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Document 62002TO0163

Beschluss des Präsidenten des Gerichts Erster Instanz vom 12. Juli 2002.
Montan Gesellschaft Voss mbH Stahlhandel, Jepsen Stahl GmbH, LNS - Lothar Niemeyer Stahlhandel GmbH & Co. KG und Metal Traders Stahlhandel GmbH gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften.
Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes - Verordnung (EG) Nr. 560/2002 - Zulässigkeit der Klage - Dringlichkeit.
Rechtssache T-163/02 R.

Sammlung der Rechtsprechung 2002 II-03219

ECLI identifier: ECLI:EU:T:2002:196

62002B0163

Beschluss des Präsidenten des Gerichts Erster Instanz vom 12. Juli 2002. - Montan Gesellschaft Voss mbH Stahlhandel, Jepsen Stahl GmbH, LNS - Lothar Niemeyer Stahlhandel GmbH & Co. KG und Metal Traders Stahlhandel GmbH gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes - Verordnung (EG) Nr. 560/2002 - Zulässigkeit der Klage - Dringlichkeit. - Rechtssache T-163/02 R.

Sammlung der Rechtsprechung 2002 Seite II-03219


Leitsätze
Parteien
Entscheidungsgründe
Tenor

Schlüsselwörter


1. Vorläufiger Rechtsschutz - Zulässigkeitsvoraussetzungen - Zulässigkeit der Klage - Unerheblichkeit - Grenzen

(Artikel 242 EG und 243 EG; Verfahrensordnung des Gerichts, Artikel 104 § 1)

2. Vorläufiger Rechtsschutz - Aussetzung des Vollzugs - Einstweilige Anordnungen - Voraussetzungen - Schwerer und nicht wieder gutzumachender Schaden - Beweislast - Finanzieller Schaden - Verlust von Kunden - Existenzgefährdende Situation für die antragstellende Gesellschaft

(Artikel 242 EG und 243 EG; Verfahrensordnung des Gerichts, Artikel 104 § 2)

Leitsätze


1. Die Frage der Zulässigkeit der Klage ist grundsätzlich nicht im Verfahren der einstweiligen Anordnung zu prüfen, um der Entscheidung in der Hauptsache nicht vorzugreifen. Es kann jedoch, wenn die offensichtliche Unzulässigkeit der dem Antrag auf einstweilige Anordnung zugrunde liegenden Klage geltend gemacht wird, erforderlich sein, festzustellen, ob Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Klage dem ersten Anschein nach zulässig ist.

( vgl. Randnr. 21 )

2. Die Dringlichkeit eines Antrags auf einstweilige Anordnung bemisst sich nach der Notwendigkeit, vorläufigen Rechtsschutz zu gewähren, damit der Antragsteller keinen schweren und nicht wieder gutzumachenden Schaden erleidet. Der Antragsteller ist dafür beweispflichtig, dass er die Entscheidung im Verfahren zur Hauptsache nicht abwarten kann, ohne einen solchen Schaden zu erleiden. Zwar ist es für den Nachweis eines solchen Schadens nicht erforderlich, dass der Eintritt des Schadens mit absoluter Sicherheit belegt wird, sondern es genügt, dass dieser mit einem hinreichenden Grad an Wahrscheinlichkeit vorhersehbar ist, doch obliegt es dem Antragsteller, die Tatsachen zu beweisen, die die Erwartung eines solchen schweren und nicht wieder gutzumachenden Schadens begründen sollen.

Ein finanzieller Schaden, wie ihn etwa ein Verlust von Kunden darstellt, da er in einer Gewinneinbuße besteht, kann nur unter außergewöhnlichen Umständen als ein nicht oder auch nur schwer wieder gutzumachender Schaden angesehen werden, da er Gegenstand eines späteren finanziellen Ausgleichs sein kann.

