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Document 62002TJ0219

Urteil des Gerichts erster Instanz (Fünfte Kammer) vom 28. Oktober 2004.
Olga Lutz Herrera gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften.
Öffentlicher Dienst - Allgemeines Auswahlverfahren - Nichtzulassung zu den Prüfungen - Ausschreibung des Auswahlverfahrens - Höchstalter.
Verbundene Rechtssachen T-219/02 und T-337/02.

Sammlung der Rechtsprechung – Öffentlicher Dienst 2004 I-A-00319; II-01407

ECLI identifier: ECLI:EU:T:2004:318

URTEIL DES GERICHTS (Fünfte Kammer)

28. Oktober 2004

Verbundene Rechtssachen T‑219/02 und T‑337/02

Olga Lutz Herrera

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften

„Öffentlicher Dienst – Allgemeines Auswahlverfahren – Nichtzulassung zu den Prüfungen – Ausschreibung des Auswahlverfahrens – Höchstalter“

Vollständiger Wortlaut in spanischer Sprache II - 0000

Gegenstand:         Klagen auf Aufhebung der Entscheidungen des Prüfungsausschusses für das Auswahlverfahren KOM/A/6/01 vom 31. Juli 2001 und des Prüfungsausschusses für das Auswahlverfahren KOM/A/10/01 vom 20. Dezember 2001, mit denen die Zulassung der Klägerin zu den Auswahlverfahren mit der Begründung abgelehnt wurde, dass sie die Bedingung hinsichtlich des Höchstalters nicht erfülle, hilfsweise auf Aufhebung der Entscheidungen über die Zurückweisung der Verwaltungsbeschwerden der Klägerin gegen die Entscheidungen der Prüfungsausschüsse für die Auswahlverfahren KOM/A/6/01 und KOM/A/10/01.

Entscheidung:         Die Klagen werden abgewiesen. Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten.

Leitsätze

1.      Beamte – Auswahlverfahren – Klage gegen eine Entscheidung eines Prüfungsausschusses über die Ablehnung der Zulassung – Möglichkeit, sich auf die Rechtswidrigkeit der Ausschreibung des Auswahlverfahrens zu berufen, um die Ablehnung der Zulassung anzufechten – Voraussetzungen

(Beamtenstatut, Artikel 91)

2.     Beamte – Einstellung – Einstellungsverfahren – Ermessen der Verwaltung – Gerichtliche Kontrolle – Grenzen

3.     Beamte – Auswahlverfahren – Organisation – Zulassungsvoraussetzungen und Modalitäten – Ermessen der Anstellungsbehörde – Festsetzung eines Höchstalters – Zulässigkeit

(Beamtenstatut, Artikel 27 Absatz 1 und Artikel 29 Absatz 1; Anhang III, Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe g)

4.     Gemeinschaftsrecht – Grundrechte – Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Umfang

5.     Beamte – Einstellung – Allgemeiner Grundsatz der Nichtdiskriminierung – Festsetzung eines Höchstalters – Zulässigkeit im Hinblick auf die verfolgten berechtigten Ziele

(Richtlinie 2000/78 des Rates)

6.     Beamte – Auswahlverfahren – Ablehnung der Zulassung zum Auswahlverfahren – Unmöglichkeit für den Betroffenen, sich auf Zulassungsbedingungen zu anderen Auswahlverfahren zu berufen

1.     Ein Bewerber in einem Auswahlverfahren kann für eine Klage gegen die Entscheidung eines Prüfungsausschusses für ein Auswahlverfahren, mit der seine Teilnahme an dem Auswahlverfahren abgelehnt wird, Klagegründe hinsichtlich der angeblichen Rechtswidrigkeit der nicht rechtzeitig angefochtenen Ausschreibung des Auswahlverfahrens geltend machen, wenn eine enge Verbindung zwischen diesen Klagegründen und der Begründung der angefochtenen Entscheidung besteht.

(Randnrn. 45 und 47)

Vgl. Gericht 16. September 1993, Noonan/Kommission, T‑60/92, Slg. 1993, II‑911, bestätigt durch Gerichtshof, 11. August 1995, Kommission/Noonan, C‑448/93 P, Slg. 1995, I‑2321

2.     Der Umfang der Kontrolle des Gerichts über die im Einstellungsverfahren getroffenen Entscheidungen beschränkt sich angesichts des der Anstellungsbehörde eingeräumten Ermessensspielraums auf die Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der von der Verwaltung angewandten Verfahren und auf die Feststellung, ob die Tatsachen, auf die sich die Verwaltung für ihre Entscheidung gestützt hat, sachlich richtig sind und ob kein offensichtlicher Beurteilungsfehler, kein Rechtsirrtum und kein Ermessensmissbrauch vorliegen, die der Verwaltungsentscheidung anhaften könnten.

(Randnr. 59)

Vgl. Gericht, 20. März 1991, Perez-Mínguez Casariego/Kommission, T‑1/90, Slg. 1991, II‑143, Randnr. 56

3.     Nach Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe g des Anhangs III des Statuts ermächtigt das Statut die Gemeinschaftsorgane, bei ihren Einstellungsverfahren in den Ausschreibungen der Auswahlverfahren nach Belieben sowohl ein Höchstalter festzusetzen als auch diese Begrenzung für Bedienstete hinauszuschieben, die die Voraussetzung der einjährigen Dienstzeit bei dem Organ erfüllen. Folglich verbietet das Statut nicht die Altersgrenzen, sondern eröffnet im Gegenteil eine Möglichkeit, deren Anwendung im Ermessen jedes Organs liegt.

