktem Kontakt miteinander geblieben waren. Zu prüfen ist folglich, ob dies hier der Fall war.

171. Was das Treffen in Versailles im Juni 1996 angeht, wird weder bestritten, dass es stattgefunden hat, noch, dass die fraglichen Unternehmen bei dem Treffen ihre tatsächlichen Verkaufszahlen für 1995 offenlegten, dass sie die Stabilisierung ihrer Anteile am deutschen Markt erörterten und dass Gyproc mit dem ihr von den übrigen Unternehmen vorgeschlagenen Marktanteil nicht einverstanden war.

172. Auch das Treffen in Brüssel am 4. Dezember 1997 räumt BPB ein und bemerkt, dass es auch die Gelegenheit geboten habe, die Stabilisierung des deutschen Marktes zu erörtern.

173. Das Treffen in Den Haag im Mai 1998 wird von BPB ebenfalls nicht bestritten. Die Gespräche hätten jedoch, auch wenn sie die Lage in Deutschland betroffen hätten, zu keinem konkreten Ergebnis geführt. Hierzu geht aus Randnr. 257 der angefochtenen Entscheidung hervor, dass die Teilnehmer laut Gyproc die Zahlen für ihre Absatzmengen in Deutschland für die ersten vier Monate des Jahres 1998 austauschten, dass jeder Teilnehmer mitteilte, welchen Marktanteil er in Deutschland wünschte, und dass die Beteiligten, da die Summe der Marktanteile 101 % ergab, Gyproc vorschlugen, ihren Marktanteil auf 11 % zu beschränken, was diese jedoch ablehnte.

174. Aus dem Vorstehenden folgt, dass, selbst wenn eine spezielle Vereinbarung über die Aufteilung des deutschen Marktes weder beim Treffen in Versailles noch bei den späteren Treffen in Brüssel und Den Haag getroffen werden konnte, die betreffenden vier Unternehmen einen gemeinsamen Willen zum Ausdruck brachten, den deutschen Markt zu stabilisieren und damit den Wettbewerb zu beschränken. So beweist die Abhaltung des Treffens in Versailles die Existenz eines Einvernehmens über eine grundsätzliche Aufteilung des deutschen Marktes zwischen BPB, Knauf, Lafarge und Gyproc, wie die Kommission in Randnr. 264 der angefochtenen Entscheidung geltend gemacht hat.

175. BPB bestreitet nämlich nicht, dass ungeachtet der Haltung von Gyproc die drei übrigen Unternehmen – Knauf, Lafarge und sie selbst – einander beim Treffen in Versailles offenlegten, mit welchen Marktanteilen sie einverstanden wären, und dass diese Marktanteile den tatsächlichen Marktanteilen dieser Unternehmen entsprachen. In diesem Zusammenhang ist außerdem darauf hinzuweisen, dass die Unternehmen nicht bestreiten, dass sie beim Treffen in Versailles ihre Verkaufszahlen für 1995 austauschten.

176. Zu berücksichtigen ist ferner das Informationsaustauschsystem. Die Existenz dieses Systems untermauert die Auffassung der Kommission, dass die betreffenden Unternehmen den deutschen Markt stabilisieren wollten. Der Treuhänder erhielt nämlich von jedem Hersteller vertraulich dessen Verkaufszahlen, stellte sie zu Gesamtzahlen zusammen und teilte sie sämtlichen Teilnehmern mit. Anhand dieser Zahlen konnte jeder Teilnehmer seinen eigenen Marktanteil, nicht aber den der anderen ermitteln. Die Zahlen – die Verkaufszahlen des jeweiligen Teilnehmers – wurden vierteljährlich übermittelt. Darüber hinaus teilten die Hersteller dem Treuhänder vertraulich die Zahlen für Januar bis Dezember 1995 und für Januar bis September 1996 mit.

177. Das Informationsaustauschsystem ermöglichte mithin den betreffenden Unternehmen, zu kontrollieren, ob ihre Anteile am deutschen Markt relativ stabil blieben.

178. Was die rechtliche Beurteilung dieser Situation angeht, genügt der Umstand, dass ein Unternehmen seinen Wettbewerbern zur Vorbereitung eines Kartells Auskünfte erteilt, als Beweis für das Vorliegen einer abgestimmten Verhaltensweise im Sinne von Art. 81 EG (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 6. April 1995, Tréfilunion/Kommission, T‑148/89, Slg. 1995, II‑1063, Randnr. 82).

179. Der Begriff der abgestimmten Verhaltensweise im Sinne von Art. 81 Abs. 1 EG erfasst nämlich eine Form der Koordinierung zwischen Unternehmen, die zwar noch nicht bis zum Abschluss eines Vertrags im eigentlichen Sinn gediehen ist, jedoch bewusst eine praktische Zusammenarbeit an die Stelle des mit Risiken verbundenen Wettbewerbs treten lässt (Urteile Suiker Unie u. a./Kommission, oben in Randnr. 81 angeführt, Randnr. 26, sowie Ahlström Osakeyhtiö u. a./Kommission, oben in Randnr. 143 angeführt, Randnr. 63).

180. Die Kriterien der Koordinierung und der Zusammenarbeit, die Voraussetzungen für eine abgestimmte Verhaltensweise sind, verlangen nicht die Ausarbeitung eines eigentlichen „Plans“; sie sind vielmehr im Sinne des Grundgedankens der Wettbewerbsvorschriften des EG-Vertrags zu verstehen, wonach jeder Wirtschaftsteilnehmer selbständig zu bestimmen hat, welche Politik er auf dem Gemeinsamen Markt betreiben und welche Bedingungen er seiner Kundschaft gewähren will (Urteile des Gerichtshofs Deere/Kommission, oben in Randnr. 108 angeführt, Randnr. 86, und vom 2. Oktober 2003, Thyssen Stahl/Kommission, C‑194/99 P, Slg. 2003, I‑10821, Randnr. 82).

181. Es ist zwar richtig, dass dieses Selbständigkeitspostulat den Wirtschaftsteilnehmern nicht das Recht nimmt, sich dem festgestellten oder erwarteten Verhalten ihrer Wettbewerber auf intelligente Weise anzupassen; es steht jedoch streng jeder unmittelbaren oder mittelbaren Fühlungnahme zwischen den Wirtschaftsteilnehmern entgegen, die bezweckt oder bewirkt, dass Wettbewerbsbedingungen entstehen, die im Hinblick auf die Art der Waren oder erbrachten Dienstleistungen, die Bedeutung und Zahl der beteiligten Unternehmen sowie den Umfang des in Betracht kommenden Marktes nicht den normalen Bedingungen dieses Marktes entsprechen (Urteile Deere/Kommission, oben in Randnr. 108 angeführt, Randnr. 87, und vom 2. Oktober 2003, Thyssen Stahl/Kommission, oben in Randnr. 180 angeführt, Randnr. 83).

182. Wie das Gericht im Zement-Urteil (oben in Randnr. 32 angeführt, Randnr. 1852) festgestellt hat, muss außerdem zum Nachweis einer abgestimmten Verhaltensweise nicht dargetan werden, dass der betreffende Konkurrent sich förmlich gegenüber einem oder mehreren anderen zu einem bestimmten Verhalten verpflichtet hat oder dass die Konkurrenten gemeinsam ihr zukünftiges Verhalten auf dem Markt festgelegt haben. Es genügt, dass der Konkurrent durch seine Absichtserklärung die Ungewissheit über das von ihm zu erwartende Marktverhalten beseitigt oder zumindest erheblich verringert hat.

183. Die Kommission hat hierzu in Randnr. 466 der angefochtenen Entscheidung zutreffend festgestellt, dass ein Unternehmen schon mit dem Hinweis, keinen höheren als den bereits erreichten Marktanteil anzustreben, seine Konkurrenten über ein entscheidendes Element seiner Strategie unterrichtet.

184. Im Übrigen ist daran zu erinnern, dass es sich bei dem relevanten Markt um einen hochgradig konzentrierten oligopolistischen Markt handelt. Auf einem solchen Markt ist ein Informationsaustausch geeignet, den Unternehmen Aufschluss über die Marktposition ihrer Wettbewerber und deren Geschäftsstrategie zu geben und damit den noch bestehenden Wettbewerb zwischen den Wirtschaftsteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen (Urteile Deere/Kommission, oben in Randnr. 108 angeführt, Randnrn. 88 bis 90, und vom 2. Oktober 2003, Thyssen Stahl/Kommission, oben in Randnr. 180 angeführt, Randnr. 84).

185. Was sodann das Vorbringen der Klägerin angeht, die Kommission argumentiere im Zirkelschluss, ist darauf hinzuweisen, dass die Umstände des vorliegenden Falles nicht getrennt als einzelne Zuwiderhandlungen, sondern im Gesamtzusammenhang als mögliche Bestandteile einer einzigen Zuwiderhandlung zu prüfen sind, die bezweckt, den Wettbewerb auf dem Gipsplattenmarkt auf den vier betroffenen europäischen Märkten zu beschränken. Nach der Rechtsprechung sind nämlich die Indizien, die die Kommission in der Entscheidung anführt, um einen Verstoß gegen Art. 81 Abs. 1 EG zu beweisen, nicht einzeln, sondern in ihrer Gesamtheit zu würdigen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofs vom 14. Juli 1972, ICI/Kommission, 48/69, Slg. 1972, 619, Randnr. 68).

186. Angesichts des allgemeinen Rahmens des Ziels einer Stabilisierung der betroffenen Märkte konnte der Austausch von Informationen über den deutschen Markt den fraglichen Unternehmen zudem ermöglichen, zu kontrollieren, dass die Marktanteile der Wettbewerber stabil blieben.

187. Was schließlich das Vorbringen der Klägerin angeht, in Ermangelung einer Vereinbarung hätte die Kommission zumindest Auswirkungen auf den Markt beweisen müssen, ist daran zu erinnern, dass bei der Anwendung von Art. 81 Abs. 1 EG die konkreten Auswirkungen einer Vereinbarung nicht berücksichtigt zu werden brauchen, wenn sich ergibt, dass diese eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezweckt (Urteil Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Randnr. 36 angeführt, Randnr. 261).

188. Desgleichen fällt eine abgestimmte Verhaltensweise auch dann unter Art. 81 Abs. 1 EG, wenn es keine wettbewerbswidrigen Auswirkungen auf den Markt gibt. Schon aus dem Wortlaut dieser Bestimmung ergibt sich nämlich, dass abgestimmte Verhaltensweisen ebenso wie Vereinbarungen zwischen Unternehmen und Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen unabhängig von ihrer Wirkung verboten sind, wenn sie einen wettbewerbswidrigen Zweck haben (Urteil des Gerichtshofs vom 21. September 2006, Nederlandse Federatieve Vereniging voor de Groothandel op Elektrotechnisch Gebied/Kommission, C‑105/04 P, Slg. 2006, I‑8725, Randnrn. 137 und 138).

189. Ferner setzt der Begriff der abgestimmten Verhaltensweise zwar ein bestimmtes Marktverhalten der beteiligten Unternehmen voraus, verlangt aber nicht notwendigerweise, dass dieses Verhalten sich konkret als Einschränkung, Verhinderung oder Verfälschung des Wettbewerbs auswirkt (Urteil Nederlandse Federatieve Vereniging voor de Groothandel op Elektrotechnisch Gebied/Kommission, oben in Randnr. 188 angeführt, Randnr. 139).

190. Angesichts des Gesamtzusammenhangs der Rechtssache ist das Gericht der Auffassung, dass die Kommission auf der Grundlage der nicht bestrittenen Tatsachen rechtlich hinreichend nachgewiesen hat, dass die betreffenden Unternehmen, auch wenn sie nicht zu einer konkreten Vereinbarung über die Aufteilung des deutschen Marktes gelangt sein sollten, ihren gemeinsamen Willen zum Ausdruck gebracht hatten, sich auf diesem Markt in einer bestimmten Weise zu verhalten, nämlich durch Stabilisierung des Marktes den Wettbewerb zu beschränken.

Zum Informationsaustausch über Preiserhöhungen in Deutschland

Vorbringen der Parteien

191. Die Klägerin bestreitet die Behauptung der Kommission, dass die Hersteller einander von Ende 1994 bis September 1998 über ihre Absichten unterrichtet hätten oder dass in diesem Zeitraum der Zeitpunkt und die Höhe der geplantem Preiserhöhungen koordiniert worden seien. Die Kommission habe ihre Behauptungen nicht hinreichend belegt. Dass der Wettbewerb auf dem deutschen Markt fortbestanden habe, zeige im Gegenteil, dass die Hersteller weiterhin unabhängig voneinander gehandelt hätten. Jedenfalls könnten die fraglichen Kontakte nicht belegen, dass es einen gemeinsamen Willen gegeben habe oder dass 1992 eine Vereinbarung getroffen worden sei.

192. Zu den angeblichen direkten Kontakten mit den Wettbewerbern bezüglich der Preiserhöhungen in Deutschland habe sie erklärt, dass sie keine Kopien ihrer eigenen Preiserhöhungen an ihre Konkurrenten gesandt habe. Was die Preistabellen angehe, die Knauf ihren Konkurrenten zugesandt habe, könnten diese Informationen keine geheime Preisabsprache darstellen, weil die Schreiben Preiserhöhungen beträfen, die auf dem Markt bereits weitgehend bekannt gewesen oder vorweggenommen worden seien. Überdies seien die Katalogpreise häufig durch Rabatte gesenkt worden.

193. Die Klägerin bestreitet, dass der Vermerk von Lafarge vom 17. Dezember 1996 nach dem Preisgespräch zwischen Herrn [V], dem Vertriebsdirektor von Rigips (der deutschen Tochtergesellschaft von BPB), und Herrn [X], dem Leiter von Lafarge Gips, verfasst worden sei. Sie habe stets bestritten, dass dieses Gespräch stattgefunden habe. Die Klägerin weist ferner die Feststellung der Kommission zurück, dass dieser Vermerk ein Beweis für direkte Kontakte zwischen den Herstellern sei. Zur Parallelität der Preiserhöhungen führt sie aus, auf einem oligopolistischen Markt sei es zumindest bezüglich der Listenpreise normal, dass Unternehmen ihre Preise denen ihrer Konkurrenten anglichen und parallel handelten. Der Wettbewerb im Bereich der Netto-Netto-Preise sei aber intensiv fortgeführt worden.

194. Der Vermerk von Lafarge vom 7. Oktober 1998 beschreibe den gewöhnlichen Mechanismus der Preiserhöhungen auf einem oligopolistischen Markt. Aus dem Vermerk gingen mehrere Tatsachen hervor, die den Behauptungen der Kommission widersprächen, etwa, dass die Hersteller auch nach der Erhöhung der Tabellenpreise Rabatte gewährt hätten, dass Rigips acht Wochen vor der Abfassung des Vermerks eine Preiserhöhung angekündigt habe, andere Hersteller dieser Erhöhung jedoch nicht gefolgt seien, dass Unsicherheit hinsichtlich der Reaktionen der Wettbewerber auf eine Preiserhöhung bestanden habe, dass die meisten Preiserhöhungen in den Jahren zuvor begrenzt gewesen seien und dass Lafarge bis 1993/1994 versucht habe, Marktanteile zu erobern.

195. Der interne Vermerk von Knauf vom 15. November 1993 wiederum habe zwar ein möglicherweise wettbewerbswidriges Verhalten empfohlen, doch bedeute dies nicht, dass tatsächlich so gehandelt worden sei.

196. Zum internen Vermerk von Rigips vom Oktober 1994 meint die Klägerin, die Worte „es wird erwartet, dass die erwähnten Preise auf dieser Höhe eingefroren werden“ ließen keine geheime Absprache erkennen, sondern enthielten lediglich eine Bewertung der Perspektiven für die Preisentwicklung durch Rigips.

197. Hinsichtlich der Preiserhöhung vom 1. Dezember 1995 bestreitet die Klägerin, dass das Scheitern dieser Anhebung der Grund für das Treffen von Versailles gewesen sei. Die Preissenkungen von Dezember 1995 bis Juni 1996 belegten nicht das Vorhandensein, sondern vielmehr das Fehlen einer Vereinbarung.

198. Im Zusammenhang mit den Preiserhöhungen im September 1997 bestreitet die Klägerin, dass sie sich an den Versuchen anderer Hersteller beteiligt habe, ein Abwerben von Kunden zu verhindern. Zwar hätten die Hersteller Gespräche über die Marktaufteilung geführt, doch hätten diese Gespräche nicht zu Ergebnissen geführt. Der Wettbewerb auf dem Markt habe danach fortbestanden, und die für September 1997 vorgeschlagene Erhöhung der Katalogpreise sei folglich gescheitert.

199. Zur Preiserhöhung im September 1998 macht die Klägerin geltend, sie sei an keiner geheimen Absprache zwischen Herstellern beteiligt gewesen. Der einzige Beweis, über den die Kommission in Bezug auf die Klägerin verfüge, sei die Tatsache, dass sie die Kopie eines Schreibens von Knauf über eine Preiserhöhung erhalten habe. Dies bestätige aber lediglich das Eingeständnis von Knauf, ihre Konkurrenten gelegentlich schriftlich über Preiserhöhungen zu unterrichten. Die Klägerin bestreitet außerdem, dass sie eine Mitteilung von Gyproc erhalten habe. Die Behauptung der Kommission, dass die Preiserhöhung im September 1998 ein weiteres Indiz für die geheime Absprache sei, an der sich die Klägerin auf dem deutschen Markt beteiligt habe, werde nicht durch Beweise gestützt.

200. Die Kommission macht zum Vermerk von Lafarge vom 7. Oktober 1998 geltend, dass dieser nicht herangezogen worden sei, um zu ermitteln, ob Kontakte zwischen den betreffenden Unternehmen bestanden hätten, sondern, um nachzuweisen, dass die Preiserhöhungen einem bestimmten Schema gefolgt seien. Dass sich die angekündigten Preiserhöhungen nicht immer in tatsächlichen Erhöhungen der Transaktionspreise niederschlügen, bedeute nicht, dass die festgestellten Kontakte nicht rechtswidrig gewesen seien oder sich nicht ausgewirkt hätten. Des Weiteren stelle der Umstand, dass Lafarge bis 1993/1994 versucht habe, Marktanteile zu erobern, ihre Schlussfolgerungen in diesem Punkt nicht in Frage, denn sie habe lediglich festgestellt, dass die Preiserhöhungen ab Ende 1994 oder Anfang 1995 koordiniert worden seien.

201. Bezüglich des Umstands, dass Knauf ihren Konkurrenten ihre Preistabellen zugesandt hat, verweist die Kommission auf die Randnrn. 313 bis 314 und 472 bis 474 der angefochtenen Entscheidung.

202. Die Kommission räumt ein, dass der interne Vermerk von Knauf vom 15. November 1993 nicht ein bereits aufgenommenes Handeln beschreibe, sondern vielmehr eine bestimmte Verhaltensweise empfehle. Die Angaben in diesem Vermerk verdeutlichten jedoch die Handlungsweisen von Knauf, die zu den späteren Kontakten zwischen Wettbewerbern geführt hätten, für die sie den Beweis erbracht habe und die eindeutig ihre Schlussfolgerung stützten, dass die fraglichen Kontakte einem wettbewerbswidrigen Zweck gedient hätten. Sie enthielten auch Hinweise auf die Motive, die diesen späteren Kontakten zugrunde gelegen hätten.

203. Zum internen Vermerk von Rigips vom Oktober 1994 macht die Kommission geltend, dass der Zusammenhang, in dem dieser Vermerk verfasst worden sei, und insbesondere der Umstand, dass er der Versendung der Schreiben mit der Ankündigung der Preiserhöhungen vom Februar 1995 um einen Monat vorausgehe, nicht lediglich belege, dass der Verfasser des Vermerks gut unterrichtet gewesen sei.

204. Hinsichtlich der Preiserhöhung vom 1. Dezember 1995 bestreitet die Kommission die Behauptung der Klägerin, das Scheitern dieser Anhebung beweise, dass 1992 keine Vereinbarung getroffen worden sei. Zudem hätten spätere Ereignisse gezeigt, dass im Jahr 1996 Kontakte hergestellt worden seien (vielleicht aufgrund d ieses Scheiterns), insbesondere beim Treffen in Versailles im Juni 1996, und dass eine Preiserhöhung für den 1. Februar 1997 vereinbart worden sei.

205. Zum Vermerk von Lafarge vom 17. Dezember 1996 vertritt die Kommission die Auffassung, dass die vereinbarten Preiserhöhungen ein Ausdruck der komplexen und fortgesetzten Absprache seien, die sie in den Randnrn. 430 bis 434 der angefochtenen Entscheidung beschrieben habe. Die Bedeutung dieses Vermerks werde in den Randnrn. 335 bis 352 der angefochtenen Entscheidung beschrieben.

206. Was die Preiserhöhung im September 1997 angehe, belege ihr Scheitern nicht, dass es keine Absprache gegeben habe.

207. Zur Preiserhöhung im September 1998 trägt die Kommission vor, der Umstand, dass ein Unternehmen von einem Wettbewerber Preisinformationen erhalte, ohne zu protestieren, deute darauf hin, dass ausreichende Gegenseitigkeit für eine abgestimmte Verhaltensweise gegeben sei. Dass Gyproc eingeräumt habe, es seien abgestimmte Versuche erfolgt, die Preise auf dem deutschen Markt zu erhöhen, stütze ihre Schlussfolgerung. Der in Randnr. 380 der angefochtenen Entscheidung genannte Vermerk von BPB (in dem von einer zweiten Preiserhöhung im ersten Quartal von 1999 die Rede sei) sei den in Randnr. 377 der angefochtenen Entscheidung erwähnten Anweisungen von Knauf vorausgegangen und habe daher keine Reaktion auf diese Anweisungen oder auf die Gerüchte, deren Verbreitung auf dem Markt Knauf vorgeschlagen habe, sein können.

Würdigung durch das Gericht

208. BPB bestreitet, dass sie bezüglich der Preiserhöhungen auf dem deutschen Markt in direktem Kontakt mit ihren Konkurrenten gestanden habe und dass die Vornahme der Preiserhöhungen abgestimmt worden sei. Auf jeden Fall könnten die direkten Kontakte zwischen den Wettbewerbern, unterstelle man ihren Nachweis, keinen gemeinsamen Willen zur Abstimmung der Preise belegen.

209. Zu prüfen sind als erstes die Beweise in Bezug auf das Bestehen von Kontakten und einer Abstimmung zwischen den Wettbewerbern, die von BPB ausdrücklich bestritten werden.

210. Hierzu ist festzustellen, dass die betreffenden Kontakte vor dem Hintergrund einer Zeit gesehen werden müssen, die sich durch eine Reihe wettbewerbswidriger Bekundungen des gemeinsamen Willens der Wettbewerber auszeichnete, den Gipsplattenmarkt auf den vier großen europäischen Märkten einschließlich des deutschen Marktes zu stabilisieren. Außerdem lässt zwar der Inhalt eines von der Kommission gefundenen einzelnen Dokuments möglicherweise nicht eindeutig ein wettbewerbswidriges Verhalten erkennen und könnte daher unter Umständen anders als mit einem Willen zur Wettbewerbsbeschränkung erklärt werden, doch schließt dieser Umstand nicht aus, dass das Dokument so ausgelegt werden kann, dass es das Vorhandensein eines solchen Willens untermauert, wenn es sich in eine Reihe weiterer Dokumente einfügt, die beweiskräftige Indizien für gleichzeitige und ähnliche wettbewerbswidrige Verhaltensweisen liefern.

211. Zum internen Vermerk von Knauf vom 15. November 1993 (Randnr. 305 der angefochtenen Entscheidung) trägt BPB lediglich vor, dass dieser Vermerk eine möglicherweise wettbewerbswidrige Verhaltensweise empfehle, aber kein Beweis dafür sei, dass tatsächlich so gehandelt worden sei. In dem Vermerk heißt es: „[Die] neue Preisliste [von Knauf] wurde in den letzten Oktobertagen an alle Direktbezieher verschickt. Gleichzeitig wurden alle Wettbewerber durch Übersendung eines Exemplars informiert.“ Diese Erläuterung von BPB steht im Widerspruch zu dem Umstand, dass das Ereignis, das in diesem vom November 1993 datierenden Vermerk erwähnt wird, Ende Oktober 1993 stattfand. Die Erläuterung dieses Schreibens durch BPB ist folglich nicht überzeugend. Jedenfalls zielt das Vorbringen von BPB allenfalls auf einen Vorwurf an die Kommission ab, sie habe nicht nachgewiesen, dass sich der fragliche Informationsaustausch ausgewirkt habe, was diesem aber nicht seinen wettbewerbswidrigen Charakter nehmen kann.