Nach diesen Grundsätzen wäre eine Aussetzung des Vollzugs nur gerechtfertigt, wenn sich der Antragsteller ohne die Aussetzung in einer Situation befände, die seine Existenz gefährden oder seine Marktanteile nachhaltig verändern könnte.

( vgl. Randnrn. 28-31 )

Parteien


In der Rechtssache T-163/02 R

Montan Gesellschaft Voss mbH Stahlhandel, Planegg (Deutschland),

Jepsen Stahl GmbH, Nittendorf (Deutschland),

LNS - Lothar Niemeyer Stahlhandel GmbH & Co. KG, Essen (Deutschland),

Metal Traders Stahlhandel GmbH, Düsseldorf (Deutschland),

Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt K. Friedrich, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Antragstellerinnen,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch J. Forman und R. Raith als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Antragsgegnerin,

wegen erstens Aussetzung des Vollzugs der Verordnung (EG) Nr. 560/2002 der Kommission vom 27. März 2002 über die Einführung vorläufiger Schutzmaßnahmen gegen Einfuhren bestimmter Stahlwaren (ABl. L 85, S. 1) und zweitens sonstiger erforderlicher einstweiliger Anordnungen

erlässt

DER PRÄSIDENT DES GERICHTS ERSTER INSTANZ

DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN

folgenden

Beschluss

Entscheidungsgründe


Rechtlicher Rahmen

1 Artikel 8 der Verordnung (EG) Nr. 3285/94 des Rates vom 22. Dezember 1994 über die gemeinsame Einfuhrregelung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 518/94 (ABl. L 349, S. 53) bestimmt:

(1) Dieser Titel [Gemeinschaftliches Untersuchungsverfahren] steht Überwachungsmaßnahmen nach den Artikeln 11 bis 15 oder vorläufigen Schutzmaßnahmen nach den Artikeln 16, 17 und 18 nicht entgegen.

Vorläufige Schutzmaßnahmen werden getroffen,

- wenn eine kritische Lage, in der jede Verzögerung zu einer schwer wieder gutzumachenden Schädigung führen würde, eine umgehende Maßnahme erfordert und

- wenn vorläufig festgestellt worden ist, dass ausreichende Nachweise dafür vorliegen, dass durch den Anstieg der Einfuhren eine bedeutende Schädigung entstanden ist oder zu entstehen droht.

(2) Die Geltungsdauer solcher Maßnahmen darf 200 Tage nicht überschreiten.

...

(4) Die Kommission nimmt umgehend die noch erforderlichen Untersuchungsmaßnahmen vor.

(5) Werden die vorläufigen Schutzmaßnahmen aufgehoben, da keine bedeutende Schädigung oder Gefahr einer bedeutenden Schädigung vorliegt, so werden die aufgrund dieser Maßnahmen erhobenen Zölle von Amts wegen unverzüglich zurückerstattet. Das Verfahren der Artikel 235 ff. der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaft ... findet Anwendung."

2 Am 27. März 2002 erließ die Kommission die Verordnung (EG) Nr. 560/2002 über die Einführung vorläufiger Schutzmaßnahmen gegen Einfuhren bestimmter Stahlwaren (ABl. L 85, S. 1, nachstehend: angefochtene Verordnung).

3 In der 18. Begründungserwägung der angefochtenen Verordnung heißt es:

Die Kommission hat vorläufig festgestellt, dass es klare Beweise gibt, dass Einfuhren von 15 der betroffenen [Stahl-]Waren sich vor kurzem in einer Art erhöht haben, die plötzlich, scharf und signifikant ist. Diese sind nicht legierte, warmgewalzte Rollen, nicht legierte, warmgewalzte Bleche und Platten, nicht legierte, warmgewalzte, schmale Erzeugnisse, legierte, warmgewalzte, flachgewalzte Erzeugnisse, kaltgewalzte Bleche, Elektrobleche (außer GOES), Weißblech-Erzeugnisse, Quarto-Platten, breite, flachgewalzte Erzeugnisse, nicht legierte Stäbe und leichte Abschnitte, legierte Stäbe und leichte Abschnitte, zur Verstärkung eingesetzter Stabstahl, Draht aus nicht rostendem Stahl, Rohrformstücke, Rohrverschlussstücke und Rohrverbindungsstücke (>lt> 609,6 mm) und Flansche (außer aus nicht rostendem Stahl) ..."

