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Document 62002CJ0233

Urteil des Gerichtshofes (Plenum) vom 23. März 2004.
Französische Republik gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften.
Mit den Vereinigten Staaten von Amerika vereinbarte Leitlinien für eine Zusammenarbeit in Regelungsfragen und zur Transparenz - Fehlende Bindungswirkung.
Rechtssache C-233/02.

Sammlung der Rechtsprechung 2004 I-02759

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2004:173

Arrêt de la Cour

Rechtssache C-233/02


Französische Republik
gegen
Kommission der Europäischen Gemeinschaften


«Mit den Vereinigten Staaten von Amerika vereinbarte Leitlinien für eine Zusammenarbeit in Regelungsfragen und zur Transparenz – Fehlende Bindungswirkung»

Schlussanträge des Generalanwalts S. Alber vom 25. September 2003
    
Urteil des Gerichtshofes (Plenum) vom 23. März 2004
    

Leitsätze des Urteils

1.
Handlungen der Organe – Mit den Vereinigten Staaten von Amerika vereinbarte Leitlinien für eine Zusammenarbeit in Regelungsfragen und zur Transparenz – Für die Billigung eines solchen Aktes zuständiges Organ – Berücksichtigung der Zuständigkeitsverteilung und des institutionellen Gleichgewichts, die der Vertrag auf dem Gebiet der gemeinsamen Handelspolitik festgelegt hat – Fehlende Bindungswirkung der Leitlinien – Unerheblich

(Artikel 133 EG und 300 EG)

2.
Völkerrechtliche Verträge – Feststellung der Verbindlichkeit – Entscheidendes Merkmal – Wille der Parteien – Mit den Vereinigten Staaten von Amerika vereinbarte Leitlinien für eine Zusammenarbeit in Regelungsfragen und zur Transparenz – Fehlende Bindungswirkung – Beeinträchtigung der Ausübung des Rechts zur gesetzgeberischen Initiative durch die Kommission – Ausschluss

(Artikel 300 EG)

1.
Der Umstand, dass einem Akt wie den mit den Vereinigten Staaten von Amerika vereinbarten Leitlinien für eine Zusammenarbeit in Regelungsfragen und zur Transparenz die bindende Wirkung fehlt, reicht nicht aus, der Kommission die Zuständigkeit zu seiner Billigung zu verleihen. Da es sich im vorliegenden Fall um einen Akt handelt, mit dem die Gefahr von Spannungen verringert werden soll, die mit dem Vorhandensein technischer Hemmnisse für den Warenhandel verknüpft sind, müssen nämlich für die Festlegung der Bedingungen, unter denen die Billigung eines solchen Aktes erfolgen kann, die Zuständigkeitsverteilung und das institutionelle Gleichgewicht, die durch den Vertrag auf dem Gebiet der gemeinsamen Handelspolitik festgelegt worden sind, angemessen berücksichtigt werden.

(Randnr. 40)

2.
Für die Feststellung, ob ein Akt wie die mit den Vereinigten Staaten von Amerika vereinbarten Leitlinien für eine Zusammenarbeit in Regelungsfragen und zur Transparenz bindend ist, stellt grundsätzlich der Wille der Parteien das entscheidende Kriterium dar. Im vorliegenden Fall kommt dieser Wille im Wortlaut der Leitlinien klar zum Ausdruck, da nämlich in Ziffer 7 der Leitlinien klargestellt wird, dass mit diesem Schriftstück die Leitlinien festgelegt werden sollen, die die Regelungsbehörden der Bundesregierung der Vereinigten Staaten und der Dienststellen der Kommission „auf freiwilliger Basis anwenden wollen“. Aus dieser Klarstellung geht hervor, dass die Parteien bei der Vereinbarung dieser Leitlinien nicht die Absicht hatten, sie rechtlich bindende Verpflichtungen einzugehen. Folglich stellen diese Leitlinien kein bindendes Abkommen dar und sind somit von Artikel 300 EG nicht erfasst.
Da ihnen die bindende Wirkung fehlt, konnten diese Leitlinien keine Verpflichtungen der Kommission bei der Wahrnehmung ihrer Aufgabe der gesetzgeberischen Initiative im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens der Gemeinschaft begründen. Auch der Umstand allein, dass ein Akt wie die Leitlinien den Weg zu Möglichkeiten eröffnet, vorherige Konsultationen einzuleiten und Informationen einzuholen, die vor der Vorlage geeigneter Vorschläge als erforderlich erachtet werden, kann keine Beeinträchtigung der Ausübung des Initiativrechts durch die Kommission bewirken.