212. Bezüglich des in den Geschäftsräumen von Rigips entdeckten internen Vermerks vom Oktober 1994 bleibt die Klägerin bei ihrer in Randnr. 323 der angefochtenen Entscheidung wiedergegebenen Erklärung. Danach stellt dieser Vermerk eine Zustandsbeschreibung des deutschen Marktes durch einen Unternehmensleiter anhand der Kenntnisse dar, über die er aufgrund der bei seinem Vertriebspersonal eingeholten Informationen verfügt habe.

213. Die Deutung dieses Vermerks durch die Kommission ist insoweit überzeugender, wenn man die übrigen Aktenstücke berücksichtigt, die belegen, dass zum damaligen Zeitpunkt eine Abstimmung zwischen den betreffenden Unternehmen erfolgte. Die Kommission vertritt zu Recht die Ansicht, dieser Vermerk lasse eine genaue Kenntnis der Strategie der Wettbewerber erkennen und zeuge von Kontakten zwischen ihnen. Der Verfasser des Vermerks führt nämlich nach einer Zusammenfassung der Marktlage aus, der Vertriebsleiter von Gyproc habe sich beklagt, dass sein Unternehmen Marktanteile verloren habe und sie zurückerlangen müsse. Ferner waren in dem Vermerk ein Einfrieren der Preise in der dort genannten Höhe und eine Preiserhöhung zum 1. Februar 1995 vorgesehen. Diese letzte Bemerkung ist besonders aufschlussreich. Wenn nämlich die Zusendung der Ankündigungen von Preiserhöhungen durch Knauf einseitig erfolgt und BPB dieser Preiserhöhung nur gefolgt wäre, hätte BPB im Oktober 1994 nicht wissen können, dass für den 1. Februar 1995 eine Preiserhöhung vorgesehen war, da Knauf diese Erhöhung erst im November 1994 ankündigte. Wenn BPB entsprechend ihrer Behauptung über Kunden von dieser Preiserhöhung erfahren hätte, hätte sie zudem nichts daran gehindert, dies zu beweisen, um die von der Kommission gefundenen konkreten Beweise zu widerlegen. Darüber hinaus ist daran zu erinnern, dass am 1. Februar 1995 tatsächlich eine Preiserhöhung stattfand.

214. Im Übrigen stellt die Kommission trotz dieser konkreten Beweise für kollusive Kontakte zwischen den Herstellern in Randnr. 329 der angefochtenen Entscheidung lediglich fest, dass sich die Wettbewerber ihre Absichten hinsichtlich der Preiserhöhung vom 1. Februar 1995 mitgeteilt hätten, ohne zu behaupten, dass der genannte Vermerk ein unmittelbarer Beweis für eine Abstimmung der Preiserhöhung sei.

215. In Bezug auf die Preiserhöhung im Dezember 1995 (Randnrn. 330 bis 333 der angefochtenen Entscheidung) ist die Klägerin der Ansicht, ihr Scheitern sei ein zusätzlicher Beweis dafür, dass 1992 keine Vereinbarung getroffen worden sei. Hierzu genügt ein Hinweis darauf, dass ein Fehlen wirtschaftlicher Auswirkungen kein Beweis dafür ist, dass kein Kartell bestanden hat, sondern allenfalls dafür, dass das Kartell nicht gut funktioniert hat, was für die Feststellung einer Abstimmung mit wettbewerbswidrigem Zweck irrelevant ist.

216. Dass die Kommission in diesem Zusammenhang erneut das Treffen in Versailles im Juni 1996 erwähnt, das die Stabilisierung des deutschen Marktes zum Zweck hatte, ist völlig berechtigt, da es sich um ein Indiz dafür handelt, dass die betreffenden Unternehmen es für nötig hielten, nach dem Scheitern der Preiserhöhung des Jahres 1995 erneut die Lage auf dem deutschen Markt zu erörtern.

217. Diese Auffassung wird durch den Vermerk von Lafarge vom 17. Dezember 1996 (Randnr. 335 der angefochtenen Entscheidung) gestützt. Der Verfasser beginnt diesen Vermerk nämlich mit den Worten:

„… besprachen wir wiederum die gegenwärtige Lage auf dem deutschen Markt“.

218. BPB bestreitet, dass das in Bezug genommene Gespräch mit ihrem Vertreter stattgefunden habe. Sie macht geltend, auf einem oligopolistischen Markt sei es normal, dass Unternehmen ihre Preise denen der anderen Unternehmen anglichen und parallel handelten. Tatsächlich sei der Wettbewerb im Bereich der Transaktionspreise intensiv gewesen.

219. Das Vorbringen von BPB ist zurückzuweisen. Da der Vermerk vom 17. Dezember 1996 über die Ereignisse berichtet, die sich bei der Zusammenkunft des Verbands der deutschen Gipskartonplattenhersteller am 16. Dezember 1996 zugetragen hatten, besteht kein Anlass für Zweifel, dass das Gespräch zwischen dem Vertreter von BPB und dem Verfasser des Vermerks, einem Angestellten von Lafarge, stattgefunden hat.

220. Die Kommission hat diesen Vermerk, der die Aufschrift „Streng vertraulich und persönlich!“ trägt, auch nicht falsch gedeutet. Der Vermerk spiegelt vor dem Hintergrund einer von allen Herstellern für den 1. Februar 1997 angekündigten Preiserhöhung deutlich die Sorge seines Verfassers über das Verhalten der Konkurrenten und ihre Preis- und insbesondere Rabattpolitik wider. Er belegt direkte Kontakte zwischen den Wettbewerbern, in deren Rahmen diese ihre Analysen und Absichten offenlegten. Der Verfasser des Vermerks hat nämlich erläutert, dass der von BPB bestimmten Kunden angebotene Preis „unterhalb der gegenwärtig vereinbarten niedrigsten Preishöhe liegen“ werde und dass dies „wiederum zu einer Destabilisierung führen“ werde. Er ergänzt:

„Knauf … nannte … Preise für Projekte bis Mai 1997 unterhalb der vereinbarten Preishöhe. Gegenüber uns bestehen sie auf Disziplin bei der Preiserhöhung. … Eine Erhöhung des Preises auf die vereinbarte Höhe ([2,5–3] DEM/m²) wird wiederum sehr schwierig sein.“

221. Unter diesen Umständen hat die Kommission in Randnr. 352 der angefochtenen Entscheidung zu Recht die Ansicht vertreten, dass anlässlich der Preiserhöhung vom Februar 1997 eine direkte Abstimmung über die Preiserhöhung zwischen den Wettbewerbern stattfand und diese sich zumindest gegenseitig im Vorfeld von ihren Absichten unterrichteten.

222. Zur versuchten Preiserhöhung im September 1997 macht BPB geltend, dass sich keines der von der Kommission vorgelegten Dokumente darauf beziehe und dass keiner der Vorwürfe einer Kundenaufteilung sie betreffe.

223. Zunächst ist festzustellen, dass die betreffenden vier Unternehmen Schreiben mit der Ankündigung der Preiserhöhung zum 1. September 1997 im Mai oder Anfang Juni 1997 verschickten (Randnr. 353 der angefochtenen Entscheidung). Diese Tatsache wird von der Klägerin nicht bestritten.

224. Auch wenn die Kommission keine direkten Beweise dafür vorlegt, dass BPB und ihre Konkurrenten bezüglich dieser Erhöhung in Kontakt standen, bestätigt außerdem der in Randnr. 356 der angefochtenen Entscheidung als Beispiel genannte Austausch zwischen Knauf und Lafarge, dass eine Abstimmung der Preiserhöhungen und eine Kontrolle der von den Händlern im Allgemeinen praktizierten Preise stattfanden. Der Umstand, dass ein Unternehmen nicht zögerte, Kontakt zu einem Konkurrenten aufzunehmen, um über die Kunden oder die von einem Händler praktizierten Preise zu sprechen, untermauert, dass die Hersteller zusammenarbeiteten.

225. Die Kommission nennt noch ein Beispiel, das ein weiteres Indiz für die Abstimmung zwischen BPB, Knauf, Lafarge und Gyproc auf dem deutschen Markt sei. Es handele sich um den Versuch einer Preiserhöhung im September und Oktober 1998.

226. Zwar kündigte BPB bereits im Juni 1998 eine Preiserhöhung für September 1998 an, und die übrigen Wettbewerber taten dies erst im August 1998 für eine zum Oktober 1998 vorgesehene Preiserhöhung. Zutreffend ist auch, dass der einzige andere unmittelbar BPB betreffende Beweis, den die Kommission in der angefochtenen Entscheidung anführt, der Umstand ist, dass Knauf eine Kopie ihrer Ankündigung an die Privatanschrift eines Direktors von BPB sandte.

227. Im Rahmen wettbewerbswidriger Verhaltensweisen und Vereinbarungen ist es aber üblich, dass die Tätigkeiten insgeheim ablaufen, dass die Zusammenkünfte heimlich stattfinden und dass die Unterlagen darüber auf ein Minimum reduziert werden. Selbst wenn die Kommission Schriftstücke findet, die eine unzulässige Kontaktaufnahme zwischen Wirtschaftsteilnehmern explizit bestätigen, handelt es sich daher normalerweise nur um lückenhafte und vereinzelte Belege, so dass es häufig erforderlich ist, bestimmte Einzelheiten durch Schlussfolgerungen zu rekonstruieren. In den meisten Fällen muss deshalb das Vorliegen einer wettbewerbswidrigen Verhaltensweise oder Vereinbarung aus einer Reihe von Koinzidenzen und Indizien abgeleitet werden, die bei einer Gesamtbetrachtung mangels einer anderen schlüssigen Erklärung den Beweis für eine Verletzung der Wettbewerbsregeln darstellen können (Urteil Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Randnr. 36 angeführt, Randnrn. 55 bis 57).

228. Im vorliegenden Fall genügt angesichts des Zusammenhangs der Rechtssache der Umstand, dass Knauf eine Kopie ihrer Ankündigung der Preiserhöhung an die Privatanschrift eines Direktors von BPB versandte, was eine ungewöhnliche Art der Kommunikation zwischen konkurrierenden Unternehmen ist, als Beweis dafür, dass die Hersteller auch bezüglich der im September und Oktober 1998 erfolgten Preiserhöhungen auf dem deutschen Markt eng zusammenarbeiteten.

229. Den Vermerk von Lafarge vom 7. Oktober 1998 (Randnrn. 290 bis 294 der angefochtenen Entscheidung) schließlich sieht BPB als eine bloße Beschreibung der Funktionsweise des Marktes an. Zwar wäre dieser Vermerk, wenn er das einzige gefundene Beweismittel wäre, kein hinreichender Beweis für eine vorherige Abstimmung über die Preiserhöhungen. Untersucht man ihn jedoch im Rahmen der übrigen, oben beschriebenen Indizien, bestätigt er zum einen Kontakte zwischen den Wettbewerbern bezüglich der Preiserhöhungen sowie den Zusammenhang zwischen den Preisen und zum anderen Gespräche über die Marktanteile in Deutschland. Unter Berücksichtigung der übrigen Maßnahmen der betreffenden Unternehmen zur Stabilisierung des deutschen Marktes, der Parallelität der Preiserhöhungen und des Umstands, dass die Kommission bei ihren Nachprüfungen zahlreiche Kopien von Ankündigungen von Preiserhöhungen der Konkurrenten in den Geschäftsräumen der Unternehmen entdeckte, deren Versand oder direkten Erhalt von ihren Konkurrenten die Unternehmen teilweise eingeräumt haben, kann die von der Klägerin vorgenommene Deutung dieses Vermerks nicht schlüssig sein.

230. Als zweites ist das Vorbringen der Klägerin zu prüfen, die direkten Kontakte zwischen den Wettbewerbern, ihren Nachweis unterstellt, seien kein wettbewerbswidriges Verhalten gewesen.

231. Was das Vorbringen der Klägerin angeht, dass es sich um ein rein einseitiges Verhalten gehandelt habe, da sie ihren Konkurrenten niemals Kopien ihrer Schreiben, in denen sie Preiserhöhungen angekündigt habe, zugesandt habe, setzt zwar der Begriff der abgestimmten Verhaltensweise tatsächlich die Existenz gegenseitiger Kontakte voraus. Diese Voraussetzung ist jedoch erfüllt, wenn ein Konkurrent seine Absichten oder sein künftiges Verhalten auf dem Markt einem anderen auf dessen Wunsch mitteilt oder dieser die Mitteilung zumindest akzeptiert (Zement-Urteil, oben in Randnr. 32 angeführt, Randnr. 1849).

232. Des Weiteren hat das Gericht in seinem Urteil vom 24. Oktober 1991 in der Rechtssache Rhône-Poulenc/Kommission (T‑1/89, Slg. 1991, II‑867), in der der Klägerin die Teilnahme an Sitzungen vorgeworfen wurde, in denen die Wettbewerber Informationen u. a. über die Preise austauschten, die nach ihren Wünschen auf dem Markt praktiziert werden sollten, festgestellt, dass ein Unternehmen durch seine Teilnahme an einer Sitzung mit wettbewerbswidrigem Zweck nicht nur das Ziel verfolgte, im Voraus die Ungewissheit über das künftige Verhalten seiner Wettbewerber zu beseitigen, sondern bei der Festlegung der Politik, die es auf dem Markt verfolgen wollte, zwangsläufig auch unmittelbar oder mittelbar die in diesen Sitzungen erhaltenen Informationen berücksichtigen musste (Randnrn. 122 und 123).

233. Diese Schlussfolgerung trifft auch zu, wenn, wie im vorliegenden Fall, die Beteiligung eines oder mehrerer Unternehmen an einer abgestimmten Verhaltensweise mit wettbewerbswidrigem Zweck sich auf den Empfang von Informationen über das künftige Verhalten der Konkurrenten auf dem Markt beschränkt.

234. Jeder Wirtschaftsteilnehmer hat nämlich selbständig zu bestimmen, welche Geschäftspolitik er auf dem Markt zu betreiben gedenkt. Dies steht folglich jeder unmittelbaren oder mittelbaren Fühlungnahme zwischen Unternehmen entgegen, die bezweckt oder bewirkt, ihr Marktverhalten zu beeinflussen, so dass Wettbewerbsbedingungen entstehen, die nicht den normalen Bedingungen des relevanten Marktes entsprechen; es schließt aber auch aus, dass ein Unternehmen einen Wettbewerber über das Marktverhalten ins Bild setzt, zu dem es sich entschlossen hat oder das es in Erwägung zieht (Urteil des Gerichts vom 20. April 1999, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, T‑305/94 bis T‑307/94, T‑313/94 bis T‑316/94, T‑318/94, T‑325/94, T‑328/94, T‑329/94 und T‑335/94, Slg. 1999, II‑931, im Folgenden: Urteil LVM/Kommission, Randnr. 720).

235. Was das Vorbringen der Klägerin angeht, die übermittelten Preisinformationen seien den Kunden des betreffenden Unternehmens bereits vor ihrer Mitteilung an die Wettbewerber bekannt gewesen und diese hätten die offengelegten Informationen somit bereits dem Markt entnehmen können, ist daran zu erinnern, dass schon der bloße Umstand, dass Informationen über Wettbewerber erlangt werden, die ein unabhängiger Wirtschaftsteilnehmer als Betriebsgeheimnisse hütet, eine wettbewerbsfeindliche Einstellung zeigt (Urteil Tate & Lyle u. a./Kommission, oben in Randnr. 154 angeführt, Randnr. 66).

236. Das Vorbringen der Klägerin, die Preisinformationen seien den Kunden bereits vor ihrer Mitteilung an die Wettbewerber bekannt gewesen und hätten somit dem Markt entnommen werden können, ist jedoch zurückzuweisen. Unterstellt man diese Tatsache als erwiesen, bedeutet sie nicht, dass die Preise zum Zeitpunkt der Zusendung der Preistabellen an die Wettbewerber bereits offenkundige objektive Marktgegebenheiten waren. Durch die direkte Zusendung konnten die Wettbewerber diese Informationen leichter, schneller und direkter als über den Markt erhalten. Darüber hinaus ermöglichte die vorherige Zusendung ihnen, ein Klima der gegenseitigen Gewissheit hinsichtlich ihrer künftigen Preispolitik zu schaffen.

237. Unter diesen Umständen ist das Gericht der Auffassung, dass es der Kommission zwar nicht gelungen ist, Kontakte zwischen allen Herstellern bezüglich jeder einzelnen Preiserhöhung auf dem deutschen Markt im relevanten Zeitraum nachzuweisen, und dass das Eingeständnis von Gyproc, es habe eine geheime Absprache über die Preise in Deutschland gegeben, nicht berücksichtigt werden kann (vgl. erster Klagegrund), dass die Kommission aber zu Recht festgestellt hat, dass das von BPB, Knauf, Lafarge und Gyproc auf dem deutschen Markt eingeführte System des Austauschs von Informationen über Preiserhöhungen eine gegen Art. 81 Abs. 1 EG verstoßende abgestimmte Verhaltensweise darstellte.

Zur räumlichen Ausdehnung des Kartells

238. Zur räumlichen Ausdehnung des Kartells macht die Klägerin geltend, die Kommission habe nicht rechtlich hinreichend nachgewiesen, dass das Kartell auch Frankreich und die Benelux-Staaten betroffen habe.

239. Hierzu genügt ein Hinweis darauf, dass sich das Treffen in London und der Informationsaustausch über die Verkaufsmengen auch auf Frankreich und die Benelux-Staaten bezogen.

240. Wenn die Kommission zu Recht zu dem Schluss gelangen kann, dass die einzelnen Ausprägungen Teil einer einheitlichen Zuwiderhandlung waren, weil sie sich in einen Gesamtplan einfügten, der auf eine Verfälschung des Wettbewerbs gerichtet war, bedeutet die Tatsache, dass sich Zahl und Intensität der kollusiven Verhaltensweisen je nach betroffenem Markt unterschieden, nicht, dass die Zuwiderhandlung diejenigen Märkte, auf denen die Verhaltensweisen weniger intensiv und zahlreich waren, nicht betraf. Es wäre nämlich gekünstelt, ein durch ein einziges Ziel gekennzeichnetes kontinuierliches Verhalten in mehrere selbständige Zuwiderhandlungen zu zerlegen, weil sich die kollusiven Verhaltensweisen je nach betroffenem Markt unterschieden. Diese Gesichtspunkte sind nur bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung und gegebenenfalls bei der Bemessung der Geldbuße zu berücksichtigen (vgl. entsprechend Urteil Kommission/Anic Partecipazioni, oben in Randnr. 61 angeführt, Randnr. 90).

241. Die Kommission hat somit im Rahmen ihrer Prüfung der einzelnen Bestandteile der fraglichen Zuwiderhandlung weder einen Rechtsfehler noch einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen.

242. Der zweite Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

3. Zum dritten Klagegrund: Verkennung des Begriffs der einheitlichen Zuwiderhandlung

Vorbringen der Parteien

243. Die Klägerin macht geltend, dass die maßgebliche rechtliche Voraussetzung für den Nachweis einer fortgesetzten Zuwiderhandlung der Beweis sei, dass sich die Unternehmen fortdauernd an der Verfolgung des letztlich angestrebten Zieles beteiligten. Die Kommission habe mit ihrer Auffassung, dass die angebliche gemeinsame Zielsetzung von 1992 die Rechtswidrigkeit der verschiedenen nachfolgenden Vorgänge belegen könne, einen Fehler begangen. Die späteren Vorgänge, wie das Treffen von Versailles, seien keine Zuwiderhandlung, sondern lediglich der Versuch einer Zuwiderhandlung, und diese Qualifizierung könne nicht durch die Annahme in Frage gestellt werden, dass es sich um eine fortgesetzte Zuwiderhandlung handle. Um eine komplexe und fortgesetzte Vereinbarung nachzuweisen, müsse die Kommission deshalb jeden Vorgang, den sie für rechtswidrig erkläre, hinreichend genau prüfen. Überdies habe die Kommission einen Denkfehler begangen, als sie aus diesen Vorgängen auf einen gemeinsamen Willen geschlossen und die Ansicht vertreten habe, dass die Rechtswidrigkeit dieser Vorgänge aus dem gemeinsamen Willen folge. Die Kommission müsse nachweisen, dass der gemeinsame Wille unabhängig von der fraglichen Zuwiderhandlung bestehe.

244. Die Erklärung der Kommission, sie habe den gemeinsamen Willen festgestellt, indem sie die fünf ermittelten wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen zusammen betrachtet habe, sei nicht überzeugend. Die von der Kommission angeführte Übereinstimmung des Zwecks sei vage und bestehe nur in der Behauptung, dass jede wettbewerbswidrige Tätigkeit letztlich dasselbe Ziel erreiche, weil jedes wettbewerbswidrige Verhalten im Ergebnis eine Auswirkung auf die Preise habe. Die Kommission könne auch weder klar erläutern, welchen Inhalt die angebliche Vereinbarung tatsächlich gehabt habe, noch, wann sie getroffen worden sei, wenn dies nicht bei der Zusammenkunft von 1992 geschehen sei. Die These von der einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung, an der vier Unternehmen beteiligt gewesen seien und die von 1992 bis 1998 gedauert habe, werde zusätzlich dadurch erschüttert, dass an bestimmten wettbewerbswidrigen Bekundungen nur eine begrenzte Zahl von Unternehmen beteiligt gewesen sei oder dass bestimmte Unternehmen gar nichts mit diesen Bekundungen zu tun gehabt hätten. Die Klägerin und Knauf hätten an dem Treffen in London 1992 teilgenommen, nicht aber Lafarge und Gypros. Zwar sei der Informationsaustausch, der auf dieses Treffen gefolgt sei, unstreitig auf Lafarge und Gypros erstreckt worden, doch erläutere die Kommission weder, wie oder wann dies geschehen sei, noch, wem zu verdanken sei, dass diese Unternehmen Zugang zu dem gemeinsamen Willen oder der gemeinsamen Absicht hätten finden können, von der sie behaupte, dass sie dem Informationsaustausch zugrunde liege. Darüber hinaus habe die Kommission den wettbewerbswidrigen Vorgängen nichts in Bezug auf den französischen Markt und den Markt der Benelux-Staaten entnehmen können, da sich diese Vorgänge ausschließlich auf den deutschen Markt und den Markt des Vereinigten Königreichs bezogen hätten.

245. Die Kommission macht geltend, sie habe Ausführungen zu den tatsächlichen Umständen jeder der fünf in Randnr. 429 der angefochtenen Entscheidung angeführten Verhaltensweisen gemacht, und diese tatsächlichen Umstände seien es, die sie nachweisen müsse. Aus diesen tatsachenbezogenen Ausführungen habe sie den Schluss gezogen, dass die betreffenden Verhaltensweisen Ausdruck eines gemeinsamen Willens gewesen seien, den Wettbewerb zumindest auf den vier großen europäischen Gipsplattenmärkten zu beschränken. Nachdem sie zu diesen Schlussfolgerungen gelangt sei, hätten die Verhaltensweisen logisch nur als Ausprägungen dieses gemeinsamen Willens beschrieben werden können. Sie habe somit im Rahmen dieser Analyse nicht im Zirkelschluss argumentiert. Die Kommission trägt weiter vor, dass sich die einzelnen Bestandteile der einheitlichen Zuwiderhandlung vollkommen ergänzten und dass diese wechselseitige Ergänzung belege, dass die verschiedenen Ausprägungen der Zuwiderhandlung demselben Zweck gedient hätten. Damit etwa die Preiserhöhungen erfolgreich gewesen seien, hätten die Wettbewerber mit ihren Marktanteilen zufrieden sein müssen.

Würdigung durch das Gericht

246. Wie sich aus der angefochtenen Entscheidung (Randnr. 479) ergibt, hat die Kommission die Auffassung vertreten, dass die Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen im vorliegenden Fall Bestandteil einer Reihe von Bemühungen der betreffenden Unternehmen in Verfolgung eines einzigen wirtschaftlichen Ziels, nämlich der Beschränkung des Wettbewerbs, sowie unterschiedliche Ausprägungen einer fortdauernden Gesamtvereinbarung seien, die eine Beschränkung des Wettbewerbs bezweckt oder bewirkt habe. Weil in den erwähnten Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen von 1992 bis 1998 ununterbrochen der gemeinsame Wille dieser Unternehmen zum Ausdruck gekommen sei, zumindest die Gipsplattenmärkte Deutschlands, Frankreichs, des Vereinigten Königreichs und der Benelux-Staaten zu stabilisieren und damit den Wettbewerb zu beschränken, hat die Kommission die Zuwiderhandlung als einheitlich, komplex und fortdauernd eingestuft.