4 In der 36. Begründungserwägung der angefochtenen Verordnung ist ausgeführt:

Aufbauend auf ihrer vorläufigen Analyse hat die Kommission eine vorläufige Feststellung getroffen, dass in Bezug auf alle 15 betroffenen Waren Gemeinschaftsherstellern eine erhebliche allgemeine Verschlechterung ihrer Lage droht und dass diese Gefährdung eindeutig unmittelbar bevorsteht. Es ist zu erwarten, dass eine tatsächliche bedeutende Schädigung sowohl infolge der Ankündigung der Maßnahmen der USA als auch infolge der tatsächlichen Inkraftsetzung dieser Maßnahmen sogar noch schneller eintreten wird."

5 Unter der Überschrift Vorläufige Maßnahmen - Form & Höhe" ist in der 65. und der 66. Begründungserwägung Folgendes ausgeführt:

(65) Indem sie vorläufige Schutzmaßnahmen ergreift, versucht die Kommission, eine bedeutende Schädigung der Gemeinschaftshersteller zu verhindern, der schwer behebbar wäre, der aus umgeleitetem Handel entsteht, und, so weit wie möglich, die Offenheit des Gemeinschaftsmarktes zu wahren und den Strom von Einfuhren auf dem gegenwärtig historisch hohen Niveau beizubehalten.

(66) In Übereinstimmung mit den internationalen Verpflichtungen der Gemeinschaft sollten die vorläufigen Maßnahmen die Form tariflicher Maßnahmen bezüglich jeder der 15 betroffenen Waren haben. Um den Strom von Einfuhren in die Gemeinschaft auf ihren gegenwärtigen historisch hohen Niveaus zu erhalten, sollten sie die Form von Zollkontingenten haben, über die hinaus ein zusätzlicher Zoll fällig wird. Um den Zugang zum Gemeinschaftsmarkt für alle traditionellen Lieferanten zu garantieren, sollten solche Zollkontingente auf die durchschnittlichen jährlichen Niveaus von Einfuhren in den Jahren 1999, 2000 und 2001 basieren, plus 10 %. Da die Zollkontingente für sechs Monate gültig sein werden, sollten sie auf die Hälfte dieser jährlichen Zahl festgesetzt werden."

6 Artikel 1 der angefochtenen Verordnung bestimmt:

(1) Ein Zollkontingent wird hierdurch ab dem Datum, an dem diese Verordnung in Kraft tritt bis zu einen Tag vor dem entsprechenden Datum des sechsten darauf folgenden Monats eröffnet in Bezug auf Einfuhren in die Gemeinschaft von jeder der 15 betroffenen Waren, die in Anhang 3 (mit Bezug auf die KN-Codes, die im Zusammenhang mit diesem spezifiziert werden) spezifiziert werden.

(2) Der vertragsmäßige Zollsatz, der für diese Waren in der Verordnung (EG) Nr. 2658/97 des Rates vorgesehen wird, oder jeder präferenzielle Zollsatz, soll weiterhin zur Anwendung kommen.

(3) Einfuhren jener Waren, die das Volumen des relevanten Zollkontingents übersteigen, das in Anhang 3 spezifiziert wird, oder jene ohne ein Ersuchen der Anwendung des Kontingents sollen einem zusätzlichen Zoll in der Höhe unterliegen, die in Anhang 3 für diese Ware spezifiziert wird. Dieser zusätzliche Zoll soll für den Zollwert der Ware gelten, die eingeführt wird.

..."