(Randnrn.42-43, 45, 50-51)




URTEIL DES GERICHTSHOFES (Plenum )
23. März 2004(1)


„Mit den Vereinigten Staaten von Amerika vereinbarte Leitlinien für eine Zusammenarbeit in Regelungsfragen und zur Transparenz – Fehlende Bindungswirkung“

In der Rechtssache C-233/02

Französische Republik, vertreten durch R. Abraham, G. de Bergues und P. Boussaroque als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch P. J. Kuijper und A. van Solinge als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte,

Beklagte, unterstützt durchVereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland, vertreten durch J. Collins als Bevollmächtigten im Beistand von M. Hoskins, Barrister, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission, mit der diese mit den Vereinigten Staaten von Amerika ein Abkommen über Leitlinien für eine Zusammenarbeit in Regelungsfragen und zur Transparenz geschlossen hat,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Plenum ),



unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten P. Jann, C. W. A. Timmermans (Berichterstatter), C. Gulmann und J. N. Cunha Rodrigues, der Richter A. La Pergola, J.-P. Puissochet und R. Schintgen, der Richterinnen F. Macken und N. Colneric sowie des Richters S. von Bahr,

Generalanwalt: S. Alber,
Kanzler: R. Grass,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 25. September 2003,

folgendes



Urteil



1
Mit Klageschrift, die am 21. Juni 2002 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, hat die Französische Republik gemäß Artikel 230 EG die Nichtigerklärung der Entscheidung beantragt, mit der die Kommission der Europäischen Gemeinschaften mit den Vereinigten Staaten von Amerika ein Abkommen über „Leitlinien für die Zusammenarbeit in Regelungsfragen und die Transparenz“ (im Folgenden: angefochtene Entscheidung bzw. Leitlinien) geschlossen hat.


Rechtlicher Rahmen und Sachverhalt

EG-Vertrag

2
Teil III Titel IX „Gemeinsame Handelspolitik“ des EG-Vertrags enthält Artikel 133, der in den Absätzen 1 bis 4 bestimmt:

„(1) Die gemeinsame Handelspolitik wird nach einheitlichen Grundsätzen gestaltet; dies gilt insbesondere für die Änderung von Zollsätzen, den Abschluss von Zoll- und Handelsabkommen, die Vereinheitlichung der Liberalisierungsmaßnahmen, die Ausfuhrpolitik und die handelspolitischen Schutzmaßnahmen, zum Beispiel im Fall von Dumping und Subventionen.

(2) Die Kommission unterbreitet dem Rat Vorschläge für die Durchführung der gemeinsamen Handelspolitik.

(3) Sind mit einem oder mehreren Staaten oder internationalen Organisationen Abkommen auszuhandeln, so legt die Kommission dem Rat Empfehlungen vor; dieser ermächtigt die Kommission zur Einleitung der erforderlichen Verhandlungen.

Die Kommission führt diese Verhandlungen im Benehmen mit einem zu ihrer Unterstützung vom Rat bestellten besonderen Ausschuss nach Maßgabe der Richtlinien, die ihr der Rat erteilen kann.

Die einschlägigen Bestimmungen des Artikels 300 finden Anwendung.

(4) Bei der Ausübung der ihm in diesem Artikel übertragenen Befugnisse beschließt der Rat mit qualifizierter Mehrheit.“

3
Artikel 300 Absätze 1 bis 3 EG lautet:

„(1) Soweit dieser Vertrag den Abschluss von Abkommen zwischen der Gemeinschaft und einem oder mehreren Staaten oder internationalen Organisationen vorsieht, legt die Kommission dem Rat Empfehlungen vor; dieser ermächtigt die Kommission zur Einleitung der erforderlichen Verhandlungen. Die Kommission führt diese Verhandlungen im Benehmen mit den zu ihrer Unterstützung vom Rat bestellten besonderen Ausschüssen nach Maßgabe der Richtlinie, die ihr der Rat erteilen kann.

Bei der Ausübung der ihm in diesem Absatz übertragenen Zuständigkeiten beschließt der Rat mit qualifizierter Mehrheit, außer in den Fällen des Absatzes 2 Unterabsatz 1, in denen er einstimmig beschließt.

(2) Vorbehaltlich der Zuständigkeiten, welche die Kommission auf diesem Gebiet besitzt, werden die Unterzeichnung, mit der ein Beschluss über die vorläufige Anwendung vor dem Inkrafttreten einhergehen kann, sowie der Abschluss der Abkommen vom Rat mit qualifizierter Mehrheit auf Vorschlag der Kommission beschlossen. Der Rat beschließt einstimmig, wenn das Abkommen einen Bereich betrifft, in dem für die Annahme interner Vorschriften Einstimmigkeit vorgesehen ist, sowie im Fall der in Artikel 310 genannten Abkommen.

