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Document 62002TJ0357
Judgment of the Court of First Instance (Fifth Chamber, extended composition) of 3 May 2007. # Freistaat Sachsen v Commission of the European Communities. # State aid - Aid granted by the authorities of the Land Saxony - Aid scheme for small and medium-sized enterprises - Accelerated clearance procedure - Application ratione temporis of the Community guidelines and of the exempting regulation concerning aid to small and medium-sized enterprises - Aid scheme notified before the entry into force of the exempting regulation - Legitimate expectations - Legal certainty - Complete notification. # Case T-357/02.
Urteil des Gerichts Erster Instanz (Fünfte erweiterte Kammer) vom 3. Mai 2007.
Freistaat Sachsen gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften.
Staatliche Beihilfen - Von den Behörden des Landes Sachsen gewährte Beihilfen - Beihilferegelung für kleine und mittlere Unternehmen - Beschleunigtes Genehmigungsverfahren - Zeitliche Geltung des Gemeinschaftsrahmens und der Verordnung über die Freistellung der Beihilfen zugunsten kleiner und mittlerer Unternehmen - Vor dem Inkrafttreten der Freistellungsverordnung angemeldetes Beihilfevorhaben - Berechtigtes Vertrauen - Rechtssicherheit - Vollständige Anmeldung.
Rechtssache T-357/02.
Urteil des Gerichts Erster Instanz (Fünfte erweiterte Kammer) vom 3. Mai 2007.
Freistaat Sachsen gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften.
Staatliche Beihilfen - Von den Behörden des Landes Sachsen gewährte Beihilfen - Beihilferegelung für kleine und mittlere Unternehmen - Beschleunigtes Genehmigungsverfahren - Zeitliche Geltung des Gemeinschaftsrahmens und der Verordnung über die Freistellung der Beihilfen zugunsten kleiner und mittlerer Unternehmen - Vor dem Inkrafttreten der Freistellungsverordnung angemeldetes Beihilfevorhaben - Berechtigtes Vertrauen - Rechtssicherheit - Vollständige Anmeldung.
Rechtssache T-357/02.
Sammlung der Rechtsprechung 2007 II-01261
ECLI identifier: ECLI:EU:T:2007:120
Rechtssache T‑357/02
Freistaat Sachsen
gegen
Kommission der Europäischen Gemeinschaften
„Staatliche Beihilfen – Von den Behörden des Landes Sachsen gewährte Beihilfen – Beihilferegelung für kleine und mittlere Unternehmen – Beschleunigtes Genehmigungsverfahren – Zeitliche Geltung des Gemeinschaftsrahmens und der Verordnung über die Freistellung der Beihilfen zugunsten kleiner und mittlerer Unternehmen – Vor dem Inkrafttreten der Freistellungsverordnung angemeldetes Beihilfevorhaben – Berechtigtes Vertrauen – Rechtssicherheit – Vollständige Anmeldung“
Urteil des Gerichts (Fünfte erweiterte Kammer) vom 3. Mai 2007
Leitsätze des Urteils
1. Staatliche Beihilfen – Beihilfevorhaben – Prüfung durch die Kommission – In der Mitteilung 92/C 213/03 der Kommission vorgesehenes beschleunigtes Genehmigungsverfahren
(Verordnung Nr. 659/1999 des Rates; Verordnung Nr. 794/2004 der Kommission; Mitteilungen 92/C 213/03 und 2004/C 115/01 der Kommission)
2. Staatliche Beihilfen – Beihilfevorhaben – Prüfung durch die Kommission – In der Mitteilung 92/C 213/03 der Kommission vorgesehenes beschleunigtes Genehmigungsverfahren
(Mitteilung 92/C 213/03 der Kommission)
3. Staatliche Beihilfen – Beihilfevorhaben – Prüfung durch die Kommission
(Verordnung Nr. 659/1999 des Rates, Art. 4 Abs. 1)
4. Staatliche Beihilfen – Beihilfevorhaben – Prüfung durch die Kommission
(Verordnung Nr. 70/2001 der Kommission)
5. Nichtigkeitsklage – Gründe – Klage gegen eine Entscheidung der Kommission, mit der die Unvereinbarkeit einer staatlichen Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt festgestellt wird
6. Staatliche Beihilfen – Beihilfevorhaben – Prüfung durch die Kommission
(Art. 88 Abs. 2 EG)
1. Erst seit dem 30. April 2004, dem Tag der Veröffentlichung der Mitteilung zu überholten Dokumenten und der Verordnung Nr. 794/2004 zur Durchführung der Verordnung Nr. 659/1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Art. [88 EG], findet die Mitteilung der Kommission vom 2. Juli 1992 über das beschleunigte Genehmigungsverfahren für Beihilferegelungen für KMU und von Änderungen bestehender Beihilferegelungen keine Anwendung mehr.
(vgl. Randnrn. 52, 54)
2. Auch für den Fall, dass eine beabsichtigte Beihilferegelung alle Voraussetzungen erfüllt, von denen die Mitteilung der Kommission über das beschleunigte Genehmigungsverfahren die Vergünstigung der Prüfung innerhalb einer Frist von 20 Arbeitstagen nach ihrer Anmeldung abhängig macht, hat sich die Kommission nur „grundsätzlich“ verpflichtet, nach Ablauf dieser Frist keine Einwände zu erheben, womit ihre Befugnis, über diese Regelung zu „entscheiden“, in vollem Umfang erhalten bleibt.
Die Kriterien, die die angemeldeten Beihilferegelungen erfüllen müssen, damit die Kommission binnen einer Frist von 20 Arbeitstagen grundsätzlich keine Einwände gegen sie erhebt und entscheidet, sind eng auszulegen, da das beschleunigte Genehmigungsverfahren gegenüber dem gewöhnlichen Verfahren zur Prüfung von Anmeldungen Ausnahmecharakter hat. Bestehen Zweifel, ob die Voraussetzungen nach der Mitteilung erfüllt sind, ist die Kommission berechtigt, das beschleunigte Genehmigungsverfahren nicht anzuwenden.
(vgl. Randnrn. 56-57, 68)
3. Die Anwendung der Kriterien, die durch eine nach der Anmeldung einer staatlichen Beihilfe in Kraft getretene Regelung festgelegt worden sind, für die Beurteilung der Zulässigkeit dieser Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt läuft zwangsläufig auf eine Rückwirkung dieser Regelung hinaus. Damit wird nämlich als Beginn der Geltung der neuen Regelung unvermeidlich ein Zeitpunkt vor deren Inkrafttreten, nämlich der Zeitpunkt des Eingangs der Anmeldung bei der Kommission, festgelegt. Ließe man zu, dass die Zulässigkeit am Maßstab der nach der Anmeldung in Kraft getretenen Regelung geprüft werden könnte, würde man die Kommission letztlich ermächtigen, nach Maßgabe des von ihr für diese Prüfung gewählten Zeitpunkts zu bestimmen, welche Rechtsvorschrift anwendbar ist, was nicht nur kaum mit Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 659/1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Art. [88 EG] zu vereinbaren wäre, der zwingend vorsieht, dass die Kommission eine Anmeldung „unmittelbar nach deren Eingang“ prüft, sondern auch nicht mit den Erfordernissen der Transparenz und Vorhersehbarkeit der Kriterien für die Prüfung der Zulässigkeit von Beihilfen durch die Kommission, die der Grund für die von ihr auf dem Gebiet der staatlichen Beihilfen veröffentlichten Texte sind.
Die Anwendung einer neuen Vorschrift über die Zulässigkeit staatlicher Beihilfen auf eine vor ihrem Inkrafttreten angemeldete Beihilfe ist daher nur dann zulässig, wenn sich aus dem Wortlaut, der Zielsetzung oder der Struktur der neuen Regelung ergibt, dass sie rückwirkend angewendet werden kann und ob das berechtigte Vertrauen der Betroffenen gebührend beachtet ist.
(vgl. Randnrn. 102, 107-108)
4. Die Verordnung Nr. 70/2001 der Kommission über die Anwendung der Art. 87 und 88 EG-Vertrag auf staatliche Beihilfen an kleine und mittlere Unternehmen konnte von der Kommission nicht angewendet werden, um die Vereinbarkeit eines vor ihrem Inkrafttreten angemeldeten Beihilfevorhabens mit dem Gemeinsamen Markt zu beurteilen. Nach ihrem Wortlaut ist eine solche Anwendung – weder ausdrücklich noch stillschweigend – nämlich durch nichts gerechtfertigt. Außerdem konnten die Mitgliedstaaten weder ihren endgültigen Inhalt noch das Datum ihres Inkrafttretens vorhersehen. Im Übrigen widerspräche eine solche Anwendung der Vorhersehbarkeit, die dadurch gewährleistet werden soll, dass die Kommission Texte betreffend die Kriterien, die sie bei der Prüfung der Zulässigkeit von Beihilfen anzuwenden beabsichtigt, veröffentlicht. Schließlich könnte eine Anwendung dieser Verordnung auf bereits angemeldete Beihilfen, wobei – wenn es um Beihilfen geht, die unter Missachtung der Anmeldepflicht durchgeführt wurden – die Prüfung anhand der Vorschriften erfolgt, die zum Zeitpunkt der Beihilfegewährung galten, den Mitgliedstaaten einen Anreiz bieten, sich über die Anmeldepflicht hinwegzusetzen, da sie dabei keine größeren Unannehmlichkeiten und Strafen hinzunehmen hätten als im Fall der Anmeldung.
(vgl. Randnrn. 112, 116-117, 119-120)
5. Die Möglichkeit, gegen den Beschluss der Kommission, hinsichtlich eines staatlichen Beihilfevorhabens ein förmliches Prüfverfahren einzuleiten, eine Nichtigkeitsklage zu erheben, kann nicht zu einer Schmälerung der Verfahrensrechte der Betroffenen führen und sie daran hindern, die Nichtigerklärung der abschließenden Entscheidung zu beantragen und zur Begründung der Klage Mängel geltend zu machen, die alle Abschnitte des mit dieser Entscheidung abgeschlossenen Verfahrens betreffen. Der Beschluss über die Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens hat nämlich, auch wenn er eigene und eigenständige Rechtswirkungen entfaltet, Vorbereitungscharakter gegenüber der abschließenden Entscheidung, die den Standpunkt der Kommission endgültig festlegt und in der diese die Bewertungen, die sie im Einleitungsbeschluss getroffen hat, nicht ändern kann.
(vgl. Randnr. 127)
6. Für die Vollständigkeit der Anmeldung eines staatlichen Beihilfevorhabens in der Vorprüfungsphase reicht es aus, wenn sie von Anfang an oder nach Beantwortung der Fragen der Kommission durch den Mitgliedstaat die Informationen enthält, die diese benötigt, um sich eine erste Meinung über die Vereinbarkeit der angemeldeten Maßnahme mit dem Gemeinsamen Markt zu bilden und, wenn insoweit Bedenken bestehen, die Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens zu beschließen.
(vgl. Randnrn. 133, 139)
URTEIL DES GERICHTS (Fünfte erweiterte Kammer)
3. Mai 2007(*)
„Staatliche Beihilfen – Von den Behörden des Landes Sachsen gewährte Beihilfen – Beihilferegelung für kleine und mittlere Unternehmen – Beschleunigtes Genehmigungsverfahren – Zeitliche Geltung des Gemeinschaftsrahmens und der Verordnung über die Freistellung der Beihilfen zugunsten kleiner und mittlerer Unternehmen – Vor dem Inkrafttreten der Freistellungsverordnung angemeldetes Beihilfevorhaben – Berechtigtes Vertrauen – Rechtssicherheit – Vollständige Anmeldung“
In der Rechtssache T‑357/02
Freistaat Sachsen, Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt T. Lübbig,
Kläger,
gegen
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch V. Kreuschitz und J. Flett als Bevollmächtigte,
Beklagte,
wegen Nichtigerklärung des Art. 2 Abs. 2 sowie der Art. 3 und 4 der Entscheidung 2003/226/EG der Kommission vom 24. September 2002 über eine beabsichtigte Beihilferegelung Deutschlands „Richtlinien zur Mittelstandsförderung – Verbesserung der unternehmerischen Leistungsfähigkeit in Sachsen“ – Teilprogramme 1 (Coaching), 4 (Teilnahme an Messen), 5 (Kooperation) und 7 (Produktdesignförderung) (ABl. 2003, L 91, S. 13),
erlässt
DAS GERICHT ERSTER INSTANZ DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Fünfte erweiterte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten M. Vilaras, der Richterin E. Martins Ribeiro, der Richter F. Dehousse und D. Šváby sowie der Richterin K. Jürimäe,
Kanzler: C. Kristensen, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 21. März 2006
folgendes
Urteil
Rechtlicher Rahmen
1 Art 87 Abs. 1 EG sieht vor:
„(1) Soweit in diesem Vertrag nicht etwas anderes bestimmt ist, sind staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen gleich welcher Art, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen.“
2 Art. 87 Abs. 3 EG lautet:
„Als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar können angesehen werden:
a) Beihilfen zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung von Gebieten, in denen die Lebenshaltung außergewöhnlich niedrig ist oder eine erhebliche Unterbeschäftigung herrscht;
…
c) Beihilfen zur Förderung der Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige oder Wirtschaftsgebiete, soweit sie die Handelsbedingungen nicht in einer Weise verändern, die dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft;
…“
3 In der Mitteilung der Kommission vom 2. Juli 1992 über das beschleunigte Genehmigungsverfahren für Beihilferegelungen für KMU und von Änderungen bestehender Beihilferegelungen (ABl. C 213, S. 10, im Folgenden: Mitteilung über das beschleunigte Genehmigungsverfahren) heißt es:
„…
Die Kommission wird gegen gemäß Artikel [88] Absatz 3 [EG] angemeldete neue Beihilferegelungen und Änderungen bestehender Programme grundsätzlich keine Einwände erheben, sofern folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
1. neue Beihilferegelungen mit Ausnahme von Regelungen zugunsten von Unternehmen in den industriellen Sektoren, die besonderen gemeinschaftlichen Vorschriften unterliegen oder in der Landwirtschaft, der Fischerei oder den Sektoren Verkehr und Kohle begünstigen.
Die Regelungen müssen auf kleine und mittlere Unternehmen beschränkt sein …
Ferner müssen die Beihilferegelungen eines der folgenden Kriterien erfüllen:
…
Von diesem Verfahren ausgeschlossen sind Exportbeihilfen in andere Mitgliedstaaten sowie Betriebsbeihilfen;
2. Änderungen von bestehenden Beihilferegelungen, die von der Kommission in der Vergangenheit genehmigt wurden, abgesehen von spezifischen Fällen, in denen die Kommission ihre Genehmigung strikt auf die damals notifizierten Zeiträume, Mittelansätze und Modalitäten beschränkt hatte.
Die Änderung kann sich auf jede der folgenden Möglichkeiten beziehen:
– Verlängerung ihrer Geltungsdauer ohne Erhöhung der zugeteilten Mittel,
– Erhöhung der zugeteilten Mittel um bis zu 20 % der ursprünglich zugeteilten Mittel ohne Verlängerung der Geltungsdauer,
– Verlängerung der Geltungsdauer mit Erhöhung der zugeteilten Mittel um bis zu 20 % der ursprünglichen Mittel,
– Verschärfung der Kriterien zur Anwendung einer Regelung.
…
Die Kommission wird über Notifizierungen binnen 20 Arbeitstagen entscheiden.“
4 Die Leitlinien für staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung (ABl. 1998, C 74, S. 9, mit den im ABl. 2000, C 258, S. 5, angegebenen Änderungen, im Folgenden: Leitlinien für Beihilfen mit regionaler Zielsetzung) sehen unter Ziff. 2 („Anwendungsbereich“) vor, dass die Kommission sie für die Gewährung von Regionalbeihilfen in allen Wirtschaftsbereichen mit Ausnahme der Herstellung, Verarbeitung und Vermarktung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse des Anhangs II des EG-Vertrags, der Fischerei und des Kohlebergbaus anwendet.
5 Zu den Betriebsbeihilfen heißt es in den Leitlinien für Beihilfen mit regionaler Zielsetzung u. a.:
„4.15 Regionalbeihilfen, mit denen die laufenden Ausgaben des Unternehmens gesenkt werden sollen (Betriebsbeihilfen), sind grundsätzlich verboten.
Ausnahmsweise können jedoch derartige Beihilfen in Gebieten, die in den Anwendungsbereich des Artikels 87 Absatz 3 Buchstabe a [EG] fallen, gewährt werden, wenn sie aufgrund ihres Beitrags zur Regionalentwicklung und ihrer Art nach gerechtfertigt sind und ihre Höhe den auszugleichenden Nachteilen angemessen ist. Es obliegt den Mitgliedstaaten, die Existenz und den Umfang solcher Nachteile nachzuweisen. Diese Betriebsbeihilfen müssen zeitlich begrenzt und degressiv sein.
…
4.17 Betriebsbeihilfen, mit denen die Ausfuhren zwischen den Mitgliedstaaten gefördert werden sollen, werden ausgenommen.“
6 Die Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel [88 EG] (ABl. L 83, S. 1, im Folgenden: Verfahrensverordnung für staatliche Beihilfen) legt die Verfahren fest, die gelten, wenn die Kommission im Rahmen der ihr durch Art. 88 EG eingeräumten Zuständigkeit über die Vereinbarkeit staatlicher Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt entscheidet.
