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Document 62002TJ0320

    Urteil des Gerichts erster Instanz (Zweite Kammer) vom 18. Februar 2004.
    Monika Esch-Leonhardt, Tillmann Frommhold und Emmanuel Larue gegen Europäische Zentralbank.
    Beamte - Personalakte - Schreiben über die Vorbereitung gewerkschaftlicher Informationen per E-Mail - Ablehnung der Entfernung aus den Personalakten der Kläger.
    Rechtssache T-320/02.

    Sammlung der Rechtsprechung – Öffentlicher Dienst 2004 I-A-00019; II-00079

    ECLI identifier: ECLI:EU:T:2004:45




    URTEIL DES GERICHTS (Zweite Kammer)

    18. Februar 2004

    Rechtssache T‑320/02

    Monika Esch-Leonhardt u. a.

    gegen

    Europäische Zentralbank

    „Beamte – Personalakte – Schreiben über die Verbreitung gewerkschaftlicher Informationen per E-Mail – Ablehnung der Entfernung aus den Personalakten der Kläger“

    Vollständiger Wortlaut in deutscher Sprache II - 0000

    Gegenstand: Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung, in die Personalakte der Kläger ein Schreiben über deren Benutzung des hausinternen E-Mail-Systems für die Verbreitung gewerkschaftlicher Informationen aufzunehmen, und auf Schadensersatz.

    Entscheidung: Die Klage wird abgewiesen. Die Parteien tragen jeweils ihre eigenen Kosten, einschließlich der Kosten des Verfahrens der einstweiligen Anordnung T‑320/02 R.

    Leitsätze

    1.     Beamte – Klage – Streitsachen zwischen der Europäischen Zentralbank und ihren Bediensteten – Beschwerende Maßnahme – Begriff – Aufnahme von Schreiben über die Verbreitung gewerkschaftlicher Informationen per E-Mail in die Personalakten der Bediensteten – Zulässigkeit

    (Beamtenstatut, Artikel 90 Absatz 2 und 91 Absatz 1, Verordnung Nr. 45/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates, Artikel 2 Buchstaben a, b und c, 5 und 10; Beschäftigungsbedingungen für das Personal der Europäischen Zentralbank, Artikel 42)

    2.     Beamte – Bedienstete der Europäischen Zentralbank – Klage – Schadensersatzantrag, der mit einem Aufhebungsantrag in unmittelbarem Zusammenhang steht – Zulässigkeit trotz Fehlens eines Vorverfahrens gemäß den Beschäftigungsbedingungen

    (Beamtenstatut, Artikel 90 und 91; Beschäftigungsbedingungen für das Personal der Europäischen Zentralbank, Artikel 41 und 42)

    3.     Beamte – Bedienstete der Europäischen Zentralbank – Personalakte – Aufnahme von Schreiben über die Verbreitung gewerkschaftlicher Informationen per E-Mail in die Personalakte – Kein Verstoß gegen die Vereinigungsfreiheit und das Gebot des Schutzes personenbezogener Daten

    (Verordnung Nr. 45/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates, Artikel 5 Buchstabe c und 10 Absätze 1 und 2 Buchstabe d)

    1.     Der Rechtsschutz der Mitarbeiter der Europäischen Zentralbank ist in der Weise geregelt, dass Artikel 42 der Beschäftigungsbedingungen für das Personal der Europäischen Zentralbank dem Gemeinschaftsrichter, nach Erschöpfung der zu diesem Zweck vorgesehenen Vorverfahren, die Zuständigkeit für die Entscheidung aller Rechtsstreitigkeiten zwischen der Bank und ihren Mitarbeitern überträgt. Diese Zuständigkeit ist grundsätzlich auf eine rechtliche Prüfung „der Maßnahme oder Entscheidung“ beschränkt. Artikel 8.2.1 der Dienstvorschriften bestimmt u. a., dass sich die Klagen dieser Mitarbeiter gegen die „endgültige Entscheidung in einem Beschwerdeverfahren“ richten müssen.

    Da eine ausdrückliche Definition der in dieser Regelung verwendeten Begriffe „Entscheidung“ und „Maßnahme“ fehlt, sind diese nach dem Vorbild der beschwerenden Maßnahme im Sinne der Artikel 90 Absatz 2 und 91 Absatz 1 des Beamtenstatuts auszulegen.

    Allerdings sind nur Maßnahmen, die verbindliche Rechtswirkungen erzeugen, die die Interessen des Klägers durch einen erheblichen Eingriff in seine Rechtsstellung direkt und unmittelbar beeinträchtigen, beschwerende Maßnahmen, gegen die die Anfechtungsklage gegeben ist.

    Die Europäische Zentralbank verarbeitet bei der Aufnahme von Schreiben über die Verbreitung gewerkschaftlicher Informationen per E-Mail in die Personalakten ihrer Bediensteten personenbezogene Daten, indem sie diese in einer Datei mit personenbezogenen Daten im Sinne von Artikel 2 Buchstaben a, b und c der Verordnung Nr. 45/2001 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft und zum freien Datenverkehr aufbewahrt. Sie äußert sich damit zwangsläufig zur Rechtmäßigkeit dieser Verarbeitung sowohl nach Artikel 5 der Verordnung u. a. dahin gehend, dass die Bediensteten sie als für die Erfüllung ihrer Dienstverträge mit der Bank erforderlich hinnehmen müssen, als auch nach Artikel 10 der Verordnung dahin gehend, dass das Verbot, die Gewerkschaftszugehörigkeit zu offenbaren, auf den Fall der Betroffenen nicht anwendbar sei.

    Die Aufnahme der streitigen Schreiben in die Personalakten der Kläger ist somit als solche geeignet, deren Recht auf ausreichenden Schutz gegen eine rechtswidrige Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten zu beeinträchtigen, und stellt daher eine anfechtbare Maßnahme im Sinne des vorgenannten Artikels 42 dar.

    (Randnrn. 36, 37, 39 und 40)

    Vgl. Gerichtshof, 14. Februar 1989, Bossi/Kommission, 346/87, Slg. 1989, 303, Randnr. 23; Gericht, 6. Juni 1996, Baiwir/Kommission, T‑391/94, Slg. ÖD, I‑A‑269 und II‑787, Randnr. 34; Gericht, 28. September 1999, Hautem/EIB, T‑140/97, Slg. ÖD, I‑A‑171 und II‑897, Randnr. 77

    2.     Nach dem Rechtsbehelfssystem der Artikel 90 und 91 des Beamtenstatuts ist eine erstmals vor dem Gericht erhobene Schadensersatzklage zulässig, auch wenn die vorherige Verwaltungsbeschwerde nur auf Aufhebung der angeblich schädigenden Entscheidung gerichtet war, denn ein Aufhebungsantrag kann einen Antrag auf Ersatz des behaupteten Schadens umfassen. Die Beschäftigungsbedingungen der Europäischen Zentralbank enthalten in den Artikeln 41 und 42 Vorschriften, die mit denjenigen des Statuts über das Vorverfahren vergleichbar sind. Daher ist der Antrag auf Ersatz des durch das Verhalten der Bank angeblich verursachten immateriellen Schadens zulässig, obwohl die Kläger ihn im Vorverfahren nicht gestellt haben, denn er steht in engem Zusammenhang mit einem Antrag auf Nichtigerklärung.

    (Randnr. 47)

    Vgl. Gericht, 13. Juli 1995, Saby/Kommission, T‑44/93, Slg. ÖD, I‑A‑175 und II‑541, Randnr. 28

    3.     Die Europäische Zentralbank nimmt in Anbetracht des Verbotes der Führung von Nebenakten zu Recht an, die Aufnahme der Schreiben über die Verbreitung gewerkschaftlicher Informationen per E-Mail in die Personalakten der betreffenden Bediensteten sei für die Erfüllung ihrer Dienstverträge „erforderlich“ im Sinne von Artikel 5 Buchstabe c der Verordnung Nr. 45/2001 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft und zum freien Datenverkehr. Soweit diese Schreiben nämlich eine Abmahnung der Kläger enthalten, betreffen sie deren Dienstverhältnis und können für einen eventuellen Bericht über ihr dienstliches Verhalten im Sinne des Artikels 1.3.3 der Dienstvorschriften von Bedeutung sein.