(3) Mit Ausnahme der Abkommen im Sinne des Artikels 133 Absatz 3 schließt der Rat die Abkommen nach Anhörung des Europäischen Parlaments, und zwar auch in den Fällen, in denen das Abkommen einen Bereich betrifft, bei dem für die Annahme interner Vorschriften das Verfahren des Artikels 251 oder des Artikels 252 anzuwenden ist. …“

Die Erklärung über die Transatlantische Wirtschaftspartnerschaft zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika

4
Auf dem Londoner Gipfel am 18. Mai 1998 verabschiedeten die Europäische Union und die Vereinigten Staaten von Amerika (im Folgenden: die Partner) eine Erklärung über die Transatlantische Wirtschaftspartnerschaft.

5
Nach Ziffer 10 dieser Erklärung wollen die Partner ihre Bemühungen auf die Beseitigung der Hemmnisse konzentrieren, die erhebliche Auswirkungen auf den transatlantischen Handel und die transatlantischen Investitionen haben, insbesondere der Hindernisse in Form von Vorschriften, die den Zugang zu den Märkten für Waren oder Dienstleistungen begrenzen.

6
In Ziffer 17 dieser Erklärung bekunden die Partner ihre Absicht,

so bald wie möglich eine Übersicht über die Bereiche für ein gemeinsames Vorgehen sowohl bilateraler als auch multilateraler Art zu erstellen, einschließlich eines Zeitplans für die Erzielung konkreter Ergebnisse;

alle erforderlichen Schritte zu unternehmen, die die rasche Umsetzung dieses Plans erlauben, einschließlich der erforderlichen Ermächtigung zur Einleitung von Verhandlungen.

7
In einer Fußnote zu der Erklärung heißt es, dass dieser kein Verhandlungsmandat der Europäischen Union zu entnehmen sei.

Der Aktionsplan für die Transatlantische Wirtschaftspartnerschaft

8
Die Partner nahmen den Aktionsplan für die Transatlantische Wirtschaftspartnerschaft an, dem der Rat der Europäischen Union am 9. November 1998 zustimmte (im Folgenden: Aktionsplan). In diesem Rahmen ermächtigte der Rat die Kommission, Verhandlungen über den Abschluss bilateraler Abkommen mit den Vereinigten Staaten von Amerika, insbesondere auf dem Gebiet der technischen Handelshemmnisse, einzuleiten (Pressemitteilung Nr. 12560/98 des Rates vom 9. November 1998).

9
Der dritte, dem bilateralen Vorgehen gewidmete Teil des Aktionsplans enthält eine Ziffer 3.1, in der technische Hemmnisse im Handel mit Waren behandelt werden. In Ziffer 3.1.1 „Zusammenarbeit in Regelungsfragen“ dieses Plans ist vorgesehen, dass die Partner verschiedene Maßnahmen treffen, darunter insbesondere

die Ermittlung und Anwendung von gemeinsam aufgestellten allgemeinen Grundsätzen/Leitlinien für eine wirksame Zusammenarbeit in Regelungsfragen;

die gemeinsame Untersuchung von im gegenseitigen Einvernehmen geregelten Aspekten, insbesondere des Zugangs zu den Regelungsverfahren der anderen Seite im Hinblick auf Transparenz und Beteiligung der Öffentlichkeit – einschließlich der Möglichkeit einer echten Mitwirkung aller interessierten Parteien an diesen Verfahren und einer gebührenden Berücksichtigung ihrer Standpunkte;

auf der Grundlage dieser Prüfung die Suche nach Mitteln und Wegen, wie der Zugang zu den Regelungsverfahren der anderen Seite verbessert werden kann, sowie die Entwicklung gemeinsam aufgestellter allgemeiner Grundsätze/Leitlinien in Bezug auf diese Verfahren unter Wahrung der Unabhängigkeit der jeweiligen Regelungsbehörden.

Die Leitlinien

Die Verhandlung über die Leitlinien

10
Im Juli 1999 begannen zwischen den zuständigen Dienststellen der Kommission und ihren Ressortkollegen der Dienststellen des amerikanischen Handelsbeauftragten und des Handelsministeriums Gespräche über die Leitlinien.

11
Während der gesamten Gespräche betonten die Dienststellen der Kommission, dass die Leitlinien keine völkerrechtlichen Ansprüche oder Verpflichtungen zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika schaffen werden.