247. Entsprechend heißt es in Art. 1 der angefochtenen Entscheidung, dass die betreffenden Unternehmen, darunter die Klägerin, „gegen Artikel 81 Absatz 1 [EG] verstoßen [haben], indem sie an einer Gesamtheit von Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen im Gipsplattensektor teilgenommen haben“.

248. Zu prüfen ist zunächst das Vorbringen der Klägerin, die Kommission habe einen Rechtsfehler begangen, als sie von einzelnen Ausprägungen der fraglichen Zuwiderhandlung auf einen Gesamtplan geschlossen habe, ohne zu beweisen, dass der gemeinsame Wille unabhängig von diesen verschiedenen Ausprägungen bestanden habe.

249. In den meisten Fällen muss das Vorliegen einer wettbewerbswidrigen Verhaltensweise oder Vereinbarung aus einer Reihe von Koinzidenzen und Indizien abgeleitet werden, die bei einer Gesamtbetrachtung mangels einer anderen schlüssigen Erklärung den Beweis für eine Verletzung der Wettbewerbsregeln darstellen können (Urteil Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Randnr. 36 angeführt, Randnr. 57). Diese Rechtsprechung lässt sich auf das Konzept einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung übertragen. Wenn es sich um eine komplexe, einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung handelt, stützt nämlich jede Ausprägung den Nachweis, dass eine solche Zuwiderhandlung tatsächlich stattgefunden hat.

250. Folglich sind die einzelnen Ausprägungen der fraglichen Zuwiderhandlung entgegen dem Vorbringen der Klägerin in einem Gesamtzusammenhang zu betrachten, der ihren Grund erklärt. Es handelt sich nicht um einen Zirkelschluss, sondern um eine Beweisführung, in deren Rahmen der Beweiswert verschiedener tatsächlicher Umstände durch die übrigen tatsächlichen Umstände gestützt oder entkräftet wird, die zusammen das Vorliegen einer einheitlichen Zuwiderhandlung belegen können.

251. BPB meint ferner, die Kommission habe die gemeinsame Zielsetzung, die die einzelnen Ausprägungen zu einer einheitlichen und fortgesetzten Zuwiderhandlung verbinden solle, nicht rechtlich hinreichend nachgewiesen.

252. Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass sich ein Verstoß gegen Art. 81 Abs. 1 EG nicht nur aus einer isolierten Handlung, sondern auch aus einer Reihe von Handlungen oder einem fortgesetzten Verhalten ergeben kann. Dem lässt sich nicht entgegenhalten, dass ein oder mehrere Teile dieser Reihe von Handlungen oder dieses fortgesetzten Verhaltens auch für sich genommen und isoliert betrachtet einen Verstoß gegen die genannte Bestimmung darstellen könnten. Fügen sich die verschiedenen Handlungen wegen ihres identischen Zwecks der Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes in einen Gesamtplan ein, so ist die Kommission berechtigt, die Verantwortung für diese Handlungen anhand der Beteiligung an der Zuwiderhandlung als Ganzes aufzuerlegen (Urteil Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Randnr. 36 angeführt, Randnr. 258).

253. Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der Prüfung des zweiten Klagegrundes, dass BPB ab dem Treffen in London an einer einheitlichen, komplexen und fortgesetzten Zuwiderhandlung beteiligt war, die zum alleinigen Ziel hatte, den Preiskrieg zu beenden und die vier Gipsplattenmärkte zu stabilisieren. Die Treffen, der Informationsaustausch und die Preisfestsetzungspraktiken dienten nämlich demselben wettbewerbswidrigen Zweck, die Preise über dem Wettbewerbsniveau zu halten und den Wettbewerb zwischen den auf dem relevanten Markt tätigen Unternehmen zu reduzieren.

254. Die im Rahmen des zweiten Klagegrundes dargelegten Umstände lassen den Schluss zu, dass die Kommission in Randnr. 432 der angefochtenen Entscheidung zu Recht festgestellt hat:

„Die verschiedenen Maßnahmen ergänzen sich angesichts der Funktionsweise dieses Marktes offensichtlich. Die Verbesserung der wirtschaftlichen Lage der Unternehmen auf dem Wege einer Preiserhöhung machte eine Koordinierung zwischen ihnen im Hinblick auf die Marktanteile erforderlich.“

255. Unter den Umständen des vorliegenden Falles fügten sich die Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen wegen ihrer übereinstimmenden Zielsetzung und ihres engen Zusammenwirkens in einen Gesamtplan ein, der wiederum Teil einer Reihe von Bemühungen der fraglichen Unternehmen war, mit denen ein einziges wirtschaftliches Ziel, die Beeinflussung der Preisentwicklung, verfolgt wurde. Wie die Kommission in Randnr. 422 der Entscheidung zutreffend ausführt, wäre es gekünstelt, dieses durch ein einziges Ziel gekennzeichnete kontinuierliche Verhalten zu zerlegen und darin mehrere selbständige Zuwiderhandlungen zu sehen; es handelt sich vielmehr um eine einheitliche Zuwiderhandlung, die sich nach und nach sowohl durch Vereinbarungen als auch durch abgestimmte Verhaltensweisen konkretisierte. Das Vorliegen einer einheitlichen Zuwiderhandlung ergibt sich nämlich daraus, dass alle Kartellteilnehmer das gleiche Ziel verfolgten, und nicht aus den Durchführungsmodalitäten des Kartells (vgl. in diesem Sinne Zement-Urteil, oben in Randnr. 32 angeführt, Randnr. 4127).

256. Im Rahmen einer Gesamtvereinbarung, die sich über mehrere Jahre erstreckt, spielt es zudem keine Rolle, dass das Kartell nur im Zeitabstand von einigen Monaten zutage tritt. Entscheidend ist vielmehr, dass sich die verschiedenen Handlungen wegen ihres identischen Zwecks in einen Gesamtplan einfügen (Urteil Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Randnr. 36 angeführt, Randnr. 260).

257. Zum Vorbringen, ein solcher Plan habe nicht vorgelegen, genügt ein Hinweis darauf, dass der Begriff der einheitlichen Zuwiderhandlung gerade eine Situation erfasst, in der mehrere Unternehmen an einer Zuwiderhandlung beteiligt waren, die aus einem kontinuierlichen Verhalten bestand, mit dem ein einziges wirtschaftliches Ziel verfolgt wurde, nämlich die Verfälschung des Wettbewerbs, oder aber an einzelnen Zuwiderhandlungen, die miteinander durch eine Übereinstimmung des Zwecks (ein und dieselbe Zielsetzung sämtlicher Bestandteile) und der Personen (Übereinstimmung der betreffenden Unternehmen, die sich der Beteiligung im Hinblick auf den gemeinsamen Zweck bewusst waren) verbunden waren.

258. Was schließlich das Vorbringen der Klägerin angeht, der einheitliche Charakter der Zuwiderhandlung werde dadurch widerlegt, dass die Zahl der Unternehmen, die sich an bestimmten wettbewerbswidrigen Bekundungen beteiligt hätten, begrenzt sei und dass ein Teil der Unternehmen nicht seit Beginn an der Zuwiderhandlung beteiligt gewesen sei, genügt es, daran zu erinnern, dass die Tatsache, dass sich ein Unternehmen nicht an allen Tatbestandsmerkmalen eines Kartells beteiligt hat oder dass es eine untergeordnete Rolle gespielt hat, für den Nachweis des Vorliegens einer Zuwiderhandlung dieses Unternehmens irrelevant ist. Diese Gesichtspunkte sind nur bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung und gegebenenfalls bei der Bemessung der Geldbuße zu berücksichtigen (Urteil Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Randnr. 36 angeführt, Randnr. 86).

259. Daher ergeben sich die Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen im Sinne von Art. 81 Abs. 1 EG zwar notwendigerweise aus einem Zusammenwirken mehrerer Unternehmen, die alle Mittäter der Zuwiderhandlung sind, doch kann ihre Beteiligung verschiedene Formen aufweisen, die insbesondere von den Merkmalen des betroffenen Marktes und der Stellung der einzelnen Unternehmen auf diesem Markt, den verfolgten Zielen und der gewählten oder vorgesehenen Art und Weise der Durchführung abhängen.

260. Der bloße Umstand, dass sich jedes Unternehmen auf eine ihm eigene Art und Weise an der Zuwiderhandlung beteiligt, berührt folglich die Bewertung der Zuwiderhandlung als einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung nicht.

261. Nach alledem sind die Vorwürfe in Bezug auf die Bewertung des Kartells als einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung unbegründet.

4. Zum vierten Klagegrund: Verletzung von Art. 253 EG, Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 sowie allgemeiner Grundsätze bei der Berechnung der Geldbuße

262. Dieser Klagegrund gliedert sich in fünf Teile. Erstens rügt die Klägerin, dass der Ausgangsbetrag von 80 Mio. Euro willkürlich, unverhältnismäßig und ohne Begründung festgesetzt worden sei. Die Kommission habe die Zuwiderhandlung auch zu Unrecht als besonders schwer eingestuft. Darüber hinaus beanstandet die Klägerin die rechtsfehlerhafte Berücksichtigung konkreter nachteiliger Auswirkungen der Zuwiderhandlung auf den Markt für Gipskartonplatten. Zweitens liege der Erhöhung des Ausgangsbetrags wegen der Dauer des Verstoßes eine unrichtige Beurteilung der Dauer der Zuwiderhandlung und der Leitlinien zugrunde. Zudem habe die Kommission es versäumt, die begrenzte Intensität der Zuwiderhandlung im relevanten Zeitraum oder bestimmten betroffenen Zeiträumen zu bewerten und angemessen zu berücksichtigen. Drittens habe die Kommission die Geldbuße zu Unrecht wegen erschwerender Umstände erhöht. Viertens habe sie die mildernden Umstände nicht richtig berücksichtigt. Fünftens habe sie die Mitteilung über Zusammenarbeit falsch auf die Klägerin angewandt.

Zur Unverhältnismäßigkeit des anhand der Schwere der Zuwiderhandlung festgesetzten Ausgangsbetrags der Geldbuße

Zur Schwere der Zuwiderhandlung

– Vorbringen der Parteien

263. Nach Ansicht der Klägerin hätte die Zuwiderhandlung wegen ihrer begrenzten Auswirkungen auf den betroffenen Markt als schwer anstatt besonders schwer eingestuft werden müssen.

264. In ihren Entscheidungen 1999/271/EG vom 9. Dezember 1998 in einem Verfahren nach Artikel [81 EG] (IV/34.466 – Griechische Fährschiffe) (ABl. 1999, L 109, S. 24) und 1999/210/EG vom 14. Oktober 1998 in einem Verfahren nach Artikel [81 EG] (Sache Nr. IV/F-3/33.708 – British Sugar Plc, Sache Nr. IV/F-3/33.709 – Tate & Lyle Plc, Sache Nr. IV/F-3/33.710 – Napier Brown & Company Ltd, Sache Nr. IV/F-3/33.711 – James Budgett Sugars Ltd) (ABl. 1999, L 76, S. 1) habe die Kommission die Auffassung vertreten, dass die fraglichen Zuwiderhandlungen als schwer anstatt besonders schwer angesehen werden könnten, weil sie nur begrenzte Auswirkungen auf den Markt gehabt hätten.

265. Hilfsweise trägt die Klägerin vor, selbst wenn die Einordnung durch die Kommission richtig sein sollte, hätte diese anerkennen müssen, dass auch als besonders schwer eingestufte Zuwiderhandlungen von unterschiedlichem Schweregrad seien und dass im Vergleich zu anderen Kartellsachen die im vorliegenden Fall behauptete Vereinbarung ein Beispiel für ein deutlich weniger intensives und wettbewerbswidriges Kartell sei. Zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung sei die Geldbuße, die gegen die betreffenden Unternehmen verhängt worden sei, die zweithöchste je von der Kommission festgesetzte Geldbuße nach derjenigen in dem Fall gewesen, in dem die Entscheidung 2003/2/EG der Kommission vom 21. November 2001 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/E-1/37.512 – Vitamine) (ABl. 2003, L 6, S. 1) ergangen sei. Das im vorliegenden Fall behauptete Kartell sei weit weniger intensiv gewesen als etwa das Kartell im Vitamin-Fall und die Kartelle, zu denen die Kommission die Entscheidungen 2002/742/EG vom 5. Dezember 2001 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/E-1/36.604 – Zitronensäure) (ABl. 2002, L 239, S. 18), 1999/60/EG vom 21. Oktober 1998 in einem Verfahren gemäß Artikel [81 EG] (Sache IV/35.691/E-4: Fernwärmetechnik-Kartell) (ABl. 1999, L 24, S. 1), 2001/418/EG vom 7. Juni 2000 in einem Verfahren nach Artikel [81 EG] bzw. Artikel 53 EWR-Abkommen (Sache COMP/36.545/F3 – Aminosäuren) (ABl. 2001, L 152, S. 24) und 2002/271/EG vom 18. Juli 2001 in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 EWR-Abkommen – Sache COMP/E-1/36.490 – Graphitelektroden (ABl. 2002, L 100, S. 1) erlassen habe. In diesen fünf Fällen sei es um besonders schwere Verstöße gegen Art. 81 Abs. 1 EG gegangen. So hätten alle diese Fälle Kartelle betroffen, die den gesamten Gemeinsamen Markt oder den gesamten Europäischen Wirtschaftsraum (EWG) umfasst hätten. Die betreffenden Absprachen seien Ausdruck von Versuchen gewesen, Kartelle zu errichten, die sehr viel intensiver gewesen seien als das angebliche Kartell der Gipsplattenhersteller, das im Vergleich zu anderen Kartellen eine ziemlich liberale und vage Vereinbarung gewesen sei, die keinerlei Struktur oder Organisation aufgewiesen habe. Unter diesen Umständen sei der Ausgangsbetrag der Geldbuße, die gegen sie wegen der Schwere der fraglichen Zuwiderhandlung verhängt worden sei, unverhältnismäßig und verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, da dieser Betrag der dritthöchste der Beträge sei, die gegen die Teilnehmer der vorstehend genannten anderen Kartelle festgesetzt worden seien.

266. Die Kommission habe die verschiedenen Geldbußen zu Unrecht unter Bezugnahme auf die Größe des relevanten Marktes verglichen. Erstens sei in den Leitlinien nicht festgelegt, dass die Schwere der Zuwiderhandlung unter Berücksichtigung der Marktgröße als Wert zu beurteilen sei. Zweitens habe die Kommission nur die Marktgröße und nicht weitere Faktoren berücksichtigt, von denen die Schwere der Zuwiderhandlung abhänge. Drittens berücksichtige die Kommission die Größe des Produktmarkts für gewöhnlich nicht, wenn sie die Schwere einer Zuwiderhandlung beurteile.

267. Die Kommission nennt die Aspekte der Zuwiderhandlung, die sie im vorliegenden Fall als besonders gravierend angesehen hat (Randnrn. 534, 535 und 539 bis 542 der angefochtenen Entscheidung). Sie erläutert ferner, dass das Kartell auf den höchsten Ebenen der Hierarchie jedes beteiligten Unternehmens erdacht, gelenkt und gefördert worden sei. BPB sei an allen Ausprägungen des fraglichen wettbewerbswidrigen Verhaltens beteiligt gewesen und habe eingeräumt, dass dieselben Personen, Herr [D] und Herr [A] (beide Generaldirektoren von BPB), mit einer Ausnahme an allen in der angefochtenen Entscheidung beschriebenen wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen beteiligt gewesen seien.

– Würdigung durch das Gericht

268. Bei der Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung für die Bemessung der Geldbuße sind insbesondere die Art der Wettbewerbsbeschränkungen, die Zahl und die Bedeutung der beteiligten Unternehmen, der von ihnen in der Gemeinschaft jeweils kontrollierte Marktanteil sowie die Marktlage zur Zeit der Begehung der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen (Urteil des Gerichtshofs vom 15. Juli 1970, ACF Chemiefarma/Kommission, 41/69, Slg. 1970, 661, Randnr. 176).

269. In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass Art. 81 Abs. 1 Buchst. a EG aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die in der unmittelbaren oder mittelbaren Festsetzung der An- oder Verkaufspreise oder sonstiger Geschäftsbedingungen bestehen, ausdrücklich für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärt.

270. Die Rechtsprechung hat solche Zuwiderhandlungen, insbesondere wenn es sich um horizontale Kartelle handelt, als „besonders schwerwiegend“ eingestuft, da sie einen unmittelbaren Eingrif f in die wesentlichen Wettbewerbsparameter auf dem betreffenden Markt (Urteil des Gerichts vom 11. März 1999, Thyssen Stahl/Kommission, T‑141/94, Slg. 1999, II‑347, Randnr. 675) oder offenkundige Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft bedeuten (Urteil Tréfilunion/Kommission, oben in Randnr. 178 angeführt, Randnr. 109, und Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998, BPB de Eendracht/Kommission, T‑311/94, Slg. 1998, II‑1129, Randnr. 303).

271. Weiter ist darauf hinzuweisen, dass zu den besonders schweren Verstößen im Sinne von Abschnitt 1 A Abs. 1 dritter Gedankenstrich der Leitlinien „im Wesentlichen … horizontale Beschränkungen wie z. B. Preiskartelle [und] Marktaufteilungsquoten“ gehören.

272. Infolgedessen hat die Kommission die fragliche Zuwiderhandlung aufgrund ihrer Art zu Recht als besonders schwer eingestuft. Dennoch sind die von der Klägerin angeführten Faktoren zu prüfen, die zu einer milderen Beurteilung führen könnten.

273. Zum Vorbringen der Klägerin, die Zuwiderhandlung hätte als schwer eingestuft werden müssen, weil sie nur begrenzte Auswirkungen auf den Markt gehabt habe, ist zu bemerken, dass das Gericht im Urteil vom 30. September 2003, Michelin/Kommission (T‑203/01, Slg. 2003, II‑4071, Randnrn. 258 und 259), ausgeführt hat, dass die Schwere der Zuwiderhandlung anhand der Art und des Zwecks der missbräuchlichen Verhaltensweisen festgestellt werden kann und dass Gesichtspunkte, die den Gegenstand eines Verhaltens betreffen, für die Festsetzung der Geldbuße größere Bedeutung haben können als Gesichtspunkte, die die Wirkungen des Verhaltens betreffen.

274. Zwar müssen also auch die Größe des betreffenden räumlichen Marktes und die Auswirkungen auf den Markt, sofern diese messbar sind, berücksichtigt werden, doch stellt die Art der Zuwiderhandlungen ein wesentliches Kriterium für die Beurteilung der Schwere einer Zuwiderhandlung dar (Urteil des Gerichts vom 18. Juli 2005, Scandinavian Airlines System/Kommission, T‑241/01, Slg. 2005, II‑2917, Randnr. 84).

275. Unterstellt man das Vorbringen der Klägerin, die Kommission habe die Geldbußen in ihren anderen Entscheidungen wegen der begrenzten Auswirkungen der Kartelle auf den Markt herabgesetzt, als richtig, ist zu betonen, dass die frühere Entscheidungspraxis der Kommission nicht selbst den rechtlichen Rahmen für Geldbußen in Wettbewerbssachen bildet (Urteil des Gerichts vom 20. März 2002, LR AF 1998/Kommission, T‑23/99, Slg. 2002, II‑1705, Randnr. 234).

276. Was das hilfsweise Vorbringen der Klägerin angeht, die Kommission hätte, selbst wenn die Einordnung der Zuwiderhandlung richtig sein sollte, anerkennen müssen, dass als besonders schwer eingestufte Zuwiderhandlungen von unterschiedlichem Schweregrad seien und dass im Vergleich zu anderen Kartellsachen die im vorliegenden Fall behauptete Vereinbarung ein Beispiel für ein deutlich weniger intensives und wettbewerbswidriges Kartell sei, so überschneidet sich diese Frage mit der weiter unten geprüften Frage der Verhältnismäßigkeit der von der Kommission wegen der Schwere der fraglichen Zuwiderhandlung verhängten Geldbuße.

277. Jedenfalls erweist sich ein Vergleich der Schwere der einzelnen Kartelle wegen der verschiedenen Umstände des jeweiligen Falles als nahezu unmöglich.

278. Bezüglich des Vorbringens der Klägerin, die Kommission hätte einen Fehler begangen, indem sie die verschiedenen Geldbußen unter Bezugnahme auf die Größe des relevanten Marktes verglichen habe, ist daran zu erinnern, dass die Kommission bei der Beurteilung der Schwere einer Zuwiderhandlung zahlreiche Faktoren berücksichtigen muss, die je nach Art der fraglichen Zuwiderhandlung und nach den Umständen des Einzelfalls von unterschiedlicher Art und Bedeutung sind (Urteil des Gerichtshofs vom 7. Juni 1983, Musique diffusion française u. a./Kommission, 100/80 bis 103/80, Slg. 1983, 1825, Randnr. 120). Zu diesen Faktoren, die für die Schwere einer Zuwiderhandlung maßgebend sind, kann je nach Fall auch die Größe des betroffenen Produktmarkts gehören (Urteil des Gerichts vom 27. September 2006, Akzo Nobel/Kommission, T‑330/01, Slg. 2006, II‑3389, Randnr. 37).

279. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass ein horizontales Preiskartell von einem Umfang, wie er von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung festgestellt wurde, das sich auf einen so wichtigen Wirtschaftssektor bezieht, normalerweise unabhängig von seinem Kontext als besonders schwere Zuwiderhandlung einzustufen ist. Die von der Klägerin im vorliegenden Fall vorgetragenen Umstände sind jedenfalls nicht geeignet, die Richtigkeit der von der Kommission vorgenommenen Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung in Frage zu stellen.

280. Die Vorwürfe, die die Klägerin wegen der Einstufung des Kartells als aufgrund seiner Art besonders schwere Zuwiderhandlung erhebt, sind somit zurückzuweisen.

Zu den konkreten Auswirkungen der Zuwiderhandlung auf den betroffenen Markt

– Vorbringen der Parteien

281. Die Klägerin macht geltend, die Kommission sei nicht imstande gewesen, in der angefochtenen Entscheidung einen quantifizierbaren Schaden nachzuweisen.

282. Das Kartell habe nur begrenzte Auswirkungen auf den betroffenen Markt gehabt, weil sich die tatsächlichen Netto-Netto-Preise von 1992 bis 1998 im Vereinigten Königreich auf demselben Niveau bewegt hätten und in Deutschland um 11 % gesunken seien. Die Kommission habe keine Auswirkungen auf den französischen Markt oder den Markt der Benelux-Staaten nachgewiesen. Außerdem habe sie nicht bewiesen, dass die Verbraucher geschädigt worden seien.

283. Weiter trägt die Klägerin vor, dass sich die Preise und die Marktanteile im Vereinigten Königreich und in Deutschland im betreffenden Zeitraum im Zusammenhang mit der Rückkehr zu normaleren Wettbewerbsbedingungen nach einem heftigen Preiskrieg auf vorhersehbare Weise entwickelt hätten.

284. Das Treffen in London habe zwar möglicherweise zu einer rascheren Beendigung des Preiskriegs geführt, habe aber nicht allein ursächlich dafür sein können. Der Preiskrieg hätte auf jeden Fall geendet.

285. Sodann habe der Informationsaustausch nur geringe Auswirkungen gehabt. Sie habe die erhaltenen Informationen lediglich genutzt, um festzustellen, ob sich die Stimmung in der Industrie geändert habe. Außerdem habe Herr [D] die Daten bis auf ein einziges Mal im Jahr 1993 niemandem mitgeteilt. Dass sich der betreffende Austausch nicht ausgewirkt habe, werde durch eine Prüfung der tatsächlich ausgetauschten Daten untermauert. Ursprünglich habe sich der Austausch auf Jahresdaten bezogen. Ab 1993 sei der Austausch halbjährlich erfolgt und ab 1996 vierteljährlich. Der Austausch habe jedoch nicht regelmäßig stattgefunden. Zudem habe es sich um allgemeine Informationen in Gestalt einer einzigen Zahlenangabe für den gesamten nationalen Markt gehandelt.

286. Unter Bezugnahme auf das Urteil Deere/Kommission (oben in Randnr. 108 angeführt) und das Urteil vom 11. März 1999, Thyssen Stahl/Kommission (oben in Randnr. 270 angeführt), macht die Klägerin geltend, dass dem vorliegenden Fall völlig andere Umstände zugrunde lägen als diesen beiden Urteilen. In den beiden damaligen Fällen seien die ausgetauschten Informationen viel detaillierter und aktueller gewesen.