7 Art. 2 Abs. 2 der Verfahrensverordnung für staatliche Beihilfen über die Anmeldung neuer Beihilfen bestimmt:
„Der betreffende Mitgliedstaat übermittelt der Kommission in seiner Anmeldung alle sachdienlichen Auskünfte, damit diese eine Entscheidung nach den Artikeln 4 und 7 erlassen kann (nachstehend ‚vollständige Anmeldung‘ genannt).“
8 Art. 4 der Verfahrensverordnung für staatliche Beihilfen sieht vor, dass die Kommission die Anmeldung neuer Beihilfen unmittelbar nach deren Eingang prüft und nach einer vorläufigen Prüfung entweder eine Entscheidung mit der Feststellung erlässt, dass die angemeldete Maßnahme keine Beihilfe darstellt (Art. 4 Abs. 2 der Verfahrensverordnung für staatliche Beihilfen), oder eine Entscheidung mit der Feststellung, dass die angemeldete Maßnahme keinen Anlass zu Bedenken hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt gibt (Art. 4 Abs. 3 der Verfahrensverordnung für staatliche Beihilfen), oder eine Entscheidung über die Eröffnung des förmlichen Verfahrens zur Prüfung der angemeldeten Maßnahme (Art. 4 Abs. 4 der Verfahrensverordnung für staatliche Beihilfen). Diese Entscheidungen „werden innerhalb von zwei Monaten erlassen. Diese Frist beginnt am Tag nach dem Eingang der vollständigen Anmeldung. Die Anmeldung gilt als vollständig, wenn die Kommission innerhalb von zwei Monaten nach Eingang der Anmeldung oder nach Eingang der von ihr – gegebenenfalls – angeforderten zusätzlichen Informationen keine weiteren Informationen anfordert“ (Art. 4 Abs. 5 der Verfahrensverordnung für staatliche Beihilfen).
9 Art. 4 Abs. 6 der Verfahrensverordnung für staatliche Beihilfen lautet:
„Hat die Kommission innerhalb der in Absatz 5 [des Artikels 4 der Verfahrensverordnung für staatliche Beihilfen] genannten Frist keine Entscheidung nach den Absätzen 2, 3 oder 4 [des Artikels 4 der Verfahrensverordnung für staatliche Beihilfen] erlassen, so gilt die Beihilfe als von der Kommission genehmigt. Der betreffende Mitgliedstaat kann daraufhin die betreffenden Maßnahmen durchführen, nachdem er die Kommission hiervon in Kenntnis gesetzt hat, es sei denn, dass diese innerhalb einer Frist von 15 Arbeitstagen nach Erhalt der Benachrichtigung eine Entscheidung nach diesem Artikel erlässt.“
10 Art. 5 Abs. 3 der Verfahrensverordnung für staatliche Beihilfen bestimmt:
„Die Anmeldung gilt als zurückgezogen, wenn die angeforderten Auskünfte nicht innerhalb der festgesetzten Frist vorgelegt werden, es sei denn, dass entweder diese Frist mit Zustimmung der Kommission und des betreffenden Mitgliedstaats vor ihrem Ablauf verlängert worden ist oder dass der betreffende Mitgliedstaat der Kommission vor Ablauf der festgesetzten Frist in einer ordnungsgemäß begründeten Erklärung mitteilt, dass er die Anmeldung als vollständig betrachtet, weil die angeforderten ergänzenden Informationen nicht verfügbar oder bereits übermittelt worden sind. In diesem Fall beginnt die in Artikel 4 Absatz 5 genannte Frist am Tag nach dem Eingang der Erklärung …“
11 Nach Art. 1 Nr. 1 Buchst. a Ziff. i der Verordnung (EG) Nr. 994/98 des Rates vom 7. Mai 1998 über die Anwendung der Artikel [87] und [88] des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft auf bestimmte Gruppen horizontaler Beihilfen (ABl. L 142, S. 1, im Folgenden: Ermächtigungsverordnung) kann die Kommission gemäß Art. 87 EG Beihilfen an kleine und mittlere Unternehmen unter bestimmten Voraussetzungen für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklären und von der Anmeldungsverpflichtung nach Art. 88 Abs. 3 EG ausnehmen.
12 Die Verordnung (EG) Nr. 70/2001 der Kommission vom 12. Januar 2001 über die Anwendung der Artikel 87 und 88 EG-Vertrag auf staatliche Beihilfen an kleine und mittlere Unternehmen (ABl. L 10, S. 33, im Folgenden: KMU-Freistellungsverordnung) legt die Kriterien fest, denen Einzelbeihilfen und Beihilferegelungen zugunsten kleiner und mittlerer Unternehmen entsprechen müssen, um mit dem Gemeinsamen Markt im Sinne des Art. 87 Abs. 3 EG vereinbar zu sein, und nimmt diejenigen, die diese Kriterien erfüllen, von der Anmeldungsverpflichtung nach Art. 88 Abs. 3 EG aus.
13 Im vierten Erwägungsgrund dieser Verordnung heißt es jedoch:
„Die Möglichkeit der Mitgliedstaaten, Beihilfen an kleine und mittlere Unternehmen anzumelden, bleibt hiervon unberührt. Die angemeldeten Regelungen werden von der Kommission in erster Linie anhand der nachstehenden Kriterien geprüft. Der Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen an kleine und mittlere Unternehmen sollte mit dem Datum des Inkrafttretens dieser Verordnung abgeschafft werden, da sein Inhalt in diese Verordnung übernommen wurde.“
Sachverhalt
1. Verwaltungsverfahren
14 Im Rahmen der im Jahr 1992 erstmals erlassenen Richtlinien des Sächsischen Staatsministeriums für Wirtschaft und Arbeit zur Mittelstandsförderung zur Verbesserung der unternehmerischen Leistungsfähigkeit (im Folgenden: Richtlinien) gewährt der Freistaat Sachsen Angehörigen freier Berufe sowie kleinen und mittleren gewerblichen Unternehmen mit Sitz oder einer Betriebsstätte in Sachsen auf Antrag nicht rückzahlbare Zuschüsse für Projekte zur Wirtschaftsförderung. Die Richtlinien wurden erstmals mit Schreiben der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland vom 3. Juli 1992 bei der Kommission gemäß Art. 93 Abs. 3 EG-Vertrag (jetzt Art. 88 Abs. 3 EG) angemeldet. Mit Schreiben der Kommission vom 30. September 1992 wurden sie genehmigt.
15 Die Laufzeit der Richtlinien wurde wiederholt verlängert, wobei sie zugleich geändert und aktualisiert wurden. Diese Änderungen wurden jeweils am Ende der genehmigten Laufzeit gemäß der Mitteilung über das beschleunigte Genehmigungsverfahren angemeldet. Die aufeinanderfolgenden Anmeldungen vom 26. Februar 1996 und 6. Oktober 1998 wurden von der Kommission mit Schreiben vom 3. April 1996 und 12. November 1998 genehmigt. Die Laufzeit der am 6. Oktober 1998 angemeldeten und am 12. November 1998 genehmigten Beihilfe endete am 31. Dezember 2000 (Sächsisches Amtsblatt vom 8. April 1999, Nr. 14, S. 289).
16 Mit Schreiben vom 29. Dezember 2000, das am 3. Januar 2001 bei der Kommission einging, meldete die Bundesrepublik Deutschland gemäß Art. 88 Abs. 3 EG im Rahmen einer Neufassung der Richtlinien sechs Teilprogramme an. Diese Anmeldung bezweckte eine erneute Verlängerung der Laufzeit der Richtlinien um fünf Jahre vom 1. Januar 2001 bis 31. Dezember 2005. Sie erfolgte wie bei vorhergehenden Anmeldungen auf einem Formblatt der Kommission für das beschleunigte Verfahren.
17 Am 12. Januar 2001 erließ die Kommission die KMU-Feistellungsverordnung, die im Entwurfsstadium in dem nach Art. 7 der Ermächtigungsverordnung eingerichteten Beratenden Ausschuss für staatliche Beihilfen, der sich aus Vertretern der Mitgliedstaaten zusammensetzt, erörtert worden war. Die KMU-Feistellungsverordnung trat gemäß ihrem Art. 10 am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt in Kraft, d. h. am 2. Februar 2001 und damit zwei Tage nach Ablauf der in der Mitteilung über das beschleunigte Genehmigungsverfahren vorgesehenen Frist von 20 Arbeitstagen.
18 Mit Schreiben vom 5. Februar 2001 teilte die Kommission mit, dass sie die Beihilferegelung nicht im beschleunigten Genehmigungsverfahren genehmigen könne. Die Kommission forderte die Bundesrepublik Deutschland auf, ihr mitzuteilen, „ob die ‚Soft Aid‘-Fördertatbestände mit den Bedingungen der KMU-Freistellungsverordnung … vereinbar sind, bzw. ob der Förderumfang der vorliegenden Notifizierung nicht auf den der Freistellungsverordnung reduziert werden kann“. Sie wies darauf hin, dass, „[s]ollte dies nicht möglich sein, ... eine ausführliche Begründung erforderlich ist (wirtschaftspolitische Notwendigkeit und Vereinbarkeit)“.
19 Mit Schreiben vom 12. März 2001 gab die Bundesrepublik Deutschland eine Stellungnahme ab, in der sie ihre Rechtsauffassung zur Genehmigungsfähigkeit der Beihilferegelung darlegte. Mit Schreiben vom 13. März 2001 wandte sich die Bundesrepublik Deutschland erneut an die Kommission.
20 Mit Schreiben vom 1. Juni 2001 beteiligte sich das Sächsische Staatsministerium für Wirtschaft und Arbeit am Verfahren durch eine Stellungnahme gegenüber der Kommission zur Unterstützung der von der Bundesrepublik Deutschland im Anmeldeverfahren vorgetragenen Argumente.
21 Am 14. Juni 2001 fand in Berlin eine Besprechung zwischen Vertretern der Bundesrepublik Deutschland und der Kommission statt.
22 Durch eine auf Art. 9 Abs. 1 der KMU-Freistellungsverordnung gestützte Mitteilung vom 2. August 2001 setzte die Bundesrepublik Deutschland die Kommission von ihrem Beschluss in Kenntnis, die sechs Teilprogramme der angemeldeten Beihilferegelung bis zum 31. Dezember 2008 bzw. bis zum Zeitpunkt der Genehmigung des notifizierten Beihilfevorhabens durchzuführen, soweit sie mit den Bestimmungen der KMU-Freistellungsverordnung im Einklang stehen.
23 Am 5. September 2001 richtete die Kommission ein neuerliches Informationsersuchen an die Bundesrepublik Deutschland, um in Erfahrung zu bringen, ob diese die ursprüngliche Notifizierung aufrechterhalte. Mit Schreiben vom 9. Oktober 2001 bejahte die Bundesrepublik Deutschland diese Frage.
24 Mit Schreiben vom 16. November 2001 teilte die Kommission der Bundesrepublik Deutschland mit, dass die Maßnahme „Absatzgemeinschaften“, die Gegenstand des gesonderten Verfahrens CP 92/01 – Deutschland gewesen sei, als Bestandteil des vierten Teilprogramms mit dem Titel „Kooperation“ mit dem Verfahren (C 89/01) über die in Rede stehende Beihilferegelung verbunden worden sei.
25 Die Kommission setzte die Bundesrepublik Deutschland mit Schreiben vom 11. Dezember 2001 von ihrem Beschluss in Kenntnis, in Bezug auf die Teilprogramme „Coaching“, „Teilnahme an Messen“, „Kooperation“ und „Produktdesignförderung“ (im Folgenden: in Rede stehende Beihilferegelung) das Verfahren nach Art. 88 Abs. 2 EG einzuleiten (im Folgenden: Beschluss über die Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens). Gegen die Teilprogramme „Außenwirtschaftsberatung“ und „Umweltmanagement“ erhob die Kommission hingegen keine Einwände.
26 Im Beschluss über die Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens erinnerte die Kommission die Bundesrepublik Deutschland an die Sperrwirkung des Art. 88 Abs. 3 EG und bekräftigte, dass Einzelbeihilfen, die alle Voraussetzungen der KMU-Freistellungsverordnung erfüllten, gemäß Art. 3 Abs. 1 dieser Verordnung als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar angesehen würden.
27 Die Bundesrepublik Deutschland äußerte sich mit Schreiben vom 21. Januar 2002 zur Einleitung des Verfahrens. Danach fanden am 19. Februar 2002 in Brüssel und am 10. Juni 2002 in Berlin zwei weitere Besprechungen zwischen Vertretern der Bundesrepublik Deutschland und der Kommission statt.
28 Der Beschluss über die Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens wurde am 7. Februar 2002 im Amtsblatt veröffentlicht (ABl. C 34, S. 2). Die Kommission forderte alle Beteiligten zur Stellungnahme zu der in Rede stehenden Beihilferegelung auf. Es ging keine Äußerung bei ihr ein.
2. Die angefochtene Entscheidung
29 Am 24. September 2002 erließ die Kommission die Entscheidung 2003/226/EG über eine beabsichtigte Beihilferegelung Deutschlands „Richtlinien zur Mittelstandsförderung – Verbesserung der unternehmerischen Leistungsfähigkeit in Sachsen“ – Teilprogramme 1 (Coaching), 4 (Teilnahme an Messen), 5 (Kooperation) und 7 (Produktdesignförderung) (ABl. 2003, L 91, S. 13, im Folgenden: angefochtene Entscheidung).
30 Der verfügende Teil der angefochtenen Entscheidung hat folgenden Wortlaut:
„Artikel 1
Die vier Teilprogramme ‚Coaching‘, ‚Teilnahme an Messen‘, ‚Kooperation‘ und ‚Produktdesignförderung‘ der Richtlinien zur Mittelstandsförderung – Verbesserung der unternehmerischen Leistungsfähigkeit … stellen staatliche Beihilfen im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 [EG] dar.
Artikel 2
Soweit die in Artikel 1 genannten vier Teilprogramme nicht über den Anwendungsbereich und die Beihilfeintensitäten der Verordnung … Nr. 70/2001 hinausgehen, können sie nach Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe c [EG] als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar angesehen werden.
Soweit die vier Teilprogramme Beihilfen vorsehen, die über den Anwendungsbereich und die Beihilfeintensitäten der Verordnung … Nr. 70/2001 hinausgehen, sind sie mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar.
Artikel 3
Soweit das in Artikel 1 genannte Teilprogramm ‚Kooperation‘ Betriebsbeihilfen vorsieht, ist es mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar.
Artikel 4
Deutschland darf die in Artikel 1 genannten vier Teilprogramme erst durchführen, wenn es sie in Einklang mit dieser Entscheidung gebracht hat.
Artikel 5
Deutschland teilt der Kommission innerhalb von zwei Monaten nach der Bekanntgabe dieser Entscheidung die Maßnahmen mit, die ergriffen wurden, um der Entscheidung nachzukommen.
Artikel 6
Diese Entscheidung ist an die Bundesrepublik Deutschland gerichtet.“
Verfahren und Anträge der Parteien
31 Mit Klageschrift, die am 4. Dezember 2002 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben.
32 Das Gericht (Fünfte erweiterte Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die Parteien im Rahmen prozessleitender Maßnahmen zur schriftlichen Beantwortung von Fragen und zur Vorlage von Schriftstücken aufzufordern sowie die mündliche Verhandlung zu eröffnen. Die Parteien sind der Aufforderung des Gerichts in der gesetzten Frist nachgekommen.
33 Die Parteien haben in der Sitzung vom 21. März 2006 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.
34 Der Kläger beantragt,
– Art. 2 Abs. 2 und die Art. 3 und 4 der angefochtenen Entscheidung für nichtig zu erklären;
– der Kommission die Kosten aufzuerlegen.
35 Die Kommission beantragt,
– die Klage als unbegründet abzuweisen;
– dem Kläger die Kosten aufzuerlegen.
Zur Begründetheit
36 Der Kläger stützt seine Klage auf fünf Klagegründe. Mit dem ersten rügt er die formelle Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung, weil die Kommission bei der in Rede stehenden Beihilferegelung nicht das beschleunigte Genehmigungsverfahren angewandt hat. Mit dem zweiten Klagegrund macht er die materielle Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung geltend, da er die KMU-Freistellungsverordnung im vorliegenden Fall für nicht anwendbar hält. Mit dem dritten Klagegrund beruft er sich darauf, dass die in Rede stehende Beihilferegelung nach dem Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen an kleine und mittlere Unternehmen (ABl. 1996, C 213, S. 4, im Folgenden: KMU-Gemeinschaftsrahmen von 1996) genehmigt werden könne. Mit dem vierten Klagegrund bemängelt er, dass die Kommission bei der Beurteilung der in Rede stehenden Beihilferegelung nicht von ihrem Ermessen Gebrauch gemacht habe und dadurch gegen die Begründungspflicht verstoßen habe. Mit dem fünften Klagegrund rügt er, dass die Kommission nicht dargelegt habe, dass der Wettbewerb durch die in Rede stehende Beihilferegelung tatsächlich oder potenziell verfälscht worden sei, und sich daraus ein Verstoß gegen die Begründungspflicht ergebe.