12
Im Februar 2002 wurden die Leitlinien durch eine Erklärung zwischen den Verhandlungsführern der Dienststellen der Kommission und ihren amerikanischen Ressortkollegen beschlossen. Das Schriftstück wurde nicht unterschrieben.

13
Dieser Text wurde der Kommission übermittelt, die ihn in ihrer Sitzung vom 9. April 2002 zur Kenntnis nahm. Er wurde nicht im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht.

Die Mitteilung der Dienststellen der Kommission vom 9. April 2002 über die Leitlinien

14
Am 9. April 2002 richteten die Dienststellen der Kommission an den gemäß Artikel 133 Absatz 3 EG eingerichteten Ausschuss eine Mitteilung, der als Anlage der Text der Leitlinien in der endgültigen Fassung vom 13. Februar 2002 beigefügt war.

15
In dieser Mitteilung führen die Dienststellen der Kommission insbesondere aus:

„Der im Rahmen der Transatlantischen Wirtschaftspartnerschaft (TWP) beschlossene Aktionsplan umfasst eine bilaterale Verpflichtung, mit den amerikanischen Stellen Leitlinien für die Zusammenarbeit in Regelungsfragen und die Transparenz auszuarbeiten. Seit Ende 1999 haben wir über die Leitlinien verhandelt. In der Vergangenheit haben wir Sie mehrfach – zuletzt im Januar 2001 – über die Fortschritte bei diesen Verhandlungen informiert. Heute freue ich mich, Ihnen mitteilen zu können, dass wir auf Expertenebene mit dem Handelsbeauftragten der Vereinigten Staaten Übereinstimmung über den beigefügten Text erzielt haben.“

16
Im Text dieser Mitteilung wurde ferner hervorgehoben, dass die Richtlinien – wie aus ihnen selbst hervorgeht – von den Partnern auf freiwilliger Basis, im Einklang mit den von der jeweiligen Seite angewandten Regeln und der verfolgten Politik anzuwenden seien und dass diese Leitlinien kein völkerrechtliches Abkommen darstellten, sondern vielmehr ein Ergebnis, zu dem die zuständigen Dienststellen beider Partner gelangt seien und das dem nächsten Gipfel Europäische Union – Vereinigte Staaten von Amerika vorzulegen sei.

Wortlaut der Leitlinien

17
Die Leitlinien umfassen sechs Abschnitte: Einleitung (I), Ziele (II), Anwendungsbereich (III), Maßnahmen im Bereich der Zusammenarbeit in Regelungsfragen (IV), Maßnahmen im Bereich der Transparenz (V) und verfahrensrechtliche Aspekte der Leitlinien (VI).

18
In Abschnitt I der Leitlinien wird auf den Kontext verwiesen, in dem diese Leitlinien angenommen worden sind, insbesondere die Transatlantische Wirtschaftspartnerschaft und den Aktionsplan.

19
Als Ziele dieser Leitlinien werden in deren Abschnitt II die Verbesserung der Zusammenarbeit der Regelungsbehörden der Partner und die Erhöhung der Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung von Regelungen genannt, um so die wirtschaftlichen Spannungen zwischen den Partnern zu verringern und zu lösen und den Warenhandel zu erleichtern. Daher verfolge die Zusammenarbeit insbesondere den Zweck, die Vorbereitung und Ausarbeitung von Regelungsvorschlägen zu verbessern, die Qualität und das Niveau der Regelungen zu erhöhen, die Divergenzen zwischen den Regelungen durch einen systematischeren Dialog zwischen den Regelungsbehörden zu vermindern oder sogar zu beseitigen (Ziffer 4 Buchstabe a der Leitlinien) und durch den Informationsaustausch eine bessere Vorhersehbarkeit bei der Ausarbeitung von Regelungen sicherzustellen (Ziffer 4 Buchstabe b). In Bezug auf die Transparenz sind die Ziele zunächst, die Beteiligung der Öffentlichkeit am Regelungsprozess zu fördern, indem ihr Zugang zu den vorbereitenden Dokumenten, Analysen und maßgebenden Daten gewährt und allen interessierten innerstaatlichen und ausländischen Parteien die Möglichkeit eingeräumt wird, rechtzeitig Stellungnahmen zu den Regelungsvorhaben abzugeben (Ziffer 4 Buchstabe d), sodann, Erläuterungen und Informationen zu den verschiedenen Erwägungen, die zum Erlass von Regelungen geführt haben, an die Öffentlichkeit weiterzugeben (Ziffer 4 Buchstabe f) und schließlich, das Verständnis in der Öffentlichkeit für die Ziele und Wirkungen der Regelungsvorhaben zu verbessern sowie die Akzeptanz der erlassenen Regelungen in der Öffentlichkeit zu erhöhen (Ziffer 4 Buchstabe g).