287. Die Vorabmitteilungen der Erhöhungen der Katalogpreise seien in den meisten Fällen der Ankündigung der betreffenden Erhöhungen gegenüber den Verbrauchern nur um wenige Tage vorausgegangen und in einigen Fällen sogar gleichzeitig erfolgt. Die Informationen seien somit zum Zeitpunkt ihrer Übermittlung nicht vertraulich gewesen. Außerdem seien die Katalogpreise selten die Preise, die von den Kunden gezahlt würden.

288. Die angebliche Zuwiderhandlung habe die Verbraucher auch nicht schädigen können, weil es sich bei den Kunden fast immer um kaufmännische Unternehmen mit erheblicher Nachfragemacht handele, die daher Preisnachlässe aushandeln könnten, indem sie die Hersteller gegeneinander ausspielten.

289. Die Klägerin widerspricht ferner der Feststellung der Kommission, dass der Wettbewerb auf einem oligopolistischen Markt tendenziell stärker eingeschränkt sei. Die Verteilung der Marktanteile habe sich unter Ab- und Zuwanderung zahlreicher Kunden erheblich geändert.

290. Schließlich habe die Kommission nicht nachgewiesen, dass die Zuwiderhandlung Auswirkungen auf den französischen Markt und den Markt der Benelux-Staaten gehabt habe. Die Kommission führe als Hauptbeweis an, dass sich der Informationsaustausch auf diese Märkte erstreckt habe. Sie habe jedoch kein wettbewerbswidriges Verhalten in Bezug auf diese beiden Märkte nachgewiesen.

291. Die Kommission vertritt die Auffassung, dass die im vorliegenden Fall begangene Zuwiderhandlung aufgrund der Art des relevanten Marktes konkrete Auswirkungen gehabt habe.

292. Außerdem sei die Beendigung des Preiskriegs eines der Hauptziele des Kartells gewesen, und die Vereinbarung habe dem Preiskrieg tatsächlich ein Ende bereitet. Was das Vorbringen von BPB angehe, dass die Zuwiderhandlung nicht allein ursächlich für die Beendigung des Preiskriegs gewesen sei, schwäche dies, selbst wenn es der Fall sein sollte, in keiner Weise die konkreten Auswirkungen der Zuwiderhandlung auf den betroffenen Markt.

293. Zum Informationsaustausch habe sie festgestellt, dass dieser Austausch genutzt worden sei, um die Überwachung des Marktes zu gewährleisten und einen zu aggressiven Wettbewerb der betreffenden Unternehmen auf den vier betroffenen Märkten zu verhindern.

294. Der Umstand, dass die Unternehmen die vereinbarten Preiserhöhungen tatsächlich angekündigt hätten und dass die angekündigten Preise als Grundlage für die Festsetzung der Preise für ihre Einzelgeschäfte gedient hätten, genüge bereits, um festzustellen, dass mit dem Preiskartell eine starke Beschränkung des Wettbewerbs bezweckt und bewirkt worden sei. Es müsse deshalb nicht ermittelt werden, ob sich die erzielten Transaktionspreise im Gleichklang mit den angekündigten Preisen entwickelt hätten, um nachzuweisen, dass die Vereinbarung konkrete Auswirkungen auf den relevanten Markt gehabt habe.

295. Die Kommission ist der Auffassung, sie brauche weder nachzuweisen, dass die Zuwiderhandlung zu einem quantifizierbaren Schaden geführt habe, noch, dass die Verbraucher geschädigt worden seien. Sie macht jedoch unter Bezugnahme auf Randnr. 534 der angefochtenen Entscheidung geltend, dass die größere Stabilität der Preise und der Marktanteile mit der Errichtung des Kartells zusammenhänge. Weiter führt sie aus, dass Gipsplatten in der Bauindustrie verwendet würden, die Wohnungspreise beeinflussten und sich folglich auf die Verbraucher auswirkten.

296. Was die räumliche Ausdehnung des Kartells betreffe, bedeute der Umstand, dass die wettbewerbswidrige Tätigkeit auf bestimmten Märkten möglicherweise weniger intensiv gewesen sei, nicht, dass das Kartell auf diesen Märkten nicht aktiv gewesen sei.

– Würdigung durch das Gericht

297. Nach Abschnitt 1 A Abs. 1 der Leitlinien berücksichtigt die Kommission bei ihrer Bemessung der Geldbuße nach der Schwere des Verstoßes u. a. „die konkreten Auswirkungen [des Verstoßes] auf den Markt, sofern diese messbar sind“.

298. Insoweit ist die genaue Bedeutung der Worte „sofern diese [d. h. die konkreten Auswirkungen] messbar sind“ zu untersuchen. Insbesondere ist zu klären, ob mit diesen Worten gemeint ist, dass die Kommission die konkreten Auswirkungen einer Zuwiderhandlung im Rahmen der Bußgeldbemessung nur berücksichtigen darf, wenn und soweit sie in der Lage ist, diese Auswirkungen quantitativ zu bestimmen.

299. Zu beachten ist auch, dass die Beurteilung der Wirkungen von Vereinbarungen oder Verhaltensweisen im Hinblick auf Art. 81 EG eine Berücksichtigung des jeweiligen konkreten Rahmens erfordert, nämlich des wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhangs, in dem die betreffenden Unternehmen tätig sind, der Natur der betroffenen Waren und Dienstleistungen, der auf dem betreffenden Markt oder den betreffenden Märkten bestehenden tatsächlichen Bedingungen und der Struktur dieses Marktes oder dieser Märkte (Urteil ASNEF-EQUIFAX und Administración del Estado, oben in Randnr. 106 angeführt, Randnr. 49).

300. Zudem erfordert die Prüfung der Auswirkungen eines Kartells auf den Markt zwangsläufig die Aufstellung von Hypothesen. In diesem Zusammenhang muss die Kommission insbesondere prüfen, welchen Preis das relevante Produkt ohne Kartell gehabt hätte. Indessen ist es mit Unwägbarkeiten behaftet, im Rahmen der Prüfung der Gründe für die tatsächliche Preisentwicklung Mutmaßungen über den jeweiligen Anteil anzustellen, den die einzelnen Gründe hatten. Es ist dem objektiven Umstand Rechnung zu tragen, dass die betreffenden Unternehmen aufgrund des Preiskartells auf die Möglichkeit, mittels der Preise miteinander zu konkurrieren, gerade verzichtet haben. Die Beurteilung des Einflusses anderer Faktoren als dieses freiwilligen Verzichts der am Kartell beteiligten Unternehmen beruht daher zwangsläufig auf hinreichend hohen und nicht genau quantifizierbaren Wahrscheinlichkeiten.

301. Soll daher dem in Abschnitt 1 A Abs. 1 der Leitlinien festgelegten Kriterium nicht seine praktische Wirksamkeit genommen werden, kann es der Kommission nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass sie sich auf die konkreten Auswirkungen, die ein Kartell mit wettbewerbswidrigem Zweck auf den Markt hat, gestützt hat, ohne diese Auswirkungen zu quantifizieren oder hierzu eine bezifferte Beurteilung vorzulegen. Die konkreten Auswirkungen eines Kartells auf den Markt sind folglich als hinreichend nachgewiesen anzusehen, wenn die Kommission in der Lage ist, konkrete und glaubhafte Indizien dafür vorzulegen, dass das Kartell mit hinreichender Wahrscheinlichkeit Auswirkungen auf den Markt hatte.

302. Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der Zusammenfassung der von der Kommission vorgenommenen Beurteilung (Randnrn. 534 bis 538 der angefochtenen Entscheidung), dass sie sich für ihre Feststellung, das Kartell habe konkrete Auswirkungen auf den Markt gehabt, auf mehrere Anhaltspunkte gestützt hat. Sie hat den Umstand angeführt, dass auf die Kartellteilnehmer das gesamte oder nahezu das gesamte Gipsplattenangebot auf den vier von dem Kartell erfassten Märkten entfallen sei. Weiter hat sie festgestellt, dass die betreffenden Unternehmen ihre Vereinbarung umgesetzt hätten, u. a. indem sie ihr Verhalten nach der Zusammenkunft von London tatsächlich geändert hätten und der beschlossene Informationsaustausch im gesamten relevanten Zeitraum auf den wichtigsten Märkten und dabei insbesondere auf den Märkten des Vereinigten Königreichs und Deutschlands durchgeführt worden sei. Zu den Preisen hat sie unter Bezugnahme auf die Randnrn. 212 und 395 der angefochtenen Entscheidung hinzugefügt, dass sie tendenziell angestiegen seien oder sich zumindest stabilisiert hätten und dass die Kontakte betreffend die Preissteigerungen an die Veröffentlichung von Preislisten gebunden gewesen seien, die später in den Kundenpreisen aufgeführt gewesen seien. Außerdem hat sie unter Hinweis auf die Randnrn. 71, 196 und 289 der angefochtenen Entscheidung sowie den Anhang zur Entscheidung festgestellt, dass die Marktanteile im betreffenden Zeitraum relativ stabil geblieben seien, auf jeden Fall stabiler als im Zeitraum 1988 bis 1992, der von den in Rede stehenden Unternehmen als Preiskrieg eingestuft worden sei.

303. Sowohl die Tatsache, dass die Kartellteilnehmer den überwiegenden Teil (bzw. fast die Gesamtheit) des betroffenen Marktes hielten, als auch der Umstand, dass die aufgedeckten Vereinbarungen eigens darauf gerichtet waren, die Preise über das Niveau anzuheben, auf dem sie sich sonst eingependelt hätten, sind Anhaltspunkte dafür, dass die Zuwiderhandlung erhebliche wettbewerbswidrige Auswirkungen haben konnte.

304. Der Kommission kann deshalb kein Vorwurf daraus gemacht werden, dass sie den Umstand, dass die Kartellteilnehmer einen sehr großen Anteil am betroffenen Markt hielten, für einen wichtigen Faktor hielt, den sie bei der Prüfung der konkreten Auswirkungen des Kartells auf den Markt berücksichtigen müsse. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Preis- und Marktstabilisierungskartell wirksam ist, wächst nämlich unzweifelhaft mit der Größe der Marktanteile, die sich die Teilnehmer dieses Kartells teilen. Zwar beweist dieser Umstand allein nicht das Vorliegen konkreter Auswirkungen, doch hat die Kommission in der angefochtenen Entscheidung keineswegs einen solchen Kausalzusammenhang hergestellt, sondern den Umstand lediglich zusammen mit anderen Gesichtspunkten berücksichtigt.

305. Zur Feststellung der Kommission, dass die Preise tatsächlich tendenziell angestiegen seien oder sich zumindest stabilisiert hätten (Randnr. 534 der angefochtenen Entscheidung), ist zu bemerken, dass die Kommission keine Statistiken zur Preisentwicklung präsentiert, sondern lediglich erklärt, dass BPB und Lafarge in ihrer Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte angegeben hätten, die Preise auf den Märkten des Vereinigten Königreichs und Deutschlands seien tendenziell angestiegen oder hätten sich zumindest stabilisiert.

306. In diesem Zusammenhang ist auf folgende Umstände hinzuweisen. Erstens hat das Gericht, wie sich oben aus Randnr. 58 ergibt, vorsorglich beschlossen, die Erwiderung von Lafarge auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte als ein die Klägerin belastendes Beweismittel auszuschließen. Zweitens werden, selbst wenn die Erwiderung der Klägerin auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte in dem von der Kommission geltend gemachten Sinne ausgelegt werden kann, d. h. als Eingeständnis der Klägerin selbst, dass die Preise auf dem Markt des Vereinigten Königreichs und dem deutschen Markt tendenziell gestiegen seien oder sich stabilisiert hätten, der französische Markt und der Markt der Benelux-Staaten von dieser Aussage nicht erfasst. Drittens hat die Klägerin, wie aus ihrer Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte hervorgeht, erklärt, dass sich die tatsächlichen Transaktionspreise von 1992 bis 1998 im Vereinigten Königreich auf demselben Niveau bewegt hätten und in Deutschland gesunken seien.

307. Wenn die Umsetzung eines Kartells erwiesen ist, kann von der Kommission jedoch nicht verlangt werden, systematisch darzulegen, dass die Vereinbarungen es den betroffenen Unternehmen tatsächlich ermöglichten, ein höheres Niveau der Transaktionspreise als ohne Kartell zu erzielen. Es wäre unverhältnismäßig, eine solche Darlegung zu verlangen, die beträchtliche Ressourcen in Anspruch nehmen würde, weil sie den Rückgriff auf hypothetische Berechnungen anhand wirtschaftlicher Modelle erfordern würde, deren Genauigkeit nur schwer gerichtlich nachprüfbar und deren Unfehlbarkeit keineswegs erwiesen ist (Schlussanträge des Generalanwalts Mischo in der Rechtssache Mo och Domsjö/Kommission, C‑283/98 P, Urteil des Gerichtshofs vom 16. November 2000, Slg. 2000, I‑9855, Nr. 109).

308. Im vorliegenden F all ergibt sich aus der angefochtenen Entscheidung und aus dem Eingeständnis der Klägerin, dass der Preiskrieg endete, was folgerichtig zur Anhebung der Preise auf ein Niveau führte, das sie ohne unzulässige Vereinbarungen nicht erreicht hätten.

309. Außerdem hatte die Tatsache, dass die Kontakte betreffend die Preissteigerungen an die Veröffentlichung von Preislisten gebunden gewesen waren, die später in den Kundenpreisen aufgeführt wurden (Randnr. 534 der angefochtenen Entscheidung), naturgemäß sowohl auf der Angebots- als auch auf der Nachfrageseite eine Auswirkung auf den Markt und auf das Verhalten der verschiedenen Akteure, denn diese Ankündigungen beeinflussten den Prozess der Preisfestlegung, da der angekündigte Preis eine Referenz bei der individuellen Aushandlung der tatsächlichen Verkaufspreise mit den Kunden darstellte (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 14. Mai 1998, Finnboard/Kommission, T‑338/94, Slg. 1998, II‑1617, Randnr. 342), deren Verhandlungsspielraum hinsichtlich der Preise zwangsläufig begrenzt wurde (vgl. in diesem Sinne Urteil LVM/Kommission, oben in Randnr. 234 angeführt, Randnr. 745).

310. Darüber hinaus beeinträchtigt schon die Festsetzung eines Preises, sei es auch nur eines Richtpreises, den Wettbewerb dadurch, dass sie sämtlichen Kartellteilnehmern die Möglichkeit gibt, mit hinreichender Sicherheit vorauszusehen, welche Preispolitik ihre Konkurrenten verfolgen werden (Urteil des Gerichtshofs vom 17. Oktober 1972, Vereeniging van Cementhandelaren/Kommission, 8/72, Slg. 1972, 977, Randnr. 21). Allgemeiner bedeuten derartige Kartelle einen unmittelbaren Eingriff in die wesentlichen Wettbewerbsparameter auf dem betreffenden Markt (Urteil vom 11. März 1999, Thyssen Stahl/Kommission, oben in Randnr. 270 angeführt, Randnr. 675). Durch die Äußerung eines gemeinsamen Willens, ein bestimmtes Preisniveau auf ihre Produkte anzuwenden, bestimmen die betreffenden Hersteller nämlich nicht mehr autonom ihre Marktpolitik und verstoßen so gegen den Grundgedanken der Wettbewerbsvorschriften des Vertrags (vgl. in diesem Sinne Urteil BPB de Eendracht/Kommission, oben in Randnr. 270 angeführt, Randnr. 192).

311. Die Kommission hat folglich rechtlich hinreichend nachgewiesen, dass das Kartell hinsichtlich der Preise konkrete Auswirkungen auf den betroffenen Markt hatte.

312. Zur Aussage der Kommission in Randnr. 534 der angefochtenen Entscheidung, die Marktanteile seien im betreffenden Zeitraum wegen der in Rede stehenden Zuwiderhandlung relativ stabil geblieben, ist festzustellen, dass diese Aussage nicht untermauert wird. Zwar ergibt sich aus der von der Kommission in Bezug genommenen Tabelle im Anhang zur angefochtenen Entscheidung, dass die Marktanteile im Zeitraum 1992 bis 1998 relativ stabil geblieben zu sein scheinen. Da Angaben zur Lage auf dem betroffenen Markt in der Zeit vor dem Kartell fehlen, belegt diese Tabelle jedoch nicht rechtlich hinreichend, dass die Stabilität, sieht man sie als erwiesen an, die Folge der in Rede stehenden Zuwiderhandlung war.

313. Was den Informationsaustausch angeht, besteht nach ständiger Rechtsprechung vorbehaltlich des den betroffenen Wirtschaftsteilnehmern obliegenden Gegenbeweises die Vermutung, dass die an der Abstimmung beteiligten und weiterhin auf dem Markt tätigen Unternehmen die mit ihren Wettbewerbern ausgetauschten Informationen bei der Festlegung ihres Marktverhaltens berücksichtigen. Dies gilt umso mehr, wenn die Abstimmung während eines langen Zeitraums regelmäßig stattfindet, wie es hier der Fall war (vgl. Urteil HFB u. a./Kommission, oben in Randnr. 79 angeführt, Randnr. 216 und die dort angeführte Rechtsprechung).

314. Angesichts der vorstehenden Erwägungen ist festzustellen, dass die Kommission die Auswirkungen der Zuwiderhandlung auf den betroffenen Markt mit Ausnahme der Stabilität der Marktanteile hinreichend nachgewiesen hat. Aufgrund des gravierenden Charakters der fraglichen Verhaltensweisen und der Art des Marktes kann auch eine Auswirkung auf den französischen Markt und den Markt der Benelux-Staaten angenommen werden.

315. Zu prüfen ist folglich noch, ob der Umstand, dass die Kommission nicht alle behaupteten Wirkungen der Zuwiderhandlung nachgewiesen hat, eine Auswirkung auf die Einstufung des Verstoßes als besonders schwer und damit auf die Höhe der Geldbuße hat.

316. Die Schwere der Zuwiderhandlungen ist anhand zahlreicher Gesichtspunkte zu ermitteln, zu denen u. a. die besonderen Umstände der Sache, ihr Kontext und die Abschreckungswirkung der Geldbußen gehören, ohne dass es eine zwingende oder abschließende Liste von Kriterien gäbe, die auf jeden Fall berücksichtigt werden müssten (Urteil des Gerichtshofs vom 17. Juli 1997, Ferriere Nord/Kommission, C‑219/95 P, Slg. 1997, I‑4411, Randnr. 33).

317. Das Gericht hat im Urteil Michelin/Kommission (oben in Randnr. 273 angeführt, Randnrn. 258 und 259) ausgeführt, dass die Schwere der Zuwiderhandlung anhand der Art und des Zwecks der missbräuchlichen Verhaltensweisen festgestellt werden kann und dass nach ständiger Rechtsprechung Gesichtspunkte, die den Gegenstand eines Verhaltens betreffen, für die Festsetzung der Geldbuße größere Bedeutung haben können als Gesichtspunkte, die die Wirkungen des Verhaltens betreffen.

318. Der Gerichtshof hat diesen Ansatz bestätigt und festgestellt, dass die Auswirkung einer wettbewerbswidrigen Praxis bei der Beurteilung der angemessenen Höhe der Geldbuße kein ausschlaggebendes Kriterium ist. Gesichtspunkte, die die Intention eines Verhaltens betreffen, können größere Bedeutung haben als solche, die dessen Wirkungen betreffen, vor allem, wenn es sich dem Wesen nach um schwere Zuwiderhandlungen wie die Preisfestsetzung und die Marktaufteilung handelt (Urteil vom 2. Oktober 2003, Thyssen Stahl/Kommission, oben in Randnr. 180 angeführt, Randnr. 118).

319. Zudem sind horizontale Preisabsprachen stets als Zuwiderhandlungen angesehen worden, die zu den schwersten Verstößen gegen das Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft gehören (Urteil Tate & Lyle u. a./Kommission, oben in Randnr. 154 angeführt, Randnr. 103, sowie Urteil des Gerichts vom 19. März 2003, CMA CGM u. a./Kommission, T‑213/00, Slg. 2003, II‑913, Randnr. 262).

320. Schließlich ist zu unterstreichen, dass die Kommission dem Kriterium der tatsächlichen Auswirkung der Zuwiderhandlung auf den Markt keine vorrangige Bedeutung bei der Festsetzung des Ausgangsbetrags der Geldbuße beigemessen hat. Sie hat ihre Beurteilung nämlich auch auf andere Gesichtspunkte gestützt, und zwar die Feststellung, dass die Zuwiderhandlung ihrer Art nach als sehr schwer einzustufen sei (Randnrn. 528 bis 530 der angefochtenen Entscheidung) und dass der räumlich relevante Markt sowohl räumlich als auch wertmäßig ein wichtiger Teil des Gemeinschaftsmarkts sei, da er ungefähr 80 % des Gesamtwerts dieses Marktes ausmache (Randnrn. 539 bis 542 der angefochtenen Entscheidung).

321. Nach alledem hat die Kommission die Zuwiderhandlung somit zu Recht als sehr schwer eingestuft.

322. Außerdem ist das Gericht im Rahmen seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung und angesichts der vorstehenden Erwägungen der Ansicht, dass die Tatsache, dass die Kommission die Auswirkungen der Zuwiderhandlung nur teilweise nachgewiesen hat, nicht geeignet ist, die von der Kommission vorgenommene Bemessung des anhand der Schwere festgesetzten Ausgangsbetrags der Geldbuße in Frage zu stellen.

Zur Bestimmung des Ausgangsbetrags der Geldbuße anhand der Schwere der Zuwiderhandlung

– Vorbringen der Parteien

323. Die Klägerin trägt vor, dass nach Abschnitt 1 A Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Leitlinien im Fall eines besonders schweren Verstoßes eine Geldbuße mit einem voraussichtlichen Ausgangsbetrag von mehr als 20 Mio. Euro verhängt werden könne. Aufgrund dieser Bestimmung müsse die Kommission erläutern, anhand welcher Kriterien sie sich für einen Betrag von mehr 20 Mio. Euro entschieden habe. Tue sie dies nicht, erscheine der festgesetzte Betrag als willkürlich gewählt.

324. Ihre Geldbuße sei zudem gemessen an ihrem Umsatz unverhältnismäßig und überhöht. Die Geldbuße belaufe sich auf 18,1 % ihres in Europa mit ihrer Gipsplattenherstellung erzielten Umsatzes, 24,3 % ihres mit dem betreffenden Produkt auf den vier größten Märkten erzielten Umsatzes und 44,4 % ihres mit dem Produkt im Vereinigten Königreich und in Deutschland erzielten Umsatzes, jeweils bezogen auf 2001/2002. Überdies sei ihre Geldbuße gemessen an ihrem Umsatz im Vergleich mit den wegen der gleichen Zuwiderhandlung oder vergleichbarer Zuwiderhandlungen verhängten anderen Geldbußen viel zu hoch.

325. Um die Verhältnismäßigkeit der Geldbuße zu prüfen, könne ein Vergleich mit anderen Fällen nicht ohne Interesse sein. Die Klägerin fragt sich, welche Parameter die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit erlaubten, wenn sie nicht geltend machen könne, dass die Geldbuße im Vergleich zu ähnlichen und aktuellen Fällen oder gemessen an ihrem Umsatz oder an dem anderer Unternehmen unverhältnismäßig sei.

326. Darüber hinaus habe die Verzögerung von mindestens einem Jahr, mit der die Kommission die angefochtene Entscheidung erlassen habe, dazu beigetragen, dass gegen sie eine viel höhere Geldbuße verhängt worden sei, als dies vermutlich der Fall gewesen wäre, wenn die Entscheidung Ende 2001 und nicht am 27. November 2002 erlassen worden wäre. Zu diesem Zeitpunkt habe sich die Kommission nämlich bemüht, die öffentliche Aufmerksamkeit von einer Reihe von Misserfolgen in mehreren Fusionsfällen abzulenken, und deshalb versucht, maximales politisches Kapital aus der Verhängung strenger Geldbußen gegen das in Rede stehende Kartell zu schlagen.

327. Die Kommission macht geltend, dass die gegen die einzelnen Unternehmen festgesetzten Ausgangsbeträge in einem klar erkennbaren und angemessenen Verhältnis zueinander stünden und dass sie von der Schwere der Zuwiderhandlung abhingen.

328. In den Randnrn. 545 bis 549 der angefochtenen Entscheidung sei dargelegt, aus welchen Gründen sie den Ausgangsbetrag auf 80 Mio. Euro festgesetzt habe. Sie sei nicht verpflichtet, ihre Wahl noch näher zu begründen.