7 Nach Artikel 3 sollen [d]ie Zollkontingente ... von der Kommission und den Mitgliedstaaten in Übereinstimmung mit dem Managementsystem für Zollkontingente gehandhabt werden, das in den Artikeln 308a, 308b und 308c der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 wie zuletzt geändert durch Verordnung (EG) Nr. 993/2001 vorgesehen ist".

8 Artikel 308a der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission vom 2. Juli 1993 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1427/97 (ABl. L 196, S. 31) lautet wie folgt:

(1) Ist durch eine Rechtsvorschrift der Gemeinschaft die Eröffnung von Zollkontingenten vorgesehen, so werden diese, sofern keine anderen Bestimmungen entgegenstehen, in der Reihenfolge verwaltet, in der die Anmeldungen zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr angenommen wurden.

(2) Wird eine Anmeldung zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr mit zulässigem Antrag auf Gewährung der Zollbegünstigung angenommen, so nimmt der betroffene Mitgliedstaat über die Kommission die Ziehung einer seinem Bedarf entsprechenden Menge auf das Kontingent vor.

(3) Die Mitgliedstaaten stellen ihre Ziehungsanträge nur bei Vorliegen der Voraussetzungen nach Artikel 256 Absätze 2 und 3.

(4) Vorbehaltlich des Absatzes 8 gewährt die Kommission die Zuteilungen nach dem Zeitpunkt der Annahme der entsprechenden Anmeldung zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr, soweit die Restmenge des betreffenden Zollkontingents ausreicht. Die Ziehungsanträge werden in der zeitlichen Reihenfolge der Annahme der Anmeldungen bearbeitet.

(5) Die Mitgliedstaaten übermitteln unverzüglich alle zulässigen Ziehungsanträge an die Kommission unter Angabe des in Absatz 4 erwähnten Zeitpunkts und der genauen in der jeweiligen Zollanmeldung beantragten Menge.

(6) Zur Durchführung der Absätze 4 und 5 verteilt die Kommission laufende Nummern, sofern dies nicht schon in dem Rechtsakt der Gemeinschaft zur Eröffnung des Zollkontingents vorgesehen ist.

(7) Sind die beantragten Mengen höher als die verfügbare Restmenge des Kontingents, so erfolgt die Zuteilung anteilig.

...

(9) Wird ein neues Zollkontingent eröffnet, so bewilligt die Kommission keine Ziehungen vor dem elften Arbeitstag nach Veröffentlichung des Rechtsakts, der zur Eröffnung des Zollkontingents führte.

(10) Nutzen die Mitgliedstaaten die gezogenen Mengen nicht aus, so haben sie sie unverzüglich an die Kommission zurück zu übertragen. Wird jedoch einen Monat nach Ablauf der Geltungsdauer des betreffenden Zollkontingents eine Zollschuld von höchstens 10 ECU infolge einer irrtümlichen Ziehung festgestellt, so ist eine Rückübertragung an die Kommission nicht erforderlich.

(11) Erklären die Zollbehörden eine Anmeldung zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr für Waren, die Gegenstand eines Ziehungsantrages sind, für ungültig, so wird der gesamte Antrag für diese Waren ungültig. Der betroffene Mitgliedstaat muss die aus dem Kontingent gezogenen Mengen dieser Waren unverzüglich an die Kommission zurückübertragen.

..."

9 Am 3. Juli 2002 erließ die Kommission die Verordnung (EG) Nr. 950/2002 zur Änderung der angefochtenen Verordnung (ABl. L 145, S. 12). In der zweiten Begründungserwägung dieser Verordnung heißt es:

... Unter Berücksichtigung des Erfordernisses, einen ungehinderten Zugang zur Inanspruchnahme der Zollkontingente anzustreben, und gleichzeitig des Erfordernisses, die Entrichtung der nach Ausschöpfung der Zollkontingente entstehenden Zollschuld sicherzustellen, erachtet es die Kommission daher für wünschenswert, die Verpflichtung der Zollbehörden zur Einforderung einer Sicherheit im Zusammenhang mit den betreffenden Waren vor Erreichen von 75 % der Ausgangsmenge der entsprechenden Zollkontingente abzuschaffen."