    Eine bereinigte Version der genannten Schreiben, in der alle Hinweise auf die Beziehungen zwischen den Betroffenen und einer Gewerkschaft geschwärzt sind, wäre für die Zwecke einer sachgerechten Führung der Personalakten nicht ausreichend. Der Umstand, dass die betroffenen Bediensteten in ihrer Eigenschaft als Anhänger einer Gewerkschaft zur Erreichung gewerkschaftlicher Ziele und nicht zu Gewinnzwecken oder anderen nichtdienstlichen Zwecken gegen die Regeln über die Nutzung des internen E-Mail-Systems der Europäischen Zentralbank verstoßen haben, kann die Beurteilung ihres dienstlichen Verhaltens beeinflussen.

    Diese Aufnahme kann im Übrigen als solche nicht das Recht auf gewerkschaftliche Betätigung beeinträchtigt haben und verstößt nicht gegen Artikel 10 Absatz 1 der genannten Verordnung, da sie Daten betrifft, die die Betroffenen im Sinne von Artikel 10 Absatz 2 Buchstabe d dieser Verordnung offenkundig öffentlich gemacht haben.

    (Randnrn. 57 bis 61 und 71)




    URTEIL DES GERICHTS (Zweite Kammer)

    18. Februar 2004(*)

    „Beamte – Personalakte – Schreiben über die Verbreitung gewerkschaftlicher Informationen per E-Mail – Ablehnung der Entfernung aus den Personalakten der Kläger“

    In der Rechtssache T-320/02

    Monika Esch-Leonhardt, Tillmann Frommhold und Emmanuel Larue, Mitarbeiter der Europäischen Zentralbank, wohnhaft in Frankfurt am Main (Deutschland) und Karben (Deutschland), vertreten durch Rechtsanwalt B. Karthaus, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

    Kläger,

    gegen

    Europäische Zentralbank, vertreten durch T. Gilliams und G. Gruber als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt B. Wägenbaur, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

    Beklagte,

    wegen Nichtigerklärung der Entscheidung, in die Personalakte der Kläger ein Schreiben über deren Benutzung des hausinternen E-Mail-Systems für die Verbreitung gewerkschaftlicher Informationen aufzunehmen, und wegen Schadensersatzes

    erlässt

    DAS GERICHT ERSTER INSTANZ DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN, (Zweite Kammer),

    unter Mitwirkung des Präsidenten N. J. Forwood sowie der Richter J. Pirrung und A. W. H. Meij,

    Kanzler: I. Natsinas, Verwaltungsrat,

    aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 8. Oktober 2003,

    folgendes

    Urteil

     Rechtlicher Rahmen

     Gemeinschaftsregelung über den Schutz personenbezogener Daten

    1       Nach Artikel 1 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 45/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2000 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft und zum freien Datenverkehr (ABl. 2001, L 8, S. 1, im Folgenden: Verordnung) gewährleisten die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft den Schutz der Grundrechte und Grundfreiheiten natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten.

    2       Artikel 2 der Verordnung definiert unter Buchstabe a personenbezogene Daten als alle Informationen über eine natürliche Person, unter Buchstabe b die Verarbeitung personenbezogener Daten als jeden Vorgang im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten und unter Buchstabe c eine Datei mit personenbezogenen Daten als jede strukturierte Sammlung personenbezogener Daten, die nach bestimmten Kriterien zugänglich sind.

    3       Nach Artikel 5 der Verordnung dürfen „[p]ersonenbezogene Daten … nur verarbeitet werden, wenn eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt ist:

    c)      die Verarbeitung ist für die Erfüllung eines Vertrages, dessen Vertragspartei die betroffene Person ist, … erforderlich …“.

    4       Artikel 10 Absatz 1 der Verordnung untersagt die „Verarbeitung personenbezogener Daten, aus denen … die Gewerkschaftszugehörigkeit hervorgeh[t] …“.

    5       Nach Artikel 10 Absatz 2 findet Absatz 1 keine Anwendung, wenn

    „a)      die betroffene Person ausdrücklich in die Verarbeitung der genannten Daten eingewilligt hat ... oder

    b)      die Verarbeitung erforderlich ist, um den Pflichten und spezifischen Rechten des für die Verarbeitung Verantwortlichen auf dem Gebiet des Arbeitsrechts Rechnung zu tragen, sofern sie aufgrund der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften oder anderer auf der Grundlage dieser Verträge erlassener Rechtsakte zulässig ist … oder

    ...

    d)      die Verarbeitung sich auf Daten bezieht, die die betroffene Person offenkundig öffentlich gemacht hat ...“.

     Statut, Beschäftigungsbedingungen und Dienstvorschriften der Europäischen Zentralbank (EZB)

    6       Das dem EG-Vertrag beigefügte Protokoll über die Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der EZB (im Folgenden: ESZB-Satzung) enthält folgende Vorschriften:

    „Artikel 36

    Personal

    36.1      Der EZB-Rat legt auf Vorschlag des Direktoriums die Beschäftigungsbedingungen für das Personal der EZB fest.

    36.2      Der Gerichtshof ist für alle Streitsachen zwischen der EZB und deren Bediensteten innerhalb der Grenzen und unter den Bedingungen zuständig, die sich aus den Beschäftigungsbedingungen ergeben.“

    7       Auf der Grundlage der ESZB-Satzung legte der EZB-Rat am 9. Juni 1998 die Beschäftigungsbedingungen für das Personal der EZB fest, die am 31. März 1999 geändert wurden (ABl. 1999, L 125, S. 32, im Folgenden: Beschäftigungsbedingungen), und beschloss die  Geschäftsordnung der EZB, die am 22. April 1999 geändert wurde (ABl. 1999, L 125, S. 34, Berichtigung im ABl. 2000, L 273, S. 40, im Folgenden: Geschäftsordnung).

    8       Nach Artikel 21 der Geschäftsordnung werden die Beschäftigungsverhältnisse zwischen der EZB und ihren Mitarbeitern in den Beschäftigungsbedingungen und den Dienstvorschriften geregelt, wobei Letztere vom Direktorium der EZB festgelegt und geändert werden.

    9       Auf der Grundlage des Artikels 21.3 der Geschäftsordnung und des Artikels 9 Buchstabe a der Beschäftigungsbedingungen legte das Direktorium der EZB die Dienstvorschriften (Staff Rules) fest.

    10     Zur Erstellung und Führung der Personalakte der Mitarbeiter der EZB bestimmen die Beschäftigungsbedingungen Folgendes:

    „7.      Die EZB führt für jeden Mitarbeiter eine Personalakte. Die für diese Personalakten geltenden Regelungen sind gemäß den Grundsätzen … der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr [ABl. L 281, S. 31, im Folgenden: Richtlinie] in den Dienstvorschriften [Staff Rules] festgelegt.“

    11     In den Dienstvorschriften heißt es hierzu:

    „1.3.1 Für jeden Mitarbeiter wird nur eine Personalakte geführt. …

    1.3.2 Die EZB trifft geeignete Maßnahmen zum Schutz personenbezogener Daten gegen zufällige oder böswillige Vernichtung, Verlust, Veränderung, unberechtigte Weitergabe und unberechtigten Zugang.

    1.3.3 Die Personalakte des Mitarbeiters enthält:

    a)      sämtliche sein Dienstverhältnis betreffende Schriftstücke sowie jede Beurteilung seiner Befähigung, Leistung und seines Verhaltens sowie

    b)      die Stellungnahmen des Mitarbeiters zu diesen Schriftstücken.

    Der Mitarbeiter hat auch nach seinem Ausscheiden aus der EZB das Recht, seine vollständige Personalakte einzusehen.