329. Ein Vergleich mit den in den anderen Fällen verhängten Geldbußen sei nicht von Interesse, weil sie die Höhe der Geldbußen im konkreten Fall bestimme und jedenfalls das allgemeine Niveau der Geldbußen in den durch die Verordnung Nr. 17 gezogenen Grenzen anheben könne, wenn sich dies als erforderlich erweise, um die Durchführung der Wettbewerbspolitik sicherzustellen. Die Kommission legt eine Tabelle mit den Ausgangsbeträgen von Geldbußen vor, die sie in Fällen verhängt habe, in denen es um die Märkte mit den höchsten Werten gegangen sei, um zu belegen, dass der Ausgangsbetrag der Geldbuße der Klägerin nicht strenger sei als die Ausgangsbeträge der Geldbußen in anderen Fällen und dass er im Gegenteil deutlich niedriger sei, wenn die Größe des relevanten Marktes berücksichtigt werde. Sie versuche allerdings nicht, den Ausgangsbetrag durch Hinweis auf diese Tabelle zu rechtfertigen, die sich nur auf einen der Faktoren beziehe, die bei der Bewertung des Ausgangsbetrags herangezogen werden müssten.

330. Schließlich habe BPB angesichts der Komplexität des Falles weder eine unverhältnismäßige Verzögerung nachgewiesen, noch habe sie dargetan, dass diese Verzögerung die Verteidigungsrechte verletzt habe. Die Behauptungen von BPB zum politischen Klima seien reine Spekulationen und hätten mit der Frage, ob die verhängte Geldbuße rechtmäßig sei, nichts zu tun.

– Würdigung durch das Gericht

331. Was den Umfang der Begründungspflicht in Bezug auf die Berechnung der Höhe einer wegen Verletzung der Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft verhängten Geldbuße anbelangt, ist zu beachten, dass diese gemäß Art. 15 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 17 festzusetzen ist, wonach „[b]ei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße … neben der Schwere des Verstoßes auch die Dauer der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen“ ist. Insoweit enthalten die Leitlinien und die Mitteilung über Zusammenarbeit Regeln über die Beurteilungskriterien, die von der Kommission herangezogen werden, um die Schwere und die Dauer der Zuwiderhandlung zu bemessen (Urteil des Gerichts vom 9. Juli 2003, Cheil Jedang/Kommission, T‑220/00, Slg. 2003, II‑2473, Randnr. 217). Unter diesen Umständen sind die Anforderungen an das wesentliche Formerfordernis, um das es sich bei der Begründungspflicht handelt, erfüllt, wenn die Kommission in ihrer Entscheidung die Beurteilungskriterien angibt, die sie in Anwendung ihrer Leitlinien und gegebenenfalls ihrer Mitteilung über Zusammenarbeit herangezogen hat und die es ihr ermöglicht haben, für die Berechnung der Höhe der Geldbuße Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung zu bemessen (Urteil Cheil Jedang/Kommission, Randnr. 218).

332. Zwar hat die Kommission im vorliegenden Fall keine anderen Zahlen als die bezüglich der Marktanteile der betreffenden Unternehmen genannt, auf deren Grundlage sie den Ausgangsbetrag der Geldbuße der Klägerin auf 80 Mio. Euro festgesetzt hat.

333. Aus der Begründungspflicht folgt jedoch nicht, dass die Kommission in ihrer Entscheidung Zahlenangaben zur Berechnungsweise der Geldbußen machen muss (Urteil des Gerichtshofs vom 16. November 2000, Stora Kopparbergs Bergslags/Kommission, C‑286/98 P, Slg. 2000, I‑9925, Randnr. 66).

334. Zahlenangaben zur Berechnungsweise der Geldbußen sind, so nützlich sie auch sein mögen, für die Beachtung der Pflicht zur Begründung einer Bußgeldentscheidung nicht unabdingbar, da die Kommission jedenfalls nicht durch den ausschließlichen und mechanischen Rückgriff auf mathematische Formeln auf ihr Ermessen verzichten darf (Urteil des Gerichtshofs vom 2. Oktober 2003, Salzgitter/Kommission, C‑182/99 P, Slg. 2003, I‑10761, Randnr. 75).

335. Bezüglich der Begründung der Festsetzung der Geldbußen in absoluten Zahlen ist nämlich daran zu erinnern, dass Geldbußen ein Instrument der Wettbewerbspolitik der Kommission darstellen, die bei der Festsetzung ihrer Höhe über einen Ermessensspielraum verfügen muss, um das Verhalten der Unternehmen auf die Einhaltung der Wettbewerbsregeln auszurichten (Urteil des Gerichts vom 6. April 1995, Martinelli/Kommission, T‑150/89, Slg. 1995, II‑1165, Randnr. 59).

336. Außerdem muss verhindert werden, dass die Geldbußen für die Wirtschaftsteilnehmer leicht vorhersehbar sind. Wenn die Kommission nämlich verpflichtet wäre, in ihrer Entscheidung Zahlenangaben zur Berechnungsweise der Geldbußen zu machen, würde deren abschreckende Wirkung beeinträchtigt. Wäre die Höhe der Geldbuße das Ergebnis einer Berechnung nach einer bloßen mathematischen Formel, könnten die Unternehmen vorhersehen, welche Sanktion in Betracht kommt, und diese mit den Vorteilen vergleichen, die sie aus der Zuwiderhandlung gegen die Vorschriften des Wettbewerbsrechts ziehen würden.

337. Im vorliegenden Fall hat die Kommission in den Randnrn. 522 bis 553 der angefochtenen Entscheidung die Gesichtspunkte dargelegt, die sie bei der Berechnung der Geldbußen anhand der Schwere der Zuwiderhandlung jedes betroffenen Unternehmens berücksichtigt hat. Aus den genannten Randnummern geht hervor, dass die Kommission klar und eingehend die von ihr angestellten Überlegungen aufgezeigt hat, so dass die Klägerin erkennen konnte, welche Kriterien für die Beurteilung der Schwere der Zuwiderhandlung im Hinblick auf die Berechnung der Geldbuße herangezogen wurden, und das Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann. Demgemäß entspricht die angefochtene Entscheidung dem Begründungserfordernis, dem die Kommission gemäß Art. 253 EG nachzukommen hat.

338. Soweit die Klägerin vorträgt, ihre Geldbuße sei gemessen an ihrem Umsatz unverhältnismäßig und überhöht, genügt es, daran zu erinnern, dass die Kommission, da sie nicht verpflichtet ist, die Geldbuße ausgehend von Beträgen zu berechnen, die auf dem Umsatz der betreffenden Unternehmen beruhen, auch nicht verpflichtet ist, im Fall der Festsetzung von Geldbußen gegen mehrere an der gleichen Zuwiderhandlung beteiligte Unternehmen dafür zu sorgen, dass in den von ihr errechneten Endbeträgen der Geldbußen der betreffenden Unternehmen alle Unterschiede in Bezug auf ihren Gesamtumsatz oder ihren Umsatz auf dem relevanten Produktmarkt zum Ausdruck kommen (Urteil Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Randnr. 90 angeführt, Randnrn. 255 und 312).

339. Zudem enthält das Gemeinschaftsrecht keinen allgemein anwendbaren Grundsatz, wonach die Sanktion in angemessenem Verhältnis zur Bedeutung des Unternehmens auf dem Markt der Erzeugnisse stehen muss, die Gegenstand der Zuwiderhandlung sind (Urteil des Gerichtshofs vom 18. Mai 2006, Archer Daniels Midland und Archer Daniels Midland Ingredients/Kommission, C‑397/03 P, Slg. 2006, I‑4429, Randnr. 101).

340. Art. 15 Abs. 2 der Verordnung Nr. 17 verlangt in Fällen, in denen Geldbußen gegen mehrere Unternehmen festgesetzt werden, die an derselben Zuwiderhandlung beteiligt sind, auch nicht, dass die gegen ein kleines oder mittleres Unternehmen festgesetzte Geldbuße, als Prozentsatz vom Umsatz ausgedrückt, nicht höher ist als die gegen die größeren Unternehmen festgesetzten Geldbußen. Aus dieser Bestimmung ergibt sich nämlich, dass sowohl bei den kleinen oder mittleren Unternehmen als auch bei den größeren Unternehmen für die Festsetzung der Höhe der Geldbuße die Schwere und die Dauer der Zuwiderhandlung berücksichtigt werden müssen. Wenn die Kommission gegen die an der gleichen Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen Geldbußen verhängt, die angesichts der Schwere und der Dauer der Zuwiderhandlung im Fall des jeweiligen Unternehmens gerechtfertigt sind, ist nicht zu beanstanden, dass bei einigen Unternehmen die Geldbuße im Verhältnis zum Umsatz höher ist als bei anderen Unternehmen (Urteil des Gerichts vom 20. März 2002, Dansk Rørindustri/Kommission, T‑21/99, Slg. 2002, II‑1681, Randnr. 203).

341. Das Vorbringen der Klägerin, die Unverhältnismäßigkeit der festgesetzten Geldbuße werde deutlich, wenn man die Geldbuße mit den gegen andere Unternehmen in ähnlichen Fällen verhängten Geldbußen vergleiche, ist ebenfalls zurückzuweisen. Die Kommission ist nämlich nicht verpflichtet, Geldbußen proportional zum Umsatz und in völliger Übereinstimmung mit Geldbußen festzusetzen, die in früheren Fällen verhängt worden sind.

342. In diesem Zusammenhang ist zu betonen, dass die frühere Entscheidungspraxis der Kommission nicht selbst den rechtlichen Rahmen für Geldbußen in Wettbewerbssachen bildet. Die Kommission ist dadurch, dass sie in der Vergangenheit für bestimmte Arten von Zuwiderhandlungen Geldbußen in einer bestimmten Höhe verhängt hat, nicht daran gehindert, dieses Niveau innerhalb der durch die Verordnung Nr. 17 gezogenen Grenzen anzuheben, wenn dies erforderlich ist, um die Durchführung der gemeinschaftlichen Wettbewerbspolitik sicherzustellen (Urteil Musique diffusion française u. a./Kommission, oben in Randnr. 278 angeführt, Randnr. 109).

343. Die Schwere der Zuwiderhandlungen ist zudem anhand zahlreicher Gesichtspunkte zu ermitteln, zu denen u. a. die besonderen Umstände der Sache, ihr Kontext und die Abschreckungswirkung der Geldbußen gehören, ohne dass es eine zwingende oder abschließende Liste von Kriterien gäbe, die auf jeden Fall berücksichtigt werden müssten (Urteile Ferriere Nord/Kommission, oben in Randnr. 316 angeführt, Randnr. 33, und LR AF 1998/Kommission, oben in Randnr. 275 angeführt, Randnr. 236). In jeder Rechtssache sind aber die relevanten Gegebenheiten wie die Märkte, die Waren, die Länder, die Unternehmen und die Zeiträume, um die es geht, unterschiedlich. Infolgedessen ist die Kommission nicht verpflichtet, gegen Unternehmen Geldbußen zu verhängen, deren Höhe in der Schwere der Zuwiderhandlung nach vergleichbaren Fällen demselben Anteil ihres jeweiligen Umsatzes ents pricht (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 13. Januar 2004, JCB Service/Kommission, T‑67/01, Slg. 2004, II‑49, Randnrn. 187 bis 189).

344. In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass das Gericht dafür zuständig ist, im Rahmen der ihm nach Art. 229 EG und Art. 17 der Verordnung Nr. 17 zuerkannten Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung zu beurteilen, ob die Höhe der Geldbußen angemessen ist.

345. Im vorliegenden Fall ist die Zuwiderhandlung entsprechend den Ausführungen der Kommission in den Randnrn. 534, 535 und 539 bis 542 der angefochtenen Entscheidung aufgrund bestimmter Umstände besonders schwer. Dabei handelt es sich insbesondere um den oligopolistischen Charakter des Marktes und die Tatsache, dass die fragliche Zuwiderhandlung das gesamte oder nahezu das gesamte Gipsplattenangebot auf den vier vom Kartell erfassten nationalen Märkten betraf. Außerdem ging es sowohl räumlich als auch wertmäßig um einen großen Markt. Die vier betroffenen Märkte waren nämlich die größten Gipsplattenmärkte in der Gemeinschaft und machten ungefähr 80 % des Gesamtwerts des Gemeinschaftsmarkts aus, der sich auf 1,21 Mrd. Euro im letzten vollständigen Jahr der Zuwiderhandlung belief. Schließlich hatte das Kartell aufgrund der Art des relevanten Produkts zwangsläufig Auswirkungen auf einen wesentlichen Teil des Baumarkts und traf somit einen für die Gesamtwirtschaft sehr wichtigen Sektor.

346. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass der im vorliegenden Fall anhand der Schwere der Zuwiderhandlung festgesetzte Ausgangsbetrag im Verhältnis zur Größe des betreffenden Marktes strenger bemessen wäre als der in anderen Sachen festgesetzte Ausgangsbetrag. Dieser Vergleich bedeutet jedoch nicht, dass die Größe des relevanten Marktes das beste oder das einzige Kriterium für einen Vergleich der in verschiedenen Kartellfällen verhängten Geldbußen wäre. Ein Vergleich zwischen verschiedenen Kartellen ist nämlich schwierig, da die Kommission im Rahmen der Bewertung der Schwere der Zuwiderhandlung zahlreiche Gesichtspunkte berücksichtigen kann. Wie oben in Randnr. 342 dargelegt, kann überdies ein solcher Vergleich jedenfalls nur Hinweischarakter haben, da die Entscheidungspraxis der Kommission nicht den rechtlichen Rahmen für Geldbußen in Wettbewerbssachen bilden kann.

347. Angesichts der zahlreichen Gründe, aus denen die Zuwiderhandlung im vorliegenden Fall besonders schwer ist (siehe oben, Randnr. 345), hält das Gericht den anhand der Schwere der Zuwiderhandlung festgesetzten Ausgangsbetrag der Geldbuße der Klägerin für angemessen.

348. Schließlich ist das Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen, dass die Sanktion weniger hoch ausgefallen wäre, wenn die Kommission das Verwaltungsverfahren früher beendet hätte, da diese erst vor kurzer Zeit das Sanktionsniveau generell angehoben habe. Selbst wenn man nämlich davon ausgeht, dass sich das Niveau der Geldbußen während des Verwaltungsverfahrens allgemein erhöht hat, genügt es, daran zu erinnern, dass die Kommission dadurch, dass sie in der Vergangenheit für bestimmte Arten von Zuwiderhandlungen Geldbußen in bestimmter Höhe verhängt hat, nicht daran gehindert ist, dieses Niveau innerhalb der in der Verordnung Nr. 17 gezogenen Grenzen anzuheben, wenn dies erforderlich ist, um die Durchführung der gemeinschaftlichen Wettbewerbspolitik sicherzustellen; vielmehr verlangt die wirksame Anwendung der Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft, dass die Kommission das Niveau der Geldbußen jederzeit den Erfordernissen dieser Politik anpassen kann (Urteile Musique diffusion française u. a./Kommission, oben in Randnr. 273 angeführt, Randnr. 109, sowie vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Randnr. 90 angeführt, Randnr. 169).

349. Nach alledem ist das Vorbringen der Klägerin, mit dem dargetan werden soll, dass der anhand der Schwere der Zuwiderhandlung festgesetzte Ausgangsbetrag der Geldbuße unverhältnismäßig sei, zurückzuweisen.

Zur Dauer der Zuwiderhandlung

Vorbringen der Parteien

350. Nach Auffassung der Klägerin hat die Kommission die Dauer der behaupteten Zuwiderhandlung auf der Grundlage isolierter und selbständiger Vorgänge falsch beurteilt. Die Kommission habe zu Unrecht angenommen, dass sie eine Zuwiderhandlung begangen habe, die vom 31. März 1992 bis 25. November 1998, also sechs Jahre und sieben Monate, gedauert habe, was ein Verstoß von langer Dauer wäre, der eine Erhöhung des Ausgangsbetrags der Geldbuße um 65 % rechtfertigen würde.

351. Die angeblichen Zuwiderhandlungen entfielen auf zwei getrennte Zeiträume. Der erste Zeitraum umfasse das Treffen in London und den Informationsaustausch zwischen Herrn [A] und den Knauf-Vettern von 1992 bis Anfang oder Mitte 1993, und der zweite den Informationsaustausch von Mitte oder Ende 1993 bis 1998 zwischen Herrn [D] und den Generaldirektoren der übrigen in Rede stehenden Unternehmen. Diese Vorgänge stünden weder mit anderen behaupteten Zuwiderhandlungen, die angeblich im Zeitraum von 1994 bis 1998 begangen worden seien, noch mit dem Austausch von Absatzdaten für das Vereinigte Königreich von Mitte 1992 bis Februar 1998 in einem Zusammenhang.

352. Es gebe daher keine komplexe und fortgesetzte Zuwiderhandlung, und nach der Verordnung (EWG) Nr. 2988/74 des Rates vom 26. November 1974 über die Verfolgungs- und Vollstreckungsverjährung im Verkehrs- und Wettbewerbsrecht der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (ABl. L 319, S. 1) seien die Zuwiderhandlungen, die mehr als fünf Jahre vor Beginn der Überprüfungen der Kommission begangen worden seien, verjährt und könnten nicht mit einer Geldbuße geahndet werden.

353. Überdies habe Herr [D] den Informationsaustausch im März und im November 1998 fortgesetzt, obwohl sie den Austausch im März 1998 untersagt habe. Sie könne nicht für Aktivitäten eines Beschäftigten verantwortlich sein, der seinen Anweisungen zuwiderhandle, und das Ende der Zuwiderhandlung sei somit auf Ende März 1998 festzusetzen.

354. Außerdem seien die Leitlinien nicht eindeutig, soweit es darum gehe, ob die Kommission Bruchteile von Jahren berücksichtigen dürfe. Die Klägerin befürwortet eine enge Auslegung der Leitlinien und meint, dass die Kommission den Ausgangsbetrag höchstens um 60 % statt um 65 % hätte erhöhen dürfen, d. h. um 10 % für jedes vollständige Jahr der Zuwiderhandlung.

355. Die Kommission dürfe auch nicht immer eine Erhöhung um 10 % vornehmen, wie sie dies in allen aktuelleren Kartellfällen automatisch getan habe. Die Kommission müsse alle relevanten Umstände des Falles berücksichtigen, wenn sie die Erhöhung der Geldbuße festlege. Auf diese Weise sei die Kommission in ihren Entscheidungen 98/273/EG vom 28. Januar 1998 in einem Verfahren nach Artikel [81 EG] (Sache IV/35.733 – VW) (ABl. L 124, S. 60) und 2002/190/EG vom 21. Dezember 2000 in einem Verfahren nach Artikel 81 EG-Vertrag (Fall COMP.F.1/35.918 — JCB) (ABl. 2002, L 69, S. 1) sowie im Fernwärmetechnik-Fall vorgegangen, in denen sie die Intensität der Zuwiderhandlung in den einzelnen Zeiträumen berücksichtigt habe.

356. Die Kommission hält das Vorbringen von BPB für einen neuen Versuch, die einheitliche, komplexe und fortgesetzte Zuwiderhandlung zu bestreiten, die sie in der angefochtenen Entscheidung festgestellt habe.

357. Zum Verhalten von Herrn [D] führt sie aus, sie sei nicht verpflichtet gewesen, zwischen den verschiedenen Organen des Unternehmens zu unterscheiden, von denen einige aktiv am Kartell beteiligt gewesen seien, während andere versucht hätten, ihm ein Ende zu bereiten.

358. In den Leitlinien sei nirgends festgelegt, dass sie Geldbußen nur für vollständige Jahre einer Zuwiderhandlung erhöhen dürfe. Das Risiko, dass eine Geldbuße entsprechend der Dauer der Zuwiderhandlung erheblich heraufgesetzt werde, verstärke zwangsläufig den Anreiz, das Kartell anzuzeigen oder mit ihr zusammenzuarbeiten. Ein anderes Vorgehen liefe dem von ihr ausdrücklich erklärten Ziel zuwider, die Geldbuße nach Maßgabe der Dauer der Zuwiderhandlung zu erhöhen.

Würdigung durch das Gericht

359. Das Vorbringen der Klägerin, mit dem dargetan werden soll, dass es um getrennte Zuwiderhandlungen gehe, die daher teilweise verjährt seien, überschneidet sich mit ihrem Vorbringen im Rahmen des dritten Klagegrundes. Da das Gericht bereits oben festgestellt hat, dass die Kommission mit ihrer Annahme, es handele sich um eine einheitliche und fortgesetzte Zuwiderhandlung, keinen Fehler begangen hat, ist dieses Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen.

360. Das Vorbringen der Klägerin, ihre Beteiligung an der Zuwiderhandlung hätte schon im März 1998 geendet, wenn Herr [D] nicht seinen Anweisungen zuwidergehandelt hätte, ist unerheblich. Ein Unternehmen – d. h. eine aus persönlichen, materiellen und immateriellen Elementen bestehende wirtschaftliche Einheit (Urteil des Gerichtshofs vom 13. Juli 1962, Mannesmann/Hohe Behörde, 19/61, Slg. 1962, 719, 750) – wird von den nach seiner Rechtsform vorgesehenen Organen geleitet, und alle Entscheidungen, mit denen ihm eine Geldbuße auferlegt wird, können an die satzungsgemäße Leitung des Unternehmens (Verwaltungsrat, Vorstand, Präsident, Geschäftsführer usw.) gerichtet werden. Die Wettbewerbsregeln könnten leicht umgangen werden, wenn von der Kommission verlangt würde, bei einem rechtswidrigen Verhalten eines Unternehmens zu prüfen und zu beweisen, wer der Urheber der verschiedenen Handlungen ist, was sie daran hindern könnte, das Unternehmen zu bestrafen, das von dem Kartell profitiert hat.

361. Zur Auffassung der Klägerin, die Leitlinien seien nicht eindeutig, soweit es darum gehe, ob die Kommission Bruchteile von Jahren berücksichtigen dürfe, genügt die Feststellung, dass nirgends in den Leitlinien untersagt ist, die tatsächliche Dauer der Zuwiderhandlung im Rahmen der Berechnung der Höhe der Geldbuße zu berücksichtigen. Ein solches Vorgehen ist völlig logisch und vernünftig und jedenfalls vom Ermessen der Kommission gedeckt.

362. Soweit die Klägerin beanstandet, dass die Kommission automatisch den Höchstsatz von 10 % pro Jahr angewandt habe, ist daran zu erinnern, dass Abschnitt 1 B Abs. 1 dritter Gedankenstrich der Leitlinien zwar für Verstöße von langer Dauer keine automatische Erhöhung von 10 % pro Jahr vorsieht, dass er aber der Kommission insoweit einen Ermessensspielraum lässt (Urteil Cheil Jedang/Kommission, oben in Randnr. 331 angeführt, Randnr. 134).

363. Im vorliegenden Fall hat die Kommission in Randnr. 554 der angefochtenen Entscheidung festgestellt, dass BPB eine Zuwiderhandlung mit einer Dauer von sechs Jahren und sieben Monaten, also einer langen Dauer im Sinne der Leitlinien, begangen habe, und hat den wegen der Schwere der Zuwiderhandlung festgesetzten Betrag der Geldbuße daher um 65 % erhöht. Die Kommission hat demnach die Regeln eingehalten, die sie sich selbst in den Leitlinien gesetzt hatte. Die Erhöhung um 65 % erscheint dem Gericht angesichts der Dauer der Zuwiderhandlung im vorliegenden Fall auch nicht als unverhältnismäßig.

364. Was das Vorbringen der Klägerin angeht, die Kommission habe die schwankende Intensität der Zuwiderhandlung im betreffenden Zeitraum nicht berücksichtigt, ist daran zu erinnern, dass sich die Erhöhung prozentual nach dem Ausgangsbetrag richtet, der anhand der Schwere des gesamten Verstoßes ermittelt wird und damit bereits die unterschiedlichen Intensitäten der Zuwiderhandlung widerspiegelt. Es wäre deshalb nicht logisch, wenn im Rahmen der Erhöhung dieses Betrags wegen der Dauer der Zuwiderhandlung ein Schwanken der Intensität der Zuwiderhandlung im betreffenden Zeitraum berücksichtigt würde.