1. Zum Klagegrund der formellen Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung, weil die Kommission nicht das beschleunigte Genehmigungsverfahren angewandt hat
Vorbringen der Parteien
37 Der Kläger trägt erstens vor, dass die Bundesrepublik Deutschland die Beihilferegelung im Einklang mit der Mitteilung über das beschleunigte Genehmigungsverfahren angemeldet habe und dass die Kommission, anstatt ihrer Verpflichtung zur Entscheidung binnen 20 Arbeitstagen nachzukommen, vor ihrer Entscheidung das Inkrafttreten der KMU-Freistellungsverordnung abgewartet habe.
38 Auf das Vorbringen der Kommission, die Mitteilung über das beschleunigte Verfahren aus dem Jahr 1992 sei nicht bindend, da sie nicht im Einklang mit den Bestimmungen der Verfahrensverordnung für staatliche Beihilfen erlassen worden sei, erwidert der Kläger, dass diese Verordnung sieben Jahre nach dem Erlass der erwähnten Mitteilung in Kraft getreten sei und dass die Mitteilung daher nicht an dieser Verordnung gemessen werden könne. Obwohl die Verfahrensverordnung für staatliche Beihilfen nach der Mitteilung über das beschleunigte Genehmigungsverfahren erlassen worden sei und keine Regelung dazu enthalte, habe die Kommission in ihrer Praxis nach dem Inkrafttreten dieser Verordnung regelmäßig auf dieses Verfahren zurückgegriffen.
39 Der Kläger beanstandet zweitens die Schlussfolgerung der Kommission in der angefochtenen Entscheidung, wonach das beschleunigte Verfahren deshalb nicht anwendbar gewesen sei, weil es sich bei der in Rede stehenden Beihilferegelung nicht um eine „bestehende Regelung“ gehandelt habe. Nr. 2 der Mitteilung über das beschleunigte Genehmigungsverfahren sehe u. a. vor, dass dieses Verfahren bei Änderungen bestehender, von der Kommission genehmigter Beihilferegelungen anwendbar sei, wenn sich die Änderung auf die „Verlängerung der Geltungsdauer mit Erhöhung der zugeteilten Mittel um bis zu 20 % der ursprünglichen Mittel“ bzw. die „Verschärfung der Kriterien zur Anwendung einer Regelung“ beziehe.
40 Es seien aber nicht nur die Voraussetzungen für die Anwendung der in Rede stehenden Beihilferegelung gegenüber den Vorgängermaßnahmen verschärft worden, sondern die Kommission habe die Richtlinien bereits zweimal genehmigt. Das beschleunigte Genehmigungsverfahren entfalle nicht schon bei jeder noch so geringen inhaltlichen Änderung der Beihilferegelung, die über eine reine Verlängerung und Mittelaufstockung hinausgehe, wie die Kommission dies bisher auch anerkannt habe, als sie die Richtlinien zur Verlängerung der ursprünglich 1992 notifizierten Richtlinien in den Jahren 1996 und 1998 jeweils in diesem Verfahren genehmigt habe. Schon aufgrund dieses Umstands hätte die Kommission die Durchführung des beschleunigten Genehmigungsverfahrens wegen des Verbots, sich zum Nachteil eines anderen widersprüchlich zu verhalten, nicht verweigern dürfen.
41 Drittens hätte die Kommission, selbst wenn die in Rede stehende Beihilferegelung als neue Regelung anzusehen sei, diese im beschleunigten Genehmigungsverfahren prüfen und binnen 20 Tagen entscheiden müssen, da diese Frist sowohl für bestehende Regelungen als auch für neue Maßnahmen gelte. Anders, als die Kommission meine, enthalte die in Rede stehende Beihilferegelung keine Exportbeihilfen.
42 Viertens hätte die Kommission selbst dann, wenn die in Rede stehende Regelung tatsächlich Exportbeihilfen enthalten hätte, allenfalls diesen entsprechenden Teilaspekt der Regelung außerhalb des beschleunigten Genehmigungsverfahrens prüfen dürfen, während die übrige Regelung, die nach einer ersten Beurteilung als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar angesehen worden sei, nach diesem Verfahren hätte geprüft und genehmigt werden müssen.
43 Die Kommission trägt zunächst vor, dass die Mitteilung über das beschleunigte Genehmigungsverfahren keinen Anspruch auf eine Entscheidung binnen 20 Arbeitstagen einräume. Diese Frist sei nur bei positiven Entscheidungen in gewissen einfachen Fällen anwendbar, in denen die verlangten Voraussetzungen erfüllt seien.
44 Ferner könne die Einhaltung der Mitteilung über das beschleunigte Genehmigungsverfahren nicht Gegenstand einer Klage sein, da sie vor dem Inkrafttreten der Verfahrensverordnung für staatliche Beihilfen erlassen worden sei, in der die Frage der geltenden Fristen abschließend geregelt worden sei. Der Gegenstand, auf den der Antrag auf Anwendung des beschleunigten Verfahrens gerichtet sei, sei durch die Verfahrensverordnung für staatliche Beihilfen weggefallen, da deren Art. 4 eine Regelung über Fristen enthalte und die Weitergeltung dieses Verfahrens nicht anordne. Nach dem Grundsatz aber, wonach eine spätere, gleichrangige oder übergeordnete Vorschrift entgegenstehende, denselben Sachverhalt regelnde oder denselben Gegenstand betreffende frühere Rechtsvorschriften aufhebe bzw. beseitige, sei das beschleunigte Genehmigungsverfahren „obsolet“ geworden und könne daher nicht mehr verbindlich sein. Auch wenn die Kommission nicht mehr geltende oder „obsolet“ gewordene Leitlinien oder andere Mitteilungen de facto weiterhin respektiere, könne sie nicht mehr an diese gebunden sein.
45 Schließlich tritt die Kommission dem Vorbringen des Klägers entgegen, wonach die in Rede stehende Beihilferegelung die Voraussetzungen in der Mitteilung über das beschleunigte Genehmigungsverfahren für eine Genehmigung nach diesem Verfahren erfülle.
Würdigung durch das Gericht
46 Die Mitteilung über das beschleunigte Genehmigungsverfahren sieht in ihrem ersten und in ihrem letzten Absatz vor, dass die Kommission gegen gemäß Art. 88 Abs. 3 EG angemeldete neue Beihilferegelungen und Änderungen bestehender Programme grundsätzlich keine Einwände erheben wird, sofern bestimmte in dieser Mitteilung festgelegte Voraussetzungen erfüllt sind, und über Notifizierungen binnen 20 Arbeitstagen entscheiden wird.
47 In Randnr. 54 der angefochtenen Entscheidung hat die Kommission angegeben, dass die in Rede stehende Beihilferegelung entgegen dem Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland nicht im beschleunigten Genehmigungsverfahren zu beurteilen sei, da im vorliegenden Fall die verfahrensrechtlichen Bestimmungen der Verfahrensverordnung für staatliche Beihilfen anwendbar seien.
48 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission mit dem Hinweis, dass die Vorschriften der Verfahrensverordnung für staatliche Beihilfen und nicht die der Mitteilung über das beschleunigte Genehmigungsverfahren anwendbar seien, stillschweigend diese Mitteilung als seit dem Inkrafttreten der Verfahrensverordnung für staatliche Beihilfen gegenstandslos ansieht. Dieser Standpunkt kommt in ihren Schriftsätzen zum Ausdruck, in denen sie u. a. ausführt, diese Mitteilung sei wegen ihrer Unvereinbarkeit mit der Verfahrensverordnung für staatliche Beihilfen „obsolet“ geworden, denn Art. 4 dieser Verordnung enthalte eine Regelung über Fristen und sehe die Weitergeltung des beschleunigten Genehmigungsverfahrens nicht vor.
49 Im Weiteren bemüht sich die Kommission in Randnr. 54 Nr. 1 der angefochtenen Entscheidung jedoch nicht um den Nachweis, dass die Mitteilung über das beschleunigte Genehmigungsverfahren „obsolet“ geworden sei, sondern versucht darzutun, dass diese nicht anwendbar sei, da die dort vorgesehenen Voraussetzungen im vorliegenden Fall nicht erfüllt seien.
50 Schließlich ist der Akte zu entnehmen, dass die Kommission die Behauptung des Klägers nicht bestreitet, wonach sie nach dem Inkrafttreten der Verfahrensverordnung für staatliche Beihilfen weiterhin auf das beschleunigte Verfahren zurückgegriffen habe, sondern sich auf den Hinweis beschränkt, sie sei an nicht mehr geltende Mitteilungen oder Leitlinien selbst dann nicht gebunden, wenn sie diese de facto weiterhin respektiere.
51 Erstens ist zur Frage, ob der Erlass der Verfahrensverordnung für staatliche Beihilfen die Mitteilung über das beschleunigte Genehmigungsverfahren hat „obsolet“ werden lassen, festzustellen, dass abgesehen davon, dass diese Verordnung keinen entsprechenden Hinweis enthält, erst am 30. April 2004, d. h. fünf Jahre nach ihrem Inkrafttreten, eine Mitteilung zu überholten Dokumenten über staatliche Beihilfen (ABl. 2004, L 115, S. 1, im Folgenden: Mitteilung zu überholten Dokumenten) im Amtsblatt veröffentlicht wurde, die unter diesen Dokumenten auch die Mitteilung über das beschleunigte Genehmigungsverfahren nennt. In Abs. 3 dieser Mitteilung heißt es nämlich, dass die Kommission „nach Veröffentlichung dieser Mitteilung im Amtsblatt der Europäischen Union nicht mehr beabsichtigt, sich auf die nachstehenden Dokumente unabhängig von ihrem rechtlichen Status zu stützen: … 13. [Mitteilung über das beschleunigte Genehmigungsverfahren]“.
52 Auch heißt es in Abs. 2 der Mitteilung zu überholten Dokumenten, dass seit dem Erlass der auf der Grundlage von Art. 27 der Verfahrensverordnung für staatliche Beihilfen angenommenen Verordnung (EG) Nr. 794/2000 der Kommission vom 21. April 2004 zur Durchführung der Verordnung Nr. 659/1999 (ABl. L 140, S. 1, im Folgenden: Durchführungsverordnung zur Verfahrensverordnung für staatliche Beihilfen) eine Reihe von Texten zu verfahrensrechtlichen Fragen auf dem Gebiet der staatlichen Beihilfen „einschließlich der beschleunigten Anmeldungen“ überholt seien. Somit ist die Mitteilung über das beschleunigte Genehmigungsverfahren nach der Begründung der Mitteilung zu überholten Dokumenten nur durch den Erlass der Durchführungsverordnung zur Verfahrensverordnung für staatliche Beihilfen und erst seit diesem Zeitpunkt „obsolet“ geworden. Dies erklärt sich daraus, dass die Durchführungsverordnung in Art. 4 für bestimmte Änderungen bestehender Beihilfen ein vereinfachtes Anmeldeverfahren einführt, das im Wesentlichen die Kriterien übernimmt, die in Nr. 2 der Mitteilung über das beschleunigte Genehmigungsverfahren vorgesehen waren (Erhöhung der Mittelansätze für die bereits genehmigte Beihilferegelung um 20 %, Verlängerung dieser Regelung mit oder ohne Erhöhung der Mittel und Verschärfung der Kriterien zur Anwendung der bereits genehmigten Beihilferegelung), und das auch eine kürzere Frist vorsieht, als sie in Art. 4 der Verfahrensverordnung für staatliche Beihilfen vorgesehen ist, in diesem Fall einen Monat, innerhalb dessen die Kommission sich im Rahmen dieses Verfahrens um eine Entscheidung bemüht.
53 Im Übrigen lässt sich entgegen den schriftsätzlichen Ausführungen der Kommission nicht feststellen, dass die Verfahrensverordnung für staatliche Beihilfen, die im Einklang mit dem Urteil des Gerichtshofs vom 11. Dezember 1973, Lorenz (120/73, Slg. 1973, 1471, Randnr. 4) bei Beihilfen, die im Rahmen des generell geltenden gewöhnlichen Anmeldeverfahrens notifiziert wurden, eine äußerste Frist von zwei Monaten für die Vorprüfungsphase vorsieht, und die Mitteilung über das beschleunigte Genehmigungsverfahren, die nur im Rahmen eines vereinfachten Anmeldeverfahrens für spezifische Fälle eine Frist von 20 Tagen vorsieht, miteinander unvereinbar sind.
54 Daraus folgt, dass die Mitteilung über das beschleunigte Genehmigungsverfahren erst seit dem 30. April 2004, dem Tag der Veröffentlichung der Mitteilung zu überholten Dokumenten und der Durchführungsverordnung zur Verfahrensverordnung für staatliche Beihilfen, keine Anwendung mehr findet.
55 Somit ist zweitens zu prüfen, ob die Kommission in Randnr. 54 der angefochtenen Entscheidung zu Recht die Ansicht vertreten konnte, dass die Mitteilung über das beschleunigte Genehmigungsverfahren im vorliegenden Fall nicht anwendbar gewesen sei, da die streitige Beihilferegelung weder eine neue Regelung noch die Änderung einer bestehenden Regelung im Sinne dieser Mitteilung gewesen sei.
56 Erstens ist, wie das Gericht bereits festgestellt hat, dem Wortlaut des zweiten und des letzten Absatzes der Mitteilung über das beschleunigte Genehmigungsverfahren zu entnehmen, dass sich die Kommission auch für den Fall, dass eine beabsichtigte Beihilferegelung alle Voraussetzungen für die Eröffnung der Frist von 20 Arbeitstagen erfüllt, nur „grundsätzlich“ verpflichtet hat, nach Ablauf dieser Frist keine Einwände zu erheben, womit ihre Befugnis, über diese Regelung zu „entscheiden“, in vollem Umfang erhalten bleibt, sie also über die Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens entscheiden und am Ende dieses Verfahrens eine endgültige positive, eine mit Bedingungen verbundene oder eine negative Entscheidung erlassen kann (Urteil des Gerichts vom 15. Juni 2005, Regione autonoma della Sardegna/Kommission, T‑171/02, Slg. 2005, II‑2123, Randnr. 34).
57 Zweitens sind die Kriterien, die die angemeldeten Beihilferegelungen erfüllen müssen, damit die Kommission binnen einer Frist von 20 Arbeitstagen grundsätzlich keine Einwände gegen sie erhebt, eng auszulegen, da das beschleunigte Genehmigungsverfahren gegenüber dem gewöhnlichen Verfahren zur Prüfung von Anmeldungen Ausnahmecharakter hat.
58 Auch ist daran zu erinnern, dass nach Nr. 2 der erwähnten Mitteilung die Änderung einer bestehenden Beihilfe im Rahmen des beschleunigten Genehmigungsverfahrens sich auf eine Verlängerung ihrer Geltungsdauer ohne Erhöhung der zugeteilten Mittel, auf eine Erhöhung der zugeteilten Mittel um bis zu 20 % der ursprünglich zugeteilten Mittel ohne Verlängerung der Geltungsdauer, auf eine Verlängerung der Geltungsdauer mit Erhöhung der zugeteilten Mittel um bis zu 20 % der ursprünglichen Mittel oder aber auf eine Verschärfung der Kriterien zur Anwendung einer Regelung beziehen kann. Folglich schließt jede andere Änderung einer bestehenden Beihilferegelung, insbesondere soweit sie zu einer Erleichterung der Voraussetzungen für die Gewährung von Beihilfen oder zur Verstärkung der Intensität der Beihilfen führt, eine Anmeldung im beschleunigten Genehmigungsverfahren aus.
59 Im vorliegenden Fall wurde die in Rede stehende Beihilferegelung am 29. Dezember 2000 nach Art. 88 Abs. 3 EG im beschleunigten Genehmigungsverfahren als „Änderung und Verlängerung“ einer zuvor genehmigten Beihilferegelung angemeldet, die noch in Kraft war, deren Laufzeit jedoch am 31. Dezember 2000 endete. Es steht daher fest, dass die Bundesrepublik Deutschland das beschleunigte Genehmigungsverfahren in Anspruch nehmen wollte.
60 Zum einen wurde jedoch im Teilprogramm „Coaching“, speziell für Jungunternehmen, der Höchstbetrag der täglichen Beihilfe als absoluter Betrag auf 500 Euro erhöht, während er bei der zuvor genehmigten Regelung bei 800 DM (409,03 Euro) gelegen hatte.
61 Zum anderen wurde bei den Teilprogrammen „Teilnahme an Messen“, „Kooperation“ und „Produktdesignförderung“, insbesondere bei bestimmten spezifischen Vorhaben wie denjenigen in Gebieten, die als „Gebiete… mit besonderen Entwicklungsaufgaben“ definiert waren, die in der in Rede stehenden Beihilferegelung vorgesehene höchstzulässige Beihilfeintensität gegenüber derjenigen erhöht, die bei der zuvor genehmigten Beihilferegelung galt.
62 So wurde beim Teilprogramm „Teilnahme an Messen“ der Beihilfehöchstsatz von 50 % in der zuvor genehmigten Beihilferegelung in der in Rede stehenden Beihilferegelung für Kleinunternehmen in Gebieten mit besonderen Entwicklungsaufgaben auf 60 % angehoben.
63 Obwohl beim Teilprogramm „Kooperation“ die höchstzulässige Beihilfeintensität allgemein von 70 % auf 65 % gesenkt wurde, wurde der Beihilfehöchstsatz, der für die Finanzierung von Machbarkeitsstudien und Projekten, die im Rahmen der Gemeinschaftsinitiative Interreg III unter Beteiligung von mindestens fünf kleinen und mittleren Unternehmen durchgeführt werden, sowie für Projekte kleiner Unternehmen gewährt werden konnte, auf 80 % angehoben.
