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Document 62002CJ0175

    Urteil des Gerichtshofes (Erste Kammer) vom 13. Januar 2005.
    F. J. Pape gegen Minister van Landbouw, Natuurbeheer en Visserij.
    Ersuchen um Vorabentscheidung: Hoge Raad der Nederlanden - Niederlande.
    Statsstøtte - EF-traktatens artikel 93, stk. 3 (nu artikel 88, stk. 3, EF) - påtænkt støtte - forbud mod gennemførelse af de påtænkte foranstaltninger før Kommissionens endelige beslutning - afgift, der delvis er bestemt til at finansiere støtteforanstaltningen - afgift indført inden anvendelse af støtten.
    Rechtssache C-175/02.

    Sammlung der Rechtsprechung 2005 I-00127

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:2005:11

    Rechtssache C‑175/02

    F. J. Pape

    gegen

    Minister van Landbouw, Natuurbeheer en Visserij

    (Vorabentscheidungsersuchen des Hoge Raad der Nederlanden)

    „Staatliche Beihilfen – Artikel 93 Absatz 3 EG-Vertrag (jetzt Artikel 88 Absatz 3 EG) – Beihilfevorhaben – Verbot der Durchführung beabsichtigter Maßnahmen vor Erlass der abschließenden Entscheidung durch die Kommission – Teilweise der Finanzierung der Beihilfemaßnahme dienende Abgabe – Vor der Anwendung der Beihilferegelung eingeführte Abgabe“

    Schlussanträge des Generalanwalts L. A. Geelhoed vom am 4. März 2004  

    Urteil des Gerichtshofes (Erste Kammer) vom 13. Januar 2005  

    Leitsätze des Urteils

    Staatliche Beihilfen – Bestimmungen des Vertrages – Anwendungsbereich – Teilweise der Finanzierung einer Beihilfemaßnahme dienende Abgaben – Einbeziehung – Voraussetzung – Zwingender Verwendungszusammenhang zwischen der Abgabe und der Beihilfe

    (EG-Vertrag, Artikel 92 [nach Änderung jetzt Artikel 87 EG] und Artikel 93 [jetzt Artikel 88 EG])

    Abgaben fallen nicht in den Anwendungsbereich der Bestimmungen des Vertragses über staatliche Beihilfen, es sei denn, dass sie die Art der Finanzierung einer Beihilfemaßnahme darstellen, so dass sie Bestandteil dieser Maßnahme sind.

    Damit eine Abgabe oder ein Teil einer Abgabe als Bestandteil einer Beihilfemaßnahme angesehen werden kann, muss nach der einschlägigen nationalen Regelung zwischen der Abgabe und der Beihilfe notwendig ein zwingender Verwendungszusammenhang bestehen. Besteht ein solcher Zusammenhang, so beeinflusst das Abgabenaufkommen unmittelbar den Umfang der Beihilfe und folglich auch die Beurteilung der Vereinbarkeit dieser Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt.

    (vgl. Randnrn. 14-15)




    URTEIL DES GERICHTSHOFES (Erste Kammer)

    13. Januar 2005(*)

    „Staatliche Beihilfen – Artikel 93 Absatz 3 EG-Vertrag (jetzt Artikel 88 Absatz 3 EG) – Beihilfevorhaben – Verbot der Durchführung beabsichtigter Maßnahmen vor Erlass der abschließenden Entscheidung durch die Kommission – Teilweise der Finanzierung der Beihilfemaßnahme dienende Abgabe – Vor der Anwendung der Beihilferegelung eingeführte Abgabe“

    In der Rechtssache C-175/02

    betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom Hoge Raad der Nederlanden (Niederlande) mit Entscheidung vom 8. März 2002, beim Gerichtshof eingegangen am 13. Mai 2002, in dem Verfahren

    F. J. Pape

    gegen

    Minister van Landbouw, Natuurbeheer en Visserij

    erlässt

    DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

    unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann sowie der Richter A. Rosas, K. Lenaerts, S. von Bahr und K. Schiemann (Berichterstatter),

    Generalanwalt: L. A. Geelhoed,

    Kanzler: M.-F. Contet, Hauptverwaltungsrätin,

    aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 22. Januar 2004,

    unter Berücksichtigung der Erklärungen

    –       der niederländischen Regierung, vertreten durch H. G. Sevenster als Bevollmächtigte,

    –       der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch J. Flett und H. van Vliet als Bevollmächtigte,

    nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 4. März 2004

    folgendes

    Urteil

    1       Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft ebenso wie das in der Rechtssache C‑174/02, Streekgewest Westelijk Noord-Brabant (Urteil vom selben Tag, Slg. 2005, I-0000, im Folgenden: Urteil SWNB), die Auslegung des Artikels 93 Absatz 3 EG-Vertrag (jetzt Artikel 88 Absatz 3 EG).