    1.3.4 Die Personalakte wird vertraulich behandelt. Sie darf nur eingesehen werden von

    a)      dem betreffenden Mitarbeiter;

    b)      den Mitgliedern des Direktoriums;

    c)      den Mitarbeitern, denen aus dienstlichen Gründen Zugang zu den in der Akte enthaltenen Informationen zu gewähren ist, wobei dieser Zugang der Zustimmung des Leiters der Direktion Personal bedarf. Die genannten Mitarbeiter unterliegen der beruflichen Geheimhaltungspflicht.

    d)      Der Mitarbeiter kann, sofern das Direktorium zustimmt, die Direktion Personal ermächtigen, seine Personalakte Dritten zur Verfügung zu stellen.“

    12     Zu den Rechtsbehelfen, die den Mitarbeitern der EZB zur Verfügung stehen, bestimmen die Beschäftigungsbedingungen Folgendes:

    „41.      Die Mitarbeiter können gemäß dem in den Dienstvorschriften geregelten Verfahren durch die Erhebung von Beschwerden und Widersprüchen eine verwaltungsinterne Überprüfung der ihnen gegenüber ergangenen Einzelentscheidungen auf deren Vereinbarkeit mit der Personalpolitik und den Beschäftigungsbedingungen der EZB beantragen. Den Mitarbeitern, deren Rechtsbehelf im Anschluss an die verwaltungsinterne Überprüfung nicht abgeholfen wurde, steht das in den Dienstvorschriften vorgesehene Beschwerdeverfahren offen.

             ...

    42.      Sind alle zur Verfügung stehenden internen Verfahren erschöpft, entscheidet der Gerichtshof … in allen Streitsachen zwischen der EZB und einem Mitarbeiter …, für den diese Beschäftigungsbedingungen gelten.

    Diese Zuständigkeit ist auf eine Rechtmäßigkeitskontrolle der Maßnahme oder Entscheidung beschränkt, es sei denn, es handelt sich um eine vermögensrechtliche Streitigkeit, bei der dem Gerichtshof eine Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung zukommt.“

    13     In den Dienstvorschriften heißt es hierzu:

    „8.1      Verwaltungsinterne Überprüfung und Beschwerden

    8.1.0 Ein Mitarbeiter, der eine verwaltungsinterne Überprüfung herbeiführen möchte, kann diese innerhalb von zwei Monaten, nachdem ihm die zu überprüfende Entscheidung mitgeteilt wurde, beantragen.

    8.1.1 …

    8.1.2 Fällt eine Angelegenheit in erster Linie in die Zuständigkeit der Direktion Personal, so befasst der Mitarbeiter damit zunächst den Leiter dieser Direktion. Ist die Sache nicht binnen eines Monats einvernehmlich beigelegt, so kann der Mitarbeiter damit unmittelbar den Generaldirektor Verwaltung und Personal befassen. Möchte sich der Mitarbeiter nicht an den Leiter der Direktion Personal wenden, so kann er den Generaldirektor Verwaltung und Personal auch unmittelbar anrufen.

    8.1.3 Der Generaldirektor/Direktor hat dem Mitarbeiter innerhalb eines Monats, nachdem er mit dem Antrag [auf verwaltungsinterne Überprüfung] befasst wurde, seine mit Gründen versehene schriftliche Entscheidung zu übermitteln.

    8.1.4 Wird der Antrag des Mitarbeiters auf verwaltungsinterne Überprüfung abgelehnt oder vom Generaldirektor/Direktor nicht binnen eines Monats beschieden, so kann der Mitarbeiter von dem nachstehend geregelten Beschwerdeverfahren Gebrauch machen.

    8.1.5 Ein Mitarbeiter, der das Beschwerdeverfahren einleiten will, reicht beim Präsidenten der EZB innerhalb von zwei Monaten eine Beschwerdeschrift zusammen mit den einschlägigen Unterlagen ein ...

    Der Präsident … erteilt dem Mitarbeiter innerhalb eines Monats einen schriftlichen Bescheid.

    ...

    8.2      Klagen beim Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften

    8.2.1 Klagen beim Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften sind innerhalb von zwei Monaten zu erheben. Diese Frist beginnt an dem Tag, an dem dem betroffenen Mitarbeiter der endgültige Beschwerdebescheid zugestellt wird, oder, wenn kein solcher Bescheid ergangen ist, mit dem Ablauf der im Beschwerdeverfahren geltenden Frist von einem Monat ...“

     Sachverhalt und Verfahren

    14     Die Kläger sind aufgrund eines unbefristeten Vertrages bei der EZB beschäftigt. Sie sind Mitglieder der Gewerkschaft „International and European Public Services Organisation“ (IPSO).

    15     Am 28. November 2001 verschickten die Kläger T. Frommhold und E. Larue an bestimmte Direktionen und Generaldirektionen der EZB eine E-Mail mit identischem Wortlaut, mit der sie ihre Kollegen auf die Internetseite der IPSO aufmerksam machten, auf der sich das Muster eines Beschwerdeschreibens gegen den ablehnenden Bescheid der Generaldirektion Verwaltung und Personal zur Gehaltsberechnung befand. Am 4. Dezember 2001 verschickte die Klägerin M. Esch-Leonhardt eine gleichlautende E-Mail an andere Abteilungen der EZB. Alle E-Mails waren im Namen der IPSO unterzeichnet.

    16     In Schreiben vom 4. Dezember 2001 an jeden der Kläger (im Folgenden: streitige Schreiben) führte der Leiter der Direktion Personal der EZB Folgendes aus: „… we have recently informed [IPSO/you] … that IPSO does not have access to the ECB’s e-mail system. As you are also aware the sending of e-mail messages addressed to all staff requires management authorisation. We can therefore not accept that individual staff members collude to … circumvent the requirement of obtaining management authorisation in order to disseminate information concerning IPSO. We urge you to desist from such or similar activities which are a clear circumvention of the rules.“ (Wir haben [die IPSO/Sie] vor kurzem darauf hingewiesen, dass die IPSO keinen Zugang zum E-Mail-System der EZB hat. Wie Ihnen ferner bekannt ist, bedarf das Versenden von E-Mails an sämtliche Mitarbeiter der EZB einer Zustimmung der zuständigen Stelle.  Es kann daher nicht hingenommen werden, dass sich Mitarbeiter absprechen, … um Informationen über die IPSO unter Umgehung der Vorschriften über die vorherige Zustimmung zu versenden. Sie werden aufgefordert, derartige oder ähnliche Handlungen, die eindeutig gegen die Vorschriften verstoßen, zu unterlassen.)

    17     Mit Schreiben vom 17. Dezember 2001 an den Vizepräsidenten der EZB nahmen die Kläger eingehend zu den in den streitigen Schreiben erhobenen Vorwürfen Stellung. Sie machten geltend, dass sie nicht gegen das Verbot, E-Mails an alle Mitarbeiter zu versenden, verstoßen hätten und dass das Verhalten der EZB das Recht auf gewerkschaftliche Betätigung beeinträchtige.

    18     Nachdem die Kläger am 5. März bzw. am 11. April 2002 von der Aufnahme der streitigen Schreiben in ihre Personalakten erfahren hatten, leiteten sie am 30. April bzw. am 10. Juni 2002 das Vorverfahren ein. Sie beantragten beim Generaldirektor Verwaltung und Personal die Entfernung der streitigen Schreiben aus ihren Personalakten, die fortlaufende Nummerierung der Seiten der Personalakten und, hilfsweise, die Aufnahme des Schreibens vom 17. Dezember 2001 in ihre Personalakten.

    19     Mit Schreiben vom 3. Juni und vom 4. Juli 2002 lehnte die EZB den Antrag auf Entfernung der streitigen Schreiben aus den Personalakten der Kläger ab, erklärte sich aber bereit, das Schreiben vom 17. Dezember 2001 in diese Akten aufzunehmen.

    20     Mit Schreiben vom 26. Juli und vom 8. August 2002 legten die Kläger Beschwerde ein, mit der sie u. a. die Entfernung der streitigen Schreiben aus ihren Personalakten beantragten.

    21     Die EZB wies diese Beschwerden mit Schreiben vom 26. August und vom 1. Oktober 2002 zurück.

     Verfahren und Anträge der Parteien

    22     Mit Klageschrift, die am 22. Oktober 2002 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Kläger die vorliegende Klage erhoben.

    23     Mit besonderem Schriftsatz, der am selben Tag bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben sie beantragt, die streitigen Schreiben bis zur Verkündung des Urteils aus ihren Personalakten zu entfernen, hilfsweise, im Wege der einstweiligen Anordnung die EZB daran zu hindern, die Beurteilung der Kläger unter Berücksichtigung der streitigen Schreiben vorzunehmen. Der Präsident des Gerichts hat den Antrag auf einstweilige Anordnung mit Beschluss vom 19. Dezember 2002 (T-320/02 R) unter Vorbehalt der Kostenentscheidung zurückgewiesen.