64 Beim Teilprogramm „Produktdesignförderung“ schließlich wurde der Beihilfehöchstsatz von 50 % in der zuvor genehmigten Beihilferegelung für kleine Unternehmen mit Sitz in Gebieten mit besonderen Entwicklungsaufgaben in der in Rede stehenden Beihilferegelung auf 70 % angehoben.
65 Demnach gingen die Änderungen der bestehenden Beihilferegelung über diejenigen hinaus, die für eine Anmeldung im beschleunigten Genehmigungsverfahren zulässig sind. Jedes Teilprogramm der in Rede stehenden Beihilferegelung zeichnet sich nämlich zumindest hinsichtlich bestimmter Empfänger durch eine Erhöhung des möglichen Beihilfehöchstsatzes aus. Wie jedoch der Randnr. 58 des vorliegenden Urteils zu entnehmen ist, lässt die Mitteilung über das beschleunigte Genehmigungsverfahren dieses Verfahren nur dann zu, wenn die fraglichen Änderungen eine Verlängerung der Beihilferegelung, eine Erhöhung, mit oder ohne Verlängerung, des betreffenden Gesamtbudgets um bis zu 20 % oder aber eine Verschärfung der Kriterien zur Anwendung einer Regelung umfassen. Im vorliegenden Fall sind die Änderungen insbesondere durch die Erhöhung der Intensität des Beihilfesatzes daher von diesem Verfahren ausgeschlossen, da sie eine Abmilderung der in Rede stehenden Beihilferegelung darstellen.
66 Zum Vorbringen des Klägers, die Kommission hätte die Beihilferegelung selbst dann im Rahmen des beschleunigten Verfahrens prüfen müssen, wenn sie als eine neue Regelung anzusehen wäre, ist festzustellen, dass die im Teilprogramm „Kooperation“ enthaltene Beihilfemaßnahme die Bildung von Absatzgemeinschaften zur gemeinsamen Erschließung ausländischer Märkte durch mindestens drei kleine und mittlere Unternehmen betrifft. In Nr. 1 letzter Absatz der Mitteilung über das beschleunigte Genehmigungsverfahren heißt es jedoch: „Von diesem Verfahren ausgeschlossen sind Exportbeihilfen in andere Mitgliedstaaten sowie Betriebsbeihilfen.“
67 Somit konnte die Kommission zu Recht entsprechend ihrer Feststellung in Randnr. 54 Nr. 1 der angefochtenen Entscheidung davon ausgehen, dass die in Rede stehende Regelung eine Ausfuhrbeihilfe im innergemeinschaftlichen Handel vorgesehen habe und, da sie aus diesem Grund nicht als eine neue Beihilferegelung habe behandelt werden können, nicht im beschleunigten Verfahren habe genehmigt werden können.
68 Hinzu kommt, dass die Kommission selbst dann, wenn eine gründliche Prüfung ergäbe, dass die fragliche Maßnahme keine „Ausfuhrbeihilfe im innergemeinschaftlichen Handel“ darstellte, gleichwohl berechtigt gewesen wäre, das beschleunigte Genehmigungsverfahren nicht anzuwenden, da auf den ersten Blick insoweit Zweifel bestehen konnten. Wie die Kommission in ihren Schriftsätzen ausführt, soll dieses Verfahren nämlich die beschleunigte Genehmigung von Beihilferegelungen ermöglichen, bei denen kein Zweifel an ihrer Vereinbarkeit mit den geltenden Vorschriften über staatliche Beihilfen bestehen und die daher auf den ersten Blick positiv beurteilt werden können. Dies gilt umso mehr, als die Kommission, wie oben in Randnr. 56 ausgeführt wurde, sich nur „grundsätzlich“ verpflichtet, nach Ablauf der Frist von 20 Arbeitstagen keine Einwände zu erheben.
69 Das Vorbringen des Klägers, die Kommission hätte, wenn sie der Ansicht sei, die angemeldete Beihilferegelung umfasse Ausfuhrbeihilfen, die betreffenden Maßnahmen von der übrigen Beihilferegelung abtrennen und diese nach dem beschleunigten Verfahren genehmigen können, ist zurückzuweisen. In der Mitteilung über das beschleunigte Genehmigungsverfahren ist nämlich nicht nur die Möglichkeit der Erteilung einer solchen Teilgenehmigung nicht vorgesehen, sondern aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich auch, dass wegen der Art der Änderungen die für die Anwendung des beschleunigten Genehmigungsverfahrens erforderlichen Voraussetzungen nicht erfüllt waren.
70 Daher ist die Kommission in Randnr. 54 der angefochtenen Entscheidung zu Recht davon ausgegangen, dass die in Rede stehendene Beihilferegelung nicht im beschleunigten Genehmigungsverfahren angemeldet werden konnte, weil sie weder eine neue Regelung noch die Änderung einer bestehenden Regelung im Sinne dieser Mitteilung war.
71 Der erste Klagegrund ist daher zurückzuweisen.
2. Zum Klagegrund der materiellen Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung aufgrund der Nichtanwendbarkeit der KMU‑Freistellungsverordnung
Vorbringen der Parteien
72 Der Kläger trägt erstens vor, die angefochtene Entscheidung sei rechtswidrig, weil die Kommission die in Rede stehende Beihilferegelung nach dem Recht hätte beurteilen müssen, das zu dem Zeitpunkt gegolten habe, zu dem die Anmeldung bei der Kommission eingegangen sei, d. h. anhand des KMU-Gemeinschaftsrahmens von 1996, der am 3. Januar 2001 gegolten habe, und nicht anhand der KMU-Freistellungsverordnung, die am 2. Februar 2001 in Kraft getreten sei. Der angefochtenen Entscheidung fehle daher die Rechtsgrundlage, was als Rechtfertigung für ihre Nichtigerklärung ausreiche. Im Übrigen laufe die Rechtsauffassung der Kommission in Randnr. 55 der angefochtenen Entscheidung, die auf das Fehlen von Übergangsmaßnahmen und auf die Abschaffung des KMU-Gemeinschaftsrahmens von 1996 zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der KMU-Freistellungsverordnung gestützt sei, auf eine Auswechslung des Prüfungsmaßstabs und im vorliegenden Fall auf dessen Verschärfung im laufenden Verfahren hinaus, was unzulässig sei.
73 Die Rechtsprechung, die die Kommission dafür herangezogen habe, dass sie die KMU-Freistellungsverordnung habe anwenden müssen, weil eine neue Vorschrift unmittelbar für die künftigen Auswirkungen eines Sachverhalts gelte, der unter der Geltung der alten Vorschrift entstanden sei (Urteil des Gerichtshofs vom 29. Januar 2002, Pokrzeptowicz-Meyer, C‑162/00, Slg. 2002, I‑1049, Randnrn. 49 bis 55), sei nicht einschlägig. Es gehe im vorliegenden Fall nicht um die Wirkungen bestimmter Maßnahmen in die Zukunft, sondern um den innerhalb eines klar umrissenen Zeitraums anwendbaren Prüfungsmaßstab. Die Kommission könne sich daher nicht darauf berufen, dass die Beihilfemaßnahme in die Zeit nach dem Inkrafttreten der KMU-Freistellungsverordnung hineinwirke, was im vorliegenden Fall auch für alle anderen bestehenden und genehmigten Beihilfen charakteristisch sei.
74 Zweitens entspreche der Grundsatz, dass auf eine Beihilferegelung das zum Zeitpunkt der Anmeldung geltende Recht Anwendung finde, der geltenden Entscheidungspraxis der Kommission, die diesen Maßstab selbst heranziehe, wie aus Ziff. 6.1 der Leitlinien für Beihilfen mit regionaler Zielsetzung, aus den Randnrn. 98 und 100 der Leitlinien der Gemeinschaft für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten (ABl. 1999, C 288, S. 2), aus Punkt 2.6 des Gemeinschaftsrahmens für staatliche Beihilfen in der KFZ-Industrie (ABl. 1997, C 279, S. 1) sowie aus den Randnrn. 39 ff. des multisektoralen Regionalbeihilferahmens für große Investitionsvorhaben (ABl. 2002, C 70, S. 8) hervorgehe.
75 Sie könne daher den genannten Grundsatz nicht stillschweigend im Wege einer Einzelfallentscheidung verändern, wie der Gerichtshof im Urteil vom 24. März 1993, CIRFS u. a./Kommission (C‑313/90, Slg. 1993, I‑1125, Randnr. 44) unmissverständlich klargestellt habe. Nichts anderes habe die Kommission jedoch im vorliegenden Fall getan, indem sie auch von der Rechtsprechung abgewichen sei, wonach sie an ihre Verwaltungspraxis rechtlich gebunden sei (Urteil CIRFS u. a./Kommission, Randnrn. 34 und 36, und Urteil des Gerichts vom 12. Dezember 1996, AIUFFASS und AKT/Kommission, T‑380/94, Slg. 1996, II‑2169, Randnr. 57); dies bedeute, dass die angefochtene Entscheidung anhand der Regeln zu überprüfen sei, die sich das Organ selbst gesetzt habe (Urteil des Gerichts vom 5. November 1997, Ducros/Kommission, T‑149/95, Slg. 1997, II‑2031, Randnr. 61). Damit könne die Kommission gegen den Grundsatz, dass Beihilfen am Maßstab der zum Zeitpunkt der Anmeldung geltenden Kriterien zu prüfen seien, auch nicht einwenden, dass die oben in Randnr. 74 angeführten Beispiele Fälle beträfen, in denen der Gesetzgeber ausdrücklich eine von dieser Rechtsprechungsregel abweichende Regelung getroffen habe. Abgesehen davon, dass die Kommission selbst der Gesetzgeber sei, könnte sie sich mit dieser Argumentation jeder Bindung an ihre Entscheidungspraxis entziehen.
76 Auch das Vorbringen der Kommission, sie sei zur Anwendung der KMU-Freistellungsverordnung verpflichtet gewesen, weil sie verschiedene, vor dem Inkrafttreten dieser Verordnung angemeldete Beihilferegelungen anhand dieser Verordnung geprüft habe, sei unerheblich, zumal es sich um Fälle handele, die im Wesentlichen Ausbildungs- und Investitionsbeihilfen betroffen hätten. Außerdem hätten die Beihilfen, die die Mitgliedstaaten vor dem Inkrafttreten der KMU-Freistellungsverordnung angemeldet hätten und die mit dieser in Einklang gestanden hätten, offensichtlich auch nach dieser Vorschrift genehmigt werden können.
77 Zudem sei es den Mitgliedstaaten nur bei der Prüfung einer Beihilferegelung anhand des zum Zeitpunkt der Anmeldung geltenden Rechts möglich, die Frage der Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt zuverlässig einzuschätzen. Das Vorgehen der Kommission verpflichte die Mitgliedstaaten hingegen dazu, sich bei der Gestaltung einer Beihilfemaßnahme an dem ungewissen künftigen Gang der Rechtsentwicklung zu orientieren, was gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes verstoße. Für die Mitgliedstaaten sei im Voraus nicht erkennbar, wann und mit welchem Inhalt Verordnungen, Leitlinien oder Gemeinschaftsrahmen, die noch diskutiert würden, in Kraft träten. Die Aufforderung zu einer Stellungnahme zum Entwurf der KMU-Freistellungsverordnung sei fast zwei Jahre vor deren Inkrafttreten veröffentlicht worden, was zeige, dass sich daraus nicht der Zeitpunkt des Inkrafttretens der neuen Verordnung oder gar das Inkrafttreten selbst habe erkennen lassen.
78 Drittens führe der von der Kommission verfolgte Ansatz zu sinnwidrigen Ergebnissen. So sei die Kommission nach ständiger Rechtsprechung nur dann befugt, die Rückforderung einer unter Verstoß gegen das Vollzugsverbot umgesetzten Beihilfemaßnahme zu verlangen, wenn diese Maßnahme zudem auch materiell mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar sei (Urteil des Gerichtshofs vom 14. Februar 1990, Frankreich/Kommission, C‑301/87, Slg. 1990, I‑307, Randnrn. 20 ff.). Die Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt sei zum Zeitpunkt der formell rechtswidrigen Umsetzung der Maßnahme zu beurteilen, was die Kommission im Übrigen in Randnr. 82 des Gemeinschaftsrahmens für staatliche Umweltschutzbeihilfen (ABl. 2001, C 37, S. 3, im Folgenden: Gemeinschaftsrahmen für staatliche Umweltschutzbeihilfen) ausdrücklich niedergelegt habe. Der Kläger schließt daraus, dass der KMU-Gemeinschaftsrahmen von 1996 Anwendung gefunden hätte, wenn er die in Rede stehende Beihilferegelung umgesetzt hätte, statt sie im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht bei der Kommission anzumelden. Er habe daher die Regelung deshalb nicht umsetzen können, weil er sich rechtstreu verhalten habe.
79 Viertens macht der Kläger geltend, die ursprüngliche Anmeldung sei vollständig gewesen. Die Kommission könne die Anwendbarkeit der KMU-Freistellungsverordnung nicht damit begründen, dass die von ihr erbetenen Informationen erst nach dem Inkrafttreten dieser Verordnung eingegangen seien, da eine Anmeldung nicht allein deshalb als unvollständig angesehen werden könne, weil die Kommission zusätzliche Informationen anfordere. Die Frage der Vollständigkeit einer Anmeldung sei keineswegs in das Belieben der Kommission gestellt, denn anderenfalls könnte diese willkürlich und unbegrenzt die Prüfungsfrist verlängern.
80 Der Kläger verweist darauf, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs eine Anmeldung dann vollständig sei, wenn sie von Anfang an oder nach Beantwortung der Fragen der Kommission durch den Mitgliedstaat die Informationen enthalte, die die Kommission benötige, um sich eine erste Meinung über die Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem EG-Vertrag zu bilden (Urteile des Gerichtshofs Lorenz, oben in Randnr. 53 angeführt, und vom 15. Februar 2001, Österreich/Kommission, C‑99/98, Slg. 2001, I‑1101, Randnrn. 54 und 56). Ein Mitgliedstaat könne die Vollständigkeit einer Anmeldung auch dann geltend machen, wenn er sich dafür entscheide, die Beihilfe nicht gemäß Art. 4 Abs. 6 und Art. 5 Abs. 3 der Verfahrensverordnung für staatliche Beihilfen unter Berufung auf die ursprüngliche Vollständigkeit der Anmeldung durchzuführen. Insoweit sei es nicht möglich, die Zusammenarbeit eines Mitgliedstaats mit der Kommission in einem Vorprüfungsverfahren als Verzicht auf spätere Einwendungen auszulegen.
81 Die Bitte der Kommission in ihrem Schreiben vom 5. Februar 2001 an die deutschen Behörden um eine Beurteilung der Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt und um eine Stellungnahme zu der Frage, ob die in Rede stehende Beihilferegelung nicht durch eine Änderung an die erst drei Tage zuvor in Kraft getretene KMU-Freistellungsverordnung angepasst werden könne, zeige, dass die Kommission sich bereits ein erstes Urteil über die in Rede stehende Beihilferegelung gebildet gehabt habe, was in Widerspruch zu der Behauptung stehe, dass sie ohne die erbetenen Informationen nicht in der Lage gewesen sei, die Anmeldung zu prüfen. Die Kommission könne sich auch nicht darauf berufen, dass bestimmte Aspekte des Teilprogramms „Kooperation“ in der Anmeldung nicht ausdrücklich dargelegt worden seien und erst im Rahmen des mit dem vorliegenden Notifizierungsverfahren verbundenen Verfahrens CP 92/01 hätten erfragt werden müssen (vgl. oben, Randnr. 24). Diese Fragen hätten lediglich einen Nebenaspekt der Anmeldung betroffen, so dass die Antwort auf diese Fragen für die Meinungsbildung der Kommission nicht erforderlich gewesen sei.
82 Die Vorgehensweise der Kommission im vorliegenden Fall habe daher den Grundsätzen widersprochen, auf denen ihre Verwaltungspraxis beruhe. Nachdem sie zunächst die 20-tägige Prüfungsfrist des beschleunigten Genehmigungsverfahrens bewusst habe verstreichen lassen und das Inkrafttreten der KMU-Freistellungsverordnung abgewartet habe, habe sie mit ihrer an die Bundesrepublik Deutschland gerichteten Anfrage den Eindruck zu erwecken versucht, dass die Anmeldung unvollständig sei. Ein solches Vorgehen verstoße gegen die in Art. 4 Abs. 1 der Verfahrensverordnung für staatliche Beihilfen niedergelegte Rechtspflicht, Anmeldungen „unmittelbar nach deren Eingang“ zu prüfen.
83 Die Kommission trägt zunächst vor, die Freistellungsverordnungen erfüllten eine doppelte Funktion, nämlich zum einen, bestimmte Beihilfen von der Anmeldepflicht und dem Verfahren der Genehmigung durch die Kommission freizustellen, und zum anderen, die alten Leitlinien oder Gemeinschaftsrahmen zu ersetzen. Sie träten zu einem von der Kommission gewählten Zeitpunkt in Kraft, seien in der Regel fünf Jahre anwendbar und sähen vor, dass nach Ablauf der Geltungsdauer der Verordnung die danach freigestellten Beihilferegelungen noch während einer Anpassungsfrist von sechs Monaten freigestellt blieben.