    2       Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Landwirt Pape und dem Minister van Landbouw, Natuurbeheer en Visserij (Minister für Landwirtschaft, Umweltschutz und Fischerei) über eine bei dem Landwirt nach Artikel 13 der Meststoffenwet vom 27. November 1986 (Düngemittelgesetz, Staatsblad 1986, 598) erhobene Abgabe auf Düngemittelüberschüsse, die angeblich unter Verstoß gegen das in Artikel 93 Absatz 3 Satz 3 EG-Vertrag enthaltene Durchführungsverbot eingeführt wurde.

     Rechtlicher Rahmen

     Gemeinschaftsrecht

    3       Artikel 93 Absatz 3 EG-Vertrag bestimmt:

    „Die Kommission wird von jeder beabsichtigten Einführung oder Umgestaltung von Beihilfen so rechtzeitig unterrichtet, dass sie sich dazu äußern kann. Ist sie der Auffassung, dass ein derartiges Vorhaben nach Artikel 92 mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar ist, so leitet sie unverzüglich das in Absatz 2 vorgesehene Verfahren ein. Der betreffende Mitgliedstaat darf die beabsichtigte Maßnahme nicht durchführen, bevor die Kommission eine abschließende Entscheidung erlassen hat.“

     Nationales Recht

    4       In den Niederlanden wurde mit Artikel 13 der Meststoffenwet, die nach einer Verordnung vom 22. April 1987 (Staatsblad 1987, 189) am 1. Mai 1987 in Kraft getreten ist, eine Abgabe auf Düngemittelüberschüsse eingeführt, „um die Kosten zu decken, die verbunden sind mit

    a)      den Geräten der Güllestellen nach Artikel 9;

    b)      dem Beitrag nach Artikel 9 Absatz 4;

    c)      der Schaffung von Infrastruktureinrichtungen für eine zweckmäßige Ab- und Anfuhr, Be- oder Verarbeitung und Beseitigung von Düngemittelüberschüssen;

    d)      der Aufsicht im Zusammenhang mit der Durchführung der Kapitel III und IV“.

    5       Die Abgabenpflicht entsteht mit der Erzeugung von Gülle. Die im Lauf eines Zeitraums (in der Regel eines Kalenderjahres) entstandene Abgabenschuld ist (grundsätzlich innerhalb eines Monats nach Ablauf des Zeitraums) auf Erklärung zu entrichten.

    6       Nach Artikel 9 Absatz 4 der Meststoffenwet, auf den Artikel 13 Buchstabe b dieses Gesetzes verweist, kann eine Güllestelle Beiträge zu den Kosten u. a. der Beförderung tierischer Exkremente gewähren, wenn sie der Auffassung ist, dass dies eine zweckmäßige Verwertung und Beseitigung gemäß den Zielen des Gesetzes fördert. Zu diesem Zweck wurde das Reglement Mestbank inzake vangnetfunctie en kwaliteitspremiëringssysteem vom 25. April 1989 (Güllestellenverordnung über die Wiederverwertungsfunktion und das Qualitätsprämierungssystem, Staatscourant 1989, 86) erlassen. Diese Verordnung trat am 1. April 1989 in Kraft. Sie sah eine Beihilfe für die Beförderung hochwertiger Gülle gemäß dem Qualitätsprämierungssystem vor.

    7       Das Königreich der Niederlande setzte die Kommission mit Schreiben vom 26. Juli 1988 und 16. Januar 1989 von dieser Verordnung in Kenntnis. Die Kommission teilte den Niederlanden mit Schreiben vom 10. März 1989 ihre Entscheidung mit, bis Ende 1989 keine Einwände gegen die Verordnung zu erheben. In einem späteren Schreiben bestätigte die Kommission, dass die Beihilfe ab 1. Januar 1988 als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar angesehen werde.

     Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

    8       Da 1988 in seinem Betrieb Gülle erzeugt wurde, musste Herr Pape für das Jahr 1988 die Überschussabgabe entrichten. Er gab jedoch innerhalb der Monatsfrist keine Erklärung ab. Von ihm wurde daher mit am 31. März 1989 zugestelltem Abgabenbescheid für 1988 eine Überschussabgabe in Höhe von 10 283,50 NLG sowie ein Aufschlag in der gleichen Höhe erhoben.

    9       Herr Pape legte dagegen Einspruch beim Inspecteur van het Bureau Heffingen van het ministerie van Landbouw, Natuurbeheer en Visserij (Inspekteur der Abgabenstelle des Ministeriums für Landwirtschaft, Umweltschutz und Fischerei) ein. Dieser setzte die im Abgabenbescheid festgesetzte Überschussabgabe auf 1 779,60 NLG samt einem Aufschlag von 177,96 NLG herab. Herr Pape klagte gegen diese Entscheidung beim Gerechtshof Leeuwarden (Niederlande). In der Zwischenzeit hatte der Inspecteur den Aufschlag zurückgenommen. Der Gerechtshof bestätigte die Entscheidung des Inspecteur ohne den Aufschlag. Herr Pape legte daraufhin Rechtsmittel beim Hoge Raad der Nederlanden ein.

    10     Dieses Rechtsmittel ist teilweise darauf gestützt, dass ein Teil des Aufkommens der Überschussabgabe für das Jahr 1988 für die Durchführung der Beihilferegelung im Jahr 1989 bestimmt gewesen und dafür verwendet worden sei.

    11     Da der Hoge Raad der Nederlanden der Ansicht ist, dass die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits von der Auslegung des Artikels 93 Absatz 3 EG-Vertrag  abhänge, hat er das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

    1.       Findet, solange die Durchführung einer Beihilfemaßnahme nicht nach Artikel 93 Absatz 3 Satz 3 EG-Vertrag genehmigt worden ist, das in dieser Vorschrift niedergelegte Verbot auch auf die Einführung einer Abgabe Anwendung, deren Aufkommen nach dem einschlägigen Gesetz teilweise für die Finanzierung der genannten Beihilfe bestimmt ist, unabhängig davon, ob eine Störung des Handelsverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten in Rede steht, die (auch) der Abgabe als Form der Finanzierung der Beihilfe zugeschrieben werden kann? Sofern die Beantwortung dieser Frage von der Intensität des Zusammenhangs zwischen der zweckgebundenen Abgabe und der Beihilfemaßnahme oder von dem Zeitpunkt, zu dem das Aufkommen aus der zweckgebundenen Abgabe tatsächlich für die Beihilfe verwendet wird, oder von anderen Umständen abhängt, welche Umstände sind dann dabei von Bedeutung?

    2.      Wenn das Verbot der Durchführung der Beihilfemaßnahme auch die zweckgebundene Abgabe betrifft, kann sich dann derjenige, von dem die Abgabe erhoben wird, unter Berufung auf die unmittelbare Wirkung des Artikels 93 Absatz 3 EG-Vertrag hinsichtlich des von ihm erhobenen vollen Betrages rechtlich zur Wehr setzen oder nur hinsichtlich des Teilbetrags, der dem Teil aus dem Aufkommen entspricht, der erwartungsgemäß verwendet wird oder in dem Zeitraum, in dem die Durchführung der Beihilfe aufgrund der genannten Vorschrift verboten ist bzw. war, erwiesenermaßen verwendet worden ist?

    3.      Ergeben sich aus dem Gemeinschaftsrecht spezifische Anforderungen in Bezug auf die Art und Weise, in der zu bestimmen ist, welcher Teil einer Abgabe unter das Verbot des Artikels 93 Absatz 3 Satz 3 EG-Vertrag fällt, wenn es sich um eine zweckgebundene Abgabe handelt, deren Aufkommen für verschiedene Ziele bestimmt ist, für die neben der zweckgebundenen Abgabe auch andere Finanzierungsquellen bestehen und die nicht alle unter die Regelung des Artikels 93 EG-Vertrag fallen, während in der nationalen Abgabenregelung kein Verteilungsschlüssel angegeben ist? Muss in einem solchen Fall der Teil der Abgabe, der der Finanzierung der unter Artikel 93 EG-Vertrag fallenden Beihilfe zugerechnet werden kann, im Wege der Schätzung nach dem Zeitpunkt der Erhebung der zweckgebundenen Abgabe bestimmt werden, oder muss von den später bekannt gewordenen Umständen hinsichtlich des gesamten Aufkommens aus der zweckgebundenen Abgabe und den im Hinblick auf die verschiedenen Ziele getätigten Ausgaben ausgegangen werden?