365. Soweit BPB vorträgt, die Kommission habe in anderen Fällen, in denen es um gleichartige Beschränkungen von vergleichbarer Dauer gegangen sei, niedrigere Erhöhungen wegen der Dauer der Zuwiderhandlung vorgenommen als im vorliegenden Fall, genügt ein Hinweis darauf, dass die frühere Entscheidungspraxis der Kommission nicht selbst den rechtlichen Rahmen für Geldbußen in Wettbewerbssachen bildet, da dieser allein in der Verordnung Nr. 17 geregelt ist, und dass im Übrigen die Wirtschaftsteilnehmer nicht auf die Beibehaltung einer bestehenden Situation vertrauen dürfen, die die Kommission im Rahmen ihres Ermessens ändern kann (Urteil vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommission, oben in Randnr. 90 angeführt, Randnr. 171).

366. Der Vorwurf, die Erhöhung der Geldbuße wegen der Dauer der Zuwiderhandlung sei fehlerhaft, ist folglich zurückzuweisen.

Zum Wiederholungsfall

Vorbringen der Parteien

367. Die Klägerin macht geltend, die Anhebung des Grundbetrags der Geldbuße um 50 % – 66 Mio. Euro – wegen erneuten Verstoßes sei überhöht und unverhältnismäßig.

368. Erstens habe ihre Tochtergesellschaft bei der früheren Zuwiderhandlung nur eine untergeordnete und passive Rolle gespielt (Entscheidung 94/601/EG der Kommission vom 13. Juli 1994 in einem Verfahren nach Artikel [81 EG] [IV/C/33.833 – Karton] [ABl. L 243, S. 1]). Gegen ihre Tochtergesellschaft sei deshalb im Ergebnis eine Geldbuße von nur 750 000 Euro verhängt worden. Außerdem sei die frühere Zuwiderhandlung mehr als acht Jahre vor der Veröffentlichung der angefochtenen Entscheidung geahndet worden. Die Kommission könne nicht automatisch eine Erhöhung wegen des Vorliegens einer früheren Zuwiderhandlung festsetzten. Sie müsse alle Umstände der früheren Zuwiderhandlung berücksichtigen, ihre Art, die Umstände, unter denen sie begangen worden sei, die seither verstrichene Zeit und die auferlegte Sanktion. Die Klägerin verweist auf zahlreiche Rechtsordnungen, um zu zeigen, dass bei allen früheren Zuwiderhandlungen berücksichtigt werde, welcher Art sie seien und wie viel Zeit seit ihrer Begehung verstrichen sei, wenn ein Gericht erwäge, die Sanktion wegen erneuten Verstoßes zu verschärfen.

369. Zweitens könne die Kommission die Geldbuße nicht wegen erneuten Verstoßes erhöhen, wenn die erste und die zweite Zuwiderhandlung zeitlich zusammenfielen. Im vorliegenden Fall sei die Entscheidung im Karton-Fall (siehe vorstehend, Randnr. 368) am 13. Juli 1994 erlassen worden, und die Erhöhung um 50 % hätte daher erst ab diesem Zeitpunkt erfolgen dürfen. Der Aufschlag müsse somit entsprechend auf 43,7 Mio. Euro gesenkt werden. Anders betrachtet, dürfe die wegen der Dauer der Zuwiderhandlung erhöhte Geldbuße erst ab Juli 1994 wegen erschwerender Umstände angehoben werden. In diesem Fall belaufe sich der wegen erschwerender Umstände hinzuzurechnende Betrag auf 56 Mio. Euro.

370. Drittens sei die Anhebung überhöht und unverhältnismäßig, weil sie den Ausgangsbetrag der Geldbuße übersteige, die wegen der Schwere der Zuwiderhandlung gegen Knauf, Lafarge und Gyproc verhängt worden sei.

371. Viertens liege die Erhöhung über der Ermäßigung um 30 %, die ihr wegen ihrer Zusammenarbeit mit der Kommission in der vorliegenden Sache gewährt worden sei. Die wegen der Zusammenarbeit gewährten Ermäßigungen müssten sich tatsächlich niederschlagen und dürften nicht durch die Erhöhung wegen erneuten Verstoßes neutralisiert werden.

372. Fünftens gebe es nur eine einzige Entscheidung der Kommission, und zwar die im Fall British Sugar (siehe oben, Randnr. 264), in der eine höhere Anhebung erfolgt sei, nämlich um 75 % des Grundbetrags, und in diesem Fall sei die Erhöhung auf die Anführerrolle von British Sugar im Rahmen der ersten Zuwiderhandlung gestützt worden. Angesichts der Umstände des Falles British Sugar und der Entscheidung 2002/405/EG der Kommission vom 20. Juni 2001 in einem Verfahren nach Artikel 82 [EG] (COMP/E-2/36.041/PO – Michelin) (ABl. 2002, L 143, S. 1) sei die bei ihr selbst vorgenommene Anhebung um 50 % überhöht.

373. Schließlich habe die Kommission bei ihr selbst die gleiche Erhöhung wegen erneuten Verstoßes vorgenommen wie bei Lafarge, obwohl die Zuwiderhandlung, die diese in dem Fall begangen habe, der der Entscheidung 94/815/EG der Kommission vom 30. November 1994 in einem Verfahren nach Artikel [81 EG] (Sache IV/33.126 und 33.322 – Zement) (ABl. L 343, S. 1) zugrunde liege, schwerer gewesen sei als die im Karton-Fall geahndete Zuwiderhandlung. Die Kommission hätte die Unterschiede zwischen den beiden früheren Kartellen berücksichtigen müssen, insbesondere die wichtige Rolle von Lafarge, die lange Dauer des Kartells, an dem diese sich beteiligt habe, und den Umstand, dass Lafarge wegen dieser Zuwiderhandlung eine Geldbuße in Höhe von 14,9 Mio. Euro auferlegt worden sei. Da die Kommission diese Unterschiede nicht berücksichtigt und bei beiden Unternehmen eine Erhöhung um 50 % vorgenommen habe, habe sie den Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt.

374. Die Kommission hält den Wiederholungsfall für einen erschwerenden Umstand, da das betreffende Unternehmen einen erneuten Verstoß begehe, obwohl ihm bereits wegen einer gleichartigen Zuwiderhandlung eine Sanktion auferlegt worden sei und es damit eine deutliche Warnung erhalten habe, dass dieses Verhalten rechtswidrig sei und nicht wiederholt werden dürfe.

375. Das Vorbringen der Klägerin, dass die erste und die zweite Zuwiderhandlung zeitlich zusammenfielen und dass die Erhöhung sich danach ausrichten müsse, lasse außer Acht, dass mit der Erhöhung der Vorsatz des Unternehmens geahndet werden solle, die Wettbewerbsregeln zu verletzen, obwohl ihm bereits in der Vergangenheit Sanktionen auferlegt worden seien.

376. Die Frage, ob der Aufschlag wegen erneuten Verstoßes höher oder niedriger sei als der Ausgangsbetrag der gegen andere Unternehmen verhängten Geldbuße oder die wegen der Zusammenarbeit von BPB gewährte Ermäßigung, sei völlig irrelevant.

377. BPB erhebe einen zusätzlichen Vorwurf, der nicht in ihrer Klageschrift enthalten sei, nämlich, dass die Kommission hätte berücksichtigen müssen, wie viel Zeit seit der vorherigen Zuwiderhandlung verstrichen sei, die laut Erwiderung „mehr als acht Jahre vor der Veröffentlichung der Entscheidung im vorliegenden Fall“ begangen worden sei. Dieser Vorwurf sei nach Art. 44 § 1 Buchst. c der Verfahrensordnung unzulässig.

Würdigung durch das Gericht

378. Nach der Rechtsprechung steht die Berücksichtigung erschwerender Umstände bei der Festsetzung der Geldbuße im Einklang mit der Aufgabe der Kommission, die Übereinstimmung mit den Wettbewerbsregeln zu gewährleisten (Urteil des Gerichtshofs vom 29. Juni 2006, SGL Carbon/Kommission, C‑308/04 P, Slg. 2006, I‑5977, Randnr. 71).

379. So gehört ein etwaiger Wiederholungsfall zu den Gesichtspunkten, die bei der Untersuchung der Schwere der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen sind (Urteil Aalborg Portland u. a./Kommission, oben in Randnr. 36 angeführt, Randnr. 91).

380. Das Vorbringen der Klägerin, die Kommission habe nicht alle Umstände der früheren Zuwi derhandlung richtig berücksichtigt, ist zurückzuweisen.

381. Zunächst steht bezüglich des zeitlichen Abstands zwischen den beiden Zuwiderhandlungen fest, dass die erste Zuwiderhandlung nach dem Beginn der streitigen Zuwiderhandlung geahndet wurde.

382. Nach ständiger Rechtsprechung verfügt die Kommission über ein Ermessen in Bezug auf die Wahl der bei der Bemessung der Geldbußen zu berücksichtigenden Gesichtspunkte, zu denen u. a. die besonderen Umstände der Sache, ihr Kontext und die Abschreckungswirkung der Geldbußen gehören, ohne dass es eine zwingende oder abschließende Liste von Kriterien gäbe, die auf jeden Fall berücksichtigt werden müssten (Beschluss des Gerichtshofs vom 25. März 1996, SPO u. a./Kommission, C‑137/95 P, Slg. 1996, I‑1611, Randnr. 54, und Urteil vom 17. Juli 1997, Ferriere Nord/Kommission, C‑219/95 P, Slg. 1997, I‑4411, Randnr. 33).

383. Dieses Ermessen der Kommission erstreckt sich auch auf die Feststellung und die Beurteilung der besonderen Merkmale eines Wiederholungsfalls, und die Kommission ist für eine solche Feststellung nicht an eine Verjährungsfrist gebunden. Die Wiederholung von Zuwiderhandlungen stellt nämlich einen wichtigen Gesichtspunkt dar, den die Kommission zu prüfen hat, da mit dessen Berücksichtigung der Zweck verfolgt wird, Unternehmen, die bereits eine Neigung zur Verletzung der Wettbewerbsregeln gezeigt haben, zur Änderung ihres Verhaltens zu veranlassen. Die Kommission kann daher in jedem Einzelfall die Anhaltspunkte berücksichtigen, die eine solche Neigung bestätigen, einschließlich des zeitlichen Abstands zwischen den betreffenden Verstößen.

384. Das Gericht hat in diesem Zusammenhang festgestellt, dass ein zeitlicher Abstand von weniger als zehn Jahren zwischen den Feststellungen zweier Zuwiderhandlungen von der Neigung eines Unternehmens zeugt, aus der Feststellung einer von ihm begangenen Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln nicht die erforderlichen Konsequenzen zu ziehen (Urteil des Gerichts vom 25. Oktober 2005, Groupe Danone/Kommission, T‑38/02, Slg. 2005, II‑4407, Randnrn. 354 und 355).

385. Erst recht zeugt im vorliegenden Fall die Chronologie der Zuwiderhandlungen, deren Begehung durch die Klägerin festgestellt wurde, von deren Neigung, aus der Feststellung einer von ihr begangenen Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln nicht die erforderlichen Konsequenzen zu ziehen, da sich die Klägerin, gegen die die Kommission bereits in der Entscheidung im Karton-Fall Maßnahmen festgesetzt hatte, nach Zustellung dieser Entscheidung mehr als vier Jahre lang weiter aktiv am fraglichen Kartell beteiligte.

386. Unter diesen Umständen braucht das Argument der Kommission, dass das Vorbringen der Klägerin zum zeitlichen Abstand zwischen der Ahndung der ersten Zuwiderhandlung und der Veröffentlichung der angefochtenen Entscheidung unzulässig sei, nicht geprüft zu werden.

387. Was sodann die Merkmale der früheren Verhaltensweisen betrifft, bezieht sich der Begriff des Wiederholungsfalls nicht notwendig auf die Feststellung einer früheren Verhängung einer Geldbuße, sondern nur auf die Feststellung einer früheren Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft (Urteil Groupe Danone/Kommission, oben in Randnr. 384 angeführt, Randnr. 363).

388. Mit der Berücksichtigung eines Wiederholungsfalls wird nämlich der Zweck verfolgt, Unternehmen, die bereits eine Neigung zur Verletzung der Wettbewerbsregeln gezeigt haben, zur Änderung ihres Verhaltens zu veranlassen, wenn sich herausstellt, dass eine frühere Feststellung eines von ihnen begangenen Verstoßes nicht genügt hat, um die Wiederholung eines rechtswidrigen Verhaltens zu verhindern. Entscheidend für den Wiederholungsfall ist somit nicht die frühere Verhängung einer Geldbuße und erst recht nicht deren Höhe, sondern die frühere Feststellung einer Zuwiderhandlung.

389. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin noch nicht einmal behauptet, die Zuwiderhandlung, deretwegen ihrer Tochtergesellschaft im Karton-Fall eine Sanktion auferlegt wurde, sei keine Zuwiderhandlung derselben Art wie die im vorliegenden Fall fragliche.

390. Die Kommission hat somit keinen Fehler begangen, als sie im vorliegenden Fall die besonderen Umstände der Sache, nämlich die Tatsache, dass bereits eine Zuwiderhandlung desselben Unternehmens festgestellt worden war und dass sich das Unternehmen trotz dieser Feststellung und der auferlegten Sanktion weiter an einer ähnlichen Zuwiderhandlung gegen dieselbe Vertragsbestimmung beteiligte, als Wiederholungsfall angesehen hat.

391. Das Vorbringen der Klägerin, die Kommission könne die Geldbuße, wenn die erste und die zweite Zuwiderhandlung zeitlich zusammenfielen, erst ab Erlass der ersten Entscheidung, mit der eine der beiden Zuwiderhandlungen geahndet werde, wegen erneuten Verstoßes erhöhen, ist zurückzuweisen.

392. Zwar ist eine Sanktionspolitik im Wiederholungsfall gegenüber dem Urheber einer ersten Zuwiderhandlung nur dann wirksam, wenn die Drohung einer härteren Sanktion im Fall einer erneuten Zuwiderhandlung den Betreffenden zur Änderung seines Verhaltens veranlassen kann. Die Berücksichtigung des Wiederholungsfalls rechtfertigt sich nämlich durch das zusätzliche Abschreckungsbedürfnis, von dem die Tatsache zeugt, dass die Feststellung einer früheren Zuwiderhandlung nicht genügt hat, um eine Tatwiederholung zu verhindern. Der Wiederholungsfall erfolgt somit notwendigerweise nach der Feststellung und Ahndung der ersten Zuwiderhandlung, da er seine Ursache darin hat, dass die Sanktion nicht abschreckend genug war.

393. In diesem Zusammenhang hat das Gericht im Urteil vom 11. März 1999, Thyssen Stahl/Kommission (oben in Randnr. 270 angeführt), festgestellt, dass die Entscheidung der Kommission mit einem Rechtsfehler behaftet war, soweit die Erhöhung der gegen die Thyssen Stahl AG festgesetzten Geldbuße damit gerechtfertigt wurde, dass die Kommission bereits in der Entscheidung 90/417/EGKS vom 18. Juli 1990 in einem Verfahren nach Artikel 65 des EGKS-Vertrags betreffend eine Vereinbarung und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen von europäischen Herstellern von kaltgewalzten, nichtrostenden flachen Stahlerzeugnissen (ABl. L 220, S. 28) wegen ähnlicher Zuwiderhandlungen eine Geldbuße gegen sie festgesetzt habe, obwohl in der betreffenden Sache der größte Teil der Thyssen Stahl zur Last gelegten Zuwiderhandlung, die sich vom 30. Juni 1988 bis Ende 1990 erstreckte, vor der genannten Entscheidung lag (Randnrn. 617 bis 625).

394. Im Unterschied zu der dem Urteil vom 11. März 1999, Thyssen Stahl/Kommission (oben in Randnr. 270 angeführt), zugrunde liegenden Sache, in der der größte Teil der Zuwiderhandlung vor der ersten Entscheidung begangen wurde, beteiligte sich im vorliegenden Fall BPB nach der Entscheidung im Karton-Fall noch mehr als vier Jahre lang am fraglichen Kartell.

395. Wie oben in Randnr. 382 erwähnt, hängt die Beurteilung der besonderen Merkmale eines Wiederholungsfalls von einer Bewertung des konkreten Falles ab, die von der Kommission im Rahmen ihres Ermessens vorgenommen wird.

396. Unter den Umständen des vorliegenden Falles hat die Kommission nicht ihr Ermessen überschritten, als sie die Tatsache, dass sich BPB nach der ersten Feststellung einer Zuwiderhandlung mehr als vier Jahre lang weiter an einer ähnlichen Zuwiderhandlung gegen dieselbe Vertragsbestimmung beteiligte, als Wiederholungsfall angesehen und daher aus diesem Grund die Geldbuße erhöht hat.

397. Was den Umfang dieser Erhöhung angeht, verfügt die Kommission bei der Festsetzung der Geldbuße über ein Ermessen. Sie muss dabei keine genauen mathematischen Formeln anwenden (Urteil Michelin/Kommission, oben in Randnr. 273 angeführt, Randnr. 292).

398. Zudem ist der Wiederholungsfall unter dem Gesichtspunkt der Abschreckung ein Umstand, der eine erhebliche Erhöhung des Grundbetrags der Geldbuße rechtfertigt. Denn er beweist, dass die zuvor verhängte Sanktion nicht abschreckend genug war (Urteil Michelin/Kommission, oben in Randnr. 273 angeführt, Randnr. 293).

399. Der im vorliegenden Fall angewandte Erhöhungssatz ist nach Auffassung des Gerichts angemessen. Die im Karton-Fall erlassene Entscheidung und die angefochtene Entscheidung betreffen nämlich ähnliche Zuwiderhandlungen. Die Folgen dieser Feststellung können nicht durch die Behauptung der Klägerin in Frage gestellt werden, dass ihre Tochtergesellschaft im Karton-Fall nur eine untergeordnete und passive Rolle gespielt habe. Entscheidend ist, dass das fragliche Unternehmen trotz der Feststellung einer Zuwiderhandlung gegen das gemeinschaftliche Wettbewerbsrecht weiterhin dagegen verstoßen hat. Die Kommission durfte deshalb den Grundbetrag der Geldbuße um 50 % erhöhen, um das Verhalten der Klägerin auf die Einhaltung der Wettbewerbsregeln des Vertrags auszurichten.

400. Soweit das Vorbringen der Klägerin, mit dem dargetan werden soll, dass die Erhöhung wegen erneuten Verstoßes nicht verhältnismäßig sei, im Wesentlichen darauf gestützt wird, dass die Erhöhung als absoluter Betrag – 66 Mio. Euro – unverhältnismäßig sei, ist es zurückzuweisen.

401. Wenn die Kommission eine Erhöhung wegen erneuten Verstoßes festsetzt, braucht sie nämlich lediglich zu prüfen, welcher Prozentsatz verhältnismäßig wäre, ohne darauf achten zu müssen, um welchen absoluten Betrag sich der Grundbetrag der Geldbuße infolge der Anwendung dieses Prozentsatzes erhöht. Solange der Aufschlag nicht prozentual überhöht ist, ist der absolute Erhöhungsbetrag nur die mathematische Folge der Anwendung dieses Prozentsatzes auf den Grundbetrag, der gesondert darauf geprüft wurde, ob er in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere und Dauer der fraglichen Zuwiderhandlung steht.

402. Die Erhöhung des Grundbetrags der Geldbuße der Klägerin um 50 % wegen erneuten Verstoßes ist somit nicht unverhältnismäßig.

403. Zur früheren Praxis der Kommission macht die Klägerin geltend, dass es nur eine Entscheidung der Kommission, und zwar die im Fall British Sugar, gebe, in der eine höhere Anhebung erfolgt sei (75 %), und dass die Erhöhung in diesem Fall auf die Anführerrolle von British Sugar im Rahmen der ersten Zuwiderhandlung gestützt worden sei. Angesichts der Umstände des Falles British Sugar sei die bei ihr selbst vorgenommene Anhebung um 50 % überhöht.

404. Was die Vergleiche mit anderen Entscheidungen angeht, in denen die Kommission wegen Verstößen gegen die Wettbewerbsregeln Geldbußen verhängt, können diese Entscheidungen im Hinblick auf die Einhaltung des Grundsatzes der Gleichbehandlung nur relevant sein, wenn dargetan wird, dass die diesen anderen Entscheidungen zugrunde liegenden tatsächlichen Gegebenheiten die gleichen sind wie im vorliegenden Fall (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Januar 2004, JCB Service/Kommission, oben in Randnr. 343 angeführt, Randnr. 187).

405. Das Vorbringen der Klägerin genügt aber nicht für die Feststellung, dass diese Voraussetzungen hier vorliegen. Insbesondere beruft sie sich nicht auf Entscheidungen aus der gleichen Zeit wie die Entscheidung in der streitigen Sache, in denen die Kommission auf mit dem vorliegenden Fall vergleichbare Umstände eine geringere Erhöhung angewandt habe. Was den Hinweis auf die Entscheidung Michelin betrifft, in der der Gesellschaft Michelin in einem Wiederholungsfall wegen eines auf Bindung der Zwischenhändler abzielenden Rabattsystems eine Geldbuße auferlegt wurde, handelt es sich eindeutig um andere Umstände als im vorliegenden Fall, da ein solches Rabattsystem hinsichtlich der Schwere der Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft nicht einer geheimen Absprache gleichgestellt werden kann, die die Preise und die Stabilisierung eines Marktes von erheblichem Wert betrifft.

406. Jedenfalls bedeutet allein der Umstand, dass die Kommission in einer anderen Entscheidung den Grundbetrag wegen erneuten Verstoßes anders erhöht hat, nicht, dass sie in der angefochtenen Entscheidung den gleichen Erhöhungssatz hätte anwenden müssen. Die frühere Entscheidungspraxis der Kommission bildet nämlich nicht selbst den rechtlichen Rahmen für Geldbußen in Wettbewerbssachen, da dieser allein in der Verordnung Nr. 17 geregelt ist (Urteil Michelin/Kommission, oben in Randnr. 273 angeführt, Randnr. 292).

407. Die Klägerin macht ferner geltend, dass die Anhebung überhöht und unverhältnismäßig sei, weil sie den Ausgangsbetrag der Geldbuße übersteige, die wegen der Schwere der Zuwiderhandlung gegen Knauf, Lafarge und Gyproc verhängt worden sei.

408. Dieses Vorbringen ist unerheblich. Da die Geldbuße von BPB richtig festgesetzt wurde und die Erhöhung wegen erneuten Verstoßes verhältnismäßig ist, ist der Umstand, dass der absolute Erhöhungsbetrag über dem Ausgangsbetrag der gegen die anderen Kartellmitglieder verhängten Geldbußen liegt, nur eine mathematische Folge der Erhöhung, die in keinem Zusammenhang mit der Höhe der anderen Geldbußen steht.

409. Außerdem macht die Klägerin geltend, dass die Erhöhung über der Ermäßigung um 30 % liege, die ihr wegen ihrer Zusammenarbeit mit der Kommission in der vorliegenden Sache gewährt worden sei.

410. Auch dieses Vorbringen ist unerheblich. Es handelt sich um zwei gesonderte Schritte im Rahmen der Bemessung der Geldbuße.

411. Schließlich macht die Klägerin geltend, die Kommission habe bei ihr selbst die gleiche Erhöhung wegen erneuten Verstoßes vorgenommen wie bei Lafarge, obwohl die Zuwiderhandlung, die diese im Zement-Fall begangen habe, schwerer gewesen sei als die im Karton-Fall geahndete Zuwiderhandlung.

412. Auch dieses Vorbringen geht fehl. Wie oben erläutert wurde, ist nämlich, da die Erhöhung wegen erneuten Verstoßes auf einem speziell das fragliche Unternehmen betreffenden erschwerenden Umstand beruht, die Tatsache, dass die Merkmale der von Lafarge begangenen früheren Zuwiderhandlung nicht denen der der Klägerin zur Last gelegten früheren Zuwiderhandlung entsprechen, nicht relevant. Relevant ist vielmehr der Umstand, dass beide Unternehmen bereits an besonders schweren Zuwiderhandlungen beteiligt waren, trotz der Feststellung dieser Zuwiderhandlungen jedoch ihre Beteiligung an der im vorliegenden Fall geahndeten Zuwiderhandlung nicht beendet haben.

413. Nach alledem ist das Vorbringen der Klägerin zur Berücksichtigung des Wiederholungsfalls zurückzuweisen.

Zu den mildernden Umständen

Vorbringen der Parteien

414. Die Klägerin ist der Auffassung, die Kommission hätte die Geldbuße wegen der vor und nach ihrer Untersuchung getroffenen Maßnahmen herabsetzen müssen. Die Kommission habe ihre Bemühungen zu Unrecht als ineffektiv angesehen. Die Weigerung der Kommission, ihre Bemühungen anzuerkennen, verstoße gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung und des Vertrauensschutzes.