10 Artikel 3 der angefochtenen Verordnung wurde entsprechend geändert.

Verfahren

11 Mit Schriftsatz, der am 27. Mai 2002 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Antragstellerinnen gemäß Artikel 230 Absatz 4 EG Klage erhoben auf Nichtigerklärung der angefochtenen Verordnung und Ersatz des ihnen angeblich infolge des Erlasses dieser Verordnung entstandenen Schadens.

12 Mit besonderem Schriftsatz, der am 29. Mai 2002 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben sie zusätzlich erstens die Aussetzung des Vollzugs der angefochtenen Verordnung und zweitens sonstige erforderliche einstweilige Anordnungen beantragt.

13 Am 19. Juni 2002 hat die Kommission zu dem Antrag auf einstweilige Anordnung Stellung genommen.

14 In Anbetracht des Akteninhalts ist der Richter der einstweiligen Anordnung der Auffassung, dass er über alle erforderlichen Angaben verfügt, um über den Antrag auf einstweilige Anordnung zu entscheiden, ohne dass eine vorherige mündliche Anhörung der Parteien zweckdienlich wäre.

Rechtliche Würdigung

15 Nach den Artikeln 242 EG und 243 EG in Verbindung mit Artikel 4 des Beschlusses 88/591/EGKS, EWG, Euratom des Rates vom 24. Oktober 1988 zur Errichtung eines Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 319, S. 1) in der Fassung des Beschlusses 93/350/Euratom, EGKS, EWG des Rates vom 8. Juni 1993 (ABl. L 144, S. 21) kann das Gericht, wenn es dies den Umständen nach für nötig hält, die Durchführung der angefochtenen Handlung aussetzen oder die erforderlichen einstweiligen Anordnungen treffen.

16 Nach Artikel 104 § 1 Absatz 1 der Verfahrensordnung sind Anträge auf Aussetzung des Vollzugs von Maßnahmen nur zulässig, wenn der Antragsteller die betreffende Maßnahme durch Klage beim Gericht angefochten hat. Diese Vorschrift ist keine bloße Formalität, sondern setzt voraus, dass die Klage, von der sich der Antrag auf einstweilige Anordnung ableitet, vom Gericht tatsächlich geprüft werden kann.

17 Artikel 104 § 2 der Verfahrensordnung bestimmt, dass Anträge auf Aussetzung des Vollzugs die Umstände anführen müssen, aus denen sich die Dringlichkeit ergibt; ferner ist die Notwendigkeit der beantragten Anordnung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht glaubhaft zu machen (fumus boni juris). Diese Voraussetzungen sind kumulativ, so dass der Antrag auf einstweilige Anordnungen zurückzuweisen ist, wenn eine von ihnen nicht erfuellt ist (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 14. Oktober 1996 in der Rechtssache C-268/96 P [R], Slg. 1996, I-4971, Randnr. 30). Der Richter der einstweiligen Anordnung nimmt gegebenenfalls auch eine Abwägung der bestehenden Interessen vor (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 29. Juni 1999 in der Rechtssache C-107/99 R, Italien/Kommission, Slg. 1999, I-4011, Randnr. 59).

Zur Zulässigkeit des Antrags auf einstweilige Anordnung

Vorbringen der Parteien

18 Die Antragstellerinnen machen geltend, die Klage sei zulässig. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass sie in der angefochtenen Verordnung genannte Stahlwaren aus Drittländern bezögen und darüber mit ihren Lieferanten langfristige Verträge geschlossen hätten, seien sie angesichts der neuesten Rechtsprechung, nämlich des Urteils des Gerichts vom 3. Mai 2002 in der Rechtssache T-177/01 (Jégo-Quéré/Kommission, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht) von der angefochtenen Verordnung unmittelbar und individuell betroffen.