20
Nach Abschnitt III der Leitlinien deckt deren Anwendungsbereich die Ausarbeitung der technischen Bestimmungen, die im Übereinkommen der Welthandelsorganisation über technische Handelshemmnisse genannt sind. Weiter wird ausgeführt, dass es sich bei der in diesem Dokument genannten Regelungstätigkeit um die der Vorbereitung technischer Bestimmungen handele, die als Gesetzesentwürfe vorgelegt werden sollten. In Ziffer 7 der Leitlinien heißt es, dass die in diesem Dokument genannten Regelungsbehörden die amerikanische Bundesregierung auf der einen und die Dienststellen der Kommission auf der anderen Seite seien und dass diese Stellen beabsichtigten, diese Leitlinien „weitestmöglich auf freiwilliger Basis anzuwenden“.

21
Zu den Maßnahmen in Bezug auf die Zusammenarbeit in Regelungsfragen gehören nach Abschnitt IV Ziffern 10 und 12 Bestimmungen über den Austausch von Informationen und gegenseitige Konsultationen, insbesondere über geplante oder solche Regelungen, an denen gearbeitet werde. Die Leitlinien enthalten in Ziffer 11 Bestimmungen zur Erhebung und Analyse von Daten betreffend Probleme, die eine Regelungstätigkeit rechtfertigen könnten, sowie zur Festlegung von Prioritäten bei deren Behandlung, in Ziffer 13 Bestimmungen über die Koordination für Regelungszwecke einschlägiger Forschungs- und Entwicklungsprogramme, in Ziffer 14 Bestimmungen über den Vergleich und die Angleichung von Regelungsmethoden und -ansätzen, in Ziffer 15 Bestimmungen über die Prüfung der Möglichkeiten, die unnützen Unterschiede zwischen den technischen Vorschriften zu verringern, sei es durch die Suche nach miteinander in Einklang gebrachten oder gegebenenfalls durch die gegenseitige Anerkennung vereinbarten Lösungen, und in Ziffer 16 Bestimmungen über die Prüfung der Durchführung der Regelungen.

22
Zu den Maßnahmen im Bereich der Transparenz sieht Abschnitt V der Leitlinien detaillierte Modalitäten betreffend die Unterrichtung und vorherige Anhörung der Öffentlichkeit durch die zuständigen Stellen während des Verfahrens der Vorbereitung und der Ausarbeitung technischer Vorschriften vor. Dazu heißt es u. a., dass die Regelungsbehörden Informationen über die laufenden und künftigen Regelungsvorhaben zur Verfügung zu stellen, die Öffentlichkeit anzuhören und ihr die Möglichkeit einzuräumen hätten, zu den Regelungsvorhaben rechtzeitig Stellung zu nehmen, ihr insoweit alle einschlägigen Informationen und Erläuterungen zu geben, ihre Anmerkungen in Betracht zu ziehen und darüber Auskunft zu erteilen, wie diese Anmerkungen behandelt worden seien.

23
Abschnitt VI der Leitlinien, der Verfahrensfragen gewidmet ist, sieht schließlich Modalitäten, vor, denen bei der Durchführung und Weiterentwicklung der Leitlinien zu folgen ist. In Ziffer 18 der Leitlinien heißt es, dass diese Anwendung sowie die bei festgelegten Regelungsvorhaben erzielten Fortschritte von der im Rahmen der Transatlantischen Wirtschaftspartnerschaft eingerichteten Arbeitsgruppe zu den technischen Handelshemmnissen ständig überwacht würden. Nach Ziffer 19 dieser Leitlinien werden beide Seiten gemeinsam darauf hinarbeiten, um die Bereiche der Zusammenarbeit, in denen Fortschritte erzielt werden könnten, sowie neue Bereiche der Zusammenarbeit zwischen den Regelungsbehörden festzulegen. Gemäß Ziffer 20 der Leitlinien werden beide Seite ihre Bemühungen fortsetzen, die Mittel zu finden, um die Transparenz in den jeweiligen Regelungsverfahren zu erhöhen, werden Wege prüfen, den Zugang interessierter Parteien an ihrem Regelungsverfahren zu verbessern, und werden diese interessierten Parteien weiter anhören. Nach Ziffer 21 dieser Leitlinien werden die mit der Überwachung der Übereinstimmung betrauten Organe und die, deren Aufgabe die Entwicklung von Standards ist, ermuntert, die Leitlinien in Bezug auf die Transparenz bei der Auslegung technischer Vorschriften zu befolgen. In Ziffer 22 der Leitlinien heißt es, dass sich beide Seiten bemühen werden, im Hinblick auf die erstmalige Anwendung dieser Leitlinien spezielle Regelungsvorhaben festzulegen.