    24     Da die Kläger darauf verzichtet haben, eine Erwiderung einzureichen, ist das schriftliche Verfahren nach der Einreichung der Klagebeantwortung abgeschlossen worden.

    25     Das Gericht (Zweite Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen.

    26     Die Parteien haben in der Sitzung vom 8. Oktober 2003 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet. Bei dieser Gelegenheit haben die Kläger die Rücknahme ihres Antrags auf Verurteilung der EZB zur Entfernung der streitigen Schreiben aus den Personalakten zu Protokoll erklärt.

    27     Die Kläger beantragen,

    –       die Aufnahme der streitigen Schreiben in ihre Personalakten für rechtsunwirksam zu erklären;

    –       hilfsweise, die Weigerung der EZB, diese Schreiben aus ihren Personalakten zu entfernen, für nichtig zu erklären;

    –       die Weigerung der EZB, die Seiten der Personalakten fortlaufend zu nummerieren, für nichtig zu erklären;

    –       die EZB zu verurteilen, ihnen zum Ersatz des immateriellen Schadens 1 Euro zu zahlen;

    –       der EZB die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

    28     Die Europäische Zentralbank beantragt,

    –       die Klage abzuweisen;

    –       über die Kosten nach Rechtslage zu befinden.

     Zulässigkeit

     Parteivorbringen

    29     Die EZB ist der Ansicht, dass die Aufnahme der streitigen Schreiben in die Personalakten der Kläger keine beschwerende Maßnahme darstelle, gegen die mit einer Anfechtungsklage vorgegangen werden könne. Aus dieser Aufnahme erwachse den Klägern kein Nachteil, da die Personalakte nach den für die EZB anwendbaren Regelungen bei den für die Gehaltserhöhungen und Beförderungen maßgeblichen jährlichen Beurteilungsgesprächen nicht herangezogen werde. Die Vorgesetzten, die die Beurteilungsgespräche durchführten, hätten keinen Zugang zu den Personalakten.

    30     Außerdem habe die Frist zur Einleitung des Vorverfahrens mit dem Erlass der Entscheidung über die Aufnahme der streitigen Schreiben in die Personalakten im Dezember 2001 und nicht mit der Kenntnisnahme der Kläger vom Inhalt dieser Akten zu laufen begonnen. Die vorliegende Klage sei daher verspätet.

    31     Zu den Anträgen bezüglich der Weigerung, die streitigen Schreiben aus den Personalakten zu entfernen und die Seiten dieser Akten durchzunummerieren, macht die EZB geltend, dass diese Weigerung keine Antwort auf den Antrag auf Überprüfung einer Entscheidung im Sinne von Artikel 8.1 der Dienstvorschriften darstelle. Es handele sich dabei um die Entscheidung selbst. Hinsichtlich dieser Entscheidung sei jedoch kein ordnungsgemäßes Vorverfahren durchgeführt worden.

    32     Die Kläger entgegnen, dass die Aufnahme der streitigen Schreiben in ihre Personalakten eine Speicherung personenbezogener Daten darstelle. Da die Personalakte die Grundlage zukünftiger Entscheidungen der Anstellungsbehörde sei, müsse davon ausgegangen werden, dass die Gefahr einer Benachteiligung bestehe, wenn sich die Anstellungsbehörde auf eine Akte stütze, die Dokumente enthalte, die nicht in sie aufgenommen werden dürften.

    33     Jedenfalls hätten die Kläger während des internen Vorverfahrens eine Entscheidung über die Rücknahme der angefochtenen Maßnahme beantragt. Die EZB habe diesen Antrag endgültig abgelehnt.

    34     Auch der auf die fortlaufende Nummerierung der Seiten ihrer Personalakten gerichtete Antrag sei von der EZB abgelehnt worden. Gegen diese Entscheidung müsse ein Rechtsbehelf zur Verfügung stehen.

    35     Schließlich sei der Antrag auf Ersatz des erlittenen immateriellen Schadens zulässig, weil der behauptete Schaden durch eine ungerechtfertigte Verarbeitung personenbezogener Daten und durch das auf Einschüchterung der Kläger wegen ihrer gewerkschaftlichen Aktivitäten gerichtete Verhalten der EZB verursacht worden sei.

     Würdigung durch das Gericht

    36     Der Rechtsschutz der Mitarbeiter der EZB ist in der Weise geregelt, dass Artikel 42 der Beschäftigungsbedingungen dem Gemeinschaftsrichter, nach Erschöpfung der zu diesem Zweck vorgesehenen Vorverfahren, die Zuständigkeit für die Entscheidung aller Rechtsstreitigkeiten zwischen der EZB und ihren Mitarbeitern überträgt. Diese Zuständigkeit ist grundsätzlich auf eine rechtliche Prüfung „der Maßnahme oder Entscheidung“ beschränkt, wobei Artikel 8.2.1 der Dienstvorschriften u. a. bestimmt, dass sich die Klagen dieser Mitarbeiter gegen die „endgültige Entscheidung in einem Beschwerdeverfahren“ richten müssen.

    37     Da eine ausdrückliche Definition der in dieser Regelung verwendeten Begriffe „Entscheidung“ und „Maßnahme“ fehlt, sind diese nach dem Vorbild der beschwerenden Maßnahme im Sinne der Artikel 90 Absatz 2 und 91 Absatz 1 des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften auszulegen (vgl. entsprechend Urteil des Gerichts vom 28. September 1999 in der Rechtssache T-140/97, Hautem/EIB, Slg. ÖD 1999, I-A-171 und II-897, Randnr. 77). Nach der Rechtsprechung sind nur Maßnahmen, die verbindliche Rechtswirkungen erzeugen, welche die Interessen des Klägers durch einen erheblichen Eingriff in seine Rechtsstellung direkt und unmittelbar beeinträchtigen, beschwerende Maßnahmen, gegen die die Anfechtungsklage gegeben ist (Urteile des Gerichtshofes vom 14. Februar 1989 in der Rechtssache 346/87, Bossi/Kommission, Slg. 1989, 303, Randnr. 23, und des Gerichts vom 6. Juni 1996 in der Rechtssache T-391/94, Baiwir/Kommission, Slg. ÖD 1996, I-A-269 und II-787, Randnr. 34).

    38     Im vorliegenden Fall gehören zu der Regelung, die auf die von der EZB verwahrten Personalakten anwendbar ist, nach Artikel 7 der Beschäftigungsbedingungen auch die einschlägigen Bestimmungen der Richtlinie über den Schutz natürlicher Personen im Zusammenhang mit der Verarbeitung personenbezogener Daten. Nach Artikel 286 Absatz 1 EG sind außerdem die Gemeinschaftsrechtsakte über diesen Schutz seit dem 1. Januar 1999 auf die Gemeinschaftsorgane und -einrichtungen anwendbar. Seit ihrem Inkrafttreten am 2. Februar 2001 erfasst somit die Verordnung Nr. 45/2001 die Verarbeitung personenbezogener Daten innerhalb der EZB (in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 19. Juni 2003 in der Rechtssache T-78/02, Voigt/EZB, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 71).

    39     Folglich konnte sich die EZB bei der Aufnahme der streitigen Schreiben in die Personalakten der Kläger keineswegs, wie sie in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat, auf eine rein mechanische und automatische Ausführungshandlung beschränken. Vielmehr musste ihr bewusst sein, dass sie personenbezogene Daten im Sinne von Artikel 2 Buchstaben a, b und c der Verordnung verarbeitete, wenn sie solche Daten in einer Datei mit personenbezogenen Daten aufbewahrte. Sie äußerte sich damit zwangsläufig zur Rechtmäßigkeit dieser Verarbeitung sowohl nach Artikel 5 der Verordnung u. a. dahin gehend, dass die Kläger sie als für die Erfüllung ihrer Dienstverträge mit der EZB erforderlich hinnehmen mussten (Artikel 5 Buchstabe c), als auch nach Artikel 10 der Verordnung dahin gehend, dass das Verbot, die Gewerkschaftszugehörigkeit zu offenbaren, auf den Fall der Kläger nicht anwendbar sei.

    40     Die Aufnahme der streitigen Schreiben in die Personalakten der Kläger war somit als solche geeignet, deren Recht auf ausreichenden Schutz gegen eine rechtswidrige Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten zu beeinträchtigen.