     Zur ersten Frage

    12     Die erste Frage besteht aus drei Teilen. Das vorlegende Gericht möchte im Wesentlichen wissen, ob das Durchführungsverbot des Artikels 93 Absatz 3 Satz 3 EG-Vertrag

    –       der Einführung einer Abgabe entgegenstehen kann, mit der eine Beihilfe finanziert werden soll,

    –       auch dann gilt, wenn sich die Abgabe nicht auf die Handelsbeziehungen zwischen den Mitgliedstaaten auswirkt,

    –       unabhängig von der Intensität des Zusammenhangs zwischen der Finanzierungsbeihilfe und der fraglichen Beihilfemaßnahme gilt.

    13     Bevor auf die anderen Teile eingegangen wird, ist der dritte Teil dieser Frage zu beantworten.

    14     Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes fallen Abgaben nicht in den Anwendungsbereich der Vertragsvorschriften über staatliche Beihilfen, es sei denn, dass sie die Art der Finanzierung einer Beihilfemaßnahme darstellen, so dass sie Bestandteil dieser Maßnahme sind (vgl. Urteil SWNB, Randnr. 25).

    15     Damit eine Abgabe oder ein Teil einer Abgabe als Bestandteil einer Beihilfemaßnahme angesehen werden kann, muss nach der einschlägigen nationalen Regelung zwischen der Abgabe und der Beihilfe notwendig ein zwingender Verwendungszusammenhang bestehen. Besteht ein solcher Zusammenhang, so beeinflusst das Abgabenaufkommen unmittelbar den Umfang der Beihilfe und folglich die Beurteilung der Vereinbarkeit dieser Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt (in diesem Sinne Urteile vom 25. Juni 1970 in der Rechtssache 47/69, Frankreich/Kommission, Slg. 1970, 487, Randnrn. 17, 20 und 21, und SWNB, Randnr. 26).

    16     Aus dem dem Gerichtshof unterbreiteten Akteninhalt ergibt sich nicht das Vorhandensein eines zwingenden Zusammenhangs zwischen der nach der Meststoffenwet erhobenen Abgabe und der Beihilfe für den Düngemitteltransport nach Artikel 9 Absatz 4 dieses Gesetzes. Denn die Meststoffenwet stellt die Verteilung des Abgabenaufkommens auf die verschiedenen Verwendungszwecke und insbesondere auch den des Artikels 9 Absatz 4 in das Ermessen der zuständigen Behörden. Das Abgabenaufkommen beeinflusst daher nicht unmittelbar den Umfang der Beihilfe, da es für andere in diesem Gesetz vorgesehene Maßnahmen verwendet werden kann, die nicht alle Merkmale einer Beihilfe im Sinne des Artikels 92 Absatz 1 EG-Vertrag (jetzt Artikel 87 Absatz 1 EG) aufweisen.

    17     Auf den dritten Teil der ersten Frage ist daher zu antworten, dass das in Artikel 93 Absatz 3 Satz 3 EG-Vertrag vorgesehene Durchführungsverbot nicht für eine Abgabe gelten kann, wenn diese oder ein bestimmter Teil ihres Aufkommens nicht zwingend für die Finanzierung einer Beihilfe verwendet wird.

    18     In Anbetracht der Antwort auf den dritten Teil der ersten Frage brauchen die anderen Teile der ersten Frage sowie die zweite und die dritte Frage nicht mehr beantwortet zu werden.

     Kosten

    19     Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

    Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:

    Das in Artikel 93 Absatz 3 Satz 3 EG-Vertrag (jetzt Artikel 88 Absatz 3 Satz 3 EG) vorgesehene Durchführungsverbot kann nicht für eine Abgabe gelten, wenn diese oder ein bestimmter Teil ihres Aufkommens nicht zwingend für die Finanzierung einer Beihilfe verwendet wird.

    Unterschriften.


    * Verfahrenssprache: Niederländisch.

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