Zulässigkeit der Klage

24
Die Kommission erhebt zwei Einreden der Unzulässigkeit. Zum einen habe sie weder als Organ noch als Kollegium jemals ihre Zustimmung dazu zum Ausdruck gebracht, durch die Leitlinien, die im Übrigen nur eine auf der Ebene der Dienststellen geschlossene Verwaltungsvereinbarung darstellten, gebunden zu sein. Daher liege keine Handlung der Kommission vor, die Gegenstand einer Anfechtungsklage sein könnte.

25
Zum anderen seien diese Leitlinien, selbst wenn sie die Kommission binden sollten, deshalb keine anfechtbare Handlung, weil sie nicht als Handlung qualifiziert werden könnten, der Rechtswirkungen innewohnten oder die solche entfaltete.

26
Unter den im vorliegenden Fall gegebenen Umständen braucht nicht über die von der Kommission erhobenen Einreden der Unzulässigkeit entschieden zu werden, da die Klage der Französischen Republik jedenfalls als unbegründet abzuweisen ist.


Begründetheit

27
Die französische Regierung stützt ihre Klage auf zwei Gründe, und zwar erstens fehlende Zuständigkeit der Kommission zur Vornahme der angefochtenen Handlung und zweitens Verletzung des der Kommission durch den EG-Vertrag verliehenen Monopols zur Gesetzesinitiative.

Erster Klagegrund

Vorbringen der Beteiligten

28
Mit ihrem ersten Klagegrund trägt die französische Regierung vor, der Kommission habe die Zuständigkeit zur Vornahme der angefochtenen Handlung gefehlt, da es sich bei den Leitlinien um ein völkerrechtliches Abkommen mit Bindungswirkung handele, dessen Abschluss, wie sich aus der durch Artikel 300 EG vorgenommenen Zuständigkeitsverteilung ergebe, in die Zuständigkeit des Rates falle (Urteil vom 9. August 1994 in der Rechtssache C-327/91, Frankreich/Kommission, Slg. 1994, I-3641).

29
Trotz gewisser vorsichtiger Formulierungen in den Leitlinien seien diese umfassend und umsetzbar und ließen mit großer Genauigkeit die angestrebten Ziele, den Handlungsrahmen und die Maßnahmen erkennen, die im Hinblick auf die festgelegten Ziele ergriffen werden sollten. Folglich stellten sie ein Rechtsinstrument dar, das hinreichend ausgearbeitet sei, um eine von Völkerrechtssubjekten eingegangene Verpflichtung zu vermitteln, und das diese bindenden Charakter habe. Der Gerichtshof habe hierzu nämlich entschieden, dass einem Abkommen ein solcher Charakter zukomme, wenn es eine „Norm“, also eine Verhaltensvorschrift, enthalte, die für eine bestimmte Materie gelte, in genauen Formulierungen festgelegt sei und die Beteiligten binde (Gutachten 1/75 vom 11. November 1975, Slg. 1975, 1355, 1360).

30
Unter den Kriterien dafür, ob etwas als völkerrechtliches Abkommen zu qualifizieren sei, seien die auf den Inhalt des Abkommens bezogenen Erwägungen vorrangig, so dass es für eine solche Qualifizierung beispielsweise nicht darauf ankommen könne, dass die Kommission ihre Partner beständig darauf hingewiesen habe, dass die Leitlinien kein solches völkerrechtliches Abkommen darstellten, oder darauf, dass die Partner ihrerseits der Überzeugung seien, dass dem so sei.

31
Nach Ansicht der französischen Regierung enthalten die Leitlinien somit zumindest eine Verpflichtung der Partner zur Zusammenarbeit, was u. a. dadurch bescheinigt werde, dass nach Ziffer 18 dieser Leitlinien deren Anwendung sowie die bei bestimmten Regelungsvorhaben erzielten Fortschritte durch eine gemeinsame Arbeitsgruppe fortlaufend überwacht würden, oder auch dadurch, dass die Parteien in Ziffer 22 dieser Leitlinien erklärten, dass sie sich bemühen würden, im Hinblick auf die erstmalige Anwendung der Leitlinien spezielle Regelungsvorhaben festzulegen.

32
Die Kommission vertritt demgegenüber die Ansicht, bei den Leitlinien handele es sich nicht um ein rechtlich bindendes Abkommen, was durch die Untersuchung des Willens der Parteien bestätigt werde, der im Völkerrecht das allein entscheidende Kriterium für die Feststellung des Vorliegens einer möglichen derartigen Bindungswirkung sei.