    41     Da die streitige Aufnahme als beschwerende Maßnahme anzusehen ist, stellt sie eine „Entscheidung“  im Sinne der Dienstvorschriften dar, für die Artikel 8.1.0 dieser Vorschriften eine Beschwerdefrist von zwei Monaten ab dem Datum der „Mitteilung“ der Entscheidung vorsieht. Daraus folgt, dass diese Frist entgegen dem Vorbringen der EZB nicht am Tag der Aufnahme der streitigen Schreiben in die Personalakten, über die die Kläger nicht informiert wurden, sondern an dem Tag zu laufen begonnen hat, an dem sie Kenntnis von dieser Aufnahme erlangt haben, d. h. am 5. März bzw. 11. April 2002. Ihre am 30. April bzw. 10. Juni 2002 eingereichten Anträge auf Überprüfung sind somit innerhalb der durch Artikel 8.1.0 der Dienstvorschriften festgesetzten Frist gestellt worden. Das Vorverfahren ist demnach ordnungsgemäß abgelaufen.

    42     Der Antrag, die Aufnahme der streitigen Schreiben in die Personalakten der Kläger für rechtsunwirksam zu erklären, ist daher zulässig.

    43     Hinsichtlich des Antrags auf Nichtigerklärung der Weigerung der EZB, die Seiten der Personalakten durchzunummerieren, ist zu beachten, dass Artikel 42 Absatz 1 der Beschäftigungsbedingungen die Zulässigkeit einer Klage vor dem Gemeinschaftsrichter von der Erschöpfung der in Artikel 41 Absatz 1 der Beschäftigungsbedingungen vorgesehenen Vorverfahren abhängig macht.

    44     In diesem Zusammenhang beruft sich die EZB auf Artikel 8.1.0 der Dienstvorschriften, wonach die verwaltungsinterne Überprüfung innerhalb von zwei Monaten ab dem Tag, an dem die zu überprüfende „Entscheidung“ dem betreffenden Mitarbeiter mitgeteilt wurde, einzuleiten ist. Sie macht geltend, dass dieses Verfahren nicht durch einen einfachen Antrag in Gang gesetzt werden könne, sondern gegen eine den Kläger beschwerende Maßnahme gerichtet sein müsse.

    45     Im vorliegenden Fall wurde das Problem der Durchnummerierung der Seiten der Personalakten zum ersten Mal in den Schreiben vom 30. April und vom 10. Juni 2002 aufgeworfen, mit denen die Kläger die Einleitung einer verwaltungsinternen Überprüfung nach Artikel 8.1 der Dienstvorschriften beantragten. Diese Schreiben waren an den Generaldirektor Verwaltung und Personal gerichtet, der den Antrag am 4. Juli 2002 ablehnte.

    46     Artikel 8.1.2 der Dienstvorschriften macht die Einleitung des Vorverfahrens keineswegs vom Vorliegen einer Entscheidung im eigentlichen Sinne abhängig, sondern ermöglicht es den Mitarbeitern, mit einer „Angelegenheit“ entweder den Leiter der Direktion Personal oder unmittelbar den Generaldirektor Verwaltung und Personal zu befassen. Da die Kläger diese Verfahrensvoraussetzungen erfüllt haben, ist ihre nach der Zurückweisung ihrer Beschwerden durch den Präsidenten der EZB erhobene Klage zulässig, soweit mit ihr die Durchnummerierung der Seiten ihrer Personalakten beantragt wird.

    47     Zu dem Antrag auf Ersatz des geltend gemachten immateriellen Schadens genügt der Hinweis, dass nach dem Rechtsbehelfssystem der Artikel 90 und 91 des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften eine erstmals vor dem Gericht erhobene Schadensersatzklage zulässig ist, auch wenn die vorherige Verwaltungsbeschwerde nur auf Aufhebung der angeblich schädigenden Entscheidung gerichtet war, denn ein Aufhebungsantrag kann einen Antrag auf Ersatz des behaupteten Schadens umfassen (Urteil des Gerichts vom 13. Juli 1995 in der Rechtssache T-44/93, Saby/Kommission, Slg. ÖD 1995, I-A-175 und II-541, Randnr. 28). Die Beschäftigungsbedingungen der EZB enthalten in den Artikeln 41 und 42 Vorschriften, die mit denjenigen des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften über das Vorverfahren vergleichbar sind. Daher ist der Antrag auf Ersatz des durch das Verhalten der EZB angeblich verursachten immateriellen Schadens zulässig, obwohl die Kläger ihn im Vorverfahren nicht gestellt haben.

    48     Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass die Klage in vollem Umfang zulässig ist.

     Begründetheit

     Zum Antrag auf Nichtigerklärung der Entscheidungen über die Aufnahme der streitigen Schreiben in die Personalakten der Kläger

    49     Ihren Antrag stützen die Kläger auf zwei Klagegründe: einen Verstoß gegen die Bestimmungen über den Schutz personenbezogener Daten und eine Beeinträchtigung des Rechts auf gewerkschaftliche Betätigung.

     Zum Klagegrund eines Verstoßes gegen die Bestimmungen über den Schutz personenbezogener Daten

    –       Parteivorbringen

    50     Die Kläger machen geltend, dass die Speicherung personenbezogener Daten, aus denen die Gewerkschaftszugehörigkeit hervorgehe, nach Artikel 10 Absatz 1 der Verordnung untersagt sei. Die Aufnahme der streitigen Schreiben in ihre Personalakten, obwohl aus ihnen ihre Gewerkschaftszugehörigkeit hervorgehe, sei daher rechtswidrig. Sie sei durch keinen der in Artikel 10 Absatz 2 der Verordnung genannten Gründe gerechtfertigt.

    51     Die Informationen über ihre Gewerkschaftszugehörigkeit zu ihren Personalakten zu nehmen, werde insbesondere nicht dadurch gerechtfertigt, dass sie als Aktivisten der Gewerkschaft IPSO aufgetreten seien und dass die fraglichen E-Mails „im Namen der IPSO“ unterzeichnet worden seien. Auch wenn diese Information damit offenkundig geworden sein sollte, stehe ihre Verarbeitung immer noch unter dem allgemeinen Vorbehalt des Artikels 5 der Verordnung, wonach eine Datenverarbeitung nur dann rechtmäßig sei, wenn sie erforderlich sei. Selbst wenn man unterstellte, die Kläger hätten vertragliche Pflichten verletzt und es wäre nach Artikel 5 Buchstabe c der Verordnung erforderlich, dies zu dokumentieren, gelte das eben nicht für das Kriterium der Gewerkschaftszugehörigkeit. Um diesen angeblichen Verstoß zu dokumentieren, hätte es ausgereicht, den schriftlichen Beweis dafür aufzubewahren und die Hinweise auf die Gewerkschaftszugehörigkeit zu schwärzen. Diese Information dürfe weder in der Personalakte noch in anderen Akten gespeichert werden; sie dürfe überhaupt nicht gespeichert werden.

    52     Nach Ansicht der EZB sind die Voraussetzungen des Ausnahmetatbestands des Artikels 10 Absatz 2 Buchstabe b der Verordnung im vorliegenden Fall gegeben. Artikel 1.3.3 Buchstabe a der Dienstvorschriften verlange nämlich die Aufbewahrung aller Dokumente in der Personalakte, die den dienstrechtlichen Status eines Beschäftigten oder seine Befähigung, seine Leistungsfähigkeit und sein (dienstliches) Verhalten beträfen.

    53     Die Aufbewahrung der streitigen Schreiben diene allein der Dokumentation eines Verstoßes gegen bestimmte interne Dienstanweisungen der EZB. Durch die Versendung nicht dienstbezogener E-Mails an nahezu die gesamte Belegschaft hätten die Kläger gegen die „Electronic Mail Policy Guidelines“ der EZB vom 17. November 1999 verstoßen, wonach an die gesamte Belegschaft gerichtete E-Mails der Genehmigung durch einen Vorgesetzten bedürften. Die Kläger hätten diese Verpflichtung dadurch umgangen, dass jeder von ihnen über seine dienstliche E-Mail-Adresse eine gleichlautende E-Mail an bestimmte Generaldirektionen geschickt habe. Dass die Kläger dabei ihr Verhalten aufeinander abgestimmt hätten, liege angesichts des identischen Wortlauts aller drei E-Mails und der Aufteilung der Adressen der Generaldirektionen der EZB auf der Hand. Eine Überprüfung anhand des Organigramms ergebe, dass die Kläger sich an mehr als 95 % der Mitarbeiter der EZB gewandt hätten. Eine einzige Generaldirektion sei vergessen worden. De facto seien die E-Mails daher an die gesamte Belegschaft gegangen.