Das Statut räumt den Organen hinsichtlich der Organisation von Auswahlverfahren ein weites Ermessen ein. Vorbehaltlich der Einhaltung der Bestimmungen des Statuts und insbesondere der Artikel 27 Absatz 1 und 29 Absatz 1 verfügt die Anstellungsbehörde über ein weites Ermessen, wenn sie die für die zu besetzenden Stellen erforderlichen Befähigungsmerkmale und nach Maßgabe dieser Merkmale im dienstlichen Interesse Bedingungen und Durchführungsmodalitäten bestimmt.

Zu den Kriterien, die die gemeinschaftlichen Auswahlverfahren erfüllen müssen, gehört nach Artikel 27 des Statuts nicht das Erfordernis, dafür zu sorgen, dass die eingestellten Personen unabhängig von ihrem Alter ausgewählt werden. Auch Artikel 29 Absatz 1 des Statuts, der den Rahmen der Verfahren zur Besetzung freier Planstellen festlegt, enthält keine Verpflichtung in diesem Sinne.

Die Ausübung des Ermessens, das den Organen bei der Organisation von Auswahlverfahren insbesondere auch in Bezug auf die Festsetzung eines Höchstalters als besonderer Zulassungsvoraussetzung zusteht, ist mit den Vorschriften der Artikel 27 Absatz 1 und 29 Absatz 1 des Statuts vereinbar.

(Randnrn. 78 und 80 bis 84)

Vgl. Gerichtshof, 16. Oktober 1975, Deboeck/Kommission, 90/74, Slg. 1975, 1123, Randnr. 29; Gericht, 16. Oktober 1990, Gallone/Rat, T‑132/89, Slg. 1990, II‑549, Randnr. 27; Gericht, 8. November 1990, Bataille u. a./Parlament, T‑56/89, Slg. 1990, II‑597, Randnr. 42; Gericht, 21. November 2000, Carrasco Benítez/Kommission, T‑214/99, Slg. ÖD 2000, I‑A‑257 und II‑1169, Randnr. 52

4.     Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union stellt einen Katalog von Grundrechten der Europäischen Union auf, um den Schutz der Rechte der Gemeinschaftsbürger zu garantieren. Zwar wurde die Charta mehrfach von den Gerichten in der Gemeinschaft als Inspirationsquelle für die Anerkennung und den Schutz der Rechte der Bürger und als Bezugskriterium für die durch die Gemeinschaftsrechtsordnung garantierten Rechte angeführt, doch handelt es sich dabei gegenwärtig (d. h. im Oktober 2004) um eine Erklärung, die nicht rechtlich verbindlich ist.

(Randnrn. 87 und 88)

Vgl. Gericht, 15. Januar 2003, Philip Morris International u. a./Kommission, T‑377/00, T‑379/00, T‑380/00, T‑260/01 und T‑272/01, Slg. 2003, II‑1, Randnr. 122

5.     Mit der Festsetzung von Altergrenzen bei ihren Einstellungsverfahren verfolgt die Kommission das Ziel, sowohl den Beamten, die lange bei ihr tätig sein werden, als auch denen, die in einem höheren Alter eingestellt werden, Karriereaussichten zu bieten und in Verbindung mit den im Statut festgelegten Ruhegehaltsansprüchen zu gewährleisten, dass die Beamten ihre Tätigkeit während einer Mindestzeit ausüben, d. h., das finanzielle Gleichgewicht der gemeinschaftlichen Pensionsfonds zu wahren. Im Hinblick auf diese Ziele ist eine solche Festsetzung vernünftig und verhältnismäßig. Daher kann ihr weder eine Verletzung des allgemeinen Grundsatzes der Nichtdiskriminierung noch eine Verletzung der Richtlinie 2000/78 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf vorgeworfen werden.

(Randnrn. 95 bis 100)

Vgl. Gericht, 2. März 2004, Di Marzio/Kommission, T‑14/03, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 83

6.     Maßnahmen, die ein Organ zugunsten einer bestimmten Personengruppe erlässt, können von Beamten eines anderen Organs mangels einer im Statut vorgesehenen Rechtspflicht dieses Organs nicht zur Stützung eines Klagegrundes angeführt werden, mit dem die Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes geltend gemacht wird.

Ebenso wenig kann sich ein Bewerber für ein bestimmtes Auswahlverfahren, der nicht zu diesem Auswahlverfahren zugelassen wurde, mit Erfolg auf die Zulassungsvoraussetzungen anderer Auswahlverfahren berufen, die nach unterschiedlichen Modalitäten durchgeführt werden und andere Zwecke verfolgen.

(Randnrn. 110 und 112)

Vgl. Gerichtshof, 18. Januar 1990, Maurissen und Union syndicale/Rechnungshof, C‑193/87 und C‑194/87, Slg. 1990, I‑95, Randnrn. 26 und 27; Gericht, 3. März 1994, Cortes Jiménez u. a./Kommission, T‑82/92, Slg. ÖD 1994, I‑A‑69 und II‑237, Randnr. 44; Gericht, 6. November 1997, Wolf/Kommission, T‑101/96, Slg. 1997, I‑A‑351 und II‑949

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