33
Im vorliegenden Fall sei der Wille, sich rechtlich nicht zu binden, zunächst dem Wortlaut der Leitlinien zu entnehmen. Ausschlaggebend dafür sei der Umstand, dass es in Ziffer 7 der Leitlinien heiße, dass diese auf freiwilliger Basis angewandt würden, und der Umstand, dass die Verhaltensweisen, die die Parteien somit frei wählen wollten, unter Verwendung der englischen Begriffe „should“ und „will“ und nicht durch „shall“ beschrieben würden.

34
Dieser Wille ergebe sich ferner aus bestimmten Anhaltspunkten im Zusammenhang mit dem Aufbau der Leitlinien, wie z. B. dem Fehlen von Schlussbestimmungen in Bezug auf die Unterzeichnung, das Inkrafttreten, Änderungsmöglichkeiten, die Auflösung und die Beilegung von Streitigkeiten.

35
Dieser Wille ergebe sich schließlich aus der Prüfung des Kontexts, in dem die Leitlinien vereinbart worden seien, wobei die Kommission hierzu vorträgt, dass weder die Transatlantische Wirtschaftspartnerschaft noch deren Aktionsplan einen Rahmen bildeten, der die Billigung von Verträgen oder anderen rechtlich bindenden Übereinkünften erlaube, und dass auch die Geschichte der Gespräche belege, dass die beiden Seiten in keiner Weise die Absicht gehabt hätten, „Rechte und Verpflichtungen“ zu schaffen. So seien die Leitlinien u. a. nie dem Kongress der Vereinigten Staaten notifiziert worden, was bei einem bindenden völkerrechtlichen Abkommen jedoch erforderlich sei.

36
Nach Ansicht der Kommission geht im Übrigen aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes hervor, dass ihr nur die Zuständigkeit zum Abschluss bindender völkerrechtlicher Abkommen abgesprochen werde (Urteil Frankreich/Kommission).

37
Die Kommission leitet daraus ab, dass sie in vollem Umfang für die Einigung mit den amerikanischen Stellen über die Leitlinien zuständig gewesen sei, da es sich bei diesen Leitlinien um eine einfache Vereinbarung über die praktische Zusammenarbeit ohne rechtlich bindende Wirkung handele.

Würdigung durch den Gerichtshof

38
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die französische Regierung mit ihrem ersten Klagegrund nur geltend macht, dass die Leitlinien gemäß Artikel 300 EG vom Rat und nicht von der Kommission hätten vereinbart werden müssen, da sie ein bindendes Abkommen darstellten.

39
Die französische Regierung hat dagegen nicht vorgetragen, dass ein Akt mit den Merkmalen der Leitlinien, selbst wenn ihm die bindende Wirkung fehlt, in die alleinige Zuständigkeit des Rates fallen müsse. Für den Gerichtshof besteht daher kein Anlass, den Gegenstand der Klage, mit der er befasst ist, zu erweitern.

40
Jedoch kann das vorliegende Urteil nicht so ausgelegt werden, als folge es dem Vorbringen der Kommission, wonach der Umstand, dass einem Akt wie den Leitlinien die bindende Wirkung fehle, ausreiche, diesem Organ die Zuständigkeit zu seiner Billigung zu verleihen. Da es sich im vorliegenden Fall um einen Akt handelt, mit dem die Gefahr von Spannungen verringert werden soll, die mit dem Vorhandensein technischer Hemmnisse für den Warenhandel verknüpft sind, müssen nämlich für die Festlegung der Bedingungen, unter denen die Billigung eines solchen Aktes erfolgen kann, die Zuständigkeitsverteilung und das institutionelle Gleichgewicht, die durch den Vertrag auf dem Gebiet der gemeinsamen Handelspolitik festgelegt worden sind, angemessen berücksichtigt werden.

41
In diesem Zusammenhang ist im Übrigen u. a. festzustellen, dass der Rat sowohl die Transatlantische Wirtschaftspartnerschaft als auch den Aktionsplan gebilligt hat und dass aus der Mitteilung vom 9. April 2002, die die Kommission an den gemäß Artikel 133 Absatz 3 EG eingerichteten Ausschuss gerichtet hat, hervorgeht, dass dieser Ausschuss von den Dienststellen der Kommission regelmäßig über den Fortgang der Verhandlungen betreffend die Ausarbeitung der Leitlinien auf dem Laufenden gehalten wurde.

42
Vorbehaltlich der vorstehenden Ausführungen ist festzustellen, dass – wie die Kommission zu Recht vorgetragen hat –  für die Feststellung, ob die Leitlinien bindend sind, grundsätzlich der Wille der Parteien das entscheidende Kriterium darstellt.