    54     Schließlich seien auch die Voraussetzungen des Ausnahmetatbestands des Artikels 10 Absatz 2 Buchstabe d der Verordnung erfüllt.

    –       Würdigung durch das Gericht

    55     Artikel 10 Absatz 1 der auf die EZB anwendbaren Verordnung Nr. 45/2001 (siehe oben, Randnr. 38) untersagt die Verarbeitung personenbezogener Daten, „aus denen … die Gewerkschaftszugehörigkeit hervorgeh[t]“.

    56     Weder die E-Mails, die Anlass zu den streitigen Schreiben gegeben haben, noch die Schreiben selbst offenbaren ausdrücklich die Gewerkschaftszugehörigkeit der Kläger in dem Sinne, dass diese als „Mitglieder der IPSO“ identifiziert würden. In den E-Mails wird nur auf die Internetseite der IPSO verwiesen, und sie sind von den Klägern nur „on behalf of IPSO“ (im Namen der IPSO) unterzeichnet. Die streitigen Schreiben geben lediglich den Inhalt der E-Mails wieder und werfen den Klägern die Verbreitung von  Informationen über die IPSO innerhalb der EZB unter Verstoß gegen die Regeln über die Nutzung des internen E-Mail-Systems der EZB vor; in diesem Zusammenhang wird darin angeführt, dass die IPSO über ihren „representative“ (Vertreter) bei der EZB, Herrn Frommhold, der einer der Kläger ist, darüber informiert worden sei, dass die IPSO keinen Zugang zum internen E-Mail-System der EZB habe.

    57     Selbst wenn dieses Offenlegen der Beteiligung der Kläger an gewerkschaftlichen Betätigungen als Hinweis auf ihre Gewerkschaftszugehörigkeit anzusehen sein sollte, ist festzustellen, dass nach Artikel 10 Absatz 2 Buchstabe d der Verordnung das in Artikel 10 Absatz 1 enthaltene Verarbeitungsverbot keine Anwendung findet, wenn die Verarbeitung sich auf Daten bezieht, die die betroffene Person offenkundig öffentlich gemacht hat. Wie die EZB zu Recht vorgetragen hat, haben die Kläger von sich aus innerhalb der EZB ihre Gewerkschaftszugehörigkeit öffentlich gemacht, indem sie die E-Mails vom 28. November und vom 4. Dezember 2001 im Namen der IPSO unterzeichnet haben. In den streitigen Schreiben wurde diese von den Klägern selbst verbreitete Information lediglich wiederholt.

    58     Außerdem enthält ein an den Vizepräsidenten gerichtetes Protestschreiben der Kläger vom 17. Dezember 2001 zahlreiche Hinweise auf ihre gewerkschaftliche Betätigung, und sie erklären darin selbst ausdrücklich, „Mitglieder der IPSO“ zu sein. Die Kläger haben sogar förmlich und mit Erfolg die Aufnahme dieses Schreibens in ihre Personalakten beantragt, ohne vor Gericht die Löschung oder Schwärzung der Hinweise auf ihre Gewerkschaftszugehörigkeit zu verlangen.

    59     Daraus folgt, dass die Aufnahme der streitigen Schreiben in die Personalakten der Kläger nicht gegen das Verbot des Artikels 10 Absatz 1 der Verordnung verstößt.

    60     Zum Einwand der Kläger, dass die Dokumentation ihrer Gewerkschaftszugehörigkeit für die Erfüllung ihrer Verträge mit der EZB nicht relevant gewesen sei, genügt der Hinweis, dass die EZB in Anbetracht des Verbotes der Führung von Nebenakten zu Recht angenommen hat, die Aufnahme der streitigen Schreiben in die Personalakten der Kläger sei für die Erfüllung ihrer Dienstverträge „erforderlich“ im Sinne von Artikel 5 Buchstabe c der Verordnung. Soweit diese Schreiben nämlich eine Abmahnung der Kläger enthalten, betreffen sie deren Dienstverhältnis und können für einen eventuellen Bericht über ihr dienstliches Verhalten im Sinne des Artikels 1.3.3 der Dienstvorschriften von Bedeutung sein.

    61     Entgegen der von den Klägern in der mündlichen Verhandlung vertretenen Ansicht wäre eine bereinigte Version der genannten Schreiben, in der alle Hinweise auf die Beziehungen zwischen den Klägern und der IPSO geschwärzt sind, für die Zwecke einer sachgerechten Führung der Personalakten nicht ausreichend. Der Umstand, dass die Kläger in ihrer Eigenschaft als Anhänger einer Gewerkschaft zur Erreichung gewerkschaftlicher Ziele und nicht zu Gewinnzwecken oder anderen nichtdienstlichen Zwecken gegen die genannte interne Regelung verstoßen haben, kann nämlich die Beurteilung ihres dienstlichen Verhaltens beeinflussen.

    62     Dieser Klagegrund ist somit zurückzuweisen.

     Zum Klagegrund einer Beeinträchtigung des Rechts auf gewerkschaftliche Betätigung

    –       Parteivorbringen

    63     Die Kläger sind der Ansicht, die EZB bestrafe sie für die Verbreitung von Informationen über die Gewerkschaft IPSO. Sie sehen darin eine Beeinträchtigung des Rechts auf gewerkschaftliche Betätigung. Die EZB verfolgt ihrer Meinung nach zwei Ziele: zu dokumentieren, dass sie darauf hingewiesen worden seien, dass es ihnen untersagt sei, im Zusammenwirken mit anderen Kollegen Informationen über die Gewerkschaft IPSO zu verbreiten, und sie auf „schwarze Listen“ zu setzen. Hierzu sei die Dokumentation der Gewerkschaftszugehörigkeit erforderlich.

    64     Zu diesem Punkt verweisen die Kläger auf die Schlussfolgerungen des Sachverständigenausschusses der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO), wonach Artikel 3 des von allen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft ratifizierten IAO-Übereinkommens Nr. 87 sogar für externe Gewerkschaftsangehörige das Recht vorsehe, mit Belegschaften zu kommunizieren. Die Kläger schließen daraus, dass interne Gewerkschaftsvertreter erst recht in ihrer Kommunikation nicht behindert werden dürften. Nach dem Urteil des Gerichtshofes vom 18. Januar 1990 in den Rechtssachen C-193/87 und C-194/97 (Maurissen und Gewerkschaftsbund/Rechnungshof, Slg. 1990, I-95, Randnrn. 14 und 15) könnten Gemeinschaftsorgane und ‑einrichtungen ihren Bediensteten weder verbieten, Mitglied einer Gewerkschaft zu werden und an der Gewerkschaftsarbeit teilzunehmen, noch dürften sie diese in irgendeiner Form wegen dieser Mitgliedschaft oder der Gewerkschaftsarbeit benachteiligen. Die Gemeinschaftsorgane und ‑einrichtungen müssten, ohne ungerechtfertigte Unterschiede in der Behandlung der Gewerkschaften zu machen, hinnehmen, dass diese die ihnen zukommenden Aufgaben wahrnähmen, indem sie u. a. Aktionen zur Unterrichtung der Beamten und sonstigen Bediensteten durchführten, diese bei den Organen und Einrichtungen verträten und an der Konzertierung mit diesen Organen und Einrichtungen in allen das Personal interessierenden Bereichen teilnähmen.

    65     Was den technischen Aspekt der Verbreitung von Gewerkschaftsmitteilungen über das hausinterne E-Mail-System anbelange, so hätten die streitigen Schreiben nicht etwa eventuelle Überlastungen des Systems zum Gegenstand; sie enthielten vielmehr die ausdrückliche Aufforderung, die Verbreitung von Informationen bezüglich der Gewerkschaft IPSO zu unterlassen. Die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten hätten, soweit ersichtlich, jedenfalls auch gegenüber der Verbreitung von gewerkschaftlichen Informationen über arbeitgebereigene E-Mail-Systeme keine Vorbehalte.