84 Zum Vorbringen des Klägers in Bezug auf die zeitliche Anwendung von Rechtsvorschriften verweist die Kommission erstens auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs, wonach die unmittelbare Anwendbarkeit einer materiell-rechtlichen Vorschrift auf die künftigen Auswirkungen eines Sachverhalts, der unter der Geltung der alten Vorschrift entstanden sei, einen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts darstelle, der ausnahmslos gelte (Urteile des Gerichtshofs vom 10. Juli 1986, Licata/WSA, 270/84, Slg. 1986, 2305, Randnr. 31, vom 2. Oktober 1997, Saldanha und MTS, C‑122/96, Slg. 1997, I‑5325, Randnrn. 12 bis 14, und Pokrzeptowicz-Meyer, oben in Randnr. 73 angeführt, Randnrn. 49 bis 55). Die Kommission sei folglich verpflichtet gewesen, im vorliegenden Fall die KMU-Freistellungsverordnung anzuwenden, weil die Maßnahmen zwar während der Geltung der alten Vorschriften angemeldet worden seien, aber ihre künftigen Auswirkungen während der Geltungsdauer der KMU-Freistellungsverordnung zu beurteilen gewesen seien.
85 Zweitens beträfen die vom Kläger für die bisherige Entscheidungspraxis der Kommission herangezogenen Beispiele (vgl. oben, Randnr. 74) sämtliche Fälle, in denen der Gesetzgeber ausdrücklich die Anwendbarkeit des zum Zeitpunkt der Anmeldung geltenden Rechts vorgesehen habe (Urteil Saldanha und MTS, oben in Randnr. 84 angeführt, Randnr. 14), während die KMU-Freistellungsverordnung keine Bestimmung hierzu enthalte. Im Übrigen hätte das Argument, die Kommission könne von ihrer Praxis nicht abweichen, die absurde Konsequenz, einer bestimmten Praxis höheren Stellenwert einzuräumen als einer verbindlichen und ordentlich veröffentlichten Rechtsvorschrift, was auf eine völlige Negation der Normsetzungsgewalt der Kommission hinausliefe.
86 Die in Rede stehende, bewusst knapp vor dem Auslaufen des KMU-Gemeinschaftsrahmens von 1996 angemeldete Beihilferegelung habe aber nicht der neuen Politik der Kommission für Beihilfen an kleine und mittlere Unternehmen entsprochen. Die Kommission verweist im Übrigen auf die Kohärenz ihrer Genehmigungspraxis, für die sie zahlreiche Beispiele anführt, in denen vor dem Inkrafttreten der KMU-Freistellungsverordnung angemeldete Beihilfen im Licht dieser Verordnung geprüft wurden. Ergänzend bemerkt sie, die in Rede stehende Beihilferegelung wäre im Fall einer auf den KMU-Gemeinschaftsrahmen von 1996 gestützten Genehmigung während der ganzen Geltungsdauer der KMU-Freistellungsverordnung in Kraft geblieben.
87 Drittens führt die Kommission zum Vorbringen des Klägers, es wäre für ihn vorteilhafter gewesen, die Richtlinien ohne Anmeldung durchzuführen, aus, dass sie in diesem Fall das förmliche Prüfverfahren hätte einleiten und das zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung geltende Recht, nämlich die KMU-Freistellungsverordnung, zumindest für die Zeit nach deren Inkrafttreten, mit dem bekannten Ergebnis hätte anwenden müssen. Der Hinweis des Klägers auf den Gemeinschaftsrahmen für Umweltschutzbeihilfen sei völlig irrelevant, da sich die angeführte Bestimmung dieses Gemeinschaftsrahmens auf nicht angemeldete Beihilfen beziehe, während im vorliegenden Fall die Beihilferegelung angemeldet worden sei, und die Kommission sich mit dem Gemeinschaftsrahmen für Umweltschutzbeihilfen nicht für den Anwendungsbereich der KMU-Freistellungsverordnung binden könne.
88 Viertens trägt die Kommission zu der Behauptung des Klägers, die Anmeldung sei vollständig gewesen, vor, dass die angeforderten Informationen notwendig gewesen seien und es nicht richtig sei, dass von der Bundesrepublik Deutschland keine neuen Tatsachen vorgetragen worden seien. Sie habe nämlich in der dem Schreiben vom 12. März 2001 beigefügten Mitteilung die Beihilfeintensitäten für den Teil „Intensivberatung/Coaching“ angegeben, über die in der Anmeldung keine Angaben zu finden seien. Darüber hinaus seien die „Gebiete mit besonderen Entwicklungsaufgaben“ erst in der genannten Mitteilung näher erläutert worden. Im Übrigen hätten das erwähnte Schreiben und seine später, am 20. März 2001, übersandten Anlagen viele neue Sach- und Hintergrundinformationen enthalten.
89 Der Kläger verkenne daher den Inhalt von Art. 4 Abs. 6 und von Art. 5 Abs. 3 der Verfahrensverordnung für staatliche Beihilfen, die von der Rechtsprechung abwichen, die auf das Urteil Lorenz (oben in Randnr. 53 angeführt, Randnr. 4), vgl. auch Urteil Österreich/Kommission (oben in Randnr. 80 angeführt, Randnr. 29) und Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs zu diesem Urteil (Slg. 2001, I‑1105, Nrn. 24 bis 28), zurückgehe. Den genannten Bestimmungen sei nämlich zu entnehmen, dass die Nichtbeachtung der in Art. 4 der Verfahrensordnung für staatliche Beihilfen vorgesehenen Fristen nicht schlechthin verboten sei, auch wenn die Fristüberschreitung aus der Sicht der Kommission zu schwerwiegenden Folgen führen könne.
90 Außerdem müsse ein Mitgliedstaat nach bestem Wissen und Gewissen mit der Kommission zusammenarbeiten, behalte dabei aber die Möglichkeit, im Fall einer Pflichtverletzung der Kommission sofort seine Rechte wahrzunehmen. Im vorliegenden Fall hätte die Bundesrepublik Deutschland der Kommission in einer ordnungsgemäß begründeten Erklärung mitteilen müssen, dass sie die Anmeldung gemäß Art. 5 Abs. 3 der Verfahrensverordnung für staatliche Beihilfen für vollständig halte. Dann hätte der Freistaat Sachsen die angemeldeten Maßnahmen gemäß Art. 4 Abs. 6 der Verfahrensverordnung für staatliche Beihilfen durchführen können, nachdem er die Kommission hiervon in Kenntnis gesetzt hätte und diese binnen einer Frist von 15 Arbeitstagen nicht reagiert hätte.
91 Da die Bundesrepublik Deutschland diese ihr von der Verfahrensordnung für staatliche Beihilfen gebotene Möglichkeit nicht genutzt habe, habe sie dadurch auf den damit zusammenhängenden Rechtsschutz verzichtet. Jedenfalls hätten die Bundesrepublik Deutschland und der Freistaat Sachsen gegen die Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens keine Einwendungen erhoben und somit die Rechtmäßigkeit dieses Verfahrens und die Notwendigkeit zusätzlicher Informationen anerkannt (Urteile des Gerichtshofs Österreich/Kommission, oben in Randnr. 80 angeführt, und vom 18. Juni 2002, Spanien/Kommission, C‑398/00, Slg. 2002, I‑5643).
92 Angesichts der Bestimmungen der Verfahrensverordnung für staatliche Beihilfen sei es im Übrigen unerheblich, ob die mit Schreiben vom 5. Februar 2001 angeforderten Informationen tatsächlich notwendig gewesen seien. Selbst wenn diese Frage vom Gericht verneint werden sollte, könnte dies nicht zur Nichtigkeit der angefochtenen Entscheidung führen, denn die Bundesrepublik Deutschland habe die Möglichkeit gehabt, sich gegen die Einleitung bzw. Fortführung des förmlichen Prüfverfahrens zu wehren. Der Kläger könne nicht im Nachhinein, nach Durchführung des förmlichen Prüfverfahrens und nach Erlass der Entscheidung, Bedenken geltend machen, die er in einem früheren Stadium der Untersuchung hätte geltend machen müssen. Aus diesem Grund sei der auf die Vollständigkeit der ursprünglichen Anmeldung gestützte Vorwurf unzulässig.
Würdigung durch das Gericht
93 Es ist zu entscheiden, ob – wie der Kläger vorträgt – die Kommission die in Rede stehende Beihilferegelung am Maßstab des zum Zeitpunkt der Anmeldung geltenden KMU-Gemeinschaftsrahmens von 1996 hätte prüfen müssen oder ob die Kommission berechtigt war, diese Regelung, wie sie es getan hat, am Maßstab der nach dem Zeitpunkt der Anmeldung in Kraft getretenen KMU-Freistellungsverordnung zu prüfen, soweit die künftigen Wirkungen der angemeldeten Maßnahmen während deren Gültigkeitsdauer zu beurteilen waren. Zu diesem Zweck ist festzustellen, ob diese Verordnung auf zum Zeitpunkt ihres Inkrafttretens anhängige Anmeldungen angewendet werden konnte.
Zur Anwendbarkeit der KMU-Freistellungsverordnung auf zum Zeitpunkt ihres Inkrafttretens anhängige Anmeldungen
94 Nach ständiger Rechtsprechung ist bei Verfahrensvorschriften im Allgemeinen davon auszugehen, dass sie auch auf vor ihrem Inkrafttreten entstandene Rechtsverhältnisse anwendbar sind (Urteil des Gerichtshofs vom 12. November 1981, Salumi u. a., 212/80 bis 217/80, Slg. 1981, 2735, Randnr. 9, und Urteil des Gerichts vom 28. Januar 2004, OPTUC/Kommission, T‑142/01 und T‑283/01, Slg. 2004, II‑329, Randnr. 60), was bei materiell-rechtlichen Vorschriften dagegen nicht gilt. Nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung sind nämlich die Vorschriften des materiellen Gemeinschaftsrechts im Interesse der Beachtung der Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes so auszulegen, dass sie für vor ihrem Inkrafttreten abgeschlossene Sachverhalte nur gelten, soweit aus ihrem Wortlaut, ihrer Zielsetzung oder ihrem Aufbau eindeutig hervorgeht, dass ihnen eine solche Wirkung beizumessen ist (Urteile des Gerichtshofs Salumi u. a., Randnr. 9, vom 10. Februar 1982, Bout, 21/81, Slg. 1982, 381, Randnr. 13, vom 15. Juli 1993, GruSa Fleisch, C‑34/92, Slg. 1993, I‑4147, Randnr. 22, und vom 24. September 2002, Falck und Acciaierie di Bolzano/Kommission, C‑74/00 P und C‑75/00 P, Slg. 2002, I‑7869, Randnr. 119, Urteile des Gerichts vom 19. Februar 1998, Eyckeler & Malt/Kommission, T‑42/96, Slg. 1998, II‑401, Randnr. 55, und vom 28. Januar 2004, Euroagri/Kommission, T‑180/01, Slg. 2004, II‑369, Randnr. 36).
95 Diesem Ansatz folgend hat der Gerichtshof ausgeführt, dass es der Grundsatz der Rechtssicherheit zwar im Allgemeinen verbietet, den Beginn der zeitlichen Geltung eines Rechtsakts der Gemeinschaft auf einen Zeitpunkt vor dessen Veröffentlichung zu legen, dies aber ausnahmsweise dann anders sein kann, wenn das zu erreichende Ziel es verlangt und das berechtigte Vertrauen der Betroffenen gebührend beachtet ist (Urteile des Gerichtshofs vom 25. Januar 1979, Racke, 98/78, Slg. 1979, 69, Randnr. 20, und Salumi u. a., oben in Randnr. 94 angeführt, Randnr. 10). Diese Rechtsprechung ist – wie der Gerichtshof klargestellt hat – auch auf den Fall übertragbar, dass die Rückwirkung in dem Rechtsakt selbst nicht ausdrücklich vorgesehen worden ist, sich aber aus seinem Inhalt ergibt (Urteile des Gerichtshofs vom 11. Juli 1991, Crispoltoni, C‑368/89, Slg. 1991, I‑3695, Randnr. 17, vom 29. April 2004, Gemeente Leusden und Holin Groep, C‑487/01 und C‑7/02, Slg. 2004, I‑5337, Randnr. 59, und vom 26. April 2005, Goed Wonen, C‑376/02, Slg. 2005, I‑3445, Randnr. 33).
96 Die Kommission hält diese Rechtsprechung im vorliegenden Fall jedoch für nicht anwendbar, da die unmittelbare Anwendung einer materiell-rechtlichen Vorschrift auf die künftigen Auswirkungen eines Sachverhalts, der unter der Geltung der alten Vorschrift entstanden sei, ein Grundsatz des Gemeinschaftsrechts sei, der ausnahmslos gelte.
97 Nach ständiger Rechtsprechung gilt nämlich eine neue Vorschrift unmittelbar für die künftigen Auswirkungen eines Sachverhalts, der unter der Geltung der alten Vorschrift entstanden ist (Urteile Licata/WSA, oben in Randnr. 84 angeführt, Randnr. 31, Saldanha und MTS, oben in Randnr. 84 angeführt, Randnr. 14, und Pokrzeptowicz-Meyer, oben in Randnr. 73 angeführt, Randnr. 50). Der Gerichtshof hat hierzu ausgeführt, dass der Anwendungsbereich des Grundsatzes des Vertrauensschutzes nicht so weit erstreckt werden darf, dass die Anwendung einer neuen Regelung schlechthin ausgeschlossen ist (Urteile des Gerichtshofs vom 20. September 1988, Spanien/Kommission, 203/86, Slg. 1988, 4536, Randnr. 19, vom 29. Juni 1999, Butterfly Music, C‑60/98, Slg. 1999, I‑3939, Randnr. 25, und Pokrzeptowicz-Meyer, oben in Randnr. 73 angeführt, Randnr. 55).
98 Der erwähnten Rechtsprechung ist zum einen zu entnehmen, dass Gemeinschaftsvorschriften keine Rückwirkung entfalten, wenn nicht aus ihrem Wortlaut oder ihrer Systematik deutlich wird, dass der Gesetzgeber ausnahmsweise eine solche Wirkung beabsichtigt hat, der verfolgte Zweck dies erfordert und das berechtigte Vertrauen der Betroffenen gebührend beachtet wird (vgl. die oben in den Randnrn. 94 und 95 angeführte Rechtsprechung). In diesem Fall stellt die rückwirkende Anwendung der neuen Regelung die Ausnahme dar. Zum anderen gilt das Gemeinschaftsrecht regelmäßig für die künftigen Wirkungen unter dem alten Recht entstandener Sachverhalte, es sei denn, die sofortige Geltung einer bestimmten Vorschrift würde gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes verstoßen (vgl. die oben in Randnr. 97 angeführte Rechtsprechung). In diesem Fall stellt die Nichtanwendung der neuen Regelung auf ein noch bestehendes Rechtsverhältnis die Ausnahme dar. Die Rechtsprechung zu diesem zweiten Fall bedeutet keineswegs eine rückwirkende Anwendung der Rechtsvorschrift, da die neue Regelung, um die es geht, vom Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an auf einen Vertrag (Urteile Saldanha und MTS, oben in Randnr. 84 angeführt, und Pokrzeptowicz-Meyer, oben in Randnr. 73 angeführt, Randnr. 52), ein Mandat (Urteil Licata/WSA, oben in Randnr. 84 angeführt, Randnr. 31) oder ein anderes Rechtsverhältnis (Urteil Butterfly Music, oben in Randnr. 97 angeführt) nur insoweit, als sie noch nicht beendet sind und weiterhin Wirkungen entfalten, d. h. nur für die Zukunft, angewandt wird.
99 Im Licht dieser Rechtsprechung ist erstens festzustellen, ob durch die Beurteilung der Vereinbarkeit der in Rede stehenden Beihilferegelung anhand der Kriterien, die durch die nach der Anmeldung dieser Regelung in Kraft getretene KMU-Freistellungsverordnung festgelegt worden sind, diese Verordnung rückwirkend angewandt worden ist oder ob es sich, wie die Kommission behauptet, lediglich um die sofortige Geltung einer neuen Regelung, im vorliegenden Fall der KMU-Freistellungsverordnung, für die künftigen Wirkungen eines Sachverhalts handelt, der zur Zeit der Geltung des KMU-Gemeinschaftsrahmens von 1996 entstanden war, zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Verordnung aber noch fortbestand.
100 Vor der abschließenden Entscheidung der Kommission, mit der die angemeldete Beihilfe genehmigt oder für unzulässig erklärt wird, ist die Situation, in der sich der Mitgliedstaat und der Empfänger der Beihilfe befinden, natürlich in dem Sinne noch offen und vorläufiger Art, als die Anmeldung keinen Anspruch auf die Genehmigung verleiht. Bei der Bestimmung der Kriterien, anhand derer die Zulässigkeit dieser Beihilfe zu beurteilen ist, ist jedoch in Anbetracht der bedeutenden Rolle der Anmeldung und ihrer Rechtswirkungen im Verfahren der Prüfung staatlicher Beihilfen dem Zeitpunkt dieser Anmeldung Rechnung zu tragen.