19 Nach Auffassung der Kommission ist der Antrag auf einstweilige Anordnung zurückzuweisen, da die Klage, die diesem Antrag zugrunde liege, offensichtlich unzulässig sei. Die Antragstellerinnen seien von der angefochtenen Verordnung nicht individuell betroffen im Sinne von Artikel 230 Absatz 4 EG, da diese Verordnung alle Importeure der fünfzehn darin genannten Stahlwaren in der Gemeinschaft in gleicher Weise betreffe, und sie seien deshalb nicht befugt, sie anzufechten.

20 Die Antragstellerinnen seien von der angefochtenen Verordnung auch nicht unmittelbar betroffen. Die Kommission verweist insoweit auf den Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 15. Februar 2000 in der Rechtssache T-1/00 R (Hölzl u. a./Kommission, Slg. 2000, II-251).

Würdigung durch den Richter der einstweiligen Anordnung

21 Nach ständiger Rechtsprechung ist die Frage der Zulässigkeit der Klage grundsätzlich nicht im Verfahren der einstweiligen Anordnung zu prüfen, um der Entscheidung in der Hauptsache nicht vorzugreifen. Jedoch kann es, wenn wie im vorliegenden Fall die offensichtliche Unzulässigkeit der dem Antrag auf einstweilige Anordnung zugrunde liegenden Klage geltend gemacht wird, erforderlich sein, festzustellen, ob Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Klage dem ersten Anschein nach zulässig ist (vgl. Beschlüsse des Präsidenten des Gerichtshofes vom 27. Januar 1988 in der Rechtssache 376/87 R, Distrivet/Rat, Slg. 1988, 209, Randnr. 21, und vom 13. Juli 1988 in der Rechtssache 160/88 R, Fédération européenne de la santé animale u. a./Rat, Slg. 1988, 4121, Randnr. 22; Beschlüsse des Präsidenten des Gerichts vom 15. März 1995 in der Rechtssache T-6/95 R, Cantine dei colli Berici/Kommission, Slg. 1995, II-647, Randnr. 26, vom 22. Dezember 1995 in der Rechtssache T-219/95 R, Danielsson u. a./Kommission, Slg. 1995, II-3051, Randnr. 58, und vom 30. Juni 1999 in der Rechtssache T-13/99 R, Pfizer Animal Health/Rat, Slg. 1999, II-1961, Randnr. 121).

22 In der vorliegenden Rechtssache kann der Richter der einstweiligen Anordnung nicht dem ersten Anschein nach davon ausgehen, dass die Antragstellerinnen von der angefochtenen Verordnung unmittelbar betroffen und nach Artikel 230 Absatz 4 EG zu deren Anfechtung befugt sind, da ihnen die zusätzlichen Zölle dem ersten Anschein nach nur insoweit auferlegt werden, als die Kommission ihnen die Gewährung eines Zollkontingents verweigert. Die zusätzlichen Zölle sind offenbar nur unter der Voraussetzung zu entrichten, dass das gewährte Kontingent ausgeschöpft ist oder seine Anwendung nicht beantragt wurde. Was die Anträge auf Ersatz des angeblich infolge des Erlasses der angefochtenen Verordnung entstandenen Schadens angeht, spricht dagegen nichts gegen die Zulässigkeit der Klage. Der vorliegende Antrag auf einstweilige Anordnung ist daher für zulässig zu erklären.

Zur Dringlichkeit

Vorbringen der Parteien

23 Die Antragstellerinnen machen lediglich geltend, dass ihnen bei sofortiger Anwendung der angefochtenen Verordnung ein schwerer und nicht wieder gutzumachender Schaden drohe. Diese Situation resultiere daraus, dass die Antragstellerinnen nach Ausschöpfung der in der angefochtenen Verordnung festgesetzten Kontingente letztlich ganz und gar gehindert seien, die für ihre wirtschaftliche Tätigkeit notwendigen Einfuhren vorzunehmen; dies gelte insbesondere auch deshalb, weil diese Verordnung keine spezifische Regelung für Einfuhren von Stahlwahren aus einem bestimmten Drittland vorsehe.