    66     Die EZB macht geltend, die Kläger verkennten die Tragweite der gewerkschaftlichen Betätigungsfreiheit, und bestreitet, sie an der Ausübung dieser Freiheit gehindert zu haben. Die Aufnahme der streitigen Schreiben in die Personalakten der Kläger könne keine Verletzung dieser Freiheit darstellen, da sie lediglich einen Verstoß gegen interne Dienstanweisungen dokumentiere.

    67     Der Grundsatz der gewerkschaftlichen Betätigungsfreiheit verlange nicht, dass ein Arbeitgeber Gewerkschaften oder deren Mitglieder durch die Bereitstellung von Betriebsmitteln unterstütze. Im Urteil Maurissen und Gewerkschaftsbund/Rechnungshof (Randnrn. 21 und 26) heiße es, dass die Vereinigungsfreiheit zwar ein allgemeiner Grundsatz des Arbeitsrechts sei, jedoch inhaltlich nicht so weit gefasst werden könne, dass sie die Gemeinschaftsorgane und -einrichtungen dazu verpflichtete, ihre Botendienste den Gewerkschaften für die Verbreitung gewerkschaftlicher Mitteilungen an das Personal zur Verfügung zu stellen. Der Grundsatz der gewerkschaftlichen Betätigungsfreiheit könne daher keine Verpflichtung der EZB begründen, den Klägern die Nutzung des hausinternen E-Mail-Systems und der Computer der EZB für gewerkschaftliche Tätigkeiten zu gestatten.

    68     Die Kläger seien daher an die Vorschrift, keine E-Mails an die gesamte Belegschaft zu schicken, in gleichem Maße gebunden wie andere Mitarbeiter, die keiner Gewerkschaft angehörten. Ein Verstoß gegen diese interne Vorschrift sei als Bestandteil des dienstlichen Verhaltens der Kläger und nicht als Ausübung eines Grundrechts anzusehen. Die Notwendigkeit, die fraglichen E-Mails und die streitigen Schreiben in der Personalakte abzulegen, ergebe sich zwingend aus Artikel 1.3.3 der Dienstvorschriften.

    –       Würdigung durch das Gericht

    69     Zunächst ist festzustellen, dass die Kläger nichts vorgetragen haben, was ihre Vermutung stützen könnte, die Dokumentation ihrer Gewerkschaftszugehörigkeit durch die Verwaltung diene dazu, sie zu bestrafen, indem sie auf „schwarze Listen“ gesetzt würden. Dasselbe gilt für ihre Behauptung, diese Dokumentation gefährde ihre Laufbahnentwicklung und solle sie dazu veranlassen, auf die Ausübung ihres aus der Koalitionsfreiheit abgeleiteten Grundrechts zu verzichten. Die Akten enthalten nichts, was den Schluss erlauben würde, dass die fragliche Dokumentation dazu verwendet worden ist oder verwendet werden sollte, die Kläger allein wegen ihrer Gewerkschaftszugehörigkeit zu benachteiligen oder zu bestrafen.

    70     Daher genügt der Hinweis, dass die Kläger, sollten sie von einer diskriminierenden Handlung betroffen sein, die ihre Vorgesetzten offen auf ihre Gewerkschaftszugehörigkeit stützen – sei diese in ihren Personalakten vermerkt oder nicht –, sich auf das Grundrecht, einer Gewerkschaft anzugehören und sich gewerkschaftlich zu betätigen, berufen könnten. Selbst wenn die Kläger Opfer einer versteckten Diskriminierung aufgrund ihrer Gewerkschaftszugehörigkeit – ohne entsprechende ausdrückliche Bezugnahme darauf durch die Vorgesetzten – werden sollten, könnten sie nicht behaupten, dass allein die Aufbewahrung der streitigen Schreiben in den Personalakten eine solche diskriminierende Handlung ermöglicht habe. Die Kläger haben nämlich durch die genannten E‑Mails und das Protestschreiben vom 17. Dezember 2001 selbst bekannt gemacht, dass sie für die Gewerkschaft IPSO tätig sind. Ihre Gewerkschaftszugehörigkeit war daher seitdem innerhalb der EZB öffentlich bekannt.

    71     Die Aufnahme der streitigen Schreiben in die Personalakten der Kläger kann daher als solche nicht das Recht auf gewerkschaftliche Betätigung beeinträchtigt haben.

    72     Die Kläger machen ferner geltend, in den streitigen Schreiben werde ihnen zu Unrecht vorgeworfen, sie hätten gegen die Vorschriften der EZB über die Nutzung des hausinternen E-Mail-Systems verstoßen. Auf jeden Fall stehe das Grundrecht der Koalitionsfreiheit einem Verbot der Verbreitung von Gewerkschaftsmitteilungen entgegen. Die streitigen Schreiben müssten daher aus ihren Personalakten entfernt werden, weil sie ihr Recht auf gewerkschaftliche Betätigung beeinträchtigten.

    73     Mit diesem Vorbringen wenden sich die Kläger gegen den Inhalt der streitigen Schreiben. Diese sind ihnen aber schon am 4. Dezember 2001 (Randnr. 3 der Klageschrift) übermittelt worden, während die Überprüfungsanträge, mit denen die Kläger das Vorverfahren eingeleitet haben, erst vom 30. April bzw. vom 10. Juni 2002 datieren. Außerdem haben die Kläger zwar am 17. Dezember ein Protestschreiben an den Vizepräsidenten der EZB gerichtet, dessen Nichtbescheidung jedoch nicht durch Eröffnung eines ordnungsgemäßen vorgerichtlichen Verfahrens innerhalb der in Artikel 8.1.0 der Dienstvorschriften festgesetzten Frist angegriffen.

    74     Daher ist zu prüfen, ob die streitigen Schreiben als beschwerende Maßnahmen (vgl. oben, Randnr. 37) bestandskräftig geworden sind, so dass das gegen ihren Inhalt gerichtete Vorbringen als verspätet und damit unzulässig zurückzuweisen ist.

    75     Hierzu haben die Kläger in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht, die streitigen Schreiben brächten lediglich die persönliche Meinung ihres Verfassers zum Ausdruck. Dass dieser dabei in seiner Eigenschaft als Mitarbeiter der Direktion Personal den Briefkopf der EZB benutzt habe, ändere daran nichts. Die Schreiben hätten also keine bindende rechtliche Wirkung gehabt, die direkt und unmittelbar ihre Interessen beeinträchtigt hätte. Daher hätten sie im Übrigen auch nicht auf diese Schreiben reagiert.

    76     Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden.

    77     Der Verfasser der streitigen Schreiben hat sich in seiner Eigenschaft als Leiter der Direktion Personal an die Kläger gewandt. Wie aus den Dienstvorschriften hervorgeht, ist dieser Direktor für Fragen der allgemeinen Personalverwaltung zuständig: Nach Artikel 8.1.2 dieser Vorschriften müssen Mitarbeiter, die eine Überprüfung herbeiführen möchten, die die Zuständigkeit der Direktion Personal berührt, grundsätzlich diesen Direktor anrufen. Außerdem haben die Kläger selbst erklärt, dass die Personalabteilung sie förmlich einbestellt und ihnen die streitigen Schreiben gegen Empfangsbestätigung ausgehändigt habe (Randnr. 3 der Klageschrift). Sie können daher nicht mit Erfolg geltend machen, die Schreiben seien Ausdruck einer rein persönlichen Meinung.

    78     Auch haben die Kläger in ihrem an den Vizepräsidenten der EZB gerichteten Protestschreiben vom 17. Dezember 2001 eindeutig mitgeteilt, dass sie in den streitigen Schreiben selbst eine Beeinträchtigung der Ausübung ihres Rechts auf gewerkschaftliche Betätigung sähen. Sie haben nämlich betont, jedes dieser Schreiben „has serious implications for us … We cannot accept this letter … the EU institutions and bodies are not allowed to hinder the trade unions … it is highly questionable to single out trade union representatives and to intimidate them … Director Personnel is having a threatening stance“ (hat ernsthafte Auswirkungen für uns … Wir können dieses Schreiben nicht akzeptieren … die EU-Organe und -einrichtungen dürfen die Gewerkschaften nicht behindern … es ist äußerst fragwürdig, Gewerkschaftsvertreter herauszugreifen und einzuschüchtern … der Personaldirektor nimmt eine drohende Haltung ein). Abschließend weisen die Kläger den Vizepräsidenten darauf hin, dass sie seine „decision to confirm the right of trade unions at the ECB“ (Entscheidung, mit der die Rechte der Gewerkschaften innerhalb der EZB bestätigt werden) erwarten.