101 Nach Art. 4 Abs. 1 der Verfahrensverordnung für staatliche Beihilfen hat die Kommission eine Anmeldung nämlich „unmittelbar nach deren Eingang“, also am Maßstab der zu diesem Zeitpunkt geltenden Regelung, zu prüfen. Außerdem beginnt zu diesem Zeitpunkt die Zweimonatsfrist zu laufen, innerhalb deren das Vorprüfungsverfahren abgeschlossen sein muss und deren Überschreitung schwerwiegende Rechtsfolgen für die Kommission und den betroffenen Mitgliedstaat nach sich ziehen kann, z. B. die Möglichkeit des Mitgliedstaats, die angemeldete Beihilfe durchzuführen und sie somit gemäß den Bestimmungen des Art. 4 Abs. 6 der Verfahrensverordnung für staatliche Beihilfen in eine bestehende Beihilfe umzuwandeln.
102 Die Anwendung der Kriterien, die durch eine nach der Anmeldung der fraglichen Beihilfe in Kraft getretene Regelung festgelegt worden sind, für die Beurteilung der Zulässigkeit dieser Beihilfe läuft daher zwangsläufig auf eine Rückwirkung dieser Regelung hinaus. Damit wird nämlich als Beginn der Geltung der neuen Regelung unvermeidlich ein Zeitpunkt vor deren Inkrafttreten, nämlich der Zeitpunkt des Eingangs der Anmeldung bei der Kommission, festgelegt. Ginge man davon aus, dass die Vereinbarkeit einer Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt am Maßstab der nach der Anmeldung der Beihilfe in Kraft getretenen Regelung geprüft werden könnte, würde man letztlich zulassen, dass die Kommission nach Maßgabe des von ihr für diese Prüfung gewählten Zeitpunkts bestimmen könnte, welche Rechtsvorschrift anwendbar ist. Ein solcher Standpunkt wäre aber nicht nur kaum mit Art. 4 Abs. 1 der Verfahrensverordnung für staatliche Beihilfen zu vereinbaren, der zwingend vorsieht, dass die Kommission eine Anmeldung „unmittelbar nach deren Eingang“ prüft, sondern auch nicht mit den Erfordernissen der Transparenz und Vorhersehbarkeit der Kriterien, anhand deren die Kommission die Zulässigkeit von Beihilfen prüft. Diese Erfordernisse sind, wie die Kommission im Verfahren selbst betont hat, der Grund für die von ihr auf dem Gebiet der staatlichen Beihilfen veröffentlichten Texte.
103 Eine Änderung der Kriterien für die Beurteilung der Zulässigkeit einer angemeldeten Beihilfe im Laufe des Verfahrens aufgrund des Inkrafttretens einer neuen Regelung kann somit nicht als Anwendung der Rechtsprechung angesehen werden, wonach die neue Vorschrift unmittelbar für die künftigen Wirkungen eines Sachverhalts gilt, der unter der Geltung der alten Vorschrift entstanden ist. Nach dieser Rechtsprechung gilt die neue Vorschrift nämlich nur für die Zukunft, während ihre Anwendung im Fall einer vor ihrem Inkrafttreten angemeldeten Beihilfe zur Rückwirkung dieser Vorschrift auf den Zeitpunkt der Anmeldung führt, da die Zulässigkeit im Rahmen einer einheitlichen Prüfung beurteilt wird, auch wenn die abschließende Entscheidung einen Rechtsakt bildet, der in mehreren Abschnitten ausgearbeitet worden ist.
104 Im Übrigen hat der Gerichtshof zu ohne vorherige Anmeldung gezahlten Beihilfen nach dem EGKS-Vertrag entschieden, dass die Anwendung der Vorschriften des Kodex, der zu dem Zeitpunkt gilt, zu dem die Kommission über die Zulässigkeit von Beihilfen entscheidet, die unter der Geltung eines vorangegangenen Kodex ausgezahlt wurden, eine rückwirkende Anwendung von Gemeinschaftsvorschriften bedeutet (Urteil Falck und Acciaierie di Bolzano/Kommission, oben in Randnr. 94 angeführt, Randnr. 118). Er hat ausgeführt, dass keine zum Zeitpunkt des Erlasses der Kommissionsentscheidung geltende Bestimmung des Kodex seine rückwirkende Geltung vorgesehen hat und dass sich aus der Systematik und den Zwecken der nacheinander erlassenen Beihilfenkodexe außerdem schließen lässt, dass sie jeweils nach Maßgabe der Bedürfnisse erlassen wurden, die in einem bestimmten späteren Zeitraum als dem der Auszahlung der Beihilfen bestanden (Urteil Falck und Acciaierie di Bolzano/Kommission, oben in Randnr. 94 angeführt, Randnr. 120).
105 Ebenso hat das Gericht bei Beihilfen, die ordnungsgemäß vor dem Inkrafttreten einer neuen Regelung angemeldet wurden, die Auffassung vertreten, dass die Kommission eine Beihilferegelung zu Recht im Licht der sich aus ihrer früheren Praxis ergebenden Regeln und nicht der in der Zwischenzeit in Kraft getretenen neuen Regelung geprüft hatte, da diese neue Regelung nur für Beihilfen galt, die nach einem bestimmten, nach dem für die streitigen Beihilfen maßgebenden Zeitraum liegenden Zeitpunkt in Kraft getreten oder in Kraft geblieben waren (Urteil des Gerichts vom 27. November 2003, Regione Siciliana/Kommission, T‑190/00, Slg. 2003, II‑5015, Randnrn. 94 bis 96).
106 Umgekehrt hat das Gericht wegen der Regelung in Randnr. 82 des nach der Anmeldung der betreffenden Beihilfe in Kraft getretenen neuen Rahmens auf dem Gebiet des Umweltschutzes, wonach die Kommission dessen Vorschriften „auf alle angemeldeten Beihilfevorhaben [anwendet], über die sie nach der Veröffentlichung des Gemeinschaftsrahmens im Amtsblatt zu entscheiden hat, auch wenn diese Vorhaben vor der Veröffentlichung angemeldet wurden“, die Auffassung vertreten, dass die Kommission zu Recht diesen letztgenannten Rahmen und nicht denjenigen angewandt hat, der zum Zeitpunkt der Anmeldung gegolten hat (Urteil des Gerichts vom 18. November 2004, Ferriere Nord/Kommission, T‑176/01, Slg. 2004, II‑3931, Randnr. 137).
107 Die erwähnten Urteile bestätigen, dass die Anwendung von Kriterien einer Regelung, die nach dem Zeitpunkt der Auszahlung oder Anmeldung der in Rede stehenden Beihilfen in Kraft getreten ist, für die Beurteilung der Vereinbarkeit der Regelung mit dem Gemeinsamen Markt auf eine Rückwirkung dieser Regelung hinausläuft. Nach der oben in den Randnrn. 94 und 95 angeführten Rechtsprechung ist eine solche Anwendung nur dann zulässig, wenn sich aus dem Wortlaut, der Zielsetzung oder der Struktur der neuen Regelung, um die es geht, ergibt, dass sie rückwirkend angewendet werden können.
108 Angesichts dieses Ergebnisses ist somit zweitens zu prüfen, ob die KMU-Freistellungsverordnung rückwirkend angewendet werden konnte. Dazu ist nicht nur auf ihren Wortlaut, sondern auch auf ihren Inhalt und insbesondere auf das von ihr verfolgte Ziel abzustellen sowie gegebenenfalls zu prüfen, ob das berechtigte Vertrauen der Betroffenen gebührend beachtet ist.
109 Im vorliegenden Fall ist erstens festzustellen, dass die KMU-Freistellungsverordnung keine Übergangsvorschrift bezüglich ihrer eventuellen Anwendung auf vor ihrem Inkrafttreten angemeldete Beihilferegelungen enthält.
110 Entgegen dem Vorbringen der Kommission kann das Fehlen von Übergangsvorschriften nicht dahin ausgelegt werden, dass die KMU-Freistellungsverordnung auf Anmeldungen anwendbar war, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verordnung noch geprüft wurden. Auch wenn die Prüfung einer Beihilferegelung am Maßstab der zur Zeit der Anmeldung geltenden Rechtsvorschriften in den Bestimmungen einer Reihe von Texten ausdrücklich vorgesehen ist, wie z. B. in Ziff. 6.1 der Leitlinien für staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung, in den Randnrn. 98 und 100 der Leitlinien der Gemeinschaft für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten, in Punkt 2.6 des Gemeinschaftsrahmens für staatliche Beihilfen in der KFZ-Industrie, in den Randnrn. 39 und 40 des multisektoralen Regionalbeihilferahmens für große Investitionsvorhaben sowie in Art. 9a der Freistellungsverordnung in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 364/2004 der Kommission vom 25. Februar 2004 zur Änderung der [KMU-Freistellungsverordnung] im Hinblick auf die Erstreckung ihres Anwendungsbereichs auf Forschungs- und Entwicklungsbeihilfen (ABl. L 63, S. 22), bedeutet dies nämlich keineswegs, dass die zum Zeitpunkt der Anmeldung geltende Regelung nur dann Anwendung findet, wenn in der späteren Regelung ausdrücklich entsprechende Bestimmungen vorgesehen sind.
111 Zum einen hat die Kommission in andere Texte Bestimmungen aufgenommen, die ausdrücklich die Anwendbarkeit neuer Kriterien auf vor deren Inkrafttreten angemeldete Beihilfen vorsehen, wie z. B. die Bestimmungen in Randnr. 82 des Gemeinschaftsrahmens für staatliche Umweltschutzbeihilfen und in Art. 11 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 2204/2002 der Kommission vom 12. Dezember 2002 über die Anwendung der Artikel 87 und 88 EG-Vertrag auf Beschäftigungsbeihilfen (ABl. L 337, S. 3). Zum anderen hindert zwar nichts die Kommission daran, in Texten, die die Kriterien festlegen, die sie bei der Prüfung der Zulässigkeit einer Beihilfe oder Beihilferegelung anwenden möchte, speziell die zeitliche Geltung der Bestimmungen zur Festlegung dieser Kriterien zu regeln, doch kann diese Möglichkeit nicht den sich aus der oben in den Randnrn. 94 und 95 angeführten Rechtsprechung ergebenden Grundsatz in Frage stellen, wonach ohne eine solche Regelung die Bestimmungen zur Festlegung der neuen Kriterien nicht auf vor dem Inkrafttreten dieser Bestimmungen angemeldete Beihilfen angewendet werden können.
112 Zweitens enthält die KMU-Freistellungsverordnung keinen Anhaltspunkt – und sei es auch nur implizit – dafür, dass sie rückwirkend angewendet werden kann.
113 Die KMU-Freistellungsverordnung dient nämlich zum einen der Durchführung der Ermächtigungsverordnung, indem sie für die Gruppe der Beihilfen an kleine und mittlere Unternehmen die Voraussetzungen festlegt, die diese Beihilfen erfüllen müssen, damit die Mitgliedstaaten von der Verpflichtung zu deren Anmeldung befreit sind; ihr Ziel ist dabei insbesondere, die Verwaltung zu vereinfachen, ohne die Kontrolle zu schwächen, und die Transparenz und die Rechtssicherheit zu erhöhen. Es versteht sich von selbst, dass die KMU-Freistellungsverordnung angesichts dessen, insbesondere wegen ihres Zwecks, den Mitgliedstaaten die Möglichkeit zu geben, selbst zu prüfen, ob ein Beihilfevorhaben mit den durch diese Verordnung festgelegten Kriterien vereinbar und daher nicht nach Art. 88 Abs. 3 EG anmeldepflichtig ist, nur für die Zukunft angewendet werden kann und sich daher nicht dazu eignet, auf bereits erfolgte Anmeldungen angewendet zu werden.
114 Zum anderen hat die Kommission dargelegt, dass die Freistellungsverordnung auch das Ziel habe, die durch den KMU-Gemeinschaftsrahmen von 1996 festgelegten Kriterien zu ersetzen, wie aus dem Wortlaut ihres vierten Erwägungsgrundes hervorgehe, in dem es heißt, dass dieser Rahmen „mit dem Datum des Inkrafttretens dieser Verordnung abgeschafft werden [sollte], da sein Inhalt in diese Verordnung übernommen wurde“. Zur Frage, ob die neuen Kriterien für anhängige Anmeldungen gelten, ist jedoch darauf hinzuweisen, dass im selben Erwägungsgrund ausgeführt wird, dass „[d]ie Möglichkeit der Mitgliedstaaten, Beihilfen an kleine und mittlere Unternehmen anzumelden, … hiervon unberührt [bleibt]“ und dass in diesem Fall „[d]ie angemeldeten Regelungen … von der Kommission in erster Linie anhand der nachstehenden Kriterien geprüft [werden]“. Da die Mitgliedstaaten nach dem Wortlaut des genannten Erwägungsgrundes die Möglichkeit behalten, Beihilfen anzumelden, die unter die von der KMU-Freistellungsverordnung erfasste Gruppe fallen, kann er sich daher nur auf – ausnahmsweise – nach dem Inkrafttreten dieser Verordnung erfolgte Anmeldungen beziehen.
115 Zwar könnte die in dem genannten vierten Erwägungsgrund erwähnte Übernahme des KMU-Gemeinschaftsrahmens von 1996 in die KMU-Freistellungsverordnung implizit ein Hinweis darauf sein, dass die Kommission auch hinsichtlich der angemeldeten Beihilfen eine strengere Politik im Bereich der staatliche Beihilfen an kleine und mittlere Unternehmen verfolgen wollte. Jedoch kann nicht allein schon deswegen der Schluss gezogen werden, dass die KMU-Freistellungsverordnung rückwirkend angewendet werden könne, zumal es im selben Erwägungsgrund in Bezug auf in Zukunft angemeldete Beihilfen heißt, dass sie „in erster Linie“, d. h. nicht ausschließlich, anhand der in dieser Verordnung festgelegten Kriterien geprüft werden. Muss aber eine nach dem Inkrafttreten der KMU-Freistellungsverordnung ordnungsgemäß angemeldete Beihilferegelung nicht ausschließlich anhand der durch die Verordnung festgelegten Kriterien beurteilt werden, so lässt sich die Ansicht nicht halten, das mit der Verordnung angestrebte Ziel verlange ausnahmsweise deren Rückwirkung.
116 Außerdem könnte eine rückwirkende Anwendung der KMU-Freistellungsverordnung nur zulässig sein, wenn das berechtigte Vertrauen der Betroffenen gebührend beachtet wäre. Der von der Kommission angeführte Umstand, dass die Bundesrepublik Deutschland zum Zeitpunkt der Anmeldung der in Rede stehenden Beihilferegelung Kenntnis von der künftigen Entwicklung der Kriterien für die Prüfung dieser Regelung hatte, ändert hieran nichts. Zwar waren die Mitgliedstaaten am Rechtsetzungsprozess, der zum Erlass der KMU-Freistellungsverordnung geführt hat, beteiligt, doch konnten sie weder den endgültigen Inhalt des letzten Endes angenommenen Textes noch das Datum seines Inkrafttretens vorhersehen. Des Weiteren ist Zweck dieser Verordnung, die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Anmeldepflicht nach Art. 88 Abs. 3 EG, nicht aber für eine Genehmigung der angemeldeten Beihilfe festzulegen. Schließlich enthielt der Entwurf der Freistellungsverordnung in der im Amtsblatt vom 28. März 2000 veröffentlichten Fassung (ABl. C 89, S. 15) weder den oben in Randnr. 114 genannten Erwägungsgrund noch andere Hinweise dazu, dass der KMU-Gemeinschaftsrahmen von 1996 durch diese Verordnung abgeschafft und sein Inhalt übernommen wird. Unter diesen Umständen würde eine rückwirkende Anwendung dieser Verordnung weder die Voraussetzung der Wahrung des berechtigten Vertrauens der Betroffenen noch die der Beachtung des Grundsatzes der Rechtssicherheit erfüllen.
117 Im Übrigen spricht der Zweck der von der Kommission auf dem Gebiet der staatlichen Beihilfen veröffentlichten Texte, nämlich, wie sie selbst betont hat, für Transparenz und Vorhersehbarkeit ihrer Genehmigungspraxis zu sorgen, grundsätzlich dagegen, dass die Kommission die Zulässigkeit einer Beihilfe auf der Grundlage einer Regelung beurteilt, die erst nach der Anmeldung und dem Beginn der Prüfung der Zulässigkeit der Beihilfe in Kraft getreten ist. Eine solche Vorgehensweise hat offensichtlich zur Folge, dass die Vorhersehbarkeit der Genehmigungspraxis der Kommission eingeschränkt, ja sogar beseitigt wird, und kann die Mitgliedstaaten nur in eine Situation der Rechtsunsicherheit in dem Sinn versetzen, dass sie nicht darauf vertrauen können, dass ein Beihilfevorhaben, das sie im Licht der Kriterien entwickelt haben, die durch die zum Zeitpunkt der Anmeldung geltende Regelung festgelegt waren, von der Kommission anhand genau dieser Kriterien geprüft wird.