24 Infolge des Erlasses der angefochtenen Verordnung und der damit verbundenen Einfuhrbeschränkungen und Belastungen seien Verträge einer der Antragstellerinnen von ihren Abnehmern gekündigt und ihre Belieferung sei eingestellt worden. Die anderen Antragstellerinnen hätten ähnliche Reaktionen ihrer Kunden zu befürchten.

25 Die Kommission trägt vor, die Antragstellerinnen hätten nicht dargetan, dass ihnen, falls die begehrte Aussetzung der Durchführung nicht angeordnet werde, ein schwerer und nicht wieder gutzumachender Schaden drohe.

26 In ihrer Stellungnahme hebt sie insbesondere hervor, die Antragstellerinnen hätten keine substanziierten Darlegungen gemacht, anhand deren die Richtigkeit ihrer Behauptungen nachweisbar sei.

27 Überdies seien bis zum 5. Mai 2002 im Hinblick auf die durch die angefochtene Verordnung festgesetzten Zollkontingente keine zusätzlichen Zölle entrichtet und die Kontingente durchschnittlich zu kaum 10 % genutzt worden.

Würdigung durch den Richter der einstweiligen Anordnung

28 Nach ständiger Rechtsprechung bemisst sich die Dringlichkeit eines Antrags auf einstweilige Anordnung nach der Notwendigkeit, vorläufigen Rechtsschutz zu gewähren, damit der Antragsteller keinen schweren und nicht wieder gutzumachenden Schaden erleidet. Der Antragsteller ist dafür beweispflichtig, dass er die Entscheidung im Verfahren zur Hauptsache nicht abwarten kann, ohne einen solchen Schaden zu erleiden (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 12. Oktober 2000 in der Rechtssache C-278/00 R, Griechenland/Kommission, Slg. 2000, I-8787, Randnr. 14; Beschlüsse des Präsidenten des Gerichts vom 15. Juli 1998 in der Rechtssache T-73/98 R, Prayon-Rupel/Kommission, Slg. 1998, II-2769, Randnr. 36, und vom 20. Juli 2000 in der Rechtssache T-169/00 R, Esedra/Kommission, Slg. 2000, II-2951, Randnr. 43).

29 Zwar ist es für den Nachweis eines solchen Schadens nicht erforderlich, dass der Eintritt des Schadens mit absoluter Sicherheit belegt wird, sondern es genügt, dass dieser mit einem hinreichenden Grad an Wahrscheinlichkeit vorhersehbar ist, doch obliegt es den Antragstellerinnen, die Tatsachen zu beweisen, die die Erwartung eines solchen schweren und nicht wieder gutzumachenden Schadens begründen sollen (Beschlüsse des Präsidenten des Gerichtshofes vom 14. Dezember 1999 in der Rechtssache C-335/99 P[R], HFB u. a./Kommission, Slg. 1999, I-8705, Randnr. 67, vom 25. Juli 2000 in der Rechtssache C-377/98 R, Niederlande/Parlament und Rat, Slg. 2000, I-6229, Randnr. 51, und Griechenland/Kommission, Randnr. 15).

30 Der von den Antragstellerinnen behauptete schwere und nicht wieder gutzumachende Schaden soll in einem materiellen Schaden - dem Verlust von Kunden - bestehen. Dieser hat finanziellen Charakter, da er in einer Gewinneinbuße besteht. Nach gefestigter Rechtsprechung kann jedoch ein finanzieller Schaden nur unter außergewöhnlichen Umständen als ein nicht oder auch nur schwer wieder gutzumachender Schaden angesehen werden, da er Gegenstand eines späteren finanziellen Ausgleichs sein kann (Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 18. Oktober 1991 in der Rechtssache C-213/91 R, Abertal u. a./Kommission, Slg. 1991, I-5109, Randnr. 24, und Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 7. November 1995 in der Rechtssache T-168/95 R, Eridania u. a./Rat, Slg. 1995, II-2817, Randnr. 42).