    79     Schließlich bestätigt der Inhalt der streitigen Schreiben (vgl. oben, Randnr. 16), dass diese keine rein persönliche Meinung ihres Verfassers enthalten. Ihr Wortlaut zeigt nämlich, dass es sich um Maßnahmen unterhalb der Schwelle einer Disziplinarstrafe handelt, mit denen die Beklagte den Klägern vorwirft, gegen die genannten internen Vorschriften  verstoßen zu haben. Wie sich aus dem Protestschreiben der Kläger vom 17. Dezember 2001 ergibt, in dem sie nicht nur eine Beeinträchtigung ihres Rechts auf gewerkschaftliche Betätigung gerügt, sondern auch jegliche Umgehung und damit jeglichen Verstoß gegen die besagten Vorschriften bestritten haben, waren sie sich der Bedeutung dieser Schreiben auch bewusst. Sie hätten daher wissen müssen, dass ihnen diese Maßnahmen, sobald sie bestandskräftig wurden, entgegengehalten werden könnten.

    80     Da die Kläger nicht fristgerecht in der Sache gegen die streitigen Schreiben vorgegangen sind, können diese im vorliegenden Verfahren nicht mehr angefochten werden, weder in tatsächlicher Hinsicht noch hinsichtlich der rechtlichen Bewertung des fraglichen dienstlichen Fehlverhaltens. Die Kläger können daher lediglich im entsprechenden Zusammenhang gegebenenfalls geltend machen, dass dieses Fehlverhalten gegenüber ihrem Grundrecht auf Koalitionsfreiheit unbedeutend sei.

    81     Das gegen den Inhalt der streitigen Schreiben gerichtete Vorbringen ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

    82     Daraus ergibt sich, dass der Klagegrund einer Beeinträchtigung des Rechts auf gewerkschaftliche Betätigung insgesamt zurückzuweisen ist.

    83     Folglich ist der Antrag auf Nichtigerklärung der Entscheidungen über die Aufnahme der streitigen Schreiben in die Personalakten der Kläger zurückzuweisen.

    84     Dasselbe gilt für den hilfsweise gestellten Antrag, die Weigerung der EZB, die Schreiben aus den Personalakten zu entfernen, für nichtig zu erklären, da dieser Antrag ebenfalls auf die Klagegründe gestützt ist, die soeben zurückgewiesen wurden. Seine Zulässigkeit braucht daher nicht geprüft zu werden.

     Zum Antrag auf Nichtigerklärung der Weigerung, die Seiten der Personalakten fortlaufend zu nummerieren

    85     Zur Begründung ihres Antrags berufen sich die Kläger auf einen Verstoß gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung und machen geltend, die fortlaufende Nummerierung der Seiten sei eine übliche Praxis, wie sich u. a. aus den vom Gericht ausgegebenen Praktischen Anweisungen für die Parteien und aus Artikel 26 des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften ergebe.

    86     Hierzu genügt die Feststellung, dass keine spezifische auf die EZB anwendbare Regelung diese verpflichtet, die Seiten der in den Personalakten enthaltenen Unterlagen zu nummerieren. Das sehr knappe Vorbringen der Kläger zu diesem Punkt kann nicht als Nachweis des Bestehens eines allgemeinen Grundsatzes dienen, wonach eine solche Nummerierung auch zu erfolgen hätte, wenn es an spezifischen Vorschriften fehlt.

    87     Außerdem hat die EZB als Anlage zu ihrer Klagebeantwortung eine Übersicht vorgelegt, aus der hervorgeht, dass es in den Rechtsordnungen der meisten Mitgliedstaaten keine Verpflichtung zur Nummerierung der Seiten von Personalakten gibt; sie schließt daraus, dass Artikel 26 des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften nicht als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes angesehen werden kann.

    88     Auch wenn dieser Behauptung nicht zu widersprechen ist, muss die EZB gleichwohl für die uneingeschränkte Einhaltung von Artikel 1.3.3 der Dienstvorschriften sorgen, indem sie den Zugang zu einer Personalakte gewährleistet, die von jedem zur Einsichtnahme Berechtigten nicht nur auf ihren Inhalt, sondern auch auf ihre Vollständigkeit überprüft werden kann.

    89     Die Kläger haben im vorliegenden Fall jedoch nichts Konkretes dafür vorgetragen, dass dies nicht gewährleistet wäre.

    90     Der Klagegrund eines Verstoßes gegen den Grundsatz ordnungsgemäßer Verwaltung hat daher keinen Erfolg.

    91     Daraus folgt, dass der Antrag auf Nichtigerklärung der Weigerung, die Seiten der Personalakte fortlaufend zu nummerieren, zurückzuweisen ist.

     Zum Antrag auf Schadensersatz

    92     Zur Forderung der Kläger auf Ersatz des immateriellen Schadens, der ihnen durch die unzulässige Verarbeitung personenbezogener Daten und ihre Einschüchterung wegen ihrer gewerkschaftlichen Betätigung entstanden sei, ist daran zu erinnern, dass dieser Schadensersatzantrag im vorliegenden Fall im Vorverfahren nicht ausdrücklich vorgebracht worden ist. Er ist daher nur zulässig, soweit er mit dem im Vorverfahren gestellten Antrag auf Nichtigerklärung verknüpft war (vgl. oben, Randnr. 47). Er ist somit nur wegen seiner engen Verbindung mit dem Nichtigkeitsantrag zulässig.

    93     Da Letzterer zurückgewiesen wurde, ist auch der Schadensersatzantrag als eng mit diesem Antrag verbunden zurückzuweisen (in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 15. Mai 1997 in der Rechtssache T-273/94, N/Kommission, Slg. ÖD  997, I‑A‑97 und II‑289, Randnr. 159, und vom 23. Januar 2002 in der Rechtssache T‑386/00, Gonçalves/Parlament, Slg. ÖD 2002, I‑A‑13 und II‑55, Randnr. 92).

    94     Nach alledem ist die Klage insgesamt als unbegründet abzuweisen.

     Kosten

    95     Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Nach Artikel 88 der Verfahrensordnung tragen jedoch die Organe in Streitsachen zwischen den Gemeinschaften und deren Bediensteten ihre Kosten selbst. Da die Kläger unterlegen sind, trägt jede Partei ihre eigenen Kosten, einschließlich der Kosten des Verfahrens der einstweiligen Anordnung.

    Aus diesen Gründen

    hat

    DAS GERICHT (Zweite Kammer)

    für Recht erkannt und entschieden:

    1.      Die Klage wird abgewiesen.

    2.      Die Parteien tragen jeweils ihre eigenen Kosten, einschließlich der Kosten des Verfahrens der einstweiligen Anordnung  T‑320/02 R.

    Forwood

    Pirrung

    Meij

    Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 18. Februar 2004.

    Der Kanzler

     

           Der Präsident

    H. Jung

     

           N. J. Forwood

    Inhaltsverzeichnis


    Rechtlicher Rahmen

    Gemeinschaftsregelung über den Schutz personenbezogener Daten

    Statut, Beschäftigungsbedingungen und Dienstvorschriften der Europäischen Zentralbank (EZB)

    Sachverhalt und Verfahren

    Verfahren und Anträge der Parteien

    Zulässigkeit

    Parteivorbringen

    Würdigung durch das Gericht

    Begründetheit

    Zum Antrag auf Nichtigerklärung der Entscheidungen über die Aufnahme der streitigen Schreiben in die Personalakten der Kläger

    Zum Klagegrund eines Verstoßes gegen die Bestimmungen über den Schutz personenbezogener Daten

    – Parteivorbringen

    – Würdigung durch das Gericht

    Zum Klagegrund einer Beeinträchtigung des Rechts auf gewerkschaftliche Betätigung

    – Parteivorbringen

    – Würdigung durch das Gericht

    Zum Antrag auf Nichtigerklärung der Weigerung, die Seiten der Personalakten fortlaufend zu nummerieren

    Zum Antrag auf Schadensersatz

    Kosten


    * Verfahrenssprache: Deutsch.

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