118 Die Kommission hat im Sinne der Transparenz und Rechtssicherheit die Mitgliedstaaten und Dritte durch eine Bekanntmachung über die zur Beurteilung unrechtmäßiger staatlicher Beihilfen anzuwendenden Regeln (ABl. 2002 C 119, S. 22) davon unterrichtet, dass sie die Vereinbarkeit nicht angemeldeter Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt stets anhand der Kriterien beurteilen werde, die in den zum Zeitpunkt der Beihilfegewährung geltenden Akten festgelegt sind. Es kann aber nicht zulässig sein, dass für die Bestimmung, welche Regelung für die Beurteilung der Vereinbarkeit einer Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt anwendbar ist, im Fall von Beihilfen, die unter Verstoß gegen die Anmeldepflicht gewährt wurden, eine Situation als vorher „entstanden“ anzusehen ist, so dass diese Beihilfen gemäß dieser Bekanntmachung und dem Urteil Falck und Acciaierie di Bolzano/Kommission (oben in Randnr. 94 angeführt, Randnr. 118) anhand der Kriterien zu prüfen sind, die zum Zeitpunkt ihrer Auszahlung galten, die Situation aber als „vorläufig“ anzusehen ist, wenn es um ordnungsgemäß angemeldete Beihilfen geht, bei denen die Prüfungskriterien dann bis unmittelbar vor der abschließenden Entscheidung erlaubterweise wechseln könnten, auch wenn das gesamte Verfahren anhand der durch die früher geltende Regelung festgelegten Kriterien durchgeführt worden ist.
119 Die praktische Umsetzung einer solchen Auffassung wäre eine Quelle der Rechtsunsicherheit für die Mitgliedstaaten und könnte negative Auswirkungen haben, da die Mitgliedstaaten in Erwartung einer Verschärfung der anwendbaren Regelung dazu neigen könnten, eine Beihilfe durchzuführen, statt sie bei der Kommission anzumelden. Im Übrigen widerspräche ein solches Ergebnis der Rechtsprechung, wonach jede Auslegung zu vermeiden ist, die die Missachtung von Art. 88 Abs. 3 EG durch den betreffenden Mitgliedstaat begünstigen würde (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 21. November 1991, Fédération nationale du commerce extérieur des produits alimentaires, C‑354/90, Slg. 1991, I‑5505, Randnr. 16, und vom 21. Oktober 2003, Van Calster u. a., C‑261/01 und C‑262/01, Slg. 2003, I‑12249, Randnr. 63). Wenn nämlich bei einer beabsichtigten Beihilfe unabhängig von ihrer Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt die Nichteinhaltung von Art. 88 Abs. 3 EG keine größeren Unannehmlichkeiten oder Strafen nach sich zöge als die Einhaltung dieser Bestimmung, wäre für Mitgliedstaaten der Anreiz, die Beihilfe anzumelden und eine Entscheidung über ihre Zulässigkeit abzuwarten, erheblich gemindert (Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs zum Urteil des Gerichtshofs vom 5. Oktober 2006, Transalpine Ölleitung in Österreich u. a., C‑368/04, Slg. 2006, I‑0000, Randnr. 50).
120 Im Ergebnis folgt sowohl aus dem Wortlaut als auch aus der Zielsetzung der KMU-Freistellungsverordnung und aus den Anforderungen, die sich aus der Wahrung der Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit ergeben, dass diese Verordnung nicht rückwirkend angewendet werden konnte.
121 An diesem Ergebnis ändert auch die Tatsache nichts, dass die Kommission, wie oben in Randnr. 86 dargelegt, zahlreiche Beihilferegelungen, die vor dem Inkrafttreten der KMU-Freistellungsverordnung angemeldet worden waren, auf deren Grundlage genehmigte, sofern sie sich nicht vor dem Inkrafttreten dieser Verordnung zu diesen Regelungen geäußert hatte. Hierzu genügt die Feststellung, dass eine Praxis der Kommission, die gegen die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze verstößt, nicht maßgeblich sein kann. Außerdem ging es, wie der Kläger – von der Kommission insoweit unwidersprochen – vorgetragen hat, um Beihilfemaßnahmen für Investitionen oder Ausbildung, für die die Beurteilungskriterien, insbesondere das der zulässigen Beihilfeintensität, gegenüber denjenigen der früheren Regelung unverändert geblieben waren (vgl. oben, Randnr. 76), so dass das berechtigte Vertrauen der Betroffenen jedenfalls nicht berührt sein konnte.
122 Gleichwohl ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission zwar die Zulässigkeit einer Beihilfe unmittelbar nach Eingang der Anmeldung und damit anhand der Kriterien zu prüfen hat, die in der zu diesem Zeitpunkt geltenden Regelung festgelegt sind, doch kann eine solche Prüfung erst dann richtig durchgeführt werden, nachdem alle erforderlichen Informationen übermittelt worden sind, d. h. von dem Zeitpunkt an, zu dem die Anmeldung vollständig ist. So gesehen, aber auch um zu vermeiden, dass eine Anmeldung zu einem Zeitpunkt erfolgt, zu dem sie nicht alle zu ihrer Prüfung erforderlichen Angaben enthält, oder dass der Zeitpunkt der Anmeldung entsprechend und in Erwartung einer Änderung der für die Beurteilung der Zulässigkeit der Beihilfe maßgeblichen Kriterien gewählt wird, ist diejenige Regelung als anwendbar anzusehen, die zu dem Zeitpunkt gilt, zu dem die Anmeldung vollständig ist.
123 Somit ist zu prüfen, ob im vorliegenden Fall die ursprüngliche Anmeldung, wie der Kläger behauptet, vollständig war, so dass die Kommission nicht, wie sie es in Randnr. 56 der angefochtenen Entscheidung getan hat, einwenden kann, die Anmeldung sei erst nach dem Inkrafttreten der KMU-Freistellungsverordnung vervollständigt worden, so dass diese Verordnung anwendbar sei.
Zu der auf die Vollständigkeit der ursprünglichen Anmeldung gestützten Rüge
– Zur Zulässigkeit der Rüge
124 Die Kommission macht geltend, die auf die Vollständigkeit der ursprünglichen Anmeldung gestützte Rüge des Klägers sei unzulässig, weil zum einen diese Rüge nicht während des förmlichen Prüfverfahrens erhoben worden sei und zum anderen die Bundesrepublik Deutschland und der Kläger weder der Einleitung noch der Fortführung des förmlichen Prüfverfahrens widersprochen und dadurch die Rechtmäßigkeit dieses Verfahrens und die Notwendigkeit der angeforderten Informationen anerkannt hätten. Der Kläger könne daher nicht die abschließende Entscheidung beanstanden, indem er Bedenken geltend mache, die er in einem früheren Stadium des Verfahrens hätte geltend machen müssen. In der Gegenerwiderung hat die Kommission ausgeführt, die Unzulässigkeit dieses Vorwurfs sei eng damit verbunden, dass die Bundesrepublik Deutschland nicht von der ihr durch Art. 4 Abs. 6 der Verfahrensverordnung für staatliche Beihilfen eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht und der Kläger folglich kein Rechtsschutzinteresse gehabt habe, zu diesem Punkt Klage zu erheben.
125 Die vorliegende Rüge kann nicht als unzulässig angesehen werden.
126 Erstens möchte der Kläger mit dem Hinweis auf die Vollständigkeit der ursprünglichen Anmeldung dartun, dass die in Rede stehende Beihilferegelung nicht anhand der nach dieser Anmeldung in Kraft getretenen KMU-Freistellungsverordnung hätte beurteilt werden dürfen. Entgegen den Ausführungen der Kommission hierzu geht es um einen Standpunkt, den die Bundesrepublik Deutschland u. a. in ihrer Stellungnahme zur Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens vorgetragen hat, in der sie ausführt: „Die deutschen Behörden teilen nicht die Auffassung der Kommission, dass eine Prüfung der Beihilferegelung anhand der am 3. Januar 2001 übermittelten Unterlagen nicht durchführbar war, und bekräftigen deshalb ihre Auffassung, dass die Beihilferegelung nach dem zum Zeitpunkt der Anmeldung geltenden [KMU-Gemeinschaftsrahmen von 1996] zu prüfen ist.“
127 Zweitens kann nach der Rechtsprechung die Möglichkeit, einen Beschluss über die Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens anzufechten, nicht zu einer Schmälerung der Verfahrensrechte der Betroffenen führen und sie daran hindern, die Nichtigerklärung der abschließenden Entscheidung zu beantragen und zur Begründung der Klage Mängel geltend zu machen, die alle Abschnitte des mit dieser Entscheidung abgeschlossenen Verfahrens betreffen. Es ist nämlich nicht zu bestreiten, dass der Beschluss über die Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens, auch wenn er eigene und eigenständige Rechtswirkungen entfaltet, Vorbereitungscharakter gegenüber der abschließenden Entscheidung hat, die den Standpunkt der Kommission endgültig festlegt und in der diese die Bewertungen, die sie im Einleitungsbeschluss getroffen hat, ändern kann. Im Übrigen hätte die These der Kommission zur Folge, dass die Erörterung in der Sache vorweggenommen würde und die verschiedenen Phasen der Verwaltungs- und Gerichtsverfahren vermengt würden, wodurch der Hauptzweck des förmlichen Prüfverfahrens, nämlich dem Betroffenen Gelegenheit zu geben, zu allen kontroversen Aspekten der Sache Stellung zu nehmen, und der Kommission zu ermöglichen, die abschließende Entscheidung unter Berücksichtigung dieser Stellungnahmen zu treffen, keine Bedeutung mehr habe (vgl. in diesem Sinne Urteil Regione Siciliana/Kommission, oben in Randnr. 105 angeführt, Randnrn. 47, 48 und 51).
128 Im vorliegenden Fall genügt die Feststellung, dass die abschließende Entscheidung angefochten worden ist, die das Verfahren beendet und bindende und endgültige Rechtswirkungen für die Betroffenen erzeugt, auch soweit darin die anwendbare Regelung bestimmt wird. Der Kläger muss daher über einen Rechtsbehelf gegen die Entscheidung insgesamt verfügen, auch gegen die Feststellung, dass die ursprüngliche Anmeldung erst zu einem nach dem Inkrafttreten der KMU-Freistellungsverordnung liegenden Zeitpunkt vollständig geworden sei (vgl. in diesem Sinne Urteil Regione Siciliana/Kommission, oben in Randnr. 105 angeführt, Randnr. 49).
129 Zum Vorbringen der Kommission, der Kläger habe kein Rechtsschutzinteresse, wegen der von ihm behaupteten Vollständigkeit der ursprünglichen Anmeldung Klage zu erheben, weil er von der ihm durch Art. 4 Abs. 6 der Verfahrensverordnung für staatliche Beihilfen eingeräumten Möglichkeit hätte Gebrauch machen können, die in Rede stehende Beihilferegelung nach vorheriger Unterrichtung der Kommission umzusetzen, ist festzustellen, dass die einzige Konsequenz, die daraus zu ziehen ist, darin besteht, dass das angemeldete Vorhaben nicht den Status einer bestehenden Beihilferegelung erwerben konnte. Da die in Rede stehende Beihilferegelung somit ihren Status als neue Beihilfe behielt, konnte die Kommission völlig zu Recht das förmliche Verfahren zur Prüfung der Regelung einleiten (vgl. in diesem Sinne Urteil Regione autonoma della Sardegna/Kommission, oben in Randnr. 56 angeführt, Randnr. 49), was vom Kläger nicht bestritten wird.
130 Demnach kann nicht mit Erfolg geltend gemacht werden, der Kläger könne sich, da er innerhalb der festgesetzten Frist keine Klage gegen den Beschluss über die Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens erhoben und keinen Gebrauch von Art. 4 Abs. 6 der Verfahrensverordnung gemacht habe, im Rahmen der vorliegenden Klage gegen die abschließende Entscheidung nicht mehr darauf berufen, dass die Kommission zu Unrecht die Anmeldung als nicht vollständig angesehen und deshalb das Anmeldeverfahren ungerechtfertigt verzögert habe.
131 Die auf die Vollständigkeit der ursprünglichen Anmeldung gestützte Rüge ist daher zulässig.
– Zur Begründetheit
132 Nach Art. 4 der Verfahrensverordnung für staatliche Beihilfen, in dem die für die Prüfung angemeldeter Beihilfen geltenden Fristen festgelegt sind, verfügt die Kommission über eine Frist von zwei Monaten, um nach einer vorläufigen Prüfung entweder festzustellen, dass die angemeldete Maßnahme keine Beihilfe darstellt, dass die angemeldete Maßnahme keinen Anlass zu Bedenken hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt gibt oder dass die angemeldete Maßnahme Zweifel an ihrer Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt weckt; im letzten Fall beschließt die Kommission, das Verfahren nach Art. 88 Abs. 2 EG einzuleiten. Die Zweimonatsfrist beginnt am Tag nach dem Eingang der vollständigen Anmeldung (Art. 4 Abs. 5 Satz 2 der Verfahrensverordnung für staatliche Beihilfen).
133 Auch ist es nach ständiger Rechtsprechung, durch die die vor dem Inkrafttreten der Verfahrensverordnung für staatliche Beihilfen geltenden Grundsätze festgelegt sind, für die Vollständigkeit einer Anmeldung ausreichend, wenn die Kommission in der Vorprüfungsphase über alle Informationen verfügt, die ihr ohne eingehendere Prüfung ermöglichen, festzustellen, dass die staatlichen Maßnahmen mit dem Vertrag vereinbar sind, und sie von denjenigen zu unterscheiden, deren Vereinbarkeit mit dem Vertrag zweifelhaft erscheint (Urteil Österreich/Kommission, oben in Randnr. 80 angeführt, Randnr. 54). Somit genügt es in der Vorprüfungsphase, wenn die Anmeldung von Anfang an oder nach Beantwortung der Fragen der Kommission durch den Mitgliedstaat die Informationen enthält, die die Kommission benötigt, um sich eine erste Meinung über die Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Vertrag zu bilden (Urteile Lorenz, oben in Randnr. 53 angeführt, Randnr. 3, Österreich/Kommission, oben in Randnr. 80 angeführt, Randnr. 56, und Regione autonoma della Sardegna/Kommission, oben in Randnr. 56 angeführt, Randnr. 40).
134 Was die Verfahrensverordnung für staatliche Beihilfen betrifft, so ist nach Art. 2 Abs. 2 eine Anmeldung vollständig, wenn „[d]er betreffende Mitgliedstaat … der Kommission … alle sachdienlichen Auskünfte [übermittelt], damit diese eine Entscheidung nach den Artikeln 4 und 7 erlassen kann (nachstehend ‚vollständige Anmeldung‘ genannt)“. Dieselbe Verordnung legt in Art. 4 Abs. 5 Satz 3 und in Art. 5 Abs. 3 anhand einer zweiten Definition („Die Anmeldung gilt als vollständig“ bzw. „der … Mitgliedstaat [betrachtet] die Anmeldung als vollständig“) den Zeitpunkt fest, von dem an davon auszugehen ist, dass die Kommission sich im Besitz aller erforderlichen Informationen befindet, d. h., wenn die Kommission keine weiteren Informationen anfordert oder der betroffene Mitgliedstaat eine entsprechende ordnungsgemäß begründete Erklärung abgegeben hat. Hauptzweck dieser zweiten Definition ist somit die Festlegung des Tages, an dem die in Art. 4 Abs. 5 der Verfahrensverordnung für staatliche Beihilfen festgelegte Zweimonatsfrist beginnt, was nicht nur für die Mitgliedstaaten, sondern auch für die Kommission erhebliche Konsequenzen hat.
135 Die Definition der vollständigen Anmeldung in Art. 4 Abs. 5 Satz 3 und diejenige, die sich mittelbar aus Art. 5 Abs. 3 der Verfahrensverordnung für staatliche Beihilfen ergibt, sind im Zusammenhang mit und entsprechend der Zielsetzung des Art. 4 Abs. 6 der Verordnung zu sehen. Nach dieser Vorschrift gilt, wenn die Kommission binnen der Zweimonatsfrist über eine im Sinne der genannten Bestimmungen vollständigen Anmeldung keine Entscheidung getroffen hat, „die Beihilfe als von der Kommission genehmigt“ und „[d]er betreffende Mitgliedstaat kann daraufhin die betreffenden Maßnahmen durchführen, nachdem er die Kommission hiervon in Kenntnis gesetzt hat“. Diese Bestimmung bietet den Mitgliedstaaten somit die Möglichkeit, zu verhindern, dass die Kommission die Dauer der Vorprüfungsphase künstlich verlängert und sie so über das Schicksal der beabsichtigten Beihilfe rechtlich im Unklaren lässt.
136 Der Umstand, dass der betroffene Mitgliedstaat sich nicht auf der Grundlage von Art. 5 Abs. 3 der Verfahrensverordnung für staatliche Beihilfen einem eventuellen fristhemmenden Ersuchen nach zusätzlichen Informationen widersetzt hat, kann folglich, wie oben in Randnr. 129 ausgeführt worden ist, keine andere negative Auswirkung haben als die in der fraglichen Regelung ausdrücklich vorgesehene, nämlich den Verlust der Möglichkeit, die in Art. 4 Abs. 6 dieser Verordnung vorgesehene Befugnis wahrzunehmen, die geplante Beihilferegelung umzusetzen und sie somit in eine bestehende Beihilferegelung umzuwandeln.
137 Dieser Umstand erlaubt daher keinesfalls den Schluss, dass die Anmeldung nicht vollständig gewesen sei, da es hierfür nach der oben in Randnr. 133 angeführten Rechtsprechung entscheidend darauf ankommt, ob die Anmeldung die Informationen enthält, die die Kommission benötigt, um sich eine erste Meinung über die Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Vertrag zu bilden.