415. Erstens habe die Klägerin aufgrund der Behauptungen in dem anonymen Schreiben unabhängige Anwälte hinzugezogen, um eigene Ermittlungen anzustellen (im Folgenden: Alpha-Projekt). Auf der Grundlage der Ergebnisse des Alpha-Projekts habe der Verwaltungsrat der Klägerin ein förmlicheres Programm zur Beachtung des Wettbewerbsrechts (im Folgenden: Compliance-Programm) eingeführt, in dessen Rahmen er eine Compliance-Erklärung verabschiedet habe, die die Mitglieder des Verwaltungsrats, die übrigen Führungskräfte und die betroffenen Mitarbeiter hätten unterzeichnen müssen. Zudem habe die Klägerin beschlossen, jeglichen Informationsaustausch einzustellen, und eine Anwaltskanzlei damit beauftragt, sie bei der Ausarbeitung und Umsetzung verschiedener anderer Aspekte ihres förmlichen Compliance-Programms zu unterstützen.

416. Zweitens zeigten die Maßnahmen, die sie nach Einleitung der Untersuchung durch die Kommission ergriffen habe, dass sie in hohem Maß kooperiert habe. Sie habe den Inspektoren der Kommission ungehinderten Zugang zu ihren Geschäftsunterlagen und Computern eingeräumt. Außerdem habe sie die angeforderten Unterlagen vorgelegt, und Herr [D] habe die Fragen der Kommission präzise beantwortet. Darüber hinaus habe sie der Kommission in ihrer Antwort auf das zweite Auskunftsersuchen Informationen übermittelt, die der Kommission zuvor nicht bekannt gewesen seien. Wegen ihrer Bemühungen, die Zuwiderhandlung bereits vor Einleitung der Ermittlungen durch die Kommission zu beenden, und ihrer freiwilligen Zusammenarbeit während der Ermittlungen müsse ihre Geldbuße weiter herabgesetzt werden.

417. Die Klägerin widerspricht dem Vorbringen der Kommission, dass sie Beweisstücke vernichtet oder verheimlicht habe. Für diese Behauptungen gebe es keinen Beweis. Zwar seien im Rahmen des Alpha-Projekts einige Unterlagen entfernt worden, doch sei ein Vermerk darüber in die Akte aufgenommen worden.

418. Was drittens den Umstand angehe, dass ihr Generaldirektor, Herr [D], den Anweisungen ihres Verwaltungsrats zuwidergehandelt und den Informationsaustausch ohne ihr Wissen und ohne das Wissen des Personals fortgesetzt habe, könne sie zumal wegen seiner unabhängigen Position nicht für seine Aktivitäten verantwortlich gemacht werden. Zudem habe Herr [D], als die Fortsetzung des Austauschs festgestellt worden sei, seinen Posten sofort und ohne Entschädigung aufgeben müssen. Die Missachtung ihrer Anweisungen durch Herrn [D] sei der einzige Misserfolg im Rahmen der Bemühungen um Beendigung der Zuwiderhandlung gewesen. Die Kommission könne deshalb nicht behaupten, dass die von der Klägerin ergriffenen Maßnahmen ineffektiv gewesen seien.

419. Viertens habe sie sich im April 1998 aus dem Informationsaustauschsystem zurückgezogen. Hätte nicht Herr [D] die Anweisungen ihres Verwaltungsrats vorsätzlich missachtet, wären die Wettbewerbsregeln also ab März 1998 in vollem Umfang beachtet worden. Überdies habe sie Anspruch auf eine Herabsetzung der Geldbuße, weil sie die Zuwiderhandlung sofort nach dem Eingreifen der Kommission beendet habe.

420. Fünftens habe sie keinen Vorteil aus der Zuwiderhandlung gezogen. Die tatsächlichen Preise hätten sich im Vereinigten Königreich auf demselben Niveau bewegt und seien in Deutschland gesunken, während ihre Kosten gestiegen seien. Außerdem sei ihr Anteil an den vier relevanten Märkten 1998 kleiner gewesen als 1992, und ihr Umsatz habe erst 1997/1998 wieder das Niveau von 1991/1992 erreicht. Hinzu komme, dass sich die Preise nach dem Ende des Preiskriegs auf jeden Fall erholt hätten. Wenn die Kommission eine Geldbuße wegen des Vorteils aus der Zuwiderhandlung erhöhen könne, müsse sie auch berücksichtigen, dass aus der Zuwiderhandlung kein Vorteil gezogen worden sei, und die Geldbuße herabsetzen.

421. Die Kommission widerspricht dem Vorbringen der Klägerin.

422. Sie führt in ihrer Erwiderung aus, d ass BPB ein neues Angriffsmittel vortrage, indem sie eine Herabsetzung der Geldbuße mit der Begründung verlange, dass sie die Zuwiderhandlung nach der Untersuchung durch die Kommission Ende 1998 beendet habe. Dieses neue Angriffsmittel sei in diesem Stadium des Verfahrens unzulässig. Außerdem sei es unbegründet, da die Kommission allgemein weder die Fortsetzung der Zuwiderhandlung als erschwerenden Umstand noch die Beendigung einer Zuwiderhandlung als mildernden Umstand berücksichtigen müsse.

Würdigung durch das Gericht

423. Was erstens die Maßnahmen angeht, die die Klägerin getroffen hat, um einen Wiederholungsfall zu verhindern (Entlassung ihrer in die Zuwiderhandlungen verwickelten Führungskräfte sowie Schaffung von internen Programmen zur Befolgung der Wettbewerbsregeln und von Initiativen zur entsprechenden Sensibilisierung der Mitarbeiter), ist zwar von Bedeutung, dass ein Unternehmen Maßnahmen ergriffen hat, um künftige Zuwiderhandlungen seiner Mitarbeiter gegen das Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft zu verhindern, doch ändert dies nichts daran, dass die festgestellte Zuwiderhandlung tatsächlich begangen wurde. Die bloße Tatsache, dass die Kommission in ihrer früheren Entscheidungspraxis in einigen Fällen die Einführung eines Programms zur Befolgung des Wettbewerbsrechts als mildernden Umstand berücksichtigt hat, bedeutet folglich nicht, dass sie verpflichtet wäre, in einem gegebenen Fall ebenso vorzugehen (Urteil des Gerichts vom 9. Juli 2003, Archer Daniels Midland und Archer Daniels Midland Ingredients/Kommission, T‑224/00, Slg. 2003, II‑2597, Randnr. 280).

424. Die Kommission ist somit nicht verpflichtet, einen solchen Faktor als mildernden Umstand zu berücksichtigen, sofern sie im Einklang mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz handelt, was voraussetzt, dass die Unternehmen, an die dieselbe Entscheidung gerichtet ist, in diesem Punkt nicht unterschiedlich beurteilt werden (Urteil vom 9. Juli 2003, Archer Daniels Midland und Archer Daniels Midland Ingredients/Kommission, oben in Randnr. 423 angeführt, Randnr. 281). Aus der angefochtenen Entscheidung geht aber nicht hervor, dass die Kommission die betreffenden vier Unternehmen in diesem Punkt unterschiedlich beurteilt hätte, was die Klägerin auch nicht behauptet.

425. Zweitens macht die Klägerin geltend, die Maßnahmen, die sie nach Einleitung der Untersuchung durch die Kommission ergriffen habe, hätten belegt, dass sie in hohem Maß kooperiert habe, weshalb ihre Geldbuße weiter herabgesetzt werden müsse. Dieses Vorbringen überschneidet sich aber mit der Frage, ob die Kommission die Zusammenarbeit der Klägerin im Rahmen der Mitteilung über Zusammenarbeit richtig berücksichtigt hat. Die Zusammenarbeit der Klägerin im Verwaltungsverfahren wird deshalb nachstehend geprüft werden, ist aber kein mildernder Umstand, der zusätzlich zu der nach der Mitteilung über Zusammenarbeit gewährten Ermäßigung eine weitere Herabsetzung rechtfertigt.

426. Allerdings ist daran zu erinnern, dass die Möglichkeit, die Geldbuße eines Unternehmens, das mit der Kommission in einem wegen Verstoßes gegen die Wettbewerbsregeln eingeleiteten Verfahren zusammengearbeitet hat, außerhalb des in der Mitteilung über Zusammenarbeit gesetzten Rahmens herabzusetzen, in den Leitlinien anerkannt wird, deren Nr. 3 sechster Gedankenstrich die Berücksichtigung der „aktive[n] Mitwirkung des Unternehmens an dem Verfahren außerhalb des Anwendungsbereichs der Mitteilung [über Zusammenarbeit]“ als mildernden Umstand vorsieht.

427. Wenn die vorliegende Rüge aber dahin ausgelegt werden muss, dass mit ihr die Feststellung begehrt wird, dass die Kommission die Geldbuße der Klägerin nach dieser Bestimmung nochmals hätte herabsetzen müssen, ist festzustellen, dass die hier in Rede stehenden Zuwiderhandlungen in den Anwendungsbereich der Mitteilung über Zusammenarbeit fallen, der nach deren Abschnitt A Nr. 1 Abs. 1 geheime Absprachen zwischen Unternehmen über die Festsetzung von Preisen und Produktions- oder Absatzquoten, die Aufteilung der Märkte und das Verbot der Ein- oder Ausfuhr umfasst. Daher kann die Klägerin der Kommission nicht mit Erfolg vorwerfen, dass sie den Umfang ihrer Zusammenarbeit nicht außerhalb des rechtlichen Rahmens der Mitteilung über Zusammenarbeit als mildernden Umstand berücksichtigt habe (Urteil des Gerichts vom 15. März 2006, BASF/Kommission, T‑15/02, Slg. 2006, II‑497, Randnr. 586).

428. Überdies könnte ein solcher Vorwurf auch dann nicht an die Kommission gerichtet werden, wenn die Mitwirkung an einer Untersuchung, die sich auf horizontale Kartelle zur Preisfestsetzung und Absatzaufteilung bezieht, nach Nr. 3 sechster Gedankenstrich der Leitlinien belohnt werden könnte. In einem solchen Fall würde eine Herabsetzung nach dieser Bestimmung nämlich zwingend voraussetzen, dass die fragliche Zusammenarbeit nicht im Rahmen der Mitteilung über Zusammenarbeit belohnt werden kann und dass sie effektiv war, d. h., dass sie die Aufgabe der Kommission erleichterte, Verstöße gegen die gemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln festzustellen und zu verfolgen (Urteil BASF/Kommission, oben in Randnr. 427 angeführt, Randnrn. 587 und 588).

429. Drittens ist die Klägerin der Auffassung, sie könne nicht dafür verantwortlich gemacht werden, dass ihr Generaldirektor, Herr [D], den Anweisungen ihres Verwaltungsrats zuwidergehandelt und den Informationsaustausch ohne ihr Wissen und ohne das Wissen des Personals fortgesetzt habe.

430. Dieses Vorbringen ist unerheblich. Ein Unternehmen – d. h. eine aus persönlichen, materiellen und immateriellen Elementen bestehende wirtschaftliche Einheit (Urteil Mannesmann/Hohe Behörde, oben in Randnr. 360 angeführt, 719, 750) – wird von den nach seiner Rechtsform vorgesehenen Organen geleitet, und alle Entscheidungen, mit denen ihm eine Geldbuße auferlegt wird, können an die satzungsgemäße Leitung des Unternehmens (Verwaltungsrat, Vorstand, Präsident, Geschäftsführer usw.) gerichtet werden. Die Wettbewerbsregeln könnten leicht umgangen werden, wenn von der Kommission verlangt würde, bei einem rechtswidrigen Verhalten eines Unternehmens zu prüfen und zu beweisen, wer der Urheber der verschiedenen Handlungen ist, was sie daran hindern könnte, das Unternehmen zu bestrafen, das von dem Kartell profitiert hat.

431. Wenn BPB behauptet, sie sei von ihrem früheren Generaldirektor im Stich gelassen worden, der die ausdrücklichen Anweisungen ihres Verwaltungsrats missachtet habe, ist die Lösung diese Konflikts in den Beziehungen zwischen Herrn [D] und BPB und nicht auf der Ebene der Anwendung des Wettbewerbsrechts durch die Kommission zu suchen. Selbst wenn also Herr [D] tatsächlich den Anweisungen des Verwaltungsrats von BPB zuwidergehandelt und den Informationsaustausch ohne ihr Wissen fortgesetzt haben sollte, hätte die Kommission eine Geldbuße gegen das Unternehmen verhängen dürfen, während BPB und/oder ihre Besitzer für sinnvoll erachtete Schritte gegen Herrn [D] hätten ergreifen können.

432. Viertens macht die Klägerin geltend, sie habe sich im April 1998 aus dem Informationsaustauschsystem zurückgezogen. Hätte nicht Herr [D] die Anweisungen ihres Verwaltungsrats vorsätzlich missachtet, wären die Wettbewerbsregeln also ab März 1998 in vollem Umfang beachtet worden.

433. Dieses Vorbringen knüpft teilweise an das vorherige an und ist ebenso unerheblich. Da die Klägerin für die Handlungen von Herrn [D] verantwortlich war, dauerte die Zuwiderhandlung bis November 1998.

434. Die Kommission ist überdies zu Recht davon ausgegangen, dass der Rückzug aus dem Informationsaustauschsystem zwar den Willen bekundet habe, Verhaltensweisen zu vermeiden, die Verdacht hätten erregen können, nicht jedoch von anderen Maßnahmen zur Beendigung der Kartellvorkehrungen begleitet worden sei, wie aus der Fortführung des Informationsaustauschs oder auch aus den Gesprächen zwischen Wettbewerbern in Den Haag hervorgegangen sei.

435. Zum Vorbringen der Klägerin, sie habe die Zuwiderhandlung nach der Untersuchung durch die Kommission beendet, das von dieser als unzulässig angesehen wird, ist festzustellen, dass die Klägerin bereits in ihrer Klageschrift von „einer sofortigen Beendigung der Zuwiderhandlung als milderndem Umstand“ gesprochen hat. Dieses Vorbringen ist folglich kein neues Angriffsmittel im Sinne von Art. 48 § 2 der Verfahrensordnung, sondern eine Erweiterung eines bereits unmittelbar oder mittelbar in der Klageschrift vorgetragenen Angriffsmittels, die zulässig ist (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 15. Dezember 2005, Italien/Kommission, C‑66/02, Slg. 2005, I‑10901, Randnr. 86 und die dort angeführte Rechtsprechung).

436. Nach Nr. 3 dritter Gedankenstrich der Leitlinien gehört die „Beendigung der Verstöße nach dem ersten Eingreifen der Kommission (insbesondere Nachprüfungen)“ zu den mildernden Umständen. Eine Herabsetzung der Geldbuße wegen der Beendigung einer Zuwiderhandlung nach dem ersten Eingreifen der Kommission kann jedoch nicht automatisch eintreten, sondern hängt von einer Bewertung der Umstände des Einzelfalls durch die Kommission im Rahmen ihres Ermessens ab. Insoweit erscheint die Anwendung dieser Bestimmung der Leitlinien zugunsten eines Unternehmens besonders angezeigt, wenn der wettbewerbswidrige Charakter des fraglichen Verhaltens nicht offenkundig ist. Umgekehrt erscheint ihre Anwendung grundsätzlich weniger angebracht, wenn das fragliche Verhalten, sofern es erwiesen ist, klar wettbewerbswidrig ist (Urteil des Gerichts vom 8. Juli 2004, Mannesmannröhren-Werke/Kommission, T‑44/00, Slg. 2004, II‑2223, Randnr. 281; vgl. in diesem Sinne auch Urteil des Gerichts vom 15. Juni 2005, Tokai Carbon u. a./Kommission, T‑71/03, T‑74/03, T‑87/03 und T‑91/03, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 292 und 294).

437. Auch wenn die Kommission in der Vergangenheit die freiwillige Beendigung einer Zuwiderhandlung als mildernden Umstand angesehen hat, darf sie bei der Anwendung ihrer Leitlinien berücksichtigen, dass schwerwiegende offensichtliche Zuwiderhandlungen immer noch verhältnismäßig häufig sind, obwohl deren Rechtswidrigkeit von Beginn der gemeinschaftlichen Wettbewerbspolitik an feststand; es steht ihr daher frei, diese großzügige Praxis aufzugeben und die Beendigung einer solchen Zuwiderhandlung nicht mehr durch eine Herabsetzung der Geldbuße zu belohnen.

438. Unter diesen Umständen hängt die Angemessenheit einer Herabsetzung der Geldbuße wegen der Beendigung der Zuwiderhandlung davon ab, ob die Klägerin vernünftige Zweifel an der Rechtswidrigkeit ihres Verhaltens haben konnte.

439. Im vorliegenden Fall ist daran zu erinnern, dass die fragliche Zuwiderhandlung eine geheime Absprache betrifft, die einen Informationsaustausch auf einem oligopolistischen Markt und eine Stabilisierung von Märkten zum Gegenstand hat. Eine derartige Absprache stellte eine besonders schwere Zuwiderhandlung dar. Den betreffenden Unternehmen musste daher die Unzulässigkeit ihres Verhaltens bewusst sein. Dass die Absprache geheim war, bestätigt auch, dass den betreffenden Unternehmen die Rechtswidrigkeit ihrer Handlungen bewusst war.

440. Aus den vorstehend genannten Gründen kann es deshalb nicht als fehlerhaft angesehen werden, dass die sofortige Beendigung der Zuwiderhandlung nach den ersten Nachprüfungen durch die Kommission im vorliegenden Fall nicht als mildernder Umstand berücksichtigt wurde.

441. Was fünftens das Vorbringen der Klägerin angeht, die Kommission habe nicht berücksichtigt, dass sie aus der in Rede stehenden Zuwiderhandlung keinen Vorteil gezogen habe, ist zu bemerken, dass die Höhe der gegen ein Unternehmen festgesetzten Geldbuße zwar in einem angemessenen Verhältnis stehen muss zur Dauer der Zuwiderhandlung und zu den anderen Faktoren, die für die Beurteilung der Schwere des Verstoßes eine Rolle spielen, darunter zu dem Gewinn, den das betreffende Unternehmen aus seinem Verhalten ziehen konnte, dass jedoch die Tatsache, dass ein Unternehmen aus der Zuwiderhandlung keinen Vorteil gezogen hat, der Verhängung einer Geldbuße nicht entgegensteht, soll diese ihren abschreckenden Charakter nicht verlieren (Urteil des Gerichts vom 29. November 2005, SNCZ/Kommission, T‑52/02, Slg. 2005, II‑5005, Randnr. 89).

442. Schließlich ist festzustellen, dass zwar die Kommission nach ihren Leitlinien (Nr. 2 fünfter Gedankenstrich) die Geldbuße wegen erschwerender Umstände erhöhen kann, um den Betrag der aufgrund der Verstöße unrechtmäßig erzielten Gewinne zu übertreffen, dass dies jedoch nicht bedeutet, dass sie sich damit für die Zukunft verpflichtet hätte, unter allen Umständen für die Bemessung der Geldbuße den mit der festgestellten Zuwiderhandlung verbundenen finanziellen Vorteil zu ermitteln. Anders ausgedrückt kann das Fehlen eines solchen Vorteils nicht als mildernder Umstand anerkannt werden (Urteil SNCZ/Kommission, oben in Randnr. 441 angeführt, Randnr. 91).

443. Das Vorbringen der Klägerin, mit dem diese eine Herabsetzung der Geldbuße wegen mildernder Umstände erwirken möchte, ist somit zurückzuweisen.

Zur Zusammenarbeit

Vorbringen der Parteien

444. Die Klägerin macht geltend, die Kommission habe mit ihrer Entscheidung, dass die von der Klägerin ergriffenen Maßnahmen nur eine Herabsetzung der Geldbuße um 30 % gemäß Abschnitt D der Mitteilung über Zusammenarbeit verdienten, die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Billigkeit verletzt. Nach Ansicht der Klägerin hätte die Geldbuße um 50 % bis 75 % gemäß Abschnitt C der Mitteilung über Zusammenarbeit herabgesetzt werden müssen.

445. Sie habe entscheidende Angaben gemacht, auf die sich die angefochtene Entscheidung weitgehend stütze. So hätte die Kommission ohne das Geständnis in ihrer Antwort auf das zweite Auskunftsersuchen keine Informationen über das Treffen in London, den tatsächlichen Beginn der Zuwiderhandlung, erhalten. Dabei habe sich die Frage der Kommission nur auf den Informationsaustausch unter Federführung der Generaldirektoren der betreffenden vier Unternehmen bezogen. Sie hätte sich also darauf beschränken können, nur diese Frage zu beantworten. In der Zwischenzeit habe sie jedoch von ihrem früheren Vorsitzenden und Generaldirektor, Herrn [A], erfahren, dass 1992 ein Treffen organisiert worden sei. Sie habe beschlossen, dieses Treffen und die dortigen Vorkommnisse offenzulegen. Es handle sich mithin um ein Geständnis von großer Bedeutung. Der Informationsaustausch im Vereinigten Königreich und die Vorabmitteilungen von ein oder zwei Erhöhungen der Katalogpreise im Vereinigten Königreich wären ohne ihre Mitarbeit ebenfalls nicht bekannt geworden. Sie habe völlig freiwillig eingeräumt, dass in Versailles der Versuch einer Aufteilung der deutschen Märkte erörtert worden sei, und habe außerdem in ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte zugegeben, dass weitere Erörterungen in Brüssel Ende 1997 und bei einem Dinner in Den Haag stattgefunden hätten, auch wenn keine Vereinbarung getroffen worden sei. Ferner habe sie ihre Beteiligung am Informationsaustauschsystem eingeräumt. Darüber hinaus seien zwar einige Informationen über diesen Austausch im Rahmen der Überprüfung ihres Unternehmenssitzes zusammengetragen worden, doch hätten die von ihr gemachten Angaben der Kommission ermöglicht, den Austausch besser zu verstehen.

446. Zwar habe Knauf das Treffen in London bestätigt und die Kommission sich in gewissem Umfang auch auf die von Knauf zu diesem Treffen vorgelegten Beweise gestützt, doch habe dieses Unternehmen nur deshalb so gehandelt, weil das Treffen in der Mitteilung der Beschwerdepunkte genannt worden sei. Knauf hätte nichts bestätigen müssen, wenn die Klägerin nicht das Treffen vor der Zustellung der Mitteilung der Beschwerdepunkte offengelegt hätte. Überdies sei die Kommission nach ihren anfänglichen Überprüfungen nicht in der Lage gewesen, ein Verwaltungsverfahren zu eröffnen, denn sie habe stattdessen die Phase der Voruntersuchungen fortgesetzt, indem sie den betreffenden Unternehmen Auskunftsersuchen zugesandt habe. Eines dieser Ersuchen, das an die Klägerin gerichtet sei, sei uneingeschränkt auf die von ihr aus eigenen Stücken gemachten Angaben gestützt gewesen. Folglich sei die Kommission erst nach Erhalt der Informationen der Klägerin in der Lage gewesen, die Mitteilung der Beschwerdepunkte zu erlassen.

447. Hätte Herr [D] nicht die ihm erteilten Anweisungen missachtet, hätte sie ihre Beteiligung an der rechtswidrigen Tätigkeit bereits acht Monate vor der Untersuchung der Kommission eingestellt.

448. Ferner habe sie weder ein anderes Unternehmen zur Beteiligung an dem Kartell gezwungen noch zu diesem angestiftet und im Rahmen der fraglichen Zuwiderhandlungen auch keine maßgebliche Rolle gespielt.

449. Schließlich habe die Kommission, selbst wenn sie ihre Geldbuße zu Recht nur nach Abschnitt D der Mitteilung über Zusammenarbeit herabgesetzt haben sollte, den Grundsatz der Gleichbehandlung verletzt, weil sie die Geldbuße von Gyproc um 40 % herabgesetzt habe, ihre eigene jedoch nur um 30 %. Die von ihr gemachten Angaben seien für die Argumentation der Kommission wichtiger gewesen, da sich die Informationen von Gyproc ausschließlich auf den Zeitraum von 1996 bis 1998 und den deutschen Markt bezogen hätten. Zum Argument der Kommission, die Beteiligung von Gyproc an der Zuwiderhandlung sei weniger schwerwiegend gewesen als ihre eigene, trägt die Klägerin vor, dass der Umfang der von der Kommission einem Unternehmen gewährten Herabsetzung der Geldbuße von der Qualität der gemachten Angaben und nicht davon abzuhängen habe, wie schwerwiegend die Beteiligung des Unternehmens an der Zuwiderhandlung gewesen sei.