31 Nach diesen Grundsätzen wäre die beantragte Aussetzung des Vollzugs unter den Umständen des vorliegenden Falles nur gerechtfertigt, wenn sich die Antragstellerinnen ohne die Aussetzung in einer Situation befänden, die ihre Existenz gefährden oder ihre Marktanteile nachhaltig verändern könnte.

32 Es ist jedoch daran zu erinnern, dass nach der 66. Begründungserwägung die Zollkontingente, um den Zugang zum Gemeinschaftsmarkt für alle traditionellen Lieferanten zu garantieren, auf den durchschnittlichen jährlichen Niveaus der Einfuhren in den Jahren 1999, 2000 und 2001 basieren sollten, plus 10 %, und dass diese Zollkontingente nur für sechs Monate gültig sein werden. Zudem geht aus den Akten hervor, dass bis zum 5. Mai 2002 keine zusätzlichen Zölle entrichtet und die Kontingente durchschnittlich zu kaum 10 % genutzt worden waren (siehe Anlage 25 zum Antrag auf einstweilige Anordnung).

33 Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass der von den Antragstellerinnen befürchtete Verlust von Kunden einen rein hypothetischen Schaden darstellt, da er den Eintritt künftiger, ungewisser Ereignisse voraussetzt, nämlich die Gewährung von Zollkontingenten für die Antragstellerinnen durch die Kommission, die deutlich unter ihren Einfuhren in die Gemeinschaft in den Jahren 1999, 2000 und 2001 liegen (vgl. in diesem Sinne auch Beschlüsse des Präsidenten des Gerichts vom 15. Juli 1994 in der Rechtssache T-239/94 R, EISA/Kommission, Slg. 1994, II-703, Randnr. 20, vom 2. Dezember 1994 in der Rechtssache T-322/94 R, Union Carbide/Kommission, Slg. 1994, II-1159, Randnr. 31, vom 15. Januar 2001 in der Rechtssache T-241/00 R, Le Canne/Kommission, Slg. 2001, II-37, Randnr. 37, und vom 20. Dezember 2001 in der Rechtssache T-214/01 R, Bank für Arbeit und Wirtschaft/Kommission, Slg. 2001, II-3993, Randnr. 66).

34 Im Übrigen ist hervorzuheben, dass die Kommission innerhalb von neun Monaten nach dem 28. März 2002, dem Tag der Bekanntmachung der Untersuchung über Schutzmaßnahmen hinsichtlich der Einfuhren bestimmter Stahlwaren einschließlich der fünfzehn von der angefochtenen Verordnung erfassten, feststellen muss, ob die Schutzmaßnahmen erforderlich sind. Ist dies nicht der Fall und werden die vorläufigen Schutzmaßnahmen aufgehoben, weil keine bedeutende Schädigung oder Gefahr einer bedeutenden Schädigung vorliegt, so werden die aufgrund dieser Maßnahmen erhobenen Zölle nach Artikel 8 Absatz 5 der Verordnung Nr. 3185/94 von Amts wegen unverzüglich zurückerstattet.

35 Nach alledem haben die Antragstellerinnen nicht bewiesen, dass sie einen schweren und nicht wieder gutzumachenden Schaden erleiden würden, wenn die beantragte Aussetzung des Vollzugs nicht angeordnet würde.

36 Da die Voraussetzung der Dringlichkeit nicht erfuellt ist, ist der vorliegende Antrag zurückzuweisen, ohne dass geprüft zu werden braucht, ob die übrigen Voraussetzungen für eine Aussetzung des Vollzugs erfuellt sind.

Tenor


Aus diesen Gründen

hat

DER PRÄSIDENT DES GERICHTS

beschlossen:

1. Der Antrag auf einstweilige Anordnung wird zurückgewiesen.

2. Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.

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