138 An diesem Ergebnis ändert auch nichts, dass Art. 2 Abs. 2 der Verfahrensverordnung für staatliche Beihilfen für die Vollständigkeit der Anmeldung die Übermittlung aller Informationen verlangt, die für die von der Kommission am Ende der Vorprüfung zu treffende Entscheidung oder für den Erlass der abschließenden Entscheidung über die Zulässigkeit der Beihilfe notwendig sind, und somit die im Rahmen der in der Anmeldung angeforderten Auskünfte nicht insgesamt auf diejenigen beschränkt, die die Kommission für den Erlass der am Ende der Vorprüfungsphase ergehenden Entscheidung benötigt. Bei Art. 2 Abs. 2 der Verfahrensverordnung für staatliche Beihilfen ist nämlich zu berücksichtigen, dass die Kommission zur Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens verpflichtet ist, wenn die angemeldete Maßnahme Anlass zu Bedenken hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt gibt, und sie daher alle insoweit erforderlichen Informationen zum Sachverhalt kennen muss. Hinsichtlich aller weiteren Informationen, die für den Erlass der abschließenden Entscheidung über die Zulässigkeit der Beihilfe erforderlich sein könnten, genügt der Hinweis, dass weder der betroffene Mitgliedstaat noch die Kommission von Anfang an weiß, welche Informationen sich für eine abschließende Entscheidung als nötig erweisen werden, da die Notwendigkeit solcher Informationen sich vielleicht erst im Lauf des förmlichen Prüfverfahrens herausstellt, insbesondere nachdem die Kommission die Stellungnahmen beteiligter Dritter erhalten hat (vgl. in diesem Sinne Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs zum Urteil Österreich/Kommission, oben in Randnr. 89 angeführt, Randnrn. 90 und 91).
139 Wie aus Art. 2 Abs. 2 der Verfahrensverordnung für staatliche Beihilfen und der oben in Randnr. 133 erwähnten Rechtsprechung hervorgeht, reicht es für die Vollständigkeit einer Anmeldung im Vorprüfungsverfahren aus, dass sie die Informationen enthält, die die Kommission benötigt, um sich eine erste Meinung über die Vereinbarkeit der angemeldeten Maßnahme mit dem Gemeinsamen Markt zu bilden und, wenn insoweit Bedenken bestehen, die Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens zu beschließen.
140 Im Licht dieser Ausführungen ist der Schriftwechsel zwischen der Kommission und der Bundesrepublik Deutschland zu prüfen und zu entscheiden, ob die ursprüngliche Anmeldung – wie der Kläger behauptet – vollständig war.
141 Die Kommission forderte im Anschluss an die ursprüngliche Anmeldung vom 29. Dezember 2000 zweimal, nämlich am 5. Februar und am 5. September 2001, bei der Bundesrepublik Deutschland zusätzliche Auskünfte an. Die Bundesrepublik Deutschland antwortete mit Schreiben vom 12. März und 9. Oktober 2001.
142 Bei dem ersten, mit Schreiben vom 5. Februar 2001 übermittelten Auskunftsersuchen bat die Kommission die Bundesrepublik Deutschland nur um Mitteilung, „ob die ‚Soft Aid‘‑Fördertatbestände mit den Bedingungen der KMU‑Freistellungsverordnung … vereinbar sind, bzw. ob der Förderumfang der vorliegenden Notifizierung nicht auf den der [KMU‑ ]Freistellungsverordnung reduziert werden kann“. Sie wies darauf hin, dass, sollte „dies nicht möglich sein …, eine ausführliche Begründung erforderlich ist (wirtschaftspolitische Notwendigkeit und Vereinbarkeit)“.
143 Wie der Kläger zutreffend vorträgt, ersuchte die Kommission in ihrem Schreiben vom 5. Februar 2001 die Bundesrepublik Deutschland zum einen um eine Stellungnahme zur Vereinbarkeit der Beihilfen für Beratungsleistungen mit der KMU-Freistellungsverordnung und fragte zum anderen nach der Bereitschaft, den fraglichen Förderumfang zu reduzieren, um die Beihilfen mit dieser Verordnung in Einklang zu bringen. Dies kann aber nicht als ein Ersuchen angesehen werden, das der Gewinnung von Informationen zum Sachverhalt dient, die für die Beurteilung der Zulässigkeit der angemeldeten Beihilferegelung notwendig sind, sondern ist, abgesehen von der Bitte um Stellungnahme, eher als Anregung gegenüber der Bundesrepublik Deutschland zu verstehen, die Änderungen vorzunehmen, die erforderlich sind, um die in Rede stehende Beihilferegelung den Bestimmungen der drei Tage zuvor in Kraft getretenen KMU‑Freistellungsverordnung anzupassen.
144 Mit ihrem zweiten, mit Schreiben vom 5. September 2001 an die Bundesrepublik Deutschland gerichteten Auskunftsersuchen wollte die Kommission, wie sie selbst in ihrer schriftlichen Antwort auf eine Frage des Gerichts ausgeführt hat, in Erfahrung bringen, ob die Bundesrepublik Deutschland in Anbetracht des Inkrafttretens der KMU-Freistellungsverordnung die Anmeldung hinsichtlich aller ursprünglich angemeldeten Teilprogramme aufrechterhalte. Auch diese Art von Auskunft, die die Bundesrepublik Deutschland im Übrigen bereits in ihrer Mitteilung vom 2. August 2001 erteilt hatte, betraf keineswegs Informationen zum Sachverhalt, die notwendig waren, um die Zulässigkeit der angemeldeten Beihilferegelung prüfen zu können.
145 Daraus folgt, dass weder das Ersuchen vom 5. Februar 2001 noch dasjenige vom 5. September 2001 als Ersuchen um Auskünfte zum Sachverhalt qualifiziert werden können, die erforderlich waren, um die ursprüngliche Anmeldung zu vervollständigen und der Kommission die Prüfung der Zulässigkeit der von der durch die Bundesrepublik Deutschland angemeldeten Beihilferegelung zu ermöglichen. Der Inhalt der beiden Ersuchen der Kommission zeigt nämlich, dass diese sich bereits eine Meinung darüber gebildet hatte, ob die in Rede stehende Beihilferegelung wegen fehlender Übereinstimmung mit der KMU‑Freistellungsverordnung mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar war.
146 An diesem Ergebnis ändern auch die Antworten der Bundesrepublik Deutschland auf die Schreiben der Kommission vom 5. Februar und vom 5. September 2001 nichts.
147 So legte die Bundesrepublik Deutschland in ihrer Antwort vom 12. März 2001 auf das Schreiben der Kommission vom 5. Februar 2001 unter Nr. I der ihrer Antwort beigefügten Mitteilung klar ihren Standpunkt zu der Frage dar, ob „die ‚Soft Aid‘-Fördertatbestände mit den Bedingungen der KMU-Freistellungsverordnung … in Einklang zu bringen sind“. Die Bundesrepublik Deutschland äußerte sich hierzu wie folgt:
„Die Beihilferegelung wurde zu einem Zeitpunkt notifiziert, als die KMU‑Freistellungsverordnung noch nicht in Kraft getreten war. Daher können die deutschen Behörden bei ihrer Notifizierung der Beihilferegelung noch gar nicht auf die Beurteilungskriterien der KMU-Freistellungsverordnung abstellen. … Bei der Beurteilung einer staatlichen Beihilfe ist die Rechtslage zum Zeitpunkt der Notifizierung bei der Kommission maßgeblich. … Daher muss nach Auffassung der deutschen Behörden die vorliegende Beihilferegelung noch nach den Kriterien des KMU‑Gemeinschaftsrahmens [von 1996] beurteilt werden.“
148 Unter Nr. II dieser Mitteilung bekräftigte die Bundesrepublik Deutschland, dass die angemeldete Beihilferegelung jedenfalls auch unter Zugrundelegung der Kriterien der KMU‑Freistellungsverordnung genehmigungsfähig sei. Auch wenn die Regelung sicherlich nicht in allen Punkten dieser Verordnung entspreche, könne die Kommission sie nämlich gleichwohl unmittelbar anhand des EG‑Vertrags prüfen und dabei ihr weites Ermessen anwenden.
149 Im Zusammenhang mit dieser Stellungnahme zur Aufrechterhaltung der ursprünglichen Anmeldung äußerte sich die Bundesrepublik Deutschland auch zur Klarstellung der Beihilfeintensität beim Teilprogramm „Intensivberatung/Coaching“. In der der Antwort vom 12. März 2001 beigefügten Mitteilung heißt es nämlich:
„In Ergänzung zu den bisher notifizierten Richtlinien wird zusätzlich zur absoluten Förderobergrenze eine allgemeine Förderhöchstquote von 50 % vorgesehen, die der Regelung der KMU‑Freistellungsverordnung entspricht. Für kleine Unternehmen (entsprechend EU‑Definition) wird ein erhöhter Fördersatz von bis zu 65 % vorgesehen, bei den gleichen absoluten Obergrenzen.“
150 Demnach ist zum einen festzustellen, dass die einzige konkrete Frage in dem Schreiben der Kommission vom 5. Februar 2001 lediglich einen Aspekt betrifft, nämlich die Beihilfeintensität eines einzigen der sechs Teilprogramme der angemeldeten Beihilferegelung: die des Teilprogramms „Intensivberatung/Coaching“. Zum anderen kann die Klarstellung der Bundesrepublik Deutschland zu dieser Frage, die sicherlich ein neues Element enthält, nicht als eine Information qualifiziert werden, die für die Beurteilung der Zulässigkeit der Beihilfe notwendig war, da die Kommission der Anmeldung entnehmen konnte, dass die Festlegung bloß einer Obergrenze in Form eines absoluten Betrags zwangsläufig zu Beihilfeintensitäten von über 50 % führen würde.
151 Wie der Kläger in seiner Antwort auf Fragen des Gerichts betont hat und wie man einfach errechnen kann, bedeutete die als absoluter Betrag festgelegte Obergrenze nämlich, dass das betreffende Unternehmen im günstigsten Fall eine Beihilfe in Höhe von 72,73 % und – wenn es sich um ein Jungunternehmen handelte – von 83,3 % in Anspruch nehmen konnte. Durch die Einführung einer prozentualen Obergrenze senkte die Bundesrepublik Deutschland den Beihilfesatz auf 50 % und für Jungunternehmen auf 65 %, behielt also für diese eine höchstzulässige Beihilfeintensität bei, die die in der KMU-Freistellungsverordnung vorgesehene Höchstgrenze von 50 % überstieg. Zudem ist ein Beihilfesatz von über 50 % auch bei den Teilprogrammen „Teilnahme an Messen“ (Satz von 60 % für Kleinunternehmen in Gebieten mit besonderen Entwicklungsaufgaben), „Kooperation“ (allgemeiner Satz von 65 %, der bei bestimmten speziellen Projekten 80 % erreichen kann) und „Produktdesignförderung“ (Satz von 70 % für Kleinunternehmen in Gebieten mit besonderen Entwicklungsaufgaben) vorgesehen.
152 Folglich wirkt sich die Einführung einer prozentualen Obergrenze auch beim Teilprogramm „Intensivberatung/Coaching“ zusätzlich zu der als absoluter Betrag festgelegten Obergrenze der beabsichtigten Beihilfen nur marginal auf die Beurteilung der Zulässigkeit der in Rede stehenden Beihilferegelung aus, da die Bedenken der Kommission, ob die Regelung als Ganzes nicht mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar ist, sich auf die Überschreitung des in der KMU-Freistellungsverordnung festgelegten Satzes der Beihilfeintensität von 50 % gründeten. Jedenfalls war die Antwort auf die Frage im Schreiben der Kommission vom 5. Februar 2001 wegen ihrer begrenzten Tragweite keineswegs notwendig, damit sich die Kommission eine erste Meinung über die Vereinbarkeit des angemeldeten Beihilfevorhabens insgesamt mit dem Gemeinsamen Markt bilden konnte.
153 In ihrer Antwort vom 9. Oktober 2001 auf das Schreiben der Kommission vom 5. September 2001 wiederholte die Bundesrepublik Deutschland – abgesehen von einigen nebensächlichen Angaben im Nachgang zu einer Besprechung am 14. Juni 2001 zwischen der Kommission und den deutschen Behörden – lediglich noch einmal, dass sie die ursprüngliche Anmeldung insbesondere deshalb aufrechterhalte, weil die angemeldete Regelung mit dem KMU-Gemeinschaftsrahmen von 1996 in Einklang stehe und anhand dieses, zum Zeitpunkt der Anmeldung geltenden Rahmens zu beurteilen sei. Im selben Schreiben wies die Bundesrepublik Deutschland ferner darauf hin, dass die in Rede stehende Beihilferegelung inzwischen gemäß ihrer Mitteilung vom 2. August 2001 bis zur Genehmigung der Beihilferegelung in der angemeldeten Fassung auf der Grundlage von Art. 9 Abs. 1 der KMU-Freistellungsverordnung durchgeführt worden sei.
154 Gerade der Umstand, dass die Bundesrepublik Deutschland, wie aus der erwähnten Mitteilung vom 2. August 2001 hervorgeht, die in Rede stehende Beihilferegelung in den Grenzen ihrer Vereinbarkeit mit der KMU-Freistellungsverordnung durchgeführt und als Ende der Laufzeit den 31. Dezember 2008 oder den Zeitpunkt der Genehmigung der Regelung in der angemeldeten Fassung festgelegt hat, bestätigt, dass sie ihre ursprüngliche Anmeldung zu keinem Zeitpunkt geändert hat, um sie mit der KMU-Freistellungsverordnung in Einklang zu bringen. Die Bundesrepublik Deutschland machte nämlich von der in dieser Verordnung eingeräumten Möglichkeit Gebrauch, eine Beihilferegelung ohne Anmeldung durchzuführen, und teilte sie der Kommission unter Aufrechterhaltung ihrer ursprünglichen Anmeldung nach Art. 9 Abs. 1 dieser Verordnung mit, weil die Anmeldung vor dem Inkrafttreten dieser Verordnung erfolgt war.
155 Schließlich kann die ursprüngliche Anmeldung nicht deshalb als unvollständig angesehen werden, weil sie nicht alle Voraussetzungen, insbesondere hinsichtlich der Beihilfeintensität, erfüllte, die in der nach der ursprünglichen Anmeldung in Kraft getretenen Regelung, nämlich der KMU-Freistellungsverordnung, aufgestellt worden sind. Der Kläger hat nämlich nicht nur die Anwendbarkeit dieser Verordnung gerade deshalb bestritten, weil sie nach dem Eingang der ursprünglichen Anmeldung bei der Kommission in Kraft getreten war, sondern er hat auch und ausdrücklich erklärt, die ursprüngliche Anmeldung aufrechtzuerhalten und, wie in dieser Verordnung vorgesehen, von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, seine Beihilferegelung ohne vorherige Anmeldung umzusetzen.
156 Nach alledem war die ursprüngliche Anmeldung vollständig, da sie alle Angaben enthielt, die die Kommission benötigte, um die Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt anhand der Kriterien zu beurteilen, die in der zum Zeitpunkt des Eingangs der ursprünglichen Anmeldung geltenden Regelung festgelegt waren.
157 Der zweite Klagegrund des Klägers greift daher durch.
158 Aufgrund dessen ist, ohne dass die übrigen vom Kläger vorgetragenen Klagegründe geprüft zu werden brauchen, der Klage stattzugeben, und Art. 2 Abs. 2 und die Art. 3 und 4 der angefochtenen Entscheidung sind für nichtig zu erklären.
Kosten
159 Gemäß Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr dem Antrag des Klägers entsprechend die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen hat
DAS GERICHT (Fünfte erweiterte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Art. 2 Abs. 2 und die Art. 3 und 4 der Entscheidung 2003/226/EG der Kommission vom 24. September 2002 über eine beabsichtigte Beihilferegelung Deutschlands „Richtlinien zur Mittelstandsförderung – Verbesserung der unternehmerischen Leistungsfähigkeit in Sachsen“ – Teilprogramme 1 (Coaching), 4 (Teilnahme an Messen), 5 (Kooperation) und 7 (Produktdesignförderung) werden für nichtig erklärt.
2. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften trägt die Kosten.
Vilaras |
Martins Ribeiro |
Dehousse |
Šváby |
Jürimäe |
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 3. Mai 2007.
Der Kanzler |
Der Präsident |
E. Coulon |
M. Vilaras |
Inhaltsverzeichnis
Rechtlicher Rahmen
Sachverhalt
1. Verwaltungsverfahren
2. Die angefochtene Entscheidung
Verfahren und Anträge der Parteien
Zur Begründetheit
1. Zum Klagegrund der formellen Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung, weil die Kommission nicht das beschleunigte Genehmigungsverfahren angewandt hat
Vorbringen der Parteien
Würdigung durch das Gericht
2. Zum Klagegrund der materiellen Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung aufgrund der Nichtanwendbarkeit der KMU‑Freistellungsverordnung
Vorbringen der Parteien
Würdigung durch das Gericht
Zur Anwendbarkeit der KMU-Freistellungsverordnung auf zum Zeitpunkt ihres Inkrafttretens anhängige Anmeldungen
Zu der auf die Vollständigkeit der ursprünglichen Anmeldung gestützten Rüge
– Zur Zulässigkeit der Rüge
– Zur Begründetheit
Kosten
* Verfahrenssprache: Deutsch.