43
Im vorliegenden Fall kommt – wie der Generalanwalt in den Nummern 56 und 57 seiner Schlussanträge ausgeführt hat – dieser Wille im Wortlaut der Leitlinien klar zum Ausdruck, da nämlich in Ziffer 7 der Leitlinien klargestellt wird, dass mit diesem Schriftstück die Leitlinien festgelegt werden sollen, die die Regelungsbehörden der Bundesregierung der Vereinigten Staaten und der Dienststellen der Kommission „auf freiwilliger Basis anwenden wollen“. Ohne dass geprüft zu werden braucht, welche genaue Bedeutung der Verwendung der Begriffe „should“ oder „will“, nicht aber „shall“ in einem von der Gemeinschaft abgeschlossenen völkerrechtlichen Abkommen gegebenenfalls zukommt, genügt unter diesen Umständen die Feststellung, dass aus der vorerwähnten Klarstellung hervorgeht, dass die Parteien bei der Vereinbarung der Leitlinien nicht die Absicht hatten, sie rechtlich bindende Verpflichtungen einzugehen.

44
Wie die Kommission – von der französischen Regierung insoweit unwidersprochen – betont hat, bestätigt der Verhandlungsverlauf ferner, dass die Parteien ihren Willen, keine bindenden Verpflichtungen einzugehen, zuvor während der Phase der Verhandlungen über die Leitlinien mehrfach ausdrücklich geäußert haben.

45
Folglich stellen die Leitlinien kein bindendes Abkommen dar und sind somit von Artikel 300 EG nicht erfasst.

46
Nach alledem ist der erste Klagegrund unbegründet.

Zum zweiten Klagegrund

47
Mit ihrem zweiten Klagegrund trägt die französische Regierung vor, die Leitlinien verstießen dadurch gegen den EG-Vertrag, dass sie die freie Ausübung des ausschließlichen Vorschlagsrechts beeinträchtigten, über das die Kommission im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens der Gemeinschaft verfüge, und so dieses Gesetzgebungsverfahren als Ganzes berührten.

48
Zum einen müssten die Leitlinien von der Kommission in der Phase des Gesetzgebungsverfahrens, für die sie verantwortlich sei, berücksichtigt werden und zögen daher einen Rahmen für die ihr übertragene Aufgabe, Vorschläge vorzulegen.

49
Zum anderen habe diese Einengung des Vorschlagsrechts der Kommission Folgen für das gesamte Gesetzgebungsverfahren der Gemeinschaft, da die Art der von der Kommission vorgelegten Vorschläge den Spielraum für den Rat festlege, der sich nur einstimmig über diese Vorschläge hinwegsetzen könne.

50
Hierzu ist erstens daran zu erinnern, dass im Rahmen der Prüfung des ersten Klagegrundes festgestellt worden ist, dass den Leitlinien die bindende Wirkung fehlt. Daraus folgt u. a., dass die Leitlinien entgegen dem Vorbringen der französischen Regierung keine Verpflichtungen der Kommission bei der Wahrnehmung ihrer Aufgabe der gesetzgeberischen Initiative begründen konnten.

51
Zweitens umfasst, wie die Kommission und die Regierung des Vereinigten Königreichs zu Recht vorgetragen haben, die Befugnis zur gesetzgeberischen Initiative Möglichkeiten, vorherige Konsultationen einzuleiten und Informationen einzuholen, die vor der Vorlage geeigneter Vorschläge als erforderlich erachtet werden. Daher lässt sich insbesondere nicht sagen, dass der Umstand allein, dass ein Akt wie die Leitlinien den Weg zu solchen Möglichkeiten eröffnet, eine Beeinträchtigung der Ausübung des Initiativrechts durch die Kommission bewirkte.

52
Demnach ist der zweite Klagegrund unbegründet.

53
Da die Klage somit in Bezug auf keinen der Klagegründe begründet ist, ist sie abzuweisen.


Kosten

54
Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission die Verurteilung der Französischen Republik beantragt hat und diese mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen

DER GERICHTSHOF (Plenum)

für Recht erkannt und entschieden:

1.       Die Klage wird abgewiesen.

2.       Die Französische Republik trägt die Kosten des Verfahrens.

Skouris

Jann

Timmermans

Gulmann

Cunha Rodrigues

La Pergola

Puissochet

Schintgen

Macken

Colneric

von Bahr

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 23. März 2004.

Der Kanzler

Der Präsident

R. Grass

V. Skouris


1
Verfahrenssprache: Französisch.

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