450. Die Klägerin ergänzt, dass die Kommission sie nicht anders als Gyproc behandeln dürfe, nur weil diese die Tatsachen und deren Einstufung als Zuwiderhandlungen nicht bestritten habe. Ihre Einwände beträfen hauptsächlich die Schlussfolgerungen, die die Kommission aus den Tatsachen ziehe, nicht aber die Tatsachen als solche.

451. Die Kommission ist der Ansicht, ihre auf der Grundlage der Mitteilung über Zusammenarbeit getroffenen Feststellungen könnten nur für nichtig erklärt werden, wenn sie einen Tatsachenfehler oder einen offensichtlichen Beurteilungsfehler aufwiesen.

452. Mit Ausnahme der Nrn. 5, 6 und 9 der Tabelle auf den S. 151 bis 154 der Klageschrift seien die Angaben, auf die sich die Klägerin beziehe, entweder im Rahmen der Beantwortung der Auskunftsersuchen oder mündlich auf die bei den Überprüfungen gestellten Fragen hin gemacht worden. Sie sei berechtigt, derartige Informationen nicht zu berücksichtigen, wenn sie die Zusammenarbeit eines Unternehmens beurteile. Sie habe allerdings berücksichtigt, dass die Antworten sehr detailliert gewesen seien und mitunter mehr enthalten hätten, als für eine vollständige Antwort erforderlich sei.

453. Zu den aus eigenen Stücken gemachten Angaben trägt die Kommission vor, was Nr. 6 der Tabelle angehe, sei sie bereits im Besitz der in den Randnrn. 201 und 205 der angefochtenen Entscheidung angeführten Informationen gewesen. Außerdem habe sie bereits vor dem Geständnis von BPB über hinreichende Informationen zu Nr. 9 (und Nr. 10) der Tabelle verfügt. Was Nr. 5 betreffe, seien die Informationen zwar nützlich gewesen und von ihr im Rahmen der Herabsetzung der Geldbuße gemäß der Mitteilung über Zusammenarbeit berücksichtigt worden, doch hätten zwei in Randnr. 77 der Mitteilung der Beschwerdepunkte erwähnte Berichte an Herrn [D] vorgelegen, die detaillierte Informationen zum Umsatz der anderen Hersteller enthalten hätten und als Grundlage für weitere Untersuchungen in dieser Frage hätten dienen können, selbst wenn diese Informationen als solche nicht ausgereicht hätten. Ein Großteil der von BPB gemachten Angaben sei deshalb nicht von entscheidender Bedeutung gewesen.

454. Das Treffen in London sei zwar ein wichtiger Bestandteil der Zuwiderhandlung gewesen, doch wäre sie auch ohne die hierzu gemachten Angaben anhand des wettbewerbswidrigen Verhaltens als Ganzem einschließlich des Informationsaustauschs, für den ihr direkte und aktuelle Beweise vorgelegen hätten, in der Lage gewesen, eine einheitliche, komplexe und fortdauernde Zuwiderhandlung festzustellen. Außerdem seien die Angaben zum Treffen von London in Beantwortung einer konkreten Frage im zweiten Auskunftsersuchen nach den Anfängen dieses Austauschs und damit nicht ganz aus eigenen Stücken gemacht worden. Darüber hinaus sei das zweite Auskunftsersuchen der Kommission nicht vollständig auf die freiwilligen Auskünfte von BPB gestützt worden. Der zweite Teil dieses Ersuchens habe nämlich Angaben betroffen, die Herr [D] mündlich gemacht habe, nachdem am ersten Tag der Untersuchung der Kommission, dem 25. November 1998, in den Geschäftsräumen von BPB zwei Serien von Tabellen mit Einzelheiten zum Absatz der vier europäischen Hersteller entdeckt worden seien.

455. Keine der von BPB gemachten Angaben habe somit den entscheidenden Beweis für das Kartell geliefert.

456. Die Beteiligung von Gyproc an der Zuwiderhandlung sei weniger schwerwiegend gewesen als die von BPB. Dagegen habe Gyproc wichtige Angaben zu denjenigen kartellbegründenden Tätigkeiten gemacht, an denen sie sich aktiv beteiligt habe. So beruhten die Ausführungen zum deutschen Markt in starkem Maß auf dem Beitrag von Gyproc. Die Angaben dieses Unternehmens seien für die Feststellung der Zuwiderhandlung genauso wertvoll gewesen wie die von BPB. Überdies sei die Erklärung von Gyproc vom 1. September 1999 keine Antwort auf ein Auskunftsersuchen gewesen. Gyproc habe außerdem zu keinem Zeitpunkt bestritten, dass die betreffenden Tätigkeiten eine Zuwiderhandlung gegen Art. 81 Abs. 1 EG darstellten.

Würdigung durch das Gericht

457. In ihrer Mitteilung über Zusammenarbeit hat die Kommission die Voraussetzungen festgelegt, unter denen Geldbußen für Unternehmen, die während der Untersuchung eines Kartellfalls mit ihr zusammenarbeiten, entweder nicht oder niedriger festgesetzt werden können (vgl. Abschnitt A Nr. 3 der Mitteilung über Zusammenarbeit).

458. In Abschnitt E Nr. 3 der Mitteilung über Zusammenarbeit heißt es, diese habe berechtigte Erwartungen geweckt, auf die sich die Unternehmen, die der Kommission ein Kartell melden wollten, berufen würden. Angesichts des berechtigten Vertrauens, das die zur Zusammenarbeit mit der Kommission bereiten Unternehmen aus dieser Mitteilung ableiten können, ist die Kommission daher verpflichtet, sich bei der Beurteilung der Kooperation eines Unternehmens im Rahmen der Bemessung seiner Geldbuße an die Mitteilung zu halten (Urteil des Gerichts vom 15. März 2006, Daiichi Pharmaceutical/Kommission, T‑26/02, Slg. 2006, II‑713, Randnr. 147).

459. Nach Abschnitt B der Mitteilung „wird die Höhe der ohne … Mitarbeit festzusetzenden Geldbuße um mindestens 75 % niedriger festgesetzt und kann auf die Festsetzung der Geldbuße ganz verzichtet werden“, wenn ein Unternehmen

„a) der Kommission die geheime Absprache anzeigt, bevor diese aufgrund einer Entscheidung bei den am Kartell beteiligten Unternehmen eine Nachprüfung vorgenommen hat und bereits über ausreichende Informationen verfügt, um das Bestehen des angezeigten Kartells zu beweisen,

b) als erstes Angaben macht, die für den Beweis des Bestehens des Kartells von entscheidender Bedeutung sind,

c) seine Teilnahme an der rechtswidrigen Handlung spätestens zu dem Zeitpunkt eingestellt hat, zu dem es das Kartell anzeigt,

d) der Kommission alle sachdienlichen Informationen sowie verfügbaren Unterlagen und Beweismittel über das Kartell bereitstellt und während der gesamten Dauer der Untersuchung zu einer ununterbrochenen und uneingeschränkten Zusammenarbeit bereit ist,

e) kein anderes Unternehmen zur Teilnahme am Kartell gezwungen noch zu der rechtswidrigen Handlung angestiftet oder bei ihrer Durchführung eine entscheidende Rolle gespielt hat“.

460. Ferner sieht Abschnitt C der Mitteilung vor: „Gegenüber einem Unternehmen, das die unter Abschnitt B Buchstaben b) bis e) genannten Voraussetzungen erfüllt und die geheime Absprache anzeigt, nachdem die Kommission aufgrund einer Entscheidung bei den am Kartell beteiligten Unternehmen eine Nachprüfung vorgenommen hat, die keine ausreichenden Gründe für die Eröffnung eines [Verwaltungsv]erfahrens im Hinblick auf den Erlass einer Entscheidung geliefert hat, wird die Geldbuße um 50 bis 75 % niedriger festgesetzt.“

461. Die Klägerin ist der Ansicht, die Kommission habe ihr zu Unrecht die Herabsetzung um 50 % bis 75 % nach Abschnitt C der Mitteilung über Zusammenarbeit versagt. Zu prüfen ist somit, ob die Kommission die Anwendungsvoraussetzungen dieser Bestimmung verkannt hat.

462. Im vorliegenden Fall hängt die Anwendbarkeit von Abschnitt C im Rahmen der Bemessung der Geldbuße der Klägerin davon ab, ob die Nachprüfungen der Kommission dieser ausreichende Gründe für die Eröffnung des Verwaltungsverfahrens im Hinblick auf den Erlass der angefochtenen Entscheidung geliefert hatten.

463. In den Randnrn. 593 und 594 der angefochtenen Entscheidung hat die Kommission erklärt, dass sie im Zuge ihrer Nachprüfungen über ausreichende Unterlagen verfügt habe, um das Bestehen eines Kartells nachzuweisen, und dass BPB, weil sie nicht die Voraussetzungen gemäß Abschnitt B Buchst. b der Mitteilung über Zusammenarbeit erfülle, keine erhebliche Ermäßigung ihrer Geldbuße gemäß Abschnitt C der Mitteilung in Anspruch nehmen könne.

464. Die Klägerin behauptet allerdings nicht, dass sie zu allen Kartellaktivitäten entscheidende Angaben gemacht habe oder dass die Kommission das Kartell ohne die Unterlagen, die sie ihr vorgelegt habe, nicht hätte nachweisen können. Im Wesentlichen macht sie geltend, dass die Kommission das Bestehen eines einheitlichen und komplexen Kartells nicht so hätte beweisen können, wie sie dies getan habe.

465. Zu prüfen ist folglich, ob die Kommission aufgrund der Nachprüfungen über ausreichende Informationen verfügte, um das Bestehen des schließlich geahndeten Kartells zu beweisen.

466. Zum Treffen von London hat BPB Angaben nur in ihrer Antwort auf eine konkrete Frage im zweiten Auskunftsersuchen (vom 21. September 1999) – „Bitte teilen Sie mit, wer den Austausch von Daten zwischen den Generaldirektoren vorgeschlagen oder begonnen hat“ – gemacht.

467. Die Kommission, die von dem Informationsaustausch über die Absatzmengen auf den vier betroffenen Märkten bereits wusste, hatte demnach auf der Grundlage der Nachprüfungen vom November 1998 ausreichende Gründe für die Eröffnung eines Verwaltungsverfahrens im Hinblick auf den Erlass einer Entscheidung.

468. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof im Urteil vom 29. Juni 2006, Kommission/SGL Carbon (C‑301/04 P, Slg. 2006, I‑5915), festgestellt hat, dass die im Rahmen von Art. 11 Abs. 1 der Verordnung Nr. 17 gegebenen Antworten keine freiwillige Zusammenarbeit, sondern die Erfüllung einer Verpflichtung darstellen. Er hat daran erinnert, dass die Kommission zur Erfüllung der ihr in diesem Bereich übertragenen Aufgaben von den Regierungen und den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten sowie von Unternehmen und Unternehmensvereinigungen alle erforderlichen Auskünfte einholen kann. Die Kommission ist daher berechtigt, ein Unternehmen zu verpflichten, ihr alle erforderlichen Auskünfte über ihm eventuell bekannte Tatsachen zu erteilen und ihr erforderlichenfalls die in seinem Besitz befindlichen Schriftstücke, die sich hierauf beziehen, zu übermitteln, selbst wenn sie dazu verwendet werden können, den Beweis für ein wettbewerbswidriges Verhalten des betreffenden oder eines anderen Unternehmens zu erbringen (Randnrn. 34, 39, 41 und 44).

469. Was den Informationsaustausch über die Absatzmengen auf den vier betroffenen Märkten angeht, wird von der Klägerin, wie auch aus Randnr. 334 der Klageschrift hervorgeht, nicht bestritten, dass die Kommission bei den Nachprüfungen vom November 1998 direkte Beweise für diesen Austausch gefunden hat.

470. Zum Informationsaustausch über die Marktvolumen und -anteile im Vereinigten Königreich trägt die Kommission vor, dass zwei an Herrn [D] gerichtete Berichte, die in Randnr. 77 der Mitteilung der Beschwerdepunkte erwähnt worden seien, detaillierte Informationen zum Umsatz der anderen Hersteller enthalten hätten und als Grundlage für weitere Untersuchungen in dieser Frage hätten dienen können, selbst wenn diese Informationen als solche nicht ausgereicht hätten.

471. Bei den in Randnr. 77 der Mitteilung der Beschwerdepunkte erwähnten Dokumenten handelt es sich um an Herrn [D] gerichtete Berichte von Herrn [M], dem Vorgänger von Herrn [N] als Generaldirektor von BG, über die Marktentwicklungen im Vereinigten Königreich. Diese internen Dokumente beweisen mithin nicht, dass die fraglichen Informationen Personen außerhalb von BPB mitgeteilt worden wären. In ihrem Vermerk vom 17. März 1996 und ihrer Erklärung vom 28. Mai 1999 hat BPB aber eingeräumt, dass die Wettbewerber im Zeitraum von 1992 bis Anfang 1998 Informationen über die Absatzmengen auf dem Markt des Vereinigten Königreichs ausgetauscht hätten.

472. Zum Austausch von Daten zu den Preiserhöhungen auf dem Markt des Vereinigten Königreichs macht die Kommission geltend, sie habe über die in den Randnrn. 201 und 205 der angefochtenen Entscheidung dargestellten Informationen bereits verfügt. Wie sich aus diesen Randnummern ergibt, beweisen die beiden bei den Nachprüfungen gefundenen internen Vermerke von BPB lediglich, dass die Preiserhöhungen Gegenstand von Erörterungen waren, und stützt die Kommission ihren Nachweis dieses Bestandteils der Zuwiderhandlung auf die Parallelität der Preiserhöhungen. Angesichts dessen hat die Tatsache, dass BPB, wie aus Randnr. 207 der angefochtenen Entscheidung hervorgeht, in ihrem Vermerk vom 17. März 1996 und ausführlicher in ihrer Erklärung vom 28. Mai 1999 eingeräumt hat, es habe „einzelne Gelegenheiten“ gegeben, bei denen Herr [N] die Vertreter von Lafarge und Knauf im Vereinigten Königreich angerufen habe, um ihnen die Absichten von BG bezüglich der Preise sowie die geplanten Erhöhungsmargen mitzuteilen, die Argumentation der Kommission wesentlich gestärkt.

473. Ihre Beteiligung an den Treffen von Versailles und Den Haag hat die Klägerin erst in ihrer Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte eingeräumt, und ihre Beteiligung am Treffen von Brüssel erst in ihrer Antwort auf eine ausdrückliche Frage der Kommission im ersten Auskunftsersuchen.

474. Was schließlich das Informationsaustauschsystem angeht, geht aus Randnr. 271 der angefochtenen Entscheidung hervor, dass der Kommission dessen Bestehen aufgrund der bei den Nachprüfungen gefundenen Informationen bekannt war.

475. Die von BPB gemachten Angaben sind daher, soweit sie nach der oben in Randnr. 468 angeführten Rechtsprechung des Gerichtshofs als freiwillig angesehen werden können, keine Angaben, die für den Nachweis des Kartells von entscheidender Bedeutung sind, und die Kommission verfügte aufgrund ihrer Nachprüfungen über ausreichende Informationen, um das Bestehen des Kartells zu beweisen.

476. Da die in Abschnitt B Buchst. b bis e in Verbindung mit Abschnitt C der Mitteilung über Zusammenarbeit festgelegten Voraussetzungen kumulativ gelten und zumindest eine von ihnen, nämlich die nach Abschnitt B Buchst. b, nicht erfüllt ist, braucht nicht geprüft zu werden, ob BPB die übrigen Voraussetzungen erfüllt hat.

477. Die Kommission hat somit keinen Fehler begangen, als sie die Geldbuße der Klägerin nicht nach Abschnitt C der Mitteilung über Zusammenarbeit herabsetzte.

478. Zu prüfen ist im Rahmen der Ausübung der Befugnis des Gerichts zu unbeschränkter Nachprüfung allerdings noch, ob die von der Kommission wegen der Zusammenarbeit von BPB vorgenommene Herabsetzung nach Abschnitt D der Mitteilung über Zusammenarbeit genügte.

479. Wie sich aus den Randnrn. 592 und 596 der angefochtenen Entscheidung ergibt, war BPB die erste Kartellteilnehmerin, die – nach einem Auskunftsersuchen der Kommission, aber über dieses hinaus gehend – zusätzliche Angaben zu den bei den Nachprüfungen vorgefundenen Unterlagen gemacht hat, die das Bestehen des Kartells bestätigten. Die Kommission räumt ein, dass diese Angaben detaillierte Informationen über die fraglichen Treffen, vor allem das in London, und den Informationsaustausch auf den vier großen europäischen Märkten, insbesondere dem des Vereinigten Königreichs, enthielten.

480. Zudem geht aus der Prüfung des zweiten Klagegrundes hervor, dass die Kommission das Kartell ohne Kenntnis vom Treffen in London zwar hätte nachweisen können, dass sie es aber anders gesehen hätte. Die Angaben von BPB insbesondere zum Treffen von London haben die Argumentation der Kommission zum Vorliegen eines Gesamtplans wesentlich gestärkt und somit eine erhebliche Anhebung der Geldbußen wegen der Schwere der Zuwiderhandlung ermöglicht. Das gilt auch für die detaillierten Angaben von BPB zum Informationsaustausch über die Absatzmengen und die Preiserhöhungen auf dem Markt des Vereinigten Königreichs. Diese Schlussfolgerung wird dadurch untermauert, dass die angefochtene Entscheidung zahlreiche Zitate aus von BPB vorgelegten Unterlagen enthält.

481. Schließlich ergibt sich aus Randnr. 2.2.2 ihrer Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte und aus der Prüfung des zweiten Klagegrundes, dass BPB darüber hinaus die meisten in der Mitteilung der Beschwerdepunkte dargestellten Tatsachen eingeräumt hat. Außerdem geht aus den Randnrn. 1.1.4, 2.2.2 und 6.2.27 ihrer Erwiderung auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte, der Prüfung des zweiten Klagegrundes und der Antwort auf die schriftliche Frage des Gerichts hervor, dass BPB die Einstufung bestimmter Umstände als Zuwiderhandlungen gegen das Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft nicht in Frage stellt. So hat BPB eingeräumt, dass das Treffen in London, der Austausch von Daten über die Absatzmengen auf den vier betroffenen Märkten, insbesondere auf dem Markt des Vereinigten Königreichs, sowie der ein- oder zweimalige Austausch von Daten über die Preiserhöhungen auf letztgenanntem Markt Zuwiderhandlungen gegen Art. 81 EG seien.

482. Das Gericht ist im Rahmen der Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung der Ansicht, dass der vor Anwendung der Mitteilung über Zusammenarbeit errechnete Betrag der Geldbuße der Klägerin zusätzlich zu den bereits von der Kommission gewährten 30 % um weitere 10 % herabzusetzen ist.

483. Aus diesem Grund braucht das Vorbringen der Klägerin, dass die Kommission den Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt habe, weil sie die Geldbuße von Gyproc wegen deren Zusammenarbeit um 40 % herabgesetzt habe, nicht mehr geprüft zu werden.

5. Zum Antrag, der Kommission die Rückzahlung der Geldbuße oder, hilfsweise, des Betrags, um den sie herabgesetzt wird, zuzüglich Zinsen aufzugeben

Vorbringen der Parteien

484. Die Klägerin macht geltend, sie habe die Geldbuße bereits gezahlt. Sie beanstandet, dass der Zinssatz, der anzuwenden sei, wenn die Kommission die Geldbuße insgesamt oder teilweise zurückerstatten müsse, in der angefochtenen Entscheidung nicht genannt sei. Dieser Zinssatz müsse zumindest genauso hoch sein wie der Zinssatz, der angewandt worden wäre, wenn sie eine Bankbürgschaft gestellt hätte, also 4,79 %. Die Klägerin stellt die Entscheidung über den anzuwendenden Zinssatz jedoch in das Ermessen des Gerichts und beantragt, dass es diese Frage entscheidet, wenn ihre Geldbuße für nichtig erklärt oder herabgesetzt wird. Außerdem verlangt sie, dass die Verzugszinsen von der Verkündung des vorliegenden Urteils bis zur vollständigen Zahlung der von der Kommission geschuldeten Beträge entrichtet werden.

485. Die Kommission hält dieses Vorbringen für verfrüht. Abgesehen davon sei der im Rahmen des dritten Klageantrags formulierte Antrag unzulässig, da das Gericht nicht befugt sei, eine derartige Maßnahme anzuordnen.

Würdigung durch das Gericht

486. Wie in zahlreichen Fällen entschieden, ist das beklagte Organ nach einem Nichtigkeitsurteil, das ex tunc gilt und damit der für nichtig erklärten Handlung rückwirkend ihren rechtlichen Bestand nimmt, nach Art. 233 EG verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen zur Beseitigung der Wirkungen der festgestellten Rechtsverstöße zu ergreifen; dazu kann es im Fall eines bereits vollzogenen Rechtsakts geboten sein, den Kläger wieder in den Stand zu versetzen, in dem er sich vor diesem Rechtsakt befand (Urteil des Gerichts vom 8. Juli 2004, Corus UK/Kommission, T‑48/00, Slg. 2004, II‑2325, Randnr. 222).

487. Zu den Maßnahmen gemäß Art. 233 EG gehört somit im Fall eines Urteils, mit dem eine gegen ein Unternehmen wegen Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln des Vertrags verhängte Geldbuße für nichtig erklärt oder herabgesetzt wird, in erster Linie die Verpflichtung der Kommission, dem betroffenen Unternehmen die gezahlte Geldbuße ganz oder teilweise, nämlich insoweit zurückzuerstatten, wie diese Zahlung wegen der Nichtigkeitsentscheidung als rechtsgrundlos anzusehen ist. Diese Verpflichtung umfasst nicht nur den Hauptbetrag der rechtsgrundlos geleisteten Geldbuße, sondern auch die Verzugszinsen auf diesen Betrag (Urteil Corus UK/Kommission, oben in Randnr. 486 angeführt, Randnr. 223).

488. Wenn die Kommission keine Verzugszinsen auf den auf ein solches Urteil hin zurückgezahlten Hauptbetrag der Geldbuße entrichten würde, würde sie es folglich unterlassen, eine sich aus dem Urteil ergebende Maßnahme zu ergreifen, und damit gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 233 EG verstoßen.

489. Der Antrag, der Kommission die Rückzahlung des Betrags, um den die Geldbuße herabgesetzt wird, zuzüglich Zinsen aufzugeben, ist demnach unzulässig.

6. Zum Antrag auf prozessleitende Maßnahmen

490. Die Klägerin hat in ihrer Klageschrift vorgetragen, dass „das Gericht … eventuell eine Beweisaufnahme in Gestalt eines von einem unabhängigen Sachverständigen erstellten Berichts in Betracht ziehen [sollte], um festzustellen, welche der Parteien den wirtschaftlichen Zusammenhang des Falles zutreffend sieht“.

491. Soweit dieser Antrag als Antrag auf eine prozessleitende Maßnahme auszulegen ist, braucht ihm nicht stattgegeben zu werden, da die Prüfung des Falles gezeigt hat, dass das fragliche Kartell eindeutig wettbewerbswidrig ist.

Kosten

492. Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Nach Art. 87 § 3 Abs. 1 der Verfahrensordnung kann das Gericht die Kosten teilen, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt.

493. Im vorliegenden Fall ist die Kommission nur insoweit unterlegen, als die Herabsetzung der Geldbuße, die sie wegen der Zusammenarbeit von BPB vorgenommen hat, nicht genügte.

494. Es erscheint deshalb bei angemessener Berücksichtigung der Umstände des Falles geboten, der Kommission ein Zehntel ihrer eigenen Kosten und ein Zehntel der Kosten von BPB sowie BPB neun Zehntel ihrer eigenen Kosten und neun Zehntel der Kosten der Kommission aufzuerlegen.

Tenor

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Dritte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Der Betrag der in Art. 3 der Entscheidung 2005/471/EG der Kommission vom 27. November 2002 bezüglich eines Verfahrens zur Durchführung von Artikel 81 [EG] gegen: BPB plc, Gebrüder Knauf Westdeutsche Gipswerke KG, Société Lafarge SA, Gyproc Benelux NV (Sache COMP/E-1/37.152 – Gipsplatten) gegen die BPB plc verhängte Geldbuße wird auf 118,8 Mio. Euro festgesetzt.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kommission trägt ein Zehntel ihrer eigenen Kosten und ein Zehntel der Kosten von BPB.

4. BPB trägt neun Zehntel ihrer eigenen Kosten und neun Zehntel der Kosten der Kommission.

Top