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Document 62002TJ0049
Judgment of the Court of First Instance (Second Chamber) of 27 July 2005.#Brasserie nationale SA (anc. Brasseries Funck-Bricher et Bofferding), Brasserie Jules Simon et Cie SCS and Brasserie Battin SNC v Commission of the European Communities.#Restrictive practices - Luxembourg beer market - Fines.#Joined cases T-49/02 to T-51/02.
Urteil des Gerichts erster Instanz (Zweite Kammer) vom 27. Juli 2005.
Brasserie nationale SA (anc. Brasseries Funck-Bricher et Bofferding), Brasserie Jules Simon et Cie SCS und Brasserie Battin SNC gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften.
Kartelle - Luxemburgischer Biermarkt - Geldbußen.
Verbundene Rechtssachen T-49/02 bis T-51/02.
Urteil des Gerichts erster Instanz (Zweite Kammer) vom 27. Juli 2005.
Brasserie nationale SA (anc. Brasseries Funck-Bricher et Bofferding), Brasserie Jules Simon et Cie SCS und Brasserie Battin SNC gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften.
Kartelle - Luxemburgischer Biermarkt - Geldbußen.
Verbundene Rechtssachen T-49/02 bis T-51/02.
Sammlung der Rechtsprechung 2005 II-03033
ECLI identifier: ECLI:EU:T:2005:298
Verbundene Rechtssachen T-49/02 bis T-51/02
Brasserie nationale SA (vormals Brasseries Funck-Bricher et Bofferding) u. a.
gegen
Kommission der Europäischen Gemeinschaften
„Kartelle – Luxemburgischer Biermarkt – Geldbußen“
Urteil des Gerichts (Zweite Kammer) vom 27. Juli 2005
Leitsätze des Urteils
1. Wettbewerb – Kartelle – Verbot – Abschluss von Kartellen, um Wirkungen von Rechtsvorschriften, die für allzu ungünstig gehalten werden, zu neutralisieren – Unzulässigkeit
(Artikel 81 Absatz 1 EG)
2. Wettbewerb – Kartelle – Verbot – Rechtfertigung einer nach Artikel 81 Absatz 1 EG verbotenen Vereinbarung aufgrund einer Vernunftsregel (rule of reason) – Unzulässigkeit
(Artikel 81 Absatz 1 EG)
3. Wettbewerb – Kartelle – Beeinträchtigung des Wettbewerbs – Beurteilungskriterien – Wettbewerbswidriger Zweck – Feststellung ausreichend
(Artikel 81 Absatz 1 EG)
4. Wettbewerb – Kartelle – Vereinbarungen zwischen Unternehmen – Begriff – Willensübereinstimmung bezüglich des künftigen Marktverhaltens – Ausdrucksform des Willens – Unerheblich
(Artikel 81 Absatz 1 EG)
5. Wettbewerb – Verwaltungsverfahren – Entscheidung, mit der eine Zuwiderhandlung festgestellt wird – Verpflichtung zur Abgrenzung des relevanten Marktes – Umfang
(Artikel 81 EG)
6. Wettbewerb – Gemeinschaftsvorschriften – Zuwiderhandlungen – Vorsätzliche Begehung – Begriff
(Verordnung Nr. 17 des Rates, Artikel 15)
7. Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Ermessen der Kommission – Gerichtliche Nachprüfung
(Artikel 229 EG; Verordnung Nr. 17 des Rates, Artikel 17)
8. Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Schwere der Zuwiderhandlung – Besonders schwerwiegende Zuwiderhandlungen – Aufteilung des Marktes – Abschottung des Marktes
(Artikel 81 Absatz 1 EG; Verordnung Nr. 17 des Rates, Artikel 15 Absatz 2)
9. Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Dauer der Zuwiderhandlungen – Vereinbarung, die unabhängig von ihren Wirkungen wegen ihres wettbewerbswidrigen Zweckes geahndet worden ist – Berücksichtigung der Dauer des Bestehens der Vereinbarung ungeachtet ihrer Nichtanwendung
(Verordnung Nr. 17 des Rates, Artikel 15 Absatz 2)
10. Wettbewerb – Geldbußen – Höhe – Festsetzung – Kriterien – Schwere der Zuwiderhandlung – Mildernde Umstände – Tatsächliche Nichtdurchführung einer Vereinbarung – Beurteilung anhand des individuellen Verhaltens jedes einzelnen Unternehmens
(Verordnung Nr. 17 des Rates, Artikel 15 Absatz 2; Mitteilung 98/C 9/03 der Kommission, Abschnitt 3)
1. Es kann nicht hingenommen werden, dass Unternehmen die Wirkungen von Rechtsvorschriften, die sie für allzu ungünstig halten, unter dem Vorwand, dass durch sie ein Ungleichgewicht zu ihren Lasten geschaffen worden sei, zu neutralisieren versuchen, indem sie Kartelle abschließen, die diese Nachteile korrigieren sollen.
(vgl. Randnr. 81)
2. Wenn feststeht, dass der Zweck einer Vereinbarung ihrer Natur nach auf eine Wettbewerbsbeschränkung, wie z. B. eine Aufteilung der Kunden, gerichtet ist, kann diese Vereinbarung gemäß einer Vernunftsregel (rule of reason) nicht deshalb aus dem Anwendungsbereich des Artikels 81 Absatz 1 EG herausfallen, weil mit ihr möglicherweise auch rechtmäßige Zwecke verfolgt werden.
(vgl. Randnr. 85)
3. Soweit eine Vereinbarung zwischen Unternehmen bezweckt, den Wettbewerb zu beschränken, braucht nicht geprüft zu werden, ob sie auch eine Wettbewerbsbeschränkung bewirkt hat.
(vgl. Randnrn. 97, 140)
4. Der Begriff der Vereinbarung im Sinne von Artikel 81 Absatz 1 EG ist durch das Vorliegen einer Willensübereinstimmung zwischen mindestens zwei Parteien gekennzeichnet, deren Ausdrucksform unerheblich ist, sofern sie den Willen der Parteien getreu wiedergibt.
(vgl. Randnr. 119)
5. Die Kommission muss in einer Entscheidung nach Artikel 81 EG nur dann eine Abgrenzung des relevanten Marktes vornehmen, wenn ohne eine solche Abgrenzung nicht bestimmt werden kann, ob die Vereinbarung, der Beschluss der Unternehmensvereinigung oder die abgestimmte Verhaltensweise, um die es geht, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet ist und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezweckt oder bewirkt.
(vgl. Randnr. 144)
6. Für eine vorsätzlich begangene Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln des EG-Vertrags ist es nicht erforderlich, dass sich das Unternehmen der Beschränkung des Wettbewerbs bewusst gewesen ist, sondern es genügt, dass es sich nicht in Unkenntnis darüber befinden konnte, dass das beanstandete Verhalten eine Einschränkung des Wettbewerbs bezweckte, und es kommt nicht darauf an, ob das Unternehmen sich der Zuwiderhandlung gegen Artikel 81 EG bewusst war oder nicht.
(vgl. Randnr. 155)
7. Die Schwere der Zuwiderhandlungen gegen das Gemeinschaftsrecht ist anhand zahlreicher Gesichtspunkte zu ermitteln, zu denen u. a. die besonderen Umstände der Sache, ihr Kontext und die Abschreckungswirkung der Geldbußen gehören, ohne dass es eine zwingende oder abschließende Liste von Kriterien gäbe, die auf jeden Fall berücksichtigt werden müssen. Außerdem verfügt die Kommission bei der Festlegung der Höhe der Geldbußen im Rahmen der Verordnung Nr. 17 über ein Ermessen, um die Unternehmen dazu anhalten zu können, die Wettbewerbsregeln einzuhalten.
Das Gericht hat jedoch nachzuprüfen, ob der Betrag der festgesetzten Geldbuße in einem angemessenen Verhältnis zu Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung steht, und die Schwere der Zuwiderhandlung und die vom Kläger geltend gemachten Umstände gegeneinander abzuwägen. Die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 KS festgesetzten Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen greifen hierbei der Beurteilung der Geldbuße durch den Gemeinschaftsrichter, der insoweit nach Artikel 17 der Verordnung Nr. 17 die Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung hat, nicht vor.
(vgl. Randnrn. 169-170)
8. Die Aufteilung und die Abschottung des Marktes gehören zu den schwersten Verstößen gegen Artikel 81 EG.
Was die Aufteilung des Marktes betrifft, so bilden derartige Kartelle Beispiele von Kartellen, die Artikel 81 Absatz 1 Buchstabe c EG ausdrücklich für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärt. Sie sind denn auch als offenkundige Beschränkungen des Wettbewerbs angesehen worden.
Hinsichtlich der Abschottung des Gemeinsamen Marktes ist daran zu erinnern, dass eine solche offenkundige Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht ihrer Natur nach besonders schwer wiegt. Sie läuft den grundlegenden Zielen der Gemeinschaft und insbesondere der Verwirklichung eines einheitlichen Marktes zuwider.
(vgl. Randnrn. 173-175)
9. Wenn die Kommission nicht nachgewiesen hat, welche Wirkungen eine Vereinbarung hatte, und hierzu auch nicht verpflichtet war, weil mit der betreffenden Vereinbarung ein wettbewerbsbeschränkender Zweck verfolgt wurde, ist es für die Berechnung der Dauer des Verstoßes unerheblich, ob ein Gesichtspunkt dieser Vereinbarung ins Werk gesetzt worden ist oder nicht. Für die Berechnung der Dauer einer Zuwiderhandlung, die eine Einschränkung des Wettbewerbs bezweckt, braucht nämlich nur bestimmt zu werden, wie lange die Vereinbarung bestanden hat, d. h. der Zeitraum von ihrem Abschluss bis zu ihrer Beendigung.
(vgl. Randnr. 185)
10. Nummer 3 zweiter Gedankenstrich der gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 KS festgesetzten Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen ist nicht so auszulegen, dass sie den Fall betrifft, dass ein Kartell unabhängig vom Verhalten des jeweiligen Unternehmens insgesamt nicht angewandt wird, sondern dahin verstanden werden muss, dass sie auf einen im individuellen Verhalten des jeweiligen Unternehmens wurzelnden Umstand verweist.
(vgl. Randnr. 195)
URTEIL DES GERICHTS (Zweite Kammer)
27. Juli 2005 (*)
„Kartelle – Luxemburgischer Biermarkt – Geldbußen“
In den verbundenen Rechtssachen T-49/02 bis T-51/02
Brasserie nationale SA (vormals Brasseries Funck-Bricher et Bofferding) mit Sitz in Bascharage (Luxemburg), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte A. Carnelutti und L. Schiltz, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Brasserie Jules Simon et Cie SCS mit Sitz in Wiltz (Luxemburg), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte A. Carnelutti und J. Mosar,
Brasserie Battin SNC mit Sitz in Esch-sur-Alzette (Luxemburg), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte A. Carnelutti und M. Santini,
Klägerinnen,
gegen
Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch W. Wils und A. Bouquet als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Beklagte,
wegen Nichtigerklärung des Artikels 1 der Entscheidung 2002/759/EG der Kommission vom 5. Dezember 2001 in einem Verfahren nach Artikel 81 EG-Vertrag (Sache COMP/37800/F3 – Luxemburgische Brauereien) (JO 2002, L 253, S. 21), soweit dieser die Klägerinnen betrifft, und wegen Nichtigerklärung des Artikels 2 dieser Entscheidung, soweit darin den Klägerinnen Geldbußen auferlegt werden, hilfsweise wegen wesentlicher Herabsetzung dieser Geldbußen,
erlässt
DAS GERICHT ERSTER INSTANZ
DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten A. W. H. Meij sowie des Richters N. J. Forwood und der Richterin I. Pelikánová,
Kanzler: I. Natsinas, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 16. März 2005
folgendes
Urteil
Tatbestand
1 Gegenstand der vorliegenden Rechtssachen ist die Entscheidung 2002/759/EG der Kommission vom 5. Dezember 2001 in einem Verfahren nach Artikel 81 EG-Vertrag (Sache COMP/37800/F3 — Luxemburgische Brauereien) (ABl. 2002, L 253, S. 21, im Folgenden: Entscheidung).
2 Die Entscheidung betrifft die Vereinbarung, die am 8. Oktober 1985 von fünf luxemburgischen Brauereien (im Folgenden: Parteien) unterzeichnet wurde (im Folgenden: Vereinbarung), und zwar von der Brasserie nationale (im Folgenden: Brasserie nationale), der Brasserie Jules Simon et Cie, vormals Brasserie de Wiltz (im Folgenden: Wiltz), der Brasserie Battin (im Folgenden: Battin) (nachstehend zusammen als Klägerinnen bezeichnet), der Brasserie de Diekirch (im Folgenden: Diekirch) und schließlich den Brasseries Réunies de Luxembourg Mousel et Clausen (im Folgenden: Mousel).
3 Mousel und Diekirch wurden 1999 von Interbrew SA (im Folgenden: Interbrew) erworben. Im Juli 2000 wurde Diekirch eine Tochtergesellschaft von Mousel. Bei dieser Gelegenheit wurde Mousel in Brasserie de Luxembourg Mousel-Diekirch umbenannt (im Folgenden: Brasserie de Luxembourg).
4 In der Entscheidung wird Brasserie nationale als „Brasserie nationale – Bofferding“, abgekürzt „Bofferding“, bezeichnet. In der mündlichen Verhandlung hat ihr Rechtsanwalt darauf hingewiesen, dass mit diesen Bezeichnungen dieselbe juristische Person gemeint ist. Diese wird im Folgenden „Brasserie nationale“ genannt.
5 Artikel 1 der Vereinbarung lautet:
„Diese Vereinbarung hat zum Ziel, Konflikte, die im Großherzogtum im Zusammenhang mit der Einhaltung und dem gegenseitigen Schutz von Bierlieferungsvereinbarungen, den so genannten ‚Bierklauseln‘, entstehen können, zu verhindern und zu regeln, unabhängig davon, ob [eine solche Klausel] gesondert abgefasst oder in irgendeiner anderen Vereinbarung oder Verpflichtungserklärung enthalten ist.“
6 Artikel 2 der Vereinbarung bestimmt:
„Als Bierklausel ist unabhängig von ihrer Rechtsgültigkeit, Dauer und/oder Einwendbarkeit jede schriftliche Vereinbarung anzusehen, durch die eine der Brauereien, die diese Vereinbarung unterzeichnet hat, mit dem Betreiber einer Schankstätte vereinbart hat, dass dieser ausschließlich luxemburgisches Bier für eine bestimmte Zeit und/oder in einer bestimmten Menge bezieht, das von ihr selbst oder von einer luxemburgischen Brauerei in Lizenz hergestellt und/oder von einer luxemburgischen Brauerei vertrieben wird ...“
7 In Artikel 4 der Vereinbarung heißt es:
„Die unterzeichneten Brauereien verzichten selbst auf jeglichen Verkauf von Bier in einer Schankstätte, die gemäß den Bestimmungen dieser Vereinbarung einer anderen unterzeichneten Brauerei zugesichert ist, und verpflichten sich, ihren Bierverlegern diesen streng zu untersagen.
Im Fall einer wiederholten Zuwiderhandlung eines Bierverlegers ist folgendermaßen vorzugehen:
Die an der Vereinbarung beteiligte Brauerei erbringt einen formellen Beweis, dass ihr Kunde das Bier einer konkurrierenden Brauerei verkauft, und weist ihn vorsorglich auf die Bezugsvereinbarung hin. Ferner übermittelt sie dem betreffenden Bierverleger diese Vereinbarung und ermahnt ihn, weitere Bierlieferungen zu unterlassen. Gleichzeitig ersucht sie die konkurrierende Brauerei, ihren Bierverleger vorzuladen und in gebührender Form aufzufordern, alle Lieferungen an den vertraglich mit der anderen Brauerei verbundenen Kunden zu unterlassen, um jegliche Mittäterschaft der konkurrierenden Brauerei an den unlauteren Wettbewerbshandlungen des Verlegers zu vermeiden ...“
8 Artikel 5 der Vereinbarung lautet:
„Alle beteiligten Brauereien verpflichten sich, vor dem Abschluss und/oder der Durchführung einer Bierlieferungsvereinbarung mit einem Schankstättenbetreiber, der vorher durch eine andere Brauerei beliefert wurde, sich bei dieser über das Vorliegen einer Bierklausel zu deren Gunsten zu informieren.
Dieses Auskunftsersuchen wird schriftlich an die andere Brauerei gerichtet, die verpflichtet ist, die Auskünfte, wenn nötig mit den erforderlichen Belegen, zu erteilen, die die Feststellung ermöglichen, ob eine Bierklausel vorliegt ... Eine Kopie dieses Ersuchens kann an den Vorsitzenden der Fédération des Brasseurs Luxembourgeois übersandt werden.“
9 Die Artikel 6 und 7 der Vereinbarung sehen Sanktionen bei Verstößen gegen die Artikel 4 oder 5 vor. Die Artikel 8, 9 und 10 sehen Schlichtungs-, Schieds- und Konsultierungsverfahren vor. Artikel 11 sieht die Möglichkeit vor, die Vereinbarung im Fall der Übernahme der Kontrolle durch eine ausländische Gesellschaft oder der Zusammenarbeit mit einer ausländischen Brauerei zu kündigen. Artikel 12 bestimmt, dass die Vereinbarung auf unbestimmte Dauer getroffen wird und dass die Kündigungsfrist zwölf Monate beträgt.
10 Die Vereinbarung wurde durch eine Absichtserklärung ergänzt, die ebenfalls am 8. Oktober 1985 unterzeichnet wurde (im Folgenden: die Battin betreffende Absichtserklärung). Dort heißt es:
„Battin verstößt durch den Verkauf der Biere seines Konzessionsgebers, der ‚Bitburger Brauerei Th. Simon‘, Deutschland, mit den derzeit praktizierten Vertriebsformen und -modalitäten nicht gegen Artikel 2.
Die vorliegende Vereinbarung kann jederzeit gegenüber der Brauerei Battin gekündigt werden, sollte es durch eine Änderung entweder der Form oder der Modalitäten dieses Vertriebs oder durch eine merkliche Steigerung des Volumens zu einer Störung des derzeitigen Absatzgleichgewichts kommen.“
11 Außerdem wurde die Vereinbarung durch eine Absichtserklärung ergänzt, die in der Sitzung der Fédération des Brasseurs Luxembourgeois (Luxemburgischer Brauereiverband, im Folgenden: FBL) vom 2. Dezember 1986 unterzeichnet wurde (im Folgenden: die die ausländischen Brauereien betreffende Absichtserklärung). Dort heißt es:
„Die Brauereien, die diese Vereinbarung unterzeichnet haben, erklären, einer anderen luxemburgischen Brauerei den Vorrang für die Kundenakquisition und den Abschluss einer Bezugsvereinbarung einräumen zu wollen, falls schriftliche Angaben der im Vertragsverhältnis stehenden Brauerei Anlass zu der Vermutung geben, dass einer ihrer Kunden, obwohl er mit einer von ihnen durch eine Bezugsvereinbarung verbunden ist, die unter diese Vereinbarung fallen würde, abgeworben wird und im Begriff ist, eine Bezugsvereinbarung mit einer ausländischen Brauerei abzuschließen.
Für den Fall, dass es einer Verbandsangehörigen gelingt, mit dem früheren Kunden der Brauerei, die ihr schriftlich den Vorrang für die Kundenakquisition eingeräumt hat, einen Bierlieferungsvertrag abzuschließen, verpflichtet sich diese Verbandsangehörige, der genannten Brauerei bei der ersten sich für einen solchen Austausch bietenden Gelegenheit einen ihrer Kunden, der sich in einer ähnlichen Situation befindet, zur Kundenakquisition anzubieten.“
Angefochtene Entscheidung
12 In der Entscheidung heißt es, Zweck der Vereinbarung sei es erstens, die jeweilige Kundschaft der Parteien im luxemburgischen Hotel- und Gaststättengewerbe zu erhalten, und zweitens, den Zugang ausländischer Brauereien zu diesem Sektor zu verhindern (Randnrn. 47 bis 73).
13 Weiter wird dort ausgeführt, dass die Vereinbarung geeignet gewesen sei, den Wettbewerb in diesem Sektor spürbar einzuschränken und den Handel zwischen Mitgliedstaaten spürbar zu beeinträchtigen. Folglich hätten die Parteien durch ihren Abschluss gegen Artikel 81 Absatz 1 EG verstoßen (Randnrn. 74 bis 85).
14 Der Entscheidung zufolge wurde der Verstoß vorsätzlich im Sinne von Artikel 15 Absatz 2 der seinerzeit anwendbaren Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln [81] und [82] [EG] (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204), begangen (Randnrn. 89 und 90).
15 Artikel 1 der Entscheidung lautet:
„[Die Parteien] haben gegen Artikel 81 Absatz 1 [EG] verstoßen, indem sie eine Vereinbarung mit dem Ziel abschlossen, ihre jeweilige Kundschaft im luxemburgischen Hotel- und Gaststättengewerbe zu erhalten und den Zugang ausländischer Brauereien zu diesem Sektor zu verhindern.
Der Verstoß dauerte von Oktober 1985 bis Februar 2000.“
16 In Artikel 2 werden Brasserie nationale eine Geldbuße von 400 000 Euro sowie Wiltz und Battin Geldbußen von jeweils 24 000 Euro auferlegt.
Verfahren
17 Die Klägerinnen haben die vorliegenden Klagen mit drei Klageschriften eingereicht, die am 26. Februar 2002 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen sind.
18 Die schriftlichen Verfahren sind am 25. November 2002 abgeschlossen worden.
19 Der Präsident der Zweiten Kammer hat die vorliegenden Rechtssachen nach Anhörung der Parteien mit Beschluss vom 15. Februar 2005 gemäß Artikel 50 der Verfahrensordnung des Gerichts zu gemeinsamer mündlicher Verhandlung und Entscheidung verbunden.
20 Da der Präsident der Zweiten Kammer an der Teilnahme an den vorliegenden Verfahren verhindert war, hat der Präsident des Gerichts am 22. Februar 2005 gemäß Artikel 32 § 3 der Verfahrensordnung den Richter N. J. Forwood zur Ergänzung der Kammer bestimmt.
Anträge der Parteien
21 In den drei Rechtssachen beantragt die Klägerin jeweils,
– Artikel 1 der Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit darin festgestellt wird, dass sie gegen Artikel 81 Absatz 1 EG verstoßen habe;
– jedenfalls Artikel 2 der Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit er ihr eine Geldbuße auferlegt, hilfsweise, diese Geldbuße deutlich herabzusetzen;
– der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
22 In den drei Rechtssachen beantragt die Kommission jeweils,
– die Klage abzuweisen;
– der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Entscheidungsgründe
23 In den drei Rechtssachen macht die Klägerin jeweils zwei Klagegründe geltend, wobei sie mit dem ersten einen Verstoß gegen Artikel 81 Absatz 1 EG sowie mit dem zweiten eine Verletzung des Artikels 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und der in Artikel 253 EG verankerten Begründungspflicht rügt.
1. Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen Artikel 81 Absatz 1 EG
24 Der erste Klagegrund umfasst fünf Teile. Erstens rügen die Klägerinnen, die Kommission habe bei der Beurteilung des Zwecks der Vereinbarung deren Kontext nicht genügend berücksichtigt, zweitens, sie sei davon ausgegangen, dass die Vereinbarung auch bei Fehlen einer Bierklausel anwendbar sei, drittens, sie habe die Vereinbarung als Absprache zur Erbehaltung von Kundschaften und damit als ihrem Ziel nach wettbewerbswidrig angesehen, viertens, sie habe angenommen, dass die Vereinbarung die Verhinderung des Zugangs ausländischer Brauereien zum luxemburgischen Hotel‑ und Gaststättengewerbe bezweckt habe, und fünftens, sie habe gemeint, dass sich die Vereinbarung spürbar auf den Wettbewerb auswirke.
25 Der dritte Teil des ersten Klagegrundes bezieht sich auf den ersten von der Kommission festgestellten wettbewerbsbeschränkenden Zweck, nämlich die Erhaltung der jeweiligen Kundschaft der Parteien im luxemburgischen Hotel‑ und Gaststättengewerbe, während der vierte Teil dieses Klagegrundes den zweiten von der Kommission festgestellten wettbewerbsbeschränkenden Zweck betrifft, nämlich die Verhinderung des Zugangs ausländischer Brauereien zum luxemburgischen Hotel‑ und Gaststättengewerbe. Mit dem ersten Teil des ersten Klagegrundes wird gerügt, dass die Kommission ihre Beurteilung des Zwecks der Vereinbarung nicht begründet habe.
26 Der dritte, der vierte und der erste Teil des ersten Klagegrundes betreffen somit alle die Beurteilung des Zwecks der Vereinbarung. Sie sind deshalb gemeinsam zu prüfen.
Zur Beurteilung des Zwecks der Vereinbarung (dritter, vierter und erster Teil des ersten Klagegrundes)
Angefochtene Entscheidung
27 In der Entscheidung wird zunächst darauf hingewiesen, dass die Parteien laut dem Protokoll der Sitzung der FBL vom 7. Oktober 1986 in der durch dasjenige der Sitzung vom 2. Dezember 1986 geänderten Fassung eine großzügigere Auslegung des Begriffes „Bierklausel“ als in Artikel 2 der Vereinbarung vereinbart hätten. Im Protokoll der Sitzung vom 7. Oktober 1986 heißt es (Randnr. 9):
„[Es] wurde vereinbart, folgende Erweiterung der Bedeutung des Begriffes ‚Bierklausel‘anzuerkennen:
– Pacht und finanzielle Beteiligung an der Ausstattung eines Cafés – ohne ausdrückliche Erwähnung einer Bierklausel, z. B. die Brauerei X pachtet ein Gebäude und beteiligt sich an den Kosten für die bestimmungsgemäße Ausstattung des Gebäudes, schließt aber keine Verpflichtung mit dem Vermieter ab oder es kommt nicht zum Abschluss einer solchen;
– die Übernahme einer Schankerlaubnis [Lizenzen für den Ausschank von Getränken] durch eine Brauerei ohne ausdrückliche Vereinbarung einer Bierklausel.
Diese beiden Auslegungen sind Bestandteil der in diesem Bereich bestehenden Bestimmungen.“
28 Der Entscheidung zufolge wird diese Auslegung in einem Brief bestätigt, den Wiltz am 23. Oktober 1991 an die FBL richtet und in dem es angeblich heißt (Randnr. 9):
„[D]ie Bierbrauer vereinbaren, folgende Erweiterung des Begriffes ‚Bierklausel‘ anzuerkennen:
– die Pacht eines Lokals;
– die Zurverfügungstellung – unter welchem Rechtstitel auch immer – einer Schankerlaubnis durch eine Brauerei.“
29 Zur rechtlichen Beurteilung des Zwecks der Vereinbarung heißt es in der Entscheidung (Randnr. 47):
„Zweck der Vereinbarung ist erstens die Einschränkung des Wettbewerbs unter den beteiligten Brauereien durch die Erhaltung ihrer jeweiligen Kundschaft im Hotel‑ und Gaststättengewerbe in Luxemburg. Das ergibt sich aus den Artikeln 4 und 5 der Vereinbarung sowie aus den Artikeln 6 und 7, die bei Verstoß gegen diese Bestimmungen Sanktionen vorsehen (siehe Randnrn. 48 bis 66). Darüber hinaus zielt die Vereinbarung darauf ab, den Zugang ausländischer Brauereien zum luxemburgischen Hotel‑ und Gaststättengewerbe zu verhindern. Dieser zweite wettbewerbsbeschränkende Zweck geht insbesondere aus der zweiten, mit der Vereinbarung verbundenen Erklärung hervor (siehe Randnrn. 67 bis 73).“
30 Zum ersten wettbewerbsbeschränkenden Zweck vertritt die Kommission die Auffassung, Artikel 4 der Vereinbarung habe jeder beteiligten Brauerei sowie ihren Verlegern die Lieferung von Bier an Schankstätten untersagt, die anderen luxemburgischen Brauereien zugesichert gewesen seien. Der Entscheidung zufolge galt dieses Verbot in drei Fällen, nämlich wenn ein Liefervertrag oder eine Bierklausel fehlte, wenn die Bierklausel ungültig oder nicht einwendbar war und bei Bestehen einer gültigen Bierklausel. In jedem dieser Fälle habe eine Wettbewerbsbeschränkung vorgelegen. Nach der Entscheidung war die Vereinbarung in jedem dieser drei Fälle schon von ihrem Zweck her wettbewerbsbeschränkend (Randnr. 48).
31 Zum ersten Fall wird ausgeführt, wenn eine Brauerei die Einrichtung finanziere oder eine Schankerlaubnis übernehme, ohne mit dem Schankstättenbetreiber einen Vertrag abzuschließen oder ihm eine Alleinbezugsklausel aufzuerlegen, so hindere Artikel 4 der Vereinbarung diesen Schankwirt daran, sich von anderen luxemburgischen Brauereien beliefern zu lassen, sodass einerseits die erste Brauerei ihren Kunden behalte und andererseits der Schankstättenbetreiber und dritte Brauereien in ihrer Handlungsfreiheit eingeschränkt würden (Randnr. 50).
32 Im zweiten Fall sei die Vereinbarung insofern über die durch das Gesetz vorgesehenen Beschränkungen hinausgegangen, als sie die Parteien dazu verpflichtet habe, Bierklauseln einzuhalten, die nicht gültig oder nicht einwendbar gewesen seien, zum Beispiel wegen einer Verletzung der vertraglichen Verpflichtungen der Brauerei gegenüber dem Schankstättenbetreiber. Somit hätten die Parteien ihre Handlungsfreiheit eingeschränkt und einander Vorteile im Hinblick auf die Erhaltung ihrer Kundschaft und ihre Rechtssicherheit verschafft, die sie unter normalen Wettbewerbsbedingungen nicht hätten erreichen können. Im Übrigen sei die luxemburgische Rechtsprechung, die zur Ungültigerklärung der Verträge wegen Unbestimmtheit der Preise und Mengen geführt habe, ab März 1996 nicht mehr weiterverfolgt worden; die Parteien hätten jedoch zu diesem Zeitpunkt die Vereinbarung nicht aufgehoben. Außerdem habe der Ausdruck „unabhängig von ihrer Rechtsgültigkeit, Dauer und/oder Einwendbarkeit“ die Garantie von Artikel 4 auf Verträge ausgedehnt, die aus anderen Gründen als wegen der Unbestimmtheit der Preise oder der Liefermengen ungültig oder nicht einwendbar gewesen seien (Randnrn. 52 bis 55).
33 Im Zusammenhang mit dem dritten Fall wird in der Entscheidung erstens darauf hingewiesen, dass Artikel 4 der Vereinbarung „jeglichen Verkauf von Bier in einer Schankstätte, die ... einer anderen unterzeichneten Brauerei zugesichert ist“, untersagt habe, während sich die in Artikel 7 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1984/83 der Kommission vom 22. Juni 1983 über die Anwendung von Artikel [81] Absatz 3 [EG] auf Gruppen von Alleinbezugsvereinbarungen (ABl. L 173, S. 5), zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 1582/97 der Kommission vom 30. Juli 1997 (ABl. L 214, S. 27), aufgestellte Verpflichtung auf Biere derselben Sorte wie die von der Vertragsbrauerei gelieferten Biere beschränke. Zweitens habe die Vereinbarung jegliche Belieferung einer Schankstätte untersagt, die sich gegenüber einer anderen beteiligten Brauerei verpflichtet habe, während sich die für derartige Lieferungen vom bürgerlichen Recht vorgesehene Sanktion laut den Aussagen der Parteien selbst auf die Zahlung einer Entschädigung beschränkt habe. Aus verschiedenen Gründen sei es möglich, dass eine Schankstätte ihren Vertrag auflösen wolle und die finanziellen Konsequenzen daraus trage. Die Vereinbarung habe diese Möglichkeit für die Schankstättenbetreiber ausgeschlossen und also dazu gedient, ineffiziente Beziehungen aufrechtzuerhalten (Randnrn. 56 bis 58).
34 Weiter heißt es in der Entscheidung, dass die Vereinbarung erstens eine bezweckte Wettbewerbseinschränkung darstelle, weil sie selbst in Fällen gelte, in denen kein Lieferungsvertrag und keine Bierklausel bestünden (was von den Parteien nicht bestritten werde) und die daher auch nicht Gegenstand eines Rechtsstreits sein könnten (Randnr. 59).
35 Zweitens wird daran erinnert, dass es vor der Vereinbarung bereits mehrere andere Vereinbarungen zwischen luxemburgischen Brauereien gegeben habe, zum Beispiel die Vereinbarung vom 1. September 1966, an der alle die Vereinbarung schließenden Brauereien beteiligt gewesen seien, sowie die Vereinbarungen vom 13. Juni 1975 und vom 28. April 1983, an denen Brasserie nationale und Mousel beteiligt gewesen seien. Diese früheren Vereinbarungen hätten die unterzeichneten Brauereien bereits zur absoluten Achtung ihrer jeweiligen Kundschaft verpflichtetet, ohne sich auf eine Alleinbezugsklausel zu beziehen. Im Übrigen sei in diesen Vereinbarungen keinerlei Rechtsunsicherheit erwähnt worden. Die Auslegung der Vereinbarung könne nicht völlig von diesem historischen Hintergrund getrennt betrachtet werden. Er gebe Anlass dazu, das von den Parteien vorgebrachte Argument der Rechtsunsicherheit zur Begründung der Vereinbarung von 1985 zu hinterfragen (Randnr. 60).
36 Drittens hänge die Beurteilung des Zwecks der Vereinbarung nicht von den subjektiven Absichten der Parteien ab, insofern als die Vereinbarung offensichtlich geeignet gewesen sei, den Wettbewerb einzuschränken oder zu verfälschen (Randnr. 61).
37 Viertens betonte die Kommission, dass das von den Parteien angeführte Problem der Rechtsunsicherheit gemäß den geltenden Bestimmungen des einzelstaatlichen bürgerlichen Rechts verschiedene Arten von Verträgen in verschiedenen Wirtschaftszweigen und verschiedenen Mitgliedstaaten betreffe und Teil der Geschäftsrisiken sei, mit denen jedes Unternehmen alleine fertig werden müsse. Der Entscheidung zufolge „rechtfertigt [es] keine Absprachen, von denen ausschließlich die Unternehmen eines Landes profitieren, und erfordert … auch keine Abweichung“ von Artikel 81 Absatz 1 EG (Randnr. 62).
38 In der Entscheidung wird außerdem darauf hingewiesen, dass der Vorsitzende der FBL ausdrücklich die Rechtsungültigkeit der Vereinbarung festgestellt habe, als er bei der Zusammenkunft zur Schlichtung zwischen Brasserie nationale und Diekirch vom 19. März 1996 festgehalten habe, dass „auch wenn die Vereinbarungen zwischen den Brauereien keine Rechtsgültigkeit haben, der Geist, in dem diese getroffen wurden, ausschlaggebend ist“ (Randnr. 63).
39 Weiter heißt es in der Entscheidung, dass Artikel 5 der Vereinbarung die Wettbewerbsbeschränkung durch Artikel 4 verstärke, indem er dessen wirksame Anwendung sicherstelle, und dass die Artikel 6 und 7 der Vereinbarung darauf abzielten, die in den Artikeln 4 und 5 der Vereinbarung festgelegten Verpflichtungen zu verstärken, und Sanktionen vorsähen, die über diejenigen hinausgingen, die das bürgerliche Recht vorsehe (Randnrn. 64 bis 66).
40 Zu dem zweiten wettbewerbsbeschränkenden Zweck, der Verhinderung des Zugangs ausländischer Brauereien zum luxemburgischen Hotel‑ und Gaststättengewerbe, wird in der Entscheidung ausgeführt, dass die die ausländischen Brauereien betreffende Absichtserklärung eine Konsultation zwischen den Parteien vorsehe, um einer „anderen luxemburgischen Brauerei“ den Vorrang bei der Kundenakquisition zu sichern; für den Fall einer erfolgreichen Akquisition sehe die Erklärung weiter eine Ausgleichsregelung mit Austausch von Schankstätten zwischen den beiden betroffenen Parteien vor. Dieser Zweck werde dadurch bestätigt, dass der Vorsitzende der FBL in der bereits erwähnten Zusammenkunft vom 19. März 1996 für eine Schlichtung zwischen Brasserie nationale und Diekirch ausgeführt habe: „Es geht darum, … das massive Vordringen ausländischer Brauereien auf [den luxemburgischen] Markt zu verhindern“. Auch wenn diese Aussage die Parteien nicht verpflichte, sei sie doch bei der Auslegung der Vereinbarung zu berücksichtigen, da sie auf einer Sitzung über die Anwendung der Vereinbarung geäußert worden sei. Dieser zweite Zweck der Vereinbarung könne insofern nicht vom ersten getrennt betrachtet werden, als eine Einschränkung des Zugangs ausländischer Brauereien zum luxemburgischen Markt dazu beitrage, die Stabilität der Beziehungen zwischen den Parteien aufrechtzuerhalten. Die Battin betreffende Erklärung habe darauf abgezielt, „das derzeitige Absatzgleichgewicht“ zu sichern, was darauf hinweise, dass die Parteien der Ansicht gewesen seien, dass im betreffenden Sektor ein gewisses Gleichgewicht geherrscht habe, das es verdiene, geschützt zu werden. Schließlich sehe Artikel 11 der Vereinbarung die Möglichkeit vor, diese gegenüber einer Vertragsbrauerei, die mit einer ausländischen Brauerei zusammenarbeite, zu kündigen (Randnrn. 67 bis 73).
Vorbringen der Parteien
– Zu der angeblich unrichtigen Qualifizierung der Vereinbarung dahin gehend, dass sie die Erhaltung von Kundschaften bezweckt habe (dritter Teil des ersten Klagegrundes)
41 Die Klägerinnen werfen der Kommission vor, die Vereinbarung als Absprache zur Erhaltung von Kundschaften und folglich als ihrem Ziel nach wettbewerbswidrig qualifiziert zu haben.
42 Tatsächlich habe der einzige Zweck der Vereinbarung darin bestanden, für die Einhaltung der vertraglich vereinbarten Ausschließlichkeitsbeziehungen zwischen Schankwirt und Brauerei zu sorgen, die, wie der Gerichtshof entschieden habe, kein wettbewerbswidriges Ziel hätten (Urteil vom 28. Februar 1991 in der Rechtssache C-234/89, Delimitis, Slg. 1991, I-935). Brasserie nationale fügt hinzu, dass dieses Ziel der Vereinbarung in allen in der Entscheidung aufgeführten Fällen sichtbar werde, in denen sich jemand auf die Vereinbarung berufen habe.
43 Zu der Aussage, dass nur die inländischen Brauereien von der Vereinbarung profitiert hätten (Randnr. 62 der Entscheidung), tragen die Klägerinnen vor, die Vereinbarung habe allen in Luxemburg ansässigen Brauereien offen gestanden, und weisen darauf hin, dass Mousel und Diekirch nach ihrer Übernahme durch Interbrew nicht aus der Vereinbarung ausgeschlossen worden seien.
44 Der in Artikel 5 der Vereinbarung vorgesehene Mechanismus des Austauschs von Informationen habe es ermöglicht, die Tragweite der Vereinbarung auf schriftliche Bierklauseln zu beschränken. In der ausgetauschten Kopie des Vertrages seien die kommerziell sensiblen Informationen unleserlich gemacht worden. Brasserie nationale fügt hinzu, Artikel 4 der Vereinbarung bringe lediglich die Verpflichtung der Parteien zum Ausdruck, die Alleinbezugsvereinbarungen zu respektieren. Der dort verwendete Ausdruck „Schankstätte, die ... zugesichert ist“ bedeute lediglich durch eine Bierklausel an eine Brauerei „gebunden“, was durch den dritten Absatz dieses Artikels bestätigt werde.
45 Zu den in Randnummer 60 der Entscheidung erwähnten vor Abschluss der Vereinbarung getroffenen Vereinbarungen machen die Klägerinnen geltend, ihre Beurteilung in der Entscheidung sei unrichtig. Anders als die Vereinbarungen von 1975 und 1983 bezweckten diejenigen von 1980 und 1981 sowie die hier in Rede stehende Vereinbarung, den vertraglich eingeräumten Alleinbezug zu garantieren. Brasserie nationale weist ferner darauf hin, dass die Mehrheit dieser Vereinbarungen vor Inkrafttreten des EWG-Vertrags getroffen worden sei, dass die nach dessen Inkrafttreten getroffenen Vereinbarungen nur zwei der Parteien bänden, dass die Kommission von diesen die Vereinbarung von 1980 unberücksichtigt gelassen habe und dass die einzige multilaterale Übereinkunft auf 1966, also auf die Zeit vor Ablauf der Übergangsfrist, zurückgehe und lange vor Abschluss der Vereinbarung abgelaufen sei.
46 Was die in Randnummer 63 der Entscheidung erwähnte Erklärung des Vorsitzenden der FBL (siehe oben, Randnr. 38) betrifft, bestreitet Brasserie nationale dessen Kompetenz, da die FBL eine begrenzte Aufgabe habe und die Rolle des Vorsitzenden ihm kaum eine Kenntnis des Marktes ermögliche. Außerdem sei seine Auffassung über die Gültigkeit der Vereinbarung falsch. Die Vereinbarung betreffe nämlich nicht die Ein- oder Ausfuhren, da sie lediglich bezwecke, die Einhaltung der Alleinbezugsvereinbarungen sicherzustellen, die keine Grenzüberschreitung implizierten (Urteil des Gerichtshofes vom 18. März 1970 in der Rechtssache Bilger, Slg. 1970, 127). Deshalb habe die Vereinbarung auch keiner Anmeldung nach Artikel 4 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 bedurft, so dass sie bis zur eventuellen Feststellung eines Verstoßes gültig bleibe. Auch Wiltz und Battin bestreiten die Gewichtigkeit der Erklärung des Vorsitzenden der FBL und weisen ebenfalls darauf hin, dass die Vereinbarung nicht die Ein- oder Ausfuhren betroffen habe.
47 Die Klägerinnen erklären ferner, dass die Vereinbarung aus drei Gründen getroffen worden sei. Brasserie nationale führt diese Gründe allerdings nur im Hinblick auf die in der Entscheidung genannte zweite und dritte Fallgestaltung ins Feld, nämlich die einer ungültigen oder nicht einwendbaren Bierklausel und die einer gültigen Bierklausel, und wiederholt, dass die erste Fallgestaltung, nämlich die einer fehlenden Bierklausel, nicht unter die Vereinbarung falle.
48 Zum ersten Grund weisen die Klägerinnen darauf hin, dass die luxemburgischen Gerichte Verträge, die eine Bierklausel enthalten hätten, systematisch wegen Unbestimmtheit von Preis und Menge für ungültig erklärt hätten, und zwar aufgrund einer französischen Rechtsprechung zu ähnlichen Vorschriften des Code Civil. Brasserie nationale fügt hinzu, dass die Vereinbarung eine Art alternative Beilegung von Rechtsstreitigkeiten dargestellt habe, die im Hinblick auf diese Rechtsprechung die Frage der Gültigkeit der Bierklauseln ausgegrenzt habe. Zu diesem Zweck seien die Worte „unabhängig von ihrer Rechtsgültigkeit ... und/oder Einwendbarkeit“ in Artikel 2 der Vereinbarung aufgenommen worden.
49 Das Risiko der Einwendung der Nichtigkeit eines Vertrages, der eine Bierklausel enthalte, vor den luxemburgischen Gerichten bestand nach Auffassung der Klägerinnen unabhängig vom Ausgangspunkt des Rechtsstreits, denn jede Anrufung der Gerichte einschließlich der Erhebung einer Klage nach Kündigung oder Nichterfüllung eines solchen Vertrages habe die Brauerei diesem Risiko ausgesetzt. Zwar sei die genannte französische Rechtsprechung 1995 aufgegeben worden. Diese Entwicklung habe jedoch in Luxemburg nur zu einem einzigen erstinstanzlichen Urteil vom März 1996 geführt, das nicht genüge, um das vorliegende Risiko auszuschließen. Ob es sich bei dieser französischen Rechtsprechung um eine auf Einstimmigkeit oder um eine auf Stimmenmehrheit beruhende Rechtsprechung gehandelt habe, sei unerheblich. In Beantwortung des Vorbringens der Kommission fügt Brasserie nationale hinzu, der Umstand, dass die Änderung der französischen Rechtsprechung in zwei Etappen erfolgt sei, habe auf den tatsächlichen Zeitpunkt der Änderung der luxemburgischen Rechtsprechung keinen Einfluss. Bis zur Bestätigung dieser in Frankreich eingetretenen Änderung durch ein luxemburgisches Berufungsurteil in einem Bierrechtsstreit wären drei bis vier Jahre vergangen, und die denkbaren Lösungen für eine Anpassung an die fragliche Rechtsprechung seien auch durch Ungewissheit gekennzeichnet und jedenfalls für den Bierabsatz ungeeignet gewesen. Hinsichtlich des geforderten Zusatzes, durch den zum Ausdruck habe gebracht werden sollen, dass die Vereinbarung andere Nichtigkeitsgründe betreffe als den der Unbestimmtheit von Preis und der Menge, weist Brasserie nationale darauf hin, dass genau die Tatsache, dass dieser Zusatz nicht förmlich in die Vereinbarung aufgenommen worden sei, belege, dass er nicht von den Parteien akzeptiert worden sei.
50 Zu dem zweiten Grund tragen die Klägerinnen vor, dass sich eine Brauerei bei Abschluss eines neuen, eine Bierklausel enthaltenden Vertrages mit einem Schankwirt der Gefahr ausgesetzt habe, von einer anderen Brauerei wegen Beihilfe zu einem Verstoß eines Dritten gegen die diesem Schankwirt obliegenden Pflichten verfolgt zu werden. So unbedeutend diese Gefahr aufgrund der genannten Rechtsprechung zur Nichtigkeit auch gewesen sei, habe sie doch zu einem langen und teuren Verfahren führen können. Umgekehrt habe die Beihilfe zugunsten eines Dritten zwar in seltenen Fällen ein Hilfsmittel für die Brauerei sein können, die Opfer der mangelnden Vertragstreue des Schankwirts gewesen sei, doch mache die Wirksamkeit dieses Hilfsmittels ein ähnliches Verfahren erforderlich.
51 Zum dritten Grund tragen die Klägerinnen vor, die Brauereien hätten keine wirksame Klagemöglichkeit gehabt, um die Einhaltung der getroffenen Alleinbezugsvereinbarungen sicherzustellen. Angesichts der Unzulänglichkeiten eines nationalen Rechts Abhilfe zu schaffen sei ein klassischer Grund für das Treffen privater Regelungen. Die Frage, ob die Vereinbarung gegen den Ordre public verstoße, sei allein von den luxemburgischen Gerichten zu entscheiden, so dass davon auszugehen sei, dass sie rechtsgültig sei.
52 Die Vereinbarung habe keineswegs ihre Handlungsfreiheit beschränkt, sie hätten diese vielmehr ausgeübt, um die Einhaltung geschlossener Verträge sicherzustellen. Selbst wenn die Vereinbarung eine wettbewerbsbeschränkende Wirkung gehabt hätte, die von derjenigen, die den Bierklauseln innewohne, unterscheidbar wäre, so wäre sie durch die Notwendigkeit gerechtfertigt gewesen, die Lauterkeit des Handelsverkehrs zu wahren. Brasserie nationale beruft sich insoweit auf die Urteile des Gerichtshofes vom 20. Februar 1979 in der Rechtssache 120/78 (Rewe-Zentral, „Cassis de Dijon“, Slg. 1979, 649) und vom 19. Februar 2002 in der Rechtssache C-309/99 (Wouters u. a., Slg. 2002, I-1577). Der Stand des luxemburgischen Rechts könne keine „Grenze“ darstellen, durch die das Schutzniveau festgelegt werde, das sie sich leisten könnten, um diese Lauterkeit des Handelsverkehrs sicherzustellen. Außerdem versuchen die Klägerinnen, eine Parallele zu Artikel 5 Absatz c der Richtlinien für die Berufsausübung des Instituts der beim Europäischen Patentamt zugelassenen Vertreter (Institut des mandataires agréés près l'Office européen de brevets, IMA) zu ziehen, der nach der Entscheidung der Kommission, die Gegenstand des Urteils des Gerichts vom 28. März 2001 in der Rechtssache T-144/99 (Institut der beim Europäischen Patentamt zugelassenen Vertreter/Kommission, Slg. 2001, II-1087, Randnrn. 89 und 90) gewesen sei, zu keinem Einwand Anlass gegeben habe. Die Vereinbarung habe nämlich nur den Abschluss von Verträgen mit einem Schankwirt untersagt, der bereits durch einen Vertrag, der eine Bierklausel enthalten habe, an einen Konkurrenten gebunden gewesen sei, spreche jedoch kein weiteres Verbot für die Zeit nach Beendigung der Handelsbeziehung aus.
53 Ferner bestreiten die Klägerinnen, dass durch die Vereinbarung „ineffiziente Beziehungen zwischen Brauereien und Schankstätten“ (Randnr. 57 der Entscheidung) geschützt worden seien. Denn die in Artikel 2 der Vereinbarung verwendeten Begriffe der Gültigkeit und der Einwendbarkeit bezögen sich nur auf Mängel, die der Vertrag bei seinem Abschluss aufgewiesen habe, und die Vereinbarung habe nicht bezweckt oder bewirkt, eine Kündigung im Fall schwerer Vertragsverletzungen der Brauerei gegenüber dem Schankwirt zu verbieten.
54 Zu dem Vorbringen, die Vereinbarung sei insofern einschränkender als die Bierklauseln, als Artikel 4 „jeglichen Verkauf von Bier“ in einer Schankstätte verbiete, die an eine der Parteien gebunden sei (Randnr. 56 der Entscheidung), tragen die Klägerinnen vor, dass die Vereinbarung nur auf Bier der Sorte „Pils“ anwendbar sei. Brasserie nationale weist darauf hin, dass sich der Begriff „Bier“ für die luxemburgischen Brauereien nur auf Biere dieser Sorte beziehe, und fügt hinzu, Mousel und Diekirch hätten erst lange nach Abschluss der Vereinbarung begonnen, andere Biersorten zu vertreiben. Wiltz und Battin führen aus, Artikel 4 habe nur den Sinn haben können, die Parteien daran zu hindern, von ihnen hergestellte oder vertriebene Biere zu liefern. Dabei habe es sich nur um Biere der Sorte „Pils“ gehandelt.
55 Schließlich führt Brasserie nationale aus, das in der Vereinbarung vorgesehene Informationsaustauschsystem habe nichts mit demjenigen zu tun, das Gegenstand der Urteile vom 27. Oktober 1994 in den Rechtssachen T-34/92 (Fiatagri und New Holland Ford/Kommission, Slg. 1994, II-905) und T-35/92 (Deere/Kommission, Slg. 1994, II-957) gewesen sei – den einzigen Fällen, in denen die Kommission den Austausch von Informationen geahndet habe, die nicht die Preise betroffen hätten und nicht zur Unterstützung eines anderen wettbewerbswidrigen Mechanismus gedient hätten.
56 Die Kommission bestreitet die Stichhaltigkeit dieses Teils des ersten Klagegrundes.
– Zu der angeblich unrichtigen Qualifizierung der Vereinbarung dahin gehend, dass sie die Verhinderung des Zugangs zum luxemburgischen Hotel‑ und Gaststättengewerbe bezweckt habe (vierter Teil des ersten Klagegrundes)
57 Die Klägerinnen machen geltend, die Kommission habe zu Unrecht angenommen, dass die Vereinbarung bezweckt habe, den Zugang ausländischer Brauereien zum luxemburgischen Hotel‑ und Gaststättengewerbe zu verhindern.
58 Die Vereinbarung habe nur der Verletzung der Bierklauseln durch ausländische Brauereien entgegenwirken wollen, dabei aber den luxemburgischen Brauereien die Möglichkeit offen gehalten, mit Erfolg auf das Angebot eines Schankwirts einzugehen, der beabsichtigt habe, einen Vertrag mit einer ausländischen Brauerei zu schließen. Außerdem sei die Vereinbarung durch die Ausnahmesituation Luxemburgs, insbesondere das Missverhältnis zwischen der Leistungskraft der luxemburgischen und derjenigen der ausländischen Brauereien, und durch die anomale Situation, die sich aus der mangelnden Vertragstreue der Schankwirte ergeben habe, gerechtfertigt gewesen. Brasserie nationale fügt hinzu, wenn die Kommission den Bierklauseln nicht ihre Gültigkeit abspreche, könne sie nicht indirekt dagegen vorgehen. Außerdem habe die Vereinbarung ausländische Brauereien nicht daran gehindert, Verträge zu schließen. Schließlich gebe der Ausgleichsmechanismus, der in der die ausländischen Brauereien betreffenden Absichtserklärung vorgesehen sei, keinen Anlass zu besonderer Kritik.
59 Zu der Battin betreffenden Absichtserklärung trägt Brasserie nationale vor, deren erster Absatz fördere gerade den Zugang ausländischer Biere zum luxemburgischen Markt. Der im zweiten Absatz verwendete Begriff „Absatzgleichgewicht“ bringe nur den Wunsch zum Ausdruck, bei der Öffnung einer Schankstätte für den Wettbewerb inländischen Anbietern die Möglichkeit der Abgabe von Angeboten offen zu halten.
60 Die Klägerinnen weisen außerdem darauf hin, dass Artikel 11 der Vereinbarung nie zur Anwendung gekommen sei. Brasserie nationale fügt hinzu, dass er keine Abschreckung bewirkt oder bezweckt habe. Wiltz und Battin tragen vor, Artikel 11 habe nur akzessorischen Charakter, wie in Randnummer 72 der Entscheidung eingeräumt werde. Somit stelle auch die in der Battin betreffenden Absichtserklärung vorgesehene Möglichkeit der Kündigung als solche keine Beschränkung dar.
61 Zu der in Randnummer 68 der Entscheidung erwähnten Erklärung des Vorsitzenden der FBL wiederholen die Klägerinnen, dessen Kompetenz sei bestreitbar. Brasserie nationale fügt hinzu, diese Erklärung binde nur den Vorsitzenden selbst und gebe nicht ihre Auffassung wieder.
62 Abschließend macht Brasserie nationale geltend, die Begründung der Entscheidung sei insofern widersprüchlich, als den Parteien vorgeworfen werde, ausländischen Brauereien Vorteile zu verweigern, die im Übrigen zwischen nationalen Brauereien für unzulässig gehalten würden.
63 Nach Auffassung der Kommission greift dieser Teil des ersten Klagegrundes nicht durch.
– Zu der ungenügenden Berücksichtigung des Kontextes der Vereinbarung bei der Beurteilung ihres Zwecks (erster Teil des ersten Klagegrundes)
64 Die Klägerinnen werfen der Kommission vor, bei der Beurteilung des Zwecks der Vereinbarung deren Kontext nicht ausreichend berücksichtigt zu haben. Dieser Fehler rechtfertige die Nichtigerklärung umso mehr, als er zu schwerwiegenden Widersprüchen bei der Auslegung der Vereinbarung geführt habe.
65 Zwar erübrige es sich, die Wirkungen einer ihrem Ziel nach wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarung nachzuweisen; die Feststellung eines wettbewerbsbeschränkenden Ziels erfordere jedoch eine Prüfung des Kontextes (Urteil des Gerichtshofes vom 8. November 1983 in den Rechtssachen 96/82 bis 102/82, 104/82, 105/82, 108/82 und 110/82, IAZ u. a./Kommission, Slg. 1983, 3369, Randnrn. 23 bis 25). Brasserie nationale beruft sich darüber hinaus auf die Urteile des Gerichtshofes vom 30. Juni 1966 in der Rechtssache 56/65 (Société technique minière, Slg. 1966, 282, 303 f.), vom 28. März 1984 in den Rechtssachen 29/83 und 30/83 (CRAM und Rheinzink/Kommission, Slg. 1984, 1679, Randnr. 26) und Wouters u. a. (Randnr. 97) sowie die Urteile des Gerichts vom 12. Juli 2001 in den Rechtssachen T-202/98, T-204/98 und T‑207/98 (Tate & Lyle u. a./Kommission, Slg. 2001, II-2035, Randnrn. 44 bis 53) und vom 18. September 2001 in der Rechtssache T-112/99 (M6 u. a./Kommission, Slg. 2001, II-2459, Randnr. 76).
66 Die Klägerinnen führen aus, der konkrete Rahmen, in dem die Vereinbarung ihre Wirkungen entfaltet habe, sei von einer Ausnahme abgesehen bei der Beurteilung ihres Zwecks außer Acht gelassen worden. Hinsichtlich dieses konkreten Rahmens verweisen die Klägerinnen auf die Vitalität des betreffenden Sektors, die in den Marktanteilen zum Ausdruck komme, die von einer Brauerei zur anderen starke Schwankungen aufwiesen, und auf die in der Gemeinschaft einmalige Öffnung dieses Sektors für Einfuhren. Bei mehr als 33 % des in Luxemburg konsumierten Bieres handele es sich um Importware, und an den Grenzen seien bedeutende Brauereien ansässig. Brasserie nationale weist außerdem darauf hin, dass es zahlreiche nicht an die Parteien gebundene Schankstätten gebe, die ein geeignetes Terrain für zusätzlichen Wettbewerb zwischen luxemburgischen und ausländischen Brauereien bilden könnten. In der mündlichen Verhandlung hat sie dem hinzugefügt, dass diese Schankstätten durch Ausschließlichkeitsklauseln an ausländische Brauereien gebunden seien.
67 Keine der Tatsachen, die die Kommission in den Randnummern 59 bis 63 der Entscheidung zur Stützung ihrer Beurteilung des Zwecks der Vereinbarung anführe, enthalte eine Beschreibung des wirtschaftlichen Zusammenhangs, in den sich diese einfüge, nicht einmal durch eine Verweisung auf die Randnummern 74 bis 76. Dort habe die Spürbarkeit der Wettbewerbsbeschränkung dargetan werden sollen, was ein anderes Stadium der Gedankenführung darstelle als die Feststellung, dass die Vereinbarung ihrem Ziel nach wettbewerbsbeschränkend gewesen sei.
68 Dasselbe gelte für ihre Qualifizierung als Wettbewerbsbeschränkung gegenüber den ausländischen Brauereien (Randnrn. 67 bis 73 der Entscheidung).
69 Die Kommission macht geltend, dieser Teil des ersten Klagegrundes sei nicht stichhaltig.
Würdigung durch das Gericht
– Zu der angeblich unrichtigen Qualifizierung der Vereinbarung dahin gehend, dass sie die Erhaltung von Kundschaften bezweckt habe (dritter Teil des ersten Klagegrundes)
70 Zunächst sind das Vobringen zu prüfen, mit dem die Klägerinnen mehrere Tatsachen bestreiten, die die Kommission in der Entscheidung berücksichtigt und auf die sie ihre Überzeugung gestützt hat, dass die Vereinbarung die Erhaltung von Kundschaften bezweckt habe.
71 Was erstens die von den Klägerinnen bestrittene Feststellung betrifft, die Vereinbarung verbiete jeglichen Verkauf von Bier an einen Schankwirt, der an eine der Parteien gebunden sei (Randnr. 56), genügt es, darauf hinzuweisen, dass in Artikel 4 der Vereinbarung ausdrücklich von „jeglichem Verkauf von Bier“ die Rede ist. Angesichts dieses klaren Wortlauts ist das genannte Vorbringen zurückzuweisen, da es durch keine konkrete Tatsache untermauert ist.
72 Dasselbe gilt zweitens für das Vorbringen, die in Artikel 2 der Vereinbarung enthaltenen Begriffe Gültigkeit und Einwendbarkeit beträfen nur Mängel, die der Vertrag zur Zeit seines Abschlusses aufgewiesen habe, denn eine solche Einschränkung ist in Artikel 2 nicht vorgesehen, und dieses Vorbringen ist durch keine konkrete Tatsache untermauert.
73 Drittens steht dem Vorbringen, der in Artikel 5 der Vereinbarung vorgesehene Mechanismus des Informationsaustauschs ermögliche es, die Tragweite der Vereinbarung auf schriftliche Bierklauseln zu beschränken, wie die Kommission zu Recht vorgetragen hat, die Tatsache entgegen, dass die Vereinbarung – wie bei der Prüfung des zweiten Teils dieses Klagegrundes dargelegt werden wird – uneingeschränkt sogar bei Fehlen einer Bierklausel angewandt werden sollte.
74 Viertens wenden sich die Klägerinnen gegen die Berücksichtigung von vor der Vereinbarung geschlossenen Vereinbarungen in Randnummer 60.
75 Dazu ist zunächst zu bemerken, dass die Vereinbarungen von 1980 und 1981 in der Entscheidung nicht genannt werden. Deshalb ist das Vorbringen, diese unterschieden sich von den Vereinbarungen von 1975 und 1983, unerheblich. Weiter ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission die Vereinbarungen von 1966, 1975 und 1983 nur herangezogen hat, um darzutun, dass die Vereinbarung nicht völlig unabhängig von Letzteren ausgelegt werden kann und dass diese Vereinbarungen die von den Parteien geltend gemachte Rechtfertigung der Vereinbarung mit dem Argument der Rechtsunsicherheit zweifelhaft erscheinen ließen. Gegenüber dieser Schlussfolgerung ist das Vorbringen von Brasserie nationale zu den letztgenannten Vereinbarungen unerheblich.
76 Schließlich wenden sich die Klägerinnen gegen die Berücksichtigung der Erklärung des Vorsitzenden der FBL zum protektionistischen Geist der Vereinbarung in Randnummer 63 der Entscheidung (siehe oben, Randnr. 38).
77 Dazu ist im Einklang mit der Kommission zu bemerken, dass dieser Vorsitzende ein besonders wichtiger Akteur und Zeuge hinsichtlich der Vereinbarung war. So ist z. B. unstreitig, dass er die fragliche Erklärung in einer Zusammenkunft für eine Schlichtung zwischen zwei Parteien abgegeben hat. Außerdem sah Artikel 5 der Vereinbarung vor, dass eine Partei ihm eine Kopie eines nach dieser Vorschrift an eine andere Partei gerichteten Auskunftsersuchens übermitteln konnte. Damit haben die Parteien dem Vorsitzenden die Rolle des Schlichters zugewiesen.
78 Zu dem Vorbringen, diese Erklärung sei sachlich unrichtig, da die Vereinbarung nicht die Ein- und Ausfuhren betroffen habe, genügt es, festzustellen, dass die Behauptung der Klägerinnen, die Vereinbarung habe nicht die Ein- und Ausfuhren betroffen, angesichts der Battin einerseits und die ausländischen Brauereien andererseits betreffenden Absichtserklärungen unhaltbar ist. Das zur Stützung dieser Auffassung herangezogene Urteil Bilger ist vor allem deshalb nicht einschlägig, weil es eine vertikale Abrede betraf, während es sich bei der Vereinbarung um eine horizontale Vereinbarung handelte.
79 Somit haben die Klägerinnen keine der Tatsachen widerlegen können, die die Kommission in ihrer Entscheidung berücksichtigt hat, um daraus herzuleiten, dass die Vereinbarung die Erhaltung von Kundschaften bezweckte.
80 Im Folgenden sind die übrigen Argumente zu untersuchen, die die Klägerinnen zur Begründung dieses Teils des ersten Klagegrundes angeführt haben.
81 Die drei oben in den Randnummern 47 bis 51 genannten Gründe, aus denen die Vereinbarung angeblich getroffen worden sein soll, sind, selbst wenn sie bewiesen wären, nicht geeignet, eine Absprache zu rechtfertigen, mit der ein wettbewerbswidriger Zweck verfolgt wird. Denn es kann nicht hingenommen werden, dass Unternehmen die Wirkungen von Rechtsvorschriften, die sie für allzu ungünstig halten, unter dem Vorwand, dass durch sie ein Ungleichgewicht zu ihren Lasten geschaffen worden sei, zu neutralisieren versuchen, indem sie Kartelle abschließen, die diese Nachteile korrigieren sollen (in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 21. Februar 1995 in der Rechtssache T-29/92, SPO u. a./Kommission, Slg. 1995, II-289, Randnr. 256, im Rahmen der Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 EG, und Urteil des Gerichtshofes vom 15. Oktober 2002 in den Rechtssachen C‑238/99 P, C‑244/99 P, C‑245/99 P, C‑247/99 P, C‑250/99 P bis C‑252/99 P und C‑254/99 P, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, Slg. 2002, I‑8375, Randnr. 487, im Hinblick auf eine Krise auf dem Markt). Dem ist hinzuzufügen, dass nicht nur die Klägerinnen, sondern alle Wirtschaftsteilnehmer mit den Schwierigkeiten fertig werden mussten, die die Vereinbarung angeblich beheben sollte.
82 Im Übrigen geht, wie die Kommission vorgetragen hat, aus den Akten hervor, dass die Vereinbarung – wie im Rahmen der Prüfung des zweiten Teils dieses Klagegrundes dargelegt werden wird – selbst bei Fehlen einer Bierklausel angewandt werden sollte und dass ihr Zweck sich nicht darauf beschränkte, die drei von den Klägerinnen aufgeführten, in den Randnummern 47 bis 51 dargelegten Probleme zu lösen.
83 Soweit das Vorbringen der Klägerinnen, wie es in der mündlichen Verhandlung näher erläutert worden ist, dahin zu verstehen ist, dass die Vereinbarung bezweckte, angesichts der genannten drei Probleme eine der Verordnung Nr. 1984/83 entsprechende Rechtslage wieder herzustellen, ist daran zu erinnern, dass das in Artikel 4 der Vereinbarung ausgesprochene Verbot deutlich über das hinausgeht, was Artikel 7 Absatz 1 dieser Verordnung erlaubt. Zudem gestattet diese Verordnung nur bestimmte Wettbewerbsbeschränkungen im vertikalen Verhältnis zwischen Wiederverkäufer und Lieferant (siehe insbesondere die Artikel 1 und 6), während es sich bei der Vereinbarung um eine horizontale Vereinbarung handelt. Jedenfalls haben die Klägerinnen nicht einmal versucht darzutun, dass es zur Lösung der angeblich auf der vertikalen Ebene bestehenden Probleme unerlässlich war, eine horizontale Vereinbarung zu treffen.
84 Die Klägerinnen tragen weiter vor, das einzige Ziel der Vereinbarung habe darin bestanden, die Einhaltung der zwischen den Schankstätten und den Brauereien geschlossenen Alleinbezugsverträge sicherzustellen. Außerdem sei die Vereinbarung durch die Notwendigkeit, die Lauterkeit des Handelsverkehrs zu wahren, gerechtfertigt gewesen.
85 Selbst wenn man diese Umstände als bewiesen ansehen wollte, steht der Feststellung, dass die Vereinbarung bezweckte, den Wettbewerb innerhalb des Gemeinsamen Marktes einzuschränken, nicht entgegen, dass mit ihr angeblich auch ein rechtmäßiger Zweck verfolgt wurde (in diesem Sinne Urteil IAZ u. a./Kommission, Randnr. 25). Die Klägerinnen können sich nicht auf das Urteil Delimitis berufen, denn dieses ist in einer Rechtssache erlassen worden, in der es um vertikale Beziehungen ging, während die vorliegende Rechtssache eine horizontale Vereinbarung betrifft. Im Übrigen geht der Hinweis von Brasserie nationale auf die Urteile Cassis de Dijon und Wouters u. a. fehl. Wenn feststeht, dass der Zweck einer Vereinbarung seiner Natur nach auf eine Wettbewerbsbeschränkung, wie z. B. eine Aufteilung der Kunden, gerichtet ist, kann diese Vereinbarung gemäß einer Vernunftsregel (rule of reason) nicht deshalb aus dem Anwendungsbereich des Artikels 81 Absatz 1 EG herausfallen, weil mit ihr möglicherweise auch andere Zwecke verfolgt werden, wie z. B. die, um die es in diesen Urteilen ging.
86 Zu dem aus dem oben genannten Urteil in der Rechtssache Institut der zugelassenen Vertreter/Kommission hergeleiteten Argument ist erstens zu bemerken, dass Artikel 5 Buchstabe c der Richtlinien für die Berufsausübung des IMA nur ein Verbot des aktiven Angebots der Dienstleistungserbringung für Angelegenheiten enthielt, die gerade von einem anderen Vertreter bearbeitet werden (Randnr. 89). Ein solches Verbot ist mit den in der Vereinbarung ausgesprochenen Verboten keineswegs vergleichbar. Denn in jener Rechtssache betraf das Verbot nur die Anwerbung eines Kunden aus eigener Initiative, während die Vereinbarung es den Parteien u. a. untersagte, auf ein Vertragsangebot zu antworten. Zweitens wurde jenes Verbot im Gegensatz zu der Vereinbarung, die eine Aufteilung der Kunden bezweckte, insbesondere auf standesrechtliche Erwägungen gestützt. Dieses Argument ist folglich zurückzuweisen.
87 Schließlich bestreiten die Parteien, dass ausschließlich die nationalen Brauereien von der Vereinbarung profitiert hätten (Randnr. 62 der Entscheidung). Dieses Bestreiten ist jedoch nicht ausreichend substanziiert. Zu der Behauptung der Klägerinnen, die Teilnahme an der Vereinbarung habe allen in Luxemburg ansässigen Brauereien offen gestanden, ist festzustellen, dass sie von keiner ausländischen Brauerei unterzeichnet worden ist. Der Hinweis darauf, dass zwei luxemburgische Brauereien nach ihrer Übernahme durch eine ausländische Brauerei nicht aus der Vereinbarung ausgeschlossen worden seien, beweist nicht, dass ausländische Brauereien als solche der Vereinbarung beitreten konnten. Ganz im Gegenteil zeigt Artikel 11, der bestimmt, dass eine Partei im Fall der Übernahme der Kontrolle durch eine ausländische Gesellschaft oder im Fall der Zusammenarbeit mit einer ausländischen Brauerei aus der Vereinbarung ausgeschlossen wird, dass beabsichtigt war, die Teilnahme an der Vereinbarung inländischen Brauereien vorzubehalten. Der Umstand, dass dieser Artikel niemals angewandt worden ist, ändert daran nichts.
88 Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass keines der zur Begründung des dritten Teils des ersten Klagegrundes geltend gemachten Argumente durchgreift. Dieser Teil ist daher zurückzuweisen.
– Zu der angeblich unrichtigen Qualifizierung der Vereinbarung dahin gehend, dass sie die Verhinderung des Zugangs zum luxemburgischen Hotel‑ und Gaststättengewerbe bezweckt habe (vierter Teil des ersten Klagegrundes)
89 Es ist festzustellen, dass die Parteien einander durch die die ausländischen Brauereien betreffende Absichtserklärung den Vorrang für die Kundenakquisition und den Abschluss einer Bezugsvereinbarung mit einer Schankstätte eingeräumt haben, die mit einer von ihnen verbunden und im Begriff war, eine Bezugsvereinbarung mit einer ausländischen Brauerei abzuschließen. Die Battin betreffende Absichtserklärung sah die Möglichkeit vor, die Vereinbarung Battin gegenüber zu kündigen, falls diese ihre Vertriebsbedingungen für bestimmte ausländische Biere ändern sollte. Schließlich sah Artikel 11 der Vereinbarung die Möglichkeit vor, diese im Fall der Übernahme der Kontrolle durch eine ausländische Gesellschaft oder der Zusammenarbeit mit einer ausländischen Brauerei zu kündigen.
90 Außerdem betraf das Vorgehen, das in der die ausländischen Brauereien betreffenden Absichtserklärung festgelegt war, wie die Kommission zu Recht geltend gemacht hat, nur die ausländischen Brauereien, die eine luxemburgische Schankstätte beliefern wollten, es schützte jedoch nicht die ausländischen Brauereien für den Fall, dass eine luxemburgische Schankstätte, die ihr Kunde war, im Begriff war, sich von einer luxemburgischen Brauerei beliefern zu lassen.
91 Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass die Auffassung der Kommission, die Vereinbarung habe bezweckt, den Zugang ausländischer Brauereien zum luxemburgischen Hotel‑ und Gaststättengewerbe zu verhindern, nicht rechtsfehlerhaft ist.
92 Keines der Argumente der Klägerinnen ist geeignet, dieses Ergebnis zu widerlegen.
93 Zunächst ist schon das erste Argument, die Vereinbarung habe nur der Verletzung der Bierklauseln durch ausländische Brauereien entgegenwirken sollen, sachlich unrichtig, da die Vereinbarung, wie im Rahmen der Prüfung des zweiten Teils des vorliegenden Klagegrundes dargelegt werden wird, auch bei Fehlen einer Bierklausel anwendbar war.
94 Außerdem kann, ebenso wie bereits im Rahmen der Zurückweisung des dritten Teils des vorliegenden Klagegrundes dargelegt worden ist, der von den Klägerinnen angeführte Umstand, selbst wenn er bewiesen wäre, nicht den oben festgestellten wettbewerbsbeschränkenden Zweck der Vereinbarung rechtfertigen.
95 Wenn die Klägerinnen schließlich vortragen, dass die Vereinbarung die Möglichkeit für die luxemburgischen Brauereien habe offen halten wollen, auf das Angebot eines Schankwirts einzugehen, der beabsichtigt habe, einen Vertrag mit einer ausländischen Brauerei zu schließen, so räumen sie damit selbst ein, dass die Vereinbarung ihrem Ziel nach wettbewerbsbeschränkend war. Denn durch die Aufrechterhaltung dieser Möglichkeit führte sie per definitionem zu einer Änderung der Wettbewerbsbedingungen zulasten der betroffenen ausländischen Brauerei.
96 Zweitens tragen die Klägerinnen vor, der Abschluss der Vereinbarung sei durch die besondere Lage Luxemburgs und durch die anomale Situation, die sich aus der mangelnden Vertragstreue der Schankwirte ergeben habe, gerechtfertigt gewesen. Im Übrigen sei Artikel 11 der Vereinbarung nie zur Anwendung gekommen. Brasserie nationale fügt hinzu, die Vereinbarung habe die ausländischen Brauereien nicht daran gehindert, Verträge zu schließen.
97 Allen diesen Argumenten gegenüber ist erneut darauf hinzuweisen, dass sie, selbst wenn man ihnen folgen wollte, nicht den wettbewerbsbeschränkenden Zweck der Vereinbarung rechtfertigen können, der sich aus den von der Kommission angeführten und von den Klägerinnen nicht bestrittenen Tatsachen ergibt. So ist insbesondere die Behauptung, die Vereinbarung habe die ausländischen Brauereien nicht gehindert, Verträge zu schließen, unerheblich, da die Vereinbarung bezweckte, den Wettbewerb zu beschränken und somit nicht geprüft zu werden braucht, ob sie auch eine Wettbewerbsbeschränkung bewirkt hat (in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 6. Juli 2000 in der Rechtssache T‑62/98, Volkswagen/Kommission, Slg. 2000, II-2707, Randnr. 231).
98 Drittens wiederholen die Klägerinnen ihr Vorbringen, die Kompetenz des Vorsitzenden der FBL sei bestreitbar. Brasserie nationale fügt hinzu, die in Randnummer 68 der Entscheidung wiedergegebene Erklärung des Vorsitzenden binde nur diesen selbst und gebe nicht ihre Auffassung wieder.
99 Das Vorbringen, mit dem die Klägerinnen die Kompetenz des Vorsitzenden der FBL bestreiten, ist aus den Gründen zurückzuweisen, die im Rahmen der Zurückweisung des vorigen Teils des vorliegenden Klagegrundes dargelegt worden sind. Auch ist die fragliche Erklärung, wie in Randnummer 68 der Entscheidung ausgeführt wurde, in einer Schlichtungszusammenkunft betreffend die Anwendung der Vereinbarung abgegeben worden. Deshalb war sie bei der rechtlichen Beurteilung der Vereinbarung zu berücksichtigen. Die Kommission war dadurch, dass sie dies tat, keineswegs der Meinung, dass diese Erklärung die Auffassung von Brasserie nationale wiedergibt.
100 Brasserie nationale macht viertens geltend, im ersten Absatz der Battin betreffenden Absichtserklärung werde der Zugang ausländischer Biere zum luxemburgischen Markt gerade fördere. Der im zweiten Absatz verwendete Begriff „Absatzgleichgewicht“ bringe nur den Wunsch zum Ausdruck, bei der Öffnung einer Schankstätte für den Wettbewerb inländischen Anbietern die Möglichkeit der Abgabe von Angeboten offen zu halten.
101 Dazu genügt es festzustellen, dass diese Absichtserklärung zwar tatsächlich Battin den Vertrieb bestimmter ausländischer Biere gestattete, jedoch zugleich eine spürbare Einschränkung ihrer Handlungsfreiheit und damit eine Wettbewerbsbeschränkung bewirkte.
102 Abschließend macht Brasserie nationale geltend, die Begründung der Entscheidung sei insofern widersprüchlich, als den Parteien vorgeworfen werde, ausländischen Brauereien Vorteile zu verweigern, die im Übrigen zwischen inländischen Brauereien für unzulässig gehalten würden.
103 Dazu ist Folgendes zu bemerken: Die Öffnung der mit den Bierklauseln verbundenen Garantie gegenüber ausländischen Brauereien war vielleicht geeignet, den einschränkenden Charakter dieser Garantie zu verstärken, doch ermöglichten Artikel 11 der Vereinbarung und die Battin betreffende Absichtserklärung den Ausschluss ausländischer Brauereien von den – selbst rechtswidrigen – „Vorteilen“ dieser Garantie, soweit sie den Schutz der Kundschaft betraf, und damit die Verhinderung des Zugangs dieser Brauereien zum luxemburgischen Hotel‑ und Gaststättengewerbe.
104 Der vierte Teil des ersten Klagegrundes ist somit zurückzuweisen.
– Zur ungenügenden Berücksichtigung des Kontextes der Vereinbarung bei der Beurteilung ihres Zwecks (erster Teil des ersten Klagegrundes)
105 In Randnummer 47 der Entscheidung mit der Überschrift „Bezweckte Einschränkung des Wettbewerbs“ heißt es, dass Zweck der Vereinbarung erstens die Erhaltung der jeweiligen Kundschaft der Parteien im Hotel‑ und Gaststättengewerbe in Luxemburg und zweitens die Verhinderung des Zugangs ausländischer Brauereien zu diesem Gewerbe gewesen seien. Hinsichtlich des erstgenannten Zwecks wird auf die Randnummern 48 bis 66 und hinsichtlich des letzteren auf die Randnummern 67 bis 73 der Entscheidung verwiesen.
106 Somit ergibt sich aus dem Aufbau der Entscheidung, dass die Beschreibung des Zwecks der Vereinbarung entgegen den Ausführungen der Klägerinnen nicht auf die Randnummern 59 bis 62 beschränkt ist, sondern aus der Gesamtheit der Randnummern 47 bis 73 hervorgeht.
107 Die bloße Lektüre aller letztgenannten Randnummern zeigt, dass die Behauptung der Klägerinnen, der Kontext der Vereinbarung sei bei der Beurteilung ihres Zwecks außer Acht gelassen worden, unhaltbar ist. Insoweit wird auf die Zusammenfassung der Randnummern 48 bis 73 der Entscheidung in den Randnummern 30 bis 40 dieses Urteils verwiesen.
108 Im Übrigen geht es bei den diesen Kontext bildenden Umständen, die die Kommission nach Auffassung der Klägerinnen bei der Beurteilung des Zwecks der Vereinbarung nicht genügend berücksichtigt hat, um die Vitalität des betreffenden Sektors, die in den Markanteilen zum Ausdruck kommt, die einmalige Öffnung dieses Sektors für Einfuhren und das Vorhandensein zahlreicher nicht an die Parteien gebundener Schankstätten. Diese Umstände haben aber nichts mit der Frage nach dem Zweck der Vereinbarung zu tun, sondern mit derjenigen nach ihren Wirkungen. Nach der Rechtsprechung braucht die Kommission jedoch die Wirkungen einer Vereinbarung, die ihrem Zweck nach wettbewerbsbeschränkend ist, nicht zu prüfen (in diesem Sinne Urteil Volkswagen/Kommission, Randnr. 231). Dies wird im Übrigen von den Klägerinnen nicht bestritten, die einräumen, dass es sich erübrigt, die Wirkungen einer Vereinbarung darzutun, die ihrem Zweck nach wettbewerbsbeschränkend ist.
109 Außerdem ist das Vorbringen der Klägerinnen, die Kommission habe die den Kontext der Vereinbarung bildenden Umstände nicht genügend berücksichtigt, unbegründet. Denn in den Randnummern 23 bis 25 des Urteils in der Rechtssache IAZ u. a./Kommission, auf das sich die Klägerinnen berufen, wurden „sowohl der Inhalt des Übereinkommens [um das es in der Rechtssache, die zu jenem Urteil führte, ging] als auch seine Entstehungsgeschichte und die Umstände seiner Ausführung“ berücksichtigt. Genau diesen Umständen hat die Kommission jedoch Rechnung getragen, als sie zu dem Ergebnis gekommen ist, dass die Vereinbarung ihrem Zweck nach wettbewerbsbeschränkend ist. Dazu wird erneut auf die vorstehende Zusammenfassung der Randnummern 48 bis 73 der Entscheidung verwiesen.
110 Der erste Teil des ersten Klagegrundes ist somit zurückzuweisen.
Zum zweiten Teil des ersten Klagegrundes, der dahin geht, dass die Kommission zu Unrecht gemeint habe, die Vereinbarung sei bei Fehlen einer Bierklausel anwendbar
Angefochtene Entscheidung
111 In der Entscheidung wird darauf hingewiesen, dass die Parteien laut dem Protokoll einer Sitzung der FBL vom 7. Oktober 1986 in der durch dasjenige der Sitzung vom 2. Dezember 1986 geänderten Fassung eine großzügigere Auslegung des Begriffes „Bierklausel“ als in Artikel 2 der Vereinbarung vereinbart hätten. Diese Auslegung werde in einem Brief bestätigt, den Wiltz am 23. Oktober 1991 an die FBL gerichtet habe (Randnr. 9 der Entscheidung).
Vorbringen der Parteien
112 Die Parteien führen aus, die Kommission habe zu Unrecht angenommen, dass die Vereinbarung die Fälle umfasst habe, in denen keine ordnungsgemäß vereinbarte und gültige Bierklausel vorgelegen habe.
113 Zwar könne sich eine Vereinbarung aus einem anderen Dokument als einem förmlichen Text ergeben. Doch dann müsse geprüft werden, ob es sich um den „getreuen Ausdruck des gemeinsamen Willens“ der Parteien handele (Urteile des Gerichtshofes vom 15. Juli 1970 in der Rechtssache 41/69, ACF Chemiefarma/Kommission, Slg. 1970, 661, Randnrn. 110 bis 114, und vom 29. Oktober 1980 in den Rechtssachen 209/78 bis 215/78 und 218/78, Van Landewyck u. a./Kommission, Slg. 1980, 3125, Randnr. 86). An einem solchen Willen fehle es hier jedoch. Denn in dem in Randnummer 9 der Entscheidung erwähnten Protokoll der Sitzung der FBL vom 7. Oktober 1986 heiße es, dass „[d]ie drei Dokumente, deren Behandlung ausgesetzt worden [ist], ... genehmigt worden [sind] und … in der nächsten Sitzung unterzeichnet [werden]“. Dazu heiße es dann in dem ebenfalls in Randnummer 9 genannten Protokoll der Sitzung des FBL vom 2. Dezember 1986, dass „[d]ie Parteien [die genannten Dokumente] unterzeichnet [haben]“. Nach Auffassung der Parteien handelt es sich bei einer solchen Unterzeichnung um eine Förmlichkeit, ohne die kein gemeinsamer Wille der Parteien festgestellt werden kann. In keinem der beiden Protokolle sei jedoch von einer solchen Unterzeichnung die Rede, soweit es um die sich aus den beiden Sitzungsprotokollen ergebende Auslegung der Vereinbarung gehe, und dies, obwohl diese Auslegung nicht von den drei genannten Dokumenten getrennt werden könne. Außerdem folge aus dem Protokoll der Sitzung der FBL vom 2. Dezember 1986, dass der in Punkt 2 des Protokolls der vorhergehenden Sitzung der FBL genannte Text verdeutlicht worden sei. Dieser letztgenannte Text sei somit weder nach der ersten noch nach der zweiten Sitzung festgelegt worden. Schließlich trage das in Randnummer 9 der Entscheidung erwähnte Schreiben von Wiltz an die FBL vom 23. Oktober 1991 die Überschrift „Vorschlag“. Dort fänden sich die in den genannten Protokollen in zwei Gedankenstrichen enthaltenen Auslegungen in einer knapperen und besseren Formulierung. Wiltz hätte jedoch kein Interesse daran gehabt, diesen Vorschlag zu machen, wenn sich die bestrittene Erweiterung bereits aus diesen Protokollen ergeben hätte.
114 Hinsichtlich des angeblichen, von Wiltz allerdings bestrittenen Einverständnisses mit der Begriffserweiterung tragen die Klägerinnen vor, dass Wiltz in der betreffenden Erklärung den Konditional verwendet habe. Zum angeblichen Einverständnis von Brasserie nationale mit der Begriffserweiterung bemerkt diese, sie habe in der betreffenden Erklärung nur die Herkunft des Vorschlags für diese Erweiterung angegeben, und die Worte „sie erklärte sich bereit [zu] unterschreiben“ und „[e]s störte [sie] nicht, zu unterschreiben“ brächten lediglich ihre Bereitschaft zum Ausdruck, in Zukunft zu unterschreiben.
115 Brasserie nationale weist ferner unter Bezugnahme auf die in den Akten enthaltene Korrespondenz darauf hin, dass es mangels eines unterschriebenen Vertrages niemals zu einem Rechtsstreit zwischen den Parteien gekommen sei.
116 Schließlich behauptet Brasserie nationale, die Kommission habe selbst eingeräumt, dass die Vereinbarung nicht auf Fälle anwendbar sei, in denen keine Bierklausel vorliege, denn sie führe in Randnummer 92 der Entscheidung aus: „Die Tragweite des Verstoßes ist ... auf ... diejenigen Schankstätten beschränkt, die durch Alleinbezugsvereinbarungen ... an die Parteien gebunden sind.“
117 Die Kommission ist der Auffassung, dass dieser Teil des ersten Klagegrundes nicht stichhaltig ist.
Würdigung durch das Gericht
118 Nach ständiger Rechtsprechung genügt es für das Vorliegen einer Vereinbarung im Sinne von Artikel 81 Absatz 1 EG, dass die fraglichen Unternehmen ihren gemeinsamen Willen, sich auf eine bestimmte Weise auf dem Markt zu verhalten, zum Ausdruck gebracht haben (in diesem Sinne Urteile ACF Chemiefarma/Kommission, Randnr. 112, und Van Landewyck u. a. /Kommission, Randnr. 86; Urteile des Gerichts vom 17. Dezember 1991 in der Rechtssache T-7/89, Hercules Chemicals/Kommission, Slg. 1991, II-1711, Randnr. 256, und vom 26. Oktober 2000 in der Rechtssache T-41/96, Bayer/Kommission, Slg. 2000, II-3383, Randnr. 67). Hinsichtlich der Form, in der der gemeinsame Willen zum Ausdruck gebracht wird, genügt es, dass eine Klausel Ausdruck des Willens der Vertragsparteien ist, sich auf dem Markt im Einklang mit ihr zu verhalten (in diesem Sinne Urteile ACF Chemiefarma/Kommission, Randnr. 112, Van Landewyck u. a./Kommission, Randnr. 86, und Bayer/Kommission, Randnr. 68).
119 Folglich ist der Begriff der Vereinbarung im Sinne von Artikel 81 Absatz 1 EG, wie er in der Rechtsprechung ausgelegt worden ist, durch das Vorliegen einer Willensübereinstimmung zwischen mindestens zwei Parteien gekennzeichnet, deren Ausdrucksform unerheblich ist, sofern sie den Willen der Parteien getreu wiedergibt (Urteil Bayer/Kommission, Randnr. 69).
120 Im vorliegenden Fall wird zunächst in dem Protokoll der Sitzung der FBL vom 7. Oktober 1986 Folgendes ausgeführt:
„2. Bierklausel
Die drei Dokumente, deren Behandlung ausgesetzt worden ist, sind genehmigt worden und werden in der nächsten Sitzung unterzeichnet.
Im Übrigen wurde vereinbart, folgende Erweiterung der Bedeutung des Begriffes ‚Bierklausel‘anzuerkennen:
– Pacht und finanzielle Beteiligung an der Ausstattung eines Cafés – ohne ausdrückliche Erwähnung einer Bierklausel ...
– die Übernahme einer Schankerlaubnis durch eine Brauerei mit Finanzierung, ohne ausdrückliche Vereinbarung einer Bierklausel.
Diese beiden Auslegungen sind Bestandteil der in diesem Bereich bestehenden Bestimmungen.“
121 In dem Protokoll der Sitzung der FBL vom 2. Dezember 1986 heißt es (die Passagen finden sich in der angegebenen Weise im Original):
„1. Das Protokoll der Sitzung vom 7. Oktober 1986 wird wie folgt geändert:
... Nummer 2 erster Gedankenstrich
– Pacht und finanzielle Beteiligung an der Ausstattung eines Cafés – ohne ausdrückliche Erwähnung einer Bierklausel, z. B. die Brauerei X pachtet ein Gebäude und beteiligt sich an den Kosten für die bestimmungsgemäße Ausstattung des Gebäudes, schließt aber keine Verpflichtung mit dem Vermieter ab oder es kommt nicht zum Abschluss einer solchen.
Der zweite Gedankenstrich
muss wie folgt lauten:
– die Übernahme einer Schankerlaubnis durch eine Brauerei ohne ausdrückliche Vereinbarung einer Bierklausel.
2. Die Brauereien unterzeichnen [die drei in Nummer 2 des Protokolls der Sitzung vom 7. Oktober 1986 genannten Dokumente].
Alle Brauereien haben eine Kopie dieser unterzeichneten Dokumente erhalten, deren Originale bei der [FBL] verbleiben. Diese Dokumente haben vertraulichen Charakter.“
122 Das Schreiben von Wiltz an die FBL vom 23. Oktober 1991 lautet wie folgt:
„Vorschlag:
Im Zusammenhang mit Artikel 2 der Vereinbarung vereinbaren die Bierbrauer, folgende Erweiterung des Begriffes ‚Bierklausel‘ anzuerkennen:
– die Pacht eines Lokals;
– die Zurverfügungstellung – unter welchem Rechtstitel auch immer – einer Schankerlaubnis durch eine Brauerei.“
123 Somit ist zu prüfen, ob die Kommission angesichts der von den Klägerinnen angeführten Tatsachen rechtlich einwandfrei das Vorliegen einer Willensübereinstimmung der Parteien über die Anwendung der Vereinbarung auch bei Fehlen einer ordnungsgemäß vereinbarten und gültigen Bierklausel dargetan hat.
124 In dem Protokoll der Sitzung der FBL vom 7. Oktober 1986 wird ausdrücklich hervorgehoben, dass die dort erwähnte Erweiterung des Anwendungsbereichs der Vereinbarung „vereinbart“ wurde und „Bestandteil der in diesem Bereich bestehenden Bestimmungen“ ist. Weder in diesem Sitzungsprotokoll noch in dem Protokoll der Sitzung der FBL vom 2. Dezember 1986 ist irgendeine Formalisierung dieser Vereinbarung vorgesehen. Deshalb ist es unerheblich, dass das erste Sitzungsprotokoll auch vorsah, dass bestimmte dort genannte Dokumente „genehmigt worden“ seien und „in der nächsten Sitzung unterzeichnet“ würden. Auch der Umstand, dass das zweite Sitzungsprotokoll (im Übrigen relativ unbedeutende) Änderungen des ersten Protokolls enthielt, ist nicht geeignet, das Einvernehmen der Parteien genau über den so geänderten Text ungültig zu machen.
125 Darüber hinaus haben, wie in Randnummer 29 der Entscheidung ausgeführt wird, sowohl Brasserie nationale als auch Wiltz eingeräumt, dass die Vereinbarung auch für bestimmte Beziehungen zwischen Brauereien und Schankbetreibern galt, bei denen keinerlei Liefervertrag oder Bierklausel vorlag.
126 Tatsächlich erklärte Brasserie nationale in ihrer Antwort auf die von der Kommission nach der Anhörung gestellten Fragen zu dem Fall, dass ein Pachtvertrag und eine Finanzierung durch eine Brauerei, aber kein Vertrag mit Bierklausel vorlag:
„Auch in diesem Fall ist nach den Texten von 1986 [nämlich den beiden genannten Sitzungsprotokollen], davon auszugehen, dass eine Bierklausel im Sinne der Vereinbarung vorliegt. Diese Klausel ist, wie eingeräumt werden muss, a priori überraschend, denn keine Brauerei investiert, ohne einen Vertrag zu haben … Im Übrigen ist diese Fantasieklausel nie ... angewandt worden. In Wirklichkeit ging es um die absurde Hypothese, die sich … ausgedacht hat. Die Arbeitshypothese dieser Person war natürlich absurd, aber da [Brasserie nationale] keineswegs die ihr unterstellten Absichten hatte, war sie bereit, den fraglichen Text [zu] unterschreiben… Es störte [Brasserie nationale] nicht zu unterschreiben, denn sie hatte nicht die Absicht, im Sinne der in der fraglichen Klausel bezeichneten Hypothese tätig zu werden …“
127 Wiltz erklärte in ihrer Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte:
„Die [Vereinbarung] könnte allenfalls aufgrund der zwischen [den] Parteien in den [Sitzungen der FBL vom] 7. Oktober und 2. Dezember 1986 vereinbarten Auslegung des Begriffes ‚Bierklausel‘ in diesem Sinne verstanden werden. Aber auch dann war es ihr einziger und rechtmäßiger Zweck, die Information zu gewährleisten, durch die bei bedeutenden Investitionen Rechtsunsicherheit vermieden werden sollte.“
128 Insofern ist das Argument, das die Klägerinnen aus dem Gebrauch des Konditionals in dem in der vorstehenden Randnummer zitierten Schreiben von Wiltz herleiten, zurückzuweisen. Denn in derselben Erklärung hat Wiltz ausdrücklich auf die „zwischen [den] Parteien ... vereinbarte Auslegung des Begriffes ‚Bierklausel‘“ Bezug genommen.
129 Brasserie nationale führt ferner aus, sie habe in ihrer (in Randnr. 126 zitierten) Erklärung nur die Herkunft des Vorschlags für die Erweiterung des Anwendungsbereichs der Vereinbarung auf die Fälle des Fehlens einer Bierklausel angegeben, und die Worte „sie erklärte sich bereit [zu] unterschreiben“ und „[e]s störte [sie] nicht, zu unterschreiben“ brächten lediglich ihre Bereitschaft zum Ausdruck, diesen Vorschlag in Zukunft zu unterschreiben.
130 Auch dieses Vorbringen ist zurückzuweisen. Unter den Umständen der vorliegenden Rechtssache kann die genannte Erklärung nicht die Feststellung entkräften, dass Brasserie nationale der Erweiterung des Anwendungsbereichs der Vereinbarung in den Sitzungen vom 7. Oktober und vom 2. Dezember 1986 zugestimmt hat. Insofern ist daran zu erinnern, dass es keine Rolle spielt, von wem der Vorschlag, den Anwendungsbereich der Vereinbarung zu erweitern, ausgegangen ist, da nachweislich eine Willensübereinstimmung bestand (in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofes vom 1. Februar 1978 in der Rechtssache 19/77, Miller/Kommission, Slg. 1978, 131, Randnr. 7, und Urteil des Gerichts vom 14. Juli 1994 in der Rechtssache T‑77/92, Parker Pen/Kommission, Slg. 1994, II-549, Randnr. 37).
131 Selbst wenn man davon ausgeht, dass Brasserie nationale mit der Erweiterung des Anwendungsbereichs der Vereinbarung nicht einverstanden war, wäre es jedenfalls ihre Sache gewesen, klarzustellen, dass sie der neuen Auslegung des Begriffes „Bierklauseln“ nicht zustimmte (in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 15. März 2000 in den Rechtssachen T‑25/95, T‑26/95, T‑30/95 bis T‑32/95, T‑34/95 bis T‑39/95, T‑42/95 bis T‑46/95, T‑48/95, T‑50/95 bis T‑65/95, T‑68/95 bis T‑71/95, T‑87/95, T‑88/95, T‑103/95 und T‑104/95, Cimenteries CBR u. a../Kommission, Slg. 2000, II‑491, Randnr. 1353, und die dort zitierte Rechtsprechung). Dies hat sie jedoch bekanntlich nicht getan.
132 Im Übrigen hätte sich Brasserie nationale, wenn sich die Parteien nicht über die fragliche Erweiterung des Anwendungsbereichs der Vereinbarung geeinigt hätten, gegenüber der Kommission logischerweise nicht allein darauf berufen, dass diese Erweiterung nie zur Anwendung gekommen sein soll.
133 Zu dem auf das genannte Schreiben von Wiltz gestützten Vorbringen ist zu bemerken, dass es durchaus möglich ist, dass Wiltz den in diesem Schreiben enthaltenen Vorschlag nicht aus dem von den Klägerinnen angegebenen Grund gemacht hat, sondern aufgrund des Wunsches, genau den sich aus den beiden Sitzungsprotokollen ergebenden Text zu ändern. Außerdem enthält dieser Vorschlag entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen nicht nur redaktionelle Verbesserungen. So wird in diesem Vorschlag die „Pacht“ einer „Bierklausel“ gleichgestellt, während nach dem Protokoll der Sitzung der FBL vom 2. Dezember 1986 einer solchen Klausel die „Pacht und finanzielle Beteiligung an der Ausstattung eines Cafés“ gleichgestellt wird. Dies kann nicht als eine nur redaktionelle Änderung angesehen werden.
134 Zu der Behauptung, die Kommission habe anerkannt, dass die Vereinbarung auf die Fälle des Fehlens einer Bierklausel nicht anwendbar war, ist schließlich zu bemerken, dass die in Randnummer 92 der Entscheidung benutzte Formulierung: „Die Tragweite des Verstoßes ist ... auf ... diejenigen Schankstätten beschränkt, die durch Alleinbezugsvereinbarungen an die Parteien gebunden sind“, vielleicht nicht glücklich war, die bloße Lektüre der Randnummer 9 in Verbindung mit den Randnummern 48 bis 63 und insbesondere die Verweisung auf Randnummer 9 in Randnummer 50 jedoch die Auffassung der Kommission erhellt, dass die Vereinbarung auch bei Fehlen einer Bierklausel anwendbar sein sollte. Gegen diese Auffassung wenden sich die Klägerinnen im Übrigen mit dem vorliegenden Teil des ersten Klagegrundes. Sie können also nicht gleichzeitig behaupten, dass die Kommission anderer Auffassung gewesen sei.
135 Aus alledem folgt, dass die Klägerinnen nichts vorgetragen haben, was die Feststellung der Kommission in Frage stellen könnte, dass eine Willensübereinstimmung der Parteien über die Anwendung der Vereinbarung auch bei Fehlen einer ordnungsgemäß vereinbarten und gültigen Bierklausel bestand.
136 Deshalb ist der zweite Teil des ersten Klagegrundes zurückzuweisen.
Zum fünften Teil des ersten Klagegrundes: Keine spürbare Auswirkung der Vereinbarung auf den Wettbewerb
Angefochtene Entscheidung
137 In der Entscheidung heißt es, die Vereinbarung sei geeignet gewesen, den Wettbewerb im luxemburgischen Hotel‑ und Gaststättengewerbe spürbar einzuschränken. Insoweit wird erstens daran erinnert, dass die Parteien die Tragweite der Vereinbarung auf das luxemburgische Hotel‑ und Gaststättengewerbe beschränkt hätten, was darauf hinweise, dass sie ihre Position in diesem Sektor als wichtig genug betrachtet hätten und dass sich die Wettbewerbsbedingungen darin so weit von denjenigen in den anderen Sektoren und den Nachbarländern unterschieden hätten, dass die Wirksamkeit der Vereinbarung habe gewährleistet werden können. Zweitens hätten die Parteien in Anbetracht ihres eigenen Bierausstoßes und des Verkaufs von Importbier ungefähr 85 % des Bierabsatzes in diesem Sektor kontrolliert, und mehr als die Hälfte der Schankwirtschaften in Luxemburg sei durch eine Bierklausel an sie gebunden gewesen (Randnrn. 74 bis 76).
Vorbringen der Parteien
138 Die Klägerinnen tragen vor, die Feststellung der Kommission, dass eine spürbare Einschränkung des Wettbewerbs vorliege, sei unrichtig und nicht ausreichend begründet. Tatsächlich habe die Kommission keinen Referenzmarkt benannt. Die Beschränkung des Anwendungsbereichs der Vereinbarung auf das Hotel‑ und Gaststättengewerbe beweise nichts, sondern entspreche nur dem Umfang des von den Parteien festgestellten Problems, angesichts dessen sie zu einer Zusammenarbeit gelangt seien. Der Anteil von 85 % der von den Parteien vertriebenen Biermengen möge zwar hoch erscheinen, der Anteil von 40 % bis 45 % der anderen Brauereien offen stehenden Schankstätten rechtfertige es jedoch nicht, die Beschränkung als spürbar anzusehen. Im Übrigen sei aus dem Umstand, dass die die ausländischen Brauereien betreffende Beschränkung nie angewandt worden sei, abzuleiten, dass die Beschränkung nicht spürbar gewesen sei.
139 Nach Auffassung der Kommission greift dieser Teil des ersten Klagegrundes nicht durch.
Würdigung durch das Gericht
– Zu dem angeblichen Beurteilungsfehler
140 Insoweit ist daran zu erinnern, dass Unternehmen, die eine Vereinbarung mit dem Ziel einer Wettbewerbsbeschränkung schließen, sich der Anwendung des Artikels 81 Absatz 1 EG grundsätzlich nicht mit dem Hinweis entziehen können, dass sich ihre Vereinbarung auf den Wettbewerb nicht messbar ausgewirkt habe (Urteil des Gerichts vom 8. Juli 2004 in der Rechtssache T-44/00, Mannesmannröhren-Werke/Kommission, Randnrn. 130 und 196, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht).
141 Die Vereinbarung, die bezweckte, zum einen die jeweilige Kundschaft der Parteien im luxemburgischen Hotel‑ und Gaststättengewerbe zu erhalten und zum anderen den Zugang ausländischer Brauerein zu diesem Sektor zu verhindern, hatte nur dann einen Sinn, wenn mit ihr bezweckt wurde, den Wettbewerb in diesem Sektor in messbarer, also den Beteiligten kommerziell nutzbringender Weise zu beschränken (Urteil Mannesmannröhren-Werke/Kommission, Randnr. 131 analog).
– Zu der angeblich fehlenden Begründung
142 Nach ständiger Rechtsprechung muss die nach Artikel 190 EG-Vertrag vorgeschriebene Begründung der Natur des betreffenden Rechtsakts angepasst sein und die Überlegungen des Gemeinschaftsorgans, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und der Gerichtshof seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann (Urteil des Gerichtshofes vom 2. April 1998 in der Rechtssache C-367/95 P, Kommission/Sytraval und Brink's France, Slg. 1998, I-1719, Randnr. 63).
143 Angesichts der in den Randnummern 74 bis 76 der Entscheidung erwähnten Angaben ist davon auszugehen, dass Brasserie nationale ohne weiteres in der Lage war, aus der angeblichen Rechtswidrigkeit der Feststellung der Kommission zur Spürbarkeit der Wettbewerbsbeschränkung Argumente herzuleiten und geltend zu machen.
144 Zu der Rüge, der fragliche Markt sei nicht abgegrenzt worden, genügt der Hinweis darauf, dass die Kommission in einer Entscheidung nach Artikel 81 EG nur dann eine solche Abgrenzung vornehmen muss, wenn ohne eine solche Abgrenzung nicht bestimmt werden kann, ob die Vereinbarung, der Beschluss der Unternehmensvereinigung oder die abgestimmte Verhaltensweise, um die es geht, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet ist und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezweckt oder bewirkt (Urteil des Gerichts vom 19. März 2003 in der Rechtssache T-213/00, CMA CGM u. a./Kommission, Slg. 2003, II‑913, Randnr. 206). Diese Situation liegt hier jedoch nicht vor, wie sich insbesondere aus der Zurückweisung des dritten und des vierten Teils des vorliegenden Klagegrundes ergibt.
145 Der fünfte Teil des ersten Klagegrundes ist somit zurückzuweisen.
146 Da alle Teile des ersten Klagegrundes zurückgewiesen worden sind, ist dieser Klagegrund insgesamt zurückzuweisen, sodass nunmehr der zweite Klagegrund zu prüfen ist.
2. Zum zweiten Klagegrund: Verletzung des Artikels 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und des in Artikel 253 EG verankerten Begründungserfordernisses
147 Der zweite Klagegrund gliedert sich in drei Teile: erstens sei der Verstoß nicht vorsätzlich begangen worden, zweitens sei der Kommission bei der Beurteilung der Schwere und der Dauer des Verstoßes ein Fehler unterlaufen, und drittens habe sie nicht die Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden (ABl. 1998, C 9, S. 3, im Folgenden: Leitlinien), angewandt, soweit sie mildernde Umstände vorsähen. Der in der Rechtssache T-49/02 geltend gemachte Klagegrund enthält noch einen vierten Teil, mit dem geltend gemacht wird, die Kommission habe keine Begründung für den ursprünglichen Grundbetrag angegeben, von dem sie bei der Berechnung der Geldbußen ausgegangen sei.
Zum ersten Teil des zweiten Klagegrundes: Der Verstoß sei nicht vorsätzlich begangen worden
Angefochtene Entscheidung
148 In der Entscheidung wird ausgeführt, ein Verstoß gegen die Wettbewerbsregeln der Europäischen Gemeinschaft werde als vorsätzlich erachtet, wenn sich die Beteiligten bewusst seien, dass Zweck oder Folge der betreffenden Handlung die Einschränkung des Wettbewerbs sei. Dabei sei es unerheblich, ob sie sich auch der Verletzung einer Bestimmung des EG-Vertrags bewusst seien. Was die Bestimmungen über ausländische Brauereien anbelange, hält es die Kommission für unmöglich, dass den Parteien der wettbewerbsbeschränkende Zweck nicht bewusst gewesen sei. Es sei übrigens zu diesen Bestimmungen von den Parteien keinerlei Rechtfertigung vorgebracht worden. In Bezug auf die Wettbewerbsbeschränkungen zwischen den Parteien infolge der gegenseitigen Achtung von Bierklauseln sei es möglich, dass die bestehende Rechtsunsicherheit aufgrund der luxemburgischen Judikatur in Zusammenhang mit der Unbestimmtheit von Preis oder Menge beim Abschluss der Vereinbarung und bis März 1996 den Beweggrund der Parteien dargestellt habe. Dieser Beweggrund sei jedoch ab März 1996, als es zu einer Änderung der genannten Rechtsprechung gekommen sei, nicht mehr gegeben gewesen. Daraus schloss die Kommission, dass die Parteien den Verstoß vorsätzlich begangen hätten, auch wenn aufgrund der Rechtsprechung in Luxemburg für einen gewissen Zeitraum Zweifel an der Rechtswidrigkeit bestimmter Klauseln hätten bestehen können (Randnrn. 89 und 90).
Vorbringen der Parteien
149 Die Klägerinnen machen geltend, die Kommission habe zu Unrecht angenommen, dass sie den Verstoß vorsätzlich begangen hätten.
150 Was die Wettbewerbsbeschränkung durch Erhaltung von Kundschaften betreffe, räume die Kommission selbst ein, dass die luxemburgische Rechtsprechung zu Zweifeln an der Rechtswidrigkeit dieser Beschränkung habe führen können. Die Klägerinnen wiederholen, diese Rechtfertigung müsse nicht bis 1996, sondern bis Mitte 1998 angenommen werden, und fügen hinzu, wenn man den Überlegungen der Kommission in der Entscheidung folgen wollte, könne von einem „vorsätzlichen“ Verstoß nur für die letzten beiden Jahre der Geltungsdauer der Vereinbarung die Rede sein. Auch bestreite die Kommission in der Entscheidung letztlich nicht, dass der einzige Zweck der Vereinbarung die Sicherstellung der Einhaltung der Bierklauseln gewesen sei. Dieser Zweck sei jedoch rechtmäßig (Urteil Delimitis).
151 Ferner führen die Klägerinnen aus, sie seien nicht so groß, dass bei ihnen Rechtsunkenntnis auszuschließen sei. Wenn Brasserie de Luxembourg in Randnummer 96 der Entscheidung als großes Unternehmen bezeichnet werde, so treffe dieses Merkmal im Umkehrschluss auf keine andere Partei zu. Auch sei ihnen die vorgenommene Beschränkung des Handels zwischen Mitgliedstaaten zu keinem Zeitpunkt bewusst gewesen. Brasserie nationale führt zu diesem letzten Punkt aus, dass die Kommission das Gegenteil nicht dargetan habe.
152 Die Klägerinnen tragen vor, keine der Parteien habe versucht, die ausländischen Brauereien zu behindern. Brasserie nationale fügt hinzu, keine Partei habe geglaubt, dass das Ziel, die Möglichkeit eines nationalen Wettbewerbs offen zu halten, als wettbewerbsbeschränkend beurteilt werden könnte. Der Vorbehalt, den Diekirch hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Vereinbarung gemacht habe, sei nur eine übliche Formulierung in Schreiben, durch die in einem Rechtsstreit Kontakt aufgenommen werde.
153 Brasserie nationale bemerkt zu der Begründung der Entscheidung in der Frage, ob die Klägerinnen vorsätzlich gehandelt haben, das Vorbringen der Kommission, sie halte „es ... für unmöglich, dass den Parteien der wettbewerbsbeschränkende Zweck [der die ausländischen Brauereien betreffenden Bestimmungen] nicht bewusst war“, stelle keinen Beweis, sondern eine Petitio principii dar, und die Behauptung, es sei „zu diesen Bestimmungen von den Parteien keinerlei Rechtfertigung vorgebracht“ worden, sei falsch. Diese beiden Rügen sprächen dagegen, dass die Begründung der Entscheidung den Erfordernissen der Klarheit und der Genauigkeit genüge. Wiltz und Battin tragen vor, die in Randnummer 89 der Entscheidung enthaltene Begründung bilde keinen Beweis. Artikel 253 EG sei somit nicht beachtet worden.
154 Nach Auffassung der Kommission greift dieser Teil des zweiten Klagegrundes nicht durch.
Würdigung durch das Gericht
– Zu dem angeblichen Beurteilungsfehler
155 Nach ständiger Rechtsprechung ist es für eine vorsätzlich begangene Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln des Vertrages nicht erforderlich, dass sich das Unternehmen der Beschränkung des Wettbewerbs bewusst gewesen ist, sondern es genügt, dass es sich nicht in Unkenntnis darüber befinden konnte, dass das beanstandete Verhalten eine Einschränkung des Wettbewerbs bezweckte, und es kommt nicht darauf an, ob das Unternehmen sich der Zuwiderhandlung gegen Artikel 81 EG bewusst war oder nicht (Urteil Miller/Kommission, Randnr. 18, und Urteil des Gerichts vom 6. April 1995 in der Rechtssache T-143/89, Ferriere Nord/Kommission, Slg. 1995, II-917, Randnr. 41 sowie die dort zitierte Rechtsprechung).
156 Wie sich aus der Zurückweisung des dritten und des vierten Teils des ersten Klagegrundes ergibt, konnte die Kommission zu Recht annehmen, dass die Vereinbarung bezweckte, die jeweilige Kundschaft der Parteien im luxemburgischen Hotel‑ und Gaststättengewerbe zu erhalten und den Zugang ausländischer Brauereien zu diesem Sektor zu verhindern. Auf diese Weise bewirkt die Vereinbarung zum einen eine Markaufteilung und zum andern eine Abschottung des Gemeinsamen Marktes. Unter diesen Umständen konnte die Kommission, ohne dass ihr ein Fehler zur Last fällt, annehmen, dass sich die Klägerinnen nicht in Unkenntnis darüber befinden konnten, dass die Vereinbarung eine Einschränkung des Wettbewerbs bezweckte.
157 Folglich ist das Vorbringen der Klägerinnen unerheblich, sie seien nicht so groß, dass ihre Rechtsunkenntnis auszuschließen sei, die Beschränkung des Handels zwischen Mitgliedstaaten durch die Vereinbarung sei ihnen zu keinem Zeitpunkt bewusst gewesen, keine der Parteien habe versucht, ausländische Brauereien zu behindern, und keine von ihnen habe geglaubt, dass das Ziel, die Möglichkeit eines nationalen Wettbewerbs offen zu halten, als wettbewerbsbeschränkend beurteilt werden könnte.
158 Die Klägerinnen machen ferner geltend, die Kommission räume in der Entscheidung selbst ein, dass die damalige luxemburgische Rechtsprechung zu Zweifeln an der Rechtswidrigkeit der die Erhaltung von Kundschaften betreffenden Beschränkung habe führen können. Hierzu ist lediglich zu bemerken, dass, worauf die Kommission zu Recht hingewiesen hat, solche Zweifel, selbst wenn sie begründet wären, für die Frage, ob es sich um eine vorsätzliche Wettbewerbsbeschränkung handelt, unerheblich sind, gerade weil sie sich nicht auf den Zweck der Vereinbarung, den Wettbewerb zu beschränken, beziehen, sondern allenfalls auf die Frage, ob die Vereinbarung einen Verstoß darstellte. Wie sich aus der oben in Randnummer 155 zitierten Rechtsprechung ergibt, bezieht sich der in Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 verwendete Begriff des Vorsatzes nicht darauf, ob die betreffende Vereinbarung gegen Artikel 81 Absatz 1 EG verstößt, sondern nur auf ihren wettbewerbsbeschränkenden Zweck.
159 Was schließlich das Vorbringen betrifft, in Randnummer 96 der Entscheidung werde Brasserie de Luxembourg als großes Unternehmen angesehen, so dass dieses Merkmal im Umkehrschluss nicht für die anderen Parteien gelten könne, ist mit der Kommission darauf hinzuweisen, dass die Größe von Brasserie de Luxembourg nur erwähnt wurde, um die Anwendung des Multiplikationsfaktors zu begründen, der zur Abschreckung auf sie angewandt wurde. Diese Beurteilung der Größe des Unternehmens ist somit für die Prüfung der Vorsätzlichkeit der Wettbewerbsbeschränkung unerheblich.
– Zu der angeblich fehlenden Begründung
160 Was das in Artikel 253 EG verankerte und in Randnummer 140 erwähnte Begründungserfordernis angeht, bringen die Randnummern 89 und 90 klar und eindeutig die Gründe zum Ausdruck, aus denen die Kommission die Wettbewerbsbeschränkung als vorsätzlich angesehen hat.
161 Sonach ist der erste Teil des zweiten Klagegrundes zurückzuweisen.
Zum zweiten Teil des zweiten Klagegrundes: Fehler bei der Beurteilung von Schwere und Dauer des Verstoßes
Angefochtene Entscheidung
162 In Hinblick auf die Schwere des Verstoßes heißt es in der Entscheidung zum einen, der vorliegende Verstoß stelle einen der schwersten Verstöße dar, die begangen werden könnten, denn die Vereinbarung habe bezweckt, die Kundenkreise zu erhalten und den Zugang ausländischer Brauereien zum Markt zu verhindern. Zum anderen wird ausgeführt, dass erstens die Tragweite des Verstoßes auf das Hotel- und Gaststättengewerbe und auf diejenigen Schankstätten, die durch Alleinbezugsvereinbarungen an die Parteien gebunden gewesen seien, beschränkt gewesen sei, dass zweitens die Bestimmungen über ausländische Brauereien nicht zur Anwendung gekommen seien und dass drittens der luxemburgische Biermarkt den kleinsten Markt der Gemeinschaft dargestellt habe. Aus all diesen Gründen hat die Kommission den Verstoß letztlich als schwer eingestuft (Randnrn. 92 und 93).
163 Zur Dauer des Verstoßes wird in der Entscheidung insbesondere festgestellt, dieser habe am 16. Februar 2000 geendet, an dem Interbrew die Kommission darüber informiert habe, dass sie ihre Tochtergesellschaften Mousel und Diekirch angewiesen habe, die Vereinbarung nicht weiter anzuwenden (Randnr. 86). Da der Verstoß mehr als vierzehn Jahre (von 1985 bis 2000) gedauert habe, handele es sich um einen Verstoß von langer Dauer (Randnr. 97).
Vorbringen der Parteien
164 Die Klägerinnen machen geltend, die Kommission habe die Schwere und die Dauer des Verstoßes falsch beurteilt.
165 Was die Schwere des Verstoßes betreffe, definierten die Leitlinien als minder schwere Verstöße „Beschränkungen des Handels mit begrenzten Auswirkungen auf den Markt, die zwar einen wesentlichen, jedoch relativ engen Teil des Gemeinschaftsmarkts betreffen“, während die schweren Verstöße definiert würden als horizontale oder vertikale Beschränkungen der gleichen Art wie in dem vorangehenden Fall, „die jedoch entschlossener angewandt werden, deren Auswirkungen auf den Markt umfassender sind und die in einem größeren Teil des Gemeinsamen Marktes zum Tragen kommen können“. Im vorliegenden Fall hätte der Verstoß nach Auffassung der Klägerinnen als minder schwerer Verstoß angesehen werden müssen, da in Randnummer 92 der Entscheidung ausgeführt werde, dass die Bestimmungen über ausländische Brauereien nicht zur Anwendung gekommen seien, die Vereinbarung nur das luxemburgische Hotel‑ und Gaststättengewerbe betroffen habe und die ausgetauschten Informationen sehr begrenzt gewesen seien. Brasserie nationale wiederholt dazu ihr Vorbringen, dass die Vereinbarung von der Anmeldung befreit gewesen sei.
166 Zur Dauer des Verstoßes machen die Klägerinnen geltend, dass die Bestimmungen über ausländische Brauereien nicht zur Anwendung gekommen seien.
167 Nach Auffassung der Kommission greift dieser Teil des zweiten Klagegrundes nicht durch.
Würdigung durch das Gericht
– Zur Schwere des Verstoßes
168 Den Leitlinien zufolge sind bei der Ermittlung der Schwere eines Verstoßes seine Art und die konkreten Auswirkungen auf den Markt, sofern diese messbar sind, sowie der Umfang des betreffenden räumlichen Marktes zu berücksichtigen. So werden die Verstöße in folgende drei Gruppen unterteilt: minder schwere, schwere und besonders schwere Verstöße.
169 Es ist hervorzuheben, dass die Leitlinien der Beurteilung der Geldbuße durch den Gemeinschaftsrichter, der insoweit nach Artikel 17 der Verordnung Nr. 17 die Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung hat, nicht vorgreifen. Ferner kann die Kommission die Höhe der Geldbuße zwar entsprechend dem Verfahren der Leitlinien festlegen, doch muss sie im Rahmen der in Artikel 15 der Verordnung Nr. 17 festgelegten Sanktionen bleiben (Urteil des Gerichts vom 21. Oktober 2003 in der Rechtsache T-368/00, General Motors Nederland und Opel Nederland/Kommission, Slg. 2003, II-4491, Randnr. 188).
170 Im Übrigen ist die Schwere der Zuwiderhandlungen anhand zahlreicher Gesichtspunkte zu ermitteln, zu denen u. a. die besonderen Umstände der Sache, ihr Kontext und die Abschreckungswirkung der Geldbußen gehören, ohne dass es eine zwingende oder abschließende Liste von Kriterien gäbe, die auf jeden Fall berücksichtigt werden müssen. Außerdem verfügt die Kommission nach ständiger Rechtsprechung bei der Festlegung der Höhe der Geldbußen im Rahmen der Verordnung Nr. 17 über ein Ermessen, um die Unternehmen dazu anhalten zu können, die Wettbewerbsregeln einzuhalten. Das Gericht hat jedoch nachzuprüfen, ob der Betrag der festgesetzten Geldbuße in einem angemessenen Verhältnis zu Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung steht, und die Schwere der Zuwiderhandlung und die von der Klägerin geltend gemachten Umstände gegeneinander abzuwägen (Urteil des Gerichts vom 21. Oktober 1997 in der Rechtssache T-229/94, Deutsche Bahn/Kommission, Slg. 1997, II-1689, Randnr. 127, und Urteil General Motors Nederland und Opel Nederland/Kommission, Randnr. 189).
171 Im vorliegenden Fall hat die Kommission in der Entscheidung Überlegungen in zwei Etappen angestellt, wobei sie übrigens nicht ausdrücklich auf die Leitlinien Bezug genommen hat.
172 Was die erste Etappe ihrer Überlegungen angeht, ist daran zu erinnern, dass die Vereinbarung, wie bei der Prüfung des dritten und des vierten Teils des ersten Klagegrundes ausgeführt, eine Aufteilung des Marktes und eine Abschottung des Gemeinsamen Marktes bewirkt hat.
173 Was die Aufteilung des Marktes betrifft, so bilden derartige Kartelle Beispiele von Kartellen, die Artikel 81 Absatz 1 Buchstabe c EG ausdrücklich für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärt. Sie sind in der Rechtsprechung denn auch als offenkundige Beschränkungen des Wettbewerbs angesehen worden (Urteil des Gerichts vom 15. September 1998 in den Rechtssachen T‑374/94, T-375/94, T-384/94 und T-388/94, European Night Services u. a./Kommission, Slg. 1998, II-3141, Randnr. 136).
174 Hinsichtlich der Abschottung des Gemeinsamen Marktes ist daran zu erinnern, dass eine solche offenkundige Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht ihrer Natur nach besonders schwer wiegt. Sie läuft den grundlegenden Zielen der Gemeinschaft und insbesondere der Verwirklichung eines einheitlichen Marktes zuwider (in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 22. April 1993 in der Rechtssache T‑9/92, Peugeot/Kommission, Slg. 1993, II‑493, Randnr. 42, sowie General Motors Nederland und Opel Nederland/Kommission, Randnr. 191).
175 Daher ist die Kommission in der ersten Etappe ihrer Überlegungen zu Recht zu dem Ergebnis gekommen, dass die Vereinbarung zu den schwersten Verstößen gegen Artikel 81 EG gehört.
176 Zur zweiten Etappe der Überlegungen ist darauf hinzuweisen, dass ein geografischer Markt von nationalem Ausmaß einen wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes bildet (Urteil des Gerichtshofes vom 9. November 1983 in der Rechtssache 322/81, Michelin/Kommission, Slg. 1983, 3461, Randnr. 28, und Urteil Deutsche Bahn/Kommission, Randnr. 58).
177 Der vorliegende Verstoß bezieht sich eindeutig auf das luxemburgische Hotel‑ und Gaststättengewerbe insgesamt und betrifft somit einen wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes.
178 Im Übrigen hat die Kommission in den Leitlinien zu den besonders schweren Verstößen ausgeführt, es handele sich „im Wesentlichen um horizontale Beschränkungen wie z. B. Preiskartelle, Marktaufteilungsquoten und sonstige Beschränkungen der Funktionsweise des Binnenmarktes, wie z. B. die Abschottung der nationalen Märkte“ (Nummer 1 Abschnitt A Absatz 2 dritter Gedankenstrich). Aus dieser nicht abschließenden Beschreibung ergibt sich, dass die Vereinbarungen oder abgestimmten Verhaltensweisen, die insbesondere wie hier auf die Aufteilung der Kunden und auf die Abschottung des Gemeinsamen Marktes gerichtet sind, allein schon aufgrund ihrer Natur als besonders schwerwiegend eingestuft werden können, ohne dass diese Verhaltensweisen durch eine besondere geografische Ausdehnung oder besondere Auswirkungen gekennzeichnet zu sein bräuchten. Dieses Ergebnis wird dadurch bestätigt, dass es zwar in der nicht abschließenden Beschreibung der schweren Verstöße heißt: „Es handelt sich in den meisten Fällen um horizontale oder vertikale Beschränkungen ..., die ... entschlossener angewandt werden, deren Auswirkungen auf den Markt umfassender sind und die in einem größeren Teil des Gemeinsamen Marktes zum Tragen kommen können“, die Beschreibung der besonders schweren Verstöße aber kein Erfordernis konkreter Auswirkungen auf den Markt oder auf ein besonderes geografisches Gebiet enthält.
179 Somit stellt die Einstufung des vorliegenden Verstoßes in der Entscheidung als schwer – und nicht als besonders schwer – schon gegenüber den allgemein bei der Festsetzung von Geldbußen im Fall von Kartellen mit dem Ziel einer Marktaufteilung und zudem einer Abschottung des Gemeinsamen Marktes mildere Einstufung dar (in diesem Sinne Urteil Tate & Lyle u. a./Kommission, bestätigt durch das Urteil des Gerichtshofes vom 29. April 2004 in der Rechtssache C-349/01 P, British Sugar/Kommission, Slg. 2004, I-4933, Randnr. 103).
180 Außerdem stellt die Kommission in Nummer 1 Abschnitt A Absatz 2 erster Gedankenstrich der Leitlinien hinsichtlich der minder schweren Verstöße klar: „Hierbei handelt es sich um in den häufigsten Fällen vertikale Beschränkungen des Handels mit begrenzten Auswirkungen auf den Markt, die zwar einen wesentlichen, jedoch relativ engen Teil des Gemeinschaftsmarkts betreffen.“
181 Eine horizontale Vereinbarung, die das gesamte Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats erfasst sowie eine Aufteilung des Marktes und eine Abschottung des Gemeinsamen Marktes bezweckt, kann nicht als minder schwerer Verstoß im Sinne der Leitlinien eingestuft werden.
182 An dieser Beurteilung ändert auch der Umstand nichts, dass der zweite festgestellte Verstoß nicht in die Praxis umgesetzt worden ist. Denn eine solche Wettbewerbsbeschränkung stellt, wie oben in Randnummer 174 ausgeführt worden ist, eine qualifizierte Zuwiderhandlung gegen Artikel 81 EG und darüber hinaus gegen die Ziele der Gemeinschaft dar.
183 Aus all diesen Gründen hat die Kommission dadurch, dass sie den vorliegenden Verstoß letztlich als schwerwiegend eingestuft hat, die sich aus dem Gemeinschaftsrecht ergebenden Rechte der Klägerinnen nicht verletzt.
– Zur Dauer des Verstoßes
184 Selbst wenn bewiesen wäre, dass die Bestimmungen der Entscheidung über ausländische Brauereien nicht angewandt worden sind, wäre dies unerheblich.
185 Da die Kommission nicht nachzuweisen brauchte, welche Wirkungen die streitige Vereinbarung hatte, weil mit dieser ein wettbewerbsbeschränkender Zweck verfolgt wurde, ist es für die Berechnung der Dauer des Verstoßes unerheblich, ob ein Gesichtspunkt der fraglichen Vereinbarung ins Werk gesetzt worden ist oder nicht. Für die Berechnung der Dauer einer Zuwiderhandlung, die eine Einschränkung des Wettbewerbs bezweckt, braucht nämlich nur bestimmt zu werden, wie lange die Vereinbarung bestanden hat, d. h. der Zeitraum von ihrem Abschluss bis zu ihrer Beendigung (Urteil CMA CGM u. a./Kommission, Randnr. 280).
186 Der zweite Teil des zweiten Klagegrundes ist somit zurückzuweisen.
Zum dritten Teil des zweiten Klagegrundes: Nichtanwendung der in den Leitlinien enthaltenen Bestimmungen über mildernde Umstände
Angefochtene Entscheidung
187 In der Entscheidung wird ausgeführt, dass die Zweifel, die die damalige luxemburgische Rechtsprechung bis März 1996 an der Rechtswidrigkeit der Beschränkungen in Bezug auf die gegenseitige Achtung der Bierklauseln habe wecken können, eine Herabsetzung der Geldbuße um 20 % rechtfertigten (Randnr. 100).
Vorbringen der Parteien
188 Zur Stützung dieses Teils des Klagegrundes führen die Klägerinnen aus, die Kommission habe den mildernden Umstand, der sich aus dem durch die genannte luxemburgische Rechtsprechung begründeten Zweifel ergebe, zu Unrecht nur für die Zeit bis März 1996 berücksichtigt, denn dieser Zeitpunkt könne nicht als Endzeitpunkt des Risikos angesehen werden, das zu der Vereinbarung geführt habe. Brasserie nationale fügt hinzu, die Möglichkeit, dass Berufung eingelegt werde und es zu widerstreitenden Urteilen komme, rechtfertige es, diesen Zweifel bis zum Ende der Vereinbarung oder zumindest bis zum Ablauf eines Zeitraums, der der durchschnittlichen Dauer der Entscheidung über eine Berufung in einem Staat wie Luxemburg entspreche, d. h. eines Zeitraums von drei Jahren, als mildernden Umstand anzuerkennen. Deshalb sei eine Herabsetzung der Geldbuße um mindestens 40 % gerechtfertigt.
189 Außerdem berufen sich die Klägerinnen darauf, dass unter den in den Leitlinien aufgeführten mildernden Umständen die „tatsächliche Nichtanwendung der Vereinbarungen über Verstöße“ genannt wird (Nummer 3 zweiter Gedankenstrich). Deshalb rechtfertige der Umstand, dass die ausländische Brauereien betreffenden Bestimmungen der Vereinbarung nicht angewandt worden seien, eine zusätzliche Herabsetzung der Geldbußen.
190 Nach Auffassung der Kommission greift dieser Teil des zweiten Klagegrundes nicht durch.
Würdigung durch das Gericht
191 Zum ersten Vorbringen der Klägerinnen ist daran zu erinnern, dass die Kommission ausgeführt hat, das von den Parteien aufgeworfene Problem der Rechtsunsicherheit rechtfertige keine Abweichung von Artikel 81 Absatz 1 EG (Randnr. 62). Wie im Rahmen der Prüfung des dritten Teils des ersten Klagegrundes dargelegt worden ist, enthält diese Erwägung keinen Irrtum, da eine derartige Sorge nicht geeignet ist, eine Absprache zu rechtfertigen, mit der ein wettbewerbswidriger Zweck verfolgt wird.
192 Da dieses Problem kein derartiges Kartell rechtfertigte, kann es auch nicht als mildernder Umstand berücksichtigt werden, der eine Herabsetzung der wegen dieser Vereinbarung verhängten Geldbuße rechtfertigen würde.
193 Das von den Parteien aufgeworfene Problem der Rechtsunsicherheit kann nicht die Anerkennung berechtigter Zweifel an der Rechtswidrigkeit des vorliegenden wettbewerbsbeschränkenden Verhaltens im Sinne von Nummer 3 der Leitlinien rechtfertigen, da es sich bei der Vereinbarung, wie oben dargelegt, um eine Absprache zum Zweck der Aufteilung des Marktes und darüber hinaus der Abschottung des Gemeinsamen Marktes handelte.
194 Somit hat die Kommission nicht die den Klägerinnen aus dem Gemeinschaftsrecht erwachsenden Rechte verletzt, als sie die gegen sie verhängte Geldbuße aufgrund der dargelegten Zweifel um 20 % herabsetzte.
195 Zum zweiten Vorbringen der Klägerinnen ist zu bemerken, dass Nummer 3 zweiter Gedankenstrich der Leitlinien nicht so auszulegen ist, dass sie den Fall betrifft, dass ein Kartell unabhängig vom Verhalten des jeweiligen Unternehmens insgesamt nicht angewandt wird, sondern dahin verstanden werden muss, dass sie auf einen im individuellen Verhalten des jeweiligen Unternehmens wurzelnden Umstand verweist.
196 Die Klägerinnen haben jedoch keine Tatsachen dafür angeführt, dass ihnen wegen tatsächlicher Nichtanwendung der Vereinbarung, d. h., aufgrund dessen, dass sie sich faktisch der Anwendung der Vereinbarung entzogen und ein Wettbewerbsverhalten auf dem Markt an den Tag gelegt hätten, mildernde Umstände gemäß Nummer 3 zweiter Gedankenstrich der Leitlinien hätten gewährt werden müssen.
197 Nach alledem ist der dritte Teil des zweiten Klagegrundes zurückzuweisen.
Zum vierten Teil des zweiten Klagegrundes (nur in der Rechtssache T-49/02 geltend gemacht): mangelnde Begründung des ursprünglichen Grundbetrags, von dem die Kommission bei der Berechnung der Geldbußen ausgegangen ist
Angefochtene Entscheidung
198 In der Entscheidung wurde der vorliegende Verstoß aus all den oben angegebenen Gründen als schwer eingestuft. Die Kommission hielt es überdies für erforderlich, die tatsächliche wirtschaftliche Fähigkeit der Parteien, Schaden zuzufügen, zu berücksichtigen sowie die Geldbuße so zu bemessen, dass sie eine ausreichend abschreckende Wirkung entfaltet, und die Höhe der Geldbuße zu gewichten, um das jeweilige Ausmaß des Verstoßes jedes einzelnen Unternehmens zu berücksichtigen. So wurden die Parteien je nach der Höhe ihres Absatzes im betroffenen Sektor in drei Gruppen eingeteilt, und die Geldbuße wurde unter Berücksichtigung der Schwere des Verstoßes für die erste in Randnummer 95 genannte Gruppe, die von Brasserie de Luxembourg gebildet wird, auf 500 000 Euro festgesetzt (Randnrn. 92 bis 95).
Vorbringen der Parteien
199 Brasserie nationale rügt, die Kommission habe den ursprünglichen Grundbetrag, von dem sie für die in Randnummer 95 der Entscheidung bezeichnete erste Unternehmensgruppe ausgegangen sei und von dem die gesamten Berechnungen für jede Partei völlig abhingen, nicht ausreichend begründet. Dies mache die gerichtliche Nachprüfung der gegen Brasserie nationale verhängten Geldbuße unmöglich und rechtfertige daher deren Aufhebung.
200 Die Kommission trägt vor, dieser Teil des zweiten Klagegrundes sei nicht stichhaltig.
Würdigung durch das Gericht
201 Im Hinblick auf das in Artikel 253 EG verankerte und oben in Randnummer 142 erwähnte Begründungserfordernis ist festzustellen, dass Brasserie nationale dank der in den Randnummern 92 bis 95 der Entscheidung angeführten Informationen ohne weiteres in der Lage war, Gründe für eine eventuelle Rechtswidrigkeit der Berechnungsfaktoren geltend zu machen, aufgrund deren die Kommission den Betrag von 500 000 Euro für die erste Gruppe festgesetzt hat.
202 Aus den genannten Randnummern ergibt sich nämlich, dass die Kommission zu diesem Betrag gelangt ist, indem sie zunächst den vorliegenden Verstoß als schwer eingestuft hat und dann die wirtschaftliche Fähigkeit von Brasserie de Luxembourg, anderen Wirtschaftsteilnehmern Schaden zuzufügen, die Notwendigkeit, die Geldbuße so zu bemessen, dass sie eine ausreichend abschreckende Wirkung entfaltet, und das Ausmaß des Beitrags dieses Unternehmens zu dem Verstoß, das aufgrund seiner Absätze im luxemburgischen Hotel‑ und Gaststättengewerbe ermittelt wurde, berücksichtigt hat.
203 Der vierte Teil des zweiten Klagegrundes ist deshalb zurückzuweisen.
204 Da alle Teile des zweiten Klagegrundes zurückgewiesen worden sind, ist dieser insgesamt zurückzuweisen.
205 Folglich sind die vorliegenden Klagen insgesamt abzuweisen.
Kosten
206 Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.
207 Da die Klägerinnen unterlegen sind, sind ihnen entsprechend dem Antrag der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen hat
DAS GERICHT (Zweite Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Klagen werden abgewiesen.
2. Die Klägerinnen tragen die Kosten des Verfahrens.
Meij |
Forwood |
Pelikánová |
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 27. Juli 2005.
Der Kanzler |
Der Präsident |
H. Jung |
A. W. H. Meij |
Inhaltsverzeichnis
Tatbestand
Angefochtene Entscheidung
Verfahren
Anträge der Parteien
Entscheidungsgründe
1. Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen Artikel 81 Absatz 1 EG
Zur Beurteilung des Zwecks der Vereinbarung (dritter, vierter und erster Teil des ersten Klagegrundes)
Angefochtene Entscheidung
Vorbringen der Parteien
– Zu der angeblich unrichtigen Qualifizierung der Vereinbarung dahin gehend, dass sie die Erhaltung von Kundschaften bezweckt habe (dritter Teil des ersten Klagegrundes)
– Zu der angeblich unrichtigen Qualifizierung der Vereinbarung dahin gehend, dass sie die Verhinderung des Zugangs zum luxemburgischen Hotel‑ und Gaststättengewerbe bezweckt habe (vierter Teil des ersten Klagegrundes)
– Zu der ungenügenden Berücksichtigung des Kontextes der Vereinbarung bei der Beurteilung ihres Zwecks (erster Teil des ersten Klagegrundes)
Würdigung durch das Gericht
– Zu der angeblich unrichtigen Qualifizierung der Vereinbarung dahin gehend, dass sie die Erhaltung von Kundschaften bezweckt habe (dritter Teil des ersten Klagegrundes)
– Zu der angeblich unrichtigen Qualifizierung der Vereinbarung dahin gehend, dass sie die Verhinderung des Zugangs zum luxemburgischen Hotel‑ und Gaststättengewerbe bezweckt habe (vierter Teil des ersten Klagegrundes)
– Zur ungenügenden Berücksichtigung des Kontextes der Vereinbarung bei der Beurteilung ihres Zwecks (erster Teil des ersten Klagegrundes)
Zum zweiten Teil des ersten Klagegrundes, der dahin geht, dass die Kommission zu Unrecht gemeint habe, die Vereinbarung sei bei Fehlen einer Bierklausel anwendbar
Angefochtene Entscheidung
Vorbringen der Parteien
Würdigung durch das Gericht
Zum fünften Teil des ersten Klagegrundes: Keine spürbare Auswirkung der Vereinbarung auf den Wettbewerb
Angefochtene Entscheidung
Vorbringen der Parteien
Würdigung durch das Gericht
– Zu dem angeblichen Beurteilungsfehler
– Zu der angeblich fehlenden Begründung
2. Zum zweiten Klagegrund: Verletzung des Artikels 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und des in Artikel 253 EG verankerten Begründungserfordernisses
Zum ersten Teil des zweiten Klagegrundes: Der Verstoß sei nicht vorsätzlich begangen worden
Angefochtene Entscheidung
Vorbringen der Parteien
Würdigung durch das Gericht
– Zu dem angeblichen Beurteilungsfehler
– Zu der angeblich fehlenden Begründung
Zum zweiten Teil des zweiten Klagegrundes: Fehler bei der Beurteilung von Schwere und Dauer des Verstoßes
Angefochtene Entscheidung
Vorbringen der Parteien
Würdigung durch das Gericht
– Zur Schwere des Verstoßes
– Zur Dauer des Verstoßes
Zum dritten Teil des zweiten Klagegrundes: Nichtanwendung der in den Leitlinien enthaltenen Bestimmungen über mildernde Umstände
Angefochtene Entscheidung
Vorbringen der Parteien
Würdigung durch das Gericht
Zum vierten Teil des zweiten Klagegrundes (nur in der Rechtssache T-49/02 geltend gemacht): mangelnde Begründung des ursprünglichen Grundbetrags, von dem die Kommission bei der Berechnung der Geldbußen ausgegangen ist
Angefochtene Entscheidung
Vorbringen der Parteien
Würdigung durch das Gericht
Kosten
* Verfahrenssprache